Achtes Kapitel

Achtes Kapitel

Achtes Kapitel

Schicksalsschläge.

Im Jahre 1895, um die Zeit seines 60. Geburtstags brach das Unglück durch den Bankrott der Firma Webster über ihn herein. Er verlor dabei sein ganzes Vermögen. Die Firma hinterließ eine große Schuldenlast, welche er mit einem geradezu heroischen Mute abzutragen beschloß.

Ohne auf die Vorstellungen seiner Freunde zu achten, daß er nach kaufmännischer Gepflogenheit die Gläubiger mit einem gewissen Prozentsatz abfinden solle, und ohne die ihm bereitwilligst gebotene finanzielle Hilfe anzunehmen, gab er sein Wort, die Schulden innerhalb 4 Jahren bei Heller und Pfennig abzutragen. Er hat diese Ehrenpflicht glänzend erfüllt.

Es war ein Riesenwerk. Um es zu vollbringen, unternahm er eine Vorlesungstour, die ihn zuerst durch den Norden der Vereinigten Staaten und dann rund um die Erde führte. Nur die moralische Notwendigkeit, jene Schulden zu bezahlen, veranlaßte ihn, jahrelang auf Ruhe und Behagen zu verzichten; denn das anstrengende Reisen machte ihm in seinem Alter kein Vergnügen mehr.

Aber das Opfer ist nicht vergeblich gewesen. Schon die freundliche Aufnahme und das herzliche Wohlwollen, welches ihm allenthalben bezeugt wurde, gewährte Mark Twain hohe Befriedigung und einen persönlichen Gewinn, der ihm ebenso wichtig war wie die Einnahmen, welche seinen Gläubigern zugute kamen. Zuerst ging er nach Australien. In jeder Stadt erfreute sich der beliebte Redner und Schriftsteller des wärmsten Empfanges; seine Reise glich einem Triumphzug durch das ganze Land. Großen Erfolg hatte er auch bei den Rajahs in Indien, und die dortigen englischen Bewohner zeigten sich unermüdlich in den Beweisen von Verehrung und Bewunderung, mit denen sie ihn überhäuften. Nicht minder angenehm waren die Erfahrungen, welche Mark Twain bei seinem Besuch in Südafrika machte. Er sah sich im Rückblick auf so viele hochinteressante Erlebnisse fast veranlaßt, das Mißgeschick zu preisen, das ihn genötigt hatte, jene wunderbaren Länder aufzusuchen.

Nach Europa zurückgekehrt, ließ sich Clemens zuerst in London nieder, wo er ein Haus in Chelsea mietete. Dort schrieb er seine › Reise um die Welt‹, in welcher er den reichen Stoff, den er gesammelt hatte, literarisch verwertete. Das Buch (1898 in deutscher Uebersetzung im Verlag des Herausgebers der vorliegenden Sammlung erschienen) bietet neben den bekannten Vorzügen des unvergleichlichen Humoristen eine Fülle von kulturgeschichtlicher Belehrung, so daß uns Mark Twain hier zugleich als ernster, gediegener Schriftsteller entgegentritt; immer wieder aber zuckt sein köstlicher Humor oft blitzartig durch alle Erzählungen und Beschreibungen hindurch, wo es der Leser am wenigsten erwartet.

Nach Vollendung seiner ›Reise um die Welt‹ ruhte er sich einige Monate in der Schweiz aus und lebte dann 1897-1899 mit seiner Familie in Wien. Der dortige Aufenthalt galt hauptsächlich der musikalischen Ausbildung seiner Tochter Clara unter der Leitung des berühmten Meisters Leschetitzky. Seine älteste Tochter Susan hatte Mark Twain während seiner Weltreise verloren, nachdem sie eben ihre Ausbildung als Gesangskünstlerin beendet hatte: der herbste Schicksalsschlag, der bis dahin den Vater getroffen. In Wien fand Mark Twain die einem so hervorragenden Gaste gebührende Aufnahme. Bald nach seiner Ankunft veranstaltete der Schriftsteller- und Journalistenverein ›Concordia‹ Mark Twain zu Ehren eine Festkneipe, bei welcher er zur allgemeinen Ueberraschung als Redner in deutscher Sprache auftrat. Er versicherte der Versammlung mit drolligem Ernste, es sei stets der Traum seines Lebens gewesen, ein Reformator der edlen deutschen Sprache zu werden. Daß es hauptsächlich die langen Wörter und Sätze, sowie die trennbaren Zeitwörter waren, gegen die er zu Felde zog, darüber wird niemand in Zweifel sein, der seinen gelungenen Aufsatz über die › Schrecken der deutschen Sprache‹ (Bd. VI, S. 72) gelesen hat.

Daß Mark Twain unter allen Nationen, mit denen er auf seinen Reisen in näheren Verkehr getreten ist, der deutschen den Vorzug giebt, beweist er schon dadurch, daß er sich oft und mit Vorliebe unter den Deutschen niedergelassen hat. Der ernste Fleiß und die Gründlichkeit ihres Wesens haben für ihn, seinem ganzen Charakter nach, die größte Anziehung.

So kann es denn auch nicht fehlen, daß die Deutschen ihm und seinen Werken überall die freundlichste Aufnahme bereiten und er sich auch bei uns allgemein einer Beliebtheit erfreut, wie sie ein Schriftsteller bei Lebzeiten nur selten genießen darf. Er hat unserm sorgenvollen, ernsten Geschlecht so viele harmlos frohe Stunden bereitet, daß wir ihn getrost einen Wohlthäter der Menschheit nennen dürfen.

Kinderspiele

Kinderspiele

Bei meinen Alpenwanderungen traf ich einmal auf einen Trupp kleiner Kinder, die sich ein höchst eigenartiges, sonderbares Spiel ausgedacht hatten; das schien mir aber nur so, denn sie amüsierten sich auf eine ganz natürliche und sehr bezeichnende Weise. Sie waren durch ein Seil mit einander verbunden, trugen kleine Alpenstücke und Eishaken und erklommen einen niedrigen, bescheidenen Düngerhaufen unter Anwendung aller erdenklichen Vorsicht und Sorgfalt. Der ›Führer‹ an der Spitze des Zuges hackte zum Schein mit dem größten Fleiß Stufen in den Eisberg ihrer Phantasie, und keiner der kleinen Affen rührte sich, bevor ihm sein Vordermann nicht auf der höheren Stufe Platz gemacht hatte. Wären wir länger stehen geblieben, wir hätten ohne Zweifel auch einen schauerlichen Absturz mit angeschaut, hätten die kühnen Wanderer auf dem Gipfel ihr lautes Hurra rufen hören, wahrend sie die ›herrliche Aussicht‹ bewunderten, und gesehen, wie sie sich mit Gebärden völliger Erschöpfung auf der erhabenen Höhe niederwarfen, um auszuruhen.

In Nevada habe ich die Kinder oft ›Silbergraben‹ spielen sehen. Die Hauptsache war dabei natürlich ein Unglücksfall im Bergwerk, bei dem es zwei wichtige Rollen darzustellen gab: erstens, den Verunglückten, der in den Schacht gestürzt ist, und zweitens, den kühnen Helden, welcher in die Tiefe hinabgelassen wird, um jenen wieder ans Tageslicht zu befördern. Ein kleiner Knirps, den ich kannte, bestand regelmäßig darauf, beide Rollen zu spielen. Erst fiel er in den Schacht und kam ums Leben, dann erschien er wieder auf der Oberfläche und stieg abermals hinunter, um seine eigene Leiche zu holen.

Überall ist es der klügste Junge, der die Heldenrolle spielt. In der Schweiz ist er der erste Führer, in Nevada der Obersteiger, in Spanien der berühmteste Stierkämpfer u.s.w. Aber keine dieser Rollen kommt doch an Würde und Größe derjenigen gleich, die sich einmal ein siebenjähriger Pfarrerssohn meiner Bekanntschaft, Namens Jimmy, ausgesucht hatte. Sein Vater verbot ihm an einem Sonntag, Pferdebahnkutscher zu spielen, am nächsten Sonntag durfte er nicht Kapitän eines Dampfboots sein, den folgenden Sonntag wurde ihm untersagt, sein Kriegsheer in die Schlacht zu führen – und so ging es weiter. Endlich sagte das Söhnchen:

»Nun habe ich alles versucht, aber nichts war recht, Was darf ich denn spielen?«

»Das weiß ich nicht, Jimmy, aber du darfst nur etwas spielen, was für den Tag des Herrn paßt.«

Am folgenden Sonntag trat der Pfarrer leise in die Kinderstube, um zu sehen, ob die Kleinen auch nichts Ungehöriges trieben. Auf einem Stuhl mitten im Zimmer hing Jimmys Mütze; eine der kleinen Schwestern nahm die Mütze herunter, knabberte daran, reichte sie dann dem andern Schwesterchen und sagte:

» Iß von dieser Frucht, denn sie ist gut

Ach, die Kinder spielten die Vertreibung aus dem Paradiese – das ward dem würdigen Herrn mit Schrecken klar; ein Umstand beruhigte ihn aber gewissermaßen: »Ich habe Jimmy doch unrecht gethan,« sagte er bei sich; »solche Bescheidenheit hätte ich ihm nicht zugetraut; er hat sich diesmal keine der Hauptrollen ausgesucht, weder Adam noch Eva.« Allein auch dieser Trost wurde dem Vater bald genommen; er sah sich um und entdeckte Jimmy, der mit ehrfurchtgebietender Haltung in einer Ecke stand, die Stirn in finster drohende Falten gelegt. Was das zu bedeuten hatte, ließ sich leicht erkennen – er stellte die Gottheit dar.

Die erhabene Einfalt dieses Gedankens kann durch nichts übertroffen werden.

Peinliche Ohrenmusik

Peinliche Ohrenmusik

In den Gebirgsdörfern der Schweiz und sonst auf Weg und Steg schlägt einem fortwährend das Rauschen der Wasserbäche ans Ohr. Man bildet sich ein, es sei Musik und fühlt sich poetisch gestimmt; legt man sich ins Bett, so wird man davon in Schlaf gelullt. Aber allmählich wird es einem doch zu viel, man kann das Geräusch nicht mehr los werden; selbst in Einöden, wo die tiefste Stille herrscht, summt einem ein dumpfes, fernes Geräusch in den Ohren, ähnlich dem Gefühl, das man beim Anlegen einer großen Seemuschel ans Ohr empfindet. Man weiß anfangs gar nicht, wie es kommt, daß man so schläfrig und zerstreut ist, warum die Gedanken unfähig sind, einen Gegenstand festzuhalten oder zu verfolgen; setzt man sich zum Schreiben hin, so fallen einem die Wörter nicht ein; man vergißt, was man schreiben wollte, und sitzt da mit der Feder in der Hand, den Kopf zurückgebeugt, mit geschlossenen Augen und horcht peinlich auf ein dumpfes Brausen, wie das eines entfernten Eisenbahnzuges. Im festesten Schlaf läßt diese Spannung nicht nach, man horcht immer, horcht fortwährend, horcht mit ängstlicher Genauigkeit und endlich wacht man auf, gepeinigt, gereizt und unerfrischt.

Man kann sich diese Zustände gar nicht erklären. Tag für Tag ist es einem zu Mut, als wenn man die Nächte in einem Schlafwagen zugebracht hätte. Es dauert in der That wochenlang, bis man dahinterkommt, daß die ewigen Gießbäche und Gebirgsquellen an dieser Qual schuld sind. Jetzt ist es aber hohe Zeit, die Schweiz zu verlassen; denn sobald man die Ursache kennt, steigert sich die Qual um’s zehnfache. Das Rauschen ist zum wahnsinnig werden, sobald die Phantasie mitwirkt; man leidet dann die empfindlichsten physischen Schmerzen. Sobald man sich einem dieser rauschenden Bäche nur nähert, möchte man vor Angst schleunigst Reißaus nehmen und wie vor einem Feinde fliehen.

Acht oder neun Monate, nachdem ich die Qual jener Sturzbäche losgeworden war, wurde ich infolge des brausenden und donnernden Lärms in den Straßen von Paris von neuem davon ergriffen. Ich zog daher in den obersten Stock des Hotels, um Ruhe zu suchen. Gegen Mitternacht ließ das Getöse etwas nach und ich war schon im Begriff einzuschlafen, als ich ein neues sonderbares Geräusch vernahm. Ich horchte: offenbar führte irgend ein verrückter Mensch einen Matrosentanz in dem Zimmer über dem meinigen auf. Ich mußte natürlich warten, bis er fertig war. Während fünf langen, langen Minuten fuhr er mit dem schleifenden, walzenden Tanz fort, – dann erfolgte eine Pause, und dann fiel etwas mit einem schweren Plumps auf den Boden. Ich sagte mir: ›Jetzt zieht er die Stiefel aus, jetzt ist er – Gottlob! – fertig!‹

Wieder eine kleine Pause, und er setzte von neuem das Tanzen fort! Da sagte ich mir: ›Wahrscheinlich probiert er, ob es auch mit einem Stiefel am Fuß geht!‹ Bald kam wieder eine Pause, und wieder ein Plumps auf den Boden. Ich sagte mir: ›Gut; er hat den zweiten Stiefel ausgezogen, jetzt ist er fertig.‹ Aber er war nicht fertig; im nächsten Augenblick fing das Schleifen und Walzen wieder an.

›Hol‘ ihn der Kuckuck! jetzt geht es in den Pantoffeln weiter‹ Nach einiger Zeit trat wieder die alte Pause ein, und gleich darauf erfolgte der besagte Plumps auf den Boden noch einmal. ›Hol‘ ihn der Henker!‹ sagte ich, ›der hat zwei Paar Stiefel angehabt!‹

Während einer ganzen Stunde fuhr dieser Hexenmeister fort zu tanzen und Stiefel auszuziehen, bis er mindestens fünfundzwanzig Paar abgeworfen hatte, und mein Zustand schon an die äußersten Grenzen des Wahnsinns streifte.

Ich nahm mein Gewehr und schlich mich die Treppe hinauf. Der Kerl stand da, inmitten, eines ganz mit Stiefeln besäten Zimmers, er hatte noch einen Stiefel in der Hand, und er walzte – nein: – er wichste den Stiefel, wollte ich sagen. Er hatte nicht getanzt. – Er war der Hausknecht des Hotels und ging seinem Geschäfte nach.

Die Schrecken der deutschen Sprache

Die Schrecken der deutschen Sprache

Ich war oft im Heidelberger Schloß, um die daselbst befindliche Kuriositätensammlung zu besichtigen und eines Tages überraschte ich den Besitzer derselben mit meinem Deutsch, das ziemlich seltsam lauten mochte. Er war sehr aufmerksam, und nachdem ich eine Zeit lang gesprochen hatte, äußerte er, mein Deutsch sei ganz seltener Art, vielleicht ein ›Unikum‹, er möchte es gerne seinem Museum einverleiben. Hätte er gewußt, was die Erwerbung meiner Fertigkeit mich gekostet hatte, so würde er auch gewußt haben, daß deren Anschaffung einen jeden Sammler zu Grunde richten müßte. Mein Freund Harris und ich hatten damals mehrere Wochen lang tüchtig an unserm Deutsch gearbeitet, und obwohl wir gute Fortschritte machten, hatten wir doch unser Ziel nur unter großen Schwierigkeiten und Plackereien erreicht, denn drei von unsern Lehrern waren darüber gestorben. Wer nicht selbst deutsch gelernt hat, kann sich keine Vorstellung davon machen, was das für eine verzwickte Sprache ist.

Es giebt gewiß keine andere Sprache auf der Welt, die so systemlos ist, so schlüpfrig und aalglatt, um sie zu fassen. Man treibt darin umher wie in einem brandenden Meer, bald hierhin, bald dorthin, in der elendesten Hilflosigkeit, und wenn man einmal glaubt, eine Regel gefunden zu haben, welche festen Grund bietet, um einen Augenblick in dem allgemeinen Wirrwarr und Tumult der zehn Redeteile auszuruhen, so vernimmt man in der Grammatik: ›Der Schüler gebe acht auf folgende Ausnahmen.‹ Ein Blick auf diese zeigt ihm, daß deren mehr sind, als Beispiele für die Regel selbst. So wird er hoffnungslos wieder über Bord geschleudert, um nach einem neuen Berg Ararat zu jagen und statt dessen eine neue Sandbank zu finden. Dies sind die Erfahrungen, die ich gemacht habe und noch fortwährend mache. So oft ich glaube, ich habe einen von den vier vertrakten ›Kasus‹ richtig gepackt, schleicht sich eine anscheinend bedeutungslose Präposition in meinen Satz hinein, die mit einer furchtbaren ungeahnten Macht ausgerüstet ist, und zerbröckelt mir den Boden unter den Füßen. Z. B. fragt mein Lesebuch nach einem Vogel (es fragt immer nach Dingen, die für keinen Menschen irgend welchen Wert haben): » Where is the bird?« – Die Antwort auf die Frage lautet nach dem Buch: » The bird is waiting in the blacksmith shop on account of the rain.« Selbstverständlich würde das keinem Vogel einfallen, allein das mußt du mit dem Buch ausmachen. Also, ich mache mich daran, die deutsche Übersetzung dieser Antwort herauszuklauben. Ich muß dabei notwendig am verkehrten Ende anfangen, so will es der deutsche Gedankengang. Ich sage mir: Regen ist männlichen Geschlechts – oder vielleicht auch weiblich oder möglicherweise sächlich – darnach zu schauen, ist mir jetzt zu umständlich. Je nach dem Geschlecht nun, das sich schließlich herausstellt, heißt the rain entweder der Regen oder die Regen oder das Regen. Im Interesse der Wissenschaft will ich die Annahme zu Grunde legen, das Wort sei männlichen Geschlechts. Gut! Dann heißt the rainder Regen‹, falls derselbe einfach in ruhendem Zustand erwähnt wird ohne nähere Erörterung, also Nominativ; ist jedoch dieser Regen überall rings auf dem Boden angelangt, dann ist er an eine bestimmte Örtlichkeit gebunden, er thut etwas, nämlich ruhen (in der deutschen Grammatik wird dies unter die Tätigkeiten gerechnet) und dies versetzt den Regen in den Dativ, so daß er zu › dem Regen‹ wird. Allein dieser Regen hat noch keine Ruhe, sondern entwickelt eine aktive Thätigkeit – er fällt nieder – vermutlich dem Vogel zum Ärger – dies zeigt Bewegung an und hat die Folge, daß das Wort in den Akkusativ geschoben und dadurch aus dem Regen › den Regen‹ wird.

Nachdem ich mit der Befragung des Schicksals über diesen Punkt zu Ende bin, antworte ich keck darauf los und sage auf deutsch: »Der Vogel wartet in der Hufschmiede wegen den Regen«. Der Lehrer dämpft darauf sanft meine Freude mit der Bemerkung, daß, wo das Wörtchen wegen in einem Satz vorkommt, es das abhängige Wort in den Genetiv versetze, möge daraus entstehen, was da wolle – und daß deshalb dieser Vogel in der Schmiede gewartet habe ›wegen des Regens‹.

NB. Später erfuhr ich von einer höheren Autorität, daß es eine ›Ausnahme‹ gebe, die einem unter gewissen besonderen verwickelten Umständen gestatte, zu sagen, wegen den Regen, es komme jedoch diese Ausnahme ganz allein bei diesem Wort vor.

Von der Schwierigkeit dieser Sprache kann die nächste beste Zeitung überzeugen. Ein Normalsatz in einer deutschen Zeitung ist eine überraschende Merkwürdigkeit; er nimmt eine Viertelseite ein und enthält sämtliche Redeteile dieser Sprache, nicht in einer geregelten Ordnung, sondern durcheinander. Er besteht hauptsächlich aus zusammengesetzten Wörtern, von dem Verfasser eigens für seinen Zweck gebaut und nirgends im Wörterbuch zu finden; oft sechs bis sieben Worte an einem Stücke ohne Nähte und Einschnitte; der Satz handelt von 14 bis 15 verschiedenen Gegenständen, von denen jeder einen Zwischensatz bildet, bisweilen schließt ein Hauptzwischensatz mehrere kleinere ein und damit sie nicht auseinander fallen, werden sie zum Teil mit Klammern zusammengehalten; – nach alledem kommt endlich das Zeitwort, woraus man erst klug wird, was der Verfasser eigentlich sagen wollte; nach dem Zeitwort schließt der Verfasser – wie mir scheint, lediglich aus dekorativer Spielerei – mit den Wörtern ›haben zu sein‹, ›gewesen sein dürften‹, oder ähnlich. Vermutlich ist dieser Schlußknalleffekt so etwas wie der Schnörkel, den man unter seine Unterschrift zu machen pflegt; was nicht gerade nötig ist, aber hübsch aussieht. Ich rate zum bessern Verständnis, deutsche Bücher so zu lesen, daß man sie vor den Spiegel hält oder auf den Kopf stellt, damit die Konstruktion umgekehrt erscheint; aber deutsche Zeitungen zu lesen, wird dem Fremden stets eine unerreichbare Kunst bleiben. Ich will mich zum Beweis des Gesagten auf ein Beispiel aus einem deutschen Buche, einer anerkannt guten Novelle, beschränken. ›Wenn er aber auf der Straße der in Sammt und Seide gehüllten, jetzt sehr ungeniert nach der neuesten Mode gekleideten Regierungsrätin begegnete?‹ So steht es in Marlitts ›Geheimnis einer alten Mamsell‹. Man wird bemerkt haben, wie weit das Zeitwort von der Operationsbasis des Lesers entfernt ist. In den Zeitungen ist das noch weit schlimmer, da steht das Zeitwort immer erst auf der nächsten Spalte, und mir wurde gesagt, es käme oft vor, daß der Verfasser eines Artikels, der sich ein bis zwei Spalten lang mit Einreihungen und Zwischensätzen aufgehalten hat, sich am Ende so beeilen muß, daß der Satz ohne Zeitworte in die Druckpresse geht. Dann sind natürlich die Leser übel dran.

In unserer Litteratur spukt diese Einschachtelungsmanie ebenfalls und es lassen sich jeden Tag Beispiele dafür in unsern Büchern und Zeitungen finden; allein bei uns ist dieselbe ein Kennzeichen davon, daß es dem Schriftsteller an Gewandtheit oder an klarem Verstande fehlt, während sie bei den Deutschen schriftstellerische Übung und das Vorhandensein einer Art von lichtvollem Verstandsnebel verrät, der bei diesen Leuten für Klarheit gilt. Denn Klarheit ist dies ganz gewiß nicht, das kann schlechterdings nicht sein. Es muß vielmehr recht wirr, recht vertrakt und verkehrt in eines Schriftstellers Kopfe aussehen, wenn er einen Anlauf nimmt, um zu sagen, daß jemand einer Regierungsrätin auf der Straße begegnet, und dann gerade mitten in diesem so einfachen Unternehmen die beiden Begegnenden anhält und stehen läßt, bis er den Anzug der Dame bis ins Kleinste ausgemalt hat. Dies ist handgreiflicher Unsinn.

Man denkt dabei unwillkürlich an jene Zahnärzte, die, nachdem sie den Zahn mit der Zange gefaßt und einen dadurch in den höchsten Grad atemloser Spannung versetzt haben, sich hinstellen und einem in aller Behaglichkeit eine langweilige Geschichte vorkauen, ehe sie den gefürchteten Ruck thun. In der Litteratur und beim Zahnausziehen sind Einschaltungen gleich übel angebracht.

Die Deutschen haben in ihrer Sprache eine Art von Parenthese, welche sie durch das Auseinanderreißen eines Zeitworts in zwei Teile erzielen, wovon der eine am Anfang eines spannenden Kapitels steht, der andre am Schluß desselben. Kann man sich etwas Verwirrenderes denken? Die deutsche Sprache wimmelt von solchen trennbaren Zeitwörtern und je weiter die beiden Teile in einem Schriftstück auseinander kommen, desto mehr freut sich der Urheber eines solchen Verbrechens seiner That. Ein Lieblingsspiel dieser Art wird mit dem Wort ›reiste ab‹ getrieben. Hier ein Beispiel aus einer Novelle:

›Er reiste, als die Koffer fertig waren und nachdem er Mutter und Schwester geküßt und nochmals sein angebetetes, einfach in weißen Muslin gekleidetes, mit einer frischen Rose in den sanften Wellen ihres reichen braunen Haares geschmücktes Gretchen, das mit bebenden Gliedern die Treppe herabgewankt war, um noch einmal sein armes gequältes Haupt an die Brust desjenigen zu legen, den es mehr liebte, als das Leben selber, ans Herz gedrückt hatte, – ab.‹

Es ist jedoch nicht gut, sich zuviel mit den trennbaren Zeitwörtern abzugeben, sie bringen einen unfehlbar bald um die Gemütsruhe, und wenn man sich nicht warnen läßt und sich darein vertieft, so bekommt man entweder Gehirnerweichung oder Gehirnversteinerung davon.

Die persönlichen Fürwörter und Adjektiva dieser Sprache sind eine fruchtbare Quelle von Ärger aller Art. Das Wort ›Sie‹ bedeutet you und the zugleich, es heißt her und heißt it, es meint they und es meint them. Man stelle sich die klägliche Armut einer Sprache vor, die ein einziges Wort nötigt, den Dienst von sechs zu versehen, noch dazu solch ein armes kleines Würmchen mit nur drei Buchstaben am Leib. Aber erst die Verzweiflung, wenn man niemals weiß, in welchem Sinne der Sprechende das Wort gemeint hat! Grund genug für mich, um einer Person, welche ›Sie‹ zu mir sagt, wenn ich irgend kann, den Garaus zu machen.

Sodann fasse man einmal die Adjektivformen ins Auge. Wenn irgendwo, wäre hier Einfachheit am Platz gewesen. Grund genug für die Erfinder dieser Sprache, die Sache erst recht zu erschweren. Wenn wir in unserer deutlichen englischen Sprache von our good friend or friends sprechen, so gebrauchen wir eine und dieselbe Adjektivform und das genügt vollauf; nicht so in der deutschen Sprache. Kommt ein Adjektiv unter die Zunge eines Deutschen, so dekliniert er es und dekliniert es fort und fort, bis er endlich allen gesunden Sinn herausdekliniert hat. Er dekliniert z.B. ›mein guter Freund, meines guten Freundes, meinem guten Freunde u.s.w.‹ Diese beständigen Änderungen möge ein Irrenhausaspirant auswendig lernen! Man thut wahrhaftig in Deutschland besser daran, sich ohne Freunde zu behelfen, als diese Plackerei mit ihnen in den Kauf zu nehmen. Ich habe nun gezeigt, welche Mühsal es ist, einen guten Freund zu deklinieren, das ist aber nur ein kleiner Vorgeschmack von der Schwierigkeit, denn es giebt noch eine Menge neuer Adjektivverrenkungen, wenn es sich um einen weiblichen beziehungsweise um einen sächlichen Gegenstand handelt.

Sodann giebt es in dieser Sprache mehr Adjektive als schwarze Katzen und diese müssen alle nach obigem Beispiel sorgfältigst abgewandelt werden. Schwierig? – Mühselig? – Diese Ausdrücke sind viel zu schwach. Ein Heidelberger Student aus Kalifornien hat mir allen Ernstes versichert, er mache sich weniger daraus, zwei Kneipereien auszuschlagen, als ein deutsches Adjektivum zu deklinieren.

Der Erfinder dieser Sprache scheint ein besonderes Vergnügen daran gefunden zu haben, dieselbe so verwickelt zu machen, als nur irgend möglich. So heißen z. B. house, horse, dog für gewöhnlich Haus, Pferd, Hund, im Dativ aber hängt man ein ganz thörichtes überflüssiges e daran und schreibt Hause, Pferde, Hunde. Da nun ein e am Schluß häufig die Mehrzahl bezeichnet, so kann der Anfänger einen ganzen Monat lang aus einem Hund im Dativ ein Pärchen machen, ehe er seinen Irrtum gewahr wird; und wiederum hat mancher junge Musensohn, der kein Geld hinauszuwerfen hatte, zwei Hunde bezahlt und nur einen bekommen, weil er unwissentlich diesen Hund im Dativ Singularis kaufte, während er glaubte, im Plural zu sprechen. – Das Recht hatte natürlich unter solchen Umständen angesichts der strengen grammatischen Regeln der Verkäufer auf seiner Seite, und eine Ersatzklage mußte erfolglos bleiben.

Im Deutschen werden alle Hauptwörter mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben. Das ist ein guter Einfall, weil man so auf den ersten Blick ein Hauptwort erkennt. Aber bisweilen giebt es zu Täuschungen Anlaß, indem man einen Personennamen für einen Sachnamen ansieht, und umgekehrt. Dann geht bei dem Versuch, Sinn in den Satz zu bringen, viel Zeit verloren; und man wird um so leichter in die Irre geführt, da die deutschen Personennamen meistens eine Bedeutung haben. Ich übersetzte einmal einen Text, welcher lautete: ›Die wütende Tigerin brach los und fraß den unglücklichen Tannenwald völlig auf.‹ Nach langem Besinnen kam ich endlich dahinter, daß Tannenwald in diesem Falle der Name eines Mannes war.

Jedes Hauptwort hat einen Artikel; aber da ist kein System und Sinn in der Anwendung desselben, so daß nichts übrig bleibt, als jeden Artikel zu jedem Wort besonders auswendig zu lernen. So hat z. B. in der deutschen Sprache ein junges Mädchen kein Geschlecht, während eine Steckrübe ein solches hat. Welche maßlose Hochachtung zeigt das einer Rübe gegenüber, welche Geringschätzung vor einem Mädchen! Man sehe sich einmal an, wie sich dies gedruckt ausnimmt. Ich übersetze aus meinem Lesebuch:

Gretchen. Wilhelm, wo ist die gelbe Rübe?

Wilhelm. Sie ist in der Küche.

Gretchen. Wo ist das hübsche und wohlerzogene Mädchen?

Wilhelm. Es ist in die Oper gegangen.

Aber weiter mit diesen Artikeln. Ein Baum ist männlich, seine Knospen sind weiblich, seine Blätter sind sächlich. Pferde sind geschlechtslos, Hunde sind männlich, Katzen sind weiblich; des Menschen Mund, Nacken, Busen, Ellbogen, Finger, Nägel, Füße und Leib sind männlichen Geschlechts; Kopf oder Haupt ist männlich oder sächlich, je nachdem man eines dieser Wörter gebraucht, nicht also je nachdem ein Mann oder eine Frau das Ding trägt; eines Menschen Nase, Lippe, Schulter, Brust, Hüfte und Zehe sind weiblich; seine Ohren, Augen, Kinn, Beine, Knie, Herz und Gewissen haben gar kein Geschlecht. (Der Erfinder dieser Sprache kannte vermutlich das Gewissen nur vom Hörensagen.) Aus dieser Zergliederung geht deutlich hervor, daß ein deutscher Mann sich zwar einbilden mag, er sei ein Mann, wenn er aber näher zusieht, muß er wohl daran zweifeln; er muß entdecken, daß er eine ganz lächerliche Zusammensetzung aller möglichen Geschlechter bildet.

Es giebt in dieser Sprache einige ungemein nützliche Wörter; z. B. Schlag und Zug. Im Wörterbuch nehmen diese Schlagwörter mehrere Spalten und die Zugwörter noch einmal so viel ein. Das Wort Schlag bedeutet so ziemlich alles; es bedeutet unser blow, stroke, dash, hit, shock clip, clap, time, bar, coin, stamp, kind, sort, manner, way, apoplexy, woodcutting, enclosure, field, forest-clearing. Das alles bedeutet Schlag im engern beschränkten Sinn; wenn aber das Wort einmal losgelassen wird, dann nimmt es Flügel der Morgenröte und fliegt, wohin es mag. An seinen Schwanz kann sich jedes beliebige Wort anhängen, wodurch der Sinn ins Unglaubliche vervielfältigt wird. Man kann anfangen mit Schlag-Ader, auf englisch artery, und so fort das ganze Wörterbuch daranhängen, Wort für Wort, ganz durch bis Schlag-Wasser, auf englisch Bilge-water und Schlag-Mutter, mother-in-law. Ebenso ist es mit dem Wort ›Zug‹. Nimmt man zu den Wörtern Schlag und Zug noch das Wörtchen ›Also!‹ hinzu, so verfügt man über einen hübschen Sprachschatz, mit dem man schon ziemlich gut durchkommt. ›Also‹ ist gleichbedeutend mit der englischen Redensart you know und besagt eigentlich gar nichts – wenigstens in der Unterhaltungssprache. So oft ein Deutscher seinen Mund aufthut, fällt ein ›Also‹ heraus, und so oft er ihn wieder zumacht, beißt er sicher ein ›Also‹, das gerade zwischen seinen Zähnen herauskommen wollte, entzwei. Diese häufige zwecklose Anwendung des Wortes ›Also‹ ist eine spezifisch süddeutsche, besonders weibliche schwäbische Untugend. Nichts verleiht einer deutschen oder englischen Unterhaltung so viel Anmut und Zwanglosigkeit, als wenn man sie voll mit Alsos und you knows spickt.

In meinem Tagebuch finde ich folgenden Eintrag: »Juli 1. Gestern wurde ein Kranker mit Erfolg von einem Wort mit 13 Silben Länge befreit; der Kranke war ein Norddeutscher von Hamburg. Da aber die Chirurgen den Kranken unglücklicherweise an der falschen Stelle aufschnitten, in der Meinung, er habe ein Panorama verschluckt, so starb er. Das Ergebnis hat die Stadt in Trauer versetzt.«

An diese Notiz möchte ich einige Bemerkungen über eine der sonderbarsten Erscheinungen unseres Gegenstandes knüpfen; nämlich über die Länge deutscher Wörter. Einige davon sind so lang, daß sie einen Schatten werfen und perspektivisch wirken, z. B.:

Freundschaftsbezeugungen,
Dilettantenaufdringlichkeiten,
Stadtverordnetenversammlungen.

Das sind keine Wörter mehr; das sind alphabetische Prozessionen. Man sieht sie in jeder Nummer einer Zeitung majestätisch einherschreiten und mit einiger Einbildungskraft kann man die zur Prozession gehörigen Banner fliegen sehen und die Musik hören. Sie verleihen dem schmächtigsten Begriff etwas ungemein Großartiges. So oft ich ein gelungenes Exemplar von einem solchen Worte finde, verleibe ich es meinem Museum ein. Ich habe bereits eine Sammlung beieinander. Meine Duplikate tausche ich mit andern Sammlern aus. Anbei einige Prachtexemplare, welche ich neulich auf der Auktion erstand:

Generalstaatenverordnetenversammlung,
Altertumsforschungswissenschaften,
Kleinkinderbewahrungsanstalten,
Wiederherstellungsbestrebungen,
Waffenstillstandsverhandlungen.

Wenn solch eine Alpenkette sich stolz hinzieht über eine Druckseite, so muß dadurch die literarische Landschaft bedeutend verschönert werden; aber für den Anfänger in der Sprache sind diese Gebirge ein großes Hindernis; sie versperren ihm den Weg, er kann weder unten durch, noch darüber weg, höchstens per Tunnel, wo einer ist. Nimmt er seine Zuflucht zum Wörterbuch, so läßt ihn das im Stich. Mit solchen zusammengesetzten Wörtern befaßt es sich nicht. Man muß zuvor das Wort durch den Chemiker in seine Bestandteile auflösen lassen und dann die einzelnen Brocken im Wörterbuch aufsuchen.

Also jetzt habe ich gezeigt, wie schwierig die deutsche Sprache ist, oder zum wenigsten habe ich mich bemüht, es zu zeigen.

Ein Student aus Amerika soll auf die Frage, wie er mit seinem Deutsch zurechtkomme, ohne Zögern erwidert haben: »Ich komme gar nicht damit zurecht. Drei volle Monate habe ich es mir sauer werden lassen und kann nur den einen Satz aufweisen: ›Zwei Glas‹! ( two glasses of beer).« Nach einem Augenblick stummen Nachsinnens setzte er mit Emphase hinzu: »Aber das habe ich auch fest im Kopf!«

Die englische Sprache, will mir scheinen, verfügt in der Beschreibung lärmender erhaben-schrecklicher Dinge über kräftigere, klangvollere, bezeichnendere Worte als die deutsche Klänge wie: boom, burst, crash, roar, bellow, blow, thunder, explosion, howl, cry, shout, yell, battle, hell, sind von prächtiger Wirkung, voll Kraft und Großartigkeit. Die entsprechenden deutschen Worte kommen mir viel schwächer vor; einzelne klingen so sanft, daß man Kinder damit in Schlaf bringen könnte: wie zahm klingt z. B. Schlacht, Gewitter! Als stärksten Ausdruck für unser explosion hat man im Deutschen – Ausbruch! Da liegt in unserm toothbrush (Zahnbürste) etwas Fürchterliches im Vergleich.

Nach dieser Erörterung der Gebrechen der deutschen Sprache gehe ich jetzt an die kurze angenehme Aufgabe, deren Vorzüge hervorzuheben. Das Großschreiben der Hauptwörter habe ich bereits erwähnt. Aber noch weit über diesem steht ein anderer, – nämlich der, die Wörter zu schreiben, wie man sie ausspricht. Nach kurzer Unterweisung weiß der Anfänger von jedem deutschen Wort, wie es ausgesprochen wird, während in unserer Sprache der Schüler damit die größten Schwierigkeiten hat. Ferner ist die deutsche Sprache ungemein reich an Ausdrücken für das friedliche, heimelige, trauliche, häusliche Dasein; für alles, was mit Liebe, kindlichem Gefühl und Freundlichkeit gegen Fremde zusammenhängt; endlich für das mannigfaltige Leben und Weben in der Natur. Es giebt deutsche Lieder, welche selbst den der Sprache Fremden zu Thränen rühren; das beweist, wie treffend der Klang der Worte ist. Er bringt deren Bedeutung so treu und wahr zum Ausdruck, daß sie, auch unverstanden, dem Fremden durchs Ohr zu Herzen dringen.

Deutsche Frauen rufen häufig aus: Ach Gott, mein Gott, Gott im Himmel, Herr Gott. Sie scheinen zu glauben, die Amerikanerinnen haben dieselbe Gewohnheit; denn ich hörte einmal ein ältliches deutsches Fräulein zu einer jungen Landsmännin von mir sagen: »Die beiden Sprachen sind sich so ähnlich – wie hübsch das ist. Wir sagen ›ach Gott‹ und ihr sagt » Goddam

Aus Obigem geht hervor, daß die deutsche Sprache einer Reform bedarf. Ich erlaube mir einige Vorschläge zu diesem Zwecke zu machen.

1) Man gebe dem Zeitwort einen Platz weiter oben, so daß man es mit dem bloßen Auge deutlich erkennen kann.

2) Man organisiere den Artikel und verteile ihn nach den Geschlechtsverhältnissen, wie es Gottes Wille ist.

3) Man schaffe die endlos langen zusammengesetzten Wörter ab oder man schreibe vor, daß sie stückweise geschrieben werden, mit Erholungspausen dazwischen. Geistige Speise ist wie andere auch; man genießt sie angenehmer mit dem Löffel als mit der Schaufel.

4) Es soll darauf gehalten werden, daß der Schreiber aufhört, wenn er mit seinem Satz und Vortrag zu Ende ist und daß er nicht noch ein unnötiges ›gewesen zu sein haben würden‹ und dergleichen anhängt.

5) Auf die Anwendung von Parenthesen ist die Todesstrafe zu setzen.

6) Für die Beschreibung aller Arten von geräuschvollen Dingen müssen einige kraftvolle englische Wörter eingeführt werden.

Am besten wäre es vielleicht, von der ganzen Sprache nur die Wörter Schlag, Zug und Also, nebst den an die ersten beiden anzuhängenden Wörtern beizubehalten; das würde die Sprache wesentlich vereinfachen.

Nach meiner Erfahrung braucht man zum Erlernen des Englischen 30 Stunden, des Französischen 30 Tage, des Deutschen 30 Jahre. Entweder reformiere man also diese Sprache, oder man lege sie zu den toten Sprachen, denn nur die Toten haben heutzutage noch Zeit genug, sie zu erlernen.

  1. »Wo ist der Vogel?«
  2. Der Vogel wartet in der Hufschmiede wegen des Regens.«

Berliner Eindrücke

Berliner Eindrücke

Berlin hat mich im höchsten Grade überrascht. Keine Beschreibung, die ich früher in Büchern gelesen habe, trifft mehr zu. Das Berlin, wie es im vorigen Jahrhundert und noch in der ersten Hälfte des jetzigen war, die schmutzige, einförmige, häßliche Stadt, ist wie vom Erdboden verschwunden. Nur der Grund auf dem sie stand hat noch eine Geschichte und alte Überlieferungen, – Berlin selbst ist ganz neu, die neueste Stadt, die mir jemals vorgekommen ist.

Sogar Chicago würde altersgrau daneben aussehen. Im übrigen gleichen sich diese beiden Städte, was die flache Umgebung, das rasche Wachstum und die Einwohnerzahl betrifft. Mit Bestimmtheit behaupten kann ich das freilich nicht, da ich nicht weiß, wie viele Einwohner Chicago heute hat, vorletzte Woche waren es etwa anderthalb Millionen. Auch wegen der vielen geraden Straßen und der ungeheuern Raumverschwendung kann man Berlin das europäische Chicago nennen; die Straßen sind fast durchgängig so breit angelegt, wie ich es noch in keiner Stadt irgend eines andern Landes gefunden habe. ›Unter den Linden‹ sind drei Straßen in einer; die Potsdamerstraße ist auf beiden Seiten von Bürgersteigen eingefaßt, die breiter sind als die berühmten Hauptstraßen der größten Städte Europas; auch hat Berlin einen Park von ungewöhnlicher Ausdehnung.

Für die Bauordnung bestehen die sonderbarsten Vorschriften. Die Stadt ist aus lauter Steinriesen aufgetürmt, man darf in Berlin keine unsichern und unansehnlichen Häuser bauen, und so sind denn diese auffallend schönen und großartigen Gebäude entstanden, die weder mit Einsturz drohen, noch bei der geringsten Feuersbrunst ein Raub der Flammen werden. Nie Baukommissäre nehmen ihre Besichtigung während des Baues vor; man hat gefunden, daß dies besser ist, als zu warten, bis das fertige Haus wieder einfällt. Bricht ein Brand aus, so herrscht dabei die größte Ordnung und Ruhe, die uniformierte Feuerwehr marschiert in Reih und Glied, so ernst und gemessen in Miene und Haltung, als ginge es zu einem Begräbnis, man glaubt die Heilsarmee einherkommen zu sehen, in tiefer Zerknirschung über ihre Sünden. Da das Feuer sich in den steinernen Gebäuden immer nur auf ein Stockwerk beschränkt, brauchen die übrigen Bewohner des Hauses sich nicht weiter darum zu kümmern.

Allabendlich findet eine wahrhaft verschwenderische Beleuchtung mit Gas und elektrischem Licht statt, Berlin bietet daher zur Nachtzeit einen entzückenden Anblick. Überall hat man eine Doppelreihe glänzender Lichter vor sich, die nach allen Seiten in gerader Linie weit in die Nacht hinaus läuft. Die dazwischen liegenden Plätze leuchten im Strahlenglanz, und zahllose Droschkenlaternen schießen wimmelnd in allen Richtungen hin und her, wie Schwärme von Leuchtkäfern an einem Sommerabend.

In keiner Stadt wird wohl so viel regiert wie in Berlin, aber ich wüßte auch keine die besser regiert wäre. Methode und System machen sich allenthalben geltend, in großen wie in kleinen Dingen und selbst bei den geringfügigsten Einzelheiten. Die Verordnungen stehen aber nicht etwa bloß auf dem Papier, so daß es dabei sein Bewenden hat, nein, sie treten wirklich in Kraft und werden bei Armen und Reichen ohne Gunst und Ungunst auf gleiche Weise durchgeführt. Der mühevolle, emsige Fleiß, die Ausdauer und Pflichttreue, welche die Behörde bei jeder Gelegenheit entfaltet, erregt Bewunderung – zuweilen auch Leidwesen. Das Erstaunlichste, was ich diesseits des Ozeans gefunden habe, ist die höfliche, unerschütterliche, verfluchte Beharrlichkeit, mit welcher die Polizei ihren Willen durchsetzt und die Ordnung aufrecht erhält. Sie duldet keine Ansammlung von Menschen, weil daraus Ungehörigkeiten entstehen könnten; ja, träte plötzlich ein Erdbeben ein, so würde es die Berliner Polizei beaufsichtigen und ordnungsmäßig zu Ende führen.

Die Straßen werden sehr rein gehalten, aber nicht, wie es in New-York Sitte ist, mit schönen Worten und frommen Reden, sondern durch tägliche und stündliche Arbeit mit Kratzbürste und Besen. Kurz, man hat den Eindruck, daß hier eine Stadtverwaltung am Ruder ist, die vor keinen Kosten zurückscheut, wo die öffentliche Bequemlichkeit, Behaglichkeit und Gesundheit in Betracht kommt.

Nur eine Ausnahme muß ich erwähnen; das ist die Benennung der Straßen und die Nummerierung der Häuser. Zuweilen ändert sich der Straßennamen mitten in der Häuserreihe; man merkt dies erst bei der nächsten Ecke und weiß natürlich nicht, wo der Wechsel angefangen hat. In betreff der Hausnummern herrscht ein Chaos wie vor Erschaffung der Welt. Unmöglich kann die weise Berliner Stadtregierung eine derartige Einrichtung getroffen haben. Sie ist eines Blödsinnigen würdig; allein, so mannigfaltige Arten Verwirrung und Unheil anzurichten, wäre ein Blödsinniger nicht imstande sich auszudenken. Oft dient eine Nummer für drei bis vier Häuser, und doch steht sie nur auf einem derselben; dann wieder wird ein Haus z. B. mit Nummer 4 bezeichnet und die folgenden mit 4a, 4h, 4e, so daß man alt und schwach geworden ist, bis man bei Nummer 5 anlangt. Die Folge dieses systemlosen Systems ist die, daß man bei Nr. 1 keine Ahnung hat, ob Nr. 150 ein paar Meilen oder hundert Schritte weit sein mag. Obendrein steigen oder fallen die Zahlen ganz willkürlich; von 50 oder 60 gelangt man vielleicht plötzlich zu 140, 139 u. s. w. und nur ein Pfeil giebt durch seinen Flug die veränderte Richtung an. Es ist um den Verstand zu verlieren, und bis hier nicht Abhilfe geschafft wird, muß man auf das Schlimmste gefaßt sein.

Als ich in Berlin war, fand eine Feier zu Ehren der berühmten Gelehrten Virchow und Helmholtz statt, welche beide fast zu gleicher Zeit ihr siebzigstes Lebensjahr erreichten. Schon seit Wochen war eine Deputation nach der andern eingetroffen, um den beiden Geistesheroen Glückwünsche, Ehrungen und Huldigungen aus allen Orten und Enden der Welt darzubringen. Die fernsten Städte, die berühmtesten Hochschulen beteiligten sich an diesen Kundgebungen.

Den Schluß derselben bildete der große Studentenkommers, der in einem mit Fahnen und Standarten geschmückten, glänzend erleuchteten Riesensaal gehalten wurde. An jedem der zahllosen Tische, die den ganzen Raum erfüllten, hatten vierundzwanzig Personen Platz. Ich war hocherfreut, einen Sitz an der Mitteltafel zu erhalten, an welcher auch die beiden Helden des Abends saßen, obwohl ich durchaus nicht gelehrt genug bin, um eine derartige Ehre zu verdienen. Es bereitete mir ein seltsam angenehmes Gefühl, mich in solcher Gesellschaft zu befinden, mit dreiundzwanzig Männern zusammen zu sein, welche an einem Tage mehr vergessen, als ich je gewußt habe. In Verlegenheit geriet ich nicht; die Gelehrsamkeit steht dem Menschen selten im Gesicht geschrieben und ich konnte mit leichter Mühe Haltung und Gebärden der Herren so nachahmen, daß mich die Menge auch für einen Professor hielt.

In kurzer Zeit war der ganze Saal voll, es hieß, es seien gegen viertausend Personen anwesend; auch alle Zwischengänge waren dicht besetzt. An jeder Tafel stand ein Student im Wichs seiner Verbindung. Diese Trachten sind alle von reichem Stoff in glänzenden Farben und außerordentlich malerisch.

So weit mein Auge reichte, sahen alle die frischen, jugendlichen Gesichter nach einer Richtung hin; unverwandt hingen die Blicke sämtlicher Studenten an dem Platz, wo Virchow und Helmholtz saßen. Sie verschlangen die beiden Geistesriesen förmlich mit den Augen und die Verehrung der Herzen strahlte aus allen Mienen.

Mancher ausgezeichnete Gast war schon durch die Ehrengarde an seinen Platz geleitet worden, da erklangen noch einmal die drei Trompetenstöße und wieder fuhren die Rappiere aus den Scheiden. Vom fernen Eingang her blitzten die erhobenen Schläger – ›Mommsen!‹ ging es flüsternd durch die Reihen. Der ganze Saal erhob sich, rief, stampfte mit den Füßen, klatschte mit den Händen, rasselte mit den Biergläsern. Es war ein wirklicher Sturm. Dann drängte sich der kleine Mann mit dem langen Haar an uns vorbei und nahm seinen Sitz ein. Denkt euch meine Überraschung! Ich hatte ja nicht im Traum daran gedacht, daß ich den Mann leibhaftig vor mir haben würde, der die ganze römische Welt und alle Cäsaren in seinem lichtvollen Haupte trug. Meilenweit wäre ich gewandert, um ihn zu sehen, und hier saß er, ohne daß es mir die kleinste Mühe oder Reise oder sonst etwas gekostet hätte.

Die Musik spielte einen kriegerischen Marsch; es folgte der Toast auf den Kaiser, bei dessen Schluß alle Gläser auf einmal geleert und mit einem Schlage auf den Tisch gestoßen wurden. Es klang täuschend wie Donnergetöse. Mächtige Weisen ertönten, immer höher schwoll die Lust, die Schläger krachten, die Biergläser rasselten, die Begeisterung wuchs und ließ sich bald nicht mehr überbieten. Ich wenigstens fühlte mich außer stande, noch mehr darin zu leisten.

Die Feier des Abends schloß mit zwei von Studenten gehaltenen Reden und der Erwiderung von Virchow und Helmholtz.

Virchow ist seit langer Zeit Mitglied der Berliner Stadtverwaltung. Er arbeitet ebenso eifrig für das Wohl der Stadt wie jeder andere Stadtrat und für den nämlichen Sold: für nichts. Ich weiß nicht, ob wir in Amerika es unserm berühmtesten Mitbürger zumuten könnten, sich an der städtischen Verwaltung zu beteiligen und ob, falls wir es wagten, wir seine Wahl durchsetzen würden. Aber hier ist das Munizipalsystem so vorzüglich, daß die besten Männer es sich zur Ehre rechnen, unentgeltlich als Stadträte dienen zu dürfen und das Volk ist vernünftig genug, diese Männer zu bevorzugen und immer wieder zu wählen. Darum ist Berlin auch eine in jeder Beziehung gut und zweckmäßig verwaltete Stadt.

Eine schlaflose Nacht

Eine schlaflose Nacht

Auf unserer Neckarreise in Heilbronn angekommen, stiegen wir in der nämlichen Herberge ab, wo vor drei- bis vierhundert Jahren der alte Haudegen, Götz von Berlichingen, nach seiner Befreiung aus der Gefangenschaft im Turm, gewohnt hat. Wir, mein Reisegefährte Harris und ich, wurden sogar in dem Zimmer des tapfern Ritters einquartiert. Reste der damaligen Tapeten klebten noch an den Wänden, die vierhundertjährigen Möbel waren mit wunderlich verschnörkeltem Schnitzwerk bedeckt, und einige Gerüche in dem Zimmer mochten wohl tausendjährig sein. Der Wirt zeigte uns auch den Haken in der Mauer, an dem der grimme alte Götz beim Zubettgehen seine eiserne Hand aufzuhängen pflegte. –

Nach einem Abendspaziergang durch die altertümliche Stadt begaben wir uns früh zur Ruhe, da wir bei Tagesanbruch unsere Wanderung fortsetzen wollten.

Ich wälzte mich im Bett umher, während Harris sofort eingeschlafen war. Daß es geradezu eine Unverschämtheit ist, wenn jemand gleich einschläft, ist vielleicht zu viel gesagt, aber rücksichtslos ist es gewiß. Ich lag brütend über dieser Unbill wach und bemühte mich vergebens, in Schlaf zu kommen. Ohne jegliche Ansprache fühlte ich mich anfangs im Dunkeln sehr einsam und verlassen; bald begannen jedoch tausenderlei Gedanken mir durch den Kopf zu schwirren, von denen einer den andern in rasender Eile verdrängte. Nach Verlauf einer Stunde war ich von dieser Gedankenjagd ganz schwindelig und fühlte mich todmüde und abgehetzt.

Meine Ermüdung war so groß, daß sie momentan über meine nervöse Erregung siegte; denn, während ich mir einbildete, völlig wach zu sein, mußte ich dennoch vorübergehend, auf Augenblicke, der Bewußtlosigkeit verfallen sein. Ich bemerkte dies, indem ich wiederholt durch das Gefühl, rücklings in einen Abgrund zu sinken, jählings aufgeschreckt wurde. Dies wiederholte sich sechs bis achtmal, worauf die Bewußtlosigkeit das Übergewicht über meinen Geist soweit bekam, daß ich in einen Schlummer verfiel, der tiefer und tiefer wurde und sich gewiß zum solidesten und genußreichsten Schlaf entwickelt hätte, wenn – – doch, was war das? Ich rief alle meine Lebensgeister wieder wach und begann zu lauschen: Mir war’s, als ob ich aus unermeßlicher Ferne einen Ton vernähme, der näher kam, – war es das Heulen des Sturms? – jetzt wurde es deutlicher – war es das Knarren und Raspeln irgend einer Maschine? Nun klang es noch vernehmlicher – war es der gemessene Tritt eines heranziehenden Heeres? Immer kleiner wurde die Entfernung, und jetzt war es mitten im Zimmer: – es war nur eine Maus, die am Holzwerk nagte. Und um solcher Kleinigkeit willen hatte ich die ganze Zeit über den Atem angehalten! –

So ärgerlich mir das war, es ließ sich nicht mehr ändern, – aber nun wollte ich auch gleich einschlafen, um die verlorene Zeit wieder einzubringen. Das war jedoch leichter gedacht als gethan. Ohne es zu wissen und zu wollen, begann ich auf das Geräusch zu horchen, das die Maus mit ihren Nagezähnen machte, und bald verursachte mir diese Beschäftigung die gräßlichsten Qualen. Wäre nur das Tier wenigstens bei seiner Arbeit geblieben! – aber es setzte von Zeit zu Zeit aus, und ich wartete und lauschte gespannt, bis es anfing weiter zu nagen – ein unerträglicher Zustand!

Wer mir die Maus umbrächte, dem setzte ich innerlich Zur Belohnung zuerst 5,6, 7 – 10 Dollars aus und verstieg mich endlich zu Summen, die weit über meine Mittel gingen! Ich klappte das Ohrläppchen über das Ohr und preßte die Hände dagegen, ich steckte die Finger hinein – alles vergebens! – durch die Hindernisse hindurch schien ich nur noch schärfer zu hören.

In rasender Wut griff ich zuletzt zu dem Auskunftsmittel, auf das von Adam her schon jeder Mensch verfallen ist – ich beschloß einen Wurf zu wagen! Ich griff nach meinen Wanderschuhen und erhob mich im Bette, um zu horchen, von wo das Geräusch herkäme. Ich konnte es aber nicht herausbringen; die Stelle, woher das Geräusch kam, war so undefinierbar wie bei einer im Grase zirpenden Grille. So schleuderte ich denn meinen Schuh mit kräftiger Hand auf gut Glück hinaus. Er schlug gerade über Harris Kopf an die Wand und fiel auf ihn herunter, – ich war erstaunt, daß ich so weit werfen konnte, denn das Bett stand am entgegengesetzten Ende des großen Zimmers.

Harris wachte auf und das freute mich; da er aber nicht ärgerlich wurde, that es mir wieder leid. Er blieb nicht lange wach und das war gut; aber nun begann die Maus von neuem, was mich ganz in Harnisch brachte. Ich wollte Harris nicht noch einmal wecken, da aber das Nagen fortdauerte, konnte ich es nicht mehr aushalten und benutzte den zweiten Schuh als Wurfgeschoß. Diesmal flog er gegen den Spiegel – es waren zwei im Zimmer, natürlich zerbrach der größere. Harris erwachte abermals, ließ aber keinen Laut der Klage hören, was mir sehr leid that. Ich beschloß, lieber alle Qualen zu erdulden, als ihn zum drittenmal im Schlaf zu stören.

Schließlich zog sich die Maus vom Schauplatz zurück und ich war im Begriff einzuschlummern, als ich eine Uhr schlagen hörte. Ich zählte die Schläge und wollte mich eben wieder aufs Ohr legen, da schlug die zweite Uhr, und während ich zählte, begannen die beiden großen Engel an der Rathausuhr auf ihren Posaunen wunderbar melodische reiche und volle Töne zu blasen. Etwas so überirdisch Zartes und Geheimnisvolles hatte ich nie gehört! Als sie dann aber auch die Viertelstunden bliesen, dachte ich, das sei des Guten zu viel. Kaum schlummerte ich einen Moment, so weckte mich ein neuer Lärm und beim jedesmaligen Erwachen vermißte ich mein Deckbett und mußte es erst vom Boden aufheben, wie das bei den schmalen deutschen Betten nicht gut anders möglich ist.

Kein Wunder, daß sich meine Schläfrigkeit endlich ganz verlor, und ich zu der Überzeugung kam, daß in dieser Nacht an Schlaf für mich nicht mehr zu denken war. Dabei schüttelte ich mich wie im Fieber und litt den brennendsten Durst. – So ging es wirklich nicht länger; ich beschloß aufzustehen, mich anzuziehen, am Brunnen auf dem großen Platz Kühlung zu suchen und meinen Durst zu löschen. Dann wollte ich bei einer Zigarre im Freien den Morgen erwarten.

Ich konnte mich sehr gut im Dunkeln ankleiden, ohne Harris zu wecken; meine Schuhe hatte ich zwar nach der Maus geschleudert, aber für die Sommernacht genügten auch die Pantoffeln. Leise stand ich auf und kam allmählich in die Kleider; nur eine Socke war verloren gegangen, – ich konnte sie nirgends entdecken, und doch mußte ich sie haben.

Ich kniete nieder, und den einen Pantoffel am Fuß, den andern in der Hand, suchte ich nun rund auf dem Boden umher; – vergebens. Ich suchte weiter und weiter, indem ich fortrutschte. Dabei krachten die Dielen und so oft ich an einen Gegenstand stieß, entstand ein Lärm, zehnfach größer, als er bei Tage gewesen wäre. Ich wartete jedesmal erst mit angehaltenem Atem, um mich zu überzeugen, daß Harris weiter schlief, ehe ich vorwärts kroch. Trotz alles Suchens fand ich die Socke nicht, sondern stieß nur von einem Möbel ans andere. War das Zimmer wirklich so reich möbliert gewesen, als ich zu Bette ging, oder waren vielleicht seitdem einige Familien eingezogen? Überall standen mir Stühle im Wege, und statt sie im Vorbeikriechen nur zu streifen, stieß ich jedesmal mit dem Kopf dagegen.

Langsam aber sicher begann mir die Geduld zu reißen, und ich glaube wirklich, daß ich von Zeit zu Zeit einen leisen Fluch ausstieß, um mir das Herz zu erleichtern. Endlich schwur ich im höchsten Zorn, ohne die Socke auszugehen, stand auf und schritt, wie ich meinte, geradeswegs zur Thüre – statt dessen starrte mir plötzlich mein gespenstisches Ebenbild aus dem unzerbrochenen Spiegel entgegen. Ich schrak zusammen, und erkannte zugleich, daß ich verirrt sei und die Richtung gänzlich verloren habe. Ich geriet darüber in einen solchen Zorn, daß ich mich auf den Boden setzen und etwas packen mußte, um einen fürchterlichen Ausbruch explodierender Leidenschaft hintanzuhalten.

Wenn im Zimmer nur ein Spiegel gewesen wäre, so hätte ich mich daran vielleicht zurechtfinden können; aber es waren zwei da und zwei waren ebenso schlimm wie hundert; abgesehen davon, daß die beiden sich an den entgegengesetzten Enden des Zimmers befanden. Ich konnte an einem schwachen Schimmer die Fenster erkennen, aber da ich dieselben in meiner Verdrehtheit ganz wo anders vermutete, so wurde ich nur um so verwirrter.

Beim Aufstehen stieß ich einen Regenschirm um; der Fall auf den harten teppichlosen Boden klang wie ein Pistolenschuß. Ich hielt den Atem an und biß auf die Lippen – Harris rührte sich nicht. Ich versuchte mehreremale den Regenschirm an die Wand zu stellen, – aber plums, lag er jedesmal wieder unten, sobald ich die Hand losließ.

Ich bin von guter Erziehung, aber wäre es nicht so schwarz, feierlich und unheimlich in dem riesigen Zimmer gewesen, so würde ich – glaube ich – etwas gesagt haben, das man nicht in ein Sonntagsschulbuch hätte setzen dürfen, ohne den Absatz desselben zu schädigen. Wären meine Verstandeskräfte nicht bereits durch die ausgestandenen Qualen erschöpft gewesen, so hätte ich etwas Gescheiteres gethan. als zu versuchen, einen Regenschirm bei Nacht auf einen gewichsten deutschen Stubenboden zu stellen. Das eine tröstete mich noch – Harris rührte sich nicht.

Der Regenschirm konnte mich auch nicht orientieren, da mehrere ganz gleiche herumstanden. So tastete ich mich denn an der Wand hin, um zur Thüre zu gelangen. Dabei stieß ich ein Bild herunter – kein großes, aber es machte einen Höllenlärm! – Harris rührte sich nicht, wenn ich aber noch mehr Angriffe auf Bilder ausführte, mußte er sicherlich wach werden. Ich beschloß mein Vorhaben aufzugeben und statt nach dem Ausweg zu suchen, zu dem Tisch in der Mitte zurückzukehren, mit dem ich schon mehrmals zusammengestoßen war. Von dort wollte ich dann eine Entdeckungsreise nach meinem Bett antreten; hatte ich das erst gefunden, so war der Wasserkrug nicht weit, ich konnte meinen verzehrenden Durst löschen und mich wieder hinlegen. Ich kroch auf allen Vieren, weil das schneller ging und ich dabei weniger umzuwerfen hoffte. Bald fand ich den Tisch – das heißt, ich stieß mit dem Kopf dagegen – rieb mir die Beule etwas, richtete mich in die Höhe, streckte die Hände aus und tastete umher, bis ich an einen Stuhl kam; dann berührte ich die Wand, wieder einen Stuhl, dann ein Sofa, einen Alpenstock und wieder ein Sofa. Das brachte mich in Verwirrung – es war doch nur ein Sofa im Zimmer gewesen! Ich suchte abermals den Tisch auf, begann meine Wallfahrt von neuem und fand mehrere Stühle.

Nun erst fiel mir ein, woran ich schon längst hätte denken sollen, daß der große Tisch ja so rund war wie der vom König Artus und seiner Tafelrunde, mir also in Bezug auf die Richtung durchaus nicht behilflich sein konnte. So wanderte ich denn aufs Geratewohl durch unbekannte Regionen, bis ich einen Leuchter vom Kaminsims stieß; ich wollte den Leuchter festhalten und brachte eine Lampe zum Fallen; ich wollte die Lampe halten und stieß den Wasserkrug um, der krachend zu Boden stürzte, während ich zu mir sagte: »So, habe ich dich endlich; ich wußte wohl, du könntest nicht weit sein!«

Gleich darauf schrie Harris: »Räuber, Diebe, – das Wasser geht, mir bis an den Hals!« Er war ganz außer sich.

Auf den Krach hin wurde das ganze Haus lebendig. Mit Lichtern und im Nachtgewand stürzten die Gäste von allen Seiten ins Zimmer, auch der Wirt und die Dienstmagd drängten sich mit herein.

Ich stand vor Harris‘ Bett, eine Meile von dem meinigen entfernt. Das Zimmer hatte nur ein einziges Sofa, das an der Wand stand, und einen einzigen Stuhl, der frei umherstand, und – um diesen hatte ich mich die halbe Nacht herumgedreht, wie ein Planet um die Sonne und war auf meiner Kometenbahn nur allzuoft mit ihm zusammengestoßen.

Meine Thaten in der schlaflosen Nacht waren bald erzählt; Wirt und Gäste zogen sich hierauf wieder in ihre Gemächer zurück, während wir unsere Vorbereitungen zum Frühstück trafen, da der Morgen schon zu dämmern anfing. Wie ich einen verstohlenen Blick auf meine Schrittuhr warf, fand ich, daß ich fünfzehn Kilometer zurückgelegt hatte, was mich indessen nicht verdroß, da ich ja zum Zweck einer Fußwanderung die Reise unternommen hatte.

Als der Wirt am andern Tage erfuhr, daß wir auf einer Fußtour durch Europa begriffen seien, behandelte er uns sehr rücksichtsvoll. Er ließ sich die Sachen, die ich während der Nacht zerschlagen hatte, nur zum Selbstkostenpreis bezahlen, stärkte uns reichlich mit Speise und Trank, und um uns zum Abschied die größte Ehre zu erweisen, ließ er uns mit Götz von Berlichingens Pferd und Wagen zum Thor, von Heilbronn hinausfahren.

Fünftes Kapitel

Fünftes Kapitel

Fünftes Kapitel

Oeffentliche Vorlesungen.

Von vielen Seiten aufgefordert, vereinigten sich Mark Twain und George W. Cable im Jahre 1884 zu einer Rundreise durch die Vereinigten Staaten, um Vorlesungen aus ihren eigenen Werken zu halten. Ueberall, wohin die beiden Schriftsteller kamen, wurden sie mit Freuden aufgenommen und fanden volle Häuser. Wie wir bereits wissen, war für Mark Twain ein solches öffentliches Auftreten nichts Neues; schon 1866 und 1867 hatte er in Nevada und Kalifornien eine Reihe von Vorlesungen gehalten, sich auch bei verschiedenen Gelegenheiten in England vor einem größeren Publikum hören lassen. Sehr beliebt war er auch als Tischredner bei Festessen, seine Toaste in Boston und New York hatten Aufsehen erregt, auch seine Shakespearevorlesungen rühmte man als meisterhaft.

Die obenerwähnte Vorlesungstour dauerte fünf Monate und es trug sich manches Spaßhafte dabei zu. Als Clemens und Cable nach Albany, der Hauptstadt des Staates New York, kamen, machten sie dort in Gesellschaft mehrerer anderer Herren dem Gouverneur ihre Aufwartung und wollten auch das Kapitol besuchen. Der Generaladjutant war ausgegangen und sie mußten im Bureau auf seine Rückkehr warten. Clemens ließ sich behaglich an einem der Schreibtische nieder, die andern Herren setzten sich gleichfalls und bald war eine heitere Unterhaltung im Gange. Da kamen plötzlich von allen Seiten wohl ein Dutzend Schreiber und Beamte, die in der Abteilung beschäftigt waren, ins Bureau gestürzt, um nach ihrem Begehr zu fragen. Die Mitglieder der Gesellschaft sahen einander verwundert an, sie begriffen nicht, um was es sich handeln könne. Bald jedoch stellte es sich heraus, daß Mark Twain zufällig oder absichtlich auf den elektrischen Klingeln Platz genommen und die ganze Reihe auf einmal in Bewegung gesetzt hatte.

In Montreal befanden sich unter Mark Twains Zuhörern viele Franzosen; dies veranlaßte ihn zu folgender Anrede:

»Die hier anwesenden Gäste sind der größten Anzahl nach Franzosen; es wird daher wohl angemessen sein, daß ich wenigstens einen Teil meiner Rede in ihrer schönen Sprache halte, um doch einigermaßen verstanden zu werden. Mich überfällt immer eine gewisse Blödigkeit, wenn ich französisch sprechen soll; nur wenn ich in Aufregung gerate, geht es fließend. Auch bin ich, soviel ich weiß, noch nie für einen Franzosen gehalten worden, wenigstens nicht von Menschen, höchstens von Pferden. Ich hatte früher gehofft, mich durch den französischen Satzbau allein schon verständlich machen zu können, aber, der Versuch, welchen ich einmal in Quebec damit anstellte, mißlang gänzlich. Als das Dienstmädchen mir öffnete, fragte ich: ›Herr Soundso, ist er bei sich?‹ – Sie verstand mich nicht. Ich fuhr fort: ›Ist es, daß er noch nicht ist zurückgekehrt nach seinem Haus der Geschäfte?‹ – Sie begriff mich noch immer nicht. ›Er wird sein trostlos, wenn er hört, daß sein Freund Amerikaner ist angekommen und er nicht bei sich, ihm zu schütteln die Hand.‹ Selbst das verstand sie nicht – weshalb, ist mir unbegreiflich. Ja, sie wurde sogar ärgerlich und als ihr jemand von hinten zurief: ›Wer ist denn da?‹ erwiderte sie kurz: ›Ein Narr!‹ und schlug mir die Thür vor der Nase zu. – Vielleicht hatte sie nicht unrecht; aber wie konnte sie es wissen – sie sah mich doch zum allererstenmal! – Wie gesagt, ich möchte bei diesem Vortrag meinen Gefühlen gern auf Französisch Luft machen, aber ganz schmucklos, ohne alle blumigen Redensarten, denn nach meiner Meinung ist edle Einfachheit die größte Zierde jedes litterarischen Erzeugnisses! also: J’ai un beau bouton de mon oncle, mais je n’ai pas celui du charpentier. Sie vous avez le frommage du brave menuisier, c’est bon; mais si vous ne l’avez pas, ne vous désolez pas, prenez le chapeau de drap nour de son beaufrère malade. Tout à l’heure! Savoir faire! Qu’est ce que vous dites? Pâté de foie gras. Revenons à nos moutons. Pardon messieurs, pardonnez moi; j’ai essayé de parler la belle langue d’Ollendorf, aber das macht mir mehr Mühe, als Sie sich vorstellen können. Glauben Sie mir, ich habe es in bester Absicht gethan und so gut ich irgend konnte.« – Von seinen bekanntesten Tischreden erwähnen wir nur einen Toast auf das ›Weib‹. Er sagt dabei unter anderem folgendes:

»Die Tochter der modernen Zivilisation ist das kostbarste und auserlesenste Wunder, das uns je vorgekommen ist. Um sie zu erzeugen, müssen alle Länder, alle Zonen, alle Künste ihren Beitrag liefern: Ihr Weißzeug ist aus Belfast, ihr Kleid aus Paris, ihr Fächer aus Japan, ihr Bouquethalter aus China, ihre Uhr aus Genf, ihr Haar aus – ja, wo ihr Haar her ist, habe ich nie ausfindig machen können. Ich meine natürlich nicht ihr gewöhnliches Haar, mit dem sie zu Bette geht, sondern ihr Sonntagshaar, das Ding, das sie zusammendreht und dann immer rund um den Kopf wickelt wie einen Bienenkorb, unter dem sie zuletzt das Ende verschwinden läßt …«

Bald nachdem Clemens wieder nach Hartford zurückgekehrt war, suchte ihn dort ein angesehener Verleger auf, der von ihm einen literarischen Beitrag zu haben wünschte und sich erbot, jeden Preis dafür zu zahlen, den der Humorist fordern würde.

»Wissen Sie,« erwiderte ihm Mark Twain in seiner schleppenden Weise, »eben erst habe ich mir ein schauderhaft dickes Buch vom Halse geschrieben und den Bewohnern dieses unglücklichen Landes eine endlose Reihe Vorlesungen auf den Hals gejagt; mir ist zu Mute wie einer Riesenschlange, die einen Ziegenbock verschluckt hat. Ich muß wenigstens ein halbes Jahr still liegen, ohne auch nur den Schwanz zu rühren.«

Das sollte seine abschlägige Antwort bedeuten.

Sechstes Kapitel

Sechstes Kapitel

Sechstes Kapitel

Mark Twain daheim.

Als Clemens 1871 den Entschluß faßte, Buffalo zu verlassen und seinen dauernden Wohnsitz im Osten zu nehmen, wählte er, wie bereits erwähnt, Hartford in Connecticut. Die Stadt hatte ihm bei einem früheren Besuche gleich ausnehmend gefallen, da sie regen geistigen Verkehr und lebhaften Handel und Wandel mit ländlicher Zurückgezogenheit zu vereinigen schien.

In Nook Farm auf der Farmington Avenue, etwa fünfviertel Meilen von der Geschäftsgegend der Stadt entfernt, baute er sich ganz nach eigenem Geschmack ein geräumiges Wohnhaus aus verschiedenfarbigen Backsteinen und buntem Mörtel, welches mit seinen Giebeln, Bogenwölbungen und altertümlichen Fenstern einem jener altadeligen Herrenhäuser nicht unähnlich sieht, an welchen England so reich ist.

Von Mark Twains glücklichem Leben in den siebziger und achtziger Jahren hat ein Hausfreund ein anziehendes Bild entworfen. Er schreibt:

An Mitteln, sein Besitztum zu vergrößern und zu verschönern, hat es Mark Twain nicht gefehlt, seit er mit seiner jungen Frau in Hartford Einzug gehalten hat. Alles, was die Neuzeit durch Kunst und Erfindung zur Annehmlichkeit des Lebens beitragen kann, findet sich in ihrem Heim reichlich vertreten.

Mark Twains Arbeitszimmer ist im obern Stock und bietet eine herrliche Aussicht, die man am besten von einem der drei Balkons genießt, welche an das Zimmer stoßen. In einer Ecke steht der Schreibtisch und in der Mitte des Raumes das Billard, auf dem der Hausherr gern von Zeit zu Zeit ein Paar kunstgerechte Stöße thut, wenn er sich vom Schriftstellern erholen will. Es ist sein Lieblingsspiel, das er mit ebenso viel Eifer als Geschicklichkeit betreibt. Ein Freund erzählt von ihm, er habe einmal mitten in der Partie bemerkt, daß Funken, die aus dem Kamin gesprungen waren, einen Haufen loser Papiere auf dem Boden entzündet hatten und eine Feuersbrunst zu befürchten stand. Statt das Spiel zu unterbrechen, klingelte er nach dem Diener, befahl diesem, den Brand zu löschen und that zugleich einen wahren Meisterstoß mit dem Queue, das er in der Hand hielt. Mark Twain gerät nie in Aufregung.

Das Jahr zerfällt für ihn in zwei Teile. Vom 1. Juni bis Mitte September lebt er auf der Besitzung von Verwandten seiner Frau, in Quarry Farm bei Elmira im Staate New York. Hier ist für ihn ein Sommerhaus errichtet worden, das auf einer Bergspitze, sechshundert Fuß über dem Thalgrund, steht. Das Gebäude ist fast durchweg aus Glas und zwar nach dem Muster der Lotsenbehausung auf einem Mississippidampfer gebaut. Von allem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen, beschäftigt sich Clemens hier hauptsächlich mit seinen schriftstellerischen Arbeiten. Jeden Morgen um halb neun begiebt er sich in seine luftige Schreibstube, die etwas abseits vom Hause liegt, und bleibt dort, bis das Blasen eines Horns ihn ungefähr um fünf Uhr zu Tische ruft. Dazwischen nimmt er keine Mahlzeit ein und es herrscht strenge Weisung, ihn während seiner Arbeitszeit nicht zu stören. Sein einziger Genuß währenddem ist seine Zigarre. Wie bekannt, ist er ein leidenschaftlicher Rancher und läßt die Zigarre selten ausgehen. Bei der Arbeit ist sie ihm geradezu unentbehrlich, da er ohne sie nichts von Belang zustande bringt. Auf Reisen nimmt er immer seine eigene Sorte mit, auch eine Auswahl der kurzen Pfeifen, an die er gewöhnt ist, und einen Vorrat Tabak. Ein Herr, der ihn bei seiner letzten Ueberfahrt nach Frankreich auf dem Dampfer traf, erzählt scherzend, er sei stets mit einem ungeheuern Tabakspaket und einer Anzahl Zigarrenschachteln auf Deck gekommen, da er die Sorge für diesen Teil seines Gepäcks keiner Menschenseele anvertrauen wollte. Wenn er sich eine frische Zigarre anzündete, so habe er unterdessen das Tabakspaket auf den Boden gelegt und mit dem Fuße festgehalten, damit es ihm niemand entwenden konnte.

Er ist übrigens beständig auf der Jagd nach einer Zigarre, die in Bezug auf Preis und Güte alle seine Ansprüche befriedigt. Einmal glaubte er die Sorte gefunden zu haben, die er suchte, und man sagt, daß nach einer Abendgesellschaft, die er im Winter bei sich in Hartford gab, jeder seiner Gäste sich vor dem Fortgehen eine von diesen Zigarren anzünden mußte. Am andern Morgen fand er sie sämtlich auf dem Schnee liegen, neben dem Fußpfad, der durch seine Wiese führt. Die Herren hatten sie alle aus Höflichkeit geraucht, bis sie im Freien waren, wo ihr Selbsterhaltungstrieb über die Höflichkeit siegte. Sie warfen die Zigarre fort, ohne zu bedenken, daß man sie bei Tageslicht finden werde. Durch die Entdeckung, welche der nächste Morgen brachte, war das Urteil über die neue Sorte ein für allemal gesprochen.

In Elmira arbeitet Clemens angestrengt. Er stellt da die Aufzeichnungen, die er das Jahr über in seinen Notizbüchern gemacht hat, zu einem Ganzen zusammen, beendet angefangene Arbeiten und giebt dem, was nur Entwurf war, seine endgültige Form. Es liegt übrigens nicht in seiner Art, bei einer schriftstellerischen Unternehmung zu bleiben und sie zu Ende zu führen, ehe er etwas Neues beginnt, sondern er hat immer eine Anzahl Pläne zugleich vor und arbeitet daran je nach Stimmung.

Außer seiner Leidenschaft für das Billard hat Mark Twain auch eine große Vorliebe für das Velociped. Er hält sich zwar in Hartford Wagen und Pferde, macht aber am liebsten große Ausflüge auf dem Zweirad. Auch ist er ein unermüdlicher Fußgänger; sein Freund, der Prediger an der Hartforder Kirche, welche Clemens regelmäßig besucht, begleitet ihn gewöhnlich auf seinen weiten Spaziergängen.

Führt Clemens in Elmira ein meist zurückgezogenes Leben, so ist dagegen sein Tageslauf in Hartford, wohin er im September zurückkehrt, voll Abwechslung und Unterhaltung. Hier hält er seine Zeit weniger streng zu Rate und überläßt sich ungehindert den Freuden des geselligen Verkehrs. Er bewirtet viele Freunde und sein gastfreies Haus bildet einen Mittelpunkt für die litterarische Welt. Howells, der ausgezeichnete Novellist, verkehrt stetig bei ihm, wie früher Bayard Taylor, Cable, Aldrich, Henry Irving und viele andere Berühmtheiten bei ihm zu Gaste gewesen sind; der Humorist Dudley Warner und die bekannte Harriet Beecher-Stowe wohnen ganz in seiner Nähe. Man sagt, daß er einmal, als er der Verfasserin von ›Onkel Toms Hütte‹ einen Besuch machte, in seiner Zerstreutheit vergessen hatte, Kragen und Krawatte anzulegen. Bei seiner Heimkehr bemerkte seine Gemahlin mit Schrecken, welchen gesellschaftlichen Verstoß er begangen habe; Mark Twain blieb jedoch höchst gelassen und sagte, er wolle es schon wieder gut machen. Er legte nun den Kragen nebst der Krawatte in eine Schachtel und schickte beides zu Frau Stowe hinüber.

Mark Twain liebt seine Häuslichkeit über alles und ist ein zärtlicher Gatte und Vater. Von seinen drei hübschen Töchtern ist Susan, die älteste, 1872 geboren, Clara 1874 und Jean 1880; ein Söhnchen starb schon in früher Kindheit. Frau Clemens ist zehn Jahre jünger als ihr Mann, einfach und anspruchslos in ihrem ganzen Wesen und Auftreten und von sanfter, stiller Gemütsart. Derselben soll, wie behauptet wird, jeder Sinn für ihres Mannes Witze abgehen. Bei dem Tode seiner Mutter habe Clemens geäußert, jetzt lebe kein Glied mehr in der Familie, das seine Witze verstehen könne.

Susan Clemens gilt für ihres Vaters Liebling und hat viel von seiner Begabung geerbt. In dem Tagebuch, das sie eine Zeitlang führte, pflegte sie allerlei kleine Familienereignisse aufzuzeichnen und eigene Bemerkungen hinzuzufügen. Frau Clemens las einmal darin folgenden Satz: »Der Vater braucht immer viel stärkere Ausdrücke, wenn die Mutter nicht dabei ist, oder wenn er glaubt, daß ›wir‹ es nicht hören.« Sie zeigte dies ihrem Gatten, der nun absichtlich mancherlei sagte, was dem Kinde auffallen mußte. Auch fand er seine Aussprüche nachträglich stets in dem Tagebuche verzeichnet, bis es einmal darin hieß: »Ich werde jetzt nichts mehr über den Vater schreiben, denn ich glaube, er hat mein Tagebuch gelesen und thut und sagt mit Fleiß viele Dinge, damit ich sie aufschreiben soll.«

Wir möchten diesen Abschnitt nicht schließen, ohne nochmals auf das schöne Band zurückzukommen, das Mark Twain und seine Gattin verbindet. Von ihr als der Erzieherin seiner Kinder schrieb er folgende goldene Worte:

»Meine Kinder haben keine treuere und bessere Freundin als ihre Mutter, das wissen sie, und was ihre Hand nur berührt hat, gilt ihnen als geheiligt. Nie hat sie ihnen unrecht gethan, nie ist sie ihnen gegenüber von der Wahrheit abgewichen; sie hält jedes Versprechen, ob es Lohn oder Strafe verheißt, darauf können sie sich verlassen; kein unverständiges Gebot ist je aus ihrem Munde gegangen und stets hat sie unbedingten Gehorsam verlangt. Freundlich und höflich müssen sie in Wort und Benehmen gegen Leute jeden Standes sein und auch ihnen wird stets die liebevollste Rücksicht zu teil. Das alles wissen sie, denn sie besitzen die beste und gütigste Mutter, die gelebt hat.«

Das Zusammenleben mit seiner edlen Gattin betrachtet Mark Twain als das größte Glück seines Lebens und wenn gelegentlich eine Trennung unvermeidlich ist, dann sucht er in einer täglichen Korrespondenz Ersatz. Es berührt uns in dem Zeitalter der Postkarten ganz wunderbar, wenn er erzählt, wie umfangreich der Briefwechsel zwischen ihm und seiner Frau bei jeder Trennung ist. Er schreibt ihr täglich. »In sechs Monaten,« sagte er einmal zu einem Bekannten, »habe ich mindestens 200 000 Wörter an meine Frau geschrieben, und diese Briefe sind nach meiner Ansicht auch in literarischer Beziehung das Beste, was ich je verfaßt habe, der Stil ist so leicht und fließend und die Schilderung so lebendig, wie sie mir nie gelingt, wenn ich für den Druck schreibe. Als ich dies einmal Herrn Walker vom ›Cosmopolitan‹ erzählte, meinte er, es sei eine kolossale Verschwendung, er würde mir 1000 Dollars für jeden dieser Briefe geben Das schrieb ich meiner Frau und sagte ihr, ich könne keine solche Verschwendung treiben, sie möchte mir die Briefe wieder schicken. ›Nur für 1500 Dollars das Stück‹, schrieb sie zurück. Aber ich weiß schon, wenn ich sie beim Wort nähme, würde sie aufschlagen.« –

Im übrigen kann Mark Twain sehr schreibfaul sein; wo Liebe oder Pflicht ihm nicht die Feder in die Hand drücken, läßt er dieselbe gerne ruhen. In dieser Beziehung ist folgende Anekdote charakteristisch: Der englische Schriftsteller Ballentine hatte lange auf eine Antwort von Mark Twain gewartet. Endlich verlor er die Geduld und schickte ihm mit der Post einen Briefbogen und eine Briefmarke, um ihn an seine Versäumnis zu erinnern. Als Erwiderung erhielt er folgende Postkarte: »Papier und Marke erhalten. Bitte, schicken Sie ein Kouvert.«

Siebentes Kapitel

Siebentes Kapitel

Siebentes Kapitel

Erfinder und Verleger.

Mark Twains Lebenslauf ist ganz der eines ›self made man‹, d. h. eines Mannes, der sich aus eigener Kraft emporgearbeitet. Seine Schriftstellerei hat darum so viel Kraft und Gehalt, weil sie erfüllt ist von dem, was der Autor selbst erlebt und durchgemacht. Er war nacheinander Buchdrucker, Lotse, Privatsekretär, Goldgräber, Redakteur und Vorleser und damit nicht genug wurde er auch noch Erfinder und Verleger. Die praktischen Erfindungen, die er gemacht und industriell verwertet hat, sind aus dem eigenen Bequemlichkeitsbedürfnis entstanden. So erdachte er ein besonderes Taschenbuch zum Aufzeichnen von Notizen und Einfällen aller Art. Clemens hatte immer vergeblich ein passendes Buch dieser Art gesucht, alle vorhandenen hatten nämlich die schlechte Gewohnheit, sich an der falschen Stelle aufzuklappen und ihn so irre zu machen. Sein Notizbuch dagegen schlägt sich mittels einer einfachen Vorrichtung immer am rechten Fleck auf – bei der zuletzt beschriebenen Seite.

Auch eine Weste hat Mark Twain erfunden, bei der die Tragbänder überflüssig sind, ein Hemd mit Kragen und Manschetten, in denen man keinerlei Knöpfe braucht, einen immerwährenden Kalender an die Uhr zu hängen und ein Brettspiel: eine Art Geschichtslotto, durch das sich die Jahreszahlen dem Gedächtnis einprägen sollen.

Als Schriftsteller ist Mark Twain vom Glück in hohem Grade begünstigt worden. Doch hat man ihn nach seinen ersten Erfolgen oft die Ansicht äußern hören, er würde, wenn er das Leben noch einmal von vorn anfangen könnte, seine Bücher selbst herausgeben, weil er als sein eigener Verleger weit mehr Gewinn mit dem Verkauf seiner Schriften erzielen könnte. Als er im März 1884 das Manuskript von ›Huckleberry Finn‹ beendet hatte, bot er es der ›Amerikanischen Verlagsgesellschaft‹ an, die durch Herausgabe seiner Werke zu bedeutendem Ansehen und Reichtum gelangt war. Mark Twain hatte bis dahin alles in allem etwa 400 000 Dollars Honorar erhalten. Ueber das neue Buch konnten sich jedoch Verfasser und Verleger nicht einigen. Lange schwankten die Verhandlungen hin und her; man bot ihm die Hälfte der Reineinnahme, aber das genügte ihm nicht, er verlangte sechzig Prozent des Gewinns. Hierauf glaubte sich die Gesellschaft nicht einlassen zu können, das Geschäft zerschlug sich und Mark Twain beschloß, seinen ›Huckleberry‹ im eigenen Verlage erscheinen zu lassen. In Verbindung mit seinem Neffen Charles O. Webster, von dessen Geschäftskenntnis er eine hohe Meinung hatte, gründete er die Firma Webster und Co., welche das neue Buch herausgab. Jedermann war auf das Ergebnis gespannt und siehe da – ›Huckleberry Finn‹ brachte seinem Verfasser eine Nettoeinnahme von 100 000 Dollars. Zwar starb der junge Webster bald darauf, aber der Name der Firma blieb unverändert bestehen. Sie veröffentlichte auch noch andere Bücher außer den Mark Twainschen und hat besonders mit den Memoiren des Papstes und den Denkwürdigkeiten des Generals Grant ein ungeheures Geschäft gemacht. Für letztere hatte Clemens der Familie Grant einen Preis geboten, den andere Verleger nicht zu zahlen wagten. Sie verstanden, nach seiner Ansicht, diese einzigartige Gelegenheit nicht zu würdigen. Welche Umstände schon nach einigen Jahren den Zurückgang der Firma Webster herbeiführten, ist uns nicht bekannt geworden.

Die Besteigung des Riffelbergs

Die Besteigung des Riffelbergs

Kaum war ich auf meiner Schweizerreise in Zermatt angelangt, so benützte ich gleich den ersten Abend, um mich gründlich darüber zu unterrichten, wie man Alpenbesteigungen am besten bewerkstelligt.

Ich las alles darauf bezügliche in den Büchern, die ich auftreiben konnte, und darin u. a. folgende Ratschläge:

Man schafft sich vor allem feste, mit spitzigen Nägeln beschlagene Schuhe an und einen Alpenstock, der vom dauerhaftesten Holze sein muß, denn, wenn er bricht, kann man leicht ums Leben kommen. Man muß eine Axt mit sich führen, um Stufen in das Eis zu hacken und eine Leiter, die über die unwegsamsten Felsen forthilft. Mancher Tourist ist schon stundenlang nach einem Übergang umhergeirrt, bloß weil er sich nicht mit einer Leiter versehen hatte. Ein dickes Seil von 150-500 Fuß Länge ist ganz unumgänglich nötig, um sich an steilen und schlüpferigen Abhängen hinunterzulassen. Sehr nützlich ist auch ein starker, stählerner Haken zum Erklimmen derjenigen Felswände, für welche die Leiter zu kurz ist. Der Tourist wirft den an einem Seil befestigten Haken wie einen Lasso in die Höhe, bis derselbe an einer Felsenspitze hängen bleibt, dann arbeitet er sich mit Händen und Füßen an dem Seil hinauf. Hierbei darf er aber dem Gedanken nicht Raum geben, daß – sollte der Haken nicht halten – er selbst ins Fallen geraten und zuletzt in einer Gegend der Schweiz auf den Boden kommen würde, wo kein Mensch ihn erwartet. Mit einem dritten Seil, – und das ist die Hauptsache – müssen sich alle Bergsteiger an einander binden, damit, wenn einer aus der Gesellschaft in einen Abgrund oder eine Gletscherspalte hinabstürzt, die andern sich entgegen stemmen und ihn am Seil wieder heraufziehen können. Ferner braucht man einen Gazeschleier, um das Gesicht vor Schnee, Graupeln, Hagel und Wind zu schützen, und eine blaue Reisebrille, um nicht schneeblind zu werden. Endlich braucht man noch Träger, die mit Mundvorrat und Wein beladen werden, sowie mit wissenschaftlichen Instrumenten und wollenen Decken.

Zum Schluß meiner Studien las ich noch den Bericht über das entsetzliche Abenteuer, das Herrn Whymper einmal auf dem Matterhorn zugestoßen ist, als er allein 5000 Fuß über der Stadt Breil herumkletterte. Er suchte seinen Weg an einem Abhang gefrorenen Schnees. Derselbe war ein paar hundert Fuß lang und lief zunächst in eine Spalte aus, an deren Ende ein Abgrund von 800 Fuß Tiefe gähnte, gerade oberhalb eines Gletschers. Sein Fuß glitt aus und er stürzte hinab. Hören wir ihn selbst: »Wegen meines Tornisters fiel ich mit dem Kopf zu unterst und schlug zunächst etwa 12 Fuß tiefer auf Felsengestein; ich prallte wieder ab und nun ging’s Hals über Kopf dem Abgrund zu. Der Alpenstock flog mir aus der Hand und immer mächtigere Sätze beförderten mich hinab, bald über Eis, bald über Gestein, wobei ich meinen Kopf vier- bis fünfmal mit stets verstärkter Gewalt aufschlug. Beim letzten Sprung flog ich 50-60 Fuß weit wie ein Kreisel durch die Luft und quer über die Spalte. Glücklicherweise schlug ich mit der ganzen linken Seite des Körpers am Rande derselben auf. Mein Kopf lag zum Glück oben und nach ein paar krampfhaften Griffen mit den Händen fand ich just über dem Abgrund einen Anhalt. Alpenstock, Hut und Schleier wirbelten an mir vorbei und verschwanden, und das Krachen, mit dem die durch meinen Fall losgebröckelten Steine auf die Gletscher fielen, sagte mir vernehmlich, mit wie knapper Not ich dem Geschick entronnen war, in der fürchterlichen Tiefe zerschmettert zu werden. In sieben bis acht Absätzen war ich beinahe 200 Fuß hinabgestürzt, und weitere zehn Fuß würden mich in einem Riesensprung bis zu dem Gletscher hinunter befördert haben.

Meine Lage war auch jetzt keineswegs gefahrlos, da ich den Felsen nicht einen Augenblick loslassen durfte und mir das Blut aus zwanzig offenen Wunden floß. Die schlimmsten am Kopfe versuchte ich zwar mit der einen Hand zu schließen, während ich mich mit der andern festhielt, aber bei jedem Pulsschlag schoß ein neuer Blutstrahl hervor. Plötzlich kam mir ein glücklicher Einfall – ich nahm einen großen Klumpen Schnee und legte ihn mir als Pflaster auf den Kopf. Das Blut hörte allmählich auf zu fließen. Nun arbeitete ich mich höher am Felsen hinauf und es gelang mir noch, eine gesicherte Stelle zu erreichen – dann verließen mich die Sinne!

Als ich wieder zum Bewußtsein erwachte, nahte sich die Sonne schon dem Untergang, und es war stockfinster, ehe ich die ›Riesenleiter‹ hinabgestiegen war. Glück und Behutsamkeit im Vereine halfen mir die 4700 Fuß bis nach Breil hinab, ohne daß ich auch nur ein einzigesmal ausglitt oder die Richtung verlor.«

Nach diesem Abenteuer mußte Whymper seiner Wunden wegen mehrere Tage lang das Bett hüten; kaum war er aber wieder aufgestanden, so erklomm er denselben Berg noch einmal. Ein richtiger Alpenbesteiger thut es nicht anders; er kann nicht genug Abenteuer bestehen!

Dieser und ähnliche Berichte von unglaublichen Gefahren, Abenteuern und Triumphen unserer Alpenbesteiger hatten mich in die größte Aufregung versetzt. Ich war ganz entzückt und berauscht davon. Nachdem ich eine Weile schweigend dagesessen, fuhr ich plötzlich in die Höhe und rief aus:

»Mein Entschluß steht fest!«

Der Ton dieser Worte fiel meinem Reisebegleiter Harris auf; er blickte mich an; und als er sah, was in meinen Augen geschrieben stand, wurde er sichtlich bleich und stammelte: »Rede!« – worauf ich mit erkünstelter Ruhe erwiderte: »Ich will den Riffelberg ersteigen!« – Mein armer Freund fiel vor Schreck jählings vom Stuhl, als hätte ich ihn totgeschossen. Er beschwor mich, meine Absicht aufzugeben, – inniger kann kein Sohn seinen Vater bitten, – ich aber blieb taub gegen sein Flehen. Als er endlich sah, daß mein Entschluß unerschütterlich war, gab er sein Drängen auf, und nur das bitterliche Schluchzen, das sich seiner Brust entrang, unterbrach eine Zeitlang unser tiefes Schweigen. Unbeweglich wie ein Marmorbild saß ich da und starrte ins Leere. – Im Geiste kämpfte ich schon mit allen Gefahren des wilden Gebirges, während mein Freund mit von Thränen umflorten Augen voll staunender Bewunderung nach mir hinblickte. Endlich fiel er mir gerührt um den Hals und rief mit überströmendem Gefühl: »Dein Harris wird dich nie verlassen, laß uns zusammen sterben!« – Laut pries ich hierauf die standhafte Treue meines Freundes und am Ende hatte er bald alle Furcht vergessen und brannte vor Begierde, sich in das Abenteuer zu stürzen. Er wollte sogleich die Führer zum Aufbruch um 2 Uhr morgens bestellen; ich aber machte ihm klar, daß wir ja um diese Zeit keine Zuschauer haben würden und daß der Aufbruch bei Nacht in der Regel nicht im Dorfe stattfindet, sondern erst nach dem ersten Nachtquartier im Gebirge. Ich sagte ihm, wir wollten Zermatt am nächsten Tage zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags verlassen; bis dahin hätten wir Zeit, mit den Führern alles zu besprechen und die Aufmerksamkeit des Publikums auf unser Unternehmen zu lenken. Dann ging ich zu Bett, aber ohne Ruhe zu finden! Wer eine dieser großen Alpenbesteigungen vorhat, kann niemals schlafen, und so warf ich mich denn wie im Fieber die ganze Nacht auf meinem Lager hin und her. Ich war daher herzlich froh, als ich die Uhr halb zwölf schlagen hörte. Es war hohe Zeit aufzustehen und sich zum Mittagessen anzukleiden. Ganz ermattet und wie zerschlagen trat ich um zwölf Uhr in den Speisesaal. Die große Nachricht mußte sich herumgesprochen haben, denn ich bildete bald den Mittelpunkt für die Neugier und das Interesse der Gäste. Es ist sehr schmeichelhaft, als Löwe des Tages zu gelten, – wenn man dabei seine Mahlzeit in Ruhe verzehren könnte!

Wie es in Zermatt üblich, wenn eine große Besteigung von dort aus unternommen wird, lassen Einheimische und Fremde ihre eigenen Pläne für den Augenblick fallen, um von einem guten Platz aus den Aufbruch der Expedition beobachten zu können. Dieselbe bestand aus 198 Personen mit Einschluß der Maulesel, und aus 205 mit Einschluß der Kühe. Es wurde 4 Uhr nachmittags, bis der ganze Zug in Ordnung war und sich in Bewegung setzen konnte, dann bot er aber auch das großartigste Schauspiel, das Zermatt je gesehen.

Ich befahl dem ersten Führer, Menschen und Tiere hintereinander in Zwischenräumen von zwölf Fuß in einer Reihe aufzustellen und sie alle zusammen durch ein starkes Seil zu verbinden. Seine Einwendung, daß die zwei ersten Meilen des Weges ganz eben seien und man das Seil nur an gefährlichen Stellen brauche, ließ mich kalt; denn meine Bücher hatten mich gelehrt, daß viele der schlimmsten Unfälle in den Alpen nur aus dem Umstand entspringen, daß sich die Leute nicht rechtzeitig an einander binden. Durch meine Schuld sollte die Liste der Verunglückten nicht vergrößert werden.

Als der Zug nun fertig dastand, durch das Seil verknüpft und marschbereit, war der Anblick ganz prächtig!

Er nahm eine Länge von 3122 Fuß ein, – mehr als eine halbe Meile – außer mir und Harris waren alle zu Fuß; jeder trug einen grünen Schleier, eine blaue Brille, einen weißen Mullstreifen um den Hut, das zusammengewickelte Seil über der Schulter und die Eishacke im Gürtel. Die linke Hand umschloß den Alpenstock, die rechte den zugemachten Regenschirm, und hinten waren die Krücken aufgeschnallt; Edelweiß und Alpenrosen schmückten die Hörner der Kühe und das Gepäck auf dem Rücken der Lasttiere.

Wir nahmen den gefährlichsten Posten ein, ganz hinten, und jeder von uns war mit fünf Führern verbunden. Unsere Träger hatten sich mit unseren Eishacken, Alpenstöcken und der übrigen Ausrüstung beladen, während wir selbst auf unseren kleinen Eseln saßen. Wir hatten sehr kleine gewählt, damit wir, wenn Gefahr drohte, die Beine ausstrecken, uns auf den Boden stellen und den Esel unter uns weglaufen lassen konnten. Ich kann jedoch dieses Tier nicht empfehlen, wenigstens nicht zu derartigen Ausflügen, weil es einem mit seinen Ohren die Aussicht versperrt. Obgleich wir beide, ich und mein Begleiter, das vorschriftsmäßige Bergsteigerkostüm besaßen, hatten wir es doch zu Hause gelassen, und aus Hochachtung für die zahlreichen Touristen beiderlei Geschlechts, die uns abmarschieren sahen, sowie aus Rücksicht für alle diejenigen, welchen wir unterwegs begegnen könnten, Fräcke angezogen. Um ein viertel auf fünf Uhr gab ich den Befehl zum Abmarsch, und meine Untergebenen trugen ihn schnell die ganze Linie entlang. Da brach die Zuschauermenge, die vor dem Monte-Rosa-Hotel Spalier stand, in lautes Hurra aus, worauf ich zum Gegengruß kommandierte: ›Stillgestanden, – Achtung – Hoch!‹ – bei letzterem Wort flogen alle Regenschirme auf der ganzen halben Meile mit einemmale in die Höhe! – Es war ein herrliches Schauspiel, wie solches in den Alpen nie zuvor gesehen worden war, und eine vollständige Überraschung für die Zuschauer, die nun in einen wahren Beifallssturm ausbrachen. Ich ritt mit abgezogenem Hut an ihnen vorbei, um meinen Gefühlen Ausdruck zu geben; es auf andere Weise zu thun, war ich außer stande, da ich vor Rührung nicht sprechen konnte.

Wir tränkten die Karawane an dem kalten Strom, der am Ende des Dorfes durch eine Röhrenleitung floß, und ließen bald darauf die Stätten der Zivilisation hinter uns. Gegen halb sechs Uhr erreichten wir die Brücke, welche sich über den Bispfluß wölbt, und schickten zuerst eine Abteilung hinüber, um ihre Sicherheit zu prüfen, dann folgte die ganze Karawane ohne Unfall. Der Weg führte nun in allmählicher Steigung über grüne Matten bis zur Kirche von Winkelmatten. Ohne dieses Gebäude näher in Augenschein zu nehmen, machte ich eine Schwenkung nach rechts und überschritt die Brücke über den Findelenbach, nachdem ihre Tragfähigkeit untersucht worden war. Dann wendete ich mich abermals zur Rechten, und erreichte bald eine zweite Strecke Wiesenland, an dessen äußerstem Ende einige verfallene Hütten standen.

Der Platz war wie geschaffen zum Bivouakieren; wir schlugen daher unsere Zelte auf, speisten zu Abend und stellten die nötigen Wachen aus. Nachdem wir noch die Ereignisse des Tages verzeichnet hatten, legten wir uns schlafen. Um 2 Uhr morgens standen wir wieder auf und zogen uns bei Licht an, wobei uns recht frostig und unbehaglich zu Mute war. Nur wenige Sterne leuchteten am dunkeln Himmel und der große Kegel des Matterhorns war in schwarze Wolkenmassen gehüllt. Da unser Hauptführer fürchtete, daß wir Regen bekämen und zum Aufschub riet, warteten wir. Gegen neun Uhr brachen wir bei ziemlich klarem Wetter auf.

Der Weg führte nun zu schrecklich steilen Höhen hinauf, die dicht mit Lärchen- und Arvenbäumen bewaldet waren. Das Erdreich war vom Regen ganz aufgeweicht, auch lagen viele lose Steine umher. Die Gefahr und Unbequemlichkeit der Wanderung wurde überdies noch durch die zahlreichen Touristen vermehrt, die uns auf ihrem Rückweg zu Pferd oder zu Fuß entgegen kamen, während andere Touristen, im Hinaufsteigen begriffen, rasch an uns vorbei wollten und uns überall drängten und stießen. Aber es sollte noch schlimmer kommen: eine Stunde später riefen alle siebzehn Führer plötzlich Halt! und traten zu einer Beratung zusammen. Nachdem diese eine geraume Zeit gedauert hatte, erklärten sie, daß wir uns aller Wahrscheinlichkeit nach verirrt hätten. Ich fragte, ob sie es denn nicht bestimmt wüßten, worauf sie erwiderten, sie könnten das nicht mit vollständiger Gewißheit behaupten, da noch keiner von ihnen je zuvor in dieser Gegend gewesen sei. Wenn sie es aber auch nicht beweisen könnten, so sage ihnen doch ihr Gefühl, daß sie sich verirrt hätten; auch hielten sie es für ein verdächtiges Zeichen, daß uns so lange keine Touristen begegnet seien.

Da saßen wir schön in der Patsche.

Der besseren Sicherheit wegen bewegten wir uns nur langsam und bedächtig vorwärts, da der Wald sehr dicht war; auch stiegen wir nicht in die Höhe, sondern zogen um den Berg herum, in der Hoffnung unsere alte Spur wieder aufzufinden. Mit Einbruch der Nacht kamen wir, todmüde, vor einem haushohen Felsen an, bei dessen Anblick den Leuten vollends der Mut sank, und Furcht und Verzweiflung die Oberhand gewannen. Sie schluchzten, weinten und klagten, daß sie ihre Heimat und ihre Lieben nie wiedersehen würden, und ergingen sich in Verwünschungen gegen mich, den Urheber dieses verhängnisvollen Unternehmens, ja einzelne brachen sogar in Drohungen aus!

Nun galt es keine Schwäche zu zeigen! Ich hielt eine Rede, in der ich bewies, daß schon vor uns andere Alpenbesteiger in ähnlich gefahrvolle Lage geraten seien, sich aber durch Mut und Ausdauer glücklich daraus befreit hätten. Ich versprach ihnen Beistand und Rettung aus der Not, stellte ihnen vor, daß wir auf lange hinaus mit Lebensmitteln versehen seien, und schloß mit dem Ausdruck der zuversichtlichen Hoffnung, daß die Bewohner von Zermatt nicht eine ganze Schar von Menschen verschwinden lassen würden, ohne in kürzester Frist eine Expedition zu ihrer Hilfe auszurüsten.

Die Rede verfehlte ihre Wirkung nicht; die Leute schlugen willig ihre Zelte auf und lagen bald in süßem Schlummer. Nur Harris und ich blieben wach; denn ich hätte mir nie gestattet, bei so drohender Gefahr zu schlafen – ich fühlte mich verantwortlich für die vielen Menschenleben und wollte zur Hand sein, wenn die Lawinen heruntergestürzt kämen. Jetzt weiß ich allerdings, daß in jener Gegend keine Lawinen vorkommen, aber damals war ich noch im Dunkel darüber.

Die ganze Nacht hindurch machten wir Wetterbeobachtungen und ich verwandte kein Auge von dem Barometer, um jede auch noch so geringe Veränderung zu bemerken; aber ich nahm die ganze Zeit über auch nicht den leisesten Wechsel wahr. Welchen Trost mir das freundliche und ermutigend beständige Instrument in dieser Zeit der Not gewährte, läßt sich nicht in Worte fassen! Daß der Barometer schadhaft war und nur noch seinen unbeweglichen Metallzeiger besaß, entdeckte ich erst später; aber wenn ich je wieder in eine ähnliche Lage gerate, wünsche ich mir keinen anderen Barometer als diesen.

Am nächsten Morgen war die ganze Gesellschaft um zwei Uhr beim Frühstück, und sobald es hell genug war, banden wir uns wieder mit dem Seil zusammen und begannen den Angriff auf den Felsen. Zuerst warfen wir das Hakenseil aus, und Harris versuchte daran in die Höhe zu klimmen, aber der Haken hielt nicht fest! Mein Begleiter hätte sich beim Fallen sicherlich zum Krüppel geschlagen, wenn nicht ein Mann zufällig gerade unter ihm gestanden hätte. So war es der letztere, der von dem Unglück betroffen wurde. Hierauf befahl ich das Hakenseil beiseite zu legen. Es war zu gefährlich, wo so viele Leute herumstanden.

Nun wußten wir nicht aus noch ein, bis zum Glück jemand an die Leitern dachte. Wir lehnten eine derselben an den Felsen, die Leute stiegen paarweise hinauf und vermittelst einer zweiten Leiter, die sie mit sich in die Höhe zogen, auf der andern Seite wieder hinunter. Nach Verlauf einer halben Stunde waren alle jenseits wieder auf ebener Erde und der Fels war bezwungen, worüber wir in ein lautes Triumphgeschrei ausbrachen! – Die Freude war jedoch nicht von langer Dauer, denn nun entstand die Frage, wie wir die Tiere hinüberschaffen sollten!

Bei dieser neuen Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, verloren alle sogleich wieder den Mut und abermals drohte eine Panik auszubrechen. Im Augenblick höchster Gefahr wurden wir jedoch auf die wunderbarste Weise gerettet: ein Maulesel, der von Anfang an große Neigung zu Experimenten gezeigt hatte, versuchte ein Gefäß mit fünf Pfund Nitroglycerin zu verschlucken und zwar in nächster Nähe des Felsens. Eine entsetzliche Explosion erfolgte; alle wurden zu Boden geworfen und mit Erde und Felstrümmern bedeckt. Als wir aufstanden, war zu unserer großen Freude der Felsen verschwunden. Wo er gestanden hatte, öffnete sich ein Loch von dreißig Fuß Breite und ungefähr fünfzehn Fuß Tiefe, das wir nur zu überbrücken brauchten, um unsern Weg fortsetzen zu können. Mit kräftigem Hurraruf machten sich die Leute ans Werk. Ich beaufsichtigte die Ingenieurarbeit selbst. Es galt, Bäume zu fällen und Brückenpfeiler daraus zu machen, was gar kein leichtes Geschäft war, da die Eishaken nur schlechte Dienste beim Holzhauen leisteten. Die Pfeiler wurden dann reihenweise in die Grube eingerammt, sechs von meinen vierzig Fuß langen Leitern darüber gelegt und sechs andere quer über diese. Auf das Ganze breiteten wir eine dichte Lage von Baumzweigen und schütteten eine sechs Zoll hohe Schicht Erde darüber. Statt des Geländers wurde an jeder Seite ein Seil gespannt. Die nun vollendete Brücke erwies sich als so haltbar, daß ein Zug Elefanten sie bequem und sicher hätte passieren können.

Vor Einbruch der Nacht war die ganze Karawane drüben.

Am nächsten Morgen waren anfangs alle guten Mutes, trotz des steilen und steinichten Weges, der durch dichten Wald führte und auf dem wir nur langsam und mühsam vorwärts kamen. Bald aber malte sich tiefe Niedergeschlagenheit in allen Mienen, und niemand, nicht einmal die Führer, waren länger in Ungewißheit darüber, daß wir fortgesetzt in der Irre gingen. Der vollständige Mangel an vorbeiwandernden Touristen sprach nur zu deutlich; und vollends ein untrügliches Zeichen, auf wie schlimmen Irrwegen wir uns befanden, war es, daß wir auf keine der Expeditionen stießen, die längst aufgebrochen sein mußten, um uns aufzusuchen.

Um dem Geist gänzlicher Entmutigung, der immer mehr um sich griff, entgegen zu wirken, galt es zu handeln, und zwar ohne Zögern. Um Auskunftsmittel bin ich selten verlegen und auch jetzt verfiel ich auf eines, das allen einleuchtete und den besten Erfolg versprach: ich nahm ein dreiviertel Meilen langes Seil, band ein Ende desselben einem Führer um den Leib und befahl ihm, den richtigen Weg aufzusuchen, während die Karawane an Ort und Stelle wartete. Mißlang es ihm, so konnte er sich am Seil wieder zu uns zurückfinden; glückte es ihm aber, so sollte er tüchtig an dem Seil zerren, worauf wir uns sogleich aufmachen würden, um ihm zu folgen. Der Führer verließ uns und verschwand bald im Schatten der Bäume. Ich wickelte das Seil ab, während die andern dessen Windungen aufmerksam beobachteten – bald kroch es langsam dahin – bald schneller; zwei- oder dreimal glaubten wir schon das Zeichen zu sehen, aber immer hatten wir uns geirrt und das Triumphgeschrei blieb den Leuten in der Kehle stecken. Endlich, als schon über eine halbe Meile von dem Seil abgewickelt war, hörte es plötzlich auf, sich zu bewegen – es lag ganz still – eine Minute verging, zwei – drei Minuten – wir hielten den Atem an! – Machte der Führer vielleicht eine Ruhepause? Suchte er sich von einem hohen Punkt aus in der Gegend zu orientieren? Zog er Erkundigungen bei einem Bergbewohner ein, der ihm zufällig begegnete? Oder – war er am Ende gar vor Angst und Ermattung zusammengesunken? –

Diese letzte Möglichkeit erschütterte mich tief; ich war eben im Begriff, ihm eine Abteilung zu Hilfe nachzuschicken, als plötzlich mit so heftigem Ruck an dem Seil gezerrt wurde, daß es mir fast aus der Hand flog!

Das laute ›Hurra‹, das ertönte, that meinem Herzen wohl, und: »Gerettet, gerettet!« klang es von einem Ende der Karawane bis zum andern.

Wir brachen sofort auf; eine Zeit lang war der Weg ganz leidlich, dann wurde er jedoch immer schwieriger. Nachdem wir ungefähr eine halbe Meile zurückgelegt hatten, erwarteten wir jeden Augenblick, den Führer zu Gesicht zu bekommen, doch zeigte sich keine Spur von ihm und es ließ sich nicht einmal annehmen, daß er irgendwo auf uns warte, da sich das Seil noch immer fortbewegte. Hieraus schlossen wir, daß er den Weg doch noch nicht gefunden habe, aber vermutlich von irgend einem Landmann dahingeführt werde. Uns blieb nichts übrig, als weiter zu schreiten. Nach Verlauf von drei Stunden schritten wir noch ebenso weiter. Es war nicht bloß rätselhaft, es war zum verzweifeln. Obendrein wurden unsere Kräfte vollständig erschöpft, zumal wir anfangs uns ganz unnütz beeilt hatten, den Führer einzuholen.

Um drei Uhr nachmittags waren wir halb tot vor Erschöpfung, und noch immer glitt das Seil dahin! – Das Murren gegen den Führer wurde lauter und lauter und brach zuletzt in wilde Verwünschungen aus! Die Leute weigerten sich, einen Schritt weiterzugehen und behaupteten, wir seien den ganzen Tag immer in der Runde marschiert, ohne von der Stelle zu kommen. Zuletzt verlangten sie, ich solle das Ende des Seils an einem Baum festbinden, damit der Führer stillstehen müsse, und sie ihn einholen und umbringen könnten! Dies schien mir recht und billig und ich gab sogleich den nötigen Befehl. –

Kaum war das Seil angebunden, als die Expedition sich mit einem Eifer in Bewegung setzte, wie ihn nur der Rachedurst einflößen kann. Wir waren wohl eine halbe Meile marschiert, als wir einen Hügel erreichten, der ganz mit Steingeröll bedeckt und so steil war, daß kein einziger mehr die Kraft hatte, ihn zu erklimmen. Jeder derartige Versuch wurde teuer bezahlt. Nach Verlauf von zwanzig Minuten hinkten bereits fünf Leute an Krücken! So oft sich einer beim Klettern an dem Seil festhalten wollte, gab es nach und er stürzte rücklings wieder hinunter. Diese Wahrnehmung brachte mich auf den Gedanken, die Karawane eine Rückwärtsbewegung machen zu lassen. Ich stellte sie in Marschordnung auf, band das Schlepptau an den hintersten Maulesel fest und kommandierte nun:

»Kehrt euch, – vorwärts – marsch!« – Unter den Klängen eines Schlachtgesanges setzte sich der Zug in Bewegung. »Das muß den Führer zu uns zurückbefördern,« dachte ich im stillen, »wenn nicht etwa das Seil dabei zerreißt.« Ich beobachtete, wie das Seil langsam den Hügel hinabglitt, aber im Moment der freudigsten Erregung wurde ich aufs bitterste enttäuscht. Nicht der erwartete Führer kam am Ende zum Vorschein, sondern – ein alter schwarzer Bock, der sich wie unsinnig gebürdete! –

Wer beschreibt die Entrüstung der so schmählich betrogenen Expedition? In rasender Wut wollten sie ihren Rachedurst in dem Blut des unschuldigen, vernunftlosen Tieres kühlen. Ich aber warf mich zwischen sie und ihr Opfer, obgleich hundert spitze Eishaken und Alpenstöcke sich gegen mich erhoben, und schwur, daß sie nur über meine Leiche hinweg ihren Mordanschlag ausführen sollten. Nur ein Wunder, das wußte ich, konnte die Reisenden von ihrem verruchten Vorhaben abbringen und mich erretten. Noch heute, wie damals, sehe ich die schrecklichen Waffen mir entgegenstarren und das feindliche Heer mit haßerfüllten Blicken auf mich anstürmen! Schon senkte ich das Haupt und ergab mich in mein Schicksal, als ich plötzlich eine gewaltige, erdbebenartige Erschütterung empfand. Und wer war der Urheber derselben? Der Bock, für dessen Rettung ich mich eben opfern wollte! Ich flog durch die dichte Schar der Angreifer, wie von einer Schleuder geworfen. Ein donnerähnliches Gelächter durchlief die Reihen und erschütterte die Luft – ich war gerettet, – gerettet durch den Instinkt der Undankbarkeit, welchen eine gütige Natur dem schändlichen Tier ins Herz gepflanzt hatte. Was all meiner Beredsamkeit nicht gelungen war, bewirkte bei den Leuten der komische Zwischenfall; sie setzten den Bock in Freiheit und schonten mein Leben.

Jetzt ging uns auch ein Licht auf über die Verräterei des Führers. Sobald er uns aus dem Gesicht war, hatte er uns unserm Schicksal überlassen. Damit jedoch kein Argwohn erregt würde, durfte das Seil nicht aufhören, sich zu bewegen. Deshalb fing der Schändliche den Bock, warf ihn zu Boden und band ihm das Seil um, während wir dachten, daß er, von Schmerz und Müdigkeit übermannt, auf die Erde gesunken sei. Die wilden Sprünge, die der Bock machte, um sich von dem Seile zu befreien, hatten wir für das verabredete Zeichen gehalten, dem wir mit Jubelgeschrei gefolgt waren.

Den ganzen Tag über waren wir von dem Bock im Kreise herumgeführt worden, was sich dadurch beweisen ließ, daß wir die Karawane in Zeit von sieben Stunden siebenmal an ein und derselben Quelle getränkt hatten. Dies war mir trotz meiner Aufmerksamkeit ganz entgangen, bis ich zufällig durch ein Schwein darauf aufmerksam gemacht wurde. Jedesmal wälzte sich ein Schwein an der Quelle, an die wir kamen, und da mir am Ende die Ähnlichkeit zwischen diesen Schweinen auffiel, kam ich auf den Gedanken, ob es nicht ein und dasselbe sei? Hieraus ergab sich dann die weitere Frage, ob es nicht auch die nämliche Quelle sei – was sich richtig so verhielt.

Von dem treulosen Führer, der den Bock an das Seil gebunden hatte, will ich nur noch erwähnen, daß er eine Weile aufs Geratewohl umherschweifte, bis er auf eine Kuh stieß. In der Meinung, daß eine Kuh natürlicherweise besser Bescheid wissen müsse als ein Führer, hielt er sich an ihrem Schwanz fest und der Erfolg gab ihm recht. Die Kuh ging gemächlich grasend den Hügel hinunter, bis es Zeit zum Melken war, dann trabte sie nach Hause und brachte den Führer im Schlepptau nach Zermatt zurück.

Wir schlugen unsere Zelte mitten in der Wildnis auf, in die uns der Bock geführt hatte. Die müden, hungrigen Leute ließen sich das Abendessen so vortrefflich schmecken, daß sie darüber ganz vergaßen, daß wir verirrt waren, und noch ehe sie sich darauf besannen, hatte ich ihnen Schlafpulver eingegeben und sie zur Ruhe gebracht.

Am nächsten Morgen überdachte ich unsere verzweifelte Lage und sah mich vergebens nach einem Rettungsweg um. Da erschien Harris mit einer Karte aus dem Bädeker, breitete sie vor mir aus und bewies mir klar und deutlich, daß der Berg, auf dem wir uns befanden, noch in der Schweiz liege und in keinem andern Lande. – So waren wir wenigstens nicht ganz verloren. Sofort machte ich die Nachricht öffentlich bekannt und stellte die Karte aus. Das hatte eine ganz wunderbare Wirkung, – denn kaum sahen die Leute mit eigenen Augen, an welcher Stelle wir uns befanden, und daß nur der Gipfel verloren gegangen sei, nicht wir, – so wurden sie wieder guten Mutes.

Ich ließ die Karawane einen Ruhetag im Lager halten und erst am folgenden Morgen setzten wir neu gestärkt und erfrischt unsere Wanderung weiter fort.

Dieser Tag wird mir ewig unvergeßlich sein, da wir an ihm unseren verlorenen Weg wieder fanden, und zwar auf höchst merkwürdige Weise: drittehalb Stunden hatten wir uns schon mühsam weitergearbeitet, als wir auf einen fast zwanzig Fuß hohen Felskegel stießen. Diesmal wartete ich nicht erst die Hilfe eines Maulesels ab. Ich war inzwischen durch Erfahrung klüger geworden als alle Esel der Expedition zusammen genommen. Durch Anwendung von Dynamit räumte ich den Felsen sofort aus dem Wege, – wie groß war jedoch meine Bestürzung, als sich herausstellte, daß oben auf dem Gipfel eine Sennhütte gestanden hatte. –

Alle Familienglieder, die in meiner Nähe zur Erde kamen, hob ich sorgfältig auf, den Rest sammelten meine Gefährten. Zum Glück war von den armen Leuten niemand verletzt, aber sie klagten bitterlich über die gewaltsame Störung. Ich entschuldigte mich bei dem obersten Sennhirten damit, daß ich nicht gewußt habe, daß er oben sei, sonst würde ich ihn rechtzeitig von meiner Absicht in Kenntnis gesetzt haben.

Als ich ihm schließlich anbot, ihm allen Schaden zu vergüten und seine Sennhütte wieder aufzubauen, noch dazu mit einem Keller, der ihm bisher gefehlt hatte, da war er besänftigt und erklärte sich zufriedengestellt.

Der Keller mußte ihn für die schöne Aussicht entschädigen, von der er freilich viel eingebüßt hatte.

In Zeit von fünfzehn Minuten hatten die 116 Mann, die ich bei der Arbeit anstellte, die Sennhütte aus den Trümmern wieder aufgebaut und sie sah malerischer aus als zuvor. Der Senne sagte mir, daß wir uns auf dem Feli-Stutz über der Schwegmatt befänden, und ich war nach allen Zweifeln der letzten Tage nicht übel froh, über Ort und Stelle so genau Bescheid zu erhalten. Wir erfuhren überdies, daß wir am Fuß des eigentlichen Riffelbergs waren und somit die ersten Schwierigkeiten unseres Unternehmens hinter uns lagen.

Einen prächtigen Anblick bot uns von hier aus der wilde Vispfluß, der aus einer hohen Wölbung hervorstürzt, die er sich durch die feste Eismauer des großen Gornergletschers gebrochen hat; auch sahen wir den Furggenbach, den Abfluß des Furggengletschers.

Wir wurden bald inne, daß der Saumpfad auf den Gipfel des Riffelbergs dicht an der Sennhütte vorbeiführt, denn die ganze Zeit über war er von Touristenschwärmen belebt. In der Sennhütte nahmen die Wanderer gewöhnlich Erfrischungen ein; da ich dieselbe aber in die Luft gesprengt hatte, wobei alle Flaschen entzwei gegangen waren, so war der Handel des Sennhirten etwas ins Stocken geraten. Ich gab ihm jedoch ein Quantum Branntwein, um ihn als Alpenchampagner zu verkaufen, sowie ein Quantum Essig, der für Rheinwein gelten konnte, und so kam sein Geschäft bald wieder lebhaft in Gang.

Nach kurzer Rast stellte ich die Karawane in Marschordnung auf, ritt die Linie entlang, um zu sehen, ob alle ordentlich aneinander gebunden waren, und gab dann Befehl zum Aufbruch. Bald schritten wir auf grünen Matten dahin, der Wald mit seinen beschwerlichen Pfaden lag hinter uns, und unser Gipfel – der Gipfel des Riffelbergs – ragte weithin sichtbar in die Luft.

Auf dem Saumpfad, der sich im Zickzack bald nach rechts, bald nach links in die Höhe schlängelte, stiegen die Touristen in ununterbrochener Reihe hinauf und herab. Sie engten uns ein und fielen uns sehr lästig; Gesellschaften, die an einander gebunden waren, bemerkte ich nicht unter ihnen. An manchen Stellen war der Weg kaum zwei Meter breit und fiel an den Seiten mehrere Fuß tief steil ab, so daß wir mit der äußersten Vorsicht aufwärts klimmen mußten. Ich sprach meinen Leuten fortwährend Mut ein, damit sie sich nicht unmännlicher Furcht überließen.

Wir hätten den Gipfel wohl noch vor einbrechender Nacht erreicht, wäre nicht wegen eines verlorenen Regenschirmes Aufenthalt entstanden. Bei meinem Vorschlag, den Regenschirm aufzugeben, entstand ein allgemeines Murren. Die Leute hatten eigentlich recht, – in unserer ausgesetzten Lage konnten wir einen Schutz gegen Lawinen jetzt weniger denn je entbehren! So bezogen wir denn unser Lager und ich sandte eine Abteilung aus, um den verlorenen Gegenstand zu suchen.

Wie harte Arbeit uns auch der nächste Morgen noch brachte, so schwand uns doch der Mut nicht wieder im Angesicht des nahen Zieles! Gegen Mittag war endlich das letzte Hindernis überwunden und der Gipfel erklommen. –

Die große That war gethan, – was für unmöglich galt, war zur Thatsache geworden, und außer dem Maulesel, der das Nitroglycerin verschlungen, hatten wir bei dem ganzen Unternehmen keinen Mann verloren! Harris und ich schritten stolz in den großen Speisesaal des Riffelberghotels, wo wir unsere Alpenstöcke an die Wand lehnten.

Ja, die Bergbesteigung war vollendet – aber im Gesellschaftsanzug hätte ich sie doch nicht unternehmen sollen! Unsere Frackschöße flatterten in Fetzen herab, die hohen Hüte hatten viele Knicke und der Schmutz, mit dem wir von oben bis unten bespritzt waren, trug nicht dazu bei, unsere Erscheinung wohlgefälliger zu machen.

Der freudige Willkommen, den uns die fünfundsiebzig Touristen im Hotel entgegenbrachten – es befanden sich eine Menge Damen und kleine Kinder darunter – entschädigte uns reichlich für alle ausgestandenen Leiden und Entbehrungen. Jetzt trägt ein steinernes Denkmal die Jahreszahl der Bergbesteigung, sowie die Namen der Teilnehmer, zur Erinnerung für alle Touristen späterer Zeiten.

Noch höher als das Hotel erhebt sich der Gorner Grat, ein Felskamm, der in schwindelnder Höhe über einem gewaltigen Gletscher hängt. Der Aufstieg ist nicht ohne Gefahr, aber ich beschloß, ihn doch zu wagen!

Unter Aufsicht zweier Oberkellner ließ ich von meinen Leuten den ganzen Weg entlang Stufen in den Felsboden hauen; auf diesen klomm ich dann, an die Führer gebunden, zu der Höhe empor. Ein zweites Denkmal verewigt mein tollkühnes Wagnis.

Meine Aussicht auf den Monte-Rosa und die ganze übrige Alpenwelt war wunderbar schön. Die großartigste Rundsicht eröffnete sich meinen Blicken und zahllose Gletscher und Schneeberge türmten ihre Häupter übereinander, als hätten dort Riesen ihre Zelte aufgeschlagen. Stolz und einsam ragte nur der mächtige Felszahn des Matterhorns empor. Die steilabfallenden Seiten waren mit Schnee bedeckt und der Gipfel in dichte Wolken gehüllt, die sich dann und wann verzogen, so daß die dunkle Masse wie durch einen dünnen Schleier hindurchschimmerte. Bald darauf veränderte sich das Schauspiel und das Matterhorn sah einem Vulkan nicht unähnlich; die ganze Spitze trat klar hervor und ungeheure Massen weißen Gewölks schienen langsam herauszuquellen und sich kräuselnd in schräger Richtung nach der Sonne emporzuwälzen, wie Berge von Dampf und Dunst, die aus einem Krater aufsteigen. Kurz nachher erschien die eine Seite des Felskegels unverhüllt und auf der andern zogen dunkle Rauchwolken um die scharfen Felskanten herum, wie der Qualm aus einem brennenden Gebäude. Das Matterhorn versteht sich auf die Wirkung von Licht und Farben, und versucht fortwährend bald diese bald jene malerische Zusammenstellung. Bei Sonnenuntergang scheint es aus dem Dunkel, das die ganze niedere Welt einhüllt, wie ein feuriger Finger gen Himmel zu deuten. Bei Sonnenaufgang – ja, da soll es wunderschön sein, wie ich mir habe sagen lassen.

Es ist erwiesen, daß man auf keinem zugänglichen Punkt der Gletscherwelt eine solche Fülle von riesigen Bergformen und schneebedeckten Alpenspitzen zu sehen bekommt, wie vom Gipfel des Riffelbergs aus. Nachdem ich nun gezeigt habe, daß man bei gehöriger Seelenstärke und verständiger Umsicht an dieses Ziel gelangen kann, ist es Sache der Touristen, sich an einander zu binden und die Bergbesteigung zu wagen. –

  1. Die Kronik dieses Bergriesen erzählt von vielen traurigen Katastrophen, denen Touristen zum Opfer gefallen. Die bekannteste ist der Absturz einer aus vier Engländern (der obengenannte Whymper, Lord Douglas, Hudson und Hadow) bestehenden Gesellschaft, welche mit den Führern Croz, Taugwalder (Vater und Sohn) und Javelle 1865 eine Besteigung des Matterhorns unternahmen. Das Seil, mit welchem die acht Personen unter einander verbunden waren, riß und drei Engländer sowie der Führer Croz stürzten 1200 Meter tief hinab auf den Matterhorngletscher, während nur Whymper und drei Führer sich auf dem Grat festhielten. Im Jahre 1881 stürzte der Amerikaner Mosley ab, der sich bei der sogenannten ›Schulter‹ des Seiles entledigte. 1886 starb der Engländer Burkardt, der bei der ›Schulter‹ von einem Schneesturm überrascht wurde, vor Kälte.