Frau Venus

Frau Venus

        Was weckst du, Frühling, mich von neuem wieder?
Daß all die alten Wünsche auferstehen,
Geht übers Land ein wunderbares Wehen;
Das schauert mir so lieblich durch die Glieder.

Die schöne Mutter grüßen tausend Lieder,
Die, wieder jung, im Brautkranz süß zu sehen;
Der Wald will sprechen, rauschend Ströme gehen,
Najaden tauchen singend auf und nieder.

Die Rose seh ich gehn aus grüner Klause
Und, wie so buhlerisch die Lüfte fächeln,
Errötend in die laue Flut sich dehnen.

So mich auch ruft ihr aus dem stillen Hause –
Und schmerzlich nun muß ich im Frühling lächeln,
Versinkend zwischen Duft und Klang vor Sehnen.

Joseph von Eichendorff

Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.

Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.

Was gäb‘ es doch auf Erden,
Wer hielt‘ den Jammer aus,
Wer möcht‘ geboren werden,
Hielt’st Du nicht droben Haus!

Du bist’s, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Daß wir den Himmel schauen –
Darum so klag‘ ich nicht.

Der Götter Irrfahrt

Der Götter Irrfahrt

(Nach einer Volkssage der Tongainseln)

1
            Unten endlos nichts als Wasser,
Droben Himmel still und weit,
Nur das Götterland, das blasse,
Lag in Meereseinsamkeit,
Wo auf farbenlosen Matten
Gipfel wie in Träumen stehn,
Und Gestalten ohne Schatten
Ewig lautlos sich ergehn.

Zwischen grauen Wolkenschweifen,
Die verschlafen Berg und Flut
Mit den langen Schleiern streifen,
Hoch der Göttervater ruht.
Heut zu fischen ihn gelüstet,
Und vom zack’gen Felsenhang
In des Meeres grüne Wüste
Senket er die Schnur zum Fang.

Sinnend sitzt er, und es flattern
Bart und Haar im Sturme weit,
Und die Zeit wird ihm so lange
In der stillen Ewigkeit.
Da fühlt er die Angel zucken:
»Ei, das ist ein schwerer Fisch!«
Freudig fängt er an zu rucken,
Stemmt sich, zieht und windet frisch.

Sieh, da hebt er Felsenspitzen
Langsam aus der Wasser Grund,
Und erschrocken aus den Ritzen
Schießen schuppge Schlangen bunt;
Ringelnd‘ Ungetüm‘ der Tiefen,
Die im öden Wogenhaus
In der grünen Dämmrung schliefen,
Stürzen sich ins Meer hinaus.

Doch der Vater hebt aufs neue,
Und Gebirge, Tal und Strand
Taucht allmählich auf ins Freie,
Und es grünt das junge Land,
Irrend farbge Lichter schweifen
Und von Blumen glänzt die Flur,
Wo des Vaters Blick‘ sie streifen –
Da zerreißt die Angelschnur.

Wie ’ne liebliche Sirene
Halb nun überm Wellenglanz,
Staunend ob der eignen Schöne,
Schwebt es mit dem Blütenkranz,
Bei der Lüfte lindem Fächeln
Sich im Meer, das rosig brennt,
Spiegelnd mit verschämtem Lächeln –
Erde sie der Vater nennt.

 
2
Staunend auf den Göttersitzen
Die Unsterblichen nun stehn,
Sehn den Morgen drüben blitzen,
Fühlen Duft herüberwehn,
Und so süßes Weh sie spüren,
Lösen leis ihr Schiff vom Strand,
Und die Lüfte sie verführen
Fern durchs Meer zum jungen Land.

O wie da die Quellen sprangen
In die tiefe Blütenpracht
Und Lianen dort sich schlangen
Glühend durch die Waldesnacht!
Und die Wandrer trunken lauschen,
Wo die Wasserfälle gehn,
Bis sie in dem Frühlingsrauschen
Plötzlich all erschrocken stehn:

Denn sie sehn zum ersten Male
Nun die Sonne niedergehn
Und verwundert Berg‘ und Tale
Tief im Abendrote stehn,
Und der schönste Gott von allen
Sank erbleichend in den Duft,
Denn dem Tode ist verfallen,
Wer geatmet irdsche Luft.

Die Genossen faßt ein Grauen,
Und sie fahren weit ins Meer,
Nach des Vaters Haus sie schauen,
Doch sie finden’s nimmermehr.
Mußten aus den Wogenwüsten
Ihrer Schiffe Schnäbel drehn
Wieder nach des Eilands Küsten,
Ach, das war so falsch und schön!

Und für immer da verschlagen
Blieben sie im fremden Land,
Hörten nachts des Vaters Klagen
Oft noch fern vom Götterstrand. –
Und nun Kindeskinder müssen
Nach der Heimat sehn ins Meer,
Und es kommt im Wind ein Grüßen,
Und sie wissen nicht woher.

Im Abendrot

Wir sind durch Not und Freude
Gegangen Hand in Hand:
Vom Wandern ruhen wir beide
Nun überm stillen Land.

Rings sich die Täler neigen,
Es dunkelt schon die Luft,
Zwei Lerchen nur noch steigen
Nachträumend in den Duft.

Tritt her und laß sie schwirren,
Bald ist es Schlafenszeit,
Daß wir uns nicht verirren
In dieser Einsamkeit.

O weiter, stiller Friede!
So tief im Abendrot,
Wie sind wir wandermüde –
Is dies etwa der Tod?

Der Soldat

Joseph von Eichendorff

Ist auch schmuck nicht mein Rößlein,
So ists doch recht klug,
Trägt im Finstern zu ’nem Schlößlein
Mich rasch noch genug.

Ist das Schloß auch nicht prächtig:
Zum Garten aus der Tür
Tritt ein Mädchen doch allnächtig
Dort freundlich herfür.

Und ist auch die Kleine
Nicht die Schönst auf der Welt,
So gibts doch just keine,
Die mir besser gefällt.

Und spricht sie vom Freien:
So schwing ich mich auf mein Roß –
Ich bleibe im Freien,
Und sie auf dem Schloß.

Wagen mußt du und flüchtig erbeuten,
Hinter uns schon durch die Nacht hör ichs schreiten,
Schwing auf mein Roß dich nur schnell
Und küss noch im Flug mich, wildschönes Kind,
Geschwind,
Denn der Tod ist ein rascher Gesell.

DIE NACHTBLUME

DIE NACHTBLUME

Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.

Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Obs Gedanken oder Träume? –

Schließ ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen:
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.

(Joseph von Eichendorff)

Wunder über Wunder

Du wunderst wunderlich dich über Wunder,
Verschwendest Witzespfeile, blank geschliffen.
Was du begreifst, mein Freund, ist doch nur Plunder,
Und in Begriffen nicht mit einbegriffen
Ist noch ein unermeßliches Revier,
Du selber drin das größte Wundertier.

Die späte Hochzeit

Die späte Hochzeit

        Der Mond ging unter – jetzt ist’s Zeit. –
Der Bräutgam steigt vom Roß,
Er hat so lange schon gefreit –
Da tut sich auf das Schloß,
Und in der Halle sitzt die Braut
Auf diamantnem Sitz,
Von ihrem Schmuck tut’s durch den Bau
Ein’n langen roten Blitz. –

Blass‘ Knaben warten schweigend auf,
Still‘ Gäste stehn herum,
Da richt’t die Braut sich langsam auf,
So hoch und bleich und stumm.
Sie schlägt zurück ihr Goldgewand,
Da schauert ihn vor Lust,
Sie langt mit kalter, weißer Hand
Das Herz ihm aus der Brust.

Frühlingsdämmerung

Frühlingsdämmerung

            In der stillen Pracht,
In allen frischen Büschen und Bäumen
Flüsterts wie Träumen
Die ganze Nacht.
Denn über den mondbeglänzten Ländern
Mit langen weißen Gewändern
Ziehen die schlanken
Wolkenfraun wie geheime Gedanken,
Senden von den Felsenwänden
Hinab die behenden
Frühlingsgesellen, die hellen Waldquellen,
Die’s unten bestellen
An die duftgen Tiefen,
Die gerne noch schliefen.
Nun wiegen und neigen in ahnendem Schweigen
Sich alle so eigen
Mit Ähren und Zweigen,
Erzählens den Winden,
Die durch die blühenden Linden
Vorüber den grasenden Rehen
Säuselnd über die Seen gehen,
Daß die Nixen verschlafen auftauchen
Und fragen,
Was sie so lieblich hauchen –
Wer mag es wohl sagen?

Joseph von Eichendorff

Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.

Sehnsucht

Es schienen so golden die Sterne,
am Fenster ich einsam stand
und hörte aus weiter Ferne
ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
da hab‘ ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
in der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
vorüber am Bergeshang,
ich hörte im Wandern sie singen
die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
wo die Wälder rauschen so sacht,
von Quellen, die von den Klüften
sich stürzen in Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
von Gärten, die überm Gestein
in dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondschein,
wo die Mädchen am Fenster lauschen,
wann der Lauten Klang erwacht,
und die Brunnen verschlafen rauschen
in der prächtigen Sommernacht.

Joseph von Eichendorff

Joseph von Eichendorff

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
ich hab‘ nichts, was mich freuet,
verlassen steht der Baum im Feld,
hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume,
da rührt er seinen Wipfel sacht
und redet wie im Traume.

Er träumt von künft’ger Frühlingszeit,
von Grün und Quellenrauschen,
wo er im neuen Blütenkleid
zu Gottes Lob wird rauschen.

Wohin ich geh‘ und schaue

Wohin ich geh‘ und schaue,
In Feld und Wald und Tal,
Vom Berg hinab in die Aue;
Viel schöne, hohe Fraue,
Grüß ich dich tausendmal.

In meinem Garten find‘ ich
Viel‘ Blumen schön und fein,
Viel‘ Kränze wohl draus wind‘ ich
Und tausend Gedanken bind‘ ich
Und Grüße mit darein.

Ihr darf ich keinen reichen,
Sie ist zu hoch und schön,
Die müssen alle verbleichen,
Die Liebe nur ohnegleichen
Bleibt ewig im Herzen stehn.

Ich schein‘ wohl froher Dinge
Und schaffe auf und ab,
Und, ob das Herz zerspringe,
Ich grabe fort und singe,
Und grab mir bald mein Grab.

Nachklänge

Nachklänge

1
            O Herbst, in linden Tagen
Wie hast du rings dein Reich
Phantastisch aufgeschlagen,
So bunt und doch so bleich!

Wie öde, ohne Brüder,
Mein Tal so weit und breit,
Ich kenne dich kaum wieder
In dieser Einsamkeit.

So wunderbare Weise
Singt nun dein bleicher Mund,
Es ist, als öffnet‘ leise
Sich unter mir der Grund.

Und ich ruht überwoben,
Du sängest immerzu,
Die Linde schüttelt‘ oben
Ihr Laub und deckt‘ mich zu.

 
2
An meinen Bruder
Gedenkst du noch des Gartens
Und Schlosses überm Wald,
Des träumenden Erwartens:
Obs denn nicht Frühling bald?

Der Spielmann war gekommen,
Der jeden Lenz singt aus,
Er hat uns mitgenommen
Ins blühnde Land hinaus.

Wie sind wir doch im Wandern
Seitdem so weit zerstreut!
Fragt einer nach dem andern,
Doch niemand gibt Bescheid.

Nun steht das Schloß versunken
Im Abendrote tief,
Als ob dort traumestrunken
Der alte Spielmann schlief.

Gestorben sind die Lieben,
Das ist schon lange her,
Die wen’gen, die geblieben,
Sie kennen uns nicht mehr.

Und fremde Leute gehen
Im Garten vor dem Haus –
Doch übern Garten sehen
Nach uns die Wipfel aus.

Doch rauscht der Wald im Grunde
Fort durch die Einsamkeit
Und gibt noch immer Kunde
Von unsrer Jugendzeit.

Bald mächtger und bald leise
In jeder guten Stund
Geht diese Waldesweise
Mir durch der Seele Grund.

Und stamml ich auch nur bange,
Ich sing es, weil ich muß,
Du hörst doch in dem Klange
Den alten Heimatsgruß.

Vor der Stadt

Joseph von Eichendorff

Zwei Musikanten ziehn daher
Vom Wald aus weiter Ferne,
Der eine ist verliebt gar sehr,
Der andre wär es gerne.

Die stehn allhier im kalten Wind
Und singen schön und geigen:
Ob nicht ein süßverträumtes Kind
Am Fenster sich wollt zeigen?

Läuten kaum die Maienglocken

Läuten kaum die Maienglocken,
leise durch den lauen Wind,
hebt ein Knabe froh erschrocken,
aus dem Grase sich geschwind.
Schüttelt in den Blütenflocken,
seine feinen blonden Locken,
schelmisch sinnend wie ein Kind.

Und nun wehen Lerchenlieder
und es schlägt die Nachtigall,
von den Bergen rauschend wieder
kommt der kühle Wasserfall.
Rings im Walde bunt Gefieder,
Frühling ist es wieder
und ein Jauchzen überall.

Der verzweifelte Liebhaber

Der verzweifelte Liebhaber

    Studieren will nichts bringen,
Mein Rock hält keinen Stich,
Meine Zither will nicht klingen,
Mein Schatz, der mag mich nicht.

Ich wollt, im Grün spazierte
Die allerschönste Frau,
Ich wär ein Drach und führte
Sie mit mir fort durchs Blau.

Ich wollt, ich jagt gerüstet
Und legt die Lanze aus,
Und jagte all Philister
Zur schönen Welt hinaus.

Ich wollt, ich säß jetzunder
Im Himmel still und weit,
Und früg nach all dem Plunder
Nichts vor Zufriedenheit.

Zum Abschied meiner Tochter

Der Herbstwind schüttelt die Linde,
Wie geht die Welt so geschwinde!
Halte dein Kindelein warm.
Der Sommer ist hingefahren,
Da wir zusammen waren –
Ach, die sich lieben, wie arm!

Wie arm, die sich lieben und scheiden!
Das haben erfahren wir beiden,
Mir graut vor dem stillen Haus.
Dein Tüchlein läßt du noch wehen,
Ich kann’s vor Tränen kaum sehen,
Schau still in die Gasse hinaus.

Die Gassen schauen nochnächtlich,
Es rasselt der Wagen bedächtig –
Nun plötzlich rascher der Trott
Durchs Tor in die Stille der Felder,
Da grüßen so mutig die Wälder,
Lieb Töchterlein, fahre mit Gott!

Joseph von Eichendorff

Oh wunderbares, tiefes Schweigen,
wie einsam ist`s doch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl mich recht wie neu erschaffen.
Wo ist die Sorge, wo die Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen-
ich schäm mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich,ein Pilger, frohbereit
betreten nur wie eine Brücke
zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.

Der Vögel Abschied

Der Vögel Abschied

        Ade, ihr Felsenhallen,
Du schönes Waldrevier,
Die falben Blätter fallen,
Wir ziehen weit von hier.

Träumt fort im stillen Grunde!
Die Berg stehn auf der Wacht,
Die Sterne machen Runde
Die lange Winternacht.

Und ob sie all verglommen,
Die Täler und die Höhn –
Lenz muß doch wiederkommen
Und alles auferstehn!

Wünschelrute

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

Gute Nacht

Gute Nacht

        Die Höhn und Wälder schon steigen
Immer tiefer ins Abendgold,
Ein Vöglein fragt in den Zweigen:
Ob es Liebchen grüßen sollt?

O Vöglein, du hast dich betrogen,
Sie wohnet nicht mehr im Tal,
Schwing auf dich zum Himmelsbogen,
Grüß sie droben zum letztenmal!