Erstes Kapitel.

Ein Wirthshaus. – Vorausbezahlte Schulden und seltsame Spuren von Menschen-Natur, innig mit Monikins-Natur verwachsen.

Wir nahmen bald Zimmer, bestellten Essen, bürsteten uns und trafen all die kleinen nöthigen Vorkehrungen, um unsrer Gattung Ehre zu machen. Damit fertig, verließen wir das Wirthshaus und eilten nach dem Palais des Arts et des Sciences. Wir hatten jedoch das Wirthshaus noch nicht aus dem Gesicht verloren, als ein Garçon uns mit einer Nachricht von seiner Herrin nachsprang. Er sagte uns sehr ehrerbietig: sein Herr sei aus, und hätte den Schlüssel zur Geldkasse mitgenommen, es sei gerade nicht Geld genug in der Schublade, um ein Essen für so große Herrn zu bereiten, und so hätte sie sich die Freiheit genommen, uns eine Rechnung mit der Bitte zu schicken, lieber eine kleine Vorausbezahlung zu machen, als sie in die Verlegenheit zu setzen, so ausgezeichnete Gäste nicht nach Würden zu behandeln. Die Rechnung war, wie folgt:

  Nro. 1. Buntfarbe und Freunde an   Nro. 82,763. Traubenfarbe, Dr.  Für Zimmer, Essen, Licht, nach der  Uebereinkunft p.p. 300 täglich – einen  Tag . . . . . . . . . . . . . . p.p. 300.  Vorausbezahlt . . . . . p.p.  50.     ———————————  Rest schuldig . . . . . p.p. 250.  

»Ganz recht,« bemerkte ich zu Noah, »aber ich bin im Augenblick ganz eben so ohne Heller, als die gute Frau selbst. In der That, ich sehe nicht, was anfangen, es sei denn, daß Bob ihr seinen Vorrath von Nüssen schickt.«

»Hört, mein kleiner Springer,« fiel der Seemann ein, »was steht zu Befehl?«

Der Kellner zeigte auf die Rechnung, als hinlänglich seiner Herrin Wünsche ausdrückend.

»Was bedeuten diese p. p., die ich in der Rechnung finde, etwa payez, ye?«

»Promessen, Eure Gnaden.«

»O, dann fordert Ihr fünfzig Promessen, um unser Mahl zu bereiten.«

»Nichts weiter, Sir; für diese Summe sollen Sie speisen wie Herrn, ja, Sir, wie Rathsherrn.«

Es freute mich, diese würdigen Leute von seiner Klasse so ziemlich die nämlichen in allen Ländern zu finden.

»Da, nehmt hundert,« antwortete Noak und schnippte mit den Fingern, »und laßt sie nicht zu Knochen werden; hört, mein Lieber, jeder Heller ist für’s Mittagessen. Macht’s gut, und Niemand wird über die Rechnung brummen. Ich will selbst zur Noth das Wirthshaus kaufen und alles, was es enthält.«

Der Kellner ging vergnügt über diese Versicherungen fort, offenbar für seine eigne Bemühung guten Lohn voraussehend. Wir kamen bald in die Strömung, die nach dem Platz unsrer Bestimmung zufluthete. Als wir an’s Thor kamen, sahen wir, daß man uns ängstlich erwartete; denn ein Diener stand da, der uns sogleich zu den Sitzen führte, die für unsern Empfang bereitet worden. Es ist immer angenehm, sich unter den Privilegirten zu befinden, und ich muß gestehen, wir fanden uns alle nicht wenig geschmeichelt, als wir eine hohe Tribüne für uns in der Mitte der Rotunde zugerichtet sahen, in welcher die Akademie ihre Sitzungen hielt, so daß wir jeden Einzelnen in der dichten Versammlung sehen und von ihm gesehen werden konnten. Die ganze Schiffsmannschaft bis zum schwarzen Koch war schon vor uns angekommen, eine weitere Artigkeit, die ich nicht verfehlte, durch die gebührenden Verbeugungen gegen alle anwesende Mitglieder gehörig anzuerkennen. Nachdem die ersten Eindrücke der Lust und des Staunens etwas vorüber waren, hatte ich Zeit, mich umzusehen und einen Ueberblick über die Gesellschaft zu bekommen. Die Akademiker nahmen die ganze Ausdehnung der Rotunde ein, mit alleiniger Ausnahme des durch die Errichtung unsrer temporären Tribüne weggenommenen Raums; in den äußeren Kreisen und längs der Seitenwände der Halle waren Sopha, Stühle, Tribunen und Bänke für die Zuschauer. Da das Gebäude selbst sehr groß war, und durch den Geist die Materie in der Monikins-Art sehr vermindert wird, konnten nicht weniger, als 50.000 Schweife gegenwärtig sein. Kurz ehe die Feierlichkeiten begannen, näherte sich Dr. Raisono unserer Tribüne, und ging von Einem zum Andern, etwas Angenehmes und Ermuthigendes einem Jeden sagend, wodurch er hohe Erwartungen in uns allen von dem, was folgen würde, erregte. Wir waren so außerordentlich geehrt und ausgezeichnet, daß ich große Mühe hatte, jedes unwürdige Gefühl des Stolzes, als menschlicher Demuth widerstrebend, niederzukämpfen und einen philosophischen Gleichmuth bei den Aeußerungen von Achtung und Dankbarkeit zu behaupten, die, wie ich wußte, selbst über den Geringsten von uns verschwendet werden sollten. Der Doktor war noch in der Mitte seiner zierlichen Aufmerksamkeiten, als des Königs ältester erster Vetter eintrat und die Verhandlungen der Versammlung alsbald begannen. Ich benutzte jedoch eine kurze Pause, um einige Worte zu meinen Gefährten zu sprechen. Ich sagte ihnen, bald werde ihre Bescheidenheit auf eine ernsthafte Probe gestellt werden. Wir hätten eine große, edle Unternehmung ausgeführt, und es schicke sich nicht, ihr Verdienst dadurch zu mindern, daß wir eine eitle, ruhmsüchtige Selbstschätzung an den Tag legten. Ich bat sie alle, mich zum Muster zu nehmen, und versprach ihnen, zuletzt würden ihre neuen Freunde dreifach ihre Kühnheit, Selbstverläugnung und Geschicklichkeit hochschätzen.

Ein neues Mitglied der Akademie der latenten Sympathie’n sollte aufgenommen und eingesetzt werden. Eine lange Rede wurde von einem von diesem Departement der Monikins-Gelehrsamkeit vorgelesen, die die seltenen Verdienste des neuen Akademikers andeutete und erhob. Ihm folgte dieser, der in einem sehr ausgearbeiteten Produkt, dessen Lesen gerade 55 Minuten wegnahm, alles Mögliche versuchte, um zu beweisen, daß der Tod seines Vorgängers ein Verlust für die Welt gewesen, den kein Zufall, keine Bemühung wieder gut machen könnte; und daß er gerade der Geringste gewesen, der zu seinem Nachfolger hätte ausersehen werden können. Ich war ein wenig über die vollkommene Kälte erstaunt, mit welcher die gelehrte Versammlung einen Vorwurf anhörte, der so unumwunden und, so zu sagen, standhaft, ihr gerade zu an die Stirn geworfen ward. Aber eine genauere Bekanntschaft mit der Monikins-Gesellschaft überzeugte mich, daß Jeder, was er nur sagen wollte, sagen konnte, so lange er übrigens zugäbe, daß jeder Andere sonst ein herrlicher Bursche und er der ärmste Teufel auf der Welt wäre. Als das neue Mitglied seinen Satz siegreich begründet hatte, und ich gerade glaubte, seine Collegen würden sich nach dem gewöhnlichen Ehrgefühl für verbunden errachten, ihr Votum noch ein Mal zu überlesen, schloß er und nahm seinen Sitz unter ihnen ganz mit derselben stolzen Sicherheit als der beste Philosoph von ihnen allen ein.

Nach einer kurzen Pause und einer Fluth von Glückwünschen für seine vortreffliche und sich selbst herabwürdigende Rede, erhob sich das neuzugelassene Mitglied noch ein Mal und begann einen Versuch über einige Entdeckungen zu lesen, die er in der Wissenschaft der latenten Sympathien gemacht hatte. Nach seiner Ansicht von der Sache besaß jeder Monikin ein Fluidum, unsichtbar, wie die Thierchen, die alles Wesen durchdringen, das nur beschworen und unter strengere Gesetze gebracht zu werden brauchte, um Stellvertreter für die Sinne des Gesichts, Gefühls, Geschmacks, Gehörs und Geruchs zu werden. Dieses Fluidum wäre mittheilbar, und schon in so weit dem Willen unterworfen worden, daß es zum Sehen im Dunkeln, zum Riechen bei’m Schnupfen, zum Schmecken bei verdorbenem Gaumen und zum Fühlen durch Stellvertretung gebraucht worden. Ideen wären vermittelst seiner zweiundsechszig Meilen in einer und einer halben Minute fortgepflanzt worden. Zwei Monikins mit kranken Schweifen seien während der letzten zwei Jahre isolirt und mit diesem Fluidum gesättigt worden, hätten dann durch Operation diese Zierrathen zwar verloren, es sei aber eine Quantität dieses Fluidums so glücklich an deren Stelle getreten, daß die Patienten sich mehr als jemals ausgezeichnet glaubten durch die Länge und Feinheit eben dieser Schweife. Auch mit einem Gliede des Unterhauses des Parlaments sei ein glücklicher Versuch gemacht worden; es sei mit einer Monikin von ungewöhnlichem Geist verheirathet gewesen, und habe sich lange Zeit mit Ideen von ihr auf diese Weise versehen, obgleich seine Gemahlin habe zu Haus bleiben müssen, um das Hauswesen zu leiten, und zwar zweiundvierzig Meilen von der Stadt und während der ganzen Sitzung. Er empfahl ganz besonders der Regierung die Beförderung dieser Wissenschaft, da sie sehr dienlich sein könnte, um Beweise bei der Rechtspflege zu erhalten, bei Entdeckung von Verschwörungen, bei Einsammeln der Steuern und bei der Wahl von Bewerbern für wichtige, mit großer Verantwortung verknüpfte Aemter. Diese Darlegung wurde von des Königs Vetter wohl aufgenommen, besonders jene Theile, die Revolution und Einkünfte betrafen.

Dieser Versuch wurde auch von den Gelehrten wohl aufgenommen, denn ich erfuhr später, daß sehr wenig der Akademie unrecht kam, und alsbald ernannten die Mitglieder ein Comitee um »die Thatsachen in Hinsicht unsichtbarer unbekannter Fluida, ihre Wirkung, Wichtigkeit und Beziehungen zu der monikin’schen Glückseligkeit« zu untersuchen.

Zunächst wurden wir mit einer Diskussion über die verschiedenen Bedeutungen des Worts »gorstchwzyb« beglückt, welches in unsern Sprachen etwa he! bedeutet. Der berühmte Philolog, der den Gegenstand behandelte, zeigte erstaunenden Scharfsinn, indem er sich über dessen Verzweigungen und Ableitungen ausließ. Zuerst versuchte er die Buchstaben durch Versetzung, wodurch er siegend bewies, daß das Wort von allen Sprachen der Alten abgeleitet sei; derselbe Versuch zeigte, daß es viertausend und zwei verschiedene Bedeutungen habe. Er philosophirte dann sehr geschickt und umfassend zehen Minuten lang, vorwärts und rückwärts, kein andres Wort, als dieses, gebrauchend, und zwar immer in einem verschiedenen Sinn; worauf er in der Controverse feststellte, daß dieser wichtige Theil der Rede so nützlich sei, daß er dadurch unnütz werde, und mit dem Vorschlag schloß, dem die Akademie durch Zuruf beitrat, daß er für immer und sogleich aus dem Springhoch-Wörterbuch getilgt werden sollte. Da der Vorschlag durch Zuruf durchging, erhob sich des Königs Vetter und erklärte, daß dem Schriftsteller, der sich so weit gegen den guten Geschmack verfehlen und künftig das verurtheilte Wort gebrauchen würde, zwei Zoll vom Ende seines Schweifs abgeschnitten werden sollten. Ein Schaudern unter den Damen, die, wie ich später erfuhr, ihre Schweife so hoch zu tragen liebten, wie unsre Weiber die Köpfe, zeugte von der Strenge des Beschlusses.

Ein erfahrnes und, wie’s schien, sehr geachtetes Mitglied erhob sich jetzt, folgenden Vorschlag zu machen. Er sagte, es sei bekannt, daß die Monikins-Raçe sich schnell der Vollkommenheit nähere; daß das Zunehmen des Geistes und die Abnahme der Materie zu augenscheinlich sei, um einen Zweifel zuzulassen, daß er für sich seine physischen Kräfte sich täglich mindern fühlte, während seine geistigen neue Klarheit und Stärke erlangten; er könne nicht länger sehen ohne Brille, nicht hören ohne Hörnchen, oder schmecken ohne starke Gewürze; aus allem diesen schließe er, daß sie sich einer wichtigen Veränderung näherten, und er wünsche, daß ein Theil der Wissenschaft der latenten Sympathie’n, die mit den unbekannten Fluidis verbunden sei und eben behandelt worden, einer Commitee des Ganzen überwiesen würde, um eine Vorkehrung für die Bedürfnisse einer Zeit zu treffen, wo die Monikins endlich ihre Sinne verlieren würden. Es war gegen einen so annehmbaren Vorschlag nichts einzuwenden, und er ward nemine contradicente mit Ausnahme Einiger in der Minorität angenommen.

Es entstand nun viel Lispeln, viel Wedeln mit den Schweifen, und andres Vieles, daß das Hauptgeschäft der Versammlung jetzt vorgenommen werden sollte. Aller Augen waren auf Dr. Raisono gewandt, der nach einer gehörigen Pause eine für feierliche Gelegenheiten bereitete Tribune betrat und seine Rede begann.

Der Philosoph, der nach auswendig gelernter Rede aus dem Stegreif sprach, begann mit einem schönen und sehr beredten Anruf an die Gelehrsamkeit, an den Enthusiasmus, der in der Brust eines jeden ihrer wahren Verehrer glüht, und sie gleich unempfindlich für ihre persönliche Ruhe, ihr zeitliches Interesse, für Gefahr, Leiden und Beschwerden des Geistes macht. Nach diesem Eingang, den man wegen seiner Einfachheit und Wahrheit für einzig erklärte, ging er ohne Weitres zur Geschichte seiner neulichen Abentheuer über.

Erst anspielend auf den bewundrungswürdigen Gebrauch von Springhoch, der die Erprobungsreise vorschreibt, sprach unser Philosoph, wie er erkoren worden, um Mylord Chatterino bei einer für seine künftigen Hoffnungen so wichtigen Gelegenheit zu begleiten. Er hielt sich bei den materiellen Vorkehrungen, dem vorausgegangenen Studium und all den moralischen Hülfsmitteln auf, die er bei seinem Zögling angewandt hatte, ehe sie die Stadt verließen, welches alles dem Zweck wohl angepaßt sein mußte, da er beständig von Beifallsgemurmel unterbrochen ward. Nachdem er sich einige Zeit bei diesen wichtigen Punkten aufgehalten, hatte ich endlich die Freude, ihn, Mademoiselle Lynx und ihre zwei Mündel in allem Ernst eine Reise antreten zu sehen, welche, wie er richtig bemerkte, so reich sein sollte an Begebenheiten von der größten Wichtigkeit sowohl für die Wissenschaft überhaupt, als für das Glück der einzelnen Raçen und einiger hoch interessanten Zweige des Monikin’schen Wissens insbesondre. Ich sage die Freude; denn, die Wahrheit zu gestehen, ich war begierig, die Wirkungen zu sehen, die auf das Monikin’sche Mitgefühl hervorgebracht werden würde, wenn er von meinem eignen Scharfsinn in Entdeckung ihres wahren Charakters unter Schande und Schmach sprechen wurde, in welcher ich sie zu finden so glücklich gewesen, von dem schnellen Eifer, womit ich zu ihrer Erlösung geschritten, und der Freigebigkeit und dem Muth, mit denen ich Mittel herbeigeschafft und den Gefahren getrotzt, um sie ihrem Vaterland wieder zu geben. Die Voraussicht dieses menschlichen Triumphs konnte nichts anders, als allgemeine Freude in unsrer Tribüne verbreiten; selbst die gemeinen Matrosen, wenn sie sich die Gefahren zurückriefen, die sie bestanden, fühlten das Bewußtsein, diesen Lohn zu verdienen, verbunden mit dem sänftigenden Gefühl, das immer im Geleite desselben ist. Als der Philosoph der Zeit näher kam, wo er nothwendig von uns sprechen mußte, warf ich einen triumphirenden Blick auf Lord Chatterino, der jedoch die beabsichtigte Wirkung verfehlte, indem der junge Pair zu seinen edlen Gefährten zu lispeln fortfuhr mit eben der Wichtigkeit von sich selbst und eben der Kälte, als wenn er nicht einer von den erlös’ten Gefangenen gewesen.

Dr. Raisono war mit Recht unter seinen Kollegen wegen seines Scharfsinns und seiner Beredtsamkeit berühmt. Die herrliche Moral, die er bei jeder Gelegenheit mit seinem Gegenstand verflocht, die Schönheit der Bilder, womit er sie erläuterte, und die männliche Tendenz seiner Beweisführung erfüllten die Versammlung allgemein mit Entzücken. Die Erprobungsreise wurde als das dargestellt, was sie nach den Vätern und Weisen von Springhoch hatte sein sollen, eine Erprobung voll von Ermahnungen und Belehrung. Die Alten und Erfahrnen, die durch die Zeit hart geworden, konnten ihre Lust nicht verbergen, die Reiferen und Leidenden sahen ernst und bedächtig drein, während die Jüngern und Sanguinischen etwas zitterten und ein Mal zweifelten. Aber da der Philosoph seine Pflegbefohlne heil und sicher von Abhang zu Abhang führte, da Felsen erstiegen und verführerische Thäler vermieden wurden, fing ein Gefühl der Sicherheit an, sich über die Versammelten zu verbreiten, und wir alle folgten ihm zum letzten Versuch unter dem Eis mit jenem blinden Vertrauen, welches der Soldat mit der Zeit zu den Befehlen eines erprobten und siegreichen Generals erhält.

Der Doktor war sehr malerisch in seiner Erzählung von der Art, wie er und seine Mündel sich diesen neuen Erprobungen überließen. Die liebliche Chatterissa (denn alle seine Reisegefährten waren anwesend) neigte seitwärts ihr Haupt und erröthete, als der Philosoph darauf anspielte, wie die reine Flamme, die in ihrem liebreichen Busen glühte, dem erstarrenden Einfluß dieser kalten Regionen widerstand, und als er eine heiße Erklärung erwähnte, die Mylord Chatterino mitten auf einem Eisfeld gemacht, und dann die gütige, liebreiche Antwort seiner Herrin hinzufügte, – dachte ich, der Beifall der alten Akademiker würde wirklich den gewölbten Dom über unsre Häupter krachend herunter bringen.

Endlich erreichte er den Punkt in der Erzählung, wo die lieblichen Wandrer auf die Seehundsjäger auf jener unbekannten Insel trafen, auf welche Zufall und ein Mißgeschick sie unglücklicher Weise auf ihrer Pilgerfahrt geführt hatte. Ich hatte insgeheim Maßregeln getroffen, Poke und meine übrigen Gefährten über die Art zu belehren, wie wir uns benehmen sollten, während der Doktor die Akademie mit jener ersten Beleidigung der Menschengier bekannt machte, nämlich mit der Gefangennehmung seiner selbst und Freunde. Wir sollten mit einem Male aufstehen und, unser Gesicht ein wenig auf die Seite wendend, unsre Augen zum Zeichen der Scham mit der Hand bedecken. Weniger als dies, sah ich ein, konnte kaum geschehen, ohne eine ungehörige Gleichgültigkeit gegen Monikins-Rechte zu verrathen, und mehr, als dies, hätte uns mit den besondern Individuen auf gleiche Stufe gestellt, die diese Unthat begangen. Aber die Gelegenheit kam nicht, diese zarte Aufmerksamkeit unsern gelehrten Gastfreunden zu erzeigen. Der Doktor, mit einer Feinheit des Gefühls, die in der That der Monikin’schen Civilisation Ehre machte, gab der ganzen Sache eine scharfsinnige Wendung und entfernte mit einem Male alle Ursache der Scham von unsrer Gattung, indem er, wenn irgend Jemand zu erröthen hatte, durch einen edlen Akt der Uneigennützigkeit die ganze Last sich selbst aufbürdete. Statt bei der unbarmherzigen Art zu verweilen, wie er und seine Freunde gefangen worden, benachrichtigte der Doktor sehr ruhig seine Zuhörer, daß, da er sich zufälliger Weise in Contakt mit einer andern Art gefunden, und die Mittel, wichtige Entdeckungen zu betreiben, unerwartet in seine Macht gegeben worden, er, wohl wissend, wie es schon längst ein Desideratum bei den Gelehrten gewesen, einen nähern Blick und richtigere Begriffe von der menschlichen Gesellschaft zu erhalten, und in der Meinung, er habe einige Vollmacht in Hinsicht seiner Mündel, so wie in Kenntniß gesetzt davon, daß die Einwohner von Springniedrig, einer Allen verhaßten Republik, ernstlich vom Aussenden einer Expedition zu eben diesem Zweck sprächen, – er also aus allen diesen Gründen sich schnell entschlossen, von den Umständen Nutzen zu ziehen, die Erforschung, so weit seine Kräfte gingen, zu betreiben und Alles für die Sache der Wissenschaft und Wahrheit zu wagen, indem er sogleich das Fahrzeug der Robbenfänger in Besitz nähme und ohne Furcht vor den Folgen, ohne Weitres mitten in die Menschenwelt steuerte.

Ich habe mit Staunen den Donner der Tropenländer angehört, – ich hab‘ den Athem angehalten, als die Geschütze einer Flotte ihr Feuer ausspieen und die Luft durch plötzliche Erschütterung zerrissen, – ich habe das Brüllen des stürzenden Stroms von Kanada gehört und staunend dagestanden bei dem Krachen eines Waldes im Wirbelwind, – aber nie vorher fühlte ich ein solch lebenerregendes, so ergreifendes Gefühl von Staunen, Furcht und Theilnahme, als das war, das sich in mir bei dem Ausbruch von Lob und Entzücken regte, womit diese Erklärung von Selbstaufopfrung und Unternehmungsgeist von den Zuhörern aufgenommen ward. Schweife wedelten, Pfötchen drückten sich in Begeistrung, Stimme lispelte zu Stimme, und ein allgemeiner Ausruf der Freude, des Enthusiasmus und Ruhms ertönte bei diesem Beweis, nicht von Monikin’schem, denn das würde den Triumph weggefröstelt haben, sondern von Springhoch’schem Muthe.

Während des Geschreis nahm ich Gelegenheit, meine Freude über die schöne Art auszudrücken, wie unser Freund, der Doktor, über eine anerkannte menschliche Vergehung hinausgegangen, so wie über den Scharfsinn, womit er das Ganze der unseligen Begebenheit zum Ruhm von Springhoch gewandt hatte. Noah antwortete, der Philosoph habe sicher Kenntniß von der Menschen-Natur und er denke, auch der Monikin’schen Natur in dieser Sache gezeigt; Niemand würde jetzt seine Erzählung bestreiten, da, wie er aus Erfahrung wisse, Niemand so leicht als ein Lügner dastehe, als der, der die gute Meinung zu untergraben unternehme, welche eine Gemeinde oder ein Einzelner von sich selbst hege. So wär’s in Stonington, und so auch wohl in Neu-York und, er getraue sich es zu behaupten, auf der ganzen Erde von einem Pol zum andern. Er wünsche jedoch eine Privatunterrednng von einigen Minuten mit dem Robbenfänger zu haben, um seine Erzählung von der Sache zu hören; er wisse nicht, ob ein Schiffseigenthümer in der Welt einen Kapitän sich gefallen lassen würde, der seine Reise auf solche Weise unter keiner bessern Sicherheit, als die Promessen eines Affen, aufgäbe, und zwar eines Affen, der ihm nothwendig ganz fremd sein müßte.

Als der Lärm des Beifalls ein wenig nachgelassen, fuhr Dr. Raisono in seiner Erzählung fort. Er berührte leichthin die Bequemlichkeiten in dem Schooner, welcher, wie er uns merken ließ, ganz und gar unter dem Rang seiner Reisenden gewesen, und fügte dann hinzu, wie er ein größeres und schöneres Schiff getroffen, das von Bombay nach Großbritanien gefahren, und die Gelegenheit benutzt hätte, die Fahrzeuge auszutauschen. Dieses Schiff habe auch die Insel Helena berührt, wo, nach des Doktors Bericht von der Sache, er Mittel gefunden, den größeren Theil einer Woche am Land zuzubringen.

Von der Insel St. Helena gab er eine lange wissenschaftliche und allerdings sehr interessante Nachricht. Die menschlichen Gelehrten, sagte er, gäben sie für vulkanisch aus; aber eine genauere Untersuchung und Vergleichung der geologischen Formation hätte ihn gänzlich überzeugt, daß ihre alte eigne Nachricht, die sich in den mineralogischen Werken von Springhoch befinde, die wahre sei, oder mit andern Worten, daß dieser Fels ein Bruchstück der Polarwelt wäre, der bei dem großen Durchbruch weggetrieben und von der übrigen Masse an dieser Stelle getrennt worden, wo er gefallen und ein Punkt im Ocean geworden sei. Hier brachte der Doktor gewisse Muster von Felsen vor, die er den anwesenden Gelehrten überließ, ihre Aufmerksamkeit auf deren Charakter richtete, und mit großem mineralogischen Vertrauen fragte, ob sie nicht ganz und gar einer wohlbekannten Grundlage von einem Berg, zwei Meilen gerade von dem Ort, wo sie sich jetzt befänden, glichen. Dieser siegende Beweis für die Wahrheit seines Satzes wurde mit Bewundrung aufgenommen, und der Philosoph noch besonders durch das Lächeln aller anwesenden Frauen belohnt; denn Damen sind gewöhnlich mit jeder Beweisführung wohl zufrieden, die ihnen die Mühe des Vergleichens, des Nachdenkens erspart.

Ehe er diese Seite seines Gegenstandes verließ, bemerkte der Doktor, daß, so interessant auch diese Beweise von der Genauigkeit ihrer Geschichten und der Umwälzungen in der unbelebten Natur wären, so sei doch noch etwas Andres mit Helena verknüpft, welches, wie er gewiß wäre, eine lebhafte Rührung in der Brust aller seiner Zuhörer erregen würde. Zur Zeit seines Besuchs sei die Insel zum Gefängniß für einen großen Erobrer und Störer seiner Mitgeschöpfe ausgewählt gewesen, und die öffentliche Aufmerksamkeit durch diesen Umstand sehr auf die Stelle gezogen worden, indem wenige Menschen dorthin kämen, die nicht alle ihre Gedanken durch die vergangenen Thaten und die jetzigen Schicksale des genannten Individuums in Anspruch nehmen ließen. Er freilich, für ihn wäre nicht viel Anziehendes in allen Begebenheiten, die mit blos menschlicher Größe verbunden seien, indem die kleinen Kämpfe und Störungen in dieser Gattung nur wenig Interesse für einen Anhänger der Monikin’schen Philosophie hatten; aber die Art, wie Aller Augen nach einer Seite gerichtet gewesen, habe ihm Freiheit im Handeln gelassen, und er sie eifrig auf eine Weise benutzt, die, wie er bescheiden hoffe, nicht ganz unwürdig ihrer Billigung gehalten werden würde. Während er unter den Klippen nach Mineralien gesucht, wäre seine Aufmerksamkeit auf gewisse Thiere gezogen worden, die in der Sprache jener Länder Affen genannt würden und, nach einer sehr in die Augen fallenden Verwandtschaft in ihrem physischen Wesen, wohl mit Recht als von gemeinsamem Ursprung mit den Monikins-Arten gehalten werden könnten. Die Akademie werde leicht sehen, wie wünschenswerth es wäre, all die interessanten Einzelheiten über ihre Gewohnheiten, Sprache, Sitten, Ehe, Begräbniß, religiöse Meinungen und Ueberlieferungen, so wie über den Zustand der Gelehrsamkeit und die allgemeine moralische Lage dieses interessanten Volkes zu erfahren, um sich zugleich zu versichern, ob sie nur eine von jenen Mißgeburten wären, welche die Natur bekanntlich zuweilen erzeugt, und die nur die äußre Gestalt von ihrer eignen Gattung hätten, oder ob, wie verschiedene ihrer beßten Schriftsteller annehmlich dargethan, sie wirklich ein Theil jener wären, die sie als die »verlornen Monikins« zu bezeichnen pflegten. Es sei ihm gelungen, Zugang zu einer Familie dieser Wesen zu erhalten und einen ganzen Tag bei ihnen zuzubringen. Das Ergebnis seiner Forschungen wäre, daß sie wirklich von der Monikins-Familie seien, und viel von dem Scharfsinn und den geistigen Begriffen ihres Ursprungs behalten hätten; aber ihr Verstand sei traurig abgestumpft, und vielleicht ihre vervollkommnungsfähigen Eigenschaften durch den Stoß der Elemente vernichtet, die sie hinausgestoßen hätten über die Oberfläche der Erde hin, hauslose, hoffnungslose, landlose Wandrer. Die Verschiedenheiten des Klimas und eine große Aendrung in ihren Gewohnheiten hätte freilich auch einige physische Veränderungen hervorgebracht; aber es bleibe immer noch eine hinlängliche scientivische Identität, um sie als Monikins zu erweisen. Sie hätten selbst noch in ihren Ueberlieferungen einige Spuren von der schrecklichen Katastrophe, wodurch sie von ihren übrigen Mitgeschöpfen getrennt worden, aber sie wären nothwendiger Weise vage und ohne Ergebniß. Nachdem er noch mehreres Andre, mit diesen außerordentlichen Thatsachen Verbundenes berührt hatte, schloß der Doktor mit den Worten, er sehe nur einen Weg, wie diese Entdeckung, außer dem Beweis für die Wahrheit ihrer Annalen, noch zu einem praktischen Urtheil führen könnte. Er deutete auf den Nutzen hin, Expeditionen auszurüsten, um zu diesen Inseln zu fahren und eine Anzahl Familien zu ergreifen, welche dann, nach Springhoch gebracht, eine Raçe nützlicher Diener begründen könnten und, während sie sich weniger lässig, als die erwiesen, welche alle Kenntniß der Monikins besäßen, wahrscheinlich verständiger und nützlicher erfunden würden, als irgend ein Hausthier, das sie jetzt hätten. Diese glückliche Nutzanwendung des Gegenstands fand entschiedene Empfehlung. Ich bemerkte, wie die meisten ältlichen Frauen sogleich die Köpfe zusammensteckten und sich einander über die Aussicht Glück zu wünschen schienen, bald von ihren Sorgen für das Haus sich befreit zu sehen.

Doktor Raisono sprach dann von seiner Abreise von St. Helena und endlichen Landung in Portugal. Hier miethete er, nach seiner Erzählung, gewisse Savoyarden. um ihm als Kouriere und Führer auf einer Tour zu dienen, die er durch Portugal, Spanien, die Schweiz, Frankreich u.s.w. zu machen beabsichtigte. Ich hörte voll Bewunderung. Nie in meinem Leben hatte ich einen so lebhaften Begriff von dem ungeheuren Unterschied, der in unsrer Ansicht von Sachen durch die Einwirkung einer thätigen Philosophie hervorgebracht wird, als mir jetzt durch die Erzählung des Sprechenden ward. Statt sich über die empfangene Behandlung und die Erniedrigungen zu beklagen, denen er und seine Gefährten ausgesetzt gewesen, sprach er von Allem als einer freiwilligen Unterwerfung seiner Seits unter die Gewohnheiten der Länder, in denen er sich gerade befand, und wie von Mitteln, um tausend wichtige Thatsachen, moralische und physische, zu begründen, die er sich vornehme, zu einer andern Zeit in einer besondern Schrift der Akademie vorzulegen. Jetzt werde er durch die Uhr zu schließen ermahnt, und wolle daher seine Erzählung so sehr, wie möglich, beschleunigen.

Der Doktor gestand mit großer Aufrichtigkeit, daß er gerne noch ein Jahr oder zwei länger in diesen fernen und hochinteressanten Ländern zugebracht hätte; aber er hätte nicht vergessen dürfen, daß er eine Pflicht gegen die Freunde von zwei edlen Familien zu erfüllen gehabt. Die Erprobungsreise sei unter den günstigsten Auspicien vollendet gewesen, und die Damen natürlich ängstlich geworden, nach Hause zurückzukehren; sie seien daher nach Großbritanien übergegangen, ein durch seine Seeunternehmungen merkwürdiges Land, wo er alsbald die nöthigen Vorkehrungen zu ihrer Abreise getroffen. Ein Schiff habe man sich unter dem Versprechen verschafft, es frei von Zoll mit Produkten von Springhoch befrachten zu lassen. Tausend Bewerbungen um Erlaubniß, die Fahrt mitzumachen, seien ihm zugekommen, da die Eingebornen natürlich wünschten, ein civilisirtes Land zu sehen; aber die Klugheit habe ihm gerathen, nur die anzunehmen, welche am wahrscheinlichsten nützlich werden zu können schienen. Der König von Großbritanien, kein geringer Fürst nach menschlicher Berechnung, hätte seinen einzigen Sohn und muthmaßlichen Thronerben seiner Sorgfalt überlassen, um sich durch Reisen zu vervollkommnen; und der Lord Ober-Admiral selbst habe um Erlaubniß gebeten, den Befehl über eine Expedition zu übernehmen, die von so großer Wichtigkeit für die Wissenschaft im Allgemeinen und seinen eignen Stand im Besondern wäre.

Hier stieg Dr. Raisono auf unsre Bühne, und stellte Bob der Akademie als den Kronprinzen von Großbritanien und den Kapitain Poke als dessen Lord Ober-Admiral vor. Er deutete auf gewisse Besonderheiten an dem Erstern hin, besonders auf den Schmutz, der so ziemlich mit seiner Haut verwachsen war, und erklärte sie für eben so viele Zeichen der königlichen Geburt; dann hieß er den Jungen sich ausziehen und zog die Unionsjacke hervor, die der Bursche sorgfältig an seiner Hinterseite als Schutzmittel trug, und stellte sie als sein Wappen dar, eine Verwechslung in ihrem Gebrauch, die nicht so weit fehlgeschossen hätte, wenn er nur einen andern Theil dafür angenommen. Was Kapitän Poke betrifft, so forderte er die Akademiker auf, sein nautisches Ansehn zu studiren, das im Allgemeinen einen hinlänglichen Beweis von seiner Beschäftigung und dem gewöhnlichen Ansehn menschlicher Seeleute gäbe.

Dann zu mir gewandt, ward ich allen Anwesenden als der Reisebegleiter und persönliche Diener Bob’s dargestellt, doch nach meiner Art als eine sehr ehrenwerthe Person. Er fügte bei, er glaube auch, ich gebe mich für den Entdecker von so etwas wie ein sociales Anhaltspunkt-System aus, welches, wie er denke, eine sehr rühmliche Entdeckung für einen von meinem Stande wäre.

Durch diesen schnellen Wechsel der Stände hatte ich wirklich mit dem Schiffsjungen die Plätze getauscht, welcher, statt mir aufzuwarten, künftig diese kleine Aufmerksamkeit von mir erhalten sollte. Die Steuermänner wurden als zwei Unteradmirale dargestellt, und die Schiffsmannschaft als Kapitäne in der Flotte von Großbritanien. Kurz, den Zuhörern wurde zu verstehen gegeben, daß wir alle nach Springhoch wie die Mineralien von St. Helena gebracht worden, als Muster und Exemplare von den Menschengattungen.

Ich kann nicht läugnen, Dr. Raisono hatte sich und seine Thaten sowohl, als mich und die meinigen in einem von dem sehr verschiedenen Lichte dargestellt, in welchem ich Alles betrachtete, und doch, bei näherem Ueberlegen, schien es mir so gewöhnlich, daß wir uns für etwas Anderes halten, als die Andern uns ansehen, daß ich im Ganzen mich nicht so sehr über seine Darstellungen beklagen konnte, als ich im Anfang es thun zu müssen geglaubt hatte. Auf jeden Fall hatte man mir vollkommen die Nothwendigkeit, über meine Großmuth und Uneigennützigkeit zu erröthen, erspart, und sonst auch hatte ich nicht das Unangenehme, daß meine Person durch die Seltenheit der erworbenen Verdienste zu sehr die Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich muß indeß doch sagen, daß ich erstaunt und auch ein wenig unwillig war. Aber die plötzliche und unerwartete Wendung, die der ganzen Sache gegeben worden, warf mich so gänzlich aus aller Fassung, daß ich, für mein Leben, nicht ein Wort für mich hätte vorbringen können. Es noch schlimmer zu machen, nickte der Affe Chatterino mir freundlich zu, als wolle er den Zuschauern zeigen, daß er im Ganzen mich für einen recht guten Burschen halte.

Nachdem die Vorlesung vorüber war, näherte sich uns die Versammlung, um uns zu untersuchen; sie nahm sich viele große liebenswürdige Freiheiten mit unsern Personen, und zeigte sonst auf alle Arten, daß man uns für Seltenheiten, die des Studiums würdig wären, halte. Des Königs Vetter selbst vernachlässigte uns nicht; er ließ der Versammlung verkünden, wir wären ganz willkommen in Springhoch, und aus Achtung vor Doktor Raisono wurden wir alle für die ganze Zeit unsres Aufenthalts im Lande zu Ehren-Monikins erhoben. Er ließ auch bekannt machen, wenn die Jungen uns auf der Straße beleidigten, sollten ihnen die Schweife mit Brenneisen gelockt werden. Der Doktor selbst wurde zu den höchsten akademischen Würden, die je ein Gelehrter von Springhoch erlangt, feierlichst erhoben.

Endlich war die Neugier befriedigt, und wir durften die Tribüne verlassen; die Gesellschaft schenkte uns keine Aufmerksamkeit mehr, um sich blos einander zu betrachten. Da ich jetzt Zeit hatte, mich zu fassen, verlor ich keinen Augenblick, nahm die zwei Steuerleute bei Seite und schlug ihnen vor, wir wollten allegesammt zu einem Notar gehen, um Protest gegen die unerklärbaren Irrthümer einzulegen, in welche Doktor Raisono verfallen war, wodurch die Wahrheit verletzt, den Rechten dieser Personen zu nahe getreten, die Menschheit entehrt, die Springhocher Philosophie irre geleitet worden. Ich kann nicht sagen, daß meine Gründe gut aufgenommen wurden; ich war genöthigt, die beiden Unteradmirale zu verlassen und die Schiffsmannschaft aufzusuchen, da ich daran dachte, daß ich diese ja erkauft. Ein Aufruf an die arglosen, freimüthigen, loyalen Naturen der gemeinen Seeleute, dachte ich, würde unfehlbar von mehr Erfolg sein. Auch hier sollte ich mich täuschen. Die Leute stießen ein paar schwere Flüche aus, und schwuren: Springhoch sei ein gutes Land. Sie erwarteten, wie natürlich, Sold und Rationen nach ihrem neuen Rang, und da sie die Süßigkeiten des Befehlens geschmeckt, fanden sie sich noch nicht in der Lage, mit ihrem guten Geschick zu streiten und die Silberschüssel für den Theertopf wieder wegzulegen.

Ich verließ die Schelme, deren Köpfe in der That durch ihre unerwartete Erhebung verrückt worden schienen, und beschloß Bob aufzusuchen, um vermittelst Poke’s gewöhnlicher Applikation ihn wenigstens, trotz der Unionsjacke, zum Gefühl seiner Pflicht zurück zu bringen und ihn zu nöthigen, seinen alten Posten als Diener meiner Bedürfnisse wieder anzutreten. Ich fand den kleinen Schelm mitten unter einem Schwarm von Monikins-Weibchen von allen Altern, die ihre Aufmerksamkeiten an seiner unwürdigen Person verschwendeten und überhaupt alles thaten, was sie konnten, um alle Demuth und was sonst von guten Eigenschaften noch in ihm sich vorfinden mochte, vollständig auszumerzen. Er gab mir in der That eine gute Gelegenheit, den Angriff anzufangen; denn er trug die Unionsjacke über seinen Schultern wie einen königlichen Mantel, während die Weibchen von niederm Rang sich um ihn drängten, den Saum davon zu küssen. Die Art, wie er diese Schmeichelei annahm, machte selbst auf mich Eindruck, und aus Furcht, die Monikinerinnen möchten mich steinigen, wenn ich versuchen würde, sie zu enttäuschen, – denn sie, sie mögen von welchem Rang sein, als sie wollen, hassen immer den Betrug, – gab ich meine feindseligen Absichten für den Augenblick auf und eilte Noah Poke nach, wenig zweifelnd, einen Mann von seiner angebornen Rechtlichkeit zur Vernunft zu bringen.

Der Kapitän hörte meine Vorstellungen mit geziemender Achtung an, er schien selbst meine Gefühle mit dem gehörigen Grad von Theilnahme zu erwiedern; er gab sehr freimüthig zu, daß ich von Doktor Raisono nicht gut behandelt worden, und schien zu denken, eine Privatunterredung mit ihm könnte ihn noch zu einer vernünftigeren Darstellung der Thatsachen bringen; aber in Betreff jedes plötzlichen und gewaltsamen Anrufs der öffentlichen Gerechtigkeit oder eines übelberathenen Zuhilfrufens eines Notars zeigte er große Abneigung. Der Inhalt seiner Einwürfe war etwa folgender:

»Er kenne nicht die Protestgesetze von Springhoch, und folglich könnten wir unser Geld für Gebühren ausgeben, ohne einigen Vortheil davon zu erlangen; der Doktor ferner sei ein Philosoph und habe alle mögliche gelehrte Titel, und gegen solche Sachen sei in jedem Lande schwer zu kämpfen, besonders in der Fremde. Er habe einen angebornen Widerwillen gegen Processe, der Verlust meines Ranges wäre freilich ein Schaden, aber man könne ihn noch ertragen; er habe nie das Amt eines Lord Großadmirals von Großbritanien begehrt, da es ihm aber zugewiesen worden, werde er Alles thun, diesen Charakter zu behaupten; er wisse, seine Freunde in Stonington würden erfreut sein, seine Beförderung zu vernehmen; denn wenn auch in seinem Vaterland keine Lords und selbst keine Admirale wären, hätten doch seine Landsleute immer große Freude, wenn einer von ihnen durch jemand anders, als sie, zu diesem Rang erhoben würde, indem sie die Einem übertragene Ehre für eine der ganzen Nation erwiesene anzusehen schienen; er liebe, seiner Nation Ehre zu machen, denn kein Volk der Erde habe Begriffe davon und theile sie besser unter sich, so daß jeder seinen Theil bekäme, als die Vereinigten Staaten; jedoch seien sie sehr vorsichtig, einige Ehrerweisung in den ersten Händen zu lassen, und so sei er entschlossen, so viel davon zu behalten, als nur möglich, so lange sie in seiner Macht wäre; er halte sich für einen bessern Seemann, als die meisten Lords Großadmirale, die ihm vorausgegangen, und in soweit fürchte er nichts; er sei begierig, ob seine Beförderung Mad. Poke zur Lady Großadmiral machen würde. Da ich so sehr wegen meines Ranges aufgebracht sei, wolle er mir das Amt eines Schiffskapitäns einstweilen geben (er glaube nämlich nicht, daß ich zum Seeofficier tauge), und zweifelsohne hätte er Einfluß genug, es daheim bestätigt zu erhalten. Ein großer Staatsmann in seinem Lande hätte gesagt: »wenige stürben und keine dankten ab,« und er wolle nicht der Erste sein, der eine neue Mode aufbrächte; er sehe Doktor Raisono als seinen Freund an, und es wäre unangenehm, mit seinen Freunden zu streiten; er wolle in der That Alles thun, nur nicht abdanken, und wenn ich den Doktor überreden könnte, daß er sage, in Hinsicht meiner besonders sei er in einen Irrthum verfallen, und ich wäre nach Springhoch entsandt worden als Lord Ober-Gesandter, Lord Oberpriester oder Lord Ober-sonst etwas, nur nicht Lord Ober-Admiral: ei, dann wolle er es beschwören, obwohl er mir voraussage, daß in einem solchen Fall ich nach dem Datum seiner eignen Bestallung eingereiht werden müßte. Wenn er seinen Rang einen Augenblick früher, als nöthig, aufgäbe, würde er seine eigne Selbstachtung verlieren und nie wieder in Madame Poke’s Angesicht zu schauen wagen; wirklich, er würde so etwas nicht thun, und er wünsche mir guten Morgen, da er eben den Lord Groß-Admiral von Springhoch besuchen wolle.