641. Rübezahls Gunstgenossen

641. Rübezahls Gunstgenossen

Die Gunst des Gebirgsherrn erweist sich vielfach gütig, hülfreich, mitunter etwas schadenfroh, etwas herb, er gibt selten ohne eine gewisse Laune, wenn er überhaupt noch gibt, doch hat er viele Glückliche gemacht. Einem armen Bäuerlein, das aufs Gebirge ging, Holzäpfel zu sammeln, erschien der Berggeist in Gestalt eines rußigen Köhlers, führte es unvermerkt in seinen Garten, da gab es Holzäpfel, doch nicht zu viele. Der Bauer nahm deren, trug sie heim, bewahrte sie zum Winter auf; als er sie dann seinem Kind an das Christbäumchen hing, waren sie so schwer; der Bauer schälte einen, da waren das Kernhaus und die Kerne von purem Golde, und der Glückliche löste fünfzig Dukaten daraus. Eine Kräutersammlerin verirrte sich auf dem Gebirge, der Geist erschien ihr in Gestalt eines Bauers, zeigte ihr den rechten Weg, warf aber die von ihr gesammelten Kräuter aus ihrem Korbe und streifte Baumblätter ab, womit er ihn füllte. Als ihr Führer sie verlassen hatte, fand sie die Kräuter, die sie brauchte, nochmals am Wege stehen und schüttete die Baumblätter aus dem Korbe, daß nur einige wenige darin hängenblieben, aber diese wenigen waren, da sie nach Hause kam, feines Dukatengold. Vergebens rannte sie zurück, die weggeworfenen Blätter zu suchen. Eine andere arme Frau kletterte mühsam an den Felsen umher, die Fruchtknöpfe von wilden Rosensträuchen, Hanebutten genannt, zu pflücken und zu sammeln; als sie diese aufbewahrt hatte und zu einer andern Zeit nach Warmbrunn zu einem Wirt tragen wollte, der sie in die guten Weinsüpplein für die Badegäste brauchte, da fand sie in goldne Knöpfe ihre Hanebutten verwandelt. Eine andere Frau pflückte Holunderbeeren zum Hollermus, darauf man tüchtig schwitzt, und welches die Wassersucht kurieren soll; wie sie herunterkam, hingen an jeder Dolde statt der Holunderbeeren braune Körnlein gediegenen Goldes.

Ein armes Mädchen, das in die Erdbeeren ging, hatte, als es nach Hause kam, statt der Erdbeeren ihr Töpflein voll Dreier, Gröschlein und Dukaten – einen schönen Brautschatz.

Ein Handwerksbursche kam auf einen Erbsenacker des Berggeistes, dessen Trivialname schon auf einigen Ökonomiebetrieb hindeutet, fand köstliche Schoten, stillte damit seinen Hunger und Durst, und es fielen ihm auch noch ein paar in die Tasche. Zufällig griff er, nachdem er schon lange aus dem Gebiet des Geistes heraus war, in die Tasche, fand die Schoten und kernte sie aus. O Wunder, Goldkörner waren die Erbsen! Jetzt wollte sich der Bursche im Leib zerreißen und wäre gern vor Ärger geplatzt wie das Rumpelstilzchen im Kindermärchen, um nur den in sich hineingefressenen Reichtum wiederzuerlangen – allein was einmal durch die Gurgel gejagt ist, ist hin. Spornstreichs rannte der Bursche zurück, den Schotenacker zu suchen und Vorrat zu pflücken. Ja – guten Morgen!

Ein durstiger Reisender kam an den schwarzen Teich, den man Rübezahls Teich nennt, und zu dem nicht leicht jemand gelangen mag. Er trank sich satt und füllte seine Reiseflasche mit der kalten Kristallflut. Als er nach ziemlicher Wanderung daraus trinken wollte, war die Flasche sehr schwer, und kein Tropfen floß heraus. Eine steinharte Masse steckte darin, der Reisende zerbrach das Glas und fand darinnen den reinsten goldschimmernden Topas, für den er vieles Gold gewann.

Einer sehr armen Frau, welcher der Geist als Bauer mit einem Milchkruge vom Gebirge niedersteigend begegnete, und die ihn um eine Gabe ansprach, gab er den ganzen Krug und riet ihr, von der Milch nur wenig zu trinken, das übrige hinzustellen, sie sauer werden zu lassen und Käse daraus zu machen. Solches tat die gute Frau. Es währte lange, bis die Käse reif wurden und die hübsche gelbe Farbe der Reife annahmen, aber als dies endlich geschah, waren die Käse pures Gold.

Drei Handwerksbursche bettelten einen vornehmen Herrn an, der ihnen, in einer prächtigen Kutsche fahrend, im Gebirge begegnete. Er gab jedem eine Gabe, sorglich in Papier gewickelt, mit der Weisung, nicht eher als in der nächsten Herberge diese Papiere zu öffnen. Allein einen davon trieb die Neugierde dennoch – er öffnete, ehe ihm noch die Kutsche aus den Augen war, und fand – zwei verschimmelte Rechenpfennige, für die ihm niemand etwas gab. Der zweite konnte auch die Zeit nicht erwarten, der fand zwei alte böhmische Groschen; der dritte wartete und fand zwei Dukaten.

Ein Wurzelgräber fand einen ganzen Haufen voll Mistkäfer und sammelte sie in seinen Ranzen in der Meinung, sie dem Apotheker in Hirschberg zu bringen, daß dieser etwa ein Tränklein gegen die Schwindsucht daraus destillieren könne – die Käfer rauschten und sumsten greulich in dem Ranzen herum, und dieser selbst wurde immer schwerer – das ärgerte den Mann, er gab sein Vorhaben auf und schüttete halbwegs die Käfer aus. Nur zufällig blieben ein paar in den Falten des Ranzen hängen, aber diese wenigen waren, als der Mann nach Hause kam, in Gold verwandelt.

Einem Sattlergesellen begegnete eine schöne Kutsche mit sechs Pferden bespannt, aber jedes Pferd hatte nur drei Beine, die Kutsche hatte nur ein Rad, und seltsame Vögel umflogen sie. Der Schmutz der Fahrgleise glänzte wie Gold an dem Rad; der Sattler streifte etwas davon mit den Fingern ab, aber da war es s. v. Dreck wie anderer auch, den er an einen alten Lappen abwischte. Da er aber in die Herberge kam, hingen sechs Dukaten im Schmierlappen.

So gehen wohl hundert- und tausendfach die Sagen von des Berggeistes günstiger Laune und seinen guten Gaben im Volke.

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642. Rübezahls Neckereien

642. Rübezahls Neckereien

Mancher hat des Berggeistes Neckereien erfahren und erdulden müssen, die oft von Tückereien nicht wohl zu unterscheiden sind. Ein Wurzelgräber im Gebirge sollte für einen Podagristen Wurzeln suchen, die gut gegen das Zipperlein, konnte aber selbige Wurzeln nicht finden. Ein anderer Wurzelgräber, den er im Gebirge beschäftigt fand, nannte sie ihm und half ihm graben, einen großen Arm voll lange schwarze Wurzeln, die jener freudig zu seinem Besteller trug – aber o Schrekken, plötzlich verwandelten sich alle Wurzeln in Schlangen! Hei, wie rasch hüpfte da der Podagrist aus dem Bette, wie bekam er Beine, wie konnte er laufen! Er war vom Zipperlein befreit auf immerdar.

Zu einem Schneider in Liebethal kam der Gebirgsherr in Gestalt eines Landjunkers und bestellte ein feines Tuchkleid, zu dem er das Tuch mitbrachte. Der Schneider schnitt das Tuch sehr reichlich zu, aber mit dem, was er seiner Hölle zudachte, nicht zufrieden, vertauschte er sogar das Tuch und machte von einer geringeren Sorte den Rock des Junkers und sandte ihn an den angegebenen Ort. Als aber nun der Schneider das unterschlagene gute Tuch hervorholte, um für sich selbst ein Feierkleid davon zu machen, siehe, da war’s eine alte Schilfdecke, in welcher noch allerlei Lebendiges kroch. Als nun bald darauf das Schneiderlein einen Gang übers Gebirge tun mußte, begegnete ihm der Landjunker, reitend auf einem Ziegenbock, der unaufhörlich meckerte, und fragte ihn, ob er zu ihm wolle und seinen Macherlohn etwa holen wolle für den ausgetauschten Rock. Ob der neue Rock von der Schilfdecke fein in Arbeit sei? Welche Knöpfe er daraufsetzen würde? – und höhnte ihn also aus, daß kein Hund ein Stück Brot von ihm genommen hätte. Seitdem konnte der Schneider keinen Ziegenbock meckern hören, es war ihm immer, als riefe ihm da eine Stimme warnend zu: Meister! Meister! –

Ein Tuchhändler verkaufte dem Berggeist, den er für einen dummen Krautjunker hielt, ganz schlechtes Tuch für gutes um die hohe Summe von fünfzig Dukaten. Als er daheim den Beutel zog und das Gold in den Kasten legen wollte, hüpften fünfzig lebendige Mäuse aus dem Beutel heraus, verteilten sich im Hause und zernagten dem Betrüger für mehr als fünfzig Dukaten gutes Tuch. Drei andere Tuchhändler, die nicht betrogen hatten, neckte der Gebirgsherr in gnädiger Laune. Er zahlte in blanken Dukaten, und als sie das Geld daheim ansahen, waren es messingene Zahlpfennige. Erschrocken eilten sie wieder aufs Gebirge und trafen den Herrn vom Berge, als er eben im Begriff war, auszufahren, und gingen ihn an mit beschwerender Rede. Der Geist ließ sich das angeblich falsche Geld zeigen, und siehe, es waren lauter vollwichtige Dukaten. Gleichwohl erbot er sich, die Tuchhändler in Silber zu bezahlen, und nahm seine Dukaten wieder an sich. Als die Geäfften mit ihren Reichstalern fast wieder zu Hause waren, klirrte es so seltsam in ihren Geldbeuteln; sie sahen nach und fanden – alte Topfscherben. O Schrecken! Noch einmal umkehren, wagten sie nun nicht. Am andern Tage aber waren die Scherben wieder in Reichstaler verwandelt.

Ein gieriger Steinsucher fand in einer Kluft einen Goldklumpen, der funkelte hell wie Feuer. Rasch griff er danach und brachte nichts hervor als eine Feuerkröte, von der seine Haut an der Hand ganz schwarz ward. Er mußte die Haut abschaben, und da fand sich, daß die Haut, die abging, in lauter dünnes Goldblech verwandelt war. Jetzt wünschte sich der Mann völlig und über und über eine so gute Haut zu sein.

Als Schuhmacher zog der launige Gebirgsherr auf nahe Märkte, schlug Buden auf, verkaufte prächtiges Schuhwerk um Spottgeld, besonders für Frauen – ach es ging sich so wunderschön in diesen sanften, weichen anschmiegsamen grünen Schuhen – nur schade, daß sie nach kurzer Weile wie Butter an der Sonne zergingen und das Tuch und Leder dazu auf den Bergwiesen gesammelt war und die Kühe die Fabrikanten sotanen Leders waren. Oder der Berggeist hielt als Schlafmützenmacher feil, machte herrliche Geschäfte, aber hinterdrein waren die Mützen von jenem unnennbaren weißen Stoff, der sonst in den Apotheken unter dem Namen weißer Enzian gehalten und geführt wurde, aber nichts weniger war als die Wurzel der unter diesem Namen offiziellen Pflanze.

Einst schlug der neckische Geist zu Warmbrunn eine Bude als Haarkräusler und Perückenmacher auf; wer ihm abkaufte, war betrogen und fand am andern Morgen auf seinem Perückenstock eine Igelhaut, ein Elsternest, eine Atzel von der Haut des Esels samt anhängendem Schwanze an Zopfes Statt, oder von sonstigem Geniste.

Einer eiteln und gefallsüchtigen alten Modenärrin hing der Geist eine Büchse Schminke auf, der die Purpurflechte die Farbe und der Veilchenstein vom Gebirgshochrücken den Duft verlieh – aber als die gute Frau sich damit schminkte, wurde ihre Haut braunschwarz gebeizt, wie vom Höllenstein, und mußte es also behalten bis ans Grab und einem Waldschrat ähnlich sehen.

Zu einem Bürger in Hirschberg kam der Geist als Holzspalter und bot seine Dienste an; für seine Mühe bedingte er sich eine Trage Holz. Der Bürger wies ihm vier Klaftern Holz zum Spalten an und fragte, da der Mann keine Axt trug: Aber hast du denn keine Axt? – Ach ja, ich habe eine, antwortet der Geist, zieht sein linkes Bein aus dem Leibe und fängt an auf so entsetzliche Art Holz zu spalten, daß dem Bürger Hören und Sehen vergeht und er dem Holzspalter zuruft, er solle sich gleich vom Hofe packen. – Nein, Gesell! rief der Geist, erst muß ich mir meinen Lohn verdienen!, führt fort zu hacken und zu spalten, bis alles Holz klein gemacht ist, dann macht er sich etwas groß, so groß, daß er die vier Klaftern auf einmal auf seinen Rücken laden und davontragen kann, und geht damit lachend von dannen.

Zu einem Bauer in Krummhübel, welcher schlachten wollte, kam der Berggeist als Schlächter und erbot sich zu schlachten. Der Bauer fragte, welchen Lohn er verlange. – Ach, mir ist’s nicht um Lohn, antwortet der schalkhafte Geist. Laßt mich nur so viel Wurst essen, daß ich satt werde! – Das war der Bauer gern zufrieden, denn er dachte, es steht geschrieben: Du sollst dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden, und dieser Kerl ist ein Ochse. – Da nun die Schweine alle geschlachtet und die Würste gekocht waren und das Essen losging, so begann der Berggeist seine Mahlzeit und speiste eine Wurst, und noch eine, und noch eine – nun meinte der Bauer, es sei genug; aber sein Schlächter hatte daran noch lange nicht genug, er fraß fort und fort, fraß einhundertundfünfzig Würste, dann sah er sich nach mehr um, und als er keine Würste mehr erblickte, so wischte er sich das Maul, sagte: Es ist doch schade, daß wir so wenige Würste gemacht haben! Schlachtet fein bald wieder! – und verschwand. Bauer und Bäuerin und auch die Kinder weinten bitterlich, als sie sich also hinters Licht geführt sahen, um die schönen Würste; wie sie aber die Schinken hinauf in die Räucherkammer trugen, siehe, da hingen die hundertundfünfzig Würste, und war ein Staat, sie anzusehen. Da war große Freude.

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643. Rübezahls Pferde

643. Rübezahls Pferde

Daß der Gebirgsherr gern sechsspännig fuhr gleich andern Selbstherrschern, ist schon erwähnt worden. Einst begegnete er mit einem solchen Pferdezug Schimmel einem schwedischen Obristlieutenant; es war zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, und die Schweden liebten gerade wie die Kroaten alles, was nicht ihre war, doch war just ein Waffenstillstand, daher mochte der Schwede offenbaren Raub nicht wagen. Er ritt also mit seinem Gefolge zu der Kutsche des vermeinten schlesischen Edelmannes an den Schlag, lüftete ein wenig seinen Federhut und sprach: Meinem Herrn dürfte wohl belieben, seine Schimmel gegen einige unsrer Troßpferde zu vertauschen. Wir müssen noch mehrere Meilen reiten, und unsere Pferde sind abgemattet; der Herr fährt doch wohl nur in die nahe Stadt. Auf dem Rückweg tauschen wir dann seine Pferde gegen die unsern wieder aus. – Der Berggeist zeigte sich als einen Kavalier von höfischen Sitten; er lüftete ebenfalls in etwas sein dreieckiges Hütlein und sprach: Meine Schimmel stehen ganz zu meines Herrn beliebigen Diensten, ich bin des Tausches wohl zufrieden. – Jetzt gab der Obristlieutenant heimlich Befehl, die sechs allermiserabelsten Kracken von seinen Pferden vor die Kutsche des Landjunkers zu spannen, und das Herz im Leibe lachte ihm, als er die schönen Schimmel sah, die nun sein waren, denn eine Rückgabe derselben fiel ihm nicht im Traume ein. Man trennte sich unter höflichen Begrüßungen. Als aber am andern Morgen in der Herberge des Obristlieutenants Wagenmeister die Schimmel wieder anschirren wollte, da waren sechs große Bündel Stroh an die Krippe gebunden, und die Schimmel hatten in aller Stille Adjeu gesagt.

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644. Rübezahls Baum

644. Rübezahls Baum

Einem Bauer befahl sein Edelmann als gestrenger Junkherr, ihm eine große Eiche aus dem Walde zu holen. Der Bauer spannte sein Pferd an den Wagen und fuhr in den Wald, befand aber gleich, daß es eine Sache der Unmöglichkeit, den großen dicken Eichbaum nur auf den Wagen zu heben, geschweige mit einem Pferd denselben von der Stelle zu bringen, hatte aber doch seines ungnädigen Junkherrn Zorn und Strafe zu fürchten und wehklagte laut im Walde, als wolle er gleichsam die Bäume um Hülfe anflehen. Da kam ein Mann in Jägertracht durch den Wald und fragte dem Bauer sein Herzeleid ab und tröstete ihn und sagte, er möge nur leer heimfahren, er wolle mit Hülfe seiner Kreiser und Holzleute ihm den Baum ohne Entgelt an Ort und Stelle zum Junker schaffen. Dem Bauer fiel ein großer Stein vom Herzen, und er zog fröhlich heim, der Berggeist aber hob sich nachts die Eiche mit all ihren dicken Ästen auf den Rücken und trug sie vor des Junkers Haustüre, welche der mächtige Stamm so versperrte, daß niemand aus und ein konnte. Nun war es eine Lust, zuzusehen, wie der Junker zum Fenster heraus kommandierte, seine Leute sollten den Baum gleich wegschaffen; der lag fest wie von Eisen; nun rief der Junker, sie sollten doch den Baum entzweisägen und spalten, damit Platz vor der Türe werde, aber da zersprangen die Äxte, wie wenn sie von Klingstein gewesen wären, und die Sägen büßten alle ihre Zähne ein und waren nicht schärfer als ein Fiedelbogen. Die Eiche war oder schien versteinert, sie blieb vor des gestrengen Junkers Hause liegen, und dieser mußte eine neue Türe in sein Haus brechen lassen, welcher kleine Bau viele Bauhandwerker, Maurer, Zimmerer, Schreiner, Schlosser und Tüncher erforderte, vielen Ärger verursachte und dreimal so viel kostete, als die Eiche wert war.

Eine ganz ähnliche Sage geht auch in den Niederlanden von einem Hülfsgeist, der einem überstrengen Junker einen Baum vor die Türe warf, daß niemand aus und ein konnte.

Dies mögen der umgehenden Sagen von Rübezahl, deren es allzu viele gibt, genug sein. Die allbekannte Sage vom Rübenzählen ist keine, sie ist ein Hervorbringnis der neueren Zeit, das Volk kennt sie erst durch neuere Bücher und Reisende, und alte Schriften, die des Rübezahls gedenken, erwähnen ihrer mit keinem einzigen Wort.

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645. Ein schlesischer Zecher

645. Ein schlesischer Zecher

Ein schlesischer Zecher

Wie Ritter Boos von Waldeck und der letzte Graf von Klettenberg sich im Trinken mannlich wohlgetan, so hatte auch das gottgesegnete Land Schlesien seine wackern Kumpane, die einen guten Stiefel vertragen konnten. Solche gebar vornehmlich das vieledle Geschlecht der Herren von Schweinichen auf Schweinhaus, deren Ahnherr ein Enakssohn an Kraft und ein Nimrod als gewaltiger Jäger war. Er nahm einen wilden Eber, der auf ihn anrannte, bei den Ohren, zausete und schüttelte ihn, bis ihm die Wildheit verging, warf ihn dann wie einen Mehlsack über die Schulter und trug ihn heim. Dafür wurde er aber auch der Schwager der Böhmenkönigin Libussa, deren Schwester Kascha ihn mit ihrer Hand beglückte. Einen Abkömmling dieses Ahnherrn, Heinrich von Schweinichen, brachte, wie alte Kunden melden, nicht Schwert noch Lanze, noch Acht noch Bann zu Falle, »nur denen patribus Kellermeistern zu Leubus und Grüssau gelang dieses bisweilen durch unverdrossene Aufwendung ihrer edelsten und besten Kräfte,« die in den Fässern ruhten. Ein späterer Erbe, Burgmann von Schweinichen, Herr auf Schweinhaus, Kolbnitz, Hohendorf, Wolframsdorf, Liebenau und Hohenfriedberg, hatte ein Mundbecherlein, welches gerade eine gütliche Kanne faßte, daran stand der Trinkspruch:

Ich will daz di minen
Uf ere sich bienen.

Er selbst biente (stützte) sich auf Ehre, auf Fechten und Trinken und wurde hundertundzehn Jahre alt. Hans von Schweinichen hat durch eine selbsteigene Lebensbeschreibung dargetan, daß er als ein echter Apfel nicht weit vom Stamme des »alen Säuhäusel« gefallen war, wie das Volk die Stammburg Schweinhaus nannte. Auf dem Edelsitz Herren-Motschelmitz bei Wohlau saß und lag auch wohl bisweilen Herr Georg Wilhelm von Schweinichen, ein Meisterkünstler in der alten deutschen Trinkekunst. Einst saß der Edle mit vielen Zechkumpanen bei Tafel; unter den Gästen war ein Pole, der auch eine gute Klinge schlug, ganz voll von dem prahlhansigen Wesen, das seinem Volke eigen ist. Derselbe vermaß sich eines hohen Dinges, er wolle jeden Schwab unter den Tisch trinken. Die Polen nennen nämlich jeden Deutschen ganz wegwerfend Schwab und verachten ihn aus Herzensgrunde. Das Gelag hatte schon vier Stunden gewährt, die Köpfe waren warm; der Herr des Hauses fühlte sich verpflichtet, für die deutsche Nationalehre einzustehen, und sprach: Beliebe der Herr Graf eine Wette einzugehen! Wir wollen einmal deutsch und polnisch miteinander trinken. Eintausend Dukaten gegen des Herrn Equipage mit dem Sechsgespann! – Topp! rief der Polak. – Vierzig Flaschen Tokaier auf den Tisch! rief Herr Georg Wilhelm von Schweinichen. Als die Flaschen standen, hub der biedere Deutsche an zu trinken. Eine Flasche Tokaier auf einmal trank er dem Polen vor – der Pole trank sie gemütlich nach; die zweite, dritte, vierte, fünfte – der Pole trank nach; noch einmal fünf, und noch einmal fünf, und noch einmal fünf – der Pole trank sie nach mit ruhigem Gleichmut. Zwanzig Flaschen Tokaier waren von jedem der Kämpfer vertilgt, und der Pole hatte sie tapfer nachgetrunken und stand unbesiegt. Heldenmut muß man auch am Feinde rühmend anerkennen. Alten Rheinwein her! rief Herr Georg Wilhelm von Schweinichen, es geht zu langweilig mit den Flaschen! Einen Pferdeeimer voll! – Der Rheinwein strömte aus vollem Faß in den Eimer bis zum Rande; Herr Georg Wilhelm faßte ihn mit geschickter kräftiger Hand, hob ihn zum Munde und ließ ihn ohne Absetzen und ohne Pause hinuntergleiten, sich dem Ungar zu vermählen.

Und mit Erstaunen und Grauen
Sahen’s die Edeln und Edelfrauen,
Und gelassen gab er den Eimer zurück.

Aufs neue quoll die Rheinrebenflut in den Eimer; Herr Georg Wilhelm nahm ihn, schritt mit festem Tritte, ohne daß ein Tröpflein überschwankte – der Schauplatz dieser vaterländischen Heldentat war im Schloßhofe – auf seinen Gegner zu und bot ihm den Kampftrunk. Totenblässe lagerte sich auf des Polen Gesicht – er schlug ein Kreuz, winkte mit der Hand und schritt lautlos aus dem Tore; höflich, den Eimer im Arme, gab Herr Georg Wilhelm von Schweinichen dem vornehmen Gast das Geleite und schaute mit vergnügtem Blick auf die gewonnene Karosse mit ihrem herrlichen Sechsgespann, als siegreicher Retter der Trinkerehre des geliebten deutschen Vaterlandes.

Hernachmals ward dieser Heldenkampf mit allem Zubehör als schönes Schnitzwerk über dem Marstall zu Schloß Herren-Motschelmitz angebracht, allwo es noch bis diese Stunde Zeugnis davon gibt, was ein Schweinichen zu leisten vermochte.

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646. Der güldne Esel

646. Der güldne Esel

Wie Städtlein im kleinen und Völkerschaften im großen einander bisweilen gegenseitig mit Spottnamen beehren oder zudecken, wie die Schweizer Kühmelker heißen und andere anders, so haben auch die Schlesier ihr Teil empfangen, und nicht das schönste, sie hießen sonst Eselsfresser, dieweil sie den ersten Esel, welcher in ihr Land kam, für einen großen Hasen sollen angesehen, geschlachtet, gebraten und verzehrt haben. Dieser etwas ungeschlachte Scherz soll aber in etwas ganz anderem Grund und Ursprung haben. Bei Brieg an der Oder liegt ein Bergzug, darin sind reiche Goldgruben, und dieser Bergzug wird der güldne Esel genannt, und wer nur von diesem recht viel zu zehren, und zu zechen hätte, der möchte sich in Gottes Namen einen Eselsfresser nennen lassen. In diesem Berge soll der Sage nach wirklich ein güldner Esel stecken, wie im thüringischen Gebirg bei Goldlauter ein güldner Hirsch. Viele haben schon nach diesem Füllen gegraben, es aber nie gefunden. Im Dreißigjährigen Kriege hat einmal ein schwedischer Feldobrist zu Brieg gelegen, der hatte von dem Goldhort gehört und ließ fleißig nachgraben, hätte gar zu gerne das güldne Eselsfüllen aus Schlesien hinaus- und nach Schweden hineingeritten. Auf einmal langte ihm das Glück einen Finger hin – die Arbeiter fanden im tiefen Gang eines Kellers in der Tat ein Eselsfell – und in dem Fell stak ein Schatz von vielen hundert Dukaten. Es war auch eine Schrift dabei, die lautete:

Gold ist mein Futter –
Nah dabei liegt meine Mutter.

Da erwachte ein noch größerer Eifer, zunächst diesem prächtigen Eselsfüllen auch die Mutter desselben zu finden – sie gruben und gruben – da krachte mit einem Male die Mauer zusammen und begrub die Gräber und den Schatz. – Beim Dorfe Fischbach liegt der Kittnerberg, da steht auch ein güldner Esel drin. Findet ihn einer, dann wird Fischbach eine Stadt und der Eselsfinder derselben erster Bürgermeister. Schade, daß es ein goldner Esel sein muß.

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647. Kinderandacht

647. Kinderandacht

Wie schon im Mittelalter die Kinderzüge in Thüringen, deren schon gedacht ist, hervorgingen aus einem unerklärten Trieb, der plötzlich erwachte und bewog, in Massen das Ungewöhnliche, Seltsame zu tun, so ist es auch in Schlesien in viel jüngerer Zeit geschehen, daß im Jahre 1708 eine Sucht und ein Trieb plötzlich die Kinder befiel, sich andächtig zusammenzuscharen, und geschahe dies in den verschiedenen Fürstentümern, Graf- und Herrschaften des Landes an einem und demselben Tage, und zwar in noch rauher Jahreszeit, am 14. Februar. Da strömten die Kinder aus Städten und Dörfern am frühen Morgen heraus auf das freie Feld, ohne daß jemand sie lockte, Knaben und Mägdlein von sechs bis zu vierzehn Jahren, schlossen Kreise und wählten in jedem einen Vorsänger. Als dieses geschehen war, gab jedweder Vorsänger ein Zeichen, da haben sich die Kinder auf die Erde niedergeworfen und sich mit dem Angesicht zum Boden gebeugt und haben ein stilles Vaterunser gebetet. Darauf sind sie wieder aufgestanden und haben angehoben, die schönsten Lieder zu singen, unter andern: Liebster Jesu, wir sind hier – oder: Es ist gewißlich an der Zeit – oder: Nur nicht betrübt, solang dich Jesus liebt. – Sodann hat der kleine Vorsänger auch gepredigt und gebetet, und zwar knieend, Psalmen oder Gebete, welche sich auf die Zeit schickten – dann wurde der Segen und ein Schlußlied gesungen, sowie beim Auseinandergehen die Zeit um elf Uhr vormittags und drei Uhr nachmittags zur Wiederzusammenkunft am nächsten Tage bestimmt und allen angesagt. – So fest hielt diese eifervolle Andachtsucht die Kinderherzen in Banden, daß sie sogar gegen der Eltern Gebot und Willen davonliefen, ihre Andacht zu halten, und es mußten Zwangsmaßregeln ergriffen werden, diese wunderseltsamen freien Versammlungen zu verhindern und die jungen Schwärmer auf die Andacht in Haus, Schule und Kirche zurückzuführen, als wohin sie gehörten. – Und erinnert das an die Wallfahrtsucht der Knaben von Schwäbisch-Hall im Jahre 1448.

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648. Vom Zobtenberge

648. Vom Zobtenberge

In der Nähe der Stadt Schweidnitz erhebt sich ein Bergstock voll schauriger und malerischer Naturschönheit wie voll Sagen, der Zotten- oder Zobtenberg, genannt der schlesische Wetterhahn. Dieser Berg soll innerlich voll ungeheurer Schätze sein. Eine Raubburg krönte seinen Gipfel, in ihr hauste ein Ritter, den hieß man nur den Hammerschlag; er führte kein Schwert, sondern schlug die Menschen mit einem Hammer tot, und keiner, den er traf, überlebte den dritten Schlag, wenn er nicht schon am ersten genug hatte. Endlich ermannte sich der Mut der Schweidnitzer Bürgerschaft zur Abwehr, die Burg ward erstürmt, und ihre Trümmer begruben ihren Herrn und seine Hauptrottgesellen. Die sitzen nun tief in des Berges Schoße als Büßer ihrer Untaten. Einstens, im Jahre 1570, geschahe es, daß eines Sonntags ein Bürger aus Schweidnitz, Johannes Beer genannt, einen Spaziergang auf den Zobten machte, wie er schon öfters getan, und da sah er von ohngesähr eine früher noch nicht erblickte Öffnung, aus der ein Luftzug strömte. Es verwunderte ihn das, doch ging er nicht hinein, sondern wieder nach Hause, aber die Höhle kam ihm Tag und Nacht nicht aus den Gedanken. Am nächsten Sonntag ging Johannes Beer wieder auf den Zobten hinauf, fand die Öffnung und wagte sich hinein. Er kam in einen Felsengang und in eine Grotte, in die er nach dreimaligem Klopfen durch eine Türe trat, aus welcher durch eine Glasscheibe ein heller Lichtschein strahlte. In der Höhle stand ein Positiv mit silberner und goldner Klaviatur. Darauf spielte Beer, und es gab einen gar wundersamen feierlich erhabenen Klang. Und da ward er eines runden Tisches gewahr mitten in der Höhle, daran saßen drei lange, bleiche, ganz abgemergelte alte Männer in ritterlicher Haustracht und mit Baretten auf ihren Häuptern, mit bekümmerten Mienen und zitternd. Vor ihnen auf dem Tische hat ein großes goldbeschlagenes Buch gelegen, gebunden in schwarzen Samt. Zu diesen Männern sprach Johann Beer: Pax vobis! – Darauf antworteten die Alten aus einem Munde schauerlich: Hic nulla pax. – Noch einmal, den Männern näher tretend, rief Beer: Pax vobis in nomine domini! – aber mit matter Stimme und erzitternd flüsterten eintönig die Greise: Hic non pax. – Da trat Beer ganz nahe heran zu dem runden Tisch und sprach noch einmal: Pax vobis in nomine domini nostri Jesu Christi! – Darauf antworteten die Alten gar nicht, sondern deuteten auf das schwarze Buch, schlugen es auf und zeigten dessen Titel, welcher lautete: Liber obedientiae, Buch der Buße. – Wer seid ihr Männer? fragte Beer. – Wir kennen uns selbst nicht! antworteten jene. – Was tut ihr hier? fragte er weiter. – Wir erwarten das Jüngste Gericht und den Lohn unserer Taten hier in Schrecken! scholl die Antwort. – Welche Taten sind das? war die Weiterfrage. – Da wiesen sie auf eine Seitengrotte, vor der ein Vorhang sich hinwegzog, und darin lagen und hingen tödliche Waffen, Hirnschädel, Knochen und ganze Menschengerippe. – Bekennet ihr euch zu diesen Werken des Mordes? – Ja! – Erkennet ihr sie für gute oder böse? – O böse, böse! – Und sind sie euch von Herzen leid? – Wir wissen es nicht, frage nicht weiter! sprachen noch einmal die Alten und erzitterten heftiger denn zuvor – und Johannes Beer empfand ein tiefes Grauen und eilte aus der Höhle des Zobtenberges zurück. Nie fand er sie hernachmals wieder.

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635. Zwergschabernack

635. Zwergschabernack

Zwergschabernack

Bei Zittau liegt der Breitenberg, in dem hausten gutartige Zwerge, welche oft in der Stadt und den umliegenden Dörfern sich einfanden, den Menschen hülfreich waren und gern, wenn auch unsichtbar, an deren Leiden und Freuden teilnahmen. Bei guten Gelegenheiten und Gelagen ließen sie sich’s trefflich wohl sein und vergüteten auf andere Weise, was sie genossen. Eines Tages rief eine Frau ihrem weggehenden Manne nach: Eile, daß du bald zurückkehrst, damit wir nicht zu spät zur Hochzeit kommen! – Diesen Ruf hörten einige Zwerglein und riefen es ihren Brüdern, dem stillen Volke, zu, daß Hochzeit gehalten werde. Gleich fand sich eine Schar zusammen, die wollten alle hin, und es hörte ihre Beratung darüber ein Mann, der am Breitenberge arbeitete, und rief ihnen zu: Wenn ihr unsichtbar zur Hochzeit fahren wollt, ei so nehmt mich doch auch mit, ihr guten Gesellen! – Die Zwerge stutzten, sagten ihm aber seines Wunsches Erfüllung zu, doch unter der Bedingung, daß er, obschon er essen und trinken dürfe, so viel er wolle, doch durchaus nichts heimlich zu sich stecken und mitnehmen dürfe. – Und so fuhren sie alle miteinander ungesehen zum Hochzeithause; das war zwar schon ganz voll von Gästen, allein die Zwerglein bedurften wenig Raum, zwischen jedem Gast saß ein Gezwerg, und der Peterbauer, den sie mitgenommen, hatte einen guten Platz, aber freilich kein hochzeitlich Kleid an, und hätte ihn einer gesehen, so würde er wohl an den Ort des ungebetenen Gastes befördert worden sein. Er zechte wacker und ließ sich’s trefflich schmecken, und tat ihm nur leid, daß seine Frau nicht bei ihm war, denn der Bauer Peter war im Grunde ein guter Kerl und genoß nicht gern allein. Und diese Liebe zu seiner Frau ließ ihn sein Versprechen brechen und etwas einstecken. Das nahmen die Zwerge übel, sie brachen schleunig auf, und der zunächst beim Peter saß, riß diesem die Nebelkappe vom Kopf und schwand hinweg samt den andern. Da saß der Peter in seinem Schmierkittel mit bausenden Backen und kauenden Zähnen, und alles sah auf den seltsamen Gast, und der war noch nie ein so angesehener Mann gewesen wie heute; der Peter aber langte tapfer zu und kaute und schluckte, was das Zeug hielt, denn er hatte die Entführung des leichten Zwergenmützchens von seinem Stickelhaar gar nicht wahrgenommen, bis er von verschiedenen Seiten her Püffe und Rippenstöße bekam und erst noch hinter dem Braten her die Suppe, nämlich die Prügelsuppe. Sodann ward er zum Hause hinausgefuhrwerkt und vor der Türe seinem Nachdenken und schmerzlichen Gefühlen überlassen.

Hernachmals sind die Zwerge aus dem Breitenberge fortgezogen, man sagt, nach Böhmen hinein, in Rübezahls Reich, und sagt auch, das viele Glockenläuten oder die vielen Hunde, welche die Bauern in Ober- und Niederolbersdorf halten, wo die Häuser und die Hunde kein Ende nehmen und aus jedem Haus ein Köder springt und bissig die Fußreisenden ankläfft, die vom Oybin kommen, haben die Zwerglein vertrieben. Ein Bauer aus Heinewalde habe auf zwei Wagen die ganze Schar der Zwerge und alle ihre Schätze hinweggefahren und habe sehr reichen Lohn erhalten. Sie würden wiederkommen, sollen sie gesagt haben, wann Sachsenland an Böhmen falle, das heißt, wann es österreichisch sein werde. Wer weiß, ob sie nicht in der Tat wiederkommen.

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636. Sprungsage vom Oybin

636. Sprungsage vom Oybin

Der hohe Berg Oybin – anderthalb Stunden, und was der Fuchs, der sie gemessen, noch dreingegeben, von Zittau – erhebt sich stolz und prachtvoll inmitten eines herrlichen Gebirgskranzes; in alter Zeit ward ein Jagdhaus auf ihm erbaut durch einen Ritter, Quahl von Berka, dann eine Raubburg, die ein Eigen wurde der Herren von Leipa. Dieser Burg erwies Kaiser Karl IV. die große Ehre, sie in höchsteigner Person zu belagern und sie zu zerstören. Noch zeigt man droben das Kaiserbette und den Kaiserstuhl, zwei aussichtreiche Felsensitze, darauf Se. Majestät geruhet haben, der Zerstörung des festen Bergschlosses zuzusehen. Zugleich schien die Gelegenheit des Ortes dem frommen Herrn ganz geeignet zur Anlage eines Klosters; er gründete dies und besetzte es mit zwölf Brüdern Zölestinermönchen, welchen der himmelnahe Aufenthalt um so mehr zusagte, als alle Ortschaften umher dem Kloster Oybin unzählige Laminsbäuche und Michelshühner zinsen mußten. Damals ward die schöne, reichgeschmückte Klosterkirche gebaut, deren eine Längenwand ganz aus dem Felsen gehauen ist. Neben ihr hin führt ein Gang zu einer Stelle über einen schauervollen Abgrund, und dieser heißt der Jungfernsprung. Hier wagte eine verfolgte Jungfrau den entsetzlichen Sprung in die Tiefe, und zum Lohn ihrer keuschen Tugend wurde sie wundersam gerettet. Die Sage, welche dies erzählt, läßt ungewiß, ob ein Oybiner Zölestiner dies arme unschuldige Lamm für ein Zinshuhn, auf das er ein Recht habe, ansah und deshalb verfolgte, oder ob ein Ritter oder aber ein Jäger so unritterlich handelte, die Unschuld in solche Todesgefahr zu bringen, wie dort am Jungfernsprung bei Arnstadt, bei dem ganz nahe auch ein Felsgipfel der Königsstuhl und etwas entfernter ein Felsen der Ritterstein heißt.

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