64. Die heiligen Kreuze zu Mainz

64. Die heiligen Kreuze zu Mainz

Zu Mainz hat eine schöne Kirche in der frühern Zeit den Namen Zu Unsrer Lieben Frauen im Felde geführt, das Volk aber nennt sie Heiligkreuz. Ein Schiff kam gefahren mit Männern und Frauen, die sahen in der Luft ein schimmerndes Kreuz schweben, das ihrem Schiffe nachzog und an seinen Mast sich heftete. Nahe der alten Schiffbrücke beim Holztor legte das Schiff an, und siehe, da war das schimmernde Kreuz kein Luftgebilde, sondern ein ehernes kunstvolles Kruzifix von wundersamer Meisterarbeit. Um nun dessen Bestimmung zu erkunden, wurde es zwei ungejochten und ungeschirrten Ochsen auf den Rücken gelegt, und diese ließ man ohne Leitung und Führung gehen, und da trugen sie das Kreuz auf den Hechtsheimer Berg, dort ward eine Kirche erbaut und das Wundergebilde darinnen zur Verehrung aufgestellt. Viele Kranke sind genesen, die vor dem Kreuze in Andacht knieten, bis die Kirche mit mehreren anderen in Flammen aufging, als Markgraf Albrecht von Brandenburg 1552 die Stadt Mainz einnahm. Zwischen dem Holz- und Bockstor aber ward noch lange Zeit ein Gemälde gesehen, davon noch heute Spuren zu entdecken sind, darstellend ein Kreuz, hangend an den Segeln eines stromaufwärts fahrenden Schiffes.

Zwischen der Kirche zum Heiligen Kreuz und St. Alban stand vorzeiten eine offene Kapelle, darinnen war ein hölzern Kruzifix, darunter Maria und Johannes, zur Verehrung der Gläubigen aufgestellt. Nun lebte zu Mainz ein Bürger, des Name war Schelkropf, ein Spieler und Trunkenbold, der wenig aus dem Wirtshaus zur Blume kam, das in der ehemaligen Vorstadt Vilzbach stand. Eines Tages hatte er alles, was er besaß, verspielt und vertrunken und verwünschte in seinem wilden Rausche sich, Gott und alle Heiligen und schwur, mit seinem Schwerte das erste beste heilige Bild, auf das er stoße, mitten voneinander zu hauen. So taumelte er durchs Feld, und kam an die offene Kapelle, und rannte auf die hölzernen Bilder an, und stach und hieb. Und siehe, da sprangen ihm aus den leblosen Bildern, zumal aus dem Kruzifix, Ströme Blutes entgegen. Entsetzt stand er und sinnverwirrt, das Schwert entfiel seiner Hand, und so ward er gefunden und gefangen. Fromme Hände fingen in Schalen das rinnende Blut auf. Schelkropf wurde für seinen unerhörten Frevel lebendig verbrannt, das wundertätige Christusbild aber und das heilige Blut brachte man in die nahe Kirche. Als diese in Flammen aufging, blieb dieses heilige Kreuzbild verschont und ward gerettet, und noch heute wird es den Gläubigen in der St. Christophskirche zu Mainz gezeigt.

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649. Der Kopf des Ratsmannes

649. Der Kopf des Ratsmannes

Lange sah man und sieht vielleicht noch immer am Rathaus zu Schweidnitz einen steinernen Kopf als Gedenkzeichen einer schrecklichen Strafe. Es war ein bejahrter Ratsmann allda, vom Teufel des Geizes besessen, der hatte eine Dohle, und die richtete er ab, daß sie aus seinem Fenster hinüber durch eine ausgebrochene Glasscheibe in die Ratskämmerei flog und Geld herübertrug, welches in dem wohlverwahrten Zimmer zum öftern auf dem Tische unverschlossen liegen blieb. Lange nahm man diesen Raub nicht wahr; endlich, da fort und fort fehlte, ward der Räuber entdeckt. Hierauf wurde gezeichnetes Geld hingelegt, und auch dieses holte nach und nach die Dohle. Damit ward denn der Ratsmann leichtlich des Raubes überführt und ihm, obwohl er schon bei hohen Jahren, eine entsetzliche Strafe zuerkannt. Er sollte auf den hohen Kranz des Rathausturms gebracht werden und von da heruntersteigen oder auch, so er das nicht vermöge, droben bleiben und verhungern. Mit Angst und Zittern stieg er hinauf und begann das gefährliche Heruntersteigen, das gelang aber nur eine geringe Strecke abwärts, da kam er auf ein steinernes Geländer und konnte nicht weiter, weder vor noch hinter sich, und blieb allda stehen und hatte nicht Obdach, nicht Trank noch Speise, nagte vor wütendem Hunger das eigne Fleisch sich ab und stand zehn Tage und zehn Nächte, bis der Tod sich sein erbarmte, denn die Menschen erbarmten sich seiner nicht. Darauf ward hernach sein steinern Abbild samt der Dohle auf die Stelle seines Todes gesetzt, aber ein Sturm warf dies Denkmal unerhörter Grausamkeit vom Turm, und es blieb nur der Kopf davon ganz und wurde aufbewahrt.

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650. Reichenbachs Ursprung

650. Reichenbachs Ursprung

Die Stadt Reichenbach, so zwischen dem Eulengebirge und dem Zobtenberge liegt, leitet ihren Ursprung aus sehr frühen Zeiten ab. Schon im Jahre 300 nach Christi unsers Herrn Geburt kam ein Römerfeldherr des Namens Lucca, der vielleicht auch Lucka in Meißen gründete, gefolgt von Franken und Wenden in diese schlesische Gegend, schlug Lager allda und erbaute in einem Walde, darin ein Bild des alten Slawengottes Swantewit stand, einen Tempel. Auf diesem Gefilde war es auch, bis wohin die räuberisch in Deutschland eingebrochenen Hunnenhorden nach der Merseburger Siegesschlacht im Jahre 925 durch Duno von Askanien und Siegfried von Ringelheim verfolgt und schier gänzlich aufgerieben wurden. Als die Hunnen sahen, daß kein Entrinnen war, versenkten sie ihre Schätze in den Klinkenbach, allein ein Heerführer Kaiser Heinrichs I. des Namens Funkenstein erfuhr dies und fischte den Bach für seinen Herrn aus, welcher ihm gebot, eine Stadt dorthin zu bauen. Vom reichen Fund im Bach wurde diese Stadt Reichenbach genannt.

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651. Die Tanzwütigen zu Reichenbach

651. Die Tanzwütigen zu Reichenbach

Die Volkskrankheit der Tanz- und Springewut, die man im Mittelalter St. Veits- und St. Johannistanz nannte, und die sich oft in entsetzlicher Weise zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gegenden offenbarte: die Tänzer zu Kolbeck (Kolbig) im Jahre 1021, der Erfurter Kindertanz nach Arnstadt 1237, Tänzer zu Utrecht 1278, die auf einer Brücke tanzten, welche brach, so daß sie alle ertranken; die Aachener Tanzfahrt 1374, die sich im ganzen Niederland verbreitete, die gleichzeitig Tanzwütenden zu Köln und zu Metz, wo Sinnenwut und Sinnenglut vereint schamlos walteten; die Tanzplage zu Straßburg 1418 und an andern Orten, die Adamstänzer in Böhmen usw. – Diese Volkskrankheit kam noch im sechzehnten Jahrhunderte zur Erscheinung, und zwar zu Reichenbach, zwei Meilen von Schweidnitz. Dort war ein Mann des Namens Vierscherig, der hatte fünf Kinder, davon die ältesten, ein Mägdlein, Barbara mit Namen, dreizehn Jahre alt, ein Knäblein neun und wieder ein Mägdlein sieben Jahre alt waren. Die wurden am Palmsonntag 1551 allzumal von der Tanzwut erfaßt, begannen wunderlich und seltsam zu tanzen und zu springen, wie noch niemand erhört und ersehen und in unbegreiflicher Weise, und tanzten Tag und Tag sieben bis acht Stunden in die Quere und in die Länge hin und her, in alle Winkel, aus der Stube in das Haus und aus dem Haus in die Stube immer springend und drehend, daß sie grausam müde wurden, schnaubten und keuchten, so daß es niemand verwundert hätte, wenn sie auf der Stelle tot niedergefallen wären. Und wenn sie vor Ermattung nicht mehr stehen konnten, drehten und wirrten sie mit den Köpfen an der Erde, als wenn sie auf denselben tanzen wollten; endlich haben sie dann eine Zeitlang geschlafen und gelegen wie für tot. Wenn sie wieder erwachten, heischten sie bisweilen etwas zu essen, dann begannen sie wieder zu hüpfen und zu springen und zu tanzen, Tag und Nacht, wie es sie ankam, redeten wenig und lachten unterweilen alle zugleich. Ein Pfarrer wollte ihnen von der Sucht helfen mit geistlichem Zuspruch und nahm sie neun Tage zu sich in das Haus, es war aber ganz vergebens.

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652. Teufelsgraben

652. Teufelsgraben

Nahe Rappersdorf zwischen Strehlen und Wansen in Schlesien ist ein tiefer Graben, der sich nach dem Krühnwasser zieht, das dort in die Ohlau fällt; dieser wird der Teufelsgraben genannt. Ein Bauer, dessen Felder allzu oft von Wasserüberschwemmung litten, welches Wasser auf den Feldern allzu lange stehen blieb, stand eines Abends ratlos und verzweifelnd an seiner Gemarkung und wußte seines Leides keinen Rat. Da trat im Dämmerlicht ein dunkler Fremder zu ihm und sprach: Was seufzest du? Du seufzest über das allzu viele Wasser! Andere wären froh, hätten sie deinen Überfluß. Überlasse mir sieben deiner Knechte, so will ich mit ihrer Hülfe dir das Wasser ableiten, ehe der Tag graut. – Das war der Bauer wohl zufrieden, er gebot alsbald sieben Knechten, auf zu sein und dem Fremden dienstbar, und der wählte sich sieben aus, die ihm nicht unbekannt waren, die ärgsten Flucher, die schlimmsten Spieler, die größten Schlemmer. Sie aber murrten und wollten, weil es Nacht, nicht arbeiten; da sagte der Bauer: Wollt ihr nicht gehorchen, so geht zum Teufel! – da gingen sie. Am andern Morgen war der Graben fertig, groß und breit und lang, und die Felder waren wasserfrei. Aber die Arbeiter kehrten nicht wieder heim. Bis Köchendorf und Bankau fand man auf den Feldern ihre zerstückten Glieder. Sie waren zum Teufel gegangen.

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653. Der Glockenguß zu Breslau

653. Der Glockenguß zu Breslau

Zu Breslau, dem einen Auge Schlesiens, wie die Stadt vor alters genannt ward – das zweite ist Liegnitz –, wurde für den Turm der Kirche Sankt Magdalena eine Glocke gegossen. Alles war zum Guß bereit, als der Meister sich für kurze Zeit erst noch einmal entfernte und dem Lehrjungen streng verbot, etwas anzurühren und beileibe nicht das Metall in die Form auslaufen zu lassen. Aber die schlimme Neugier trieb den Jungen an, am Zapfen zu atzeln, und unversehens strömte das geschmolzene Metall heraus und in die Form hinein und füllte sie ganz aus. Zum Tod erschrocken und zitternd kam der Junge zum Meister und bekannte es, und den Meister ergriff der Zorn allzusehr, so daß er sein Schwert zog und den Jungen niederstach, wie der Glockengießer zu Attendorn seinen Gesellen. Dann eilte er hin in das Gießhaus und sah nach und glaubte den ganzen Guß mißlungen; aber siehe, er war herrlich wohlgeraten. Da reute ihn die übereilte Zornestat, die sich nicht verhehlen ließ; bald darauf saß er im Kerker und empfing sein Urteil, das lautete: Tod durch das Henkerschwert. Inzwischen seiner Haft zog man die Glocke auf, und als es nun dahin gedieh, den armen Sünder zur Richtstatt zu führen, da bat er flehentlich, man möchte ihm noch die Gunst erzeigen und seiner Glocke Ton ihm zum letzten hören lassen. Dies geschah, und da mag wohl die Glocke einen Ton gegeben haben wie die Krempner: Schad um den Jungen! Schad um den Jungen! Hernach ist die Glocke stets geläutet worden, wenn ein armer Sünder vom Rathaus fort und zum Hochgericht geführt wurde. Es ist eine große schwere Glocke, die funfzig Schläge von selbst schwingt, wenn sie auf funfzig Schläge gezogen worden.

Im Dom zu Breslau hat immer eine Glocke von selbst geläutet, wann ein Kanonikus sterben sollte, auch fand man im Chorgestühle auf eines solchen Platz stets eine weiße Rose.

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654. Habedank.

654. Habedank.

Als Kaiser Heinrich V. mit dem Polenkönig Boleslaus Krieg führte und Polen gern seinem Szepter unterwürfig machen wollte, schickte letzterer eine Gesandtschaft stattlicher Männer an den Kaiser um Friedenswerbung. Der Kaiser empfing diese Abgesandten gut und zeigte ihnen unter andern auch seinen Schatz, ließ aber dabei doch einigen Stolz blicken und sagte: Hier ist Vorrat, Polen zu zähmen! Dieses Prahlen verdroß die stolzen Sarmaten und war ihnen unerträglich, daher zog der Erste unter ihnen, Graf Skarbik, einen kostbaren Ring vom Finger und warf ihn in des Kaisers Schatzkasten, indem er sagte: Aurum adjiciatur auro! Gold zu Golde – und deutete damit an, daß auch Polen und sein König des Goldes genug habe, um Krieg zu führen, und daß sie sich nicht auf Gold, sondern auf ihre Schwerter verließen. Der Kaiser verstand auch gar wohl den Sinn der Rede, antwortete aber sehr ruhig: Habe Dank! Habe Dank! – und warf den Deckel seines Schatzkastens ins Schloß. Davon hat hernach der Pole samt seinen Nachkommen den Beinamen Habedank erhalten.

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655. Sagans Name

655. Sagans Name

An der äußersten Westgrenze Schlesiens, am Bober, wohnte ein Mann, der beherrschte die Gegend und bewachte den Übergang über den Bober und nahm Zoll von den Reisenden, fast so schlimm wie jener Riese an der Scheide. Wenn nun einer kam, so rief er jedesmal: Sag an, woher? Sag an, wohin? Sag an, was führst du? – und nannten ihn die Leute rings im Gau den Herrn Sag an. Da nun die Stätte schön und fruchtbar gelegen war, so bauten sich andere auch an und wurden Herrn Sagans gute Nachbarn und desgleichen, und ward allmählich ein Ort, und aus dem Ort ward eine Stadt, die denselben Namen behielt bis auf diesen Tag. Als Sagan eigne Herzoge gewonnen hatte, taten einst einen derselben die Domherren zu Glogau in den Bann, weil sie ihm nicht gehorsam sein wollten. Da bot er ihnen friedlichen Vergleich, und da sie zu ihm in sein Schloß, als zu einem Gebannten, nicht kommen durften und würden, lud er sie zum Zwiegespräch und zur Unterhandlung auf die Boberbrücke. Kaum waren die Domherren auf der Brücke, so fielen hinter ihnen die Dielen in das Wasser, denn es waren unter der Brücke auf des Herzogs Geheiß Fischer versteckt, welche schon alles so vorgerichtet hatten. Darauf redete der Herzog die Canonici sehr ernst an und fragte: Jetzt, ihr Herren, saget kurz und rund, wollt ihr euch fügen oder nicht? Wollt ihr singen oder wollt ihr springen? – Singen, Herr, singen! antworteten die bestürzten Chorherren und fügten sich gütlichem Vergleiche und lösten den Herzog vom Banne, um sich selbst zu lösen, und sangen wieder im Chor Horas und Vigilien, Vespern und Metten.

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641. Rübezahls Gunstgenossen

641. Rübezahls Gunstgenossen

Die Gunst des Gebirgsherrn erweist sich vielfach gütig, hülfreich, mitunter etwas schadenfroh, etwas herb, er gibt selten ohne eine gewisse Laune, wenn er überhaupt noch gibt, doch hat er viele Glückliche gemacht. Einem armen Bäuerlein, das aufs Gebirge ging, Holzäpfel zu sammeln, erschien der Berggeist in Gestalt eines rußigen Köhlers, führte es unvermerkt in seinen Garten, da gab es Holzäpfel, doch nicht zu viele. Der Bauer nahm deren, trug sie heim, bewahrte sie zum Winter auf; als er sie dann seinem Kind an das Christbäumchen hing, waren sie so schwer; der Bauer schälte einen, da waren das Kernhaus und die Kerne von purem Golde, und der Glückliche löste fünfzig Dukaten daraus. Eine Kräutersammlerin verirrte sich auf dem Gebirge, der Geist erschien ihr in Gestalt eines Bauers, zeigte ihr den rechten Weg, warf aber die von ihr gesammelten Kräuter aus ihrem Korbe und streifte Baumblätter ab, womit er ihn füllte. Als ihr Führer sie verlassen hatte, fand sie die Kräuter, die sie brauchte, nochmals am Wege stehen und schüttete die Baumblätter aus dem Korbe, daß nur einige wenige darin hängenblieben, aber diese wenigen waren, da sie nach Hause kam, feines Dukatengold. Vergebens rannte sie zurück, die weggeworfenen Blätter zu suchen. Eine andere arme Frau kletterte mühsam an den Felsen umher, die Fruchtknöpfe von wilden Rosensträuchen, Hanebutten genannt, zu pflücken und zu sammeln; als sie diese aufbewahrt hatte und zu einer andern Zeit nach Warmbrunn zu einem Wirt tragen wollte, der sie in die guten Weinsüpplein für die Badegäste brauchte, da fand sie in goldne Knöpfe ihre Hanebutten verwandelt. Eine andere Frau pflückte Holunderbeeren zum Hollermus, darauf man tüchtig schwitzt, und welches die Wassersucht kurieren soll; wie sie herunterkam, hingen an jeder Dolde statt der Holunderbeeren braune Körnlein gediegenen Goldes.

Ein armes Mädchen, das in die Erdbeeren ging, hatte, als es nach Hause kam, statt der Erdbeeren ihr Töpflein voll Dreier, Gröschlein und Dukaten – einen schönen Brautschatz.

Ein Handwerksbursche kam auf einen Erbsenacker des Berggeistes, dessen Trivialname schon auf einigen Ökonomiebetrieb hindeutet, fand köstliche Schoten, stillte damit seinen Hunger und Durst, und es fielen ihm auch noch ein paar in die Tasche. Zufällig griff er, nachdem er schon lange aus dem Gebiet des Geistes heraus war, in die Tasche, fand die Schoten und kernte sie aus. O Wunder, Goldkörner waren die Erbsen! Jetzt wollte sich der Bursche im Leib zerreißen und wäre gern vor Ärger geplatzt wie das Rumpelstilzchen im Kindermärchen, um nur den in sich hineingefressenen Reichtum wiederzuerlangen – allein was einmal durch die Gurgel gejagt ist, ist hin. Spornstreichs rannte der Bursche zurück, den Schotenacker zu suchen und Vorrat zu pflücken. Ja – guten Morgen!

Ein durstiger Reisender kam an den schwarzen Teich, den man Rübezahls Teich nennt, und zu dem nicht leicht jemand gelangen mag. Er trank sich satt und füllte seine Reiseflasche mit der kalten Kristallflut. Als er nach ziemlicher Wanderung daraus trinken wollte, war die Flasche sehr schwer, und kein Tropfen floß heraus. Eine steinharte Masse steckte darin, der Reisende zerbrach das Glas und fand darinnen den reinsten goldschimmernden Topas, für den er vieles Gold gewann.

Einer sehr armen Frau, welcher der Geist als Bauer mit einem Milchkruge vom Gebirge niedersteigend begegnete, und die ihn um eine Gabe ansprach, gab er den ganzen Krug und riet ihr, von der Milch nur wenig zu trinken, das übrige hinzustellen, sie sauer werden zu lassen und Käse daraus zu machen. Solches tat die gute Frau. Es währte lange, bis die Käse reif wurden und die hübsche gelbe Farbe der Reife annahmen, aber als dies endlich geschah, waren die Käse pures Gold.

Drei Handwerksbursche bettelten einen vornehmen Herrn an, der ihnen, in einer prächtigen Kutsche fahrend, im Gebirge begegnete. Er gab jedem eine Gabe, sorglich in Papier gewickelt, mit der Weisung, nicht eher als in der nächsten Herberge diese Papiere zu öffnen. Allein einen davon trieb die Neugierde dennoch – er öffnete, ehe ihm noch die Kutsche aus den Augen war, und fand – zwei verschimmelte Rechenpfennige, für die ihm niemand etwas gab. Der zweite konnte auch die Zeit nicht erwarten, der fand zwei alte böhmische Groschen; der dritte wartete und fand zwei Dukaten.

Ein Wurzelgräber fand einen ganzen Haufen voll Mistkäfer und sammelte sie in seinen Ranzen in der Meinung, sie dem Apotheker in Hirschberg zu bringen, daß dieser etwa ein Tränklein gegen die Schwindsucht daraus destillieren könne – die Käfer rauschten und sumsten greulich in dem Ranzen herum, und dieser selbst wurde immer schwerer – das ärgerte den Mann, er gab sein Vorhaben auf und schüttete halbwegs die Käfer aus. Nur zufällig blieben ein paar in den Falten des Ranzen hängen, aber diese wenigen waren, als der Mann nach Hause kam, in Gold verwandelt.

Einem Sattlergesellen begegnete eine schöne Kutsche mit sechs Pferden bespannt, aber jedes Pferd hatte nur drei Beine, die Kutsche hatte nur ein Rad, und seltsame Vögel umflogen sie. Der Schmutz der Fahrgleise glänzte wie Gold an dem Rad; der Sattler streifte etwas davon mit den Fingern ab, aber da war es s. v. Dreck wie anderer auch, den er an einen alten Lappen abwischte. Da er aber in die Herberge kam, hingen sechs Dukaten im Schmierlappen.

So gehen wohl hundert- und tausendfach die Sagen von des Berggeistes günstiger Laune und seinen guten Gaben im Volke.

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642. Rübezahls Neckereien

642. Rübezahls Neckereien

Mancher hat des Berggeistes Neckereien erfahren und erdulden müssen, die oft von Tückereien nicht wohl zu unterscheiden sind. Ein Wurzelgräber im Gebirge sollte für einen Podagristen Wurzeln suchen, die gut gegen das Zipperlein, konnte aber selbige Wurzeln nicht finden. Ein anderer Wurzelgräber, den er im Gebirge beschäftigt fand, nannte sie ihm und half ihm graben, einen großen Arm voll lange schwarze Wurzeln, die jener freudig zu seinem Besteller trug – aber o Schrekken, plötzlich verwandelten sich alle Wurzeln in Schlangen! Hei, wie rasch hüpfte da der Podagrist aus dem Bette, wie bekam er Beine, wie konnte er laufen! Er war vom Zipperlein befreit auf immerdar.

Zu einem Schneider in Liebethal kam der Gebirgsherr in Gestalt eines Landjunkers und bestellte ein feines Tuchkleid, zu dem er das Tuch mitbrachte. Der Schneider schnitt das Tuch sehr reichlich zu, aber mit dem, was er seiner Hölle zudachte, nicht zufrieden, vertauschte er sogar das Tuch und machte von einer geringeren Sorte den Rock des Junkers und sandte ihn an den angegebenen Ort. Als aber nun der Schneider das unterschlagene gute Tuch hervorholte, um für sich selbst ein Feierkleid davon zu machen, siehe, da war’s eine alte Schilfdecke, in welcher noch allerlei Lebendiges kroch. Als nun bald darauf das Schneiderlein einen Gang übers Gebirge tun mußte, begegnete ihm der Landjunker, reitend auf einem Ziegenbock, der unaufhörlich meckerte, und fragte ihn, ob er zu ihm wolle und seinen Macherlohn etwa holen wolle für den ausgetauschten Rock. Ob der neue Rock von der Schilfdecke fein in Arbeit sei? Welche Knöpfe er daraufsetzen würde? – und höhnte ihn also aus, daß kein Hund ein Stück Brot von ihm genommen hätte. Seitdem konnte der Schneider keinen Ziegenbock meckern hören, es war ihm immer, als riefe ihm da eine Stimme warnend zu: Meister! Meister! –

Ein Tuchhändler verkaufte dem Berggeist, den er für einen dummen Krautjunker hielt, ganz schlechtes Tuch für gutes um die hohe Summe von fünfzig Dukaten. Als er daheim den Beutel zog und das Gold in den Kasten legen wollte, hüpften fünfzig lebendige Mäuse aus dem Beutel heraus, verteilten sich im Hause und zernagten dem Betrüger für mehr als fünfzig Dukaten gutes Tuch. Drei andere Tuchhändler, die nicht betrogen hatten, neckte der Gebirgsherr in gnädiger Laune. Er zahlte in blanken Dukaten, und als sie das Geld daheim ansahen, waren es messingene Zahlpfennige. Erschrocken eilten sie wieder aufs Gebirge und trafen den Herrn vom Berge, als er eben im Begriff war, auszufahren, und gingen ihn an mit beschwerender Rede. Der Geist ließ sich das angeblich falsche Geld zeigen, und siehe, es waren lauter vollwichtige Dukaten. Gleichwohl erbot er sich, die Tuchhändler in Silber zu bezahlen, und nahm seine Dukaten wieder an sich. Als die Geäfften mit ihren Reichstalern fast wieder zu Hause waren, klirrte es so seltsam in ihren Geldbeuteln; sie sahen nach und fanden – alte Topfscherben. O Schrecken! Noch einmal umkehren, wagten sie nun nicht. Am andern Tage aber waren die Scherben wieder in Reichstaler verwandelt.

Ein gieriger Steinsucher fand in einer Kluft einen Goldklumpen, der funkelte hell wie Feuer. Rasch griff er danach und brachte nichts hervor als eine Feuerkröte, von der seine Haut an der Hand ganz schwarz ward. Er mußte die Haut abschaben, und da fand sich, daß die Haut, die abging, in lauter dünnes Goldblech verwandelt war. Jetzt wünschte sich der Mann völlig und über und über eine so gute Haut zu sein.

Als Schuhmacher zog der launige Gebirgsherr auf nahe Märkte, schlug Buden auf, verkaufte prächtiges Schuhwerk um Spottgeld, besonders für Frauen – ach es ging sich so wunderschön in diesen sanften, weichen anschmiegsamen grünen Schuhen – nur schade, daß sie nach kurzer Weile wie Butter an der Sonne zergingen und das Tuch und Leder dazu auf den Bergwiesen gesammelt war und die Kühe die Fabrikanten sotanen Leders waren. Oder der Berggeist hielt als Schlafmützenmacher feil, machte herrliche Geschäfte, aber hinterdrein waren die Mützen von jenem unnennbaren weißen Stoff, der sonst in den Apotheken unter dem Namen weißer Enzian gehalten und geführt wurde, aber nichts weniger war als die Wurzel der unter diesem Namen offiziellen Pflanze.

Einst schlug der neckische Geist zu Warmbrunn eine Bude als Haarkräusler und Perückenmacher auf; wer ihm abkaufte, war betrogen und fand am andern Morgen auf seinem Perückenstock eine Igelhaut, ein Elsternest, eine Atzel von der Haut des Esels samt anhängendem Schwanze an Zopfes Statt, oder von sonstigem Geniste.

Einer eiteln und gefallsüchtigen alten Modenärrin hing der Geist eine Büchse Schminke auf, der die Purpurflechte die Farbe und der Veilchenstein vom Gebirgshochrücken den Duft verlieh – aber als die gute Frau sich damit schminkte, wurde ihre Haut braunschwarz gebeizt, wie vom Höllenstein, und mußte es also behalten bis ans Grab und einem Waldschrat ähnlich sehen.

Zu einem Bürger in Hirschberg kam der Geist als Holzspalter und bot seine Dienste an; für seine Mühe bedingte er sich eine Trage Holz. Der Bürger wies ihm vier Klaftern Holz zum Spalten an und fragte, da der Mann keine Axt trug: Aber hast du denn keine Axt? – Ach ja, ich habe eine, antwortet der Geist, zieht sein linkes Bein aus dem Leibe und fängt an auf so entsetzliche Art Holz zu spalten, daß dem Bürger Hören und Sehen vergeht und er dem Holzspalter zuruft, er solle sich gleich vom Hofe packen. – Nein, Gesell! rief der Geist, erst muß ich mir meinen Lohn verdienen!, führt fort zu hacken und zu spalten, bis alles Holz klein gemacht ist, dann macht er sich etwas groß, so groß, daß er die vier Klaftern auf einmal auf seinen Rücken laden und davontragen kann, und geht damit lachend von dannen.

Zu einem Bauer in Krummhübel, welcher schlachten wollte, kam der Berggeist als Schlächter und erbot sich zu schlachten. Der Bauer fragte, welchen Lohn er verlange. – Ach, mir ist’s nicht um Lohn, antwortet der schalkhafte Geist. Laßt mich nur so viel Wurst essen, daß ich satt werde! – Das war der Bauer gern zufrieden, denn er dachte, es steht geschrieben: Du sollst dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden, und dieser Kerl ist ein Ochse. – Da nun die Schweine alle geschlachtet und die Würste gekocht waren und das Essen losging, so begann der Berggeist seine Mahlzeit und speiste eine Wurst, und noch eine, und noch eine – nun meinte der Bauer, es sei genug; aber sein Schlächter hatte daran noch lange nicht genug, er fraß fort und fort, fraß einhundertundfünfzig Würste, dann sah er sich nach mehr um, und als er keine Würste mehr erblickte, so wischte er sich das Maul, sagte: Es ist doch schade, daß wir so wenige Würste gemacht haben! Schlachtet fein bald wieder! – und verschwand. Bauer und Bäuerin und auch die Kinder weinten bitterlich, als sie sich also hinters Licht geführt sahen, um die schönen Würste; wie sie aber die Schinken hinauf in die Räucherkammer trugen, siehe, da hingen die hundertundfünfzig Würste, und war ein Staat, sie anzusehen. Da war große Freude.

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