32. Kapitel


Von der Antwort, die Don Quijote seinem Tadler erteilte, benebst anderen ernsten und lustigen Begebenheiten

Als nun Don Quijote sich erhoben hatte, sprach er, vom Kopf bis zu den Füßen zitternd, als hätte er Quecksilber im Leibe, mit hastiger, unsicherer Stimme: »Der Ort, wo ich weile, und die Persönlichkeiten, vor denen ich stehe, und die Achtung, die ich von jeher vor dem Stand hegte und hege, dem Ihr angehört, dies alles hält und fesselt meinem gerechten Ingrimm die Hände; und sowohl aus diesen Gründen als auch darum, weil ich weiß, was alle wissen, daß die Waffen der Träger des Bürgergewandes dieselben sind wie die des Weibes, nämlich die Zunge, so will ich mit der meinigen mich in einen gleichen Kampf einlassen mit Euch, von dem man eher weise Lehren erwarten sollte als ruchlose Schmähungen. Frommer und wohlmeinender Tadel würde eine andre Umgebung und andre Formen erheischen; so viel aber ist sicher: mich öffentlich und in so herber Weise zu tadeln, dies hat alle Grenzen eines ehrlichen Tadels überschritten. Denn der erste Tadel, den jemand ausspricht, stützt sich schicklicher auf Milde als auf Härte, und es ist nicht wohlgetan, wenn man, ohne die Natur des Fehlers, den man tadelt, näher zu kennen, den Sünder ohne weiteres einen Verrückten und Hans Narren heißt. Oder saget mir doch: ob welcher von all den Verrücktheiten, die Ihr bei mir gefunden habt, verurteilt und schmäht Ihr mich und heißt mich heimgehen und für mein Hausregiment und mein Weib und meine Kinder sorgen, ohne daß Ihr wißt, ob ich solche besitze oder nicht? Braucht man weiter nichts, als sich auf schiefen und krummen Wegen in fremde Häuser einzudrängen, um da über die Herrschaft das Regiment zu führen und sich herauszunehmen, während mancher in der beengten Dürftigkeit eines Kosthauses aufgewachsen ist, ohne mehr von der Welt gesehen zu haben, als in zwanzig, dreißig Meilen Umgegend zu finden ist, als sich herauszunehmen, sag ich, mit dreister Unerfahrenheit der Ritterschaft Gesetze vorzuschreiben und über die fahrenden Ritter Urteile zu fällen? Ist es vielleicht ein eitles Beginnen, oder ist es Zeitverschwendung, wenn man die Welt durchwandert, nicht um deren Genüsse aufzusuchen, sondern ihre harte Mühsal, durch welche die Edlen zum Sitze der Unsterblichkeit emporgehoben werden? Wenn mich die Ritter, die Erlauchten, die Hochgebornen für einen Hans Narren hielten, so würde ich das für eine nie wieder gutzumachende Beschimpfung halten; wenn aber studierte Leute, die den Pfaden des Rittertums nie genaht, geschweige denn sie betreten haben, mich für einfältig halten, darum geb ich keinen Deut. Ein Ritter bin ich, als Ritter werde ich sterben, wenn es dem Höchsten gefällt. Etliche suchen ihren Weg auf dem weiten Felde der hochmütigen Ehrsucht, andre auf dem Felde niedriger Speichelleckerei, andre auf dem trügerischer Scheinheiligkeit, andre auf dem der wahren Gottesfurcht; jedoch ich, von meinem Stern geleitet, wandle den schmalen Pfad des fahrenden Rittertums, und um dieser Aufgabe willen verschmähe und veracht ich Hab und Gut, aber nicht die Ehre. Ich habe der Unbill gesteuert, Unrecht wieder zurechtgebracht, Übermut gezüchtigt, Riesen besiegt, Ungeheuer niedergeworfen. Ich bin verliebt, aber aus keinem andern Grund, als weil jeder fahrende Ritter es notwendig sein muß; und indem ich es bin, gehör ich doch nicht zu denen, die sinnlich lieben, sondern zu den enthaltsamen Platonikern. Meine Absichten richte ich stets auf tugendsame Zwecke, welche darin bestehen, jedem Gutes und keinem Böses zu tun; und wenn, wer solches beabsichtigt, wenn, wer solches ins Werk setzt, ein Narr genannt zu werden verdient, so mögen es Eure Hoheiten aussprechen, edler Herzog und edle Herzogin.«

»Bei Gott, sehr gut!« fiel Sancho ein; »sagt kein Wort mehr zu Euren Gunsten, mein Herr und Gebieter; denn es läßt sich auf der ganzen weiten Welt nichts Besseres drüber sagen und nichts Besseres erdenken und nichts Besseres tun, als dabei zu bleiben. Und wenn der Herr da leugnet, wie er’s denn wirklich geleugnet hat, daß es auf der Welt fahrende Ritter gegeben hat und gibt, was Wunder, daß er von allem, was er gesagt hat, auch nicht das geringste versteht?«

»Seid Ihr vielleicht, guter Freund«, fragte der Geistliche, »jener Sancho Pansa, von dem es heißt, sein Herr habe ihm eine Insul versprochen?«

»Freilich bin ich der«, antwortete Sancho, »und ich verdiene sie ebensogut wie irgendein andrer. Ich bin der Mann, der sagt: Sollst dir gute Gesellen wählen, wirst bald selbst zu den Guten zählen; und ich gehöre zu denen, von denen es heißt: Frag nicht, wo seine Wiege steht, frag, mit wem er zur Atzung geht; und zu denen, die da sagen: Wer unter guten Baum sich streckt, der wird von gutem Schatten gedeckt. Ich habe mich unter den Schatten eines guten Herrn gestreckt, und es ist viele Monate her, seit ich bei ihm bin, und ich will werden wie er selber, wenn es Gott gefällt und er am Leben bleibt und ich am Leben bleibe; und ihm wird’s weder an Kaisertümern zum Herrschen fehlen noch mir an Insuln zum Statthalter.«

»Gewiß nicht, Freund Sancho«, fiel hier der Herzog ein; »denn ich, im Namen des Señor Don Quijote, befehle Euch die Statthalterschaft einer mir gehörigen und gerade nicht vergebenen Insul von nicht geringer Bedeutung.«

»Wirf dich auf die Knie nieder, Sancho«, sprach Don Quijote, »und küsse Seiner Durchlaucht die Füße für die Gnade, so er dir erwiesen.«

Sancho tat es; als aber der Geistliche das sah, stand er voll Empörung von der Tafel auf und sagte: »Bei dem Ordenskleide, das ich trage, beinahe möchte ich sagen, Euer Durchlaucht ist geradeso einfältig wie diese Sünder hier. Bedenkt nur, müssen sie nicht zu Narren werden, wenn ihre Narrheiten von den Verständigen heiliggesprochen werden? Halte Euer Durchlaucht nur immer Gesellschaft mit ihnen; solange sie hier hausen, werde ich dort in meiner Zelle hausen, und ich werde mich enthalten, meine Mißbilligung über Dinge auszusprechen, die ich nicht bessern kann.«

Ohne ein Wort weiter zu sagen und einen Bissen weiter zu essen, ging er von dannen, ohne daß die Bitten des Herzogs und der Herzogin ihn zurückzuhalten vermochten; allerdings sagte der Herzog nicht viel, denn er erstickte schier an dem Lachen, zu dem der ungebührliche Zorn des Geistlichen ihn gereizt hatte. Als er sich endlich satt gelacht, sprach er zu Don Quijote: »Herr Löwenritter, Ihr habt so großartig für Euch geantwortet, daß Euch nichts mehr zu tun bleibt zur Abwehr dieser scheinbaren Beleidigung, die in Wirklichkeit gar keine ist, denn so wenig ein Weib beleidigen kann, so wenig kann es ein Geistlicher, wie Euer Gnaden am besten weiß.«

»So ist es«, entgegnete Don Quijote, »und zwar weil der, welcher selbst nicht beleidigt werden kann, keinen beleidigen kann. Weil Frauen, Kinder und Geistliche sich nicht gegen Beleidigungen verteidigen können, so kann ihre Ehre nicht gekränkt werden; denn zwischen Beleidigung und Ehrenkränkung ist dies der Unterschied, wie Euer Durchlaucht wissen. Die Ehrenkränkung kommt von jemandem, der sie zu begehen vermag, sie begeht und dem Gekränkten die Stirn bietet; die Beleidigung kann von jedem Beliebigen kommen, ohne daß sie die Ehre kränkt. Zum Beispiel: es steht jemand achtlos auf der Straße, es kommen zehn mit gewaffneter Hand und geben ihm Stockprügel, er zieht das Schwert und tut seine Schuldigkeit, aber die Überzahl der Feinde tritt ihm entgegen und macht es ihm unmöglich, sein Vorhaben durchzusetzen, das heißt, sich zu rächen; der Betreffende ist nun zwar beleidigt, aber nicht an seiner Ehre gekränkt. Ein andres Beispiel wird dies mehr bekräftigen: es steht jemand da und hat den Rücken gewendet, es kommt ein andrer und gibt ihm Stockprügel, und im Augenblick darauf flieht er davon und stellt sich dem andern nicht, und der andre eilt ihm nach und holt ihn nicht ein: der Mann, der die Prügel empfing, hat eine Beleidigung empfangen, aber keine Ehrenkränkung; denn bei der Ehrenkränkung muß man dem Gekränkten sofort die Stirne bieten. Wenn derjenige, der die Prügel gegeben, wiewohl er sie ihm hinterrücks im Überfall gegeben, das Schwert zöge und ruhig wartend dastünde, seinem Gegner die Stirn zu bieten, dann wäre der Geprügelte zugleich beleidigt und an seiner Ehre gekränkt: beleidigt, weil er hinterrücks geprügelt worden; an der Ehre gekränkt, weil, der ihm die Prügel gab, den Rücken nicht wendete, festen Mutes aushielt und Stirn gegen Stirn für seine Tat einstand.

So kann ich denn nach den Gesetzen des fluchwürdigen Zweikampfs mich beleidigt fühlen, aber nicht an meiner Ehre gekränkt; denn Kinder und Frauen haben kein Gefühl dafür, können nicht fliehen und haben auch keinen Grund, dem Gegner standzuhalten; und ebenso ist’s mit denen, die sich dem Dienst der heiligen Kirche gewidmet haben, weil es diesen drei Klassen von Menschen an Waffen zu Schutz und Trutz fehlt und sie daher, obwohl von der Natur darauf angewiesen, sich zu verteidigen, keineswegs gehalten sind, irgend jemand anzugreifen. Und obschon ich eben erst gesagt habe, ich könnte mich möglichenfalls beleidigt fühlen, so sag ich jetzt: nein, in keinem Falle; denn wer nicht an seiner eignen Ehre gekränkt werden kann, der kann noch weniger einen andern an der Ehre kränken. Aus diesen Gründen darf ich die Kränkungen, die jener wackere Mann mir mit seinen Worten angetan, nicht empfinden und empfinde sie wirklich nicht. Nur hätte ich gewünscht, er wäre noch ein wenig dageblieben, um ihn des Irrtums zu überführen, in dem er sich befindet, wenn er meint und sagt, fahrende Ritter habe es in der Welt weder gegeben noch gebe es solche anjetzt; denn wenn Amadís das gehört hätte oder einer der unzähligen aus seiner Nachkommenschaft, so weiß ich, es wäre Seiner Gnaden nicht gut bekommen.«

»Darauf schwör ich selber ganz gewiß«, sprach Sancho; »einen Schwerthieb hätten sie ihm versetzt, daß sie ihn von oben bis unten auseinandergehauen hätten wie einen Granatapfel oder wie eine überreife Melone. Ja, die waren die Rechten, um sich so etwas gefallen zu lassen! Beim heiligen Kreuzeszeichen, ich bin sicher, hätte Rinald von Montalbán solche Redensarten von dem Männlein gehört, so hätte er ihm das Maul mit einem Streich gestopft, daß er in drei Jahren kein Wort mehr geschwatzt hätte; ja, er hätte nur mit ihnen anbinden sollen, und da hätte er sehen mögen, wie er aus ihren Händen losgekommen wäre!«

Die Herzogin wollte schier vor Lachen sterben, als sie Sancho so reden hörte, und innerlich hielt sie ihn für kurzweiliger und verrückter als seinen Herrn; und es gab zu jener Zeit nicht wenige, die ebenso urteilten.

Don Quijote beruhigte sich endlich, und die Mahlzeit kam zu Ende. Während der Tisch abgedeckt wurde, traten vier Mägdlein herzu, die eine mit einem silbernen Becken, die andre mit einer ebenfalls silbernen Kanne, die andre mit zwei schneeweißen reichverzierten Handtüchern über der Schulter, und die vierte, ihre Arme bis zum Ellenbogen entblößt, hielt in ihren weißen Händen – denn weiß waren sie selbstverständlich! – eine neapolitanische Seifenkugel. Die Zofe mit dem Waschbecken trat heran und hielt dieses mit edlem Anstand und höchst unbefangen unter Don Quijotes Bart, und der Ritter, ohne ein Wort zu sagen, verwundert ob einer derartigen Förmlichkeit, war des Glaubens, es müßte in diesen Landen der Brauch sein, statt der Hände den Bart zu waschen, und somit streckte er den seinigen, so tief er nur konnte, ins Becken. Sogleich begann die andre Zofe, Wasser mit der Kanne einzugießen, und die Zofe mit der Seife beeilte sich, ihm den Bart einzureiben, und überzog mit Schneeflocken – denn nicht minder weiß war der Seifenschaum – nicht nur den Bart, sondern das ganze Gesicht des gehorsamen Ritters samt den Augen, so daß der Schaum ihn mit Gewalt nötigte, sie zu schließen.

Der Herzog und die Herzogin, die von alledem nichts gewußt hatten, standen erwartend da, wo eine so ungewöhnliche Abwaschung hinauswolle. Als das Bartputzermägdlein ihn mit einem faustdicken Seifenschaum dasitzen hatte, stellte sie sich an, als sei ihr das Wasser ausgegangen, und hieß die Kannenträgerin frisches holen; Señor Don Quijote werde sich so lange gedulden. Sie tat es, und Don Quijote saß nun da mit dem seltsamsten und lächerlichsten Aussehen, das man sich nur denken kann. Alle Anwesenden, und deren waren viele, starrten ihn an, und wie sie ihn so mit seinem ellenlangen und ungewöhnlich braunen Halse sahen, die Augen geschlossen, den Bart voll Seife, da war es ein großes Wunder und eine seltene Selbstüberwindung, daß sie das Lachen zu verbeißen vermochten.

Don Quijote

Die Veranstalterinnen der Posse hielten ihre Augen niedergeschlagen und wagten ihre Herrschaft nicht anzusehen; dem herrschaftlichen Paare zuckte bald Zorn, bald Lachlust durch den ganzen Körper, und beide wußten nicht, welchem Drang sie nachgeben sollten, ob sie das dreiste Unterfangen der Mädchen bestrafen oder sie belohnen sollten für das Vergnügen, Don Quijote in solchem Zustande zu sehn. Endlich kam die Zofe mit der Kanne; Don Quijotes Abwaschung wurde beendet, und sofort kam das Mädchen mit den Handtüchern, ihn ernst und gelassen zu reinigen und abzutrocknen.

Dann machten ihm alle vier zugleich eine tiefe und lange Verbeugung und wollten gehen; aber der Herzog, damit Don Quijote den ihm gespielten Streich nicht merke, rief die Zofe mit dem Becken herbei und sagte zu ihr: »Kommet her und waschet auch mich, gebt aber acht, daß euch das Wasser nicht ausgeht.«

Das Mädchen, gescheit und gewandt, trat herzu und hielt dem Herzog das Becken unter wie zuerst dem Ritter; sie machten sich eilig daran, ihn recht tüchtig zu waschen und einzuseifen, und nachdem sie ihn gereinigt und abgetrocknet, machten sie ihre Verbeugungen und gingen von dannen. Später hat man erfahren, der Herzog habe geschworen, wenn sie ihn nicht ganz ebenso waschen würden wie Don Quijote, so würde er ihre Keckheit strafen; sie machten dieses aber auf klügliche Weise wieder gut, indem sie ihn selbst ebenfalls einseiften.

Sancho sah den Förmlichkeiten der Abwaschung aufmerksam zu und sagte zu sich selber: Gott steh mir bei! Vielleicht ist es hierzulande der Brauch, den Schildknappen den Bart zu waschen wie den Rittern? Denn bei Gott und meiner armen Seele, ich hab es sehr nötig; ja, wenn sie mir ihn mit dem Schermesser kürzen täten, das würde ich mir für eine noch größere Wohltat erachten.

»Was redet Ihr so für Euch, Sancho?« fragte die Herzogin.

»Ich sage, Señora«, antwortete er, »daß an andern Fürstenhöfen, wie ich habe sagen hören, beim Abdecken Wasser für die Hände gereicht wird, aber nicht Seifenwasser für den Bart. Darum ist’s gut, wenn man lang lebt, dann erlebt man viel; zwar heißt es auch: wer viele Jahre lebt, hat viel Böses durchzumachen, aber eine solche Abwaschung ist doch eher ein Vergnügen als eine Mühsal.«

»Macht Euch darum keinen Kummer, Freund Sancho«, sagte die Herzogin; »ich will’s schon machen, daß meine Zofen Euch waschen, ja Euch mit Haut und Haaren einweichen, wenn es nötig ist.«

»Mit dem Barte bin ich schon zufrieden«, erwiderte Sancho, »wenigstens für jetzt; was weiter werden soll, dafür wird Gott schon sorgen.«

»Merkt Euch, Haushofmeister«, sprach die Herzogin, »was der wackere Sancho wünscht, und erfüllt buchstäblich sein Begehr.«

Der Haushofmeister antwortete, man werde dem Herrn Sancho in allem zu Diensten sein; und hiermit entfernte er sich, um seine Mahlzeit zu halten, und nahm Sancho mit, während Herzog und Herzogin mit Don Quijote bei der Tafel sitzen blieben und sich über viele und verschiedenartige Dinge unterhielten, die sich jedoch alle auf das Waffenwerk und das fahrende Rittertum bezogen. Die Herzogin ersuchte Don Quijote, da er doch ein gutes Gedächtnis zu besitzen scheine, so möge er ihr die Schönheit und die Gesichtszüge des Fräuleins Dulcinea von Toboso zeichnen und beschreiben; denn nach dem, was der Ruf von ihren Reizen verkünde, müsse sie das schönste Geschöpf auf dem Erdkreise und sogar in der ganzen Mancha sein.

Don Quijote seufzte, als er den Wunsch der Herzogin vernahm, und sprach: »Könnte ich mir das Herz herausreißen und es hier auf diesem Tische in einer Schüssel Euer Hoheit vor Augen legen, dann würde ich meine Zunge der Mühe überheben, zu sagen, was kaum der Gedanke fassen kann; denn Euer Durchlaucht würden in meinem Herzen sie getreu abgebildet erblicken. Aber wie soll ich jetzo, Punkt für Punkt und Zug für Zug, die Schönheit der unvergleichlichen Dulcinea zeichnen und beschreiben? Da dies eine Bürde ist, für andre Schultern geeigneter als für die meinen, eine Aufgabe, mit der sich der Pinsel eines Parrhasios, eines Timanthes und eines Apelles und der Meißel eines Lysippos beschäftigen sollte, um sie auf Leinwand, in Marmor oder in Erz zu malen und einzugraben, und die Ciceronische und Demosthenische Redekunst, um sie zu preisen.«

»Was bedeutet demosthenisch, Señor Don Quijote?« fragte die Herzogin; »das ist ein Wort, das ich all meiner Lebtage nicht gehört habe.«

»Demosthenische Redekunst«, antwortete Don Quijote, »bedeutet dasselbe wie Redekunst des Demosthenes, gerade wie Ciceronische die des Cicero, und beide waren die zwei größten Redner der Welt.«

»So ist’s«, sagte der Herzog, »und Ihr habt einen argen Fehler gemacht, daß Ihr das gefragt habt. Aber trotz alledem würde uns Señor Don Quijote ein großes Vergnügen machen, wenn er uns ihre Züge malen wollte; und wenn er es auch nur mit flüchtigen Strichen und Umrissen täte, so würde ihr Bild doch so hervortreten, daß die schönsten Damen sie beneiden müßten.«

»Gewiß würde ich es tun«, erwiderte Don Quijote, »hätte das Unglück, das ihr vor kurzem widerfuhr, sie nicht aus meiner Erinnerung gelöscht, und dieses Unglück ist von solcher Art, daß ich sie eher beweinen als beschreiben möchte. Denn Eure Hoheiten müssen wissen: als ich in den letzten Tagen mich aufmachte, ihr die Hände zu küssen und von ihr Segen, Gutheißung und Urlaub zu dieser dritten Ausfahrt zu empfahen, fand ich in ihr eine ganz andere, als die ich suchte. Ich fand sie verzaubert und aus einer Prinzessin in eine Bauerndirne verwandelt, aus einer schönen Jungfrau in eine häßliche, aus einem Engel in eine Teufelin, aus einer wohlduftenden in eine verpestete, aus einer wohlredenden in eine bäurisch polternde, aus einer würdig ernsten in eine Luftspringerin, aus Licht in Finsternis, in einem Wort: aus Dulcinea von Toboso in eine Dorfbewohnerin aus Sayago.«

»Hilf Himmel!« rief hier der Herzog mit einem lauten Aufschrei; »wer war es, der der Welt soviel Böses angetan hat? Wer hat dem Erdenkreise die Schönheit geraubt, die ihm Freude schuf, die geistreiche Anmut, die ihm Stoff zu heiterer Unterhaltung gab, die Sittsamkeit, die ihm Ehre und Ruhm war?«

»Wer?« antwortete Don Quijote; »wer kann es sein als irgendein boshafter Zauberer aus der Zahl der vielen Neidharte, die mich verfolgen? Diese gottverfluchte Sippschaft, zur Welt geboren, um die Taten der Guten zu verdunkeln und zunichte zu machen und die Handlungen der Schlechten ins Licht zu stellen und zu erhöhen. Verfolgt haben mich die Zauberer, Zauberer verfolgen mich, und Zauberer werden mich verfolgen, bis sie mich und meine hohen Rittertaten in den tiefen Abgrund der Vergessenheit hinabgestoßen haben; und gerade an jener Stelle tun sie mir weh und verwunden sie mich, wo sie wissen, daß ich es am schmerzlichsten empfinde, denn einem fahrenden Ritter die Dame seines Herzens entreißen heißt ihm die Augen rauben, mit denen er sieht, und die Sonne, von der er Licht empfahet, und den Lebensunterhalt, mit dem er sein Dasein fristet. Schon oftmalen hab ich es gesaget, und anitzo sage ich es aufs neue: der fahrende Ritter ohne eine Dame seines Herzens ist wie ein Baum ohne Blätter, ein Gebäude ohne Grundmauer, ein Schatten ohne den Körper, der ihn wirft.«

»Weiter bedarf es keiner Worte«, sprach die Herzogin; »wenn wir jedoch der Geschichte von den Taten des Señor Don Quijote Glauben schenken sollen, die erst wenige Tage vor unserem Zusammentreffen unter großem Beifall des Publikums ans Licht der Welt getreten ist, so geht daraus hervor, wenn ich mich recht entsinne, daß Euer Gnaden das Fräulein Dulcinea niemals gesehen hat und daß ein solches Fräulein gar nicht auf der Welt vorhanden, sondern daß es eine erträumte Dame ist, die Ihr in Eurem Geiste erzeugt und geboren und mit allen den Reizen und Vollkommenheiten ausgemalt habt, die Euch beliebten.«

»Darüber läßt sich viel sagen«, entgegnete Don Quijote; »Gott allein weiß, ob es eine Dulcinea in der Welt gibt oder nicht, oder ob sie ein Traumbild ist oder nicht; dies gehört nicht zu den Dingen, deren Ergründung man bis zum letzten Punkte durchführen darf. Ich habe meine Herzensgebieterin weder erzeugt noch geboren, wiewohl ich mir sie so vorstelle, wie eine Dame sein muß, die in sich alle Eigenschaften vereinigt, welche sie in allen Landen der Welt berühmt machen könnten, wie zum Beispiel: schön ohne Makel, würdevoll ohne Hochmut, liebefühlend mit Züchtigkeit, dankbar, weil sie fein gesittet ist, fein gesittet weil wohlerzogen, und endlich hochgestellt durch Abstammung, denn über adligem Blute strahlt und waltet die Schönheit mit höherem Grade von Vollkommenheit als bei den Schönen von niedriger Abkunft.«

»Das ist richtig«, sagte der Herzog; »allein Señor Don Quijote muß mir gestatten zu bemerken, was das Buch von seinen Taten mich zu sagen nötigt. Es ist daraus nämlich zu entnehmen: wenn man auch zugeben will, es habe in oder außerhalb Toboso eine Dulcinea gelebt und sie habe den höchsten Grad der Schönheit besessen, den Euer Gnaden uns schildert, so kommt sie doch im Punkte der hohen Geburt den Orianen, den Alastrajareas, den Madásimas nicht gleich, noch andern von solcherlei Sippschaft, von denen die Geschichtsbücher voll sind, die Euer Gnaden wohl kennt.«

»Hierauf kann ich entgegnen«, sagte Don Quijote, »daß Dulcinea die Tochter ihrer Taten ist und daß Tugenden das Blut veredeln und daß der Niedriggeborene, wenn tugendhaft, mehr zu schätzen und höherzuhalten ist als der Lasterhafte von hoher Stellung. Und dies gilt hier um so mehr, als Dulcinea einen Zierat besitzt, der sie einst zur Königin mit Krone und Zepter erheben kann, denn das Verdienst eines schönen und tugendsamen Weibes reicht so weit, daß es noch größere Wunder vollbringen kann, und wenn auch noch nicht in der Wirklichkeit, doch der inneren Berechtigung nach trägt sie in sich die Gewißheit weit größerer Glückesgaben.«

»Ich muß sagen, Señor Don Quijote«, versetzte die Herzogin, »in allem, was Ihr sprecht, geht Ihr so vorsichtig zu Werke, als trügt Ihr Blei an den Füßen und als hättet Ihr, wie die Seeleute sagen, das Senkblei in der Hand, und von nun an werde ich glauben und werde allen Leuten meines Hauses und nötigenfalls selbst dem Herzog, meinem Gemahl, den Glauben beibringen, daß es eine Dulcinea von Toboso gibt und daß sie heutigentags lebt und schön ist und von vornehmer Geburt und es verdient, daß ein solcher Ritter wie der Señor Don Quijote ihr in Liebe dient; dies ist das Höchste, was ich von ihr zu rühmen vermag und weiß. Dennoch kann ich nicht umhin, einen Zweifel auszusprechen und ich weiß nicht was für einen kleinen Groll gegen Sancho Pansa zu hegen. Der Zweifel ist, daß die erwähnte Geschichte berichtet, besagter Sancho Pansa habe das besagte Fräulein Dulcinea, als er ihr einen Brief von Euch brachte, gefunden, wie sie einen Sack Weizen siebte, und zu besonderem Wahrzeichen erzählt die Geschichte, es sei gemeiner gelber Weizen gewesen; und dies ist etwas, das mich an ihrer hohen Geburt zweifeln läßt.«

Darauf gab Don Quijote zur Antwort: »Herrin mein, Eure Hoheit muß wissen, daß alles oder beinahe alles, was mir begegnet, sich ganz außerhalb des gewöhnlichen Verlaufs der Dinge hält, die den andern fahrenden Rittern begegnen; ob es nun durch den unerforschlichen Willen des Schicksals so gelenkt wird oder durch die Bosheit irgendeines mißgünstigen Zauberers. Nun ist es eine erwiesene Tatsache, daß alle oder die meisten fahrenden Ritter von Ruf einesteils die Himmelsgabe hatten, nicht verzaubert werden zu können, andernteils eine so undurchdringliche Haut besaßen, daß sie nicht verwundet werden konnten, wie das der Fall war mit dem berühmten Roldán, einem der zwölf Pairs von Frankreich, von dem man erzählt, daß er nur an der Sohle des linken Fußes verwundet werden konnte, und auch das nur mit der Spitze einer großen Stecknadel und durchaus mit keiner andern Waffe; weshalb ihn denn Bernardo del Carpio, als er ihn in Roncesvalles umbringen wollte und sah, daß er ihn nicht mittels des Eisens verwunden konnte, vom Boden aufhob und erwürgte, indem er sich daran erinnerte, wie Herkules den Antäus getötet hatte, jenen Riesen, den man für einen Sohn der Erde ausgibt. Aus dem Gesagten will ich folgern, daß ich wohl möglicherweise eine solche Himmelsgabe besitzen könnte; keineswegs zwar die, nicht verwundet werden zu können, weil mir die Erfahrung oftmalen bewiesen, daß ich eine zarte und durchaus nicht undurchdringliche Haut habe; ebensowenig die, nicht verzaubert werden zu können, denn ich habe mich bereits einmal in einem Käfig gefangen gesehen, worein die ganze Welt mich einzusperren nicht vermocht hätte, wenn es nicht durch Zauberkraft geschehen wäre. Jedoch, da ich mich aus dieser Verzauberung befreit habe, will ich gerne glauben, daß mich keine andre auf Erden künftig mehr schädigen kann; und da so jene Zauberer sehen, daß ihre argen Tücken mir nichts anhaben können, so rächen sie sich an den Wesen, die mir die liebsten sind, und um mir das Leben zu nehmen, quälen und entstellen sie das Leben Dulcineas, durch die allein ich Leben habe. Mithin glaube ich, als mein Schildknappe ihr meine Botschaft überbrachte, verwandelten sie sie in eine Bauernmagd, die mit so niedriger Arbeit beschäftigt war, wie es das Weizensieben ist. Aber ich habe schon seinerzeit gesagt, jener Weizen war weder vom gemeinen gelben noch war es überhaupt Weizen, sondern es waren Perlen aus dem Morgenland; und zum Erweis dieser Tatsache will ich Euern Durchlauchtigkeiten sagen, daß ich vor kurzem, als ich durch Toboso kam, Dulcineas Palast nirgends finden konnte und daß am andern Tage, während mein Schildknappe Sancho sie in ihrer eignen Gestalt, der schönsten des Erdkreises, erblickte, sie mir wie eine grobe häßliche Bäuerin vorkam, und zwar eine durchaus nicht verständig redende, während sie doch der Inbegriff aller Verständigkeit ist.

Da ich nun nicht verzaubert bin und nach menschlichem Ermessen nicht verzaubert werden kann, so ist sie die Verzauberte, die schwer Geschädigte, die Verwandelte, die Verwechselte und Vertauschte, und an ihrer Person haben meine Feinde ihre Rache gegen mich geübt, und um ihretwillen werde ich in unaufhörlichen Tränen dahinleben, bis ich sie wieder in ihrem vorigen Zustande sehe. Das alles hab ich gesagt, damit sich niemand daran stoße, was Sancho vom Sieben und vom Fegen Dulcineas erzählt hat; denn wenn sie sie mir umgestaltet haben, ist’s kein Wunder, daß sie sie auch ihm verwandelt haben. Dulcinea ist eine angesehene Dame von guter Geburt und stammt von den adligen Geschlechtern in Toboso, deren es viele alte und sehr gute gibt. Ganz gewiß ist ihr Heimatort ihr nicht wenig Dank schuldig, da er durch sie berühmt und in künftigen Zeitaltern viel genannt werden wird, wie es Troja durch Helena und Spanien durch die Cava geworden ist, obzwar Toboso aus besserem Anlaß und mit höherem Ruhm.

Andererseits wünsche ich auch Euern Herrlichkeiten klarzumachen, daß Sancho Pansa einer der kurzweiligsten Schildknappen ist, der jemals in eines fahrenden Ritters Diensten gestanden. Er äußert manchmal so scharfsinnige Albernheiten, daß das Nachdenken darüber, ob er albern oder scharfsinnig ist, nicht geringes Vergnügen macht; er hat Tücke in sich, daß man ihn als einen Schelmen verurteilen müßte, und kommt dann wieder mit so gedankenlosen Verkehrtheiten, daß das Urteil über ihn als einen Hausnarren aufs neue Bestätigung erhält; er zweifelt an allem und glaubt alles, und wenn ich meine, er wird vor lauter Dummheit in den Abgrund hinunterstürzen, so bricht er plötzlich mit den verständigsten Äußerungen hervor, die ihn zum Himmel hinaufheben. Kurz, ich würde ihn für keinen andern Schildknappen hergeben, und wenn man mir noch eine große Stadt darauf herausgäbe; und daher bin ich im Zweifel, ob es recht getan sein wird, ihn zu der Statthalterschaft zu entsenden, mit welcher Euer Hoheit ihn beehrt hat, wiewohl ich in ihm eine gewisse Tauglichkeit für das Statthalteramt finde; wenn man seinem Geiste die Auswüchse ein klein wenig beschneidet, wird er mit jeder beliebigen Statthalterschaft so gut wie der König mit seinem Steuerwesen fertigwerden. Zudem wissen wir bereits aus vielfacher Erfahrung, daß es weder großer Geschicklichkeit noch großer Kenntnisse bedarf, um Statthalter zu sein, denn es gibt hierzulande an die hundert, die kaum lesen können und doch scharf auf ihre Amtsgeschäfte sehen wie ein Jagdfalke. Der Punkt, auf den es ankommt, ist, das Gute zu wollen und in allen Dingen nach dem Rechten und Richtigen zu streben; denn es wird ihm nie an jemandem fehlen, der ihm Rat und Anleitung für seine Obliegenheiten erteilt, wie das bei Statthaltern der Fall ist, welche als Ritter erzogen und nicht Studierte sind und welche daher mit Hilfe eines Beisitzers Recht sprechen. Ich würde ihm raten: Laß dir nichts schenken, laß das Recht nicht kränken; und andere Sächelchen mehr, die ich noch auf dem Herzen habe und die seinerzeit zum Vorschein kommen sollen, zum Nutzen für Sancho und zum Besten der Insul, die er etwa zum Statthaltern bekommen würde.«

So weit waren der Herzog, die Herzogin und Don Quijote in ihrer Unterhaltung gekommen, als sie großes Geschrei und großes Gelärm im Palaste hörten; plötzlich stürzte Sancho in den Saal, in großen Ängsten, einen Scheuerlappen als Barbiertuch vor dem Halse, und hinter ihm her eine Menge Diener oder, richtiger gesagt, Küchenschlingel und anderes geringes Hausgesinde, und einer davon hatte einen kleinen Kübel voll Wasser, dem man an der Färbung und Unsauberkeit ansah, daß es Spülwasser war. Der mit dem Kübel folgte und verfolgte ihn und gab sich die größte Mühe, ihm das Gefäß unter dem Barte festzuhalten und anzubinden, und ein anderer Küchenjunge machte Miene, ihm den Bart zu waschen.

»Was ist das, Kinder?« fragte die Herzogin; »was ist das? Was wollt ihr mit diesem wackern Mann? Wie? Bedenkt ihr nicht, daß ihr in ihm einen erwählten Statthalter vor euch habt?«

Darauf antwortete der den Barbier spielende Küchenjunge:

»Dieser Herr will sich nicht waschen lassen, wie es der Brauch ist und wie sich unser gnädiger Herr, der Herzog, und sein eigener Herr haben waschen lassen.«

»Freilich will ich’s«, entgegnete Sancho in höchstem Zorn, »aber ich verlangte, daß es mit reinlicheren Handtüchern geschehen sollte und hellerem Waschwasser und mit nicht so schmutzigen Händen; denn so groß ist der Unterschied nicht zwischen mir und meinem Herrn, daß man ihn mit Engelswasser und mich mit Teufelslauge waschen muß. Die Bräuche in den Landen und Palästen der Großen sind ja insoweit ganz gut, als sie einem nicht lästig werden, aber die Art, wie hier der Bart gewaschen wird, ist ärger, als wie sich die Büßer bei Wallfahrten den Rücken kitzeln. Ich hab einen sauberen Bart und habe derlei Abkühlungen nicht nötig, und wer da herkommt und will mich waschen oder will mir nur ein Haar anrühren auf meinem Kopf, ich meine an meinem Bart, dem will ich, mit Respekt zu sagen, einen derartigen Schlag mit meiner Faust versetzen, daß sie ihm im Hirnkasten steckenbleiben soll. Denn all diese Ziermonjen und Einseifungen sehen eher aus, als wollte man die Gäste foppen, nicht aber mit Artigkeiten erfreuen.«

Die Herzogin starb schier vor Lachen, als sie Sanchos Ingrimm sah und seine Äußerungen hörte. Don Quijote jedoch war nicht sehr entzückt, ihn mit dem schmutzigen Handtuch so übel aufgeputzt und von so vielen Küchengehilfen umringt zu sehen; und daher machte er eine tiefe Verbeugung vor den herzoglichen Ehegatten, als ob er sie um Erlaubnis bäte zu reden, und sprach mit gelassener ernster Stimme zu dem Küchenvolk: »Holla, edle Herren, wollet mir den Burschen in Ruhe lassen und hingehen, wo ihr hergekommen seid, oder meinetwegen anderswohin, wenn ihr Lust habt; mein Schildknappe ist so sauber wie irgendeiner, und die Kübel da sind für ihn zu kleine und zu enghalsige Krüglein. Nehmt meinen Rat an und laßt ihn in Ruhe, denn er und ich verstehen keinen Spaß.«

Sancho nahm ihm das Wort aus dem Munde und fuhr statt seiner also fort: »Nein doch, kommt nur her und treibt euern Spaß mit dem Landstreicher, und ihr sollt sehen, ich laß es mir so wenig gefallen, als es jetzt nachtschlafende Zeit ist. Bringt einen Kamm her, oder was ihr sonst wollt, und striegelt mir meinen Bart, und wenn ihr etwas daraus hervorholt, was der Reinlichkeit zuwider ist, so könnt ihr mir ihn kreuzweise verschneiden.«

Jetzt sprach die Herzogin, ohne daß sie darum zu lachen aufhörte: »Sancho Pansa hat recht mit allem, was er gesagt hat, und wird in allem recht haben, was er sagen wird; er ist sauber und hat, wie er sagt, das Waschen nicht nötig, und wenn unser Brauch ihm nicht gefällt: wohl, des Menschen Wille ist sein Himmelreich; zumal da ihr, die Fürsorger der Reinlichkeit, so über alles Maß nachlässig und leichtsinnig, ich will nicht sagen vermessen wäret, für eine solche Persönlichkeit und einen solchen Bart anstatt Becken und Kamm von reinem Gold und statt deutscher Leintücher Kübel und Näpfe von Holz zu bringen und Wischlappen für einen Schenktisch. Aber ihr seid nun einmal schlechte, ungezogene Burschen, und ihr könnt es nicht lassen, ihr Schlingel, euren Groll gegen die Schildknappen fahrender Ritter zu zeigen.«

Die schelmischen Diener und selbst der Haushofmeister, der mit ihnen gekommen war, glaubten, die Herzogin habe im Ernste gesprochen; sie nahmen daher Sancho den Scheuerlappen von der Brust weg, gingen ganz bestürzt und beinahe beschämt von dannen und ließen ihn stehen. Als Sancho sich dieser Gefahr entledigt sah, die nach seiner Meinung eine außerordentlich große war, warf er sich vor der Herzogin auf die Knie und sagte: »Von großen Damen erwartet man große Gnaden; diese, so mir Euer Gnaden heut erzeigt hat, kann gar nicht anders vergolten werden als mit dem Wunsche, daß ich zum fahrenden Ritter geschlagen werde, um alle Tage meines Lebens hinfort dem Dienste einer so hohen Frau zu widmen. Ich bin ein Bauer, Sancho Pansa heiße ich, ich bin verheiratet, habe Kinder und diene als Schildknappe; wenn ich mit irgendwas hiervon Euer Hoheit dienen kann, so werde ich kürzere Zeit mit dem Gehorchen zögern als Eure Herrlichkeit mit dem Befehlen.«

»Wohl sieht man, Sancho«, erwiderte die Herzogin, »höflich zu sein habt Ihr in der Schule der Höflichkeit selbst gelernt; wohl sieht man, will ich damit sagen, Ihr seid am Busen des Señor Don Quijote großgezogen, welcher gewiß die Perle aller Höflichkeiten ist und die Blume aller Zeremonien, oder Ziermonjen, wie Ihr sagt. Heil einem solchen Herrn und einem solchen Diener, dem einen als dem Polarstern der fahrenden Ritterschaft, dem andern als dem Leitstern schildknapplicher Treue! Steht auf, Freund Sancho, ich will Euer höfliches Benehmen damit vergelten, daß ich den Herzog, meinen Gemahl, veranlasse, so schnell, als er es vermag, Euch die gnädige Zusage einer Statthalterschaft zu erfüllen.«

Hiermit endigte das Gespräch; Don Quijote ging, seine Mittagsruhe zu halten, und die Herzogin ersuchte Sancho, falls er nicht allzu große Lust zu schlafen habe, möchte er den Nachmittag mit ihr und ihren Zofen in einem ganz kühlen Saale verbringen. Sancho antwortete darauf, obschon er wirklich die Gewohnheit habe, im Sommer vier oder fünf Stunden lang einen Mittagsschlaf zu halten, so werde er doch, um ihrer Güte sich gefällig zu erweisen, mit all seinen Kräften sich bemühen, heute gar nicht zu schlafen, und ihrem Befehl gehorsamen. Damit ging er von dannen. Der Herzog gab aufs neue Anweisungen, Don Quijote als fahrenden Ritter zu behandeln, ohne im allergeringsten von der Art abzuweichen, wie, nach den vorliegenden Berichten, die alten Ritter behandelt wurden.

33. Kapitel


Von dem ergötzlichen Gespräche, so von der Herzogin und ihren Jungfräulein mit Sancho Pansa geführt worden und das wohl wert ist, daß man es lesen und sich merken soll

Wie nun die Geschichte erzählt, hielt Sancho diesmal keinen Mittagsschlaf, sondern begab sich, um sein Versprechen zu erfüllen, nach seinem Essen zur Herzogin; und diese, weil sie großes Vergnügen daran hatte, ihm zuzuhören, hieß ihn auf einem niedrigen Stuhle neben sich niedersitzen, obwohl Sancho aus lauter Höflichkeit sich nicht setzen wollte. Allein die Herzogin sagte ihm, er solle als Statthalter Platz nehmen und als Schildknappe sprechen, wiewohl schon jedes einzelne dieser beiden Ämter ihn würdig mache, selbst den Stuhl des Cid Ruy Diaz, des großen Kämpen, einzunehmen. Sancho zog demütig den Kopf zwischen die Schultern und setzte sich, und alle Mägdlein und Frauen der Herzogin umringten ihn, tief schweigend und gespannt, zu vernehmen, was er sagen würde; aber die Herzogin ergriff als erste das Wort und sprach: »Jetzt, da wir allein sind und keiner uns hier hört, wünschte ich, daß der Herr Statthalter mir einige Zweifel lösen möchte, die in mir beim Lesen der Geschichte entstanden sind, welche von dem großen Don Quijote bereits im Druck verbreitet ist. Einer von diesen Zweifeln ist folgender: Da der wackere Sancho die Dulcinea, ich will sagen, das Fräulein Dulcinea von Toboso nie gesehen und ihr auch den Brief des Señor Don Quijote nie gebracht hat, weil dieser in der Sierra Morena im Taschenbuch zurückblieb, wie konnte er wagen, die Antwort zu erfinden, nebst dem Geschichtchen, daß er sie beim Weizensieben angetroffen habe, während doch alles nur ein Possenstreich und eine Lüge und dem guten Rufe der unvergleichlichen Dulcinea so äußerst nachteilig war, alles Dinge, die nicht zur Stellung und Treue eines braven Schildknappen stimmen?«

Ohne auf diese Worte eine Silbe zu erwidern, erhob sich Sancho vom Stuhle und ging sachten Schrittes mit vorgebeugtem Körper, den Daumen auf die Lippen gelegt, im ganzen Zimmer umher, wobei er die Vorhangteppiche einen nach dem andern in die Höhe hob, setzte sich dann wieder und sprach: »Jetzt, Herrin mein, da ich gesehen habe, daß außer den Anwesenden keiner da ist, uns aus dem Hinterhalt zuzuhören, will ich ohne Furcht und Scheu beantworten, was ich bin gefragt worden und was ich etwa noch weiter gefragt werde. Das erste, was ich zu sagen habe, ist, daß ich meinen Herrn Don Quijote für einen unheilbaren Narren halte, wiewohl er manchmal Dinge sagt, die nach meiner Meinung und auch nach der Meinung aller, die ihm zuhören, so gescheit sind und in so richtigem Geleise gehen, daß der Satan selber sie nicht besser äußern könnte; aber trotz alledem steht es vollständig und einwandfrei bei mir fest, daß er verrückt ist. Weil ich nun diese Überzeugung habe, so nehme ich mir heraus, ihm Dinge weiszumachen, die weder Hand noch Fuß haben, wie jene Geschichte mit der Antwort auf den Brief und jene von vor sechs oder acht Tagen, die noch nicht in einem Buch steht, nämlich die Geschichte mit der Verzauberung unseres Fräuleins Doña Dulcinea. Denn ich hab ihm den Glauben beigebracht, sie sei verzaubert, was geradeso wahr ist, wie daß das Wasser den Berg hinaufläuft.«

Die Herzogin bat ihn, ihr diese Verzauberung oder Posse zu erzählen, und Sancho berichtete ihr alles genauso, wie es geschehen war, woran die Zuhörer sich nicht wenig ergötzten. Dann fuhr die Herzogin in ihren Fragen folgendermaßen fort: »Über das, was der wackere Sancho erzählt hat, habe ich ein Bedenken, das mir im Geiste hin und her hüpft, und es flüstert mir was ins Ohr und sagt mir: Da Don Quijote von der Mancha toll und blödsinnig und verrückt ist und Sancho Pansa, sein Schildknappe, es weiß und trotzdem ihm dient und nachläuft und fortwährend auf seine eitlen Versprechungen baut, so muß er ohne allen Zweifel noch toller und dümmer als sein Herr sein; und da dies wirklich so ist, so wird es dir übel angerechnet werden, Frau Herzogin, wenn du dem nämlichen Sancho Pansa eine Insul gibst, um sie als Statthalter zu regieren; denn wer nicht den Verstand hat, sich selbst zu führen und zu beaufsichtigen, wie kann der die Führung und Aufsicht über andre üben?«

»Bei Gott, Señora«, erwiderte Sancho, »diese Bedenklichkeit ist keine Fehlgeburt; aber befehlt ihr nur, deutlich, oder wie sie sonst will zu reden; denn ich sehe es wohl ein, sie redet wahr, und wär ich gescheit, so hätte ich schon längst meinen Herrn im Stiche lassen müssen. Aber das ist einmal mein Schicksal, das ist einmal mein Pech: ich kann nicht anders, ich muß ihm überallhin folgen; wir sind aus demselben Ort, ich habe sein Brot gegessen, ich habe ihn lieb, er ist dankbar, er hat mir seine Esel geschenkt; und vor allem, ich bin treu, und sonach ist es ausgeschlossen, daß uns je etwas anderes trennen könnte als Schaufel und Spaten. Und wenn Eure Hochmütigkeit keine Lust hat, mir die versprochene Statthalterschaft geben zu lassen – mir auch recht, denn aus Staub hat mich Gott geschaffen, und, möglicherweise, wenn man mir sie nicht gibt, könnte dies meiner Seele zum Heil gereichen; denn bin ich auch ein Dummkopf, verstehe ich doch jenes Sprichwort: Der Ameise sind zu ihrem Unglück Flügel gewachsen; es wäre ja auch möglich, daß Sancho der Schildknappe geschwinder in den Himmel kommt als Sancho der Statthalter. Man backt hier geradeso gutes Brot wie in Frankreich, und bei Nacht sind alle Katzen grau; und der Mensch hat Pech zur Genüge, der nachmittags um zwei noch kein Frühstück bekommen hat; kein Magen ist eine Spanne größer als der andre, so daß man ihn, wie es im Sprichwort heißt, nur mit Heu und Stroh stopfen kann; und die Vöglein auf dem Felde haben Gott zum Versorger und Ernährer; und vier Ellen grobes Tuch von Cuenca halten wärmer als vier Ellen hochfeines Tuch von Segovia; und wenn wir von dieser Welt scheiden und uns hinunter in die Erde legen, da muß der Fürst über einen ebenso engen Pfad wie der Taglöhner; und des Papstes Leichnam braucht nicht mehr Raum als des Küsters, obwohl jener soviel höher steht als dieser; und wenn wir in die Grube fahren, da drücken wir uns alle zusammen und ziehen die Glieder ein, oder andre drücken und ziehen uns zusammen, ob wir nun wollen oder nicht, und darin gute Nacht. Und ich sage nochmals, wenn Euer Herrlichkeit keinen Insuln-Statthalter aus mir machen will, weil ich zu dumm bin, so bin ich gescheit genug, mir nichts daraus zu machen. Und ich habe immer sagen hören, hinter dem Kreuze steckt der Teufel, und es ist nicht alles Gold, was gleißt, und hinter den Stieren, dem Pflug und dem Ochsenjoch haben sie den Bauern Wamba hervorgeholt, um König von Spanien zu werden, und mitten aus seinen Goldstoffen, Lustbarkeiten und Reichtümern haben sie den Rodrigo herausgerissen, um ihn den Schlangen vorzuwerfen, falls nämlich die alten Romanzen nicht lügen.«

»Ganz sicher lügen sie nicht!« fiel hier Doña Rodríguez ein, die Kammerfrau, die unter den Zuhörerinnen war; »denn es gibt eine Romanze, die sagt, sie haben den König lebendig in eine Grube voll Kröten, Schlangen und Eidechsen geworfen, und der König hat noch zwei Tage lang in der Grube mit kläglicher schwacher Stimme gesungen:

Ach, sie fressen schon, sie fressen,
Womit am meisten ich gesündigt!

Und darum hat der Herr sehr recht, wenn er sagt, er wolle lieber ein Bauer als ein König sein, wenn er vom Gewürm gefressen werden soll.«

Die Herzogin konnte sich des Lachens nicht erwehren, als sie die Einfalt ihrer Kammerfrau hörte, so wie sie auch nicht umhinkonnte, sich über Sanchos Reden und Sprichwörter zu verwundern, und sie sprach zu diesem: »Der wackere Sancho weiß ja, daß, was ein Ritter einmal versprochen hat, er zu erfüllen bestrebt ist, und sollte es ihn auch das Leben kosten. Der Herzog, mein Herr Gemahl, gehört zwar nicht zu den fahrenden, aber nichtsdestoweniger ist er ein Ritter und wird darum sein Wort betreffs der versprochenen Insul erfüllen, aller Mißgunst und Bosheit der Welt zum Trotz. Seid nur guten Mutes, Sancho; ehe Ihr Euch’s verseht, werdet Ihr auf dem Thron Eurer Insul und Herrschaft sitzen und den Zepter Eurer Statthalterschaft in Händen haben, welche Ihr gegen eine andre von eitel Gold und Juwelen nicht hergeben würdet. Was ich Euch aber anrate, ist, daß Ihr Euch wohl überlegt, wie Ihr als Statthalter Eure Untertanen regieren sollt.«

»In betreff des Gutregierens«, antwortete Sancho, »brauche ich keinen Rat, denn ich bin schon von mir aus gutherzig und habe Mitleid mit den Armen; wer sich mit Kochen und Backen muß quälen, dem sollst du seinen Laib Brot nicht stehlen. Aber beim heiligen Kreuzeszeichen, mir darf man nicht mit falschen Würfeln spielen; ich bin ein alter Jagdhund und verstehe mich auf jedes Hussah-heh! und reibe mir auch zu rechter Zeit den Schlaf aus den Augen und lasse mir keinen blauen Dunst vormachen, denn ich weiß, wo mich der Schuh drückt. Das sag ich von dessentwegen, weil ich für die Guten zugänglich und bei der Hand sein will und die Schlechten bei mir keinen Schritt und keinen Fuß hereinsetzen sollen. Und mir scheint, bei dem Statthaltern und Regieren kommt alles auf den Anfang an, und es wäre möglich, daß nach vierzehn Tagen Statthalterschaft ich mir aus lauter Vergnügen daran die Finger nach dem Amt lecken täte und mehr davon verstünde als von der Feldarbeit, bei der ich aufgewachsen bin.«

»Ihr habt recht, Sancho«, sagte die Herzogin; »es fällt kein Meister vom Himmel, und aus Menschen macht man Bischöfe und nicht aus Steinen. Aber um wieder auf unser voriges Gespräch zurückzukommen, nämlich über die Verzauberung des Fräulein Dulcinea, so halte ich für sicher und mehr als erwiesen, daß jener Einfall Sanchos, seinen Herrn zum besten zu haben und ihm weiszumachen, die Bäuerin sei Dulcinea, und wenn er sie nicht erkenne, so müsse sie verzaubert sein – daß dieser Einfall in der Tat eine Erfindung der Zauberer war, die den Señor Don Quijote verfolgen. Denn tatsächlich weiß ich aus guter Quelle, daß jene Bäuerin, die den Sprung auf ihre Eselin tat, Dulcinea von Toboso war und ist und daß der wackere Sancho, während er meinte, der Betrüger zu sein, der Betrogene ist; und an dieser Tatsache ist so wenig zu zweifeln wie an alledem, was wir nie mit Augen gesehen. Ja, der Señor Sancho Pansa soll wissen, daß wir auch hierzulande Zauberer haben, die uns wohlgesinnt sind und uns glatt und einfach, ohne Arglist und Ränke sagen, was in der Welt vorgeht; und Ihr könnt mir glauben, Sancho, daß die eselspringerische Bauerndirne wirklich Dulcinea von Toboso war und ist und geradeso verzaubert ist wie ihre Mutter, die sie zur Welt geboren; und dereinst, wann wir es uns am wenigsten versehen, werden wir sie sicherlich in ihrer wahren Gestalt erblicken, und dann wird Sancho von dem Irrtum frei werden, in dem er sich jetzo befindet.«

»Alles das kann wohl sein«, entgegnete Sancho Pansa, »und jetzt will ich auch glauben, was mein Herr von den Merkwürdigkeiten erzählt hat, die er in der Höhle des Montesinos gesehen, wo er nach seinen Worten das Fräulein Dulcinea von Toboso in derselben Tracht und Kleidung erblickte, wie ich angab sie gesehen zu haben, als ich lediglich zu meinem persönlichen Vergnügen sie verzauberte. Gerade das Gegenteil davon muß wahr gewesen sein. Denn von meinem armseligen Verstand kann und darf man nicht annehmen, daß er eine so spitzfindige Schelmerei im Nu ausgeheckt hätte. Auch halte ich meinen Herrn nicht für so verrückt, als daß er auf eine so dürftige und magere Versicherung wie die meinige etwas glauben würde, das wider alle menschliche Vernunft ist. Indessen, Señora, wäre es darum doch nicht recht, wenn Hochdero Gütigkeit mich darum für einen böswilligen Menschen halten wollte; denn ein Klotzkopf wie ich ist nicht gehalten, die Gedanken und Bosheiten der abscheulichen Zauberer zu kennen. Ich habe die Geschichte ersonnen, um dem Schelten meines Herrn Don Quijote zu entgehen, und nicht in der Absicht, ihm weh zu tun; und wenn es umgekehrt ausgefallen ist, so lebt ein Gott im Himmel, der Herzen und Nieren prüft.«

»So ist’s in Wahrheit«, sprach die Herzogin. »Aber sagt mir jetzt, Sancho, was ist es denn eigentlich mit der Höhle des Montesinos? Es wäre mir angenehm, das zu wissen.«

Darauf erzählte ihr Sancho Punkt für Punkt, was über dies Abenteuer berichtet worden; und als die Herzogin es vernommen, sagte sie: »Aus diesem Vorgang läßt sich schließen: weil der große Don Quijote sagt, er habe dort die nämliche Bäuerin gesehen wie Sancho am Ausgang von Toboso, so unterliegt es keinem Zweifel, daß es Dulcinea ist und daß die Zauberer hier in der Gegend sehr rührig sind und alles und jedes mit größter Aufmerksamkeit verfolgen.«

»Das sag ich auch«, versetzte Sancho Pansa; »wenn unser Fräulein Dulcinea von Toboso verzaubert ist, so ist’s ihr eigner Schaden; ich aber, ich will nicht mit den Feinden meines Herrn anbinden, sie müssen allzu zahlreich und bösartig sein. Wahr bleibt es, die ich gesehen habe, war eine Bäuerin, und für eine Bäuerin hab ich sie gehalten, und für eine Bäuerin, wie gesagt, hab ich sie erkannt; und wenn sie dennoch Dulcinea war, so geht das nicht auf meine Rechnung und darf mir nicht zu Lasten geschrieben werden; oder wer’s tut, soll mir schwer davon zu tragen haben. Aber das ist die alte Leier: Sancho hat’s gesagt, Sancho hat’s getan, Sancho ist hinüber, Sancho ist herüber – als ob Sancho so der erste beste wäre und nicht derselbe Sancho, der bereits in Büchern weit und breit durch die Welt geht, wie mir Sansón Carrasco gesagt hat, der nichts Geringeres ist als ein gelehrtes Haus, ein Mann, den sie in Salamanca selbst zum Baccalaur gemacht haben; und solche Personen können nicht lügen, höchstens wenn sie gerade Lust dazu haben oder es ihnen ganz besonders dient. Also braucht keiner mit mir anzubinden, und da ich einen guten Leumund habe und ein guter Name, wie ich von meinem Herrn gehört habe, mehr wert ist als großer Reichtum, so mache man mir nur immer die Statthalterschaft einstweilen zurecht, und man wird sein blaues Wunder sehen; denn wer ein guter Schildknappe gewesen ist, wird auch ein guter Statthalter sein.«

»Alles, was der wackere Sancho da gesagt hat«, sprach die Herzogin, »sind lauter Catonische Denksprüche oder, zum wenigsten, dem Michael Verino, florentibus occidit annis, aus der Seele gesprochen. Wirklich, wirklich, um nach seiner Art zu reden, unter einem schlechten Mantel steckt in der Regel ein guter Trinker.«

»Wahrlich, Señora«, entgegnete Sancho, »ich hab in meinem ganzen Leben niemals aus bösem Vorsatz getrunken; aus Durst, ja, das wäre möglich, denn ich habe nichts vom Heuchler an mir; ich trinke, wann ich Lust habe, und wann ich keine Lust habe und man mir zu trinken gibt, damit ich nicht zimperlich oder unmanierlich aussehe; denn wenn ein Freund dir zutrinkt, welch ein Herz ist so steinern, nicht Bescheid zu tun? Hosen, die zieh ich an, aber mache sie nicht schmutzig; trinken tu ich, aber nicht saufen, zumal die Schildknappen der fahrenden Ritter für gewöhnlich nur Wasser trinken, dieweil sie stets durch Forsten, Wälder und Felder, über Berge und Felsklippen ziehen, ohne nur einen barmherzigen Tropfen Wein zu bekommen, und wenn sie ein Auge darum geben wollten.«

»Das glaube ich wohl«, sagte die Herzogin darauf, »und für jetzt mag Sancho schlafen gehen; später wollen wir weiter miteinander reden und Anordnung treffen, daß ihm die bewußte Statthalterschaft schleunigst zurechtgemacht werde, wie er sich ausdrückt.«

Abermals küßte Sancho der Herzogin die Hände und bat sie, ihm die Gnade zu erweisen, daß für seinen Grauen gut gesorgt werde, denn der sei sein Herz und seine Seele und das Licht seiner Augen.

»Was ist das für ein Grauer?« fragte die Herzogin.

»Mein Esel«, antwortete Sancho; »um ihn nicht mit diesem Namen zu nennen, heiße ich ihn gewöhnlich meinen Grauen. Die Frau Kammerfrau da hab ich gebeten, als ich hier ins Schloß kam, sie möchte für ihn sorgen, und sie ward darob so entrüstet, als ob ich ihr gesagt hätte, sie sei eine häßliche oder alte Jungfer, während es doch viel passender und natürlicher für Kammerfrauen sein muß, den Eseln ihr Futter zu geben, als in den Schloßzimmern vornehm zu tun. Gott soll’s wissen, wie hat sich einmal ein Junker in meinem Dorf mit diesen Damen so schlimm gestanden!«

»Das muß wohl ein gemeiner Bauer gewesen sein«, versetzte Doña Rodríguez, die Kammerfrau; »wär er ein Junker gewesen und edel von Geburt, so hätte er sie bis über die Hörner des Monds und die Sterne erhoben.«

»Schon gut, nicht weiter!« sprach die Herzogin; »Doña Rodríguez soll schweigen, und Señor Pansa soll sich zufriedengeben, und die Verpflegung des Grauen soll meine Sorge sein; denn da er Sanchos Kleinod ist, will ich ihn wie meinen Augapfel hüten und auf den Händen tragen.«

»Wofern er nur im Stalle steht, so ist das schon genug«, entgegnete Sancho; »denn auf Euer Hoheit Händen sind weder er noch ich wert einen Augenblick getragen zu werden, und das würde ich ebensowenig erlauben, als daß mir einer Dolchstöße versetzte; denn wenn auch mein Herr sagt, daß man in betreff der Höflichkeiten eher durch eine Karte zuwenig als zuviel das Spiel verliert, so muß man doch, wenn es Esel und andere Langohren betrifft, stets die Richtschnur an der Hand haben und maßhalten.«

»Sancho soll ihn mit zur Statthalterschaft befördern«, sprach die Herzogin, »dort kann er ihn pflegen, wie er will, ja auch ihn in den Ruhestand versetzen.«

»Frau Herzogin«, sprach Sancho, »Euer Gnaden braucht nicht zu denken, Ihr hättet da zuviel gesagt; ich habe wohl schon zwei Esel und noch mehr zu Statthalterschaften kommen sehen, und daß ich den meinigen dazu beförderte, wäre gerade nichts Neues.«

Sanchos Worte weckten aufs neue bei der Herzogin soviel Lachen wie Vergnügen; sie schickte ihn zur Ruhe und ging zum Herzog, um ihm zu erzählen, wie sie sich mit Sancho unterhalten. Beide verabredeten unter sich einen Plan und alle Vorbereitungen, um Don Quijote einen Possen zu spielen, der ganz ausgezeichnet und der Manier der Ritterbücher wohl angepaßt sein sollte, einer Manier, in der sie ihm noch andere Streiche spielten, alle so sachgemäß und so gescheit angelegt, daß es die besten Abenteuer sind, die in dieser großen Geschichte vorkommen.

26. Kapitel


Wo das anmutige Abenteuer mit dem Puppenspiel fortgesetzt wird, nebst andern in Wirklichkeit äußerst schönen Geschichten

Still war’s, und jedes Ohr hing an Äneens Munde:

ich will sagen, alle, die dem Puppenspiel zuschauten, hingen am Munde des Erklärers von dessen Wunderdingen, als man hinter der Puppenbühne hervor eine Menge Pauken und Trompeten erschallen und zahlreiche Geschütze feuern hörte. Dieser Lärm ging rasch vorüber, und sogleich erhob der Bursche seine Stimme und sprach: »Diese wahrhafte Geschichte, die hier den Herrschaften vorgeführt wird, ist buchstäblich aus den französischen Chroniken entnommen sowie aus den spanischen Romanzen, die im Munde der Männer und Jünglinge weit und breit auf den Gassen umgehen. Sie zeigt, wie der Señor Don Gaiféros seine Gattin Melisendra befreite, welche da gefangensaß in Spanien in der Gewalt der Mohren, zu Sansueña, denn so hieß damals die Stadt, die heutzutage Zaragoza heißt. Schaut her, meine Herrschaften, wie der Don Gaiféros beim Brettspiel sitzt, genauso, wie es im Liede heißt:

Beim Brettspiel sitzt der Ritter Don Gaiféros,
Und Melisendra hat er längst vergessen.

Und die Person, die hier auftritt, mit der Krone auf dem Haupt und dem Zepter in Händen, ist der Kaiser Karl der Große, der als Vater selbiger Melisendra gilt; ärgerlich ob des müßigen Treibens und der Lässigkeit seines Schwiegersohnes, kommt er, um ihn zu zanken; und schaut nur, mit welchem Ungestüm und Nachdruck er ihn schilt! so daß er gerade aussieht, als wollte er ihm mit dem Zepter ein halb Dutzend Kopfnüsse geben; ja es gibt Schriftsteller, die da sagen, er habe sie ihm gegeben, und zwar ganz tüchtig gegeben. Und nachdem er ihm vieles darüber gesagt, welche Gefahr seine Ehre laufe, wenn er nicht für die Befreiung seiner Gattin Sorge trage, sagte er zu ihm, wie erzählt wird:

Nun sagt ich genug; bedenkt es.

Schaut nun auch, meine Herrschaften, wie der Kaiser ihm den Rücken kehrt und den Don Gaiféros ganz verdrossen stehenläßt; seht, wie der, außer sich vor Zorn, das Spielbrett und die Steine weit von sich wegwirft und eilig seine Waffen begehrt und von seinem Vetter Don Roldán dessen Schwert Durindana geliehen haben will und wie Don Roldán es ihm nicht leihen will, hingegen ihm seine Begleitung bei dem schwierigen Unternehmen anbietet, das er vorhat. Er aber, der Mannhafte und Zürnende, will sie nicht annehmen; vielmehr sagt er, er allein sei schon Manns genug, seine Gemahlin dem Kerker zu entreißen, wenn sie selbst im tiefsten Mittelpunkt der Erde gefangensäße; und hiermit geht er ab, sich zu wappnen, um sich unverzüglich auf den Weg zu begeben.

Wendet nun die Augen, meine Herrschaften, zu jenem Turm, der sich dorten zeigt; es wird angenommen, daß es einer von den Türmen der Burg von Zaragoza ist, welche man heutzutage die Aljafería heißt; und jene Dame, die auf dem Söller dort in Mohrentracht erscheint, ist die unvergleichliche Melisendra, die von dort aus gar viele Male nach dem Wege gen Frankreich ausgeschaut und sich in ihrer Gefangenschaft damit getröstet hat, daß sie ihre Gedanken fleißig nach Paris und zu ihrem Gatten wandern ließ. Jetzt aber werdet ihr ein neues Ereignis sehen, das vielleicht noch nie erschaut worden. Seht ihr nicht jenen Mohren, der ganz still und sachte, Schritt für Schritt, den Finger auf dem Munde, hinter der schönen Melisendra herankommt? Nun schaut, wie er ihr einen Kuß mitten auf die Lippen gibt und wie eilig sie dann ausspuckt und sich mit ihrem weißen Hemdärmel den Mund abwischt und wie sie jammert und aus Verzweiflung sich ihre schönen Haare ausrauft, als trügen sie die Schuld an dem Frevel. Schauet ferner, wie jener andere würdige Mohr dort auf dem offenen Gange steht; es ist der König Marsilius von Sansueña, der die Frechheit jenes Mohren gesehen und deshalb, wiewohl es ein Verwandter und großer Günstling von ihm ist, sogleich befiehlt, ihn zu greifen und ihn mit zweihundert Hieben auf den Rücken durch die hierzu bräuchlichen Straßen der Stadt zu schleppen,

Mit Ausrufern voraus
Und der Büttel Piken hinterdrein.

Seht hier, wie sie den Spruch vollführen, obwohl das Verbrechen kaum vollführt worden, denn bei den Mohren gibt es keine Zustellung an die Parteien, keine Beweisaufnahme, keinen Vollstreckungsbefehl wie bei unsereinem.«

»Kind, Kind«, fiel hier Don Quijote mit lauter Stimme ein, »verfolge deine Geschichte in gerader Linie und laß dich nicht auf Quersprünge ein; denn um einen Tatbestand klarzustellen, sind zu viel Beweise und Gegenbeweise erforderlich.«

Auch Meister Pedro sprach von innen: »Junge, laß dich auf keine Weitschweifigkeiten ein, sondern tu, was hier der Herr dir befiehlt, das wird am richtigsten sein; bleibe du bei deinem einfachen Lied und laß dich nicht auf kontrapunktische Figuren ein, die gewöhnlich vor lauter Künstlichkeit in die Brüche gehen.«

»Das will ich tun«, gab der Bursche zur Antwort und fuhr folgendermaßen fort: »Diese Figur, die hier zu Pferde erscheint in einem Gaskognermantel, ist Don Gaiféros in eigner Person, den seine Gattin erwartet; nachdem die Dreistigkeit des verliebten Mohren gesühnt ist, hat sie sich mit fröhlicherem und schon beruhigterem Antlitz auf den Erker des Turmes gestellt und spricht mit ihrem Gatten, in der Meinung, es sei irgendein Wandersmann, und mit dem hält sie nun all die Besprechungen und Unterredungen aus den Romanzen, wo es heißt:

Ritter, so Ihr zieht gen Frankreich,
O so fraget nach Gaiféros.

Davon will ich aber hier nichts weiter hersagen, weil die Weitschweifigkeit meistens Überdruß erzeugt. Genug, daß ihr seht, wie Don Gaiféros sich entdeckt und wie Melisendra durch ihr freudiges Gebaren uns zeigt, daß sie ihn erkannt hat; jetzt sehen wir sogar, wie sie sich vom Söller herabläßt, um sich dem Gaul ihres wackeren Gemahls auf die Kruppe zu setzen. Aber ach! die Unglückliche! Ein Zipfel ihres Unterrocks hat sich in einer Eisenstange des Söllers verfangen, und sie hängt in der Luft, ohne zum Boden herabgelangen zu können. Aber ihr seht, wie der barmherzige Himmel in den größten Nöten Hilfe bringt; denn Don Gaiféros eilt herbei, und ohne darauf zu achten, ob das prächtige Unterröcklein zerreißt oder nicht, zieht er sie zum Boden herunter und hebt sie mit einem Schwung seinem Pferde auf die Kruppe, daß sie rittlings sitzt wie ein Mann, und er heißt sie sich festhalten und die Arme von hintenher um ihn schließen, so daß sie ihm diese auf der Brust kreuzt, um nicht zu fallen, denn die Prinzessin Melisendra war solcherlei Reitens nicht gewohnt. Ihr seht ferner, wie der Gaul wiehert und damit deutlich zeigt, daß er sich der tapferen und schönen Bürde freut, die er an seinem Herrn und seiner Herrin trägt. Ihr seht; wie sie den Rücken wenden und sich aus der Stadt entfernen und heiter und seelenvergnügt den Weg nach Paris einschlagen. Ziehe in Frieden, du edles Liebespaar, du Paar, wie ein andres nicht zu finden! Möget ihr sicher und wohlbehalten in eurem ersehnten Vaterlande anlangen, ohne daß das Schicksal jemals eurer glückhaften Fahrt ein Hindernis in den Weg lege! Mögen die Augen eurer Freunde und Anverwandten euch in stillem Frieden die Tage genießen sehen, die euch das Leben noch übrigläßt und deren so viele sein mögen als diejenigen Nestors.«

Hier erhub Meister Pedro seine Stimme abermals und rief: »Bleib in der Ebene, Junge, und versteige dich nicht zu hoch, das gezierte Wesen mißfällt immer.«

Der Dolmetsch gab keine Antwort, sondern fuhr folgendermaßen fort: »Es fehlte nicht an müßigen Augen, die alles zu sehen pflegen, es war nicht möglich, daß sie das Heruntergleiten und Aufsitzen Melisendras nicht gesehen hätten; sie gaben dem König Marsilius davon Kunde, der dann sogleich Lärm schlagen ließ; und schauet nur, wie eilig! Denn beinahe versinkt die ganze Stadt in den Boden vom Geläute der Glocken, die auf allen Türmen der Moscheen erschallen.«

»Das nicht!« fiel hier Don Quijote ein; »in betreff der Glocken begeht Meister Pedro einen ganz groben Irrtum; denn bei den Mauren gibt es keine Glocken, sondern nur Pauken und eine Art von Holzflöten, ähnlich unsern Schalmeien; und das Glockenläuten in Sansueña ist jedenfalls eine große Verkehrtheit.«

Als Meister Pedro dies vernahm, hörte er gleich mit seinem Läuten auf und sprach: »Euer Gnaden sollte nicht auf solche Kleinigkeiten sehen, Señor Don Quijote; treibt doch nicht alles so auf die Spitze, daß zuletzt keine mehr da ist. Führt man nicht hierzulande tausend Komödien auf, voll von tausend Ungehörigkeiten und Verkehrtheiten, und trotz alledem machen sie ihren Weg mit größtem Erfolg und werden nicht nur mit Beifall angehört, sondern mit Bewunderung und allem möglichen? Fahr fort, Junge, und laß reden; denn wenn ich nur meinen Geldbeutel fülle, führe ich meinetwegen mehr Verkehrtheiten auf, als es Sonnenstäubchen gibt.«

»Das ist ganz wahr«, versetzte Don Quijote.

Der Bursche aber sprach weiter: »Schauet nur, wie viele und wie glänzende Reiterei zur Verfolgung dieses edlen Liebespaares aus der Stadt zieht, wieviel Trompeten blasen, wieviel Flöten schallen und wieviel Pauken und Trommeln schlagen! Ich fürchte, man wird sie einholen und, an den Schweif ihres eignen Rosses gebunden, zurückschleppen, was ein grausiges Schauspiel sein würde.«

Als nun Don Quijote so viel Mohrenvolk sah und so viel brausenden Lärm hörte, bedünkte es ihn wohlgetan, dem fliehenden Paar Hilfe zu gewähren; er stand auf und rief mit mächtiger Stimme: »Nie würde ich gestatten, daß während meiner Lebenstage und in meiner Gegenwart einem so ruhmvollen Ritter und so kühnen Liebeshelden wie Don Gaiféros so von der Übermacht mitgespielt werde. Haltet an, gemeines Gesindel, keinen Schritt weiter, sonst seid ihr in Fehde mit mir!«

Ein Mann, ein Wort! Schon zog er das Schwert, sprang in einem Satze dicht vor das Puppentheater und begann mit raschester, beispielloser Wut auf das Mohrenpuppenvolk Hiebe niederregnen zu lassen, schlug die einen nieder, säbelte den andern den Kopf ab, hieb den einen zum Krüppel, den andern in Stücke, und unter viel andern Hieben zog er eine so gewaltige Prime, daß er, wenn Meister Pedro sich nicht gebückt, die Glieder eingezogen und sich vorsichtig geduckt, ihm den Kopf abgehackt hätte, als wäre er von Marzipan. Meister Pedro schrie: »Haltet ein, gnädiger Herr Don Quijote! Bedenket doch, was Ihr da niederwerft, in Stücke schlagt und umbringt, das sind keine wirklichen Mauren, sondern Püppchen aus Pappe; bedenket, Gott sei mir armen Sünder gnädig! All mein Hab und Gut zerstört Ihr und richtet mir’s zugrunde!«

Aber Don Quijote ließ darum nicht ab und wiederholte seine Hiebe, doppelhändige Schwertschläge, Quarten und Terzen, als ob sie geregnet kämen. In einem Wort, in kürzerer Zeit, als man zwei Kredos betet, hatte er das ganze Puppentheater zu Boden geschlagen, die ganze Maschinerie und alle Puppen kurz und klein gehauen, den König Marsilius schwer verwundet und Kaiser Karl dem Großen Krone und Kopf in zwei Stücke zerspalten. Das zuhörende Publikum geriet in Aufruhr, der Affe flüchtete über das Dach des Wirtshauses, der Vetter geriet in Angst, der Diener in Schrecken; ja Sancho selbst empfand eine ganz gewaltige Furcht; denn nachdem das Unwetter vorübergegangen, schwur er, seinen Herrn niemals in einem so wahnsinnigen Zorn gesehen zu haben.

Nachdem nun die allgemeine Zerstörung des Puppentheaters vollbracht war, beruhigte sich Don Quijote ein wenig und sprach: »Jetzt möchte ich alle jene hier vor mir haben, die nicht glauben noch sich überzeugen lassen wollen, wie großen Nutzen die fahrenden Ritter der Welt bringen. Bedenket, wenn ich mich hier nicht zugegen befände, was aus dem wackeren Don Gaiféros und der schönen Melisendra geworden wäre; ganz gewiß wäre schon die Stunde da, wo diese Hunde sie eingeholt und ihnen irgendwelche Unbill angetan hätten. Mit einem Wort, hoch lebe das fahrende Rittertum, hoch über allem, was heutzutage auf Erden lebt!«

»Möge es denn in Gottes Namen hochleben!« sprach Meister Pedro mit kläglicher Stimme, »und möge ich elendiglich sterben, da ich so im Unglück bin, daß ich mit König Rodrigo sagen kann:

Gestern war ich Herr von Spanien;
Heut hab ich nicht eine Zinne,
Die ich mein noch heißen könnte.

Es ist noch nicht eine halbe Stunde her, ja nicht einen halben Augenblick, da sah ich mich als Herrn von Königen und Kaisern, meine Ställe und Kasten und Säcke voll unzähliger Pferde und unendlichen Staates, und jetzt seh ich mich zugrunde gerichtet und niedergeschlagen, ein armer Mann und Bettler und obendrein noch ohne meinen Affen, denn wahrlich, ehe ich den wieder in meine Gewalt bringe, werde ich Blut schwitzen müssen. Und all das durch die unbedachte Wut dieses Herrn Ritters, von dem man rühmt, er beschütze die Waisen, steuere dem Unrecht und tue noch andre Liebeswerke; und bei mir allein ist sein edelmütiges Wollen in die Brüche gegangen: Lob und Preis dafür dem Himmel in seinen höchsten Regionen! Es ist einmal nicht anders, der Ritter von der traurigen Gestalt war dazu bestimmt, meine Puppen zu den traurigsten Gestalten zu verunstalten.«

Sancho Pansa gingen Meister Pedros Worte zu Herzen, und er sagte zu ihm: »Weine doch nicht, Meister Pedro, und jammere nicht so, du brichst mir das Herz; ich sage dir, mein Herr Don Quijote ist ein echter und gewissenhafter Christ, und wenn er zur Einsicht kommt, daß er dir ein Unrecht getan hat, wird er schon die rechte Weise finden und gern erbötig sein, dich zu bezahlen und zufriedenzustellen, und wird dir noch viel drauflegen.«

»Sofern der Herr Don Quijote einen Teil der Kulissen und Figuren, die er zerstört hat, mir bezahlen wollte, so wäre ich zufriedengestellt, und Seine Gnaden würde sein Gewissen beruhigen, denn keiner kann selig werden, der sich fremdes Gut gegen den Willen des Besitzers anmaßt und es nicht zurückerstattet.«

»Das ist wahr«, versetzte Don Quijote, »aber bis jetzt ist mir nicht bewußt, daß ich mir etwas von Eurem Besitz angemaßt hätte, Meister Pedro.«

»Nicht bewußt?« entgegnete Meister Pedro, »und diese Leichenreste, die hier auf diesem harten dürren Boden umherliegen, wer anders hat sie zerstreut und zerstört als die unbesiegliche Kraft dieses gewaltigen Armes? Und wem gehörten ihre Körper als mir? Und womit ernährte ich mich als mit ihnen?«

»Jetzt muß ich vollends glauben«, erwiderte hier Don Quijote, »was ich schon so oft vermutet: daß nämlich jene Zauberer, die mich verfolgen, mir beständig die Gestalten, wie sie wirklich sind, vor Augen stellen und sie mir dann gleich in alles, was ihnen einfällt, verwandeln. Wirklich und wahr, sag ich euch Herren, die ihr mich anhört, ist mir alles, was hier geschehen, so vorgekommen, als wenn es buchstäblich so geschähe und Melisendra wäre Melisendra und Don Gaiféros wäre Don Gaiféros und Marsilius wäre Marsilius und Karl der Große wäre Karl der Große. Deshalb ist mein Zorn entbrannt, und um meinen Beruf als fahrender Ritter zu erfüllen, wollte ich dem fliehenden Paar Hilfe und Beistand gewähren, und in dieser guten Absicht hab ich getan, was ihr gesehen habt. Ist es verkehrt ausgeschlagen, so ist es nicht meine Schuld, sondern die der bösen Geschöpfe, die mich verfolgen. Nichtsdestominder will ich für diesen meinen Irrtum, obschon er nicht aus Böswilligkeit entsprungen, mich selbst zu den Kosten verurteilen. Überlegt, Meister Pedro, was Ihr für die zerschlagenen Puppen haben wollt; ich erbiete mich, es Euch sofort in gutem und gangbarem spanischem Gelde zu bezahlen.«

Meister Pedro verbeugte sich vor ihm und sagte: »Nichts Geringeres erwartete ich von dem beispiellosen christlichen Sinn des mannhaften Don Quijote von der Mancha, des wahren Helfers und Beschützers aller notbedrängten und hilfsbedürftigen Landfahrer; und hier sollen der Herr Wirt und der große Sancho zwischen Euer Gnaden und mir Vermittler und Abschätzer des Wertes sein, den die nun einmal zerschlagenen Puppen haben oder haben konnten.«

Der Wirt und Sancho erklärten sich dazu bereit, und sogleich hob Meister Pedro den König Marsilius von Zaragoza, dem der Kopf fehlte, vom Boden auf und sagte: »Ihr seht, wie unmöglich es ist, diesen König wieder in seinen früheren Zustand zu versetzen, und daher bedünkt es mich, besserem Ermessen unvorgreiflich, daß mir für seinen Tod, Hintritt und Untergang vier und ein halber Real zu verabreichen sind.«

»Weiter«, sprach Don Quijote.

»Sodann für diese klaffende Wunde von oben bis unten«, fuhr Meister Pedro fort, indem er den entzweigehauenen Kaiser Karl den Großen zu Händen nahm, »wäre nicht zuviel, wenn ich fünf und ein viertel Realen verlangte.«

»Das ist nicht zuwenig«, fiel Sancho ein.

»Auch nicht zuviel«, erklärte der Wirt; »wir wollen den Posten halbieren und fünf Realen dafür auswerfen.«

»Gebt ihm die fünf und ein viertel ganz«, versetzte Don Quijote; »denn bei dem Ersatz für ein so bedeutendes Unglück kommt es nicht auf einen Viertelreal mehr oder weniger an. Meister Pedro soll aber rasch zu Ende kommen, denn es wird Essenszeit, und es kommen mir gewisse Anwandlungen von Hunger.«

»Für diese Puppe«, sprach Meister Pedro, »die keine Nase hat und der ein Auge fehlt, es ist die der schönen Melisendra, will ich, und ich halte mich dabei an den richtigen Preis, zwei Realen und zwölf Maravedis.«

»Ei, das wäre der Teufel«, fiel Don Quijote ein, »wenn die Melisendra mit ihrem Gatten nicht wenigstens schon an der französischen Grenze wäre, denn das Roß, auf dem sie ritten, schien mir eher zu fliegen als zu laufen; und sonach ist mir nicht zuzumuten, daß ich die Katze für einen Hasen kaufe und mir hier eine Melisendra ohne Nase und Augen vorweisen lasse, während die wahre soeben jetzt in Frankreich dabei ist, sorglos mit ihrem Gatten der Muße zu pflegen. Gott gesegne einem jeden das Seinige, Herr Meister Pedro! Ziehen wir unsres Weges mit ruhigem Schritte und redlicher Gesinnung! Und nun fahret fort!«

Da Meister Pedro sah, daß Don Quijote wieder linksum machte und in seine früheren Einbildungen zurückfiel, wollte er sich den guten Kunden nicht entgehen lassen und sprach daher zu ihm: »Das muß nicht Melisendra sein, sondern eins von den Fräulein, die sie bedienten, und sonach, wenn man mir sechzig Maravedis für sie gibt, bin ich zufrieden und wohlbezahlt.«

Auf diese Weise setzte er noch für viele andre zertrümmerte Puppen den Preis an, den dann die beiden Schiedsrichter ermäßigten, zur Zufriedenheit beider Teile, welche so bis zum Betrag von vierzig und dreiviertel Realen gelangten. Außer diesem Gelde, das Sancho auf der Stelle hergab, verlangte Meister Pedro zwei Realen für die Mühe, den Affen einzufangen.

»Gib sie ihm« sprach Don Quijote, »nicht um den Affen einzufangen, sondern damit Ihr einen Affen oder auch einen Spitz nach Hause bringt. Aber zweihundert gäb ich jetzo Trinkgeld, wer mir mit Gewißheit sagen könnte, ob die Señora Doña Melisendra und der Señor Don Gaiféros schon in Frankreich und bei den Ihrigen sind.«

»Keiner könnte es uns besser sagen als mein Affe«, sagte Meister Pedro; »aber kein Teufel vermöchte ihn jetzo einzufangen, wiewohl ich denke, seine Anhänglichkeit und sein Hunger werden ihn heut abend noch zwingen, mich aufzusuchen. Nun, Gott wird morgen Tag werden lassen, da werden wir schon sehn.«

So ging denn das Unwetter, das sich ob des Puppentheaters erhoben, zu Ende, und alle verzehrten ihr Abendessen in Frieden und Freundschaft und auf Kosten Don Quijotes, der über die Maßen freigebig war. Ehe noch der Morgen anbrach, zog der Mann mit den Speeren und Hellebarden von dannen; und nachdem es Tag geworden, nahmen der Vetter und der junge Diener Abschied von Don Quijote, der erste, um nach seinem Heimatort zurückzukehren, der andre, um seine Reise fortzusetzen, und zur Beihilfe für diese spendete Don Quijote ein Dutzend Realen. Meister Pedro wollte sich nicht abermals mit Don Quijote, den er nun zur Genüge kannte, in Hin- und Herreden einlassen; er stand daher früh vor der Sonne auf, nahm die Überbleibsel seines Puppentheaters und seinen Affen und ging ebenfalls auf die Suche nach seinen eignen Abenteuern.

Den Wirt, der Don Quijote nicht kannte, setzten dessen Narreteien ebensosehr in Verwunderung wie dessen Freigebigkeit. Zum Schlusse bezahlte ihn Sancho sehr reichlich, nach seines Herrn Befehl; sie nahmen Abschied von ihm, verließen etwa um acht Uhr morgens die Schenke und begaben sich auf den Weg, wo wir sie hinziehen lassen wollen, damit wir Zeit für die Erzählung andrer Dinge gewinnen, die zum Verständnis dieser fürtrefflichen Geschichte gehören.

27. Kapitel


Wo berichtet wird, wer Meister Pedro und sein Affe gewesen, benebst dem Mißerfolge Don Quijotes bei dem Abenteuer mit den Iah-Schreiern, welches er nicht so zu Ende führte, wie er gewollt und gedacht hatte

Sidi Hamét, der Chronist dieser merkwürdigen Geschichte, beginnt dies Kapitel mit den Worten: Ich schwöre als ein katholischer Christ … Hierzu bemerkt der Übersetzer, daß, wenn Sidi Hamét als ein katholischer Christ schwur, während er doch unzweifelhaft Maure war, dies nichts andres bedeute als: geradeso wie der katholische Christ die Wahrheit schwört oder beschwören soll und gelobt, sie in jeder Beziehung zu sagen, ebenso werde auch er die Wahrheit, wie wenn er als katholischer Christ den Eid geleistet hätte, in allen Dingen sagen, die er über Don Quijote schreiben wolle, insbesondere in seinem Bericht, wer Meister Pedro gewesen und wer der wahrsagende Affe, der all jene Ortschaften mit seinen Angaben in Verwunderung gesetzt habe.

Nun sagt er, wer den ersten Teil dieser Geschichte gelesen habe, werde sich noch, jenes Ginés von Pasamonte erinnern, dem mit andern Galeerensklaven Don Quijote in der Sierra Morena die Freiheit gegeben, eine Wohltat, die ihm nachher von diesem schlechten und argen Pack übel gedankt und noch übler gelohnt wurde. Dieser Ginés von Pasamonte, den Don Quijote Gineselchen von Parapilla hieß, war derselbe, der unsrem Sancho Pansa seinen Grauen gestohlen hatte; und weil im ersten Teil durch Verschulden der Drucker das Wann und Wie nicht beigebracht worden, hat das vielen Leuten Anlaß zu allerhand Bedenken gegeben, indem sie den Fehler der Druckerei der Vergeßlichkeit des Verfassers zur Last legten. Allein, kurz gesagt, Ginés stahl ihn, während Sancho Pansa schlafend auf ihm saß, indem er die List und das gleiche Verfahren anwandte wie Brunell, als er dem Sakripant vor Albraca das Roß zwischen den Beinen wegstahl; späterhin erlangte Sancho seinen Esel wieder, wie berichtet worden.

Dieser Ginés also, in der Angst, von der Polizei aufgespürt zu werden, die ihn suchte, um ihn für seine unzähligen Schelmenstreiche und Verbrechen zu bestrafen – welche so zahlreich und so eigenartig waren, daß er selbst ein dickes Buch mit deren Beschreibung gefüllt hat –, beschloß, nach dem Königreich Aragon hinüberzuwandern, sich das linke Auge zu verdecken und sich dem Geschäft eines Puppenspielers zu widmen; denn darauf und auf die Taschenspielerei verstand er sich hervorragend. Es geschah nun, daß er von einigen freigelassenen Christen, die aus der Berberei kamen, jenen Affen kaufte, den er lehrte, jedesmal, wenn er ihm ein gewisses Zeichen gab, ihm auf die Schulter zu springen und ihm etwas ins Ohr zu flüstern oder doch so zu tun. Nachdem ihm dies gelungen, pflegte er jedesmal, ehe er den Ort, den er gerade besuchen wollte, mit seinem Puppentheater und Affen betrat, sich in dem nächstgelegenen Dorf, oder bei wem es sonst am leichtesten anging, zu erkundigen, was für besondere Ereignisse in dem fraglichen Ort vorgefallen und welchen Personen dieselben begegnet seien, und prägte sie seinem Gedächtnisse gut ein. Das erste, was er dann tat, war, daß er sein Puppenspiel sehen ließ, welches einmal die eine, ein andermal die andre Geschichte, aber stets eine heitere und ergötzliche und allbekannte zum besten gab. War die Vorstellung zu Ende, so sprach er von den Künsten seines Affen und sagte dem Volk, dieser errate alles Vergangene und Gegenwärtige, aber auf das Zukünftige lasse er sich nicht ein. Für die Antwort auf jede einzelne Frage verlangte er zwei Realen; für einige tat er es auch billiger, je nachdem es ihm angemessen schien, wenn er den Fragern an den Puls fühlte. Manchmal kam er auch in ein Haus, von dessen Bewohnern er die Lebensgeschichte kannte, und auch wenn man ihn nichts fragte, weil man ihm nichts zahlen wollte, gab er seinem Affen das Zeichen und erklärte sogleich, der Affe habe ihm dies und jenes gesagt, was mit den wirklichen Vorgängen gänzlich übereinstimmte. Hierdurch gewann er unsägliches Vertrauen und Ansehn bei den Leuten, und alles lief ihm nach. Andre Male wieder antwortete der Schlauberger so, daß die Antwort auf jede Frage paßte, und da niemand ihm näher auf den Grund ging oder ihn drängte zu erklären, warum alles von seinem Affen erraten werde, wußte er jedermann zu äffen und füllte seinen Lederbeutel.

Gleich wie er ins Wirtshaus trat, erkannte er Don Quijote und Sancho, und so fiel es ihm leicht, Don Quijote und Sancho Pansa und alle in der Schenke Anwesenden in Verwunderung zu setzen; aber es wäre ihn teuer zu stehen gekommen, wenn Don Quijote mit der Hand etwas tiefer herabgefahren wäre, als er dem König Marsilius den Kopf abschlug und dessen ganze Reiterei vernichtete, wie im vorhergehenden Kapitel gesagt worden.

Dies ist es, was von Meister Pedro und seinem Affen zu berichten ist. Nun kehre ich zu Don Quijote von der Mancha zurück und sage, daß er nach dem Abschied von der Schenke beschloß, zuerst die Ufer des Flusses Ebro und die ganze Umgegend zu besuchen, bevor er in die Stadt Zaragoza einzöge, da bis zum Turnier ihm Zeit genug zu allem blieb. In dieser Absicht zog er seines Weges weiter und verfolgte ihn zwei Tage lang, ohne daß ihm etwas begegnete, was des Niederschreibens wert wäre, bis er am dritten beim Hinaufreiten auf einen Hügel ein großes Gelärm von Trommeln, Trompeten und Musketen hörte. Im Anfang glaubte er, ein Fähnlein Kriegsleute ziehe in der Nähe vorüber, und um sie zu sehen, ritt er den Hügel ganz hinauf; als er aber auf dem Gipfel hielt, erblickte er unten an dessen Fuß einen Haufen, nach seiner Schätzung mehr als zweihundert Leute, mit verschiedenartigen Waffen gerüstet, sagen wir mit Spießen, Armbrüsten, Partisanen, Hellebarden, Piken, einigen Musketen und vielen Rundschilden. Er ritt von der Anhöhe wieder herunter und näher auf die Schar zu, bis er die Banner deutlich unterscheiden, sich über die Farben Rechenschaft geben und sich die Sinnbilder mit Wahlsprüchen merken konnte; namentlich fiel ihm eines auf, das auf einer Standarte oder Reiterfahne von weißem Atlas zu sehen war und das einen Esel, ähnlich einem kleinen sardinischen Langohr, ganz naturgetreu darstellte, mit emporgerecktem Kopf, offenem Maul und heraushangender Zunge, in der Bewegung und Stellung, als ob er im Iah-Schreien begriffen wäre; rings um das Tier standen mit großen Buchstaben diese zwei Verse geschrieben:

Nicht vergeblich iahten sie im Walde,
Der eine und der andere Alkalde.

Aus diesem Wahrzeichen entnahm Don Quijote, daß dies das Volk aus dem Iaher-Dorf sein müsse, und sagte dies seinem Sancho, wobei er ihm auseinandersetzte, was auf der Standarte geschrieben stand. Er sagte ihm auch, der Mann, der ihm diese Geschichte berichtet, habe sich mit der Angabe geirrt, daß es zwei Gemeinderäte gewesen, die das Iah-Geschrei hören ließen, denn nach den Versen auf der Standarte seien es vielmehr zwei Bürgermeister gewesen.

Darauf entgegnete Sancho: »Señor, daran dürft Ihr Euch nicht stoßen; es kann ja sein, daß die Gemeinderäte, die damals iah schrien, mit der Zeit Bürgermeister ihres Orts geworden sind, und daher kann man sie mit beiden Titeln benennen. Zumal es auch für die Wahrheit der Geschichte nichts ausmacht, ob die Iah-Schreier nun Gemeinderäte sind oder Bürgermeister, sofern sie nur ganz gewiß iah geschrien haben; denn ein Bürgermeister kann es schließlich so gut wie ein Gemeinderat.«

Zuletzt ersahen und erfuhren sie, daß das in Zorn entflammte Dorf jetzt auszog, um mit dem andern zu kämpfen, das jenes zum Zorn zu reizen pflegte, mehr, als recht war, und mehr, als sich für die gute Nachbarschaft ziemte. Don Quijote ritt näher zu ihnen hin, zu nicht geringer Bekümmernis Sanchos, der nie ein Freund davon war, solchen Fehden beizuwohnen. Die Leute von dem kriegerischen Trupp nahmen ihn in ihre Mitte, da sie glaubten, es sei einer von ihrer Partei. Don Quijote schlug das Visier auf und ritt mit adliger Entschlossenheit und Haltung bis zur Eselsstandarte, und dort stellten sich die Vornehmsten des Heeres rings um ihn her, um ihn anzuschauen mit jenem Staunen, in das jeder verfiel, der ihn zum erstenmal sah. Als Don Quijote die gespannte Aufmerksamkeit bemerkte, mit der sie ihn betrachteten, wollte er dies Stillschweigen benutzen, erhob die Stimme und sprach: »Liebe Herren, so inständig ich’s vermag, bitte ich euch, die Ansprache, die ich an euch richten will, nicht zu unterbrechen, bis ihr etwa findet, daß sie euch widerwärtig und langweilig ist; sobald aber dies der Fall ist, werde ich bei dem allerkleinsten Zeichen, das ihr gebet, ein Siegel auf meinen Mund drücken und meiner Zunge einen Zaum anlegen.«

Alle baten ihn zu sagen, was ihm gut dünke, sie würden ihm gerne zuhören.

Auf diese Erlaubnis hin fuhr Don Quijote folgendermaßen fort: »Ich, meine Herren, bin ein fahrender Ritter, dessen Beruf der des Waffenwerks ist und dessen Amt es ist, die Schutzbedürftigen zu schützen und den Notbedrängten zu Hilfe zu kommen. Es ist einige Tage her, seit ich euer Mißgeschick erfahren sowie den Grund, der euch veranlaßt, jeden Augenblick die Waffen zu ergreifen, um euch an euren Feinden zu rächen; und nachdem ich ein und viele Male in meinem Geiste über euren Handel nachgedacht, finde ich, den Gesetzen des Zweikampfs gemäß, daß ihr im Irrtum seid, wenn ihr eure Ehre für gekränkt haltet; denn kein einzelner kann eine ganze Ortschaft an der Ehre kränken, wenn er sie nicht etwa in ihrer Gesamtheit als Verräter anklagt und herausfordert, weil er nicht weiß, welcher einzelne die Verräterei begangen hat, ob deren seine Anklage und Forderung ergeht. Ein Beispiel hiervon haben wir in Don Diego Ordoñez de Lara, der gegen die ganze Stadt Zamora Anklage und Herausforderung ergehen ließ, weil er nicht wußte, daß Bellido Dolfos allein den Verrat begangen hatte, seinen König zu erschlagen; daher beschuldigte und forderte er alle, und die Rache und die Zurückweisung der Anklage war nun die Sache aller. Indessen ist es zweifellos, daß Señor Don Diego die Grenzen der Ausforderung zu weit überschritt; denn er hatte keinen Grund zur Anklage und Forderung gegen die Toten noch gegen das Wasser oder Brot noch gegen die noch Ungebornen noch gegen all den andern Kram, wie dorten berichtet wird. Aber das mag hingehn; denn wird der Zorn so heiß, daß er die eigne Mutter nicht schont, dann hat die Zunge keinen Vater, der sie zur Schonung anhält, und duldet weder Zuchtmeister noch Zaum.

Da es nun an dem ist, daß ein einzelner niemals ein Königreich, eine Landschaft, eine Stadt, ein Gemeinwesen oder eine ganze Einwohnerschaft an der Ehre kränken kann, so ist es klar, daß kein Anlaß vorliegt, Rache zu suchen für die Herausforderung oder Ehrenkränkung, da eine solche Kränkung nicht vorhanden ist. Es wäre wahrlich eine schöne Geschichte, wenn die Leute aus dem Orte, der Uhrenheim gescholten wird, oder jene, die zum Spotte Topfgucker oder Apfelmusfresser, junge Walfische, Seifensieder genannt oder mit andern Spitznamen und Titeln belegt werden, welche Gassenbuben und geringes Volk immer im Munde führen – eine schöne Geschichte wär es wahrlich, wenn all diese hochberufenen Städter sich ärgern und rächen und die Schwerter beständig wie Posaunen ziehen wollten, um sich in jeden beliebigen Streit zu stürzen, wie bedeutungslos er auch sein möge. Nein, nein, das gestatte und wolle Gott nicht. Männer von Einsicht, wie jedes wohlgeordnete Gemeinwesen, haben nur aus vier Gründen die Waffen zu ergreifen, die Schwerter zu ziehen und sich selbst und ihr Leben und Vermögen aufs Spiel zu setzen. Der erste Grund ist, den katholischen Glauben zu verteidigen; der zweite, sein Leben zu verteidigen, was göttlichen und menschlichen Rechtes ist; der dritte, zur Verteidigung seiner Ehre, seiner Familie und Habe; der vierte, zum Dienste seines Königs in gerechtem Kriege; und wenn wir einen fünften hinzufügen wollten – der eigentlich an zweiter Stelle genannt werden kann –, so war es zur Verteidigung seines Vaterlands. Zu diesen fünf Gründen als den wichtigsten kann man etliche andre beifügen, die gerecht und vernünftig sein mögen und uns zwingen können, die Waffen zu ergreifen; aber die Waffen für Kindereien zu ergreifen und wegen Dingen, die eher zum Lachen sind als zur Ehrenkränkung, da scheint es doch, daß, wer es tut, jeder vernünftigen Überlegung bar ist; besonders, sintemal eine ungerechte Rache – und eine gerechte kann es überhaupt nicht geben – geradeswegs wider die heilige Lehre geht, die wir bekennen und durch welche uns geboten wird, unsern Feinden Gutes zu tun und die zu lieben, die uns hassen, ein Gebot, das zwar etwas schwer zu erfüllen scheint, aber nur für diejenigen, die weniger von Gott als von der Welt und mehr vom Fleisch als vom Geist in sich haben. Denn Jesus Christus, der wahrhafte Gott und Mensch, der niemals gelogen hat noch lügen konnte noch kann, hat als unser Gesetzgeber gesagt, sein Joch sei sanft und seine Last leicht; und daher konnte er uns nichts befehlen, was zu erfüllen unmöglich wäre. Mithin, meine Herren, seid ihr nach menschlichen und göttlichen Gesetzen gehalten, eure Gemüter zum Frieden zu stimmen.«

»Soll mich der Teufel holen«, sagte hier Sancho für sich, »wenn dieser mein Herr nicht ein Tolloge ist; und wenn er es nicht ist, so gleicht er doch einem wie ein Ei dem andern.«

Don Quijote schöpfte einen Augenblick Atem, und da er bemerkte, daß die Leute ihm noch immer schweigend zuhörten, wollte er mit seiner Rede fortfahren, und er hätte auch fortgefahren, wenn nicht Sanchos Gescheitheit dazwischengefahren wäre; denn als er sah, daß sein Herr noch zögerte, nahm er das Wort für ihn und sprach: »Mein Herr Don Quijote von der Mancha, der sich eine Zeitlang der Ritter von der traurigen Gestalt nannte und sich jetzt der Löwenritter nennt, ist ein Junker von großer Überlegung, der Latein und Spanisch versteht wie ein Baccalaur und in allem, was er vornimmt und was er anrät, wie ein höchst wackerer Kriegsmann handelt und alle Gesetze und Ordnung dessen, was man Zweikampf heißt, bis aufs Tüpfelchen versteht; und daher ist weiter nichts zu tun, als sich von ihm und seinen Worten leiten zu lassen, und auf mein Haupt soll die Schuld kommen, wenn man dabei jemals fehlgeht; zumal es nun ausgemacht ist, daß es eine Dummheit ist, wenn man sich schon über ein Eselsgeschrei ärgert. Ich erinnere mich, daß ich, als ich noch ein Knabe war, iah schrie, wann und wie oft ich Lust hatte, ohne daß jemand mir’s wehrte, und zwar tat ich es so manierlich und natürlich, daß, wenn ich iahte, alle Esel des Dorfs iahten, und deshalb blieb ich doch immer meiner Eltern Sohn, die höchst ehrsame Leute waren; und wiewohl ich wegen dieses Talents von mehr als einem Halbdutzend der hochnäsigsten Leute in meinem Dorf beneidet wurde, gab ich nicht einen Deut darum. Und damit ihr seht, daß ich die Wahrheit sage, wartet einmal und hört zu, denn diese Kunst ist wie das Schwimmen: hat man es einmal gelernt, vergißt man es nie wieder.«

Und sofort hielt er die Hand an die Nase und begann so kräftig zu iahen, daß alle umliegenden Täler widerhallten. Aber einer von denen, die um ihn herstanden, in der Meinung, der Schildknappe treibe seinen Spott mit ihnen, erhob einen langen Stecken, den er in der Hand hatte, und gab ihm damit einen solchen Schlag, daß er den biedern Sancho Pansa, der nicht imstande war, dagegen aufzukommen, kopfüber zu Boden streckte.

Als Don Quijote seinen Sancho so übel zugerichtet sah, sprengte er mit eingelegtem Speer auf den Mann los, der den Schlag geführt, aber es waren ihrer so viele, die sich dazwischenwarfen, daß es nicht möglich war, ihn zu rächen; ja, im Gegenteil, als er sah, daß eine Wetterwolke von Steinen über ihn herregnete und tausend zielende Armbrüste und eine nicht geringere Zahl Musketen ihn bedräuten, wendete er Rosinante und jagte, so schnell dieser vermochte, aus dem Gedränge von dannen, wobei er sich Gott von ganzem Herzen anbefahl, daß er ihn aus dieser Gefahr befreien möge. Bei jedem Schritt fürchtete er, eine Kugel könnte ihm zum Rücken hinein- und zur Brust wieder herausfahren, und jeden Augenblick holte er aus tiefer Brust den Atem hervor, um zu sehen, ob er ihm nicht schon ausgehe. Aber die Leute begnügten sich damit, ihn fliehen zu sehn, ohne daß sie auf ihn schössen. Sancho setzten sie auf seinen Esel, nachdem er kaum wieder zu sich gekommen, und ließen ihn seinem Herrn nachreiten; nicht als wäre er imstande gewesen, sein Tier zu lenken, aber der Graue folgte den Spuren Rosinantes, von dem er keinen Augenblick ließ.

Als nun Don Quijote sich eine tüchtige Strecke entfernt hatte, blickte er sich um und sah Sancho kommen und erwartete ihn, da er bemerkte, daß keiner ihn verfolgte. Die Bauern verweilten dort bis zur Nacht, und weil ihre Gegner sich nicht zum Kampfe gestellt, kehrten sie fröhlich und guter Dinge in ihr Dorf zurück. Hätten sie die alte Sitte der Griechen gekannt, so hätten sie dort an Ort und Stelle ein Siegesmal aufgerichtet.

28. Kapitel


Von allerlei Dingen, die, wie Benengelí anmerkt, der Leser erfahren wird, so er sie mit Achtsamkeit lieset

Wenn der Tapfere flieht, ist des Feindes Kriegslist und Übermacht offenbar geworden, und es ist die Art fürsichtiger Männer, sich für eine bessere Angelegenheit aufzusparen. Diese Wahrheit bestätigte sich an Don Quijote, welcher, der Wut des Landvolks und den bösen Absichten jenes erregten Bauernhaufens weichend, sich aus dem Staube machte und, ohne an Sancho oder die Gefahr, in der er ihn zurückließ, zu denken, sich so weit entfernte, als ihm für seine Sicherheit hinreichend schien. Ihm folgte Sancho, quer auf seinem Esel liegend, wie schon berichtet. Als er endlich anlangte, war er wieder zu sich gekommen; er ließ sich von seinem Grauen herab und sank zu Rosinantes Füßen nieder, ganz voller Ängste, ganz zerdroschen und ganz zerprügelt. Don Quijote stieg ab, seine Wunden zu untersuchen, aber als er ihn von Kopf bis zu Füßen heil und gesund fand, sprach er mit nicht geringem Zorn zu ihm: »Zu gar unglücklicher Stunde hat Er zu iahen verstanden, Sancho! Wo hat Er denn gelesen, daß es nützlich sei, im Hause des Gehenkten vom Strick zu reden? Was für eine Begleitung paßte wohl zu Seiner Eselsmusik als die von Stockprügeln? Danke Er noch Gott dafür, daß man Ihn nur mit einem Stecken gesegnet und Ihm nicht das Zeichen des Kreuzes mit einem Säbel geschlagen hat.«

»Ich kann Euch nicht antworten«, antwortete Sancho, »denn mir ist, als spräche mein Rücken statt meiner. Steigen wir auf und entfernen wir uns von hier, ich werde künftig mein Iahen aufstecken, aber niemals aufhören zu sagen, daß die fahrenden Ritter fliehen und ihre braven Schildknappen, zu Brei und Staub zermalmt, in den Händen ihrer Feinde lassen.«

»Wer sich zurückzieht, flieht nicht«, entgegnete Don Quijote; »denn du mußt wissen, Sancho, die Tapferkeit, die nicht auf der Grundlage der Vorsicht ruht, heißt Vermessenheit, und die Heldentaten des Vermessenen werden weit mehr der Gunst des Glückes als seinem Mute zugeschrieben. Daher bekenne ich wohl, daß ich mich zurückgezogen, nicht aber, daß ich geflohen bin; und darin bin ich vielen Tapfern gefolgt, die sich für bessere Zeiten aufgespart haben, und hiervon sind die Geschichtsbücher voll, von denen ich dir aber, weil es dir nicht zum Nutzen und mir nicht zum Vergnügen gereicht, jetzo nichts berichten will.«

Inzwischen war Sancho mit Don Quijotes Beistand schon aufgestiegen; dieser schwang sich ebenfalls auf seinen Rosinante, und so ritten sie Schritt vor Schritt voran, um sich in einem Wäldchen zu bergen, das sich etwa eine Viertelmeile von dort zeigte. Von Zeit zu Zeit stieß Sancho ein klägliches Ach! und gar schmerzliche Seufzer aus, und auf Don Quijotes Frage nach der Ursache so bittern Leides antwortete er, von dem Ende des Rückgrats bis zum Genick hinauf habe er so arge Schmerzen, daß er fast von Sinnen komme.

»Die Ursache dieses Schmerzes muß gewißlich die sein«, versetzte Don Quijote, »daß der Stecken, mit dem du geschlagen wurdest, breit und lang war und dir mithin über den ganzen Rücken reichte, zu dem die Stellen alle gehören, die dir weh tun; und hätte der Stecken noch weiter gereicht, so würde dir noch mehr weh tun.«

»Bei Gott!« erwiderte Sancho, »da hat mich Euer Gnaden aus einer großen Ungewißheit gerissen und hat mich mit den hübschesten Ausdrücken darüber aufgeklärt. Ei, zum Kuckuck, war denn die Ursache meines Schmerzes so verborgen, daß man mich erst belehren mußte, es schmerze mich all das, was der Stecken getroffen hat? Wenn mir die Knöchel am Fuß weh täten, da könnte man allenfalls herumraten, weshalb sie mir weh tun; aber daß mir weh tut, was Prügel gespürt hat, das zu erraten ist keine Kunst. Wahrlich, mein werter Dienstherr, fremdes Leid hängt einem am Haar und schüttelt sich leicht ab. Jeden Tag entdecke ich aufs neue, wie wenig ich von der Kameradschaft mit Euch zu erwarten habe; denn wenn Ihr mich diesmal habt prügeln lassen, werden wir noch einmal und noch hundertmal zu dem Wippen von damals wiederkommen und zu andern Gassenbubereien, und habe ich diese diesmal auf dem Rücken verspürt, so werde ich sie künftig über die Augen kriegen. Weit besser tät ich – nur bin ich leider ein Esel und werde in meinem ganzen Leben nichts Gescheites tun! –, weit besser tät ich, sag ich nochmals, wenn ich zu meinem Hause und meiner Frau und meinen Kindern heimkehrte und täte mit dem, was mir Gott in seiner Gnade beschert, meine Frau ernähren und meine Kinder erziehen und nicht mit Euch herumziehen auf weglosen Wegen, auf Pfaden und Bahnen, wo weder Pfad noch Bahn ist, und das bei schlechtem Trunk und noch schlechterem Essen. Und dann erst das Schlafen! Zähle, mein lieber Knappe, sieben Fuß Erdboden ab, und wünschest du mehr, nimm noch einmal soviel, denn es steht bei dir, darüber frei zu verfügen, und strecke dich ganz nach deinem Belieben aus. O daß ich doch den auf dem Scheiterhaufen und zu Staub verbrannt sähe, der sich zuerst auf das fahrende Rittertum geworfen, oder wenigstens den ersten, der sich zum Schildknappen hergegeben solcher tollen Kerle, wie es die bisherigen fahrenden Ritter alle gewesen sein müssen! Von den heutigen sage ich nichts; denn weil Euer Gnaden einer von ihnen ist, so hab ich Respekt vor ihnen und insbesondere, weil ich weiß, daß Ihr in allem, was Ihr redet und denkt, dem Teufel selbst an Gescheitheit immer um einen Schritt voraus seid.«

»Ich möchte eine ordentliche Wette mit Ihm anstellen, Sancho«, erklärte Don Quijote, »daß jetzt, wo Er in einem fort schwatzt, ohne daß jemand ihm dazwischenfährt, ihm an Seinem ganzen Leibe nichts weh tut. Rede Er, mein Sohn, was Ihm nur in den Sinn und auf die Lippen kommt; denn sofern Ihn nur nichts mehr schmerzet, will ich mir dafür die Langeweile, die mir Sein ungereimtes Zeug verursacht, zum Vergnügen gereichen lassen. Und wenn Er sich so sehr nach Hause zu Weib und Kindern sehnt, so wolle Gott nicht, daß ich Ihn daran hindere; Er hat ja Geld von mir bei sich, überlege Er sich, wie lang es her ist, seit wir dies dritte Mal aus unsrem Dorf auszogen, überlege Er, wieviel Er jeden Monat verdient haben kann und muß, und mache Er sich selbst bezahlt.«

»Als ich«, erwiderte Sancho, »bei Tomé Carrasco, dem Vater des Baccalaur Sansón Carrasco, diente, den Euer Gnaden gut kennt, verdiente ich zwei Taler den Monat außer dem Essen. Was ich bei Euer Gnaden verdienen soll, weiß ich nicht, obzwar ich weiß, daß der Knappe des fahrenden Ritters sich mehr abplagen muß, als wer bei einem Bauersmann dient. Denn wirklich, wer bei Bauern arbeitet, mag noch soviel bei Tag schaffen müssen, er hat doch schlimmstenfalls zur Nacht seine Fleischsuppe zu essen und ein Bett zum Schlafen; in einem solchen aber hab ich nicht geschlafen, seit ich Euer Gnaden diene, ausgenommen die kurze Zeit, wo wir im Hause des Don Diego de Miranda verweilten; und ferner den Schmaus mit den guten Sachen, die ich aus Camachos Fleischtöpfen abschöpfte, und ferner, was ich in Basilios Haus genossen habe an Essen, Trinken und Schlafen. Die ganze übrige Zeit hab ich auf harter Erde unter freiem Himmel geschlafen, allem preisgegeben, was man die Ungunst des Wetters nennt, und habe mich von ein paar Schnitzeln Käse und Brotkrumen genährt und Wasser getrunken, bald aus den Bächen, bald aus den Quellen, wie wir sie in den unwegsamen Gegenden finden, durch die wir unsern Weg nehmen.«

»Ich gebe zu«, sagte Don Quijote, »alles, was du sagst, mag wahr sein; wieviel, meint Er, soll ich Ihm mehr geben, als Tomé Carrasco Ihm gab?«

»Meiner Meinung nach«, sprach Sancho, »da würde ich mit zwei Realen, die mir Euer Gnaden jeden Monat drauflegte, mich für gut bezahlt erachten, das heißt, soviel den Lohn angeht. Aber sofern es sich um die Abfindung handelt für Euer Wort und Versprechen, mir die Statthalterschaft einer Insul zu verleihen, da wäre es recht und billig, daß Ihr mir noch weitere sechs Realen drauflegtet, und das würde im ganzen dreißig Realen ausmachen.«

»Gut«, versetzte Don Quijote, »und nach diesem Lohne, den Er sich selber ausgeworfen hat, fünfundzwanzig Tage ist’s her, seit wir aus unsrem Dorf ausgezogen, rechne Er es nach Verhältnis aus, Sancho, und sehe Er zu, was ich Ihm schulde, und mache Er sich, wie gesagt, mit eigenen Händen bezahlt.«

»Ei, der Kuckuck«, sprach Sancho, »Euer Gnaden geht ganz fehl in Dero Rechnung, denn bei dem Versprechen der Insul muß von dem Tag an gerechnet werden, wo Euer Gnaden sie mir versprach, bis zur gegenwärtigen Stunde, darin wir leben.«

»Wie? Ist es denn so lang her, Sancho, daß ich sie Ihm versprach?« sagte Don Quijote.

»Wenn ich mich recht entsinne«, antwortete Sancho, »muß es mehr als zwanzig Jahre her sein, drei Tage mehr oder minder.«

Don Quijote schlug sich mit aller Macht vor die Stirn, brach in herzliches Lachen aus und sprach: »Bin ich doch in der Sierra Morena und im ganzen Verlauf unsrer Fahrten höchstens kaum zwei Monate umhergezogen, und du behauptest, Sancho, es sei zwanzig Jahre her, daß ich dir die Insul versprochen? Da seh ich allerdings, du willst, daß das Geld, das du von mir hast, gänzlich für deinen Lohn drauf geht; und wenn das so ist und du Lust dazu hast, so schenke ich dir gleich auf der Stelle, und wohl bekomm es dir! Denn um nur eines so schlechten Schildknappen ledig zu sein, will ich mit Vergnügen arm und ohne einen Pfennig bleiben. Aber sage mir, du Übertreter aller schildknapplichen Gesetze des fahrenden Rittertums, wo hast du gehört oder gelesen, daß jemals eines fahrenden Ritters Schildknappe sich mit seinem Herrn auf solches Feilschen eingelassen hat: soundso viel mehr müßt Ihr mir geben, damit ich Euch diene? Forsche doch, forsche doch, du Bösewicht, du elender Feigling, du Scheusal, denn wie all dieses kommst du mir vor, forsche doch die Flut ihrer Geschichten durch, und so du findest, daß jemals ein Schildknappe gesagt oder nur gedacht hat, was du jetzt sagst, so sollst du es mir auf die Stirne nageln und als Zugabe mit vier Nasenstüber ins Gesicht zeichnen. Wende deinem Grautier die Zügel oder vielmehr das Halfter und kehre heim zu deinem Hause, denn nicht einen winzigen Schritt mehr sollst du von heut an mit mir ziehen. O welch schlechter Dank für mein Brot! O übel angebrachte Versprechungen! O du, der mehr von einer Bestie als von einem Menschen an sich hat! Jetzt, wo ich dachte, dich zu Würden zu bringen, und zwar zu solchen, daß man dich, deiner Frau zum Trotz, Euer Herrlichkeit nennen müßte, jetzt willst du mich verlassen? Jetzt gehst du, wo ich des festen und der Ausführung sichern Vorsatzes lebte, dich zum Herrn der besten Insul der Welt zu machen? Aber in Wahrheit, wie du schon früher etlichemal gesagt hast, der Honig ist nicht da für des Esels Maul. Ein Esel bist du, und ein Esel wirst du bleiben, und als Esel wirst du enden, wann du einst deinen Lebenslauf abschließest; denn ich bin überzeugt, dein Leben wird eher sein letztes Ziel erreichen, ehe du merkst und einsiehst, daß du ein dummes Vieh bist.«

Während Don Quijote ihn mit solchen Scheltworten überhäufte, schaute Sancho seinen Herrn starren, unverwandten Blickes an, und es kam eine solche Zerknirschung über ihn, daß ihm Tränen in die Augen traten und er endlich mit schmerzbewegter und wehleidiger Stimme zu ihm sagte: »Herre mein, ich gesteh es zu, zum vollständigen Esel fehlt mir nur der Schwanz; will Euer Gnaden mir den ansetzen, so will ich gerne sagen, der Schwanz gehöre mir von Rechts wegen zu, und will Euch zum Esel dienen alle meine noch übrigen Lebtage. Verzeihet mir, habt Mitleid mit meiner Jugend und bedenket, daß ich gar unwissend bin und daß, wenn ich viel rede, das mehr von Schwäche als von Bosheit kommt; doch: Wer fehlt und sich Besserung vorgenommen, darf hoffen, vor Gottes Thron zu kommen.«

»Ich hätte mich gewundert, Sancho, wenn du nicht wieder ein Sprüchlein in deine Rede eingestreut hättest. Nun gut, ich verzeihe dir, mit dem Beding, daß du dich besserst und daß du von jetzt an nicht mehr so an deinen Vorteil denkst, sondern daß du dich bestrebst, dein Herz weit zu machen, und Mut und Zuversicht fassest, die Erfüllung meiner Zusagen abzuwarten; denn wenn es sich auch verzögert, so wird es darum nicht unmöglich.«

Sancho versprach, er würde demgemäß handeln, wenn er auch den Mut dazu nur aus seiner Schwäche schöpfen könnte.

Hiermit begaben sie sich in das Wäldchen, und Don Quijote lagerte sich am Fuß einer Ulme, Sancho am Fuß einer Buche; denn diese Bäume und andre ihresgleichen haben immer nur Füße und niemals Hände. Sancho verbrachte die Nacht unter Schmerzen, denn der lange Stecken machte sich bei der nächtlichen Kühle stärker bemerklich; Don Quijote verbrachte sie unter seinen üblichen beständigen Erinnerungen. Aber trotz alledem gaben beide ihre Augen dem Schlummer hin, und beim Anbrechen der Morgenröte setzten sie ihren Weg fort, um die Gestade des Ebro aufzusuchen, wobei ihnen begegnete, was im kommenden Kapitel erzählt werden soll.

25. Kapitel


Wo das Abenteuer vom Eselsgeschrei berührt wird, auch das gar kurzweilige von dem Puppenspieler, benebst den denkwürdigen Offenbarungen des wahrsagenden Affen

Es ließ unserm Don Quijote nicht Rast noch Ruhe, und er brannte vor Ungeduld, die Wunderdinge zu hören, die ihm der Mann mit den Waffen versprochen hatte. Er ging und suchte ihn da, wo er nach Angabe des Wirtes zu treffen war; er fand ihn und sagte ihm, jedenfalls müsse er ihm unverzüglich mitteilen, was er ihm wegen der unterwegs an ihn gerichteten Anfrage zu sagen habe.

Der Mann antwortete: »Nur bei größerer Muße und nicht stehenden Fußes kann die Geschichte von meinen Wunderdingen erzählt werden; laßt mich, mein guter Herr, mein Tier erst vollends versorgen, und ich will Euch manches sagen, das Euch in Erstaunen setzen wird.«

»Darum soll es wahrlich nicht unterbleiben«, erwiderte Don Quijote; »ich will Euch bei allem helfen.«

Und so tat er denn auch, er siebte die Gerste und reinigte die Krippe; eine Herablassung, die den Mann bewog, bereitwilligst zu erzählen, was der Ritter von ihm begehrte. Er setzte sich auf eine steinerne Bank und Don Quijote neben ihn; als Zuhörer hatten sie den Vetter, den Diener, Sancho Pansa und den Wirt, und er hob folgendermaßen zu erzählen an: »Ihr müßt wissen, verehrte Herren, daß in einer Ortschaft, fünfthalb Meilen von hier, ein Gemeinderat seinen Esel vermißte; es geschah dies durch Hinterlist und Tücke seines jungen Dienstmädchens, was zu weitläufig zu erzählen wäre. Wiewohl nun besagter Gemeinderat sich alle denkbare Mühe gab, ihn wiederzufinden, gelang ihm dies doch nicht. Vierzehn Tage mochten vorübergegangen sein, wie man allgemein sagt und glaubt, seit der Esel fehlte, als auf dem Marktplatz zu dem vom Verlust betroffenen Gemeinderat ein andrer Gemeinderat desselben Ortes kam und sagte: ›Gebt mir Botenlohn, Gevatter, Euer Esel ist zum Vorschein gekommen.‹

›Den Botenlohn geb ich Euch, und einen guten‹, erwiderte der andre; ›aber laßt hören, wo er zum Vorschein gekommen.‹

›Im Walde‹, antwortete der Finder, ›hab ich ihn heut morgen gesehen, ohne Sattel und Geschirr und so mager, daß es ein jämmerlicher Anblick war. Ich wollte ihn vor mir hertreiben und ihn Euch bringen; aber er ist schon so wild und scheu geworden, daß er, als ich auf ihn zuging, von dannen lief und in das versteckteste Dickicht des Waldes rannte. Wenn Ihr wollt, daß wir alle beide ihn wieder suchen gehen, so laßt mich nur meine Eselin nach Haus bringen; ich komme gleich wieder.‹

›Das ist sehr freundlich von Euch‹, sagte der Herr des Esels, ›und es soll meine Sorge sein, Euch dereinst in gleicher Münze zu bezahlen.‹

Mit all diesen Umständen und auf dieselbe Art erzählen es alle, die den wahren Hergang der Sache kennen. Kurz, die zwei Gemeinderäte gingen in treuer Freundschaft zu Fuße nach dem Wald, aber als sie an Ort und Stelle kamen, wo sie den Esel zu finden gedachten, fanden sie ihn nicht, und er ließ sich weit und breit nicht sehen, so eifrig sie ihn auch suchten. Als er nun nirgends zu entdecken war, sagte der Gemeinderat, der den Esel erblickt hatte, zu dem andern: ›Hört, Gevatter, es ist mir ein Kniff eingefallen, mit dem wir ganz gewiß das Tier auffinden können, und sollte es im innersten Schoß der Erde stecken, geschweige im Wald; nämlich ich kann wundervoll iahen, und wenn Ihr es auch ein wenig könnt, so dürft Ihr die Sache für abgemacht ansehen.‹

›Ein wenig, sagt Ihr, Gevatter?‹ sprach der andre; ‹bei Gott, darin nehme ich es mit jedem auf, selbst mit dem Esel.‹

›Das wollen wir gleich sehen‹, sagte der zweite Gemeinderat. ›Ich habe mir ausgedacht, Ihr geht durch den Wald nach der einen Richtung und ich nach der andern, so daß wir den Wald ganz umkreisen und ganz durchstreifen, und von Zeit zu Zeit sollt Ihr iahen und will ich iahen, und da muß uns der Esel hören und uns antworten, wenn er wirklich im Walde ist.‹

Darauf antwortete der Herr des Esels: ›Ich sag Euch, Gevatter, der Anschlag ist ausgezeichnet und Eures großen Geistes würdig.‹

Als sich die beiden nun gemäß dem Übereinkommen trennten, geschah es, daß sie fast zur nämlichen Zeit iah schrien, und jeglicher von ihnen, vom Iahen des andern getäuscht, eilte herbei, seinen Gefährten aufzusuchen, in der Meinung, der Esel sei schon gefunden. Als sie einander erblickten, sagte der vom Verlust betroffene Gemeinderat: ›Ist’s möglich, Gevatter, daß es nicht mein Esel war, der da schrie?‹

‹Nein, niemand war’s als ich‹, entgegnete der andre.

›Jetzt aber sag ich‹, sprach der Besitzer des Esels, ›zwischen Euch und einem Esel ist nicht der geringste Unterschied, was das Iahen betrifft; denn in meinem ganzen Leben hab ich nichts Natürlicheres gehört noch gesehen.‹

›Solches Lob und so hoher Preis‹, antwortete der Erfinder der List, ›gebühren Euch eher als mir; denn bei dem Gott, der mich erschaffen hat, Ihr könnt dem besten und geübtesten Iah-Schreier auf Erden zwei Iahs vorgeben. Denn Euer Ton ist so stark, Ihr haltet die Stimme so in richtigem Takt, Rhythmus und Tempo, daß ich mich für überwunden erkläre; ich übergebe Euch die Palme und reiche Euch das Banner des Führers in dieser seltenen Fertigkeit.‹

›Jetzt muß ich allerdings sagen‹, entgegnete der Eselsbesitzer, ›daß ich von nun an mehr von mir halten und mich höher schätzen werde, weil ich einiges Talent besitze; denn wenn ich auch glaubte, gut iah zu schreien, so habe ich doch nie gedacht, daß ich darin eine solche Vollendung besitze, wie Ihr sagt.‹

›Ich muß jetzt auch noch bemerken‹, versetzte der zweite, ›daß gar manche seltene Begabungen auf der Welt verlorengehen und bei denen übel angebracht sind, die sie nicht zu benützen wissen.‹

›Unsere Talente‹, antwortete der Eselsbesitzer, ›können uns in anderen Fällen als dem, den wir gerade unter den Händen haben, wenig nützen, und selbst in diesem: wollte Gott, sie wären uns von Nutzen!‹

Hierauf trennten sie sich abermals und huben aufs neue an, ihr Iah zu schreien; aber jeden Augenblick täuschten sie sich wieder und liefen wieder aufeinander zu, bis sie verabredeten, sie wollten immer zweimal hintereinander iah schreien, um zu erkennen, daß sie es seien und nicht der Esel. Hiermit durchstreiften sie den ganzen Wald und stießen bei jedem Schritte ihr Iah doppelt aus, ohne daß der verlorene Esel antwortete oder auch nur etwas von sich merken ließ. Aber wie sollte das unglückliche Tier antworten, da sie es endlich im verstecktesten Dickicht von den Wölfen angefressen fanden? Und als sein Herr den Esel erblickte, sprach er: ›Wohl mußte ich mich verwundern, daß er keine Antwort gab; denn wäre er nicht tot gewesen, so hätte er iah geschrien, sobald er uns hörte, oder er wäre kein Esel gewesen. Aber damit, daß ich Euch so lieblich iahen gehört, Gevatter, halte ich die Mühsal für gut bezahlt, die ich beim Suchen gehabt, wenn ich ihn auch tot gefunden habe.‹

›Das stand ja in guter Hand, Gevatter‹, antwortete der andre; ›denn wenn der Priester gut singt, bleibt der Chorknabe nicht hinter ihm zurück.‹

Hiermit kehrten sie, trostlos und heiser, in ihr Dorf zurück und erzählten dort ihren Freunden, Nachbarn und Bekannten, was alles ihnen auf der Suche nach dem Esel begegnet war, wobei der eine das Talent des andern im Iahen über die Maßen rühmte. Die ganze Geschichte wurde bald in den umliegenden Orten bekannt und verbreitet; und da der Teufel, der nie schläft, seine Freude daran hat, Hader und Zwietracht zu säen und auszustreuen, wo es nur immer geht, und zu diesem Zwecke bösartigen Klatsch ohne Sinn und die größten Händel um nichts und wieder nichts aufrührt, so trieb er die Leute aus den andern Ortschaften an, wenn sie einen aus unsrem Dorf zu Gesicht bekamen, iah zu schreien, als wollten sie ihnen das Iahen unsrer Gemeinderäte unter die Nase reiben. Auch die Gassenbuben fingen es auf, und das hieß allen bösen Geistern der Hölle in die Hände und in die Mäuler geraten; das Eselsgeschrei griff um sich von Dorf zu Dorf, so daß die aus dem Iaher-Dorf Gebürtigen nunmehr überall kenntlich sind, wie Neger kenntlich sind unter Weißen. Ja, diese unselige Spötterei hat endlich dahin geführt, daß oftmals mit bewaffneter Hand und geschlossener Schar die Verspotteten gegen die Spötter auszogen, um einander Schlachten zu liefern, ohne daß König oder Königin, Furcht oder Scham es hindern konnten. Ich glaube, morgen oder nächster Tage werden die von meinem Dorf, das heißt die Leute, bei denen das Iahen angefangen hat, gegen ein andres Dorf zu Felde ziehen, welches zwei Meilen vom unsrigen entfernt ist und zu denen gehört, die uns am ärgsten verfolgen; und weil sie wohlgerüstet ausziehen wollen, habe ich die Spieße und Hellebarden gekauft und hergebracht, die Ihr gesehen habt. Dies also sind die Wunderdinge, die ich, wie ich gesagt, Euch zu erzählen hatte; und wenn sie Euch nicht so wundersam vorkommen, ich weiß keine andern weiter.«

Hiermit schloß der wackere Bursche seine Erzählung. Gleichzeitig trat zur Tür der Schenke ein Mann herein, der ganz in Gemsleder gekleidet war, Strümpfe wie Hosen und Wams; mit lauter Stimme sprach er: »Herr Wirt, gibt’s Quartier? Hier kommt der wahrsagende Affe und das Puppenspiel von der Befreiung der Melisendra.«

»Potztausend!« sagte der Wirt; »da kommt ja Meister Pedro; heut steht uns ein herrlicher Abend bevor.«

Ich vergaß zu bemerken, daß Meister Pedro das linke Auge und fast die halbe Wange mit einem Pflaster von grünem Taft bedeckt hatte, ein Zeichen, daß diese ganze Seite an einem Schaden litt.

Der Wirt fuhr fort: »Euer Gnaden sei willkommen, Meister Pedro. Wo ist der Affe und das Puppentheater, daß ich sie nicht sehe?«

»Sie sind schon ganz nahe«, antwortete der Gemslederne; »ich bin nur vorausgegangen, um zu hören, ob es Quartier gibt.«

»Das würde ich sogar dem Herzog von Alba wegnehmen, um es Meister Pedro zu geben«, erwiderte der Wirt; »laßt nur den Affen und das Puppentheater kommen, es sind diese Nacht Leute im Wirtshaus, die dafür zahlen werden, das Theater und die Künste des Affen zu sehen.«

»Sehr gut«, entgegnete der mit dem Pflaster; »ich werde den Preis ermäßigen und will mit meinen Unkosten allein schon ganz zufrieden sein. Ich will nur noch einmal zurück und machen, daß der Karren mit dem Affen und dem Puppentheater bald kommt.«

Und sofort eilte er wieder aus der Schenke hinaus. Don Quijote fragte sogleich den Wirt, was für ein Meister Pedro das sei und was für ein Puppentheater und was für einen Affen er bei sich führe.

Der Wirt antwortete: »Der Mann ist ein ausgezeichneter Puppenspieler, der seit vielen Tagen in unsrer aragonesischen Mancha umherzieht und das Puppenspiel von Melisendra sehen läßt, wie sie durch den ruhmvollen Don Gaiféros befreit wird, eine der schönsten und am besten dargestellten Geschichten, die man seit langen Jahren in unsrem Königreich gesehen hat. Er hat auch einen Affen bei sich, der besitzt die seltenste Geschicklichkeit, die man jemals unter Affen gefunden hat oder die ein Mensch sich überhaupt vorstellen kann; denn wenn man ihn etwas fragt, horcht er auf die Frage, springt sogleich seinem Herrn auf die Schultern und dicht ans Ohr und sagt ihm die Antwort auf das Gefragte, und Meister Pedro tut sie sogleich den Zuhörern kund. Von vergangenen Dingen sagt er mehr als von zukünftigen; und obschon er nicht immer in allen Sachen das Richtige trifft, so geht er doch bei den meisten nicht fehl, so daß man glauben möchte, er habe den Teufel im Leibe. Zwei Realen nimmt Meister Pedro für jede Frage, wenn nämlich der Affe eine Antwort gibt, ich meine, wenn der Herr für ihn antwortet, nachdem der Affe ihm was ins Ohr gesagt. Daher glaubt man auch, daß der Meister Pedro steinreich ist; auch ist er ein galantuomo und buon compagno, wie man in Italien sagt, und lebt herrlich und in Freuden; er schwatzt mehr als ihrer sechse und trinkt mehr als ihrer zwölfe, und alles das verdient ihm seine Zunge, sein Affe und sein Puppentheater.«

Indem kehrte Meister Pedro zurück, und auf einem Karren kam auch das Puppentheater und der Affe, groß und ohne Schwanz, das Gesäß wie von Filz, das Gesicht aber sah nicht übel aus.

Kaum hatte ihn Don Quijote erblickt, als er ihn fragte: »Sagt mir doch, Herr Wahrsager, che pesce pigliamo? Was steht uns bevor? Hier habt Ihr meine zwei Realen.«

Sogleich befahl er Sancho, dem Meister Pedro das Geld zu geben. Der aber antwortete für den Affen: »Señor, über zukünftige Dinge gibt das Tier weder Antwort noch Auskunft; auf vergangene versteht es sich einigermaßen und auf gegenwärtige ein wenig.«

»Bei Gott!« sagte Sancho, »dafür gäb ich keinen Pfifferling, daß man mir sagt, was mit mir vorgegangen ist; denn wer kann das besser wissen als ich selbst? Und daß ich dafür zahle, daß man mir sagt, was ich weiß, wäre eine große Dummheit. Aber da er sich auf die gegenwärtigen Dinge versteht, hier sind meine zwei Realen, der Herr Wunderaffe soll mir sagen: Was macht jetzt meine Frau Teresa Pansa und womit beschäftigt sie sich?«

Meister Pedro wollte das Geld nicht nehmen und sprach: »Ich mag die Bezahlung nicht im voraus nehmen, sondern die Dienstleistung muß vorangehen.«

Und wie er sich nun mit der rechten Hand zweimal auf die linke Schulter schlug, sprang der Affe mit einem Satz hinauf, hielt das Maul an Pedros Ohr, klappte mit den Zähnen hastig aufeinander, und nachdem er dies Spiel, etwa so lang man ein Kredo betet, getrieben hatte, sprang er wieder mit einem Satz auf den Boden, und im Augenblick warf sich Meister Pedro mit größter Hast auf die Knie vor Don Quijote, umfaßte dessen Beine und sprach: »Um diese Beine schling ich meine Arme, grade als ob ich die beiden Säulen des Herkules umfaßte, o du erlauchter Auferwecker des schon in Vergessenheit geratenen Rittertums! O du nimmer nach Gebühr gepriesener Ritter Don Quijote von der Mancha, du Stütze der Fallenden, Arm der Gefallenen, Stab und Trost aller Unglücklichen!«

Don Quijote war starr, Sancho außer sich, der Vetter in Staunen versunken, der Diener schier entsetzt, der Mann aus dem Iaher-Dorf stand mit offnem Maule und der Wirt ganz verdutzt; kurz, alle schraken zusammen, die des Puppenspielers Worte gehört.

Der aber fuhr folgendermaßen fort: »Und du, o wackerer Sancho Pansa, du, der beste Schildknappe des besten Ritters auf Erden! Freudig vernimm, daß es deinem guten Weibe Teresa gut ergeht; zur Stunde hechelt sie ein Pfund Flachs, und zum Wahrzeichen hat sie zu ihrer Linken einen Krug mit zerbrochenem Halse stehen, der einen tüchtigen Schluck Wein faßt; womit sie sich bei ihrer Arbeit erheitert.«

»Das glaub ich wohl«, entgegnete Sancho, »denn sie ist ein kreuzbraves Weib, und wäre sie nicht eifersüchtig, so würde ich sie nicht gegen die Riesin Andandona tauschen, die nach meines Herrn Bericht ein äußerst rechtschaffenes Frauenzimmer war; meine Teresa aber gehört zu jenen Weibern, die sich nichts abgehn lassen, und sollt es auch auf Kosten ihrer Erben geschehen.«

»Jetzt muß ich sagen«, fiel hier Don Quijote ein, »wer viel liest und viel reist, sieht vieles und erfährt vieles. Ja, das sag ich, denn welche Überredung hätte genügt, mich zu überreden, daß es Affen auf der Welt gibt, die wahrsagen können, wie ich es jetzt mit meinen eigenen Augen gesehen? Bin ich doch der nämliche Don Quijote von der Mancha, den dies wackere Tier genannt hat, obschon es etwas zu freigebig mit meinem Lob gewesen; aber wer und wie ich auch immer sein möge, ich danke dem Himmel, der mich mit einem weichen und mitfühlenden Gemüte begabt hat, das stets geneigt ist, jedermann Gutes und keinem Böses zu tun.«

»Wenn ich Geld hätte«, sagte der Diener, »würde ich den Herrn Affen fragen, wie es mir auf der Wanderschaft gehen wird, die ich vorhabe.«

Darauf antwortete Meister Pedro, der sich von dem Fußfall vor Don Quijote bereits wieder erhoben hatte: »Ich habe schon gesagt, daß dies Tierchen über Zukünftiges keine Antwort erteilt; wenn es sie erteilte, so käme es darauf nicht an, daß einer Geld hat, denn um dem allhier gegenwärtigen Señor Don Quijote gefällig zu sein, würde ich jeden Geldvorteil auf Erden beiseite setzen. Jetzt nun, weil ich es ihm schuldig bin und weil ich ihm Vergnügungen machen will, werde ich mein Puppentheater aufstellen und allen in der Schenke Anwesenden eine Freude bereiten, und zwar ohne alle Bezahlung.«

Als der Wirt dies hörte, freute er sich über die Maßen und wies einen Platz an, wo das Theater aufgestellt werden konnte, und es war dies in einem Augenblick geschehen. Don Quijote war mit der Wahrsagerei des Affen nicht zufrieden, weil es ihm unziemlich erschien, daß ein Affe wahrsagen sollte, gleichviel, ob Zukünftiges oder Vergangenes. Daher zog er sich, während Meister Pedro sein Puppentheater in Ordnung brachte, mit Sancho in einen Winkel des Stalles zurück und sagte zu diesem, ohne dort von jemandem belauscht zu werden: »Höre, Sancho, ich habe mir die außerordentliche Geschicklichkeit dieses Affen überlegt, und ich halte dafür, daß dieser Meister Pedro, sein Herr, einen stillschweigenden oder ausdrücklichen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben muß.«

»Wenn das Paket ausgedrückt und vom Teufel verschlossen ist«, sprach Sancho, »so muß es ganz gewiß ein gar schmutziges Paket sein. Aber was hat der Meister Pedro davon, daß er solche Pakete hat?«

»Du verstehst mich nicht, Sancho«, erwiderte Don Quijote. »Ich will nur so viel sagen, daß er ein Übereinkommen mit dem Teufel getroffen haben muß, damit dieser dem Affen jene Geschicklichkeit eingebe, mit welcher der Pedro sein Brot verdienen will, und wenn er dann reich geworden, muß er dem Teufel seine Seele zu eigen geben; denn das ist es eben, was dieser Feind der Menschheit begehrt. Was mich zu diesem Glauben bringt, ist, daß dieser Affe nur über Vergangenes oder Gegenwärtiges Antwort erteilt, und auf ein mehreres kann sich des Teufels Wissenschaft nicht erstrecken. Das Künftige weiß er nicht, außer etwa durch Vermutung, und das nicht immer; denn Gott allein ist es vorbehalten, die Zeiten und die Augenblicke zu kennen, und für ihn gibt es weder Vergangenheit noch Zukunft, alles ist ihm gegenwärtig. Und wenn dies seine Richtigkeit hat, wie es unzweifelhaft der Fall ist, so ist es klar, daß dieser Affe durch des Teufels Kunst spricht, und ich wundre mich, daß man ihn nicht vor dem heiligen Gericht der Inquisition angeklagt und verhört und gründlich aus ihm herausgebracht hat, kraft welchen Geistes er wahrsagt; denn es ist gewiß, daß dieser Affe sich nicht auf Sterndeuterei versteht und daß weder sein Herr noch er selbst jene Figuren zu ziehen verstehen, die man Horoskope nennt, was heutzutage in Spanien so allgemein gemacht wird, daß es kein altes Weib, keinen Hausdiener, keinen Schuhflicker gibt, der sich nicht herausnimmt, ein Horoskop zu stellen, so leichthin, als zöge er den Buben aus einem Kartenspiel; wobei sie dann durch ihre Lügen und ihre Unwissenheit die wunderbare Wahrheit der astrologischen Wissenschaft zugrunde richten. Mir ist von einer vornehmen Dame bekannt, daß sie einen dieser Horoskopsteller fragte, ob ihr kleines Schoßhündchen trächtig werden und Junge werfen würde und wie viele und von welcher Farbe die Welpen sein würden. Der Sterndeuter stellte das Horoskop und antwortete, das Hündchen werde trächtig werden und drei Junge werfen, das eine grün, das andre rosig, das dritte gescheckt; allein nur unter dem Beding, daß besagte Hündin zwischen elf und zwölf Uhr bei Tage oder bei Nacht belegt würde, und zwar am Montag oder am Samstag. Und was dann geschah, war, daß zwei Tage nachher die Hündin einging, weil sie sich überfressen hatte; aber der Herr Horoskopsteller galt am Orte nach wie vor für den kundigsten Sterndeuter, wie alle oder die meisten Horoskopsteller dafür gelten.«

»Trotz alledem wünschte ich«, sprach Sancho, »daß Euer Gnaden den Meister Pedro beauftragte, seinen Affen zu fragen, ob auf Wahrheit beruhe, was Euch in der Höhle des Montesinos begegnet ist; denn ich meinesteils glaube, daß, mit Euer Gnaden Verlaub, alles nur Lug und Trug oder zum mindesten Traumgebilde war.«

»Alles ist möglich«, entgegnete Don Quijote; »indessen will ich tun, was du mir anrätst, wenn ich dabei auch noch immer, ich weiß nicht welche Bedenken habe.«

Als sie so weit waren, kam Meister Pedro, um Don Quijote zu holen und ihm zu sagen, daß das Puppentheater bereits aufgeschlagen sei; Seine Gnaden möchte kommen, es zu sehen, denn das sei es wirklich wert. Don Quijote teilte ihm seinen Wunsch mit und bat ihn, seinen Affen sogleich zu fragen, damit er ihm Auskunft gebe, ob gewisse Dinge, die er in der Höhle des Montesinos erlebt habe, Traum oder Wirklichkeit seien; ihn wenigstens bedünke es, sie hätten was von beidem.

Meister Pedro hierauf, ohne eine Silbe zu antworten, brachte seinen Affen wieder herbei, stellte ihn vor Don Quijote und Sancho hin und sagte: »Sieh, lieber Affe, dieser Ritter begehrt zu wissen, ob gewisse Dinge, die ihm in einer Höhle begegnet sind, welche des Montesinos Höhle heißt, falsch oder wahr sind.«

Hiermit gab er ihm das gewöhnliche Zeichen; der Affe sprang ihm auf die linke Schulter und tat, als ob er ihm etwas ins Ohr flüsterte, und Meister Pedro sprach sogleich: »Der Affe sagt, was Euer Gnaden in besagter Höhle gesehen oder erlebt hat, ist teilweise falsch und teilweise wahrscheinlich; er sagt ferner, dies und nichts andres wisse er in betreff dieser Frage, und wenn Euer Gnaden mehr zu erfahren wünsche, so werde er den nächsten Freitag all Eure Fragen beantworten; für jetzt sei es mit der Kraft seiner Begabung vorbei, welche ihm erst am Freitag wiederkommen wird, wie er bereits gesagt.«

»Sagte ich’s nicht«, fiel Sancho ein, »daß mir nicht eingehen wolle, was Euer Gnaden über die Vorkommnisse in der Höhle gesagt hat, sei auch nur zur Hälfte wahr?«

»Der Erfolg wird’s lehren«, erwiderte Don Quijote; »die Zeit, die Offenbarerin aller Dinge, bringt jegliches ans Licht der Sonnen, und wäre es auch tief im Schoß der Erden verborgen. Für jetzt sei es hiermit genug, und gehen wir und sehen uns das Puppenspiel des wackeren Meisters Pedro an, das gewiß, glaube ich, manches Neue bieten wird.«

»Wieso manches?« entgegnete Meister Pedro; »sechzigtausend neue Sachen enthält dies mein Puppentheater. Ich sage Euer Gnaden, mein hochverehrter Señor Don Quijote, es ist eine der größten Sehenswürdigkeiten, die heutzutage die Welt aufzuweisen hat, und operibus credite, et non verbis; und Hand ans Werk, denn es wird spät, und wir haben viel zu tun und zu sagen und zu zeigen!«

Don Quijote und Sancho gehorchten und verfügten sich an den Platz, wo das Puppentheater schon aufgeschlagen und geöffnet war, ringsher voll angezündeter Wachslichter, die ihm ein prächtiges, glänzendes Aussehen gaben. Meister Pedro nahm alsbald seinen Platz hinter der Bühne, denn er war es, der die Figuren zu lenken hatte, und vor ihr stellte sich ein Bursche auf, Meister Pedros Diener, um als Dolmetsch und Erklärer der Geheimnisse des Puppenspiels zu wirken; er hielt ein Stäbchen in der Hand, mit dem er die auftretenden Figuren zeigte und benannte.

Nachdem sich alles, was im Wirtshause war, vor das Puppentheater niedergesetzt oder gestellt hatte und Don Quijote, Sancho, der Diener und der Vetter auf den besten Plätzen untergebracht waren, begann der Dolmetsch vorzutragen, was jeglicher hören und sehen wird, der ihm zuhören oder das folgende Kapitel lesen will.

23. Kapitel


Von den wundersamen Dingen, die der allerfürtrefflichste Don Quijote nach seinem Bericht in der tiefen Höhle des Montesinos gesehen hat, die jedoch so unmöglich und ungeheuerlich sind, daß dies für untergeschoben gehalten wird

Es mochte die vierte Stunde des Nachmittags sein, als die Sonne, hinter Wolken versteckt, mit spärlichem Licht und gemäßigtem Strahl dem Ritter es endlich ermöglichte, ohne Beschwerlichkeit und sicher vor der Tageshitze seinen beiden ausgezeichneten Zuhörern zu erzählen, was er in der Höhle des Montesinos erschaut hatte; und er begann folgendermaßen: »Ungefähr zwölf oder vierzehn Klafter in der Tiefe dieses unterirdischen Kerkerlochs befindet sich rechter Hand eine Höhlung, ein Raum von der Ausdehnung, daß ein großer Wagen mit seinen Maultieren darin Platz haben kann. Es dringt in ihn ein schwaches Licht durch Spalten oder Löcher, die bis zur Oberfläche der Erde gehn. Als ich diesen Raum, diese Höhlung erblickte, war ich es schon müde und überdrüssig, an dem Seil hangend und schwebend in diesem düstern Raum ohne eine sichere und bestimmte Richtung hinunterzugleiten, und so entschloß ich mich, in die besagte Höhlung hineinzugehen und ein wenig auszuruhen. Ich rief euch zu und bat euch, nicht mehr Seil nachzulassen, bis ich es verlangen würde, aber ihr habt mich wohl nicht gehört. Da nahm ich das Seil auf, das ihr herabließt, legte es in einen Kringel oder Kreis zusammen und setzte mich darauf, tief nachdenkend, was ich tun sollte, um auf den Grund hinunterzugelangen, da ich niemanden hatte, mich festzuhalten. Während ich in dieser Erwägung und Verlegenheit dasaß, überfiel mich plötzlich, und ohne daß ich es wollte, ein tiefer, schwerer Schlaf; und als ich mich dessen am wenigsten versah, ohne daß ich wußte, wann und wie, erwachte ich wieder und fand mich mitten auf der schönsten, lieblichsten, wonniglichsten Flur, die die Natur zu erschaffen oder die sinnreichste Einbildungskraft des Menschen sich zu erdenken vermag. Ich tat die Augen weit auf, rieb sie mir und überzeugte mich, daß ich nicht schlief, sondern wirklich wach war. Dessenungeachtet fühlte ich mir an Kopf und Brust, um mich zu vergewissern, ob ich selber es sei, der an diesem Orte weile, oder ein eitles Traumgebild. Aber das Gefühl, das Bewußtsein, der verständige Zusammenhang der Überlegungen, die ich bei mir anstellte, gaben mir die Gewißheit, daß ich dort unten derselbe war, der ich jetzt an dieser Stelle bin.

Alsbald bot sich meinen Blicken ein prächtig reicher Palast, eine gewaltige Königsburg, deren Mauern und Wände aus durchsichtig glänzendem Kristall gefügt schienen. Zwei große Torflügel taten sich auf, aus ihnen sah ich einen ehrwürdigen Greis hervortreten und auf mich zuschreiten, er trug einen langen Mantel von dunkelviolettem Flanell, der ihm auf dem Boden nachschleppte; um die Schultern und die Brust zog sich eine Stola von grünem Atlas, wie Stiftspriester sie tragen; sein Haupt bedeckte ein schwarzes Mailänder Barett, und sein schneeweißer Bart reichte ihm bis über den Gürtel hinab. Er trug keine Waffe, hingegen einen Rosenkranz mit Kügelchen, größer als eine gewöhnliche Walnuß, und jede zehnte Kugel war wie ein mittelgroßes Straußenei. Die Haltung, der Gang, die Würde und die mächtig große Gestalt, jedes für sich allein und alles zusammen, setzten mich in Staunen und Verwunderung. Er trat an mich heran, und das erste, was er tat, war, daß er mich zärtlich in die Arme schloß und sofort mich so ansprach: ›Lange Zeit ist es her, o mannhafter Ritter Don Quijote von der Mancha, seit wir, die wir in dieser Abgeschiedenheit verzaubert weilen, darauf hofften, dich zu erblicken, auf daß du der Welt Kunde brächtest von dem, was die tiefe Höhle, die du betreten hast, die Höhle des Montesinos geheißen, in sich enthält und verbirgt; ein Heldenwerk, das allein deinem unbesieglichen Herzen und allein deinem staunenswerten Mute vorbehalten war. Komm mit mir, erlauchter Mann; ich will dir die Wunder zeigen, die dieser durchsichtige Palast umschließt, dessen Vogt und Oberaufseher ich auf alle Zeiten bin; denn ich bin eben der Montesinos, von dem die Höhle ihren Namen hat.‹

Kaum sagte er mir, er sei der Montesinos, als ich ihn fragte, ob es auf Wahrheit beruhe, was man sich in der Welt dort oben erzähle, daß er nämlich seinem besten Freunde Durandarte mit einem kleinen Jagdmesser das Herz mitten aus der Brust geschnitten und es zu Fräulein Belerma gebracht habe, wie der Freund es im Augenblick seines Sterbens ihm aufgetragen.

Er antwortete mir, die Leute sagten hierüber die volle Wahrheit, nur nicht in betreff des Messers, denn es sei weder ein Messer noch gar ein kleines gewesen, sondern ein scharfer Dolch, spitziger als ein Schusterpfriem.«

»Der besagte Dolch«, fiel Sancho hier ein, »muß von Ramón de Hoces, dem Sevillaner, gewesen sein.«

»Ich weiß nicht«, meinte Don Quijote. »Aber nein, er wird nicht von diesem Waffenschmied gewesen sein; Ramón de Hoces war ja noch gestern am Leben, und das Begebnis zu Roncesvalles, wo diese Unglücksgeschichte vorfiel, hat sich vor vielen Jahren zugetragen. Aber dieser Punkt ist von keinem Belang und stört und ändert in keiner Weise den Inhalt und Zusammenhang der Geschichte.«

»Ja, so ist’s«, versetzte der Vetter; »fahret nur fort, Señor Don Quijote, ich höre Euch mit dem allergrößten Vergnügen zu.«

»Mit nicht geringerem erzähle ich«, erwiderte Don Quijote. »Und so sag ich denn, daß der ehrwürdige Montesinos mich in den kristallenen Palast führte, wo sich zu ebener Erde in einem Saal, der überaus kühl und ganz von Alabaster war, ein marmornes Grabmal befand, mit höchster Meisterschaft gearbeitet, auf welchem ich einen Ritter der ganzen Länge nach ausgestreckt erblickte, nicht aus Erz noch aus Marmor noch aus Jaspis geformt, wie sie sich sonst gewöhnlich auf Grabmälern finden, sondern von purem Fleisch und Bein. Die rechte Hand – die meines Bedünkens ziemlich behaart und nervig war, ein Zeichen der großen Körperkraft ihres Besitzers – hatte er auf die Seite des Herzens gelegt; und ehe ich nur eine Frage an Montesinos richtete, der bemerkte, wie ich voll Staunens die Gestalt auf dem Grabmal anstarrte, sprach er: ›Dies ist mein Freund Durandarte, zu seiner Zeit aller liebenden und heldenhaften Ritter Blume und Spiegel; ihn hat hier verzaubert, wie er mich und viele andre Männer und Frauen verzaubert hat, Merlin, jener französische Zauberer, der, wie man sagt, des Teufels Sohn war; ich aber glaube, daß er keineswegs der Sohn des Teufels war, jedoch so viel Wissen und Schlauheit besaß, daß er, wie man sagt, dem Teufel etwas vormachen konnte. Wie oder warum er uns verzaubert hat, keiner weiß es, aber es wird sich schon erweisen, wann die Zeit kommt, und die ist wohl nicht sehr weit. Was mich wundert, ist, daß ich so gewiß, wie es jetzo Tag ist, weiß, daß Durandarte seine Tage in meinen Armen endete und daß ich nach seinem Tode ihm sein Herz mit meinen eignen Händen ausschnitt; und wahrlich, es muß wohl zwei Pfund gewogen haben, denn nach Angabe der Naturkundigen ist, wer ein größeres Herz hat, mit größerer Tapferkeit begabt, als wer ein kleines hat. Da nun dem so ist und dieser Ritter wirklich gestorben ist, warum jammert und seufzt er jetzt dann und wann, als ob er am Leben wäre?‹

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so schrie der unglückselige Durandarte laut auf und sprach:

›Vetter Montesinos, diese
Letzte Bitte darf ich wagen:
Wenn ich nun im Tod erblichen
Und mein Herz hat ausgeschlagen,
Dann sollst du mit Messer oder
Dolch, und darfst mir’s nicht versagen,
Aus der Brust das Herz mir schneiden
Und es zu Belerma tragen.‹

Als der ehrwürdige Montesinos dies hörte, warf er sich auf die Knie vor dem schmerzenreichen Durandarte und sprach mit Tränen in den Augen: ›Allbereits, Señor Durandarte, habe ich getan, was Ihr mir an dem bittern Tag unsres Verderbens aufgetragen; so gut ich es vermochte, schnitt ich Euch das Herz aus, ohne das allergeringste Stücklein davon in der Brust zu lassen; ich säuberte es mit einem Spitzentüchlein; ich ritt damit im gestreckten Galopp nach Frankreich, nachdem ich Euch zuvor in den Schoß der Erde bestattet mit so viel Tränen, daß sie hingereicht hätten, mir damit die Hände zu reinigen und das Blut abzuwaschen, das an ihnen haftete, weil ich Euch in den Eingeweiden wühlte; und zum weiteren Wahrzeichen sag ich Euch, bester Herzensvetter, am ersten besten Ort, wo ich hinkam, streute ich etwas Salz auf Euer Herz, damit es nicht übel röche und wenn nicht frisch, so doch wenigstens eingesalzen der Jungfrau Belerma vorgelegt werde, welche jetzt mit Euch und mir und mit Guadiana, Eurem Schildknappen, und mit der Kammerdame Ruidera und ihren sieben Töchtern und zwei Nichten und viel andern aus Euern Bekannten und Freunden von dem Zauberer Merlin sämtlich allhier verzaubert worden sind. Das ist nun schon viele Jahre, und wiewohl ihrer bereits über fünfhundert sind, ist noch keiner von uns allen gestorben. Nur fehlen uns Ruidera und ihre Töchter und Nichten, denn da sie immerzu weinten, hat Merlin aus Mitleid, das er mit ihnen fühlen mochte, sie in ebenso viele Seen verwandelt, und jetzt werden sie in der Welt der Lebendigen und insbesondere in der Provinz La Mancha die Seen der Ruidera genannt. Die sieben Töchter gehören den Königen von Spanien und die zwei Nichten den Rittern eines hochheiligen Ordens, der den Namen des heiligen Johannes trägt. Da Guadiana, Euer Schildknappe, gleichfalls Euer Unglück beweinte, so ward er in einen Fluß des Namens Guadiana verwandelt. Als er aber an die Oberfläche der Erde gelangte und die Sonne an dem weiten Himmel droben erblickte, empfand er so großen Schmerz darob, Euch verlassen zu haben, daß er sich in den Busen der Erde hinabstürzte; da es indessen unmöglich ist, dem natürlichen Drang und Laufe für immer zu widerstehn, bricht er dann und wann aus den Tiefen hervor und zeigt sich der Sonne und den Menschen. Auf seinen Wegen spenden ihm die besagten Seen reichlich von ihren Gewässern, mit denen er sodann sowie mit viel andern, die sich ihm vereinen, prachtvoll und mächtig in Portugal einzieht. Aber dessenungeachtet, und wo immer er strömt, zeigt er sich traurig und düster und rühmt sich nicht, in seinen Wassern leckere und gesuchte Fische zu nähren, sondern nur gemeine und unschmackhafte, sehr verschieden von denen des goldenen Tajo. Was ich Euch jetzt sage, o mein Vetter, habe ich Euch schon oftmalen gesaget, und da Ihr mir nicht antwortet, so vermeine ich, Ihr schenkt mir keinen Glauben oder hört mich nicht, und Gott weiß, welche Pein mir das bereitet. Eine Nachricht aber will ich Euch jetzo mitteilen, welche, so sie Eurem Schmerz auch keine Erleichterung gewähren sollte, ihn wenigstens in keinerlei Weise mehren wird. Wisset, hier habet Ihr ihn vor Euch stehn – öffnet die Augen, und Ihr werdet es erschauen! –, ihn, jenen großen Ritter, von dem der zauberkundige Merlin so vieles geweissagt hat, jenen Don Quijote meine ich, der aufs neue, und mit größerem Erfolg als in den vergangenen Zeitaltern, in dem jetzigen die vergessene fahrende Ritterschaft wiedererweckt hat und durch dessen Hilfe und Beistand es geschehen könnte, daß wir sämtlich entzaubert würden, denn große Taten sind großen Männern vorbehalten.‹

›Und wenn es nicht geschähe‹, antwortete der schmerzenreiche Durandarte mit schwacher tonloser Stimme, ›wenn es nicht geschähe, o mein Vetter, so sag ich: Geduld, und neue Karten geben.‹

Und indem er sich wieder auf die Seite legte, versank er aufs neue in sein gewohntes Schweigen und sprach kein Wort weiter.

In diesem Augenblick erscholl ein großes Heulen und Wehklagen, begleitet von markerschütterndem Ächzen und angstvollem Schluchzen. Ich wendete den Kopf und sah durch die kristallenen Wände hindurch in feierlichem Zuge zwei Reihen allerschönster Jungfrauen einen andern Saal entlang hinschreiten, alle in Trauer gekleidet, mit weißen Turbanen auf den Häuptern nach türkischer Art. Zuletzt kam hinter den Jungfrauen eine vornehme Dame daher – als eine solche erkannte man sie an ihrer ernsten Würde –, ebenfalls schwarz gekleidet, mit weißen Kopfbinden, so lang und tief herabhangend, daß sie den Boden küßten. Ihr Turban war zweimal so groß als der größte auf dem Haupte jedes andern Fräuleins; sie hatte zusammengewachsene Augenbrauen, die Nase war etwas stumpf, der Mund groß, aber die Lippen rot; wenn sie zuweilen ihre Zähne sehen ließ, bemerkte man, daß sie auseinanderstanden und nicht schön angewachsen waren, hingegen weiß glänzten wie geschälte Mandeln. In den Händen trug sie ein feines Linnentuch und darin, soviel man erspähen konnte, ein Herz, das aus einer Mumie genommen schien, so dürr und ausgetrocknet war es.

Montesinos sagte mir, all die Leute in dem Zuge seien Durandartes und Belermas Dienerschaft, die dort mitsamt ihrer Herrschaft verzaubert sei, und die letzte, die das Tuch mit dem Herzen in ihren Händen trage, sei Fräulein Belerma, die mit ihren Zofen viermal in der Woche diesen feierlichen Umzug abhalte, wobei sie über Durandartes Leiche und schmerzenreiches Herz Klagelieder sängen oder vielmehr weinten. Wenn sie mir aber einigermaßen häßlich vorgekommen sei oder doch nicht so schön, wie ihr Ruf sie schildere, so liege die Schuld an den traurigen Nächten und noch traurigeren Tagen, die sie in dieser Verzauberung verbringe, wie er dies an den breiten Ringen unter ihren Augen und an ihrer kränklichen Gesichtsfarbe sehen könne; denn ihre Blässe und ihre Augenringe hätten ihre Ursache nicht etwa in dem monatlichen Unwohlsein, das bei Frauen regelmäßig vorkomme – sintemal es schon viele Monde, ja selbst Jahre her sei, daß sie darunter nicht mehr zu leiden habe –, sondern in der Qual, die ihr Herz empfinde ob des Herzens, das sie unausgesetzt in ihren Händen halte und das ihr die traurigen Schicksale ihres vom Glück arg mißhandelten Anbeters stets erneue und ins Gedächtnis zurückrufe. Wenn das nicht wäre, so würde ihr an Schönheit, Lieblichkeit und Anmut kaum die hohe Dulcinea von Toboso gleichkommen, die in dieser ganzen Umgegend, ja in der ganzen Welt so gefeiert sei.

›Haltet ein! Señor Don Montesinos!‹ fiel ich ihm hier ins Wort; ›erzählt Eure Geschichte, wie sich’s gebührt; denn Euer Gnaden weiß wohl, jeder Vergleich hinkt und ist widerwärtig, und daher soll man niemanden mit einem andern vergleichen. Die unvergleichliche Dulcinea ist, was sie ist, und das Fräulein Doña Belerma ist, was sie ist und gewesen ist, und dabei wollen wir es bewenden lassen.‹

Darauf antwortete er mir: ›Vergebt mir, Señor Don Quijote; ich gestehe, ich habe mich verfehlt und mich unschicklich ausgedrückt, als ich sagte, das Fräulein Dulcinea würde kaum dem Fräulein Belerma gleichkommen, sintemalen schon der Umstand, daß ich, ich weiß nicht durch welche Ahnungen, innegeworden, daß Euer Gnaden ihr Ritter ist, mir genügen sollte, um mir lieber die Zunge abzubeißen, als sie mit irgendwem, außer mit dem Himmel selbst, zu vergleichen.‹

Bei dieser Ehrenerklärung, die mir der erhabene Montesinos gab, erholte sich mein Gemüt von dem jähen Aufruhr, in den es geraten, als ich hörte, daß man meine Gebieterin mit Belerma verglich.«

»Und doch wundre ich mich«, sprach Sancho, »daß Euer Gnaden nicht über den alten Lümmel herfiel und ihm mit Fußtritten alle Knochen im Leibe zusammentrat und ihm den Bart bis aufs letzte Haar ausraufte.«

»Nein, Freund Sancho«, erwiderte Don Quijote, »es stand mir nicht wohl an, solches zu tun, denn wir sind alle verpflichtet, Greise zu ehren, auch wenn sie keine Ritter sind, insbesondere aber diejenigen, die es sind und sich im Zustande der Verzauberung befinden. Auch ist mir bewußt, daß wir bei gar viel andern Fragen und Antworten, deren wir unter uns beiden pflogen, einander nichts schuldig geblieben sind.«

Hier fiel der Vetter ein: »Ich weiß nicht, Señor Don Quijote, wie Euer Gnaden in so kurzer Zeit, als Ihr dort unten wart, so vieles sehen und so vieles reden und antworten konnte.«

»Wie lang ist es her, seit ich hinunterstieg?« fragte Don Quijote.

»Wenig mehr als eine Stunde«, antwortete Sancho.

»Das ist nicht möglich«, versetzte Don Quijote; »denn dort ward es mir Abend und dann Morgen und wurde wieder Abend und wieder Morgen, dreimal hintereinander, so daß ich nach meiner Berechnung drei Tage an jenen entfernten und unserm Auge verborgenen Orten geweilt habe.«

»Was mein Herr sagt, ist jedenfalls wahr«, sprach Sancho; »denn da alles, was sich mit ihm zugetragen, immer mittels Zauberei geschehen ist, so mag vielleicht, was uns eine Stunde deucht, dort als drei Tage nebst zugehörigen Nächten erscheinen.«

»So wird es wohl sein«, entgegnete Don Quijote.

»Und hat Euer Gnaden während dieser ganzen Zeit nichts gegessen?« fragte Sancho.

»Nicht mit einem Bissen habe ich mein Fasten gebrochen«, antwortete Don Quijote, »und ich habe auch nicht den geringsten Hunger gespürt.«

»Aber essen denn die Verzauberten?« fragte der Vetter.

»Sie essen nichts«, antwortete Don Quijote, »haben auch keine größeren Entleerungen; jedoch nimmt man allgemein an, daß ihnen Nägel, Bart und Haare wachsen.«

»Und schlafen etwa die Verzauberten, Señor?« fragte Sancho.

»Gewiß nicht«, antwortete Don Quijote, »wenigstens hat während der drei Tage, wo ich bei ihnen weilte, keiner ein Auge zugetan, und ich ebensowenig.«

»Hier«, sagte Sancho, »paßt das Sprichwort gut: Sag mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist. Euer Gnaden gehen mit verzauberten Leuten um, die da immer fasten und wach bleiben; nun bedenkt, ob es zu verwundern ist, daß Ihr nicht esset und nicht schlaft, solang Ihr mit ihnen umgeht. Aber verzeiht mir, Herre mein, wenn ich Euch sage, von allem, was Ihr eben erzählt habt, Gott soll mich holen« – er wollte eigentlich sagen: der Teufel –, »wenn ich Euch das geringste davon glaube.«

»Wieso nicht?« sagte der Vetter; »sollte Señor Don Quijote lügen? Und wenn er es auch wollte, so hat er doch gar keine Zeit gehabt, eine solche Million Lügen auszudenken und zu erdichten.«

»Ich wahrlich glaube nicht, daß mein Herr lügt«, sagte Sancho.

»Wenn nicht, was glaubst du denn?« fragte ihn Don Quijote.

»Ich glaube«; antwortete Sancho, »jener Merlin oder jene Zauberer, die die ganze Rotte verzaubert haben, die Ihr dort unten gesehen und gesprochen haben wollt, die haben Euch die ganze Geschichte und alles, was Ihr noch weiter zu erzählen habt, in die Pfann-da-sieh oder in den Kopf gesetzt.«

»Das alles wäre möglich, Sancho«, entgegnete Don Quijote; »aber es verhält sich nicht so, denn was ich erzählt, das sah ich mit meinen eignen Augen, das könnt ich mit Händen greifen. Aber was wirst du dazu sagen, wenn ich dir jetzt dies mitteile: Unter zahllosen andern Seltsamkeiten und Wundern, die mich Montesinos sehen ließ – ich werde sie dir seiner Zeit mit Muße, eins nach dem andern, im Verlauf unsrer Reise erzählen, da sie nicht alle hierhergehören –, zeigte er mir auch drei Bäuerinnen, die auf jenen allerlieb liebsten Gefilden umhersprangen und –hüpften wie die Ziegen; und kaum hatte ich sie erblickt, so erkannte ich in der einen die unvergleichliche Dulcinea von Toboso und in den zwei andern jene nämlichen Bauernmädchen, ihre Begleiterinnen, mit denen wir vor der Stadt Toboso Zwiesprach hielten. Ich fragte Montesinos, ob er sie kenne; er antwortete mit Nein; er glaube, es müßten irgendwelche verzauberte vornehme Damen sein, die erst vor wenigen Tagen auf diesen grünen Fluren aufgetaucht seien, und ich solle mich darüber nicht wundern, denn es befänden sich dort noch viele andre Damen aus vergangener und gegenwärtiger Zeit, sämtlich in mancherlei Gestalten verhext, und unter diesen habe er die Königin Ginevra erkannt und ihre Kammerfrau Quintanona, die Lanzelot den Wein kredenzte,

Als er aus Britannien kam.«

Als Sancho Pansa seinen Herrn so reden hörte, meinte er schier den Verstand zu verlieren oder sich totzulachen; denn da er wußte, was Wahres an der vorgeblichen Verzauberung Dulcineas war, bei der er der Zauberer und Zeuge gewesen, war es ihm nun völlig außer Zweifel, sein Herr sei nicht bei Sinnen, ja ganz und gar verrückt, und daher sagte er zu ihm: »Unselig war der Anlaß, unseliger noch die Stunde, ja ein Tag des Unheils war es, wo Ihr, mein teurer Schirmherr, zu jener andern Welt hinabgestiegen, und unglücklich war der Augenblick, wo Ihr dem Señor Montesinos begegnet seid, der Euch in solchem Zustand zu uns zurückgesendet. Ihr befandet Euch so wohl hier oben, wart bei vollem Verstande, wie Gott ihn Euch verliehen hatte; jeden Augenblick redetet Ihr weise Sprüche und erteiltet guten Rat und erzähltet nicht wie jetzt die ärgsten Ungereimtheiten, die man sich erdenken kann.«

»Sintemal ich dich kenne, Sancho«, entgegnete Don Quijote, »berühren mich deine Worte nicht.«

»Mich ebensowenig Euer Gnaden Worte«, gab Sancho zurück, »mögt Ihr mich nun wundschlagen oder gar umbringen für das, was ich gesagt habe und was ich noch sagen werde, wenn Ihr Euch in Eurem Reden nicht ändert und nicht bessert. Aber jetzt, wo wir noch gut miteinander sind, sagt mir doch: wie oder woran habt Ihr unser gnädig Fräulein erkannt? Und falls Ihr mit ihr gesprochen, was habt Ihr ihr gesagt, und was hat sie Euch geantwortet?«

»Ich habe sie daran erkannt«, antwortete Don Quijote, »daß sie die nämlichen Kleider trug wie damals, wo du sie mir zeigtest. Ich redete sie an, aber sie antwortete mir nicht eine Silbe, sondern wandte mir den Rücken und floh mit solcher Geschwindigkeit davon, daß kein Pfeil sie erreicht hätte. Ich wollte ihr nacheilen und hätte es auch getan, wenn mir nicht Montesinos geraten hätte, ich solle mir damit keine Mühe machen, weil es vergebens sein würde, und insbesondere weil die Stunde herannahe, wo mir gezieme, den Abgrund wieder zu verlassen. Imgleichen sagte er mir, mit der Zeit würde er mir Nachricht geben, auf welche Art er und Belerma und Durandarte nebst allen, so dort weilen, zu entzaubern seien. Aber unter allem Jammer, den ich dort erschaute und mir merkte, jammerte mich’s am meisten, daß gerade, während Montesinos so mit mir sprach, eine der beiden Gefährtinnen der glückverlassenen Dulcinea sich mir von der Seite her näherte, ohne daß ich sie kommen sah, und, die Augen voll Tränen, mit leisem, scheuem Ton zu mir sprach: ›Mein Fräulein Dulcinea von Toboso küßt Euer Gnaden die Hände und fleht zu Euer Gnaden, ihr die Gnade zu erweisen und sie wissen zu lassen, wie Ihr Euch befindet, und ferner, sintemal sie sich eben in einer großen Not befindet, fleht sie zu Euer Gnaden so inständig, als sie vermag, Ihr möchtet geruhen, ihr auf diesen neuen baumwollenen Unterrock hier ein halb Dutzend Realen, oder so viele deren Euer Gnaden bei sich haben, zu leihen, und sie gibt ihr Wort darauf, selbige Euch in aller Kürze zurückzuerstatten.‹

In Staunen und Verwunderung setzte mich diese Botschaft; ich wandte mich zu Señor Montesinos und fragte ihn: ›Ist’s möglich, Señor Montesinos, daß Verzauberte von vornehmem Stande Not leiden?‹

Darauf antwortete er mir: ›Glaubet mir, Señor Don Quijote von der Mancha, was man Not benennet, ist an jedem Ort zu Hause, erstreckt sich auf alle Lande und ergreift alle Menschen und verschont selbst nicht die Verzauberten. Und sintemalen das Fräulein Dulcinea von Toboso um die sechs Realen bitten läßt und das Pfand dem Anscheine nach gut ist, so könnt Ihr nicht umhin, sie ihr zu verabreichen, denn sie muß ohne Zweifel in große Bedrängnis geraten sein.‹

›Ein Pfand kann ich nicht nehmen‹, erwiderte ich ihm, ›aber ebensowenig ihr geben, was sie erbittet; denn ich besitze nur vier Realen.‹

Diese gab ich ihr; es waren dieselben, die du, Sancho, mir jüngst behändigt hattest, um den Armen, die mir begegnen könnten, Almosen zu spenden. Und ich sprach zu ihr: ›Saget, Freundin mein, Eurer Gebieterin, daß ihre Drangsale mir in der Seele weh tun und daß ich ein Fugger sein möchte, um ihnen abzuhelfen; ferner laß ich ihr sagen, daß ich mich nicht Wohlbefinden kann und darf, wenn ich ihrer liebreizenden Gegenwart und hochverständigen Unterhaltung entbehre, und daß ich, so inständig ich es vermag, zu ihr flehe, Ihro Gnaden möchte geruhen, diesem ihrem in Liebe gefesselten Diener und in der Irre wandernden Ritter ihren Anblick und ihre Ansprache zu vergönnen. Saget ihr des ferneren, sie werde, ehe sie sich dessen versieht, vernehmen, daß ich einen Eid und ein Gelöbnis getan, nach Art dessen, so der Markgraf von Mantua geschworen, um seinen Neffen Baldovinos zu rächen, als er ihn inmitten des Gebirges sterbend fand – nämlich daß er an keinem gedeckten Tisch mehr essen wolle, benebst diesem und jenem, was er noch beifügte, bis daß er ihn würde gerächt haben. Und so will ich einen Eid tun, nicht zu ruhen und zu rasten und alle sieben Erdstriche zu durchziehen, mit noch größerer Sorgfalt und Achtsamkeit als der Prinz Dom Pedro von Portugal, bis ich sie entzaubert habe.‹

›Alles das und noch mehr ist Euer Gnaden meiner Herrin schuldig‹, antwortete mir das Fräulein.

Sie nahm die vier Realen, und anstatt mir eine Verbeugung zu machen, machte sie einen Bocksprung, zwei Ellen hoch in die Luft.«

»O heiliger Gott!« rief hier Sancho laut aufschreiend; »ist’s möglich, daß so was in der Welt vorkommt und daß in der Welt die Zauberer und Zaubereien solche Macht haben, daß sie den gesunden Verstand meines Herrn in so unsinnige Verrücktheit verwandeln? O Señor, Señor, um Gottes willen, habt acht auf Euch selber und haltet Eure Ehre in guter Hut und glaubt doch nicht länger an das hohle Zeug, das Euch den Kopf geschädigt und zugrunde gerichtet hat!«

»Du sprichst so, weil du mich liebst, Sancho«, sagte Don Quijote. »Und da du in den Dingen dieser Welt keine Erfahrung hast, scheint dir alles unmöglich, was nur mit einiger Schwierigkeit zu begreifen ist. Aber mit der Zeit, das hab ich dir bereits gesagt, will ich dir von dem vielen, was ich dort unten gesehen, einiges von solcher Art erzählen, daß du sofort alles bereits Erzählte glauben wirst, da dessen Wahrheit weder Einwand noch Widerspruch gestattet.«

24. Kapitel


Wo tausenderlei Kleinigkeiten erzählt werden, sämtlich ebenso bedeutungslos als wichtig für das Verständnis dieser großen Geschichte

Der Schriftsteller, der diese große Geschichte aus dem Urtext ihres Verfassers Sidi Hamét Benengelí übersetzt hat, sagt, als er an das Kapitel vom Abenteuer in der Höhle des Montesinos gekommen sei, hätten sich an dessen Rande, von Haméts eigner Hand geschrieben, diese Worte gefunden:

»Ich kann mir nicht vorstellen und kann mich nicht davon überzeugen, daß dem tapferen Don Quijote alles Punkt für Punkt begegnet sein sollte, was in dem vorgehenden Kapitel geschrieben steht. Mein Grund ist der, daß sämtliche Abenteuer, die sich bisher zugetragen, möglich, auch wahrscheinlich sind; aber zum Abenteuer mit dieser Höhle finde ich nirgends einen Zugang, um es für wahr halten zu können, weil es sich so ganz außerhalb aller vernünftigen Vorstellungen bewegt. Der Gedanke aber, Don Quijote, der doch der wahrheitsliebendste Junker und edelste Ritter seiner Zeit war, habe gelogen, ist mir unmöglich; denn er hätte keine Lüge gesagt, und wenn man ihn mit Pfeilschüssen zu Tode gebracht hätte. Andrerseits erwäge ich, daß er sie mit allen erwähnten Umständen erzählte und hersagte und daß er in so kurzer Zeit kein solches Labyrinth von Ungereimtheiten hätte aufbauen können. Wenn dies Abenteuer untergeschoben scheint, so habe ich keine Schuld daran, und also, ohne es für falsch oder wahr zu erklären, schreibe ich es eben hin. Du, Leser, da du ein Mann von Einsicht bist, urteile nach Gutdünken, ich meinesteils kann und darf nicht mehr tun, wiewohl es für ausgemacht gilt, daß er um die Zeit seines Scheidens und Sterbens die Erzählung widerrief und dabei angab, er habe sie erfunden, weil es ihn bedünkte, sie passe und stimme sehr gut zu den Abenteuern, die er in seinen Büchern gelesen.«

Und hierauf fährt er folgendermaßen fort:

Der Vetter erschrak über die Dreistigkeit Sancho Pansas wie über die Langmut seines Herrn und dachte sich, aus der Freude darüber, seine Herrin Dulcinea von Toboso, wenn auch nur verzaubert, erblickt zu haben, sei in dem Ritter diese milde Stimmung entstanden, die er jetzt an den Tag legte; denn sonst hätte Sancho mit etlichen Worten und Ausdrücken gegen sie eine gehörige Tracht Prügel verdient, und es bedünkte ihn in der Tat, Sancho habe sich etwas zuviel gegen seinen Herrn herausgenommen. So sprach er denn zu diesem: »Ich, Señor Don Quijote von der Mancha, halte diese Reise, die ich mit Euch zurückgelegt, für trefflichsten Gewinn und habe dabei vierfachen Vorteil eingeheimst. Der erste ist, daß ich Euer Gnaden kennengelernt, was ich mir zu großem Glück anrechne. Der zweite, daß ich erfahren, was diese Höhle des Montesinos enthält, nebst den Verwandlungen des Guadiana und der Ruidera-Seen, welche mir bei dem spanischen Ovid nützen werden, den ich unter den Händen habe. Der dritte, daß ich nunmehr das Altertum der Spielkarten weiß, welche schon mindestens im Zeitalter Karls des Großen im Gebrauche waren, wie man aus den Worten schließen kann, die Ihr aus dem Munde Durandartes hörtet, als er nach Verfluß der langen Zeit, wo Montesinos sich mit Euch unterhielt, erwachte und sprach: ›Geduld, und neue Karten geben.‹ Denn diese Redensart und Ausdrucksweise hat er nicht während seiner Verzauberung lernen können, sondern nur, als er sich noch unverzaubert in Frankreich befand, also zu Zeiten des besagten Kaisers Karl des Großen. Und dies Forschungsergebnis kommt mir wie gerufen für das andre Buch, an dessen Ausarbeitung ich eben bin, nämlich die Ergänzungen zu Polydorus Vergilius über die Erfindungen in den alten Zeiten; ich glaube, er hat nicht daran gedacht, die Erfindung der Spielkarten in sein Buch mit aufzunehmen, wie ich sie jetzt aufnehmen will. Es wird das von großer Wichtigkeit sein, zumal ich einen so bedeutenden und wahrheitsliebenden Gewährsmann anführe, wie es der Señor Durandarte ist. Der vierte endlich ist, daß ich den Ursprung des Flusses Guadiana mit Sicherheit erfahren habe, der bis jetzt aller Welt unbekannt war.«

»Euer Gnaden hat recht«, entgegnete Don Quijote; »aber ich möchte wissen, falls Gott Euch die Gnade gewährt, daß Ihr die Druckerlaubnis für diese Eure Bücher erhaltet, woran ich zweifle: wem gedenkt Ihr sie zu widmen?«

»Es gibt in Spanien Vornehme und Granden, denen man sie widmen könnte«, antwortete der Vetter.

»Nicht viele«, entgegnete Don Quijote; »und zwar nicht, als ob sie eine solche Widmung nicht verdienten, sondern weil sie den Büchern keine Aufnahme gewähren wollen, um sich nicht zu der Erkenntlichkeit zu verpflichten, die doch der Arbeit und der ihnen erwiesenen Höflichkeit der Schriftsteller sicherlich gebührt. Allerdings kenne ich einen fürstlichen Herrn, der den Ausfall an andern durch so edle Eigenschaften ersetzen kann, daß ich, wenn ich mich erkühnen würde, sie zu schildern, vielleicht in wenigstens drei oder vier großmütigen Herzen Neid erwecken würde. Allein lassen wir das jetzt für eine andre, gelegenere Zeit und gehen und suchen wir einen Ort, wo wir diese Nacht Herbergen können.«

»Nicht weit von hier«, versetzte der Vetter, »ist eine Einsiedelei; da wohnt ein Einsiedler, der Soldat gewesen sein soll und im Rufe steht, ein guter Christ und überdies sehr verständig und mildtätig zu sein. Nahe bei der Einsiedelei hat er ein Häuschen, das er sich selbst erbaut hat; obschon es klein ist, hat es doch immerhin Raum, Gäste aufzunehmen.«

»Hält besagter Eremit vielleicht Hühner?« fragte Sancho.

»Bei wenigen Einsiedlern fehlen die«, antwortete Don Quijote; »denn die heutigen Einsiedler sind nicht wie jene in den Wüsteneien Ägyptens, die sich in Palmblätter kleideten und zur Nahrung die Wurzeln aus der Erde gruben. Aber das ist nicht so zu verstehen, als ob, weil ich von jenen alten Gutes sage, ich es nicht auch von diesen sagte; vielmehr meine ich nur, an das harte kärgliche Leben von damals reichen die Bußübungen der heutigen Einsiedler nicht heran. Allein sie sind nichtsdestoweniger sämtlich fromme Leute, wenigstens halte ich sie dafür; und schlimmstenfalls stiftet doch der Heuchler, der sich fromm stellt, weniger Schaden, als wer öffentlich sündigt.«

Als sie gerade hierbei waren, sahen sie rasch einen Mann zu Fuß auf sich zukommen, der beständig auf einen Maulesel losschlug, der mit Spießen und Hellebarden beladen war. Als er näher kam, grüßte er sie und wollte vorüberziehen. Don Quijote sprach ihn an: »Seid nicht so eilig, lieber Mann; Ihr scheint mit größerer Geschwindigkeit fort zu wollen, als Eurem Maulesel guttut.«

»Ich darf mich nicht aufhalten, Señor«, antwortete der Mann; »denn die Waffen, die Ihr hier in meiner Hut seht, sollen morgen gebraucht werden, und mithin darf ich mich nirgends verweilen, und Gott befohlen. Wenn Ihr aber wissen wollt, zu welchem Zweck ich mit ihnen des Weges ziehe, so denk ich in der Schenke, die oberhalb der Einsiedelei liegt, diese Nacht zu herbergen, und wenn Ihr denselben Weg nehmt, dort könnt Ihr mich finden, und da will ich Euch Wunderdinge erzählen; und nochmals Gott befohlen.«

Und er trieb den Maulesel so stark mit dem Stachel an, daß Don Quijote ihn nicht mehr fragen konnte, was für Wunderdinge er ihnen zu erzählen gedenke; und da der Ritter etwas neugierig und beständig von dem Verlangen geplagt war, seltsame Dinge zu erfahren, befahl er, augenblicks aufzubrechen und zum Übernachten nach der Schenke zu ziehen, ohne die Einsiedelei zu berühren, wo der Vetter das Nachtlager gewünscht hatte. Es geschah also; sie stiegen auf und ritten alle drei geradesweges nach der Schenke, wo sie kurz vor Abend ankamen.

Der Vetter sagte zu Don Quijote, sie sollten sich doch erst nach der Einsiedelei begeben, um einen Schluck zu trinken. Kaum hörte das Sancho Pansa, da lenkte er seinen Grauen zu ihr hin, und das nämliche taten Don Quijote und der Vetter; allein Sanchos Unstern schien es so gefügt zu haben, daß der Einsiedler nicht zu Hause war, wie ihnen ein Unterklausner sagte, den sie in der Einsiedelei fanden. Sie verlangten vom Besten; er antwortete, sein Herr habe keinen; wenn sie aber wohlfeiles Wasser haben wollten, so würde er es ihnen sehr gern verabreichen.

»Wenn ich Durst nach Wasser hätte«, erwiderte Sancho, »so waren unterwegs genug Brunnen, wo ich ihn hätte stillen können. O Camachos Hochzeit! Und du, behagliche Fülle in Don Diegos Haus! Wie oft muß ich euch vermissen!«

Hiermit schieden sie von der Einsiedelei und spornten ihre Tiere nach der Schenke hinauf; eine kurze Strecke weiter stießen sie auf ein Bürschchen, das von ihnen herschritt, doch nicht sehr eilig, und so holten sie es ein. Der Bursche trug sein Schwert auf der Schulter, und daran hing ein Bündel oder Pack, wie es den Anschein hatte, mit seinen Kleidern; ohne Zweifel waren es Hosen oder Beinkleider, ein Mantel und wohl auch ein paar Hemden, denn er hatte nur ein Röcklein an, von Seide, mit einer Spur von Atlas aufgeputzt, und das Hemd sah daraus hervor; die Strümpfe waren von Seide, die Schuhe viereckig abgestutzt, nach der Mode des Hofes. Sein Alter mochte an achtzehn oder neunzehn Jahre reichen; er hatte muntere Gesichtszüge und war dem Anscheine nach gelenk von Körper. Im Gehen sang er lustige Volksweisen, um sich die Mühe des Wanderns zu erleichtern. Als sie ihn einholten, hatte er eben eine zu Ende gesungen, die der Vetter auswendig behielt und die folgendermaßen gelautet haben soll:

Zum Krieg hat mich geworben
Not, die Eisen bricht;
Und hätt ich Geld im Säckel,
Tät ich’s wahrlich nicht.

Der erste, der ihn anredete, war Don Quijote, der also zu ihm sprach: »Ihr reist sehr leicht gekleidet, junger Herr; und wohin des Weges? Laßt es uns hören, wenn es Euch nicht unangenehm ist, es zu sagen.«

Darauf antwortete der Jüngling: »Daß ich so leicht gekleidet gehe, daran ist die Hitze schuld und die Armut; und wohin ich gehe? In den Krieg.«

»Wieso die Armut?« fragte Don Quijote; »der Hitze wegen, das kann schon sein.«

»Señor«, antwortete der junge Mann, »ich habe in diesem Pack ein Paar Samthosen, die Kollegen dieses Röckleins; wenn ich sie auf der Reise verbrauche, so kann ich mich nicht mehr in der Stadt damit putzen; und ich habe nichts, womit ich mir andre kaufen könnte; und sowohl darum, als auch um mich in der Luft zu erfrischen, gehe ich so angezogen, bis ich zu den Kompanien Fußvolks gelange, die keine zwölf Meilen von hier stehen; dort will ich mich anwerben lassen, und da wird es auch an Gepäckwagen nicht fehlen, worin ich weiter bis zum Einschiffungsort fahren kann, welcher, wie ich höre, Cartagena sein wird. Ich will zum Herrn und Gebieter lieber den König haben und ihm im Kriege dienen als einem Knauser in der Residenz.«

»Habt Ihr denn nicht irgendeine Zulage zur Löhnung erhalten?« fragte der Vetter.

»Hätte ich einem Granden von Spanien oder sonst einem vornehmen Herrn gedient«, antwortete der Jüngling, »so würde ich sicherlich dergleichen haben; denn das ist das Gute am Dienst bei Leuten, die was Rechtes sind, daß man aus dem Gesindezimmer heraus gleich Fähnrich oder Hauptmann wird oder ein gutes Wartegeld bekommt. Aber ich Unglücklicher habe immer bei Stellenjägern und hergelaufenem Volk gedient, das so wenig Kost und Lohn hatte, daß die Hälfte draufging, wenn sie sich einen Halskragen stärken lassen sollten. Da wäre es für ein Wunder zu halten, wenn ein durch die Welt irrender Diener zu irgendeinem wenn auch nur mäßigen Glück käme.«

»Aber sagt mir die Wahrheit, bei Eurem Leben, Freund«, sprach Don Quijote, »ist es möglich, daß Ihr es während all der Jahre, wo Ihr gedient, nicht einmal zu einer Livree gebracht habt?«

»Ich habe deren zwei bekommen«, antwortete der Diener; »aber wie man einem, der aus einem Mönchsorden, ehe er sein Gelübde abgelegt hat, wieder austritt, die Ordenstracht abnimmt und ihm seine früheren Kleider wiedergibt, so wurden mir die meinigen von meinen Herren wieder genommen; denn wenn die Angelegenheiten, derentwegen sie in die Residenz gekommen, erledigt waren, kehrten sie nach Hause zurück und nahmen die Livree wieder an sich, die sie aus bloßer Prahlsucht gegeben hatten.«

»Eine bemerkenswerte spilorceria, wie der Italiener sagt«, sprach Don Quijote. »Aber trotzdem dürft Ihr es für ein besonderes Glück erachten, daß Ihr der Residenz mit einem so trefflichen Vorsatz den Rücken gewendet; denn es gibt nichts auf Erden, was mehr Ehre und mehr Vorteil bringt, als zuerst Gott zu dienen, hierauf aber sogleich seinem Könige und angestammten Herrn, besonders im Waffenwerk, womit, wenn nicht größerer Reichtum, so doch mindestenfalls größere Ehre gewonnen wird als mittels der Gelahrtheit, wie ich schon oftmalen gesaget. Denn wenn auch die Gelehrsamkeit mehr Familienmajorate hat als das Waffenwerk, so haben doch die durch den Wehrstand gegründeten vor denen, die der Gelehrtenstand gegründet, ein gewisses Etwas voraus, dazu eine Art Glanz, der ihnen den Vorzug vor allen verleiht.

Was ich aber Euch jetzt sagen will, das bewahrt in Eurem Gedächtnis, denn es wird Euch zu großer Ersprießlichkeit und Erquickung in Euren Mühsalen gereichen: Ihr sollt nämlich den Gedanken an die feindlichen Schicksalsfälle, die Euch treffen können, weit von Eurem Geiste entfernt halten; denn der schlimmste Fall von allen ist das Sterben, und falls dieses nur ein rühmliches ist, so ist das Sterben der beste von allen. Julius Cäsar, jener tapfere römische Imperator, wurde einst gefragt, welches der beste Tod sei; er antwortete: der unvermutete, der plötzliche und unvorhergesehene, und obgleich er als ein Heide antwortete, als ein Mann, dem die Kenntnis des wahren Gottes fremd war, so sagte er doch, was das Richtige war, um sich von der allgemeinen menschlichen Empfindung frei zu machen. Denn gesetzt den Fall, Ihr kommt im ersten Treffen oder Handgemenge um, sei es durch einen Kanonenschuß, sei es durch eine Mine, was liegt daran? Alles ist doch weiter nichts als Sterben, und damit ist die Sache abgetan, und nach Terenz steht es dem Kriegsmann schöner an, auf dem Schlachtfelde tot zu liegen, als sich auf der Flucht lebend und gerettet zu sehen. Der brave Soldat gewinnt so viel des Ruhmes, so unverbrüchlich er den Gehorsam wahrt seinen Hauptleuten und denen, welche Befehlsgewalt über ihn haben. Und merkt Euch, mein Sohn, es paßt sich für den Soldaten besser, nach Pulver als nach Bisam zu riechen, und wenn einst das Alter Euch noch in diesem ehrenvollen Berufe findet, wenn auch voller Wunden oder verkrüppelt oder lahm, so kann es Euch zum mindesten nicht ohne Ehre finden, ohne eine Ehre, die Euch Armut nimmer schmälern kann. Zudem ist man schon daran, Anstalten für Unterhalt und Pflege der alten verkrüppelten Soldaten zu treffen; denn es ist nicht recht, so mit ihnen zu verfahren wie manche mit ihren Negersklaven, die sie, wenn sie alt sind und nicht mehr dienen können, entlassen und in Freiheit setzen, sie unter dem Namen Freigelassene aus dem Hause stoßen und sie dadurch zu Sklaven des Hungers machen, von dem sie keine Befreiung hoffen können als durch den Tod. Aber für jetzt will ich Euch nichts weiter sagen, als daß Ihr Euch diesem meinem Roß auf die Kruppe setzet bis zur Schenke, und dort sollt Ihr mit mir zu Abend essen und morgen Eure Reise fortsetzen, welche Gott Euch zu einer so glücklichen machen möge, wie es Euer Vorhaben verdient.«

Der Diener nahm die Einladung auf die Kruppe nicht an, wohl aber die, mit ihm in der Schenke zu speisen; und es wird berichtet, bei dieser Gelegenheit habe Sancho leise für sich gesagt: »Hilf Himmel, was für ein Herr bist du! Wie kann nur ein Mann, der solche und so viele und so treffliche Dinge zu sagen weiß, wie er soeben gesagt hat, behaupten, er habe all den unmöglichen Widersinn mit Augen gesehen, den er von der Höhle des Montesinos erzählt? Nun gut, es wird sich schon finden.«

Unterdessen kamen sie mit Eintritt der Dunkelheit vor der Schenke an, wobei Sancho sich nicht wenig freute, weil er sah, daß sein Herr sie für eine wirkliche Schenke hielt und nicht für eine Burg, wie er zu tun pflegte. Kaum waren sie eingetreten, als Don Quijote den Wirt nach dem Mann mit den Spießen und Hellebarden fragte; dieser antwortete, derselbe sei im Stalle damit beschäftigt, den Maulesel zu versorgen. Das nämliche taten nun auch der Vetter und Sancho mit ihren Tieren, wobei sie Rosinanten die beste Krippe und den besten Platz im ganzen Stall einräumten.

18. Kapitel


Von den Begebnissen, so dem Ritter Don Quijote in der Burg oder Behausung des Ritters vom grünen Mantel zustießen, nebst andern ungeheuerlichen Dingen

Don Quijote fand das Haus des Don Diego de Miranda sehr geräumig, wie üblich bei Wohngebäuden auf dem Dorfe; das Adelswappen war, wenn auch in groben Stein eingehauen, über dem Tor zur Straße; das Weinlager im inneren Hofe, der Keller unter dem Torweg, wo zahlreiche irdene Krüge ringsherum standen, die, weil sie von Toboso waren, in ihm die Erinnerung an seine verzauberte und verwandelte Dulcinea erneuten. Und seufzend und ohne zu überlegen, was er sagte und vor wem er es sagte, sprach er:

»O süße Pfänder, mir zur Qual gefunden!
Süß und erfreulich, wenn es Gott so wollte!

O ihr tobosanischen Krüge, wie habt ihr mir das süße Pfand meiner größten Bitternis ins Gedächtnis gerufen!«

Dies hörte der dichtende Student, der Sohn Don Diegos, der mit seiner Mutter aus dem Hause gekommen war, ihn zu begrüßen; und Mutter und Sohn wurden von Erstaunen befallen über das seltsame Aussehen Don Quijotes, der sofort von Rosinanten abstieg und mit großer Höflichkeit sich der Dame Hand zum Kuß erbat. Don Diego aber sprach: »Empfanget, Señora, mit Eurer gewöhnlichen Freundlichkeit den Herrn Don Quijote von der Mancha, denn er ist’s, den Ihr vor Euch seht, ein fahrender Ritter und dazu der tapferste und klügste, den die Welt besitzt.«

Die Hausfrau, welche Doña Christina hieß, empfing ihn mit Zeichen größter Zuneigung und größter Höflichkeit, und Don Quijote erbot sich ihr zu Diensten mit genügsamer Fülle von verständigen und verbindlichen Worten. Schier die nämlichen Höflichkeiten tauschte er mit dem Studenten aus, den Don Quijote, als er ihn sprechen hörte, für einen klugen, scharfsinnigen Kopf hielt.

Hier schildert der Verfasser die gesamte Einrichtung in Don Diegos Hause und zeigt uns dabei, was alles das Haus eines reichen Landedelmannes aufzuweisen hat; allein dem Übersetzer dieser Geschichte schien es zweckmäßig, diese und andre derartige Einzelheiten zu übergehen, weil sie nicht recht zum Hauptzweck dieser Geschichte passen, die ihre Stärke mehr in der Wahrheit der Schilderungen sucht als in schalen Abschweifungen.

Don Quijote ward in einen Saal geführt, Sancho nahm ihm Wehr und Waffen ab, und er stand nun da in Pluderhosen und gemsledernem Wams, ganz verunreinigt vom Schmutz der Rüstung; er trug einen breit umgelegten Kragen nach Studentenart, ungesteift und ohne Spitzenbesatz; seine maurischen Halbstiefel waren dattelbraun und die Vorderblätter mit gelbem Wachs abgerieben. Nun gürtete er sich sein gutes Schwert um, das an einem Wehrgehänge von Seehundsfell hing – aber nicht um die Hüften, denn er soll viele Jahre lang an Nierenschmerzen gelitten haben –; dann warf er einen Mantel über von gutem grauem Tuche. Vor allem aber wusch er sich Kopf und Gesicht mit fünf oder sechs Eimern Wasser – denn in der Zahl der Eimer sind die Angaben etwas verschieden –, und trotzdem war das Wasser auch zuletzt noch wie gelber Rahm dank der Gefräßigkeit Sanchos und dem Ankauf seiner verwünschten Rahmkäse, die seinen Herrn so sauber angestrichen hatten.

In dem besagten Aufputz und mit zierlichem Anstand und edler Haltung begab sich Don Quijote in ein anderes Gemach, wo der Student ihn erwartete, um ihn zu unterhalten, während der Tisch gedeckt wurde; denn bei dem Eintreffen eines so vornehmen Gastes wollte Señora Doña Christina zeigen, daß sie die Besucher ihres Hauses zu bewirten verstand und vermochte.

Während Don Quijote noch dabei war, seine Rüstung abzulegen, hatte Don Lorenzo – so hieß Don Diegos Sohn – Gelegenheit gefunden, seinen Vater zu fragen: »Wer, sagt uns, ist der Edelmann, den Euer Gnaden uns ins Haus gebracht hat? Denn der Name, die Gestalt, die Angabe, daß er ein fahrender Ritter ist, halten mich wie die Mutter in großer Spannung.«

»Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, mein Sohn«, antwortete Don Diego; »nur das kann ich dir sagen, daß ich Taten von ihm sah, die des größten Narren von der Welt würdig sind, und Worte von ihm hörte, die seine Taten auslöschen und vergessen lassen. Sprich du mit ihm und fühle seinem Verstand auf den Puls, und da du ein gescheiter Junge bist, so fälle über seine Vernünftigkeit oder Verrücktheit ein Urteil, so gut du es vermagst; um die Wahrheit zu sagen, ich halte ihn eher für verrückt als für vernünftig.«

Mit diesem Bescheid ging Don Lorenzo, um sich mit Don Quijote zu unterhalten, wie schon gesagt; und während des Verlaufs ihres Gesprächs sagte Don Quijote unter anderem zu Don Lorenzo: »Der Señor Don Diego de Miranda, Euer Vater, hat mir von den seltenen Fähigkeiten und dem Scharfsinn Kunde gegeben, die Euer Gnaden besitzt; und insbesondere, daß Ihr ein großer Dichter seid.«

»Ein Dichter, das kann schon sein«, erwiderte Don Lorenzo, »aber ein großer, daran ist kein Gedanke. Wahr ist’s, daß ich ein Verehrer der Dichtkunst bin und gerne gute Bücher lese, aber das ist noch nicht hinreichend, daß man mir den Namen eines großen Dichters beilegt, wie mein Vater sich geäußert hat.«

»Diese Bescheidenheit mißfällt mir keineswegs«, sprach Don Quijote darauf; »denn es gibt keinen Dichter, der nicht anmaßend wäre und sich für den ersten Poeten auf Erden hielte.«

»Keine Regel ohne Ausnahme«, entgegnete Don Lorenzo; »es wird manchen geben, der ein Dichter ist und sich nicht dafür hält.«

»Aber wenige«, versetzte Don Quijote. »Doch sagt mir, was für Verse habt Ihr jetzt unter den Händen, da Euer Herr Vater mir gesagt hat, sie machen Euch etwas besorgt und nachdenklich? Wenn es etwa eine Glosse ist, ich meinesteils verstehe etwas von Glossen, und ich würde mich freuen, die Verse zu hören; wenn sie aber für einen dichterischen Wettkampf bestimmt sind, so trachtet danach, den zweiten Preis davonzutragen; denn der erste wird doch immer nach Gunst oder Rang verteilt; den zweiten hingegen erringt die wirkliche Berechtigung, und so wird der dritte eigentlich der zweite. So ist der erste Preis in Wirklichkeit der dritte, ganz wie wenn auf den Universitäten der Grad eines Lizentiaten verliehen wird; aber bei alledem ist der Name des ersten Preises etwas besonders Vornehmes.«

Bis jetzt, sagte Don Lorenzo für sich, kann ich Euch noch nicht für verrückt halten; aber gehen wir erst weiter.

Nun sprach er zu Don Quijote: »Es bedünkt mich, Euer Gnaden hat die Hochschule besucht; in welchen Wissenschaften habt Ihr Vorlesungen gehört?«

»In der Wissenschaft des fahrenden Rittertums«, antwortete Don Quijote, »welche so trefflich ist wie die der Poesie und noch ein paar Fingerbreit darüber hinaus.«

»Ich weiß nicht, was das für eine Wissenschaft ist«, versetzte Don Lorenzo; »bis jetzt habe ich nichts von ihr gehört.«

»Es ist eine Wissenschaft«, entgegnete Don Quijote, »die alle oder doch die meisten Wissenschaften der Welt in sich begreift. Denn wer sie betreibt, muß ein Rechtskundiger sein und die Gesetze der austeilenden, das Eigentum schützenden Gerechtigkeit kennen, um einem jeden zu geben, was ihm gehört und was ihm gebührt; er muß ein Gottesgelahrter sein, um von dem christlichen Glauben, zu dem er sich bekennt, klar und deutlich Rechenschaft geben zu können, wo immer es von ihm verlangt wird; er muß ein Arzt, vorzugsweise aber ein Kräuterkenner sein, um inmitten der Einöden und Wüsteneien die Kräuter zu erkennen, die wundenheilende Kraft besitzen; denn der fahrende Ritter soll nicht bei jedem Anlaß umhersuchen, wer sie ihm heilen kann; er muß ein Sternkundiger sein, um aus den Sternen zu erkennen, wieviel Stunden der Nacht schon verflossen sind und in welcher Gegend und unter welchem Himmelsstrich er sich befindet; er muß Mathematik verstehen, denn bei jedem Schritt wird sich ihm die Notwendigkeit dieser Wissenschaft zeigen. Und indem ich beiseite lasse, daß er mit allen drei theologalen Tugenden und allen vier Kardinaltugenden geziert sein muß, steige ich zu geringfügigeren Dingen herab und sage: er muß schwimmen können, wie man sagt, daß Cola oder Nicolao Pesce es konnte; er muß ein Pferd beschlagen, Sattel und Zaum, in Ordnung bringen können; und indem ich jetzt wieder auf das vorige zurückkomme: er muß Gott und seiner Dame die Treue zu wahren wissen; er muß keusch sein in seinen Gedanken, sittsam in seinen Worten, stets hilfsbereit in seinen Werken, mannhaft in seinen Taten, geduldig in Drangsalen, barmherzig gegen Notbedrängte und endlich ein Vorkämpfer für die Wahrheit, wenn auch ihre Verteidigung ihn das Leben kosten sollte. Alle diese größeren und geringeren Eigenschaften zusammengenommen bilden den echten, rechten fahrenden Ritter; und daraus möget Ihr, Señor Don Lorenzo, entnehmen, ob es eine unbedeutende Wissenschaft ist, die ein Ritter erlernt, der sie zu seinem Studium und zu seinem Beruf macht, oder ob sie sich gleichstellen darf den erhabensten Wissenschaften, die in Gymnasien und Schulen gelehrt werden.«

»Wenn dem so ist«, versetzte Don Lorenzo, »so erkläre ich, daß diese Wissenschaft allen vorangeht.«

»Was heißt das: ›Wenn dem so ist‹?« entgegnete Don Quijote.

»Was ich damit sagen will«, sprach Don Lorenzo, »ist, daß ich zweifle, ob es jemals fahrende Ritter gegeben hat oder jetzt gibt, die mit soviel Tugenden geschmückt sind.«

»Oftmalen hab ich gesaget, was ich itzo wiederum sage«, sprach Don Quijote dagegen, »daß die Mehrzahl der auf Erden Lebenden der Meinung ist, auf selbiger habe es fahrende Ritter niemals gegeben; und sintemalen es mich bedanket, daß, wenn der Himmel sie nicht selbst von der Wahrheit überzeugt, daß es solche gegeben hat und solche gibt, jegliche darauf verwandte Mühe vergeblich sein wird, wie es mir oftmalen die Erfahrung erwiesen hat, so will ich jetzt mich nicht dabei verweilen, Euch aus dem Irrtum zu reißen, den Ihr mit so vielen teilet. Was ich tun will, ist, den Himmel zu bitten, daß er Euch selbigen benehme und Euch einsehen lasse, wie ersprießlich und wie notwendig die fahrenden Ritter in vergangenen Jahrhunderten der Welt gewesen und wie nützlich sie im gegenwärtigen sein würden, wenn sie noch bräuchlich wären; allein heutzutage, um der Sünden der Menschheit willen, triumphieren Trägheit, Müßiggang, Schwelgerei und Üppigkeit.«

Endlich ist unserm Gaste der Verstand durchgegangen, sagte jetzt Don Lorenzo leise für sich – aber bei alledem ist er ein edler Narr, und ich wäre ein schwachsinniger Tor, wenn ich das nicht einsähe.

Hiermit beschlossen sie ihre Unterhaltung, da man sie zum Essen rief. Don Diego fragte seinen Sohn, inwieweit er über den geistigen Zustand des Gastes ins reine gekommen sei, und Don Lorenzo antwortete: »Soviel Ärzte und gute Schreiber es in der Welt gibt, sie alle werden die wirre Handschrift seiner Narrheit nicht ins reine bringen; er ist ein mit Verstand gespickter Narr mit lichten Augenblicken.«

Sie gingen zu Tisch, und die Mahlzeit war solcher Art, wie Don Diego unterwegs gesagt hatte, daß er sie seinen Gästen vorzusetzen pflege, anständig, reichlich und schmackhaft; aber was Don Quijote am meisten behagte, war die wunderbare Stille, die im ganzen Hause herrschte, so daß es ein Kartäuserkloster schien. Nachdem abgedeckt, ein Dankgebet zu Gott gesprochen und Waschwasser für die Hände gereicht worden, drang Don Quijote inständigst in Don Lorenzo, die Verse für den Dichterwettbewerb vorzutragen. Dieser antwortete: »Damit ich nicht wie einer jener Poeten erscheine, die sich weigern, ihre Verse mitzuteilen, wenn man sie darum bittet, und sie, wenn man sie nicht hören will, wie im Erbrechen von sich speien, so will ich meine Glosse vortragen; ich erwarte keinen Preis für sie, denn ich habe sie nur gedichtet, um mein Talent zu üben.«

»Ein Freund, ein wohlverständiger«, entgegnete Don Quijote, »war der Meinung, niemand solle sich damit abmühen, Verse zu glossieren; und zwar deswegen, weil die Glosse niemals dem Thema an Wert gleichkommen könne, weil die Glosse sehr oft, ja in den meisten Fällen, von Sinn und Absicht dessen abweiche, was glossiert werden soll; und besonders, weil die Regeln der Glosse übermäßig streng seien, indem sie keine Fragesätze, kein ›sagte er‹ oder ›will ich sagen‹ gestatten und nicht erlauben, aus Zeitwörtern Hauptwörter zu machen noch den Sinn zu verändern, nebst andern Fesseln und Beschränkungen, die jeden einengen, der eine Glosse schreiben will, wie Euer Gnaden wissen wird.«

»Wahrhaftig, Señor Don Quijote«, sprach Don Lorenzo, »ich wünsche in einem fort, Euer Gnaden auf einem lateinischen Schnitzer, wie es in den Schulen heißt, zu ertappen, und kann’s nicht; denn Ihr schlüpft mir unter den Händen durch wie ein Aal.«

»Ich verstehe nicht«, gab Don Quijote zur Antwort, »was Ihr sagt, noch was Ihr mit dem Durchschlüpfen meint.«

»Ich werde schon sorgen, daß Ihr mich versteht«, versetzte Don Lorenzo; »für jetzt aber wollet den glossierten Versen und der Glosse Aufmerksamkeit schenken. Sie lauten also:

Thema

Würde nur mein War zum Ist,
Wär mein Glücksziel nicht mehr weit,
Oder brächt es gleich die Zeit,
Was wird sein in künftiger Frist.

Glosse

Wie das Irdsche all muß enden,
So die Güter, die mir Glück
Gab mit einst nicht kargen Händen;
Und nie kehrt es mir zurück,
Viel noch wenig neu zu spenden.
Glück, seit ewig langer Frist
Fleh ich, da du grausam bist:
Gib mir deine Gunst zurücke!
Denn mein Sein erblüht im Glücke,
Würde nur mein War zum Ist.

Nicht an Kampf und Sieg mich weiden,
Lorbeer nicht ums Haar mir winden,
Nicht in Ruhm will ich mich kleiden,
Den Genuß nur wiederfinden,
Den Erinnrung macht zum Leiden.
Bringst du wieder jene Zeit,
Schicksal, dann bin ich befreit
Aus des Schmerzes grimmen Händen;
Wollte sich’s nur bald so wenden,
Wär mein Glücksziel nicht mehr weit.

Unerfüllbar mein Verlangen;
Denn zurückedrehn die Zeit,
Wenn sie einmal hingegangen –
Keine Macht der Endlichkeit
Kann sich solches unterfangen.
Denn die Zeit flieht weit und weit,
Kehrt nie mehr in Ewigkeit;
Torheit war es, zu verlangen:
Wär das Neue gleich vergangen!
Oder brächt es gleich die Zeit!

In des Lebens Zweifeln leben,
Bald in Fürchten, bald in Hoffen,
Heißt in Todesängsten schweben.
Besser, gleich vom Tod getroffen,
Rasch des Jenseits Vorhang heben!
Wenn Gewinn das Sterben ist,
Kommt die Furcht doch und ermißt
Neu des Daseins Wert – verlanget
Fortzuleben, weil mir banget,
Was wird sein in künftiger Frist.«

Als Don Lorenzo geendigt hatte, stand Don Quijote auf, und mit erhobener Stimme, daß es fast wie Schreien klang, sprach er, indem er Don Lorenzos rechte Hand ergriff: »Beim hohen Himmel, beim höchsten der Himmel, herrlicher Jüngling, Ihr seid der beste Dichter auf Erden und seid würdig, mit dem Lorbeer gekrönt zu werden, nicht von Zypern noch von Gaeta, wie gesagt hat ein Poeta – dem Gott seine Sünden verzeihe! –, sondern von den Akademien Athens, wenn sie heute noch bestünden, und von denen, die heute bestehen, denen zu Paris, Bologna und Salamanca. Gott gebe, wenn die Richter Euch den ersten Preis absprechen sollten, daß Phöbus sie mit seinen Pfeilen erlege und die Musen niemals über die Schwelle ihrer Häuser schreiten. Sagt mir, Señor, wenn Ihr so gütig sein wollet, einige Verse von längerem Silbenmaß, denn ich will in all und jeder Beziehung Eurem bewundernswerten Genius auf den Puls fühlen.«

Ist es nicht allerliebst, daß Don Lorenzo hocherfreut war, sich von Don Quijote loben zu hören, obwohl er ihn für einen Narren hielt? O Schmeichelei, wie groß ist deine Macht, und wie weit dehnen sich die Grenzen deiner süßen Herrschaft! Die Wahrheit dieser Worte bewies Don Lorenzo, indem er auf Don Quijotes Wunsch und Verlangen sogleich einging und folgendes Sonett über die Fabel oder Geschichte von Pyramus und Thisbe vortrug:

Sonett

Die Wand durchbricht die Maid, die schöngestalte,
Die Pyramus schlug tiefe Herzenswunden;
Von Zypern her eilt Amor, zu erkunden
Die enge wundersame Mauerspalte.

Hier spricht das Schweigen; jeder Ton verhallte,
Eh durch die enge Eng er sich gewunden.
Den Durchpaß hat die Sehnsucht nur gefunden;
Kein Hemmnis gibt’s, das stand vor Amor halte!

Die Sehnsucht hielt nicht maß. Nach kurzem Glücke
Büßt die betörte Maid ihr Liebesstreben
Mit herbem Tod – so wollt es Amor lenken.

Und beide nun zugleich, o Schicksalstücke!
Tötet, begräbt, erweckt zu neuem Leben
Ein Schwert, ein Grab, ein preisend Angedenken.

»Gelobt sei Gott«, sagte Don Quijote, als er Don Lorenzos Sonett gehört, »daß ich unter den zahllosen verkommenen Dichtern, die es gibt, einen vollkommnen Dichter gefunden habe, wie Ihr es seid, lieber Herr; denn davon hat mich die kunstreiche Arbeit Eures Sonetts überzeugt.«

Vier Tage lang blieb Don Quijote, aufs trefflichste bewirtet, im Hause Don Diegos; nach deren Verfluß bat er ihn um Erlaubnis zu scheiden, indem er ihm erklärte, sosehr er ihm für die Gewogenheit und Gastfreundschaft danke, die ihm in seinem Hause geworden, so stehe es doch fahrenden Rittern nicht wohl an, sich lange Stunden dem Müßiggang und dem Wohlleben zu ergeben, und er wolle daher von dannen, um seinen Beruf zu erfüllen, nämlich auf die Suche nach Abenteuern zu gehen, von denen diese Landschaft wimmle, wie er dessen Kunde habe. Und damit hoffe er seine Zeit zu verbringen, bis der Tag des Turniers zu Zaragoza komme, wohin sein Weg in gerader Richtung gehe. Vorher aber müsse er in die Höhle des Montesinos hinabsteigen, von der man so vielerlei und so Wunderbares in dieser Gegend erzähle, und wolle nicht minder die Entstehung und die eigentlichen Quellen der sieben Seen, die man gemeiniglich die Ruidera-Seen nenne, erforschen und kennenlernen.

Don Diego und sein Sohn priesen seinen ehrenhaften Entschluß und baten ihn, aus ihrem Haus und ihrer Habe alles mitzunehmen, was er wolle; sie würden ihm mit aller nur möglichen Bereitwilligkeit zu Diensten sein, wozu ja die hohe Würdigkeit seiner Person und sein ehrenhafter Beruf sie verpflichteten.

Endlich kam der Tag seines Scheidens, so erfreulich für Don Quijote wie traurig für Sancho, der sich bei dem Überfluß im Hause Don Diegos sehr wohlbefand und sich innerlich dagegen sträubte, zu dem in Wäldern und Einöden üblichen Hunger und zur Dürftigkeit seines schlechtversorgten Schnappsacks zurückzukehren, den er aber doch mit allem vollpfropfte, was ihm besonders nötig schien.

Beim Abschied sagte Don Quijote zu Don Lorenzo: »Ich weiß nicht, ob ich es Euer Gnaden schon einmal gesagt habe, und habe ich’s schon gesagt, so sag ich es nochmals: Wenn Ihr Euch die Wege und Mühen ersparen wollt, um zu der unnahbaren Höhe des Ruhmestempels zu gelangen, braucht Ihr nichts weiter zu tun, als den etwas schmalen Pfad der Dichtkunst zu verlassen und den allerschmalsten, den des fahrenden Rittertums, einzuschlagen, der Euch im Handumdrehen zum Kaiser machen kann.«

Mit diesen Äußerungen brachte Don Quijote den Prozeß seiner Verrücktheit zum Aktenschluß, und noch vollständiger mit den Worten, die er hinzufügte: »Gott weiß, wie gern ich den Señor Don Lorenzo mitnehmen möchte, um ihm zu zeigen, wie man die schonen soll, die sich unterwerfen, und zu Boden schlagen soll und niedertreten die Hochmütigen, eine tugendsame Handlungsweise, die von dem Berufe, zu dem ich berufen bin, untrennbar ist; aber da Euer jugendliches Alter solches nicht begehrt und Eure preiswürdigen Geistesübungen es nicht verstatten, so laß ich mir lediglich daran genügen, Euch zu Gemüte zu führen, daß Ihr, der Ihr ein Dichter seid, ein ausgezeichneter werden könnt, so Ihr Euch mehr durch fremdes Urteil als durch Euer eigenes leiten lasset. Denn es gibt keine Eltern, die ihre Kinder für häßlich halten; und bei den Kindern des Geistes findet man diese Selbsttäuschung noch weit häufiger.«

Aufs neue erstaunten Vater und Sohn über das seltsame Gemisch von Verstand und Unsinn in den Äußerungen Don Quijotes und über die Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit, die er zeigte, sich mehr und mehr der Suche nach seinen Abenteuern hinzugeben, die ihn stets teuer zu stehen kamen und die ihm Ziel und Endzweck seines Strebens waren. Nun wiederholten sich die Dienstanerbietungen und Höflichkeiten, und Don Quijote und Sancho, mit freundlichem Urlaub der Herrin dieser Burg, ritten von dannen auf Rosinante und dem Grauen.

19. Kapitel


Worin das Abenteuer vom verliebten Schäfer und manch andere wirklich ergötzliche Begebnisse erzählt werden

Noch nicht weit hatte sich Don Quijote von Don Diegos Dorf entfernt, als ihm zwei Leute, die wie Geistliche oder Studenten aussahen, und zwei Bauern begegneten, die alle vier auf Tieren vom Geschlechte der Esel ritten. Der eine der Studenten hatte eine Art Mantelsack aus grünem Drillich bei sich, der anscheinend etwas weiße Wäsche und zwei Paar grobe wollene Strümpfe enthielt, der andre nichts als zwei Rapiere mit aufgesetzten Knöpfen. Die Bauern trugen andre Sachen, die da zeigten und erraten ließen, daß die Eselsreiter eben aus einer größeren Stadt kamen, wo sie die Sachen eingekauft hatten, um sie in ihr Dorf heimzubringen. Studenten wie Bauern gerieten in die nämliche Verwunderung, die jeden ergriff, der Don Quijote zum erstenmal erblickte, und sie vergingen schier vor Begierde zu erfahren, wer jener Mann sei, der von dem gewöhnlichen Aussehen aller andern Menschen so sehr abstach. Don Quijote grüßte sie, und als er gehört, welchen Weg sie verfolgten, nämlich denselben wie er, bot er ihnen seine Begleitung an und bat sie, den Schritt zu mäßigen, da ihre Eselinnen rascher trabten als sein Roß; und um sich ihnen verbindlich zu erweisen, sagte er ihnen in kurzen Worten, wer er sei und was sein Beruf und Stand, nämlich der eines fahrenden Ritters, der in allen Landen der Welt auf die Suche nach Abenteuern gehe. Er erklärte, er heiße mit seinem Namen Don Quijote von der Mancha und mit seinem Beinamen der Löwenritter.

Den Bauern klang das alles, als hätte er mit ihnen Griechisch oder Rotwelsch gesprochen, aber nicht so den Studenten, die sofort Don Quijotes Gehirnschwäche erkannten. Dessenungeachtet betrachteten sie ihn mit Bewunderung und Achtung, und einer von ihnen sprach zu ihm: »Wenn Euer Gnaden, Herr Ritter, einen bestimmten Weg nicht vorhat, wie dies bei denen, die auf Abenteuer ausgehen, der Fall zu sein pflegt, so wolle Euer Gnaden uns begleiten; Ihr werdet eines der stattlichsten und reichsten Hochzeitsfeste sehen, das bis zum heutigen Tage in der Mancha und auf viele Meilen in der Runde gefeiert worden.«

Don Quijote fragte ihn, ob es die Hochzeit eines Fürsten sei, daß er sie so sehr rühme.

»Das nicht«, antwortete der Student, »sondern die eines Bauern mit einer Bäuerin. Er ist der reichste in dieser ganzen Gegend und sie die allerschönste, die je ein Mensch gesehen. Die Veranstaltungen zum Hochzeitsfest sind außerordentlich und von ganz neuer Art, denn es soll auf einem Anger nahe dem Dorf der Braut gefeiert werden. Sie wird zur besondern Auszeichnung Quitéria die Schöne genannt, und er heißt Camacho der Reiche; sie ist achtzehn Jahre alt und er zweiundzwanzig. Beide passen wohl zueinander, wenn auch einige Vielwisser, die die Familienregister der ganzen Welt im Kopfe haben, behaupten wollen, die Familie der schönen Quitéria sei vornehmer als die Camachos. Aber das spielt keine Rolle, denn der Reichtum füllt manchen Graben zu. Tatsächlich ist dieser Camacho freigebigen Sinnes, und er hat den Einfall gehabt, den ganzen Anger mit Zweigen von oben her umziehen und überdecken zu lassen, so daß es der Sonne schwerfallen wird, einzudringen und ihren Blick auf das Gras zu werfen, mit dem der Boden bewachsen ist. Er hat auch Kunsttänze vorgesehen, sowohl Schwerter- als auch Schellentänze; denn es gibt in seinem Dorfe manchen, der die Schellen aufs vortrefflichste schüttelt und rüttelt und erklingen läßt. Von den Leuten für den Pantoffeltanz will ich gar nichts sagen; es ist ein Gotteswunder, wieviel Tänzer er dazu bestellt hat. Aber von allem, was ich erzählt habe, und von viel andrem, was ich unerwähnt gelassen, wird nichts diese Hochzeit so merkwürdig machen, als was bei ihr voraussichtlich der tiefgekränkte Basilio tun wird. Dieser Basilio ist ein Bauernsohn aus dem Dorfe Quitérias; er war in seinem Hause der Wandnachbar ihrer Eltern, und daher ergriff Amor die Gelegenheit, die schon vergessene Liebschaft zwischen Pyramus und Thisbe der Welt aufs neue vorzuführen; denn Basilio verliebte sich in Quitéria von seinem zarten Kindesalter an, und sie erwiderte seine Neigung mit tausend unschuldigen Gunstbezeigungen, so daß man sich im Dorf die Liebe der beiden Kinder Basilio und Quitéria zur Unterhaltung zu erzählen pflegte. Sie wuchsen heran, und nun verbot Quitérias Vater dem Basilio den gewohnten Zutritt zu seinem Hause; und um nicht ständig in Angst und Argwohn leben zu müssen, beschloß er, seine Tochter mit dem reichen Camacho zu vermählen, da es ihm nicht wohlgetan schien, sie mit Basilio zu verheiraten, der nicht so viele Gaben vom Glück als von der Natur empfangen hatte. Denn um ganz neidlos die Wahrheit zu sagen, er ist der gewandteste Jüngling, den wir kennen, er ist der beste Speerwerfer, der kräftigste Ringer und ein trefflicher Ballspieler; er läuft wie ein Hirsch, springt besser als eine Gemse und schiebt Kegel, als wenn seine Kugel hexen könnte; er singt wie eine Lerche und spielt die Gitarre, als ob er ihr Sprache gäbe, und zu alledem handhabt er den Degen im Schwertertanz wie der Allertüchtigste auf Erden.«

»Um dieser Begabung allein willen«, fiel hier Don Quijote ein, »verdiente dieser Jüngling nicht nur, sich mit der schönen Quitéria zu vermählen, sondern mit der Königin Ginevra selbst, wenn sie jetzt lebte – trotz Lanzelot und allen jenen, so es verwehren möchten!«

»Das sagt nur einmal meiner Frau!« sprach Sancho Pansa, der bis dahin schweigend zugehört hatte; »die will es nicht anders haben, als daß ein jeder seinesgleichen heiraten soll, nach dem Sprichwort, das da sagt: Schäfchen beim Schaf, so gefällt sich’s, Gleich mit Gleichem, so gesellt sich’s. Wenn es auf mich ankäme, müßte der brave Basilio, den ich schon anfange gern zu haben, die Jungfer Quitéria heiraten. Möchten doch alle die zur Seligkeit und ewigen Ruhe eingehen« – er wollte das Gegenteil sagen –, »die es Leuten, die einander liebhaben, wehren, einander zu nehmen!«

»Wenn alle, die einander liebhaben, sich heiraten sollten«, sprach Don Quijote, »würde den Eltern die Wahl und das Recht entzogen, ihre Kinder zu verheiraten, mit wem und wann es am besten ist; und wenn es dem Willen der Töchter überlassen bliebe, ihre Ehemänner zu wählen, so gäbe es manche, die den Diener ihres Vaters wählen würde, und manche andre den ersten besten, den sie auf der Straße in einem nach ihrer Meinung prächtigen und vornehmen Aufzug gesehen, und wäre er auch ein ganz liederlicher Raufbold. Denn Liebe und Leidenschaft blenden leicht die Augen des gesunden Urteils, die so nötig sind bei der Wahl fürs Leben; und ganz besonders ist der Ehestand der Gefahr eines Fehlgriffs ausgesetzt, und es bedarf großer Vorsicht und besonderer Gunst des Himmels, um hierbei das Richtige zu treffen. Es will einer eine Reise tun, und wenn er verständig ist, so sucht er sich, eh er sich auf den Weg begibt, einen verläßlichen und angenehmen Gefährten als Begleiter; warum also soll der nicht das nämliche tun, dessen Reise sein ganzes Leben hindurch bis an die Pforten des Todes dauert, zumal wenn der Gefährte ihn zu Bett und Tisch und überallhin begleiten soll wie die Frau ihren Mann? Die Gesellschaft der Frau ist keine Ware, die, einmal gekauft, zurückgegeben oder umgetauscht oder ausgewechselt werden kann; sie ist ein unzertrennbarer Bestandteil, der so lang dauert wie das Leben selbst; es ist eine Schlinge, und hast du sie dir einmal um den Hals geworfen, so verwandelt sie sich in einen gordischen Knoten, der unlösbar ist, bis ihn die Sense des Todes durchschneidet. Viel anderes noch könnte ich über diesen Gegenstand sagen, wenn es mir nicht der Wunsch verböte zu erfahren, ob der Herr Lizentiat nicht noch etwas über Basilios Geschichte zu sagen hat.«

Darauf antwortete der Student oder Baccalaureus oder Lizentiat, wie ihn Don Quijote nannte: »Weiter habe ich nichts zu sagen, als daß von dem Augenblick an, wo Basilio erfuhr, daß die schöne Quitéria sich mit Camacho dem Reichen verheiraten sollte, keiner ihn mehr lachen sah noch ein vernünftiges Wort reden hörte; stets geht er gedankenvoll und schwermütig vor sich hin und spricht mit sich selber, womit er unzweifelhaft und klärlich zeigt, daß ihm der Verstand in die Brüche gegangen ist; er nimmt wenig zu sich und schläft wenig, und was er verzehrt, sind etwa Früchte, und wenn er schläft, so im freien Felde auf harter Erde wie ein unvernünftiges Tier. Von Zeit zu Zeit schaut er lange gen Himmel, zu andern Malen bohrt er die Blicke in den Boden, so regungslos in sich versunken, daß er aussieht wie eine bekleidete Bildsäule, deren Gewänder von der Luft bewegt werden. Kurz, er gibt so viele Beweise eines von der Leidenschaft völlig beherrschten Herzens, daß wir alle, die ihn kennen, fürchten, wenn die schöne Quitéria morgen das Ja ausspricht, wird es sein Todesurteil sein.«

»Gott wird es zu Besserem wenden«, sprach Sancho; »Gott, der den Schmerz der Wunde sendet, sendet auch die Heilung; keiner weiß, was nachkommt; von heut bis morgen sind’s viele Stunden, und in einer, ja in einem Augenblick kann ein Haus einstürzen; ich habe regnen und die Sonne scheinen sehen, alles in einem Nu; mancher legt sich nachts gesund zu Bett und kann am andern Morgen kein Glied rühren. Und sagt mir doch, gibt es einen Menschen, der sich rühmen kann, er habe in das Rad des Glücks einen Nagel zum Festhalten eingeschlagen? Gewiß nicht; und zwischen das Ja und das Nein eines Weibes möchte ich keine Nadelspitze stecken, denn sie würde keinen Platz haben. Laßt mir nur einmal Quitéria den Basilio von ganzem Herzen und mit rechter Zuneigung lieben, dann will ich ihm einen ganzen Sack voll Glück in die Hand geben, denn die Liebe, hab ich sagen hören, sieht durch eine Brille, die Kupfer in Gold, Armut in Reichtum und Tränen in Perlen verwandelt.«

»Wohinaus willst du, Sancho?« versetzte Don Quijote. »Verwünscht seist du! Wenn du anfängst, Sprichwörter und Märlein aneinanderzureihen, kann keiner dein Ende abwarten als etwa der Verräter Judas, und der mag dich zur Hölle führen! Sag mir, dummes Tier, was weißt du vom Nagel und vom Rad und von was sonst?«

»Oho! Wenn man mich nicht versteht«, antwortete Sancho, »dann ist’s freilich kein Wunder, daß man meine Sprüche für ungereimtes Zeug hält. Aber mir ist’s gleich; ich verstehe mich schon, und ich weiß, daß ich gar nicht viel Unsinn geredet habe, daß aber Ihr, Herre mein, beständig gegen meine Reden, so auch gegen meine Taten, den Staatsbrockenrater spielt.«

»Staatsprokurator mußt du sagen«, fiel Don Quijote ein, »nicht Brockenrater, du Sprachverderber, den Gott verderben möge!«

»Werdet doch nicht gleich so ärgerlich«, entgegnete Sancho, »Ihr wißt doch, ich bin nicht in der Residenz groß geworden und habe nicht in Salamanca studiert, daß ich wissen könnte, ob ich bei meinen Worten einen Buchstaben zuviel hintue oder fortlasse. Wahrlich, so wahr mir Gott helfe, man soll vom Bauern aus Sayago nicht verlangen, daß er so spricht wie ein Städter aus Toledo, und doch kann’s auch in Toledo Leute geben, die nicht gerade allzu fein sprechen.«

»So ist es«, fiel der Lizentiat ein; »denn wer in den Gerbereien oder auch auf dem Zocodover aufgewachsen ist, kann nicht so gut sprechen wie einer, der fast den ganzen Tag im Kreuzgang der Domkirche spazierengeht, und sie sind alle dennoch Toledaner. Die reine Sprache, der richtige, feine und klare Ausdruck findet sich bei den gebildeten Leuten vom Hofe, und wären sie selbst in Majalahonda geboren; ich sage ›gebildet‹, denn es gibt ihrer viele, die es nicht sind, und die Bildung ist die Grammatik des richtigen Sprechens, und der Sprachgebrauch steht ihr zur Seite. Ich, meine Herren, habe zur Strafe meiner Sünden in Salamanca das Kirchenrecht studiert und bilde mir was drauf ein, meine Gedanken mit klaren, glatten, sinnentsprechenden Worten aussprechen zu können.«

»Hättet Ihr Euch nicht weit mehr darauf eingebildet, Eure Rapiere mit mehr Nutzen zu gebrauchen als die Zunge«, sprach der andre Student, »so hättet Ihr den ersten Platz bei der Lizentiatenprüfung davongetragen statt den letzten.«

»Hört mal, Baccalaureus«, gab ihm der Lizentiat zur Antwort, »Ihr befindet Euch in der allerirrtümlichsten Meinung über die Geschicklichkeit im Fechten, wenn Ihr sie für unnütz haltet.«

»Für mich ist das keine Meinung, sondern eine feststehende Wahrheit«, entgegnete Corchuelo; »und wenn Ihr den Beweis dafür haben wollt – Ihr führt Rapiere bei Euch, wir haben bequeme Gelegenheit, ich habe eine feste Hand und habe Kraft, und damit und mit meinem Mute, der nicht gering ist, will ich Euch zum Eingeständnis zwingen, daß ich nicht im Irrtum bin. Steigt ab und macht Eure Ausfälle, all die Bewegungen im Kreise und in der schiefen Linie und all Eure Künste, und es soll Euch vor den Augen flimmern, daß Ihr nicht aus noch ein wißt. Das will ich Euch mit meiner neuen bäurischen Manier beibringen, mittels deren, nächst Gottes Hilfe, ich hoffe, daß der noch geboren werden soll, der mich zwingt, den Rücken zu wenden, und daß keiner auf Erden ist, den ich nicht zum Weichen bringe.«

»Den Rücken wenden oder nicht wenden, das wollen wir erst einmal sehen«, versetzte der Fechtkünstler; »zwar könnte es sein, daß man auf derselben Stelle, wo Ihr zuerst den Fuß aufsetzt, Euch gleich Euer Grab graben müßte; ich meine, daß Ihr tot auf dem Flecke bliebet, weil Ihr die Fechtkunst verachtet.«

»Das wird sich schon finden«, entgegnete Corchuelo, sprang in größter Hast von seinem Esel und riß wütend eines der Rapiere heraus, die der Lizentiat auf dem seinigen führte.

»So darf das nicht vor sich gehen!« rief in diesem Augenblick Don Quijote; »ich will der Aufseher sein bei diesem Kampf und der Schiedsrichter in dieser schon öfters ungelöst gebliebenen Streitfrage.«

Und von seinem Rosinante absteigend und seinen Speer fassend, stellte er sich mitten auf die Landstraße, während bereits der Lizentiat mit zierlicher Haltung und Fechterschritt gegen Corchuelo ausfiel, der seinerseits mit Augen, die Blitze schossen – wie man zu sagen pflegt –, sich auf den Gegner stürzte. Die zwei andern Reisegenossen, die Bauern, waren, ohne von ihren Eselinnen herabzusteigen, die Zuschauer bei diesem gefährlichen Schauspiel. Die Hiebe, Stiche, Quarten, Terzen, die Primen mit beiden Händen hoch herab, die Corchuelo schlug, waren zahllos, dichter als ein Platzregen und prasselnder als Hagel. Er griff an wie ein gereizter Löwe, aber da flog ihm entgegen auf den Mund ein Stoß vom Rapierknopf des Lizentiaten, der ihm mitten in seiner Wut Einhalt tat und ihn den Knopf, als ob es eine Reliquie wäre, zu küssen zwang, wiewohl nicht mit soviel Andacht, wie man Reliquien zu küssen schuldig und gewohnt ist. Kurz, der Lizentiat zählte mit Rapierstößen alle Knöpfe des Überwurfs, den Corchuelo trug, und zerfetzte ihm die Schöße in lange Streifen wie die Arme eines Polypen; er schlug ihm zweimal den Hut herunter und setzte ihm so zu, daß jener vor Ärger, Zorn und Wut das Rapier mit solcher Gewalt ins Blaue hinein schleuderte, daß einer der beiden Zuschauer – er war in seinem Ort Gemeindeschreiber –, der lief, um es zu holen, späterhin erklärte, Corchuelo habe es beinahe dreiviertel Meilen weit von sich fortgeschleudert; und dies Zeugnis diente und dient noch als klarer Beweis dafür, wie die Stärke stets von der Kunst besiegt wird.

Corchuelo setzte sich ermattet nieder, und Sancho trat zu ihm und sagte: »Meiner Treu, Herr Baccalaur, wenn Euer Gnaden meinen Rat annehmen will, so müßt Ihr fürderhin keinen zum Fechten herausfordern, sondern zum Ringen oder Stangenwerfen, denn dazu habt Ihr das Alter und die Kraft; aber von denen, die man Fechtkünstler nennt, hab ich gehört, sie stechen mit der Degenspitze durch ein Nadelöhr.«

»Es ist mir ganz recht«, erwiderte Corchuelo, »daß mir ein Licht angesteckt worden ist und daß meine eigne Erfahrung mir die Wahrheit gezeigt hat, von deren Kenntnis ich so weit entfernt war.«

Hiermit stand er auf, umarmte den Lizentiaten, und ihre Freundschaft wurde noch inniger als zuvor. Den Gemeindeschreiber, der nach dem Rapier gegangen war, wollten sie nicht abwarten, weil sie glaubten, er werde zu lang ausbleiben; und so beschlossen sie, ihren Weg fortzusetzen, um zeitig nach dem Dorfe Quitérias zu kommen, wo sie alle herstammten. Unterwegs setzte ihnen der Lizentiat die hohen Vorzüge der Fechtkunst auseinander mit so viel überzeugenden Gründen und so viel mathematischen Figuren und Beweisen, daß alle von der Trefflichkeit der Kunst überzeugt waren und Corchuelo von seinem Eigensinn geheilt wurde.

Es war Nacht geworden; aber ehe sie anlangten, kam es ihnen allen vor, als breite sich vor dem Dorfe ein Himmel aus voll unzähliger funkelnder Sterne. Auch hörten sie in wirrem Durcheinander die lieblichen Töne verschiedener Instrumente wie Flöten, Tamburine, Gitarren, Schalmeien, Hand- und Schellentrommeln; und als sie näher gekommen, sahen sie eine dicht vor dem Eingang des Dorfes errichtete Laube, ganz mit brennenden Lampen behängt, die der Wind nicht gefährdete, da er nur so sacht wehte, daß er nicht einmal die Blätter zu bewegen vermochte. Die Musikanten waren hier bei der Hochzeit die Lustigmacher, zogen in verschiedenartigen Gruppen auf dem heiteren Platz umher, die einen singend, die andern tanzend, wieder andre ihre mannigfaltigen Instrumente ertönen lassend. Kurz, es war nicht anders, als ob auf dieser ganzen Wiese nur die Freude umherspränge und das Ergötzen umherhüpfte. Andrer Leute viel waren beschäftigt, Gerüste aufzuschlagen; von denen herab sollte man am nächsten Tage mit Bequemlichkeit den Vorstellungen und Tänzen auf diesem Platze zusehen können, der für das Hochzeitsfest Camachos bestimmt war – und für die Leichenfeier Basilios.

Don Quijote wollte das Dorf nicht betreten, trotz der Bitten sowohl der Bauern als auch des Baccalaureus; er gab dafür die nach seiner Meinung mehr als genügende Entschuldigung zum besten, es sei fahrender Ritter Brauch, lieber in Feldern und Wäldern zu schlafen als an bewohnter Stätte, und wäre es selbst unter vergoldetem Dache; und hiermit bog er ein wenig von der Landstraße ab, sehr gegen Sanchos Wunsch, der an das gute Quartier dachte, dessen er sich in der Burg oder dem Schloß Don Diegos erfreut hatte.