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I.

Jonathan Swift, Doktor der Theologie und Dechant zu St. Patrick in Dublin, stammte von dem jüngeren Zweige der FamilieSwift in der Grafschaft York ab, die seit vielen Jahren in dieser Provinz ansäßig war.

Sein Vater war der sechste oder siebente Sohn des ehrwürdigen Thomas Swift, Pfarrers zu Goodrich. Die Zahl der Kinder dieses Geistlichen und die Bescheidenheit ihres Vermögens gestatten es nicht, die Aufeinanderfolge derselben genauer anzugeben. Der Dechant selbst benachrichtigt uns, daß sein Vater einige Agentschaften und Aemter in Irland bekleidete.

Jonathan wurde zu Dublin in einem kleinen Hause im Court of Hoeys geboren, das die Bewohner dieses Stadtviertels noch zeigen. Seine Kindheit war, wie die seines Vaters, durch einen sonderbaren Umstand bezeichnet. Es war nicht die Wiege, die diesmal von Soldaten geraubt wurde, wie es bei Thomas Swift geschehen war, sondern diesmal wurde das Kind selbst entführt.

Die Amme, die von Whitehaven war, wurde von einem sterbenden Verwandten, von dem sie ein Vermächtniß erwartete, in ihre Heimath zurückgerufen. Sie war dem Kinde, das ihrer Sorgfalt anvertraut war, so zugethan, daß sie es mit sich nahm, ohne Frau Swift davon zu benachrichtigen. Es blieb drei Jahre in Whitehaven; seine Gesundheit war so zart, daß seine Mutter es keine zweite Reise wollte wagen lassen, und es daher der Frau überließ, die ihm diese Probe ihrer Anhänglichkeit gegeben hatte. Die gute Amme trug so viel Sorge für die Erziehung des Kindes, daß es, als es nach Dublin zurückkam, buchstabiren konnte; mit fünf Jahren las es bereits in der Bibel.

Swift theilte die Dürftigkeit einer Mutter, die er zärtlich liebte, und lebte von den Wohlthaten seines Oheims Godivin. Diese Abhängigkeit scheint von seiner Kindheit an einen tiefen Eindruck auf seinen stolzen Charakter gemacht zu haben, und von dieser Zeit an begann sich bei ihm jener menschenfeindliche Geist zu zeigen, den er nur zugleich mit dem Gebrauch seiner intellektuellen Fähigkeiten verlor. Als nachgeborenes Kind, vom Mitleid erzogen, gewöhnte er sich frühe, den Tag seiner Geburt als einen Tag des Unglücks zu betrachten, und er versäumte nie bei der alljährigen Wiederkehr dieses Tages die Stelle in der Schrift zu lesen, in welcher Hiob den Tag beweint und verflucht, an welchem man im Hause seines Vaters anzeigte, »daß ein Männlein geboren sey.«

In einem Alter von sechs Jahren schickte man ihn in die Schule von Kilkenny, die von der Familie Ormond gegründet und ausgestattet worden war. Hier zeigt man den Fremden noch Swifts Pult, auf welchem er seinen Namen mit einem Messer eingegraben habe.

Von Kilkenny aus wurde Swift im vierzehnten Jahre in das Dreifaltigkeits-Kollegium nach Dublin gesandt. Es scheint nach den Registern, daß er daselbst als Kostgänger am 24. April 1682 aufgenommen wurde und St. Georg Ashe zum Lehrer gehabt habe. Sein Vetter, Thomas Swift, wurde um dieselbe Zeit aufgenommen und die zwei Familiennamen, die ohne die Taufnamen in den Registern aufgeführt wurden, haben über einige geringfügige Umstände im Leben des Dechanten Ungewißheit verbreitet. Als Swift an die Universität aufgenommen wurde, forderte man von ihm, sich mit den gewöhnlichen Studien jener Zeit abzugeben. Aber darunter gab es einige, die seinem Geiste nicht sehr zusagten. Vergebens empfahl man ihm die Logik, die man damals als die Wissenschaft par excellence betrachtete. Er hatte einen natürlichen Widerwillen gegen die Sophismen des Smiglecius, Keckermannus, Burgersdicius und anderer ernsthafter Doktoren, die wir heut zu Tage kaum mehr kennen. Sein Lehrer konnte es nicht dahin bringen, daß er auch nur drei Seiten von diesen Gelehrten in uslas, obgleich es unerläßlich war, einen Begriff von den Erklärern des Aristoteles zu haben, um durch das Examen zu kommen. Ebenso vernachläßigte er alle Studien, die ihm nicht gefielen. Er las weniger, um sich zu belehren, als um sich zu unterhalten, oder um traurige Gedanken von sich abzuhalten. Aber seine Lektüre war jedenfalls mannigfaltig; und er mußte viel gelesen haben, denn er hatte bereits eine Skizze des »Mährchens von der Tonne« auf’s Papier geworfen, die er Hrn.Waryng gezeigt hatte. Was muß man daraus schließen? Daß ein träger Student des siebenzehnten Jahrhunderts durch Lektüre, die er zum Zeitvertreib in seinen Mußestunden vornahm, Kenntnisse erwerben konnte, die einen fleißigen Studenten unserer Zeit in Staunen setzen würden.

Wir haben keine sichern Angaben,, um über den Umfang der Kenntnisse Swifts urtheilen zu können; man kann nicht sagen, daß er ein tiefes Wissen besaß, aber gewiß ein mannigfaltiges. Seine Schriften bezeugen, daß die Geschichte der alten und neuen Poesie ihm vertraut war; er ist nie in Verlegenheit, zur Bestätigung des Gegenstandes, den er gerade vor sich hat, die klassischen Stellen anzuführen, die für seinen Zweck die geeignetsten sind. Obgleich er keine hohe Vorstellungen von seinen Kenntnissen hat und sich den Vorwurf machte, durch seine Trägheit und Unwissenheit einen akademischen Grad verscherzt zu haben; obgleich er diejenigen heftig tadelte, die einem Manne den Titel eines Gelehrten gaben, der nicht den größten Theil seines Lebens den Studien gewidmet hatte, machte er doch nicht viel aus einem Studenten, der nichts als Fleiß besaß.

Während so Swift seine Studien ohne Beharrlichkeit, nach seinen Launen betrieb, hätte er sie beim Tode seines OheimsGodwin, bei dessen Gelegenheit die Zerrüttung seines Vermögens an den Tag kam, beinahe unterbrechen müssen, wenn er nicht in seinem Oheim Dryden William Swift einen Gönner gefunden hätte. Herr Dryden kam seinem Neffen zu Hülfe; er behandelte ihn, wie es scheint, mit mehr Gewogenheit und Wohlwollen, als sein Bruder Godwin; aber sein nicht sehr beträchtliches Vermögen erlaubte ihm nicht, freigebiger zu seyn, als sein Bruder. Swift hat sein Andenken stets werth gehalten, und spricht oft von ihm als von dem besten seiner Verwandten. Er erzählte oft einen Vorfall, der, während er im Collegium war, sich ereignete, und dessen Held sein Vetter Willoughby Swift, der Sohn Dryden Williams, war. Swift, der ohne einen Pfennig in der Tasche in seinem Zimmer saß, bemerkte im Hofe einen Matrosen, der nach dem Zimmer eines Studenten zu fragen schien. Es kam ihm der Gedanke, dieser Mensch könne mit irgend einer Botschaft von seinem VetterWilloughby beauftragt seyn, der damals Kaufmann in Lissabon war. Kaum war ihm diese Idee durch den Kopf gefahren, als die Thüre seines Zimmers sich öffnete, und der Fremde, sich ihm nähernd, eine große lederne Börse voll Geld aus der Tasche zieht, die er als ein Geschenk seines Vetters Willoughby vor Swift hinlegt. Swift hoch erfreut, reicht dem Boten einen Theil seines Schatzes, den der ehrliche Matrose nicht annehmen will.

Von diesem Augenblick an beschloß Swift, der das Unglück der Dürftigkeit kennen gelernt hatte, sein bescheidenes Einkommen so zu verwalten, daß er nie mehr in die äußerste Noth käme. Er führte eine solche Ordnung in seiner Lebensart ein, daß es aus seinen Tagebüchern, die man aufbewahrt hat, hervorgeht, wie er sich jedes Jahr bis auf einen Sou hinaus von seinen Ausgaben Rechenschaft geben konnte von seiner Universitätszeit an, bis zu dem Augenblick, wo er den Gebrauch seiner Geisteskräfte verlor.

Im Jahre 1688 brach der Krieg in Irland aus; Swift war damals 21 Jahre alt. Ohne viel Geld; wenn auch nicht ohne Kenntnisse, doch mit dem Rufe, keine zu besitzen, mit dem Makel eines unruhigen und störrischen Charakters, und ohne einen einzigen Freund, der ihn hätte aufnehmen und unterhalten können, verließ er das Collegium in Dublin. Mehr von der Liebe, als von der Hoffnung geleitet, schlug er den Weg nach England ein und begab sich zu seiner Mutter, welche damals in der Grafschaft Leicester wohnte. Frau Swift, die sich selbst in einer abhängigen und ärmlichen Lage befand, empfahl ihrem Sohne, den Sir William Temple um Schutz anzugehen, dessen Gattin mit ihr verwandt war und die Familie Swift gekannt hatte. Thomas Swift, der Vetter unsers Autors, war Caplan des Sir William gewesen.

Man bat, und die Bitte wurde gewährt; aber längere Zeit hindurch bemerkte man von Seiten Sir William Temples kein Zeichen der Liebe oder des Vertrauens. Der vollendete Staatsmann, der fein gebildete Gelehrte fand wahrscheinlich keinen besonderen Geschmack an dem reizbaren Charakter und den unvollständigen Kenntnissen seines neuen Tischgenossen. Aber die Vorurtheile Sir Williams zerstreuten sich nach und nach: der Beobachtungsgeist Swifts gab ihm die Mittel, zu gefallen und er vermehrte seine Kenntnisse durch ein anhaltendes Studium, dem er acht Stunden täglich widmete. Diese Zeit, wohl angewendet, machte einen Mann mit den Fähigkeiten Swifts zu einem unschätzbaren Schatze für einen Gönner, wie Temple, bei welchem er zwei Jahre blieb. Das üble Befinden Swifts nöthigte ihn, seine Studien zu unterbrechen; eine Unverdaulichkeit hatte seinen Magen erkältet und ihm apoplectische Zufälle zugezogen, die ihn an den Rand des Grabes brachten; die Wirkungen derselben begleiteten ihn durch das ganze Leben. Einmal war er so krank, daß er nach Irland ging, in der Hoffnung, die Luft seines Geburtslandes könne ihm wohlthätig werden; aber als er keine Erleichterung fühlte, kehrte er nach Moorpark zurück, wo er die ruhigen Zwischenzeiten, die ihm sein Unwohlseyn gestatteten, zum Studium anwendete.

Damals geschah es, daß Sir William Temple ihm einen großen Beweis seines Vertrauens gab, indem er ihm gestattete, bei seinen vertraulichen Zusammenkünften mit dem König Wilhelm, wenn dieser nach Moorpark kam, gegenwärtig zu seyn, eine Auszeichnung, welche Temple dem vertrauten Verhältnisse verdankte, das zwischen ihnen in Holland bestanden hatte, die er mit ehrerbietiger Ungezwungenheit aufnahm und durch weise konstitutionelle Rathschläge belohnte. Während SirWilliam durch die Gicht im Bette zurückgehalten war, hatte Swift den Auftrag, den König zu begleiten; und alle Biographen des Dichters haben wiederholt, daß Wilhelm ihm eine Kompagnie Reiterei anbot und ihn die Spargel nach holländischer Weise schneiden lehrte. Es wäre nicht recht, wollte man den hier gewonnenen Vortheil verschweigen, daß er dieses Gericht durch das Beispiel des Königs auf holländische Weise, das heißt ganz mit Stumpf und Stiel essen lernte. Noch solidere Vortheile wurden seinem Ehrgeiz geboten. Man machte ihm Hoffnung auf Beförderung im geistlichen Stande, dem er sich aus Neigung und durch die Aussicht, die sich vor ihm öffnete, bestimmte. Das große Vertrauen, das man auf ihn setzte, rechtfertigte diese Hoffnung. Sir William Temple beauftragte ihn, dem König die Gründe vorzustellen, die ihn bestimmen mußten, zu dem Antrage auf die dreijährige Dauer des Parlaments seine Zustimmung zu geben; und er führte für die AnsichtTemples mehrere weitere Beweisgründe an, die er aus der Geschichte Englands hernahm. Aber der König beharrte auf seiner Opposition, und der Antrag wurde durch den Einfluß der Krone auf das Haus der Gemeinen verworfen. Dies war die erste Beziehung, in welche Swift mit dem Hofe kam; und er sagte oft seinen Freunden, dies habe dazu gedient, ihn von seiner Eitelkeit zu heilen. Er hatte wahrscheinlich auf den Erfolg seiner Unterhandlungen gerechnet, und war tief gekränkt, als er sie scheitern sah.

Als Swift nach Irland zurückkehrte, und zu einer Stelle von hundert Pfund Sterling Einkünfte ernannt war, forderten die Bischöfe, an die er sich wandte, um ordinirt zu werden, ein Zeugniß seines guten Betragens während seines Aufenthalts bei Sir William Temple. Diese Bedingung war unangenehm: um das Zeugniß zu erhalten, mußte man sich fügen, mußte man bitten. Swift brauchte fünf Monate, um sich dazu zu entschließen. Er sandte einen Entschuldigungsbrief und die Bitte wurde gewährt; der Brief Swift’s war wahrscheinlich der erste Schritt zur Versöhnung mit seinem Gönner. In weniger als zwölf Tagen erhielt er das verlangte Zeugniß, denn sein Ordinationsschein als Diakonus ist vom 18. Oktober 1694 datirt, und der als Priester vom 13. Januar 1695. Sir William Temple hatte, wie man glauben muß, den gewünschten Zeugnissen noch eine Empfehlung an den Lord Capel beigelegt, der damals Vicekönig von Irland war; denn beinahe unmittelbar, nachdem Swiftzum Priester ordinirt war, wurde er auf die Pfründe von Kilroot, in der Diöcese Connor, ernannt, die ungefähr hundert Pfund Sterling jährlich trug. Er zog sich auf diese bescheidene Stelle zurück und lebte hier als Dorfpfarrer.

Das Leben, das er in Kilroot führte, und das so verschieden war von dem in Moorpark, wo er die Gesellschaft aller durch Geburt oder Genie ausgezeichneten Männer genossen hatte, wurde ihm bald verleidet. Inzwischen fühlte Temple, seit erSwift entbehrte, diesen Verlust schmerzlich und drückte ihm den Wunsch aus, er möchte wieder nach Moorpark kommen. Während Swift zögerte, ehe er auf eine selbst gewählte Lebensweise verzichtete, um seine früher verlassene wieder aufzunehmen, scheint ein Umstand, der die ganze Milde seines Charakters beurkundet, seinen Entschluß entschieden zu haben. Auf einem seiner Ausflüge war er einem Geistlichen begegnet, mit dem er sich verband, weil er ihn sehr unterrichtet, bescheiden und sittlich fand. Dieser gute Pfarrverweser war Vater von acht Kindern und seine Stelle trug ihm vierzig Pfund Sterling ein. Swift, der keine Pferde hatte, entlehnte von ihm seine schwarze Stute, ohne ihm von seiner Absicht etwas zu sagen, begab sich nach Dublin, verzichtete auf seine Stelle in Kilroot und setzte es durch, daß sie auf seinen neuen Freund übertragen wurde. Das Gesicht des guten Greises drückte im ersten Augenblick nur das Vergnügen aus, das er empfand, sich auf eine Pfründe ernannt zu sehen; aber als er erfuhr, daß es die seines Wohlthäters sey, der zu seinen Gunsten darauf verzichtet hatte, da nahm seine Freude einen so rührenden Ausdruck der Ueberraschung und der Dankbarkeit an, daß Swift, selbst tiefbewegt, sagte: er habe niemals in seinem Leben so viel Vergnügen genossen, als an diesem Tage. Als Swiftabreiste, drang der gute Geistliche in ihn, die schwarze Stute anzunehmen, die er nicht ausschlug, um ihn nicht zu kränken. Beritten, zum erstenmale auf einem Pferde, das ihm gehörte, mit achtzig Pfund Sterling in der Börse, schlug Swift den Weg nach England ein, und bekleidete in Moorpark wieder die Stelle eines Sekretärs Sir William Temples.

Kapitel 2


Kapitel 2 Der Kaiser von Lilliput besucht mit dem Gefolge seines Adels den Verfasser. Des Kaisers Person und die Vornehmen werden beschrieben. Gelehrte erhalten den Auftrag, den Verfasser in der Landessprache zu unterrichten. Er setzt sich durch seinen sanften Charakter in Gunst. Seine Taschen werden durchsucht. Degen, und Pistolen werden confiscirt.

Als ich nun auf den Füßen stand, sah ich mich ein wenig um, und ich muß gestehen, daß ich niemals eine so schöne Aussicht erblickt habe. Die Umgebung erschien wie ein Garten und die eingehägten Felder, welche in der Regel vierzig Quadratfuß betrugen, glichen den Blumenbeeten. Diese Felder waren untermischt mit Wäldern von acht Fuß Umfang; die größten Bäume schienen sieben Fuß hoch zu seyn. Links erblickte ich die Hauptstadt, die einer auf Theatercoulissen gemalten Stadt glich. Schon seit einigen Stunden wurde ich von Naturbedürfnissen heftig gedrängt, und dies war wahrlich kein Wunder, denn schon seit zwei Tagen hatte ich mich nicht entledigt. Ich befand mich in großer Klemme zwischen Noth und Schaam. Das beste Auskunftsmittel, welches mir einfiel, war, in mein Haus zu kriechen. Ich that es, schloß das Thor, ging, so weit es die Länge meiner Ketten erlaubte, hinein, und erleichterte meinen Körper. Dies war jedoch das einzige Mal, daß ich mich einer so unreinlichen Handlung schuldig machte; auch hoffe ich in diesem Punkte auf die Nachsicht des gütigen Lesers, nachdem er reiflich und unparteiisch meinen Fall und meine schlimme Lage überlegt haben wird. Von dieser Zeit an war es stets meine Gewohnheit, sobald ich aufstand, dies Geschäft in der freien Luft abzuthun; und jeden Morgen ward auch gehörig Sorge getragen, daß der anstößige Stoff, ehe Gesellschaft anlangte, von zwei dazu angestellten Dienern auf Karren fortgebracht wurde. Ich würde vielleicht bei einem Umstände nicht so lange verweilen, welcher beim ersten Anblick als nicht sehr wichtig erscheint, hätte ich es nicht für nothwendig gehalten, meinen Charakter in Betreff der Reinlichkeit vor der Welt zu rechtfertigen, da Verleumder, wie ich höre, bei diesem Anlaß und anderen Gelegenheiten dieselbe in Frage gestellt haben.

Als dies Abentheuer zu Ende war, ging ich wieder aus meinem Hause, denn ich bedurfte der frischen Luft. Der Kaiser war bereits den Thurm herabgestiegen und ritt auf mich zu, welches ihm beinah theuer zu stehen gekommen wäre. Sein Pferd, obgleich trefflich zugeritten, bäumte sich bei dem ungewohnten Anblick, denn es mußte ihm scheinen, ein Berg bewege sich vor seinen Augen. Der Fürst jedoch, der ein vorzüglicher Reiter war, hielt sich im Sattel, bis seine Begleiter herbei eilten und den Zaum hielten, so daß seine Majestät Zeit hatten abzusteigen. Als der Kaiser abgestiegen war, besah er mich von oben bis unten mit großer Bewunderung, hielt sich aber immer aus dem Bereich meiner Ketten. Er befahl alsdann seinen Köchen und Kellermeistern, die schon mit Allem bereit waren, mir Essen und Trinken zu reichen. Diese Nahrung schoben sie mir auf einer Art von Fuhrwerken hin, bis ich sie ergreifen konnte. Ich nahm aber diese Fuhrwerke und leerte sie in Kurzem sämmtlich aus. Zwanzig waren mit Fleisch, zehn mit geistigem Getränk in irdenen Geschirren beladen. Jedes lieferte mir zwei oder drei gute Bissen. Das Getränk von zehn irdenen Gefäßen goß ich in einen solchen Wagen, und leerte denselben mit einem Zuge.

Die Kaiserin und die jungen Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt, saßen mit einem Gefolge vieler Damen in einiger Entfernung auf Stühlen. Bei dem Unfall des kaiserlichen Pferdes standen sie auf und traten näher an die Person seiner Majestät hin, die ich jetzt genauer beschreiben will. Der Kaiser ist um die Breite meines Nagels größer, als seine Hofleute, und dies allein genügt, die, welche ihn schauen, mit Ehrfurcht zu erfüllen. Seine Gesichtszüge sind stark und männlich; seine Lippe ist östreichisch, seine Nase gebogen, Leib und Glieder in schönem Verhältniß gebildet, seine Bewegungen anmuthig, seine Haltung majestätisch. Er war damals schon über die erste Jugendblüthe hinaus, denn er zählte achtundzwanzig dreiviertel Jahre. Sieben Jahre hatte seine glückliche und im Allgemeinen siegreiche Regierung gedauert. Um ihn besser betrachten zu können, legte ich mich auf die Seite, so daß sein Gesicht mit dem meinen parallel stand, während er sich drei Ellen von mir entfernt hielt. Später habe ich ihn jedoch öfter in der Hand gehalten und kann mich deshalb in der Beschreibung nicht täuschen. Seine Kleidung war sehr einfach; die Mode halb orientalisch, halb europäisch. Er trug auf dem Haupte einen leichten goldenen, mit Juwelen geschmückten Helm, von dessen Spitze eine Feder herabwehte. Er hielt sein Schwert gezogen in der Hand, um sich zu vertheidigen, im Fall ich losbräche; es war beinahe drei Zoll lang, Scheide und Griff mit Diamanten geschmückt. Seine Stimme klang schrillend, war aber zugleich deutlich und vernehmlich; sogar wenn ich aufstand, konnte ich sie hören.

Die Damen und Herren des Hofes waren sämmtlich mit vieler Pracht gekleidet; so daß es scheinen konnte, auf dem Orte, wo sie standen, sey ein mit gestickten Figuren in Gold und Silber ausgeschmückter Weiberrock der Länge nach ausgebreitet. Seine Majestät erwies mir die Ehre, öfter mit mir zu reden, und gab auch Erwiderungen, allein wir konnten einander nicht verstehen. Auch waren mehrere Priester und Rechtsgelehrte gegenwärtig, (auf den Stand schloß ich nach der Kleidung) die den Auftrag hatten, mich anzureden; ich wollte mich mit ihnen in allen Sprachen unterhalten, worin ich mich nur einigermaßen ausdrücken konnte; im Deutschen, Holländischen, Lateinischen, Französischen, Spanischen, Italienischen und in der Lingua franca. Allein meine Bemühung half zu Nichts.

Nach zwei Stunden entfernte sich der Hof. Eine stärkere Wache ward vor mir aufgestellt, um die Impertinenz und wahrscheinlich auch die Bosheit des Pöbels abzuwehren, welcher sehr begierig war, mir so nahe zu kommen, als er durfte. Einige waren sogar so unvorsichtig, ihre Pfeile auf mich abzuschießen, als ich auf dem Boden vor meinem Hause saß, und ein Pfeil hätte beinah sogar mein linkes Auge getroffen. Allein der Oberst befahl sechs der Rädelsführer verhaften zu lassen, und hielt es für die passendste Strafe, sie mir gefesselt zu überliefern; sein Befehl wurde von den Soldaten sogleich ausgeführt, indem sie die Gefangenen mit den Lanzenspitzen in meinen Bereich trieben. Ich nahm sie sämmtlich in meine rechte Hand, steckte fünf in meine Rocktasche, und gab mir das Ansehen, als wollte ich den sechsten lebendig essen. Der arme Mann schrie furchtbar, und der Oberst wurde mit seinen Offizieren doch besorgt, besonders als sie sahen, wie ich mein Messer aus der Tasche zog; allein ich beschwichtigte bald diese Furcht, denn ich schaute ihn mit sanften Blicken an, durchschnitt seine Fesseln, und setzte ihn auf den Boden. Natürlich lief er fort. Die Uebrigen behandelte ich in derselben Art, als ich sie Einen nach dem Andern aus der Tasche gezogen hatte, und ich bemerkte, daß sowohl Soldaten als Volk über dies Zeichen meiner Gnade entzückt waren, welches sehr zu meinen Gunsten bei Hofe erzählt wurde.

Gegen Abend gelangte ich mit einiger Schwierigkeit in mein Haus und legte mich dort auf den Boden nieder. Dies mußte ich ungefähr vierzehn Tage lang thun, während welcher Zeit auf Befehl des Kaisers ein Bett für mich zugerichtet wurde. Sechshundert Betten von gewöhnlichem Maß wurden in mein Haus gebracht und dort bearbeitet; hundertundfünfzig Betten, zusammengenäht, bildeten die Länge und Breite einer Matratze; vier davon wurden über einander gelegt, waren mir aber noch immer nicht bequem genug, wegen der Härte des Fußbodens von polirtem Stein. In demselben Verhältniß wurde ich mit Kissen, Betttüchern und Decken versehen, die mir so ziemlich erträglich schienen, da ich so lange an Strapazen jeder Art gewöhnt gewesen war.

Als die Nachricht von meiner Ankunft sich im Königreiche verbreitete, strömte eine wunderbare Menge reicher, fauler und neugieriger Leute herbei, um mich zu sehen. Die Dörfer standen beinahe leer, und eine bedeutende Vernachlässigung der Landwirthschaft hätte die Folge seyn müssen, wenn Se. kaiserliche Majestät diese Nachtheile durch mehrere Proklamationen und Staatsbefehle nicht verhindert hätte. Sie gebot, alle diejenigen, welche mich bereits gesehen hätten, sollten nach Hause kehren, und sich nicht unterstehen, ohne Erlaubniß des Hofes, in den Bereich meines Hauses bis auf fünfzig Ellen zu kommen. Hierdurch erlangten zugleich die Staatssekretäre bedeutende Honorare.

Mittlerweile hielt der Kaiser häufige Rathsversammlungen, um zu überlegen, wie man mit mir verfahren müsse. Ein besonderer Freund, zugleich ein Mann vom höchsten Stande, der alle Geheimnisse vortrefflich kannte, hat mir nachher die Versicherung gegeben, der Hof sey meinethalben in bedeutender Verlegenheit gewesen. Man fürchtete, ich möchte meine Fesseln zerreißen, oder so viel essen, daß eine Hungersnoth die nothwendige Folge seyn müßte. Einige Male beschloß der Hof, mich verhungern zu lassen, oder Gesicht und Hände mit vergifteten Pfeilen zu beschießen, welche mich bald würden getödtet haben; dann aber überlegte man wieder, der Gestank einer so großen Leiche könne eine Pest in der Hauptstadt erregen, die sich dann wahrscheinlich im ganzen Königreiche verbreitet hätte. Während dieser Berathungen traten mehrere Offiziere an die Thür des Saales, wo der Rath versammelt war. Zwei von ihnen wurden zugelassen und berichteten mein Verfahren gegen die sechs vorher erwähnten Verbrecher. Dies machte auf das Herz Sr. Majestät und auf den ganzen Rath einen so günstigen Eindruck, daß ein kaiserlicher Befehl erlassen ward, wonach alle Dörfer bis auf die Entfernung von neunhundert Ellen jeden Morgen sechs Ochsen, vierzig Schafe und andere Nahrung als meinen Lebensunterhalt liefern sollten: darunter befand sich eine verhältnißmäßige Masse von Brod, Wein und anderen geistigen Getränken. An Zahlungs Statt gab Se. Majestät Anweisungen auf die Schatzkammer, denn dieser Fürst bestreitet seinen Hofhalt fast ausschließlich aus den Einkünften seiner Domänen. Nur selten und bei außerordentlichen Gelegenheiten werden Abgaben von seinen Unterthanen erhoben, welche dagegen auf ihre eignen Kosten in den Krieg ziehen müssen. Auch wurden sechshundert Personen als meine Bediente angestellt, welche bestimmten Lohn für ihre Nahrung und passend eingerichtete Zelte an den beiden Seiten meiner Thür zur Wohnung erhielten. Ferner ward befohlen, dreihundert Schneider sollten mir einen Anzug nach der Mode des Landes verfertigen; sechs Gelehrte, und zwar die bedeutendsten im Besitz Sr. Majestät, sollten mich in der Landessprache unterrichten; endlich sollten die Pferde des Kaisers, die des Adels und der Garden häufig vor mir zugeritten werden, damit sie sich an meine Person gewöhnten. Alle diese Befehle wurden gehörig zur Ausführung gebracht; nach ungefähr drei Wochen hatte ich bedeutende Fortschritte im Erlernen der Sprache gemacht; während dessen beehrte mich der Kaiser häufig mit seinen Besuchen und hatte die Gnade meinen Lehrern beim Unterricht zu helfen. Wir fingen bereits an, einigermaßen uns zu verständigen, und die ersten Worte, die ich lernte, war der Satz: Er möge mir gütigst meine Freiheit schenken, eine Phrase, die ich täglich kniend wiederholte. Seine Antwort, so viel ich begreifen konnte, lautete: »Nur die Zeitkönne meine Freiheit erwirken. Er dürfe ohne ein Gutachten seines geheimen Rathes mir dieselbe nicht ertheilen, und zuerst müßte ich Lumos kelmin pesso desmar lon emposo, das heißt, ihm und seinem Königreiche Frieden schwören. Ich würde übrigens mit aller Milde behandelt werden.

Alsdann rieth er mir durch Geduld und kluges Betragen seine und seiner Unterthanen Achtung mir zu erwerben. Er sprach den Wunsch aus: Ich möge es ihm nicht übel nehmen, wenn er bestimmten Beamten den Befehl ertheile, mich zu durchsuchen; wahrscheinlich würde ich verschiedene Waffen mitgebracht haben, welche nothwendig höchst gefährliche Dinge seyn müßten, wenn sie meiner Größe entsprächen. Ich antwortete: Seine Majestät werde zufrieden gestellt werden.

Ich sey bereit, mich zu entkleiden, und meine Taschen vor ihren Augen auszuleeren. Diese Antwort gab ich theils durch Zeichen, theils auch durch Worte. Er sagte hierauf: Nach den Gesetzen des Königreiches müsse ich mich von zweien seiner Beamten durchsuchen lassen; er wüßte, dies könne ohne meine Einstimmung und Hülfe nicht geschehen. Alles, was sie mir nähmen, werde mir zurückerstattet werden, sobald ich das Land verließe, oder ich würde nach einem von mir festgesetzten Preise die Zahlung des Werthes erhalten. Die beiden Beamten setzte ich alsdann auf meine Hand, steckte sie zuerst in die Taschen meines Ueberrocks und hieraus in die übrigen meiner Kleider, nur ließ ich in meinen Beinkleidern einige Behälter aus, welche kleine, mir durchaus nothwendige Artikel enthielten, die ihnen jedoch gleichgültig seyn mußten. In einer Tasche trug ich eine silberne Uhr, und in der andern einen Beutel mit einigem Gelde. Da diese Herren Feder, Tinte und Papier bei sich hatten, schrieben sie ein genaues Verzeichniß von Allem, was sie sahen, nieder, und als sie fertig warm, baten sie mich, sie wieder auf den Boden zu setzen, damit sie dasselbe dem Kaiser überbringen könnten. Dies Verzeichniß übersetzte ich nachher ins Englische, und es lautet Wort für Wort folgendermaßen:

Erstens: In der rechten Tasche des großen Bergmenschen (so übersetzte ich die Worte quinbus Flestrin) fanden wir nach der genauesten Untersuchung nur ein großes Stück rauhen Tuches, breit genug, einen Fußteppich für Eurer Majestät erstes Staatszimmer zu bilden. In der linken Tasche sahen wir eine große silberne Kiste mit einem Deckel von demselben Metall, welchen wir, die Visitatoren, nicht herausheben konnten. Wir baten deßhalb, dieselbe zu öffnen; Einer von uns trat hinein und gerieth bis an die Mitte des Beins in eine Art Staub, der uns in’s Gesicht flog und uns beide heftig und mehreremale nießen ließ. In seiner rechten Westentasche fanden wir ein ungeheures Bündel weißer und dünner Substanz, die übereinander gerollt ungefähr die Dicke von drei Menschen enthielt. Sie war mit einem starken Tau umwunden und mit schwarzen Figuren bezeichnet. Nach unserer unterthänigsten Meinung bestehen dieselben in Buchstaben, von denen hernach jeder halb so groß ist, wie die Fläche unserer Hand.

In der linken Westentasche befand sich eine Art Maschine, von deren Rücken zwanzig lange Pfähle denjenigen ähnlich sich ausdehnten, welche Pallisaden vor dem Hofe Eurer Majestät bilden. Hiemit kämmt sich der Bergmensch, wie wir vermuthen, seine Haare. Wir haben ihn nämlich nicht immer mit Fragen belästigt, weil wir es sehr schwierig fanden, uns einander verständlich zu machen. In der großen Tasche rechts an seiner Mittelkleidung (so übersetze ich das Wort Panfu-to, womit sie meine Beinkleider bezeichneten) sahen wir einen hohlen Pfeiler aus Eisen von einer Mannslänge, mit einem starken Stück Zimmerholz von noch größerem Umfange wie der Pfeiler. Auf einer Seite des Pfeilers ragten große Eisenstücke in sonderbaren Figuren hervor, die wir nicht zu erklären vermögen. In der linken Tasche befand sich eine Maschine derselben Art. In der kleinen Tasche rechts waren mehrere runde und flache Stücke von weißem und rothem Metall; einige weiße, wie es schien aus Silber bestehend, waren so groß, daß ich und mein Kamerad sie kaum in die Höhe heben konnten. In der linken Tasche waren zwei Pfeiler von unregelmäßiger Gestalt. Wir konnten nicht ohne Schwierigkeit bis auf den Gipfel derselben reichen, als wir auf dem Boden der Tasche standen. Einer derselben war bedeckt und schien aus einem Stückeverfertigt zu seyn, an dem obern Ende des andern befand sich aber eine weiße runde Substanz, zweimal so dick wie unsere Köpfe. In jedem derselben war eine wundersame Stahlfläche eingestoßen, welche wir durch unseren Befehl ihn zu öffnen zwangen; wir befürchteten nämlich, dieses könnten gefährliche Maschinen seyn.

Er nahm die Stahlflächen aus ihrem Gehäuse und sagte uns, in seinem Lande sey es Sitte, sich mit der einen zu rasiren und mit der andern die Fleischspeisen zu zerschneiden. In zwei Taschen konnten wir nicht eindringen; er nannte diese seine kleineren Behälter; sie bestanden in zwei breiten Schlitzen an dem obern Theile seines Mittelkleides, welche aber durch die Spannung seines Leibes eng geschlossen waren. Aus dem rechten Behälter hing eine dicke silberne Kette mit einer wunderbaren Maschine am Ende. Wir befahlen ihm sie herauszuziehen, was auch immer sich dort befinden möge. Sie bestand aus einer Kugel, zur Hälfte von Silber zur Hälfte von einem andern durchsichtigen Metall. An der durchsichtigen Seite sahen wir mehrere sonderbare Figuren in Cirkelform, und glaubten dieselben berühren zu können, bis unsere Finger durch die helle Substanz aufgehalten wurden. Als er die Maschine an unsere Ohren hielt, machte sie ein fortwährendes, dem einer Wassermühle ähnliches Geräusch: wie wir vermuthen, ist dasselbe entweder ein unbekanntes Thier, oder der Gott, den erverehrt. Wir sind aber zu der letztern Meinung geneigter, weil er uns versicherte (wenn wir ihn nämlich recht verstanden haben, denn er ist noch immer nicht im Stande, sich richtig auszudrücken), er thue selten etwas, ohne jenes Ding um Rath zu fragen. Er nannte es sein Orakel und sagte, es bezeichne die Zeit jeder Handlung seines Lebens. Aus der linken Tasche zog er ein Netz heraus, groß genug, um einem Fischer bei seinem Geschäfte zu dienen; er verstand es jedoch, dasselbe wie einen Geldbeutel zu öffnen und zu schließen, und es versah ihm wirklich die Dienste eines solchen. Wir fanden darin mehrere massive Stücke gelben Metalls, welche von ungeheurem Werth seyn müssen, wenn sie wirklich aus Gold verfertigt sind.

Nachdem wir so auf Befehl Eurer Majestät mit Sorgfalt seine Taschen durchsucht hatten, bemerkten wir einen Gürtel um seinen Leib aus der Haut eines wunderbaren Thieres verfertigt, an welchem links ein Degen von fünffacher Mannslänge herabhing; rechts einen in zwei Zellen abgetheilten Sack oder Beutel; jede Zelle aber kann ungefähr zwei Unterthanen Eurer Majestät enthalten. In einer dieser Zellen befanden sich Kugeln oder Bälle von sehr schwerem Metall, von der Dicke unserer Köpfe, welche eine sehr starke Hand zum Aufheben erforderten; die andere Hälfte enthielt einen Haufen schwarzer Körner von keinem großen Umfang oder Gewicht, denn wir konnten ungefähr fünfzig auf unserer Handfläche halten.

Dieß ist ein genaues Verzeichniß aller Dinge, die wir an dem Leibe des Bergmenschen gefunden haben, der uns mit vieler Höflichkeit behandelte, und der geziemende Achtung vor dem Auftrage Eurer Majestät bewies. Unterschrieben und besiegelt am vierten Tage des neunundachtzigsten Monats der glücklichen Regierung Eurer Majestät.

Als dieß Verzeichniß dem Kaiser vorgelesen war, befahl er mir, jedoch in sehr höflichen Ausdrücken, alle angeführten Artikel auszuliefern. Zuerst verlangte er meinen Degen, den ich mit Scheide und allem Zugehör herbeibrachte. Mittlerweile ließ er 3000 Mann auserwählte Truppen, die ihn begleiteten, manövriren, um mich zu umringen. Bogen und Pfeile wurden in der Art bereit gehalten, daß eine Salve nach Befehl sogleich gegeben werden konnte. Dieß jedoch bemerkte ich nicht, denn meine Augen waren allein auf Seine Majestät gerichtet. Alsdann bat er mich den Degen zu ziehen, welcher fast überall noch sehr glänzte, obgleich er durch Seewasser etwas eingerostet war; ich that es und sogleich erscholl von den Truppen ein lauter Ruf, der theils von Schrecken, theils von Ueberraschung zeugte. Die Sonne schien hell und der Lichtreflex blendete ihre Augen, als ich den Degen in meiner Hand hin und her schwang. Seine Majestät ist ein sehr muthiger Fürst und erschrack weniger wie ich erwarten konnte. Er befahl mir, den Degen wieder in die Scheide zu stecken und dann so sanft wie möglich auf den Boden zu legen in der Entfernung von ungefähr sechs Fuß, soweit es meine Kette erlaubte. Zunächst ward dann einer der hohlen eisernen Pfeiler verlangt, worunter sie meine Taschenpistolen verstanden.

Ich zog eine derselben heraus und machte ihnen so gut wie möglich den Gebrauch verständlich; alsdann lud ich sie allein mit Pulver aus dem engen Schlusse meiner Pulvertasche, in welches kein Tropfen Seewasser hatte dringen können (kluge Seeleute pflegen sich stets mit einer solchen zu versehen). Zuvor ermahnte ich den Kaiser, nicht zu sehr zu erschrecken, und schoß dann in die Luft. Hier war das Erstaunen noch größer, als bei dem Anblick des Degens.

Hunderte fielen wie todt zu Boden, und sogar der Kaiser, obgleich er stehen blieb, konnte sich nicht so bald vom Schreck erholen. Ich lieferte meine Pistolen in derselben Weise wie meinen Degen aus, hierauf auch meine Pulvertasche mit den Kugeln, indem ich bat, die erstere vom Feuer entfernt zu halten, denn der kleinste Funken würde den Inhalt sogleich entzünden, und sein kaiserlicher Palast könnte alsdann in die Luft fliegen; ich überlieferte ferner meine Uhr, auf die der Kaiser sehr neugierig war, er befahl deßhalb zwei seiner größten Gardisten sie auf den Schultern herbei zu bringen, indem sie an einem Pfahle in der Art hing, wie Kärrner in England ein Bierfaß tragen. Er wunderte sich über ihr Geräusch und über die Bewegung des Zeigers, den er sehr gut erkennen konnte, denn das Gesicht jener Leute ist bei weitem schärfer wie das unsrige. Alsdann fragte er seine Gelehrten nach ihren Meinungen hierüber, welche, wie sich, der Leser leicht denken kann, auf sehr verschiedene Weise ausfielen; ich brauche sie wohl nicht zu wiederholen und konnte sie auch wirklich nicht ganz verstehen. Hierauf lieferte ich mein Silber- und Kupfergeld, meine Börse mit neun großen Goldstücken und einigen kleineren aus, mein Taschen- und Rasirmesser, meine silberne Schnupftabacksdose, meinen Kamm, mein Schnupftuch und Tagebuch. Die Pistolen und Pulvertasche wurden auf Wagen in die Vorrathshäuser Seiner Majestät gebracht; mein übriges Eigenthum wurde mir jedoch zurückgegeben.

Wie ich schon bemerkte, hatte ich noch eine besondere Tasche, die sie bei ihren Nachsuchungen nicht bemerkten. Hierin befand sich eine Brille (die ich wegen meines schwachen Gesichts bisweilen gebrauchen muß), ein Taschenperspektiv und einige andere Geräthe, die dem Kaiser von keinem Nutzen seyn konnten, weßhalb ich mich denn auch durch meine Ehre nicht für verpflichtet hielt, sie herauszugeben. Ich befürchtete nämlich, sie möchten verloren gehen oder verdorben werden, wenn ich sie überlieferte.