440. König Dagobert heil

440. König Dagobert heil

Des Eichsfeldes Hauptstadt heißt Heiligenstadt, und über das ganze Land weht es wie Weihrauchduft, klingt es wie Klosterglocken. Der Stadt und dem Lande webt die Sage manch güldnen Heiligenschein. Das rührt aus frühen, frühen Zeiten her. Der Frankenkönig Dagobert ward in seinem Alter von schlimmer Krankheit befallen, dem Aussatz, übertrug die Regierung seinem Sohne und treuen Räten und zog mit seiner Gemahlin in die Ferne, zu suchen, ob er Heilung fände. Da kam er auf das Eichsfeld und lebte allda verborgen vor dem Auge der Menschen in einer Einöde, erbaute sich da einen Wohnsitz und diente Gott in einer Kapelle, die er der heiligen Jungfrau und Sankt Petrus weihte. Die Zeit, die König Dagobert nicht im Gebet zubrachte, vertrieb er sich mit der Jagd, und auf einem seiner Jagdgänge ward er von so großer Müdigkeit befallen, daß er sich in das Gras niederlegte und alsbald entschlief. Da der König erwachte, fand er das Gras stark betaut, aber alle Teile seines Körpers, welche der Tau benetzt hatte, waren zu seiner großen Freude heil vom Aussatz und rein wie die Haut eines jungen Kindes. Da eilte er fröhlich zu seiner Gemahlin und kündete ihr das Wunder, und sie riet ihm, sich noch öfters an jener Stelle in das taufeuchte Gras zu legen, und so wurde er ganz heil. Und da sprach er: Wahrlich, hier ist der Heilung und der Heiligen Statt! Und darauf ward dem König durch einen Traum offenbart, daß an jener Stelle die Heiligen Aureus und Justinus begraben lagen. Diese Heiligen waren zu des König Etzel Zeiten zu Mainz gefangen worden, durch göttliche Hülfe aber entkommen und hatten ihren Weg nach dem Eichsfeld zu genommen. Ein Präfekt des Attila folgte ihnen nach, fing sie zu Rusteberg und tat ihnen alle erdenklichen Martern an, um sie zum Rückfall in das Heidentum zu bewegen. Das war aber vergebens. Stachelschuhe verletzten die standhaften Christen nicht, glühend gemachte und ihnen aufgesetzte Helme fielen kalt zu Boden. Wilde Tiere schonten die mit Ketten an Bäume Gefesselten, denn es brannten Kerzen vor ihnen und stiegen Engel vom Himmel, die mit ihnen beteten. Endlich ließ der Präfekt die frommen Märtyrer enthaupten und ihre Leiber im Walde verscharren. König Dagobert ließ nun an der Stätte seiner Heilung ein Münster erbauen und ordnete einen Propst und zwölf Chorherren hinein, nannte den Ort Heiligenstadt und ordnete das Münster dem Bischofsitz Mainz unter, unter welchem auch die nach und nach entstehende Stadt dieses Namens beständig blieb. Noch heißt die Stätte, wo Dagobert gewohnt hat, die alte Burg.

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441. Des Teufels Kanzel

441. Des Teufels Kanzel

Unter den vielen Kanzeln, deren Besitzes der Teufel sich erfreut, ist eine der schönsten im Eichsfeld gelegen, und zwar ohnweit der Ruine des uralten Berg- und Stammschlosses Hanstein in der Germarmark. Der Teufel feierte einer Zeit die beliebte Blocksbergnacht und war guter Dinge, hielt auch der Hexenvolksversammlung auf dem Brocken eine übertreffliche, will sagen unübertreffliche Rede auf breitester Grundlage, trotz einem Reichsparlamenter, und rühmte sich seiner großen Kräfte, durch die er nun schon so manches Jahrtausend an der Spitze der Opposition gegen den Absolutismus des alten Weltmonarchen die Rechte der äußersten Linken wirksam vertrete, von denen geschrieben stehe, daß sie als Böcke ihm, dem Ur-Stinkbock, und seinen Engeln für ewige Zeiten angehören sollten. Da nun nach gehaltener Predigt von der Teufelskanzel der Becher kreiste, so fragten einige der Sprecher im Ausschuß den Präsidenten, ob er, da er so großer Kräfte sich rühme, wohl auch einen Felsblock ebenso groß wie seine Kanzel auf den Meißner in Hessen tragen könne, denn dort fehle es noch daran. Der Teufel sah sich den Felsblock auf dem Blocksberg an und meinte, das sei ihm ein leichtes, welches ihm aber nicht so obenhin geglaubt wurde, ging daher eine Wette um einige Faß Wein ein, packte den Block auf und wanderte oder flog flugs nach dem Hessenlande. Der Weg war aber sehr harschelig und uneben, besonders im Eichsfeld, und es ging dem Teufel gerade wieder, wie es ihm ergangen war, da er die Sanddüne am Meeresstrande gen Aachen schleppte; er ärgerte sich, daß er der Narr gewesen, dem Volkswillen Rechnung zu tragen und sich ihm aufzuopfern, und als er in die Nähe der Burg Hanstein kam, war es alldort so still und menschenleer, daß er dachte, hier sieht dich niemand, hier kannst du ein Eckchen ausruhen. Legte sich daher in das hohe weiche Gras und pflegte der Ruhe. Es dauerte aber gar nicht lange, so kam ein hübsches Hexchen auf seinem Besenstiel vom Blocksberg dahergefahren, das sah den Teufel liegen, so lang er war, und rief spöttisch:

Junker Hans, was machst du?
Schläfst du oder wachst du?
Greinst du oder lachst du?

Blitz! fuhr da der Teufel empor, dem Hexchen nach und fing sich’s, führte es hinunter nach Witzenhausen zum Wein und zeigte ihm, was er machte. Die Felsenkanzel ließ er liegen, wo sie lag, nahm dafür gleich einige Stückfässer Witzenhäuser Wein als Rückfracht mit auf den Blocksberg und bezahlte damit seine Wette. Die Gäste schauderten, als sie selben Wein tranken, und das Ansehen des Präsidenten erlitt eine Schwankung.

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432. Die Flegler

432. Die Flegler

Im Jahre 1412 erhob sich in der güldnen Aue zuerst ein wüster Volkshaufe, Bauern, Holz- und Waldleute, unter dem Banner des Dreschflegels, der war ihre Fahne, die erkoren einen Schnapphahn zum Führer, Friedrich von Heldrungen, und brausten wie die wilde Jagd über die güldne Aue und den Harz, brachen die Feste Hohnstein und andere Burgen, sengten und brennten, stahlen, raubten und teilten, denn ihr Glaube war, es müsse auf Erden alles gemein sein, daher singt auch ein altes Lied von ihnen, daß sie hätten getobt

als rasend‘ Hund,
gemein! gemein! schrien zu aller Stund.

Die Flegler sangen und pfiffen das alte, gar zu verlockende Lied von der Teilung und Gütergemeinschaft, das sich, wie des Donners Widerschall an Wolken, an den Jahrhunderten bricht – aber auch die Taktschläge zu ihrem Liede blieben nicht aus. Die Ritter verbanden sich, erschlugen die Bäuerlein, wo sie sie fanden, oder ließen die Gefangenen, paarweise gekoppelt wie die Jagdhunde, zu Tode geißeln. Den Haupthahn der Bande erschlug gar einer aus den Fleglern selbst, ein Harzköhler mit einem Schürbaum, wie Untreue ihren eigenen Herrn schlägt.

Wundersam spuken Geschichten und Geschicke bisweilen vor in Jahreszahlen. Nimmt man 1412 und multipliziert: einmal eins ist eins, viermal zwei ist acht, und schreibt es nieder, so hat man achtzehn, zählt man dazu die Ziffern der Jahrzahl, so sind es vier, addiert man deren Nennwert, so macht er acht, diese Zahlen nebeneinandergeschrieben, erscheint die Jahrzahl 1848, da es auch solcher Flegel und Flegler in Menge gab, die sich gebärdeten wie die Rottgesellen, von denen das alte Lied von 1412 sang und sagte. Darum hat Salomo so recht, wenn er sagt: Was ist’s, das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird. Was ist’s, das man getan hat? Eben das man hernach wieder tun wird, und geschieht nichts Neues unter der Sonnen. Geschieht auch etwas, davon man sagen möchte: siehe, das ist neu? Denn es ist vor auch geschehen in vorigen Zeiten, die vor uns gewesen sind.

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433. Werke der Buße

433. Werke der Buße

Da Ludwig, Graf von Thüringen, den sie den Springer nennen, Sankt Ulrich zu Sangerhausen das getane Gelübde erfüllt hatte, ergriff ihn und seine Frau Adelheid die Reue über die begangene Untat am Pfalzgrafen Friedrich. Eines Karfreitags setzte sie ihm Fleischspeisen vor, und als er sie darüber befragte, warum sie ihn am heiligen Tage, wo sich zieme zu fasten, zur Sünde des Fleischessens verlocken wolle, da erinnerte sie ihn schmerzlich an die genossene noch sündlichere Fleischeslust, um derentwillen ein Meuchelmord begangen worden, und da weinte er mit ihr und gelobte eine Bußfahrt gen Rom, da solle der Papst ihn büßen und auch sie, und seinem Ausspruch wollten sie Folge leisten. Solches geschähe, und Papst Stephan fand auf der Welt keine bessere Buße, als die Ehegatten zu scheiden, ihren Kindern einen guten Teil ihres Erbteiles zu entziehen und selbiges zum Bau und zur Ausstattung zweier Klöster – möglichst weit voneinander – verwenden zu lassen. So begründete Graf Ludwig das Kloster Reinhardsbrunn in einem Thüringerwaldtale und Adelheid das Kloster Oldisleben, beide für Mönche; die letztere verwandelte auch ihre Burg Scheiplitz in ein Jungfrauenkloster und wurde dessen erste Äbtissin, in Oldisleben aber ruht ihre Asche.

Zu Oldisleben fiel 1136 ein Stein vom Himmel, so groß wie ein Menschenkopf. Gespenstige Mönche spuken dort, und rächende Grabsteine bestrafen frevelnde Unbill an ihnen durch Erteilung fünfzeiliger Diplome ins Gesicht von unsichtbarer Hand. Von Schätzen im Kloster Oldisleben ist nicht minder die Rede als von solchen im Kloster Sittichenbach, der alten Zisterzienserabtei, und in Göllingen, wo der heilige Günther begraben liegt.

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434. Geheul und Geschrei

434. Geheul und Geschrei

Zu Frankenhausen, der alten Salzstadt, deren Quellen die Franken behaupteten, als in den frühen Zeiten Sachsen, Franken und Thüringer in diesen Gegenden blutige Kämpfe miteinander hatten, und die von den Franken ihren Namen trägt, ist noch ein Rest der alten Schirmfeste gegen die Sachsen im Hausmannsturm, der Altenburg oder dem alten Frankenhause zu erschauen. Dort war auch ein Zisterziensernonnenkloster zu St. Georg, und in dessen Kirche stand ein Wunderbild der heiligen Jungfrau Maria. Selbiges Bild zeigte ein liebliches Engelantlitz und war sanft gerötet, holdselig zu erblicken in guter und glückseliger Zeit. So aber trübe Zeiten herannaheten, verblich des Bildes Farbe und lieblicher Schimmer, und also geschahe es auch im Jahre 1525, da der wilde Schwarmgeist die Bauern zu hellem Aufruhr nötigte, da sie Burgen und Klöster brachen, ausplünderten und einäscherten. In jener Zeit sind die Klöster Ilfeld, Walkenried, Volkenrode, Kelbra, Sittichenbach, Oldisleben und andere mit ihren herrlichen Kirchen ganz verwüstet worden, bis die Zuchtrute wie ein Wetter des Herrn auf die Raubrotten niederschlug. Das war die Zeit, wo Thomas Münzer den Agitator spielte, und das Volk aufwiegelte, und seine Regenbogenfahne wehen ließ, und deren etwa fehlendes Rot mit dem Blut der gemeuchelmordeten Abgesandten der Fürsten ersetzte. Dem Bauernheer waren aus Frankenhausen und allen Dörfern der Umgegend die Weiber und Kinder der Gideonsstreiter, die in ihrer Verblendung dem Münzer folgten, auch nachgefolgt, die bargen sich in einem Walde, von wo aus sie den Berg über der Stadt sehen konnten, auf dem das Bauernlager aufgeschlagen war. Da nun die Schlacht mit den Herren der gegen das Bauernheer herangezogenen verbündeten Fürsten, dem Kurfürsten Johann und Herzog Georg zu Sachsen, dem Herzog Heinrich zu Braunschweig, Landgraf Philipp zu Hessen, den Harz- und andern Grafen, nachdem die zu gütlichem Vergleich entsandten Botschafter ermordet worden waren, entbrannte, Thomas Münzers lügnerisches Maulwerk, womit er die armen Bauern betört und verrückt gemacht hatte, sich als ein klarer und barer Trug erwies und über siebentausendfünfhundert Bauern mit ihren blutigen Leibern die Walstatt deckten, der ganz in Büffelleder eingenähte Held aber, wie die meisten solcher Maulhelden, in der schimpflichsten Flucht vom Schlachtfelde wich und sich in oder unter ein Bette verkroch, da erscholl von jenem Walde her ein entsetzliches wehklagendes Geheul und Geschrei der unschuldigen Weiber und Kinder jener durch die Aufruhrgelüste des Münzer verführten Bürger und Bauern, die zusahen, wie ihre Väter, Söhne, Brüder, Bräutigame und Freunde ohne Gnade hingeschlachtet wurden. Darnach wurde jenem Wald der Name Geheul und Geschrei und jenem Berge der Name Schlachtberg auf alle Zeiten. Das geschah am Montage nach dem Sonntag, da man in den Kirchen Cantate sang. Die Bauern sangen auch vor der Schlacht, gar ein schönes Lied: Nun bitten wir den Heiligen Geist! – aber der Heilige Geist war ihrem Tun und Treiben so fern, wie fern der Himmel von der Hölle ist, und konnte ihre Bitten nicht erhören.

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435. Der heilige Günther in Göllingen

435. Der heilige Günther in Göllingen

Zwischen Frankenhausen und Sondershausen lagen im Wippertale zwei Klöster, die in den Gauen umher besondern Rufes sich erfreuten, das waren St. Gertrudis zur Kapellen, insgemein Kapellen genannt, das lag unter der Arnsburg zwischen Seege und Günzerode, und St. Wippert in Göllingen. Kapellen soll der Ort gewesen sein, wo im Jahre 1197 die deutschen Fürsten Philipp von Schwaben zum deutschen Kaiser kürten. In Göllingen lebte im eilften Jahrhundert der heilige Günther, welcher ein reicher thüringischer Gaugraf war, der zur Buße seiner Jugendsünden in Hersfeld geistlich wurde und seinen Gau dem heiligen Wippert zum Eigen schenkte und nur Göllingen zum Aufenthaltort sich vorbehielt. Dieser Graf Günther soll ein Sohn des Markgrafen Ekkard gewesen sein und ein Urahnherr der Grafen von Käfernburg und Schwarzburg, deren Nachkommen noch heute Sondershausen und Frankenhausen besitzen und den Namen Günther stets in ihrem Geschlechte fortführen. Günther hatte das Gelübde getan, nimmer Fleisch zu essen, da derselbe nun einst bei einem mächtigen Herrscher zu Gast war und dieser ihm nötigend zusetzte, von einem aufgetragenen gebratenen Pfau zu essen, so rief der fromme Mann Gott an, ihn aus dieser Verlegenheit zu ziehen, und siehe, da bekam der gebratene Pfau in seiner Schüssel Federn, wurde lebendig und flog auf und davon. Dieser fromme Mann und Wundertäter ist fern von Thüringen, im Lande Böhmen, gestorben und hat noch nach seinem Tode viele Wunder getan. Die beiden Klöster im Wippertale hielten gute Freundschaft und Nachbarschaft miteinander und führten heimliche Gänge unter der Erde von Kapellen nach Göllingen, die gegenseitigen Besuche unsichtbar zu machen, welche die Mönchlein und die Nönnlein einander abgestattet haben sollen, wie die Sage geht.

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436. Ursprung der Grafen von Schwarzburg

436. Ursprung der Grafen von Schwarzburg

Viele wollen den Ursprung und die Abkunft der alten Grafen von Schwarzburg vom heiligen Günther nicht gelten lassen. Ein Verwandter und Heerführer des großen Sachsenherzogs Wittekind, genannt Wittekind der Schwarze, soll deren Ahnherr gewesen sein, ebenso jener der Grafen von Gleichen; nach andern sollen wieder jene Brüder von Gleichen, welche die Burgen bei Göttingen hatten und, von dort vertrieben, nach Thüringen kamen und Schloß Gleichen neben Mühlberg und Wachsenburg erbauten, die Stammväter der heutigen Schwarzburger Fürstenhäuser gewesen sein. Noch ein Stück höher hinauf in den nachtdunkeln Schwarzwald der Urgeschichte rückt besagter Ursprung ein dritter Chronist, nämlich bis in die Zeit, da Dietrich von Bern lebte und die Thüringer heftig mit Sachsen und Franken zu streiten kamen. Da habe ein Graf eine Kohlbaude und Meilerstätte auf einem Berge angetroffen und habe auf diesem schwarzen Berg eine Burg erbaut, siehe, da war die Schwarzburg fertig. Nach andern habe Kaiser Lothars sechster Sohn, Gundar, das ist Günther, geheißen, der habe Schloß Käfernburg bei Arnstadt erbaut, und der sei der wahre Stammvater des hohen Geschlechtes, das sich frühzeitig zur Blüte hob und durch die Reihe der Jahrhunderte fortpflanzte, berühmte Klöster gründete, auch Deutschland einen Kaiser gab. Alle Welt weiß von dem Raub der sächsischen Prinzen durch Kunz von Kauffungen, weit minder aber bekannt ist der Raub zweier junger Grafen von Schwarzburg durch Jost Hake, welcher gar ein tapferer Kriegsmann war und im Schmalkaldischen Kriege auch den Grafen Hugo von Mansfeld aus dessen eignem Schlosse zur Nachtzeit gefangen hinwegführte. Erst nach zwei Jahren gab er ihn um tausend Goldgülden wieder frei.

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437. Die Auswanderung der Heiligen

437. Die Auswanderung der Heiligen

Zwischen Sondershausen und Mühlhausen in Thüringen lag das Zisterzienserkloster Volkenrode, früher Folcodesrode geheißen. Darin lebte ein frommer Abt, der hatte einen Traum von drei Jungfrauen aus dem Gefolge der eilftausend, die mit St. Ursula in Köln begraben liegen, zog hin, fand deren Leichname auf und führte sie nach seinem Kloster, wo die heiligen Leiber großer Verehrung teilhaft wurden. Da aber eine Zeit großer Kriegsunruhen kam, so wurden die Kirchenschätze heimlich verborgen, und die drei Jungfrauengerippe bekamen ihre Stelle unterm Dach und wurden vergessen. Solche Vernachlässigung mißfiel aber den heiligen drei Jungfrauen – sie hatten im Leben Theumata, Eleumata und Christantia geheißen – höchlich; sie klopften einigemal stark an ihren Schrein, in dem sie lagen, allein es ward überhört; darauf erschienen sie dem Küster und mahnten ihn, sie an einen schicklicheren Ort als unters Dach zu Katzen und Mäusen zu bringen; allein der Küster verdämmerte den Befehl zu wiederholten Malen. Darauf geschahe es in der Nacht, als die Mönche mit dem Abt im Chor die Matutine sangen, daß drei Jungfrauen in die Kirche traten, gegen den Altar sich verneigten, dann gegen den Abt, dann gegen die Konventualen und dann durch eine Türe in der Kirche, welche stets fest verschlossen gehalten wurde, mitten hindurchgingen. Jeder Mönch glaubte, diese Erscheinung allein erblickt zu haben, und dann offenbarte sich, daß alle sie zugleich gesehen hatten, und da kamen sie auf den Gedanken, ob das nicht die drei Ursulinerinnen gewesen, und gingen auf den Kirchboden hinauf, da lag wohl noch unversehrt der heilige Reliquienschrein, aber ohne die jungfräulichen Gebeine. Da fuhr der Abt gen Köln zur Frau Äbtissin des Klosters und Stifts der heiligen Ursula, und da fanden sich die Körper der Jungfrauen wieder auf derselben Stelle, allwo man sie ausgegraben, und wie zuvor ein Traum dem Abt von Folcodesrode gezeigt, und da wollte der Abt sie wiederhaben, aber die Frau Äbtissin sprach: Nein, hochwürdigster Herr Abt; die lieben Herrinnen sind uns gar sehr willkommen. Hättet Ihr sie besser gehalten, würden sie wohl bei Euch in Thüringen geblieben sein. Als nun der Abt über solch abschlägigen Bescheid sehr bekümmert war, faßte die Frau Äbtissin ein christlich Mitleiden und suchte ihm aus dem Knochengerümpel ein etwas schadhaftes Jungfrauenhaupt, das gab sie ihm als Ersatz, und er zog damit traurig heim.

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424. Ludwig mit dem Barte und sein Stamm

424. Ludwig mit dem Barte und sein Stamm

Kaiser Konrad II. sandte einen Verwandten in das Thüringer Land, der hieß Ludwig und trug einen langen Bart, darum nannten ihn die Thüringer den Grafen im Barte, und gewannen ihn lieb, weil er leutselig war und guten Rat erteilte, und wählten ihn hernachmals zu ihrem Richter. Als solchen bestätigte Kaiser Konrad den Grafen im Barte gern, verlieh ihm Güter und machte ihn zu einem Vizedom in Thüringen und zu einem Landrichter, und Konrads Nachfolger bestätigte ihn in allen Besitzungen und Würden. Darauf erbaute Ludwig sich eine Burg auf einem hohen Berg über Friedrichrode, und als er sie vollendet sah, rief er freudig aus: Nun schaue, welch eine Burg! Davon ward sie Schaueinburg genannt, hernach Schauenburg. Graf Ludwig im Barte vermählte sich mit Cäcilie, einer jungen Witwe, die brachte ihm Sangerhausen, die Stadt, zu, nebst vielem Reichtum an Geld und Gut, Land und Leuten, und bekam von ihr einen Sohn, auch Ludwig genannt, der ward getauft in der Kirche auf dem Altenberge, wo der heilige Bonifazius mit zu allererst den Thüringern das Evangelium gepredigt, die hatte Graf Ludwig erbaut, und ließ sie weihen in die Ehre St. Johannis des Täufers am Tauftage seines Erstgebornen durch Bardo, den Erzbischof zu Mainz, und waren viele Fürsten, Grafen und Herren aus Thüringen und den Nachbarlanden Zeugen. Nachderhand bekam Graf Ludwig im Barte durch sein Gemahel noch zwei Söhne und drei Töchter. Ein Sohn hieß Beringer, der empfing von der Mutter Erbe Sangerhausen mit Zubehör, doch starb er bald nach dem Vater. Ein Sohn, den Beringer hinterließ, hieß Konrad, der erbaute Hohnstein am Harz, weil sein Bruder Ludwig ihm Sangerhausen abkaufte, und ward der Grafen von Hohnstein Ahnherr; Ludwigs dritter Sohn hieß Heinrich, der war gar still und ruhig, und die Leute gaben ihm den Zunamen Rape. Der hat Rapenberg erbaut und bewohnt. Dreißig Jahre lang hat Ludwig im Bart im Lande Thüringen gewohnt und gewaltet und ihm treulich vorgestanden. Er starb auf einer Fahrt nach Speier zu Kaiser Heinrichs III. Begräbnis, auf der Rückreise in Mainz, und ward alldort in St. Albans Kirche begraben. Am Nikolaitorturm zu Eisenach steht noch verwittert sein steinern Bild mit langem Bart. Er ward der Ahnherr aller Landgrafen von Thüringen.

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425. Die Frau von Weißenburg

425. Die Frau von Weißenburg

Ludwig, des bärtigen Ludwig Sohn, freite eine Tochter Herzog Ulrichs zu Sachsen, war aber gar übel mit ihr zufrieden und sandte sie wiederum dahin, woher sie gekommen war; darüber zergrämte sie sich, denn sie hatte ein stolzes Herz, und starb noch selben Jahres. Nun zog Graf Ludwig, noch jung und wieder ledig, im Lande umher und besuchte den Pfalzgrafen Friedrich zu Sachsen, der saß auf Schloß Weißenburg, der hatte ein über die Maßen schönes Weib, Adelheid geheißen, und sie gefiel auch gleich über die Maßen dem Grafen Ludwig, und er höfelte um sie her und tanzte mit ihr, und er gefiel ihr und durfte sie heimlich besuchen. Da faßten sie einen Rat, der nicht gut war. Als eines Tages der Pfalzgraf im Bade saß, hörte er Rüdengebell und Hörner, vielleicht fühlte er auch bereits welche, und fragte, wer so freventlich in seinen Wildbann breche, und da sagte man ihm, wer es sei; manche berichteten, Frau Adelheid selbst habe es ihm unter Stachelreden gesagt, und da wurde der Pfalzgraf wild und fuhr aus dem Bade, warf nur leichtes Gewand über und jagte auf einem Renner dem Grafen Ludwig nach. Das war es gerade, was dieser wollte. In einem Gehölz, die Reuse genannt, erwartete Ludwig den Pfalzgrafen, und da dieser ihn nicht mit Honigworten begrüßte, sondern ihn anschalt als einen Gauch und ehrlosen Wicht, so drehte Ludwig sich um und stieß den Pfalzgrafen mit seinem Speer tot vom Rosse. Von dieser sehr untreuen Tat ist viel in den Landen geredet und gesungen worden. Des Pfalzgrafen Witib auf Weißenburg stellte sich gar kläglich an, als sie ihres Herrn und Gemahls Tod vernahm, betrauerte selbigen auch ein züchtig Jahr, und dann heiratete sie ihren geliebten Freund, den Grafen Ludwig, und beging mit ihm fröhliche Hochzeit auf der Schauenburg. Der lebte mit ihr lange Zeit ganz glücklich, mehrte sein Land, erbaute ihm feste Schlösser und Trutzburgen und befestigte seine Städte, so Freiburg an der Unstrut und die Neuenburg darüber, aber da die Verwandten des durch ihn gemordeten Pfalzgrafen Rache heischten und er sich der Ladung des Kaisers nicht stellte, so ließ der Kaiser allenthalben auf ihn fahnden und stellen, wie auf einen schlimmen Vogel, und so sehr Graf Ludwig auf seiner Hut war, so kam er endlich doch im Erzstift Magdeburg in Haft und ward als Gefangener auf die feste Burg Giebichenstein ohnweit Halle geführt und allda festgehalten.

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