630. Der Dresdner Mönch

630. Der Dresdner Mönch

Zu Dresden hat vorzeiten ein Barfüßerkloster gestanden, welches Heinrich der Erlauchte, Markgraf zu Meißen, neben seinem Schlosse erbaute, das nannte man auch das Paraptenkloster wegen der Holzschuhe oder Sandalen, so jenesmals die Mönche trugen. Das Kloster hat mit dem Schlosse durch einen Gang in Verbindung gestanden und stand an der Stelle, wo man es heutiges Tages den Taschenberg nennt. Als das Kloster im Laufe der Zeit eingegangen war, ist noch ein Barfüßer übriggeblieben und hat umhergespukt in grauer Kutte, mit einer Laterne in der einen Hand und unterm Arme etwas tragend, und dieses Etwas war sein Kopf. Warum und wodurch der Mönch selbigen seinen Kopf von der rechten Stelle verloren, weiß niemand mehr, er machte aber auf diese Weise eine Art Nachtrunde, zeigte sich zuerst in der Nähe des Schlosses, umwandelte dann die Wälle und Bastionen der Altstadt und kam auch in die Stadt. Nur in der Mitternachtstunde geschahe das, und die Schildwachen wurden seiner gewohnt; niemand erfuhr von ihm ein Leid, niemand sähe klar, woher der Mönch kam und wo er verschwand. Wenn er mehrere Male kurz hintereinander erblickt wurde, hat es jedesmal den Tod einer Person des kurfürstlichen Hauses vorbedeutet oder sonst ein Unglück. Im Jahre 1698 am 5. Oktober zeigte er sich an allen Toren, vornehmlich aber am Pirnaischen, hatte aber auch schon vier und ein halbes Jahr früher, am 22. April 1694, sich lebhaft sehen lassen. Damals starb (am 27. April) Kurfürst Johann Georg IV. zu Dresden an den Kindesblattern. Im Jahre 1698 aber schlug zu Dresden am 9. November das Gewitter unter einem Regensturm und Schneegeplödere in den Schloßturm und entzündete denselben; tags darauf aber starb Herzog Johann Georg zu Sachsen-Eisenach auch an den Kindesblattern, und wurde von vielen die Mönchserscheinung für ein Vorzeichen gehalten. Es soll solche Mönchserscheinung niemals etwas Gutes bedeutet haben oder bedeuten.

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631. Der Rosenkranz

631. Der Rosenkranz

Zu Pirna an der Elbe, wo der Ablaßprediger Johannes Tetzel geboren ward, hatte eine fromme Jungfrauenhand bei einem Kirchenfeste einen blühenden Rosenkranz oder -zweig an die Wand gehangen und dabei ein Gelübde getan und einen Wunsch ausgesprochen, der mit dem Gelübde eng verbunden war. Der Kranz war längst verdorrt, aber doch nicht hinweggetan worden, niemand achtete seiner. Da geschah es im Jahr 1634, daß ein steinaltes Mütterlein in der Kirche saß und im heißen Gebet mit Gott rang. Du gnadenreicher Gott, mochte die Greisin beten, hast die Wünsche und Bitten erfüllt, die ich nun vor siebenzig Jahren in diesem deinen Tempel an dein Herz gelegt. O so erfülle mir noch einen Wunsch, gib mir ein Zeichen deiner Gnade und Barmherzigkeit, behüte dieses unser Städtlein vor des wilden Krieges Wüten, schenke ihm Frieden und mir einen sanften, seligen Tod! Und siehe, wie das Mütterlein seine Augen nach dem welken Rosenkranze richtete, den seine Hand vor siebenzig Jahren an jene Stelle gehangen, siehe – da grünte der Kranz und trieb neue junge Knospen, die zu Rosen ausblüheten, das Mütterlein aber ging ein zum ewigen Frieden. Und ward auch sein letzter Wunsch erfüllt und genau zu derselbigen Zeit in Pirna zwischen dem Kaiser und Kursachsen ein Friedensschluß durch Abgesandte beraten und beredet.

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626. Das wütende Heer auf dem Erzgebirge

626. Das wütende Heer auf dem Erzgebirge

Auf dem Schreckenberge, dem Scheibenberge und nach dem Kamm des Erzgebirges hinauf hat die wilde Jagd auch ihr Wesen und hetzt mit Hallo, Hörnerblasen und Hundegebell durch Luft und Kluft. Von Wiesenthal wollte eines Abends ein alter Priester frühzeitig nach Annaberg fahren; der Weg führte ihn lange hart an der sächsischen und böhmischen Grenze hin durch lauter Wald bis zum Städtlein Weipert, und der geistliche Herr fuhr zu sehr früher Zeit. Da erhob sich im tiefen Walde ein mächtig Jagdgetön, es schallte und knallte, es sauste und brauste – und waren doch weder Holzleute noch Jäger zu erblicken. Da nun der Priester ängstlich wurde ob des noch nie vernommenen Lärmens und den Fuhrmann fragte, was dieses Getöse sei und zu bedeuten habe, so antwortete dieser: Sorget Euch nicht, hochwürdiger Vater; es ist das wütende Heer, das tut uns nichts, wenn wir in Gottes Namen fahren! Und fuhr redlich hin.

Ein edler Junker des Namens Rudolf von Schmertzing, Erbsaß auf dem Hammergut Dörßel, hatte am Abend zu Annaberg manchen guten Trunk getan, wie Ritter Hermann von Hellerstein bei Treffurt in Creuzburg, und ritt in gleicher Verfassung ganz allein seines Weges nach Hause. Er ließ Buchholz links liegen, Dörßel rechts, ritt durch Schlettau und wollte durch die Unter-Scheibner Räume den Weg nach den Scheibner Mühlen zu nehmen, da hörte er auf den zum Fichtelberge hinansteigenden Höhen Jagdlärm von Hörnern und Hunden und ritt diesem lange nach, bis er endlich verirrt war und sein Pferd in einem Sumpfe stak. Mit Mühe gelang es ihm, sich selbst herauszuarbeiten und ein Vorwerk zu erreichen, wo er Leute gewann, die mit Seilen und Stangen das Pferd aus dem Moraste zogen.

Zu einem Manne, der am Wielenauer Berge mit einem Pferde arbeitete, ist ein angeschirrtes fremdes weißes Pferd ganz plötzlich gelaufen gekommen und hat sich selbst zu dem einen Pferde gespannt, da ging die Arbeit gar merklich rasch vonstatten, aber den Ackermann befiel eine bange Ahnung, und er wußte nicht, was er tun sollte; da es nun Mittagszeit war, so wollte er ausspannen, aber das andere fremde Pferd ging durch und riß das seinige mit sich fort, und rannen auf den nahen Tümpfel zu. Der erschrockene Ackermann rannte mit, hing sich an sein Pferd, fluchte und betete, da riß endlich jenes Pferd sich los und sprang mitten in den Tümpfel hinein, und jener behielt sein Pferd – in großer Bestürzung.

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620. Geist Mützchen

620. Geist Mützchen

Bei Freiberg ist ein Gehölz, das heißt der heimische Busch, und in demselben hauste vordessen ein Kobold, den die Leute Mützchen nannten und damit an den bekannten Kobold Hütchen erinnerten. Geist Mützchen gehörte zu jenen gespenstigen Hockelmännchen, die sich den Reisenden und solchen Leuten, die im Walde Geschäfte hatten, aufhockten und sich weite Strecken tragen ließen, bis die Leute ganz abgemattet waren und fast odemlos umsanken. Wenn sie ihn nun fast nicht mehr tragen konnten, hüpfte er von ihrem Rücken plötzlich weg, schnellte auf einen Baum und schlug ein schmetterndes Gelächter auf. Dies arge Possenspiel trieb Geist Mützchen absonderlich im Jahre 1573, und sind viele Personen durch sein Aufhockeln krank geworden. Mützchen glich in allem dem Geist Osschaert im Wanslande und machte gar wunderliche Grimassen, wenn es ihm beliebte, sich erblicken zu lassen. Eine Butterhökerin fand einen prächtigen Käse im heimischen Busch. Des Fundes froh und überrechnend, was sie dafür lösen werde, legte sie ihn in ihren Tragkorb, da wurde der Korb so schwer, so schwer, daß sie endlich von der Last niedergezogen ward und in die Kniee sank und den Korb abwarf, da rollte ein Mühlstein aus dem Korbe und in die Büsche, und aus den Büschen schaute Mützchen mit gellendem Gelächter, daher man auch von einem hell und grell Lachenden zu sagen pflegt: Der lacht wie ein Kobold. Den Namen aber hatte Mützchen von seiner Nebelkappe, die ihn unsichtbar machte, und wenn er sie abtat, so sah man ihn, und dann setzte er sie oft plötzlich wieder auf und war im Nu verschwunden, davon ist das Sprüchwort entstanden, wenn jemand etwas sucht und es an einem Orte gesehen zu haben überzeugt ist und es nun doch nicht finden kann, daß man sagt: Ja, da sitzt es und hat Mützchen auf – nämlich der Zwerglein unsichtbar machendes Nebelkäppchen.

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621. Gottes Gericht

621. Gottes Gericht

Sankt Benno, der Slaven Apostel, der im Heiligental bei Meißen die Frösche stumm machte, war ein Mann Gottes und Bischof zu Meißen vierzig Jahre hindurch und tat mächtige Wunder. Da regierte Markgraf Otto zu Meißen, der machte die Güter der Kirche sich zu eigen, denn er meinte, der Kirche gehöre kein irdisches Gut, sie solle sich am himmlischen genügen lassen. Sankt Benno stellte dem Markgrafen freundlich vor, daß er mit solchem Tun sich versündige, und er solle der Kirche zurückgeben, was er ihr genommen, oder den gerechten Richter fürchten, der alles Unrecht sehe und räche. Diese Rede mißfiel dem Markgrafen Otto über die Maßen, er hob die Hand und schlug hin und gab dem Bischof einen derben Backenstreich. Da rief Sankt Benno: Diesen Schlag wird Gott heute übers Jahr an dir, Markgraf, rächen! – Der Markgraf aber lachte und spottete: Du bist wohl des Herrgotts geheimer Rat und Himmelreichskanzler, Bischof? – Der Bischof schwieg und kränkte sich, und begann von dem Tage an zu kränkeln, und starb bald darauf mit frommem Gebet, und ward als ein Heiliger verehrt und betrauert. – Als das Jahr 1106 herum war und der Tag wiederkam, war der Markgraf frisch und gesund, und war ihm nichts Übles widerfahren, und gedachte, da der Tag fast herum war, des Bischofs und dessen drohender Prophezeiung, und sagte: Wo bleibt nun Bennos Weissagung? Sie ist in den Topf gefallen. Kaum hatte der Markgraf das Wort gesprochen, so durchschlug ihm des jähen Todes Hand Mark und Bein, daß er plötzlich zu Boden stürzte und nur noch schrie: Helft! Helft! Da war aber kein Helfer da und keine Hülfe mehr, es riß ihn die allgewaltige Hand des Todes vor das Gericht Gottes.

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622. Des Mönchs Sprüchwort

622. Des Mönchs Sprüchwort

Im Stift St. Afra zu Meißen war ein Mönch, der hatte einen besondern Haß gegen das weibliche Geschlecht und sich, wie jener Graf von Schwarzburg, ein häßliches Sprüchwort angewöhnt; sooft ihm vorkam, ein Mägdlein taufen zu müssen, oder daß ihm ein Taufzug begegnete, der ein Mägdlein zur Taufe in das Gotteshaus brachte, so sagte er: Erst getäuft, dann ersäuft. Solchen ungerechten Haß und solches Sprüchwort behielt er bei bis zu ziemlich hohen Jahren. Eines Tages ging er über die Meißner Elbbrücke, die zu ihrer Zeit als die künstlichste in ganz Deutschland gepriesen ward, obschon sie nur von Holz, da begegnete ihm wiederum ein Taufzug mit vielen Begleitern und nebenher sich drängenden Neugierigen, und der Mönch stellte sich ausweichend zur Seite, lehnte sich an das Brückengeländer und murmelte: Wieder eine! Ha – erst getäuft, dann ersäuft, das wäre das beste! – Indem so brach das Geländer, der Mönch stürzte kopflings hinab in den Strom und mußte elendiglich ersaufen. Solches ist im Jahr 1505 geschehen, und hat nachher der Mönch, gleichwie der zu Dresden, lange auf der Elbbrücke spuken müssen.

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623. Die Perlenschoten

623. Die Perlenschoten

Zu Neustadt-Wiesenthal im Obererzgebirge war eine Zeit ein großes Sterben, da wohnte in dem Bergstädtlein Michel Nohdörfer, ein Exul aus Lutitz in Böhmen, der war mit seiner Frau und sieben Kinderlein der Religion halber herüber in das Sachsenland geflüchtet, als der Dreißigjährige Krieg sich angehoben hatte. Dieser Mann hatte ein Mägdlein von sieben Jahren, das hatte im Schutthaufen eines alten ausgegrabenen Kellers etliche Kapsamenstrünklein (Kappus, Kohl) aufgelesen und in den Garten ihres Vaters in die Erde gepflanzt, wo sie gut angingen, blühten und reiften. Da nun die Schötchen reif waren, nahm das Kind sie ab und klopfte sie aus, da hullerten kleine silberglänzende Körnlein heraus, und das Kind sammelte sie und trug sie zum Vater und sagte: Schau Vater, was ich funden habe! Patterlein! Schöne Patterlein! (Paternosterküglein). Der Vater sah mit Staunen, daß es echte Perlen waren, suchte selbst mit nach und fand in jedem Schötchen einige Perlen, sammelte davon mit dem Kinde ein ganzes Käsnäpfchen voll. Alle Welt, wem nur der Rohdörfer die Perlen zeigte, bewunderte sie und erkannte sie für echt an, namentlich mehrere Edelleute, die sich auch als böhmische Exulanten in Wiesenthal aufhielten. Von Annaberg kam eine Gräfin von Hauenstein eigens herübergefahren, stieg an Rohdörfers Hause ab und ließ sich etliche Samenschötchen von dem Mägdlein aufmachen, befand auch, daß es echte Perlen waren. Als sie aber selbst einige Schoten aufmachte, ging es ihr gleich andern, die dieses auch bereits versucht, die Perlen zerrannen ihr in den Fingern wie Tropfen Taues. Ei, sprach darauf die Gräfin, dies ist eine wunderbare Begabung und Begnadigung dieses glückseligen Kindes, das wir auf- und annehmen wollen, wenn der Vater es zufrieden ist! Ein anderer böhmischer Edelmann ließ den Vater mit allen seinen sieben Kindern zu sich kommen, betrachtete auch das Wunder und ließ die Kinder neu kleiden. In ihrem vierundsiebzigsten Jahre noch hat die Perlenfinderin dies selbst erzählt.

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624. Berggaben

624. Berggaben

Bei Annaberg im Erzgebirge liegt der Schreckenberg, von dessen reicher Silberausbeute die schönen Münzen zuerst alldort geprägt worden, die man Schreckenberger nennt, deren Wert dreieinhalben guten Groschen betrug oder den sechsten Teil eines Meißner Guldens. Auf ihnen ist ein Engel zu sehen, der das sächsische Wappen hält, daher heißen sie auch Engelgroschen. Der Berg aber ist bekannt wegen seiner in ihm wohnenden Berggeister und seine Waldungen durchspukende Schreckgespenste. Nahe bei Annaberg liegt der Scheibenberg und der Ort gleichen Namens; auf diesem Berge ist es auch nicht geheuer, und hat sich darauf schon viel Wunderbarliches zugetragen.

Im Jahre 1605 lebte zu Scheibenberg M. Laurentius Schwabe als Pfarrer, dessen Frau besuchten eine Anzahl Freundinnen aus Annaberg, und sie führte die willkommenen Gäste über und um den Scheibenberg, um ihnen dessen Gelegenheit und Aussicht zu zeigen. Da gewahrten sie am Wege eine Vertiefung wie von einer Wasserquelle, und es führten drei Stufen hinab, unten lag ein Klumpen, der glänzte, glühte und funkelte hell wie Gold. Die Frauen verwunderten sich und erschraken zum Teil, und keine hatte den Mut, etwas daraufzuwerfen. Sie eilten zum Magister Schwabe und erzählten dem, was sie gesehen, und geleiteten ihn nun selbst in den Wald, wo sie die Grube gesehen, allein wie sie auch suchten, sie konnten sie nicht wiederfinden.

Ein junges Liebespaar zu Scheibenberg war zu einer Hochzeit geladen, aber dabei so arm, daß es den Brautleuten keine Gabe schenken konnte, wie doch üblich, und wollte daher von der Hochzeit wegbleiben. Es ging an den Scheibenberg und sah da von ohngefähr ein Schachtloch mit einer eichenen Türe, zu der hinab einige Stufen führten. Sie hatten diesen Bergeseingang noch nie gesehen, gingen die Stufen hinab und sahen hinein. Da lag auf der untersten Stufe ein Fuchs, über den sie erst erschraken, doch da er sich nicht rührte, so gab ihm der Bursch einen Fußtritt, und da fand sich, daß der Fuchs tot war, aber noch nicht lange. Ei, sagte der Bursch, stirbt der Fuchs, so gilt der Balg! – trug ihn nach Hause, streifte den Balg ab, verkaufte ihn und konnte nun mit seiner Liebsten auf die Hochzeit gehen und sich allda lustig machen. Nach der Zeit suchte der Bursche jenen Eingang wieder aufzufinden, vermocht‘ es aber nicht, wie fleißig er auch immer suchte.

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625. Meister Hämmerling

625. Meister Hämmerling

In vielen Bergen läßt sich der Berggeist erblicken, bald als Mönch, bald als Bergmann, meist riesenhaft, mit Augen wie Teller so groß und feurig. Häufig ist er hülfreich tätig, liebt und schützt fromme Bergleute, plagt und straft die bösen. Fluchen ist ihm verhaßt, das straft er am härtesten. Die Bergleute nennen ihn Meister Hämmerling oder auch den Bergmönch da, wo er in Mönchsgestalt sich zeigt. Er erscheint stets allein, ist in keiner Weise zu verwechseln mit den Bergmännchen, Erdkobolden, die zum Zwergenvolk? gehören, die häufig in Scharen erscheinen, während die Sage den Riesen eignet, meist allein zu sein, höchstens zu zweien. In der Sankt Georgengrube zu Schneeberg erschien der Geist in Gestalt eines schwarzen Mönchs und ergriff einen Bergknappen, der sich in der Teufe ungebührlich aufgeführt, hob ihn auf und setzte ihn auf einer ehedem silberreichen Grube nieder, und so hart nieder, daß ihm das Hinterleder platzte und alle Rippen krachten.

Zu Annaberg war eine Grube, genannt der Rosenkranz, darinnen arbeiteten zwölf Knappen, die schwätzten untereinander possenhaft, wollten sich gegenseitig mit dem Berggeist fürchten machen und leugneten ihn als einen lächerlichen Popanz. Da mit einem Male sahen sie eine Roßgestalt mit langem Halse und mit feurigen Augen an der Stirn und erschraken zum Tode. Dann ward aus der Noßgestalt die wahre Gestalt des Bergmönchs, die trat ihnen schweigend nahe und hauchte jeden nur an. Sein Odem aber war wie ein böses Wetter, sie sanken tot nieder von des Geistes Anhauch, und nur einer kam wieder zu sich, gewann mit Mühe den Ausgang und sagte, was sich zugetragen, dann starb auch er. Darauf ist die silberreiche Grube, der Rosenkranz, zum Erliegen gekommen und nicht mehr angebaut worden.

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615. Die Schlacht bei Lucka

615. Die Schlacht bei Lucka

Als der Land- und Markgraf Friedrich von Thüringen und Meißen mit dem Wangenbiß, auch der Freudige genannt, gegen den König Adolf von Nassau stritt, dem des Landgrafen Vater, Albrecht der Entartete, das Thüringerland um einen Pappenstiel verkauft hatte, geschähe es, daß Friedrich sich mit seinem Bruder, dem guten Markgrafen Diezmann, welcher noch im selben Jahre zu Leipzig meuchlerisch ermordet wurde, das Friedrich sehr naheging, verband, um mit Teilhaber des Meißner- und Pleißnerlandes, wenn er sich’s erkämpfte, zu werden, denn auch diese Lande hielt Adolf mit Truppen aus Schwaben besetzt. Mutig sammelte Friedrich ein Heer, führte es in Eilzügen nach Sachsen und bot den Feinden Kampf auf pleißischem Boden in den Gefilden von Lucka und Groitzsch zwischen Leipzig und Altenburg; und damit sein Volk den Führer recht erkenne, ließ er auf seinem blanken Streithelm die drei Helmkleinode der drei Lande Meißen, Thüringen und Pleißen befestigen, die noch immer in jedem Wappenbuch auf den Wappenhelmen dieser Lande zu sehen sind, den mit Pfauenschweifen geschmückten hohen Hut mit der Rautenkranzwappenzier des Pleißnerlandes, die thüringischen Silberhörner mit den grünen Kleeblättern und den wachsenden Mann von Meißen, gewöhnlich Judenkopf genannt, mit rot- und weißgestreiftem Hut und Gewand. Diese drei Helmkleinode ließ er, so gut es ging, auf seinem einen Helm festbinden und soll dazu die Worte gesprochen haben:

Heute binde ich auf: Meißen,
Thüringen und Pleißen,
Und alles, was meiner Eltern je geward,
Gott helfe mir auf dieser Fahrt! –

Und Gott half ihm, denn die Schwaben wurden geschlagen, daß sie liefen, so weit sie laufen konnten, und entstand ein Spottspruch auf sie, die sich vorher großer Dinge gerühmt, wenn einer sich etwas zu tun verhieß, dessen Erfolg zweifelhaft war:

Harre, es wird dir gelucke, (glücken)
Als wie den Schwaben bei Lücke.

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