645. Ein schlesischer Zecher

Ein schlesischer Zecher

Wie Ritter Boos von Waldeck und der letzte Graf von Klettenberg sich im Trinken mannlich wohlgetan, so hatte auch das gottgesegnete Land Schlesien seine wackern Kumpane, die einen guten Stiefel vertragen konnten. Solche gebar vornehmlich das vieledle Geschlecht der Herren von Schweinichen auf Schweinhaus, deren Ahnherr ein Enakssohn an Kraft und ein Nimrod als gewaltiger Jäger war. Er nahm einen wilden Eber, der auf ihn anrannte, bei den Ohren, zausete und schüttelte ihn, bis ihm die Wildheit verging, warf ihn dann wie einen Mehlsack über die Schulter und trug ihn heim. Dafür wurde er aber auch der Schwager der Böhmenkönigin Libussa, deren Schwester Kascha ihn mit ihrer Hand beglückte. Einen Abkömmling dieses Ahnherrn, Heinrich von Schweinichen, brachte, wie alte Kunden melden, nicht Schwert noch Lanze, noch Acht noch Bann zu Falle, »nur denen patribus Kellermeistern zu Leubus und Grüssau gelang dieses bisweilen durch unverdrossene Aufwendung ihrer edelsten und besten Kräfte,« die in den Fässern ruhten. Ein späterer Erbe, Burgmann von Schweinichen, Herr auf Schweinhaus, Kolbnitz, Hohendorf, Wolframsdorf, Liebenau und Hohenfriedberg, hatte ein Mundbecherlein, welches gerade eine gütliche Kanne faßte, daran stand der Trinkspruch:

Ich will daz di minen
Uf ere sich bienen.

Er selbst biente (stützte) sich auf Ehre, auf Fechten und Trinken und wurde hundertundzehn Jahre alt. Hans von Schweinichen hat durch eine selbsteigene Lebensbeschreibung dargetan, daß er als ein echter Apfel nicht weit vom Stamme des »alen Säuhäusel« gefallen war, wie das Volk die Stammburg Schweinhaus nannte. Auf dem Edelsitz Herren-Motschelmitz bei Wohlau saß und lag auch wohl bisweilen Herr Georg Wilhelm von Schweinichen, ein Meisterkünstler in der alten deutschen Trinkekunst. Einst saß der Edle mit vielen Zechkumpanen bei Tafel; unter den Gästen war ein Pole, der auch eine gute Klinge schlug, ganz voll von dem prahlhansigen Wesen, das seinem Volke eigen ist. Derselbe vermaß sich eines hohen Dinges, er wolle jeden Schwab unter den Tisch trinken. Die Polen nennen nämlich jeden Deutschen ganz wegwerfend Schwab und verachten ihn aus Herzensgrunde. Das Gelag hatte schon vier Stunden gewährt, die Köpfe waren warm; der Herr des Hauses fühlte sich verpflichtet, für die deutsche Nationalehre einzustehen, und sprach: Beliebe der Herr Graf eine Wette einzugehen! Wir wollen einmal deutsch und polnisch miteinander trinken. Eintausend Dukaten gegen des Herrn Equipage mit dem Sechsgespann! – Topp! rief der Polak. – Vierzig Flaschen Tokaier auf den Tisch! rief Herr Georg Wilhelm von Schweinichen. Als die Flaschen standen, hub der biedere Deutsche an zu trinken. Eine Flasche Tokaier auf einmal trank er dem Polen vor – der Pole trank sie gemütlich nach; die zweite, dritte, vierte, fünfte – der Pole trank nach; noch einmal fünf, und noch einmal fünf, und noch einmal fünf – der Pole trank sie nach mit ruhigem Gleichmut. Zwanzig Flaschen Tokaier waren von jedem der Kämpfer vertilgt, und der Pole hatte sie tapfer nachgetrunken und stand unbesiegt. Heldenmut muß man auch am Feinde rühmend anerkennen. Alten Rheinwein her! rief Herr Georg Wilhelm von Schweinichen, es geht zu langweilig mit den Flaschen! Einen Pferdeeimer voll! – Der Rheinwein strömte aus vollem Faß in den Eimer bis zum Rande; Herr Georg Wilhelm faßte ihn mit geschickter kräftiger Hand, hob ihn zum Munde und ließ ihn ohne Absetzen und ohne Pause hinuntergleiten, sich dem Ungar zu vermählen.

Und mit Erstaunen und Grauen
Sahen’s die Edeln und Edelfrauen,
Und gelassen gab er den Eimer zurück.

Aufs neue quoll die Rheinrebenflut in den Eimer; Herr Georg Wilhelm nahm ihn, schritt mit festem Tritte, ohne daß ein Tröpflein überschwankte – der Schauplatz dieser vaterländischen Heldentat war im Schloßhofe – auf seinen Gegner zu und bot ihm den Kampftrunk. Totenblässe lagerte sich auf des Polen Gesicht – er schlug ein Kreuz, winkte mit der Hand und schritt lautlos aus dem Tore; höflich, den Eimer im Arme, gab Herr Georg Wilhelm von Schweinichen dem vornehmen Gast das Geleite und schaute mit vergnügtem Blick auf die gewonnene Karosse mit ihrem herrlichen Sechsgespann, als siegreicher Retter der Trinkerehre des geliebten deutschen Vaterlandes.

Hernachmals ward dieser Heldenkampf mit allem Zubehör als schönes Schnitzwerk über dem Marstall zu Schloß Herren-Motschelmitz angebracht, allwo es noch bis diese Stunde Zeugnis davon gibt, was ein Schweinichen zu leisten vermochte.

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