Josiah Royce (1855 – 1916)
Der amerikanische Philosoph Josiah Royce studierte an der University of California, in Leipzig und in Göttingen. Er war Professor an der Harvard University, wo zu seiner Zeit auch James wirkte.Er ist Schüler von George Sylvester Morris und Lotze und gehört zur Schule des absoluten Idealismus. Er entwickelt eine eigene Philosophie, die stark durch Hegel geprägt ist.
Royce arbeitete vor allem zur Metaphysik, zur mathematischen Logik und zur Ethik sowie in späteren Jahren auch zur Religionsphilosophie. Daneben war er auch sehr an der Geschichte der Philosophie interessiert.
In seinem ersten Buch The Religious Aspect of Philosophy (1885) versucht Royce zu zeigen, dass es ein unversales Bewußtsein (universal consciousness) bzw. absoluten Geist (absolute mind) gibt. In diesem, auch als das Absolute bezeichnet, sind alle Gedanken und alle Objekte dieser Gedanken enthalten.
Anders als Bradley identifizierte Royce das Absolute und Gott.
Bei Royce findet sich die Unterscheidung von Selbst (self) und Nicht-Selbst (non-self), die der Unterscheidung von Ich und Unterbewusstsein vorgreift.
An der Harvard University führte Royce die formale Logik in die Lehrpläne ein.
Er wollte eine Logik entwickeln, die die Theorie des Raumes unterstützt. Er war damit der Position von Kant sehr nahe, in dessen transzendentaler Logik Raum und Zeit eine wichtige Rolle spielen.
Bereits im zweiten Band von The World and the Individual finden sich wichtige Gedanken zur Logik des Raumes. 1905 hat er dann sein System Sigma entwickelt. Dieses System ist dem von Kempe ähnlich, korrigiert aber einige Unvollkommenheiten.
Neben der Logik des Raumes studierte Royce die Grundlagen der Mengenlehre und die Boolesche Funktionen. Er diskutiert u. a. auch Russell’s Antinomie und Strukturen, die wir heute Boolesche Ringe nennen. 1905 stellt Royce eine Mengentheorie vor, in der unendliche Folgen von Mengen erlaubt sind, die durch die Teilmengenbeziehung geordnet sind.
In seinem Buch The Philosophy of Loyalty (1908) formuliert er als höchstes ethisches Prinzip die loyality to loyality. Dieses Prinzip fordert, dass man so handeln soll, dass die eigenen Handlungen konsistent mit dem Ideal der allgemeinen Loyalität sind. Seine Ethik ist eine spezielle Pflichtethik, die wie die ethischen Theorien der anderen absoluten Idealisten dem Konsequentialismus und insbesondere dem Utilitarismus deutlich entgegensteht.
Royce unterscheidet drei Stadien der ethischen Reife.
Im ersten Stadium handelt das moralische Subjekt mehr oder weniger naiv und strebt dabei bestimmte Ziele an. Das Subjekt versucht loyal zur Loyalität zu sein. Dadurch erfült er seine Pflicht und lebt ein verantwortungsbewusstes Leben. Das Subjekt ist noch mit keinen Schwierigkeiten (Schmerzen, Frustrationen, Sorgen u. a.) konfrontiert. Wenn Schwierigkeiten eintreten, muss das Subjekt lernen, sich zu behaupten.
Im zweiten Stadium reagiert das ethische Subjekt auf die Schwierigkeiten mit stiller Resignation. Er zieht sich auf sein Inneres zurück (Meditation, Selbstkontrolle, Selbstveränderung). In diesem Stadium hört das Subjekt auf, die Außenwelt ändern zu wollen. Dieses Stadium ist die Haltung der Mystik, des Introvertierten, des Meditierenden.
Im dritten Stadium hat das Subjekt das naive Stadium und das der stillen Resignation überwunden. Das Subjekt versucht nun die Außenwelt und nicht mehr sich selbst zu verändern. Das Subjekt ist sich aber nun im Klaren über die Schwierigkeiten und über den Umstand, dass viele oder sogar alle Schwierigkeiten nur eingebildet sind. Das Subjekt handelt, erwartet aber nicht, dass seine Anstrengungen von Erfolg gekrönt werden.
Sein Werk The Problem of Christianity (1913) schrieb Royce unter deutlichem Einfluss von Peirce. Royce greift dessen Idee des triadischen Charakters des Begriffes der Interpretation auf. Für Royce ist die Gemeinschaft (community) in ihrem Wesen eine Interpretationsgemeinschaft (community of interpretation). Die Interpretationsgemeinschaft ist auf das Erfassen der Wahrheit ausgerichtet. Sie ist ein dynamisches Ganzes, dessen Teile individuelle Personen sind. Es gibt ein Netzwerk aus den Interpretationen jedes einzelnen Individuums. Dieses Netzwerk, die Interpretationsgemeinschaft ersetzt hier das universale Bewußtsein seiner frühren Arbeiten. Damit ist sein Idealismus naturalisiert.