An Luise

AN LUISE

Ich wollt in Liedern oft dich preisen,
Die wunderstille Güte,
Wie du ein halbverwildertes Gemüte
Dir liebend hegst und heilst auf tausend süße Weisen,
Des Mannes Unruh und verworrnem Leben
Durch Tränen lächelnd bis zum Tod ergeben.

Doch wie den Blick ich dichtend wende,
So schön still in stillem Harme
Sitzt du vor mir, das Kindlein auf dem Arme,
Im blauen Auge Treu und Frieden ohne Ende,
Und alles lass ich, wenn ich dich so schaue –
Ach, wen Gott lieb hat, gab er solche Fraue!

(Joseph von Eichendorff)

In einem geselligen Kreis bei Gelegenheit einer verlorenen Wette

In einem geselligen Kreis bei Gelegenheit einer verlorenen Wette

Joseph Freiherr von Eichendorff

Mandelkerngedicht

In einem geselligen Kreis bei Gelegenheit einer verlorenen Wette

Zwischen Akten, dunklen Wänden

bannt mich Freiheitbegehrenden

nun des Lebens strenge Pflicht,

und aus Schränken, Aktenschichten

lachen mir die beleidigten

Musen in das Amtsgesicht.

Als an Lenz und Morgenröte

noch das Herz sich erlabete,

o du stilles heitres Glück!

Wie ich auch nun heiß mich sehne.

Ach, aus dieser Sandebene

führt kein Weg dahin zurück

Als der letzte Balkentreter

steh‘ ich armer Enterbeter

in des Staates Symphonie,

ach, in diesem Schwall von Tönen

wo fänd ich da des eigenen

Herzens süße Melodie?

Ein Gedicht soll ich euch spenden:

Nun, so geht mit dem Leidenden

nicht so strenge ins Gericht!

Nehmt den Willen für Gewährung.,

kühnen Reim für Begeisterung,

diesen Unsinn als Gedicht !

Der irre Spielmann

Joseph von Eichendorff

Aus stiller Kindheit unschuldiger Hut
Trieb mich der tolle, frevelnde Mut.
Seit ich da draußen so frei nun bin,
Find ich nicht wieder nach Hause mich hin.

Durchs Leben jag ich manch trügrisch Bild,
Wer ist der Jäger da? Wer ist das Wild?
Es pfeift der Wind mir schneidend durchs Haar,
Ach Welt, wie bist du so kalt und klar!

Du frommes Kindlein im stillen Haus,
Schau nicht so lüstern zum Fenster hinaus!
Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin?
Weiß ich doch selber nicht, wo ich bin!

Von Sünde und Reue zerrissen die Brust,
Wie rasend in verzweifelter Lust,
Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß,
Wird doch kein fröhlicher Kranz daraus! –

Ich möcht in den tiefsten Wald wohl hinein,
Recht aus der Brust den Jammer zu schrein,
Ich möchte reiten ans Ende der Welt,
Wo der Mond und die Sonne hinunterfällt.

Wo schwindelnd beginnt die Ewigkeit,
Wie ein Meer, so erschrecklich still und weit,
Da sinken all Ström und Segel hinein,
Da wird es wohl endlich auch ruhig sein.

Möcht wissen, was sie schlagen

Möcht wissen, was sie schlagen
So schön bei der Nacht,
’s ist in der Welt ja doch niemand,
Der mit ihnen wacht.

Und die Wolken, die reisen,
Und das Land ist so blaß,
Und die Nacht wandelt leise
Durch den Wald übers Gras.

Nacht, Wolken, wohin sie gehen,
Ich weiß es recht gut,
Liegt ein Grund hinter den Höhen,
Wo meine Liebste jetzt ruht.

Zieht der Einsiedel sein Glöcklein,
Sie höret es nicht,
Es fallen ihre Löcklein
Übers ganze Gesicht.

Und daß sie niemand erschrecket,
Der liebe Gott hat sie hier
Ganz mit Mondschein bedecket,
Da träumt sie von mir.

Glück

Glück

        Wie jauchzt meine Seele
Und singet in sich!
Kaum, daß ichs verhehle,
So glücklich bin ich.

Rings Menschen sich drehen
Und sprechen gescheut,
Ich kann nichts verstehen,
So fröhlich zerstreut. –

Zu eng wird das Zimmer,
Wie glänzet das Feld,
Die Täler voll Schimmer,
Weit herrlich die Welt!

Gepreßt bricht die Freude
Durch Riegel und Schloß,
Fort über die Heide!
Ach, hätt ich ein Roß! –

Und frag ich und sinn ich,
Wie so mir geschehn?: –
Mein Liebchen herzinnig,
Das soll ich heut sehn!

Trennung

Trennung

1

Denkst du noch jenes Abends, still vor Sehnen,
Wo wir zum letztenmal im Park beisammen?
Kühl standen rings des Abendrotes Flammen,
Ich scherzte wild – du lächeltest durch Tränen.
So spielt der Wahnsinn lieblich mit den Schmerzen
An jäher Schlüfte Rand, die nach ihm trachten;
Er mag der lauernden Gefahr nicht achten;
Er hat den Tod ja schon im öden Herzen.

Ob du die Mutter auch belogst, betrübtest,
Was andre Leute drüber deuten, sagen –
Sonst scheu – heut mochtst du nichts nach allem fragen,
Mir einzig zeigen, nur, wie du mich liebtest.
Und aus dem Hause heimlich so entwichen,
Gabst du ins Feld mir schweigend das Geleite,
Vor uns das Tal, das hoffnungsreiche, weite,
Und hinter uns kam grau die Nacht geschlichen.

Du gehst nun fort, sprachst du, ich bleib alleine;
Ach! dürft ich alles lassen, still und heiter
Mit dir so ziehn hinab und immer weiter –
Ich sah dich an – es spielten bleiche Scheine
So wunderbar um Locken dir und Glieder;
So ruhig, fremd warst du mir nie erschienen,
Es war, als sagten die versteinten Mienen,
Was du verschwiegst: Wir sehn uns niemals wieder!

2

Schon wird es draussen licht auf Berg und Talen;
Aurora, stille Braut, ihr schönen Strahlen,
Die farbgen Rauch aus Fluß und Wäldern saugen,
Euch grüssen neu die halbverschlafnen Augen.
Verrätrisch, sagt man, sei des Zimmers Schwüle,
Wo nachts ein Mädchen träumte vom Geliebten:
So komm herein, du rote, frische Kühle,
Fliegt in die blaue Luft, ihr schönen Träume!

Ein furchtsam Kind, im stillen Haus erzogen,
Konnt ich am Abendrot die Blicke weiden,
Tiefatmend in die laue Luft vor Freuden.
Er hat um diese Stille mich betrogen.

Mit stolzen Augen, fremden schönen Worten
Lockt er die Wünsche aus dem stillen Hafen,
Wo sie bei Sternenglanze selig schlafen,
Hinaus ins unbekannte Reich der Wogen;
Da kommen Winde buhlend angeflogen,
Die zarte Hand zwingt nicht die wilden Wellen,
Du musst, wohin die vollen Segel schwellen.

Da zog er heimlich fort. – Seit jenem Morgen
Da hatt ich Not, hatt heimlich was zu sorgen.
Wenn nächtlich unten lag die stille Runde,
Einförmig Rauschen herkam von den Wäldern,
Pfeifend der Wind strich durch die öden Felder
Und hin und her in Dörfern bellten Hunde,
Ach! wenn kein glücklich Herz auf Erden wacht,
Begrüßten die verweinten Augen manche Nacht!

Wie oft, wenn wir im Garten ruhig waren,
Sagte mein Bruder vor vielen Jahren:
„Dem schönen Lenz gleicht recht die erste Liebe.
Wann draussen neu geschmückt die Frühlingsbühne,
Die Reiter blitzend unten ziehn durchs Grüne,
In blauer Luft die Lerchen lustig schwirren,
Läßt sie sich weit ins Land hinaus verführen,
Fragt nicht, wohin, und mag sich gern verirren,
Den Stimmen folgend, die sie wirrend führen.
Da wendet auf den Feldern sich der Wind,
Die Vögel hoch durch Nebel ziehn nach Haus;
Es wird so still, das schöne Fest ist aus.
Gar weit die Heimat liegt, das schöne Kind
Find’t nicht nach Hause mehr, nicht weiter fort –
Hüt dich, such früh dir einen sichern Port!“

(Joseph von Eichendorff)

Mahnung

Mahnung

              Genug gemeistert nun die Weltgeschichte!
Die Sterne, die durch alle Zeiten tagen,
Ihr wolltet sie mit frecher Hand zerschlagen
Und jeder leuchten mit dem eignen Lichte.

Doch unaufhaltsam rucken die Gewichte,
Von selbst die Glocken von den Türmen schlagen,
Der alte Zeiger, ohne euch zu fragen,
Weist flammend auf die Stunde der Gerichte.

O stille Schauer, wunderbares Schweigen,
Wenn heimlichflüsternd sich die Wälder neigen,
Die Täler alle geisterbleich versanken,

Und in Gewittern von den Bergesspitzen
Der Herr die Weltgeschichte schreibt mit Blitzen –
Denn Seine sind nicht euere Gedanken.

Adler

Adler

        Steig nur, Sonne,
Auf die Höhn!
Schauer wehn,
Und die Erde bebt vor Wonne.

Kühn nach oben
Greift aus Nacht
Waldespracht,
Noch von Träumen kühl durchwoben.

Und vom hohen
Felsaltar
Stürzt der Aar
Und versinkt in Morgenlohen.

Frischer Morgen!
Frisches Herz,
Himmelwärts!
Laß den Schlaf nun, laß die Sorgen!

Der Pilger

Der Pilger

1
                  Man setzt uns auf die Schwelle,
Wir wissen nicht, woher?
Da glüht der Morgen helle,
Hinaus verlangt uns sehr.
Der Erde Klang und Bilder,
Tiefblaue Frühlingslust,
Verlockend wild und wilder,
Bewegen da die Brust.
Bald wird es rings so schwüle,
Die Welt eratmet kaum,
Berg‘, Schloß und Wälder kühle
Stehn lautlos wie im Traum,
Und ein geheimes Grausen
Beschleichet unsern Sinn:
Wir sehnen uns nach Hause
Und wissen nicht, wohin?
 
2
Dein Wille, Herr, geschehe!
Verdunkelt schweigt das Land,
Im Zug der Wetter sehe
Ich schauernd Deine Hand.
O mit uns Sündern gehe
Erbarmend ins Gericht!
Ich beug im tiefsten Wehe
Zum Staub mein Angesicht,
Dein Wille, Herr, geschehe!
 
3
Schlag mit den flammgen Flügeln!
Wenn Blitz aus Blitz sich reißt:
Steht wie in Rossesbügeln
So ritterlich mein Geist.

Waldesrauschen, Wetterblicken
Macht recht die Seele los,
Da grüßt sie mit Entzücken,
Was wahrhaft, ernst und groß.

Es schiffen die Gedanken
Fern wie auf weitem Meer,
Wie auch die Wogen schwanken:
Die Segel schwellen mehr.

Herr Gott, es wacht Dein Wille,
Ob Tag und Lust verwehn,
Mein Herz wird mir so stille
Und wird nicht untergehn.

 
4
So laß herein nun brechen
Die Brandung, wie sie will,
Du darfst ein Wort nur sprechen,
So wird der Abgrund still;
Und bricht die letzte Brücke,
Zu Dir, der treulich steht,
Hebt über Not und Glücke
Mich einsam das Gebet.
 
5
Wie ein todeswunder Streiter,
Der den Weg verloren hat,
Schwank ich nun und kann nicht weiter,
Von dem Leben sterbensmatt.
Nacht schon decket alle Müden
Und so still ists um mich her,
Herr, auch mir gib endlich Frieden,
Denn ich wünsch und hoff nichts mehr.
 
6
Wie oft wollt mich die Welt ermüden,
Ich beugt aufs Schwert mein Angesicht
Und bat Dich frevelhaft um Frieden –
Du wußtests besser, gabst ihn nicht.

Ich sah in Nacht das Land vergehen,
In Blitzen Du die Wetter brachst,
Da könnt ich schauernd erst verstehen,
Was Du zu mir Erschrocknem sprachst:

»Meine Lieder sind nicht deine Lieder,
Leg ab den falschen Schmuck der Zeit
Und nimm das Kreuz, dann komme wieder
In deines Herzens Einsamkeit.«

Und alle Bilder ferne treten,
Und tief noch rauschet kaum die Rund –
Wie geht ein wunderbares Beten
Mir leuchtend durch der Seele Grund!

Joseph Freiherr von Eichendorff

Sprüche

Von allen guten Schwingen

Zu brechen durch die Zeit,

Die mächtigste im Ringen,

Das ist ein rechtes Leid.

Gleichwie auf dunklem Grunde

Der Friedensbogen blüht,

So durch die böse Stunde

Versöhnend geht das Lied.

Abendständchen

Abendständchen

        Schlafe Liebchen, weils auf Erden
Nun so still und seltsam wird!
Oben gehn die goldnen Herden,
Für uns alle wacht der Hirt.

In der Ferne ziehn Gewitter;
Einsam auf dem Schifflein schwank,
Greif ich draußen in die Zither,
Weil mir gar so schwül und bang.

Schlingend sich an Bäum und Zweigen,
In dein stilles Kämmerlein
Wie auf goldnen Leitern steigen
Diese Töne aus und ein.

Und ein wunderschöner Knabe
Schifft hoch über Tal und Kluft,
Rührt mit seinem goldnen Stabe
Säuselnd in der lauen Luft.

Und in wunderbaren Weisen
Singt er ein uraltes Lied,
Das in linden Zauberkreisen
Hinter seinem Schifflein zieht.

Ach, den süßen Klang verführet
Weit der buhlerische Wind,
Und durch Schloß und Wand ihn spüret
Träumend jedes schöne Kind.

Der Abend

Joseph von Eichendorff

Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.

Jugendsehnen

Jugendsehnen

        Du blauer Strom, an dessen duftgem Strande
Ich Licht und Lenz zum erstenmale schaute,
In frommer Sehnsucht mir mein Schifflein baute,
Wann Segel unten kamen und verschwanden.

Von fernen Bergen überm weiten Lande
Brachtst du mir Gruß und fremde hohe Laute,
Daß ich den Frühlingslüften mich vertraute,
Vom Ufer lösend hoffnungsreich die Bande.

Noch wußt ich nicht, wohin und was ich meine,
Doch Morgenrot sah ich unendlich quellen,
Das Herz voll Freiheit, Kraft der Treue, Tugend;

Als ob des Lebens Glanz für mich nur scheine,
Fühlt ich zu fernem Ziel die Segel schwellen,
All Wimpel rauschten da in ewger Jugend!

SONETTE

SONETTE

Es qualmt‘ der eitle Markt in Staub und Schwüle,
So klanglos öde wallend auf und nieder,
Wie dacht ich da an meine Berge wieder,
An frischen Sang, Felsquell und Waldeskühle!

Doch steht ein Turm dort über dem Gewühle,
Der andre Zeiten sah und beßre Brüder,
Das Kreuz treu halten seine Riesenglieder,
Wie auch der Menschlein Flut den Fels umspüle

Das war mein Hafen in der weiten Wüste,
Oft kniet ich betend in des Domes Mitte,
Dort hab ich dich, mein liebes Kind, gefunden;

Ein Himmelbote wohl, der so mich grüßte:
„Verzweifle nicht! Die Schönheit und die Sitte
Sie sind noch von der Erde nicht verschwunden.“

2

Ein alt Gemach voll sinnger Seltsamkeiten,
Still´ Blumen aufgestellt am Fensterbogen,
Gebirg und Länder draußen blau gezogen,
Wo Ströme gehn und Ritter ferne reiten.

Ein Mädchen, schlicht und fromm wie jene Zeiten,
Das, von den Abendscheinen angeflogen,
Versenkt in solcher Stille tiefe Wogen –
Das mocht auf Bildern oft das Herz mir weiten.

Und nun wollt wirklich sich das Bild bewegen,
Das Mädchen atmet‘ auf, reicht aus dem Schweigen
Die Hand mir, daß sie ewig meine bliebe.

Da sah ich draußen auch das Land sich regen,
Die Wälder rauschen und Aurora steigen –
Die alten Zeiten all weckt mir die Liebe.

3

Wenn zwei geschieden sind von Herz und Munde,
Da ziehn Gedanken über Berg‘ und Schlüfte
Wie Tauben säuselnd durch die blauen Lüfte,
Und tragen hin und wieder süße Kunde.

Ich schweif umsonst, so weit der Erde Runde,
Und stieg ich hoch auch über alle Klüfte,
Dein Haus ist höher noch als diese Lüfte,
Da reicht kein Laut hin, noch zurück zum Grunde.

Ja, seit du tot – mit seinen blühnden Borden
Wich ringsumher das Leben mir zurücke,
Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.

Doch ist dein Bild zum Sterne mir geworden,
Der nach der Heimat weist mit stillem Blicke,
Daß fromm der Schiffer streite mit den Winden.

(Joseph von Eichendorff)