Frühlingsdämmerung
In der stillen Pracht, In allen frischen Büschen und Bäumen Flüsterts wie Träumen Die ganze Nacht. Denn über den mondbeglänzten Ländern Mit langen weißen Gewändern Ziehen die schlanken Wolkenfraun wie geheime Gedanken, Senden von den Felsenwänden Hinab die behenden Frühlingsgesellen, die hellen Waldquellen, Die’s unten bestellen An die duftgen Tiefen, Die gerne noch schliefen. Nun wiegen und neigen in ahnendem Schweigen Sich alle so eigen Mit Ähren und Zweigen, Erzählens den Winden, Die durch die blühenden Linden Vorüber den grasenden Rehen Säuselnd über die Seen gehen, Daß die Nixen verschlafen auftauchen Und fragen, Was sie so lieblich hauchen – Wer mag es wohl sagen? |
Joseph von Eichendorff
Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne,
am Fenster ich einsam stand
und hörte aus weiter Ferne
ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
da hab‘ ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
in der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
vorüber am Bergeshang,
ich hörte im Wandern sie singen
die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
wo die Wälder rauschen so sacht,
von Quellen, die von den Klüften
sich stürzen in Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
von Gärten, die überm Gestein
in dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondschein,
wo die Mädchen am Fenster lauschen,
wann der Lauten Klang erwacht,
und die Brunnen verschlafen rauschen
in der prächtigen Sommernacht.