Im Kasperland mußten die Gäste die Schule sehen, denn weil Kasperle in eine Menschenschule gegangen war, wollten sie zeigen, daß sie auch so etwas hätten. In der Schule aber standen die Kinder alle auf dem Kopf, als die Gäste eintraten, das war Höflichkeit. Und nachher drehten sie dem Lehrer alle den Rücken zu, und wenn eins was hersagen mußte, dann schossen sie von rückwärts einen Purzelbaum und stuppten öfters dabei dem Lehrer an die Nase, das nahm der aber nicht übel.

In der Schule hatten sie gerade Geschichtenerzählen und ein Kasperlebübchen erzählte die Geschichte von Peringel, dem unnützesten aller Kasperles. Wer war Peringel, lebte er noch?

Das wußte niemand. Peringel war mit dem Prinzen Bimlim zu den Menschen gekommen und der König Tolu sagte: »Bimlim, kennst du ihn nicht mehr?«

Kasperle machte ein seltsames Gesicht. »Jawohl, ich erinnere mich seiner,« sagte er, »er war ein unnützer Kerl.«

»Ein sehr unnützer Kerl, der würde aufgehängt, wenn er wieder käme.«

»Warum?«

»Weil er Lachpulver verschossen hat und zwar in das Meer, da haben alle Fische angefangen zu lachen.«

»Sehr komisch,« rief auf einmal Mister Stopps, »schade, daß Peringel nicht mehr lebt, den möchte ich haben.«

»Wer weiß, vielleicht lebt er noch,« sagte Tolu, »Bimlim muß es wissen.«

»Er ist tot,« sagte Kasperle und machte ein furchtbar ernstes Gesicht.

»Oh, uie schade.«

Kasperle sagte nichts, aber in seinem Herzen war ein Türlein aufgesprungen, und er wußte auf einmal, daß er nicht Bimlim, sondern Peringel, der unnützeste aller Kasperles, war. Wenn das Tolu wüßte und die anderen?

Kasperle sehnte sich auf einmal fort aus Valrosa, aber er rief ganz lustig: »Ich will von Peringel hören. War er wirklich so unnütz?«

»Schrecklich unnütz, aber eigentlich mußt du ihn doch kennen, er ist mit dir ausgerissen,« sagte König Tolu wieder.

Ja freilich, Kasperle kannte Peringel schon, und auf einmal hörte er wieder einen alten Kasper sagen: »Du darfst nicht mit dem Prinzen ans Meer laufen,« und er war doch mitgelaufen, da waren er und Bimlim gefangen genommen worden.

Oh, Kasperle wußte das auf einmal ganz genau. Er brummte jedoch unwirsch: »Ich habe so viel schlafen müssen, darüber habe ich Peringel, den Schlingel, vergessen.«

Die Kasperles lachten über das Wort und der Lehrer erzählte von Peringel, dem Schlingel.

Ganz furchtbar unnütz war der gewesen, er hatte im Kasperland so viele dumme Streiche gemacht, daß man noch heute sagte: »So schlau wie Peringel.« Einmal hatte Peringel seinen Lehrer in das Bienenhaus gesperrt, da hatte der vor Angst, die Bienen könnten ihn stechen, so gekaspert, daß die Bienen alle vor Angst ausgerückt waren. Erst nach Monaten hatte man sie jenseits der Insel wieder eingefangen. Und gegessen hatte Peringel, man hätte es schon fressen nennen können.

»Uie Kahs – pärle,« sagte hier Mister Stopps.

Ei, das war nicht klug, Mister Stopps.

Auf einmal schauten alle Kasperles auf Bimlim und der König sagte: »Du bist am Ende gar nicht Bimlim, sondern Peringel.«

»Ich bin Bimlim,« schrie Kasperle.

»Du mußt das Mal zeigen!«

»An dem Tage, an dem ihr mich zum König wählen werdet, zeige ich es.«

Kasperle sah so bitterböse drein, daß alle Kasperles dachten: »Er ist doch Bimlim, sonst wäre er nicht so böse.«

»Weiter von Peringel,« schrie Kasperle, »mir dämmert’s, den habe ich gekannt. Hat er nicht einmal vor Königs Geburtstag eine ganze Speisekammer leer gefressen?«

»Ja, das hat er. Ganz und gar leer.«

»Und einmal hat er ein Loch in unsere Wasserleitung gestoßen, da wäre beinahe das ganze Kasperland ertrunken. Ja und dann hat er der Königin den falschen Zopf geangelt.«

»Wie Kasperle,« schrie die Prinzessin Gundolfine.

Da schrie sie Kasperle wütend an: »Wenn du nicht still bist, mußt du im Kasperland bleiben.«

»O Kasperle, hilf mir.«

»Jetzt ist genug von Peringel, dem Schlingel, geredet, jetzt wollen meine liebe Frau und ich essen,« schrie der König.

»Ich bin nicht deine liebe Frau,« schrie Gundolfine.

»Doch das bist du und bleibst du!«

»Nein,« schrie auf einmal Kasperle, »Tolu, ich will dir ein schreckliches Geheimnis sagen, aber dir allein, ganz allein.«

Tolu dachte: »Er wird mir sagen wollen, daß er die Prinzessin heiraten will, aber dann lasse ich ihn in das Kasperlegefängnis stecken, das leide ich nicht.« Er kletterte aber doch mit Kasperle in eine Wiege, denn nur dort wollte Kasperle ihm sein Geheimnis sagen.

Als sie oben waren, fing aber das unnütze Kasperle schrecklich zu lachen an.

»Warum lachst du?«

»Ich denke an Peringel, den Schlingel.«

»Warum?«

»Weil der einmal sämtliche Wiegen durchgesägt hat, und alle Kasperles sind auf die Erde gefallen.«

»Das weißt du noch?«

»Wie du hörst.«

»Weißt du was, du bist Peringel und nicht Bimlim.«

»Ich bin Bimlim, und wenn du noch ein Wort sagst, dann verrate ich dir mein Geheimnis nicht.«

»Was ist denn das für ein Geheimnis?«

»Die Prinzessin ist eigentlich ein Tiger.«

»O jemine.«

»Ja und sie heiratet nur, um die Männer fressen zu können.«

»Brrrr.« Tolu schüttelte sich. »Ist nicht wahr,« rief er.

»Ist doch wahr.«

»Bestimmt?«

»Mich hätte sie doch auch beinahe gefressen, und den guten Mister Stopps frißt sie ganz gewiß.«

»Das ist ja schrecklich.«

»Ja, sehr schrecklich.«

»Ich glaub’s aber nicht.«

»Du wirst es schon glauben.«

Kasperle sah ein, es war nicht so leicht, einem Kasperle etwas vorzuflunkern, und er geriet ordentlich in Schweiß vor Angst, denn die Prinzessin mußte er retten, das stand fest, und Tolu sagte eigensinnig: »Ich behalte sie doch.« Sie kehrten nun zu den anderen zurück, und der armen Prinzessin wurde es himmelangst als Tolu sagte: »Du bist meine Frau und bleibst meine Frau!«

Da gab es ein leises Geraschel unter der Prinzessin ihrem Kleid, und Kasperle sagte mit der unschuldigsten Miene von der Welt: »Nur eine Maus.« Auf der Kasperle-Insel gab es gar keine Mäuse, und die Kasperles wußten nicht, warum die Prinzessin auf einmal so schrecklich schrie. Ganz unheimlich wurde es ihnen, und Kasperle sagte: »Sie ist ja auch ein Tiger.«

»Ich bin kein Tiger, das ist frech,« und husch! fuhr die Prinzessin Kasperle in die Haare.

»Sie ist ein Tiger, ein Tiger,« schrien die Kasperles entsetzt und rissen aus. Am allereiligsten hatte es König Tolu. Kasperle rannte ihm nach, aber König Tolu dachte, die Prinzessin wäre es und schrie: »Sie frißt mich, sie frißt mich!«

Die Prinzessin war starr, so ein Davongerenne hatte sie noch gar nicht gesehen. Auch Mister Stopps staunte. Auf einmal waren alle Kasperles verschwunden, oben aus den Wiegen sah man sie hervorgucken.

»Macht, daß ihr wegkommt,« sagte Kasperle. Der sah noch im Sande etwas liegen, es war König Tolus goldene Lachpulverdose. Er hob sie auf und steckte sie ein. Da hatte er wenigstens ein Andenken an die Kasperle-Insel. Er wußte nicht, daß ein König, der die Dose verliert, dem Tode verfallen war auf der Kasperle-Insel.

Kasperle blieb stehen. Die Prinzessin, Marlenchen und Mister Stopps rannten dem Meere zu, denn ihnen war etwas unheimlich geworden.

Kasperle aber schrie, als sie fort waren: »König Tolu, komme her, ich habe dir etwas zu sagen.«

»Meine Dose,« schrie in dem Augenblick König Tolu. Da sah er die Dose in Kasperles Hand und er kam angelaufen und alle Kasperles hinter ihm her. Das war dem sehr unangenehm, er drehte sich daher um und befahl: »Keiner darf einen Schritt weiter gehen, ich habe mit Bimlim im geheimen zu reden.«

»Das ist gut,« dachte Kasperle, »dann sage ich es gleich, daß ich nicht Bimlim bin, sondern Peringel, der Schlingel.«

Er lachte und König Tolu dachte, »er freut sich, weil er die Dose hat und nun König geworden ist.« Er kam ganz zaghaft näher und Kasperle wunderte sich. Er dachte, König Tolu fürchtet sich noch vor der Prinzessin, und er rief darum tröstend: »Habe keine Angst, sie beißt dich nun nicht mehr.«

Aber Tolu hatte über den Verlust der Dose die Prinzessin ganz vergessen. »Meine Dose,« flüsterte er leise, als er vor Kasperle stand.

»Gehört die Dose dir?« fragte Kasperle ganz laut.

»Still, still, sonst töten sie mich, wenn sie merken, daß ich die Dose verloren habe.«

»Und mich, wenn sie merken, daß ich Peringel bin,« entfuhr es Kasperle.

Da standen die beiden Schelme, sahen sich an und lachten dann auf einmal laut auf, denn sie fanden sich selbst ungeheuer komisch.

»Du bist nicht Bimlim?«

»Und du hast deine Königsdose verloren?«

»Gib sie mir wieder.«

»Wenn du uns nicht verfolgst.«

»Ich verspreche es.«

»Aber ich traue dir nicht.«

»Du mußt nicht so mißtrauisch sein.«

»Komm mit nach dem Schiff, dort gebe ich dir die Dose zurück.«

»Und die Prinzessin?«

»Nä, die kriegst du nicht, die kriegt Mister Stopps.«

»Ich denke, sie frißt ihn.«

Da lachte Kasperle und der König drohte: »Peringel, du gingst als Schlingel und kehrst als Schlingel zurück.«

»Nun komm, wir purzelbaumen ans Meer.« Sie purzelbaumten nun einträchtig neben einander her, aber Kasperle konnte es besser als der König und so kam er eher an das Meer. Dort standen schon Mister Stopps, die Prinzessin und Marlenchen, und Kasperle mußte ein Späßlein machen, er rief: »Prinzessin, der Kasperlekönig holt dich!«

Himmel, erschrak da die arme Prinzessin. Sie wurde ganz grün vor Schreck. »Nun stirbst sie,« klagte Mister Stopps.

»Stirbse nicht,« tröstete Kasperle, »er will dich gar nicht, er denkt, du bist ein Tiger, ich hab’s ihm gesagt.«

»O Kasperle, was für ein Strick bist du,« murmelte die Prinzessin. Der war der Schreck so in die Glieder gefahren, daß sie nicht einmal mehr schelten konnte. Sie war aber heilfroh, daß Tolu sie nicht mehr heiraten wollte. Dann wollte sie schon lieber Frau Stopps werden, als immer unter Kasperles zu leben.

Tolu bekam seine Dose, er nahm Abschied und versprach, kein Kasperle würde mehr kommen, um die Lachkanone abzuschießen. »Uie schade,« rief Mister Stopps, und dann, als er hörte, daß Lachpulver in der Dose wäre, bot er Tolu viel Geld, wenn er ihm ein bißchen abgeben könnte. Aber der wollte nicht, nur einmal riechen durfte Mister Stopps, und er roch so gewaltig, daß er danach drei Stunden lachte und die Prinzessin schon Angst bekam, er würde nie mehr aufhören.

Kasperle aber stieg nach einem zärtlichen Abschied von Tolu auf das Schiff und rief stolz: »Ich heiße Peringel!«

»Du Schlingel,« rief die Prinzessin.

»Schlingel ja, aber doch gut, daß er mitgeht,« meinte Herr Severin, und das sagten alle.