Berliner Eindrücke

Berliner Eindrücke

Berlin hat mich im höchsten Grade überrascht. Keine Beschreibung, die ich früher in Büchern gelesen habe, trifft mehr zu. Das Berlin, wie es im vorigen Jahrhundert und noch in der ersten Hälfte des jetzigen war, die schmutzige, einförmige, häßliche Stadt, ist wie vom Erdboden verschwunden. Nur der Grund auf dem sie stand hat noch eine Geschichte und alte Überlieferungen, – Berlin selbst ist ganz neu, die neueste Stadt, die mir jemals vorgekommen ist.

Sogar Chicago würde altersgrau daneben aussehen. Im übrigen gleichen sich diese beiden Städte, was die flache Umgebung, das rasche Wachstum und die Einwohnerzahl betrifft. Mit Bestimmtheit behaupten kann ich das freilich nicht, da ich nicht weiß, wie viele Einwohner Chicago heute hat, vorletzte Woche waren es etwa anderthalb Millionen. Auch wegen der vielen geraden Straßen und der ungeheuern Raumverschwendung kann man Berlin das europäische Chicago nennen; die Straßen sind fast durchgängig so breit angelegt, wie ich es noch in keiner Stadt irgend eines andern Landes gefunden habe. ›Unter den Linden‹ sind drei Straßen in einer; die Potsdamerstraße ist auf beiden Seiten von Bürgersteigen eingefaßt, die breiter sind als die berühmten Hauptstraßen der größten Städte Europas; auch hat Berlin einen Park von ungewöhnlicher Ausdehnung.

Für die Bauordnung bestehen die sonderbarsten Vorschriften. Die Stadt ist aus lauter Steinriesen aufgetürmt, man darf in Berlin keine unsichern und unansehnlichen Häuser bauen, und so sind denn diese auffallend schönen und großartigen Gebäude entstanden, die weder mit Einsturz drohen, noch bei der geringsten Feuersbrunst ein Raub der Flammen werden. Nie Baukommissäre nehmen ihre Besichtigung während des Baues vor; man hat gefunden, daß dies besser ist, als zu warten, bis das fertige Haus wieder einfällt. Bricht ein Brand aus, so herrscht dabei die größte Ordnung und Ruhe, die uniformierte Feuerwehr marschiert in Reih und Glied, so ernst und gemessen in Miene und Haltung, als ginge es zu einem Begräbnis, man glaubt die Heilsarmee einherkommen zu sehen, in tiefer Zerknirschung über ihre Sünden. Da das Feuer sich in den steinernen Gebäuden immer nur auf ein Stockwerk beschränkt, brauchen die übrigen Bewohner des Hauses sich nicht weiter darum zu kümmern.

Allabendlich findet eine wahrhaft verschwenderische Beleuchtung mit Gas und elektrischem Licht statt, Berlin bietet daher zur Nachtzeit einen entzückenden Anblick. Überall hat man eine Doppelreihe glänzender Lichter vor sich, die nach allen Seiten in gerader Linie weit in die Nacht hinaus läuft. Die dazwischen liegenden Plätze leuchten im Strahlenglanz, und zahllose Droschkenlaternen schießen wimmelnd in allen Richtungen hin und her, wie Schwärme von Leuchtkäfern an einem Sommerabend.

In keiner Stadt wird wohl so viel regiert wie in Berlin, aber ich wüßte auch keine die besser regiert wäre. Methode und System machen sich allenthalben geltend, in großen wie in kleinen Dingen und selbst bei den geringfügigsten Einzelheiten. Die Verordnungen stehen aber nicht etwa bloß auf dem Papier, so daß es dabei sein Bewenden hat, nein, sie treten wirklich in Kraft und werden bei Armen und Reichen ohne Gunst und Ungunst auf gleiche Weise durchgeführt. Der mühevolle, emsige Fleiß, die Ausdauer und Pflichttreue, welche die Behörde bei jeder Gelegenheit entfaltet, erregt Bewunderung – zuweilen auch Leidwesen. Das Erstaunlichste, was ich diesseits des Ozeans gefunden habe, ist die höfliche, unerschütterliche, verfluchte Beharrlichkeit, mit welcher die Polizei ihren Willen durchsetzt und die Ordnung aufrecht erhält. Sie duldet keine Ansammlung von Menschen, weil daraus Ungehörigkeiten entstehen könnten; ja, träte plötzlich ein Erdbeben ein, so würde es die Berliner Polizei beaufsichtigen und ordnungsmäßig zu Ende führen.

Die Straßen werden sehr rein gehalten, aber nicht, wie es in New-York Sitte ist, mit schönen Worten und frommen Reden, sondern durch tägliche und stündliche Arbeit mit Kratzbürste und Besen. Kurz, man hat den Eindruck, daß hier eine Stadtverwaltung am Ruder ist, die vor keinen Kosten zurückscheut, wo die öffentliche Bequemlichkeit, Behaglichkeit und Gesundheit in Betracht kommt.

Nur eine Ausnahme muß ich erwähnen; das ist die Benennung der Straßen und die Nummerierung der Häuser. Zuweilen ändert sich der Straßennamen mitten in der Häuserreihe; man merkt dies erst bei der nächsten Ecke und weiß natürlich nicht, wo der Wechsel angefangen hat. In betreff der Hausnummern herrscht ein Chaos wie vor Erschaffung der Welt. Unmöglich kann die weise Berliner Stadtregierung eine derartige Einrichtung getroffen haben. Sie ist eines Blödsinnigen würdig; allein, so mannigfaltige Arten Verwirrung und Unheil anzurichten, wäre ein Blödsinniger nicht imstande sich auszudenken. Oft dient eine Nummer für drei bis vier Häuser, und doch steht sie nur auf einem derselben; dann wieder wird ein Haus z. B. mit Nummer 4 bezeichnet und die folgenden mit 4a, 4h, 4e, so daß man alt und schwach geworden ist, bis man bei Nummer 5 anlangt. Die Folge dieses systemlosen Systems ist die, daß man bei Nr. 1 keine Ahnung hat, ob Nr. 150 ein paar Meilen oder hundert Schritte weit sein mag. Obendrein steigen oder fallen die Zahlen ganz willkürlich; von 50 oder 60 gelangt man vielleicht plötzlich zu 140, 139 u. s. w. und nur ein Pfeil giebt durch seinen Flug die veränderte Richtung an. Es ist um den Verstand zu verlieren, und bis hier nicht Abhilfe geschafft wird, muß man auf das Schlimmste gefaßt sein.

Als ich in Berlin war, fand eine Feier zu Ehren der berühmten Gelehrten Virchow und Helmholtz statt, welche beide fast zu gleicher Zeit ihr siebzigstes Lebensjahr erreichten. Schon seit Wochen war eine Deputation nach der andern eingetroffen, um den beiden Geistesheroen Glückwünsche, Ehrungen und Huldigungen aus allen Orten und Enden der Welt darzubringen. Die fernsten Städte, die berühmtesten Hochschulen beteiligten sich an diesen Kundgebungen.

Den Schluß derselben bildete der große Studentenkommers, der in einem mit Fahnen und Standarten geschmückten, glänzend erleuchteten Riesensaal gehalten wurde. An jedem der zahllosen Tische, die den ganzen Raum erfüllten, hatten vierundzwanzig Personen Platz. Ich war hocherfreut, einen Sitz an der Mitteltafel zu erhalten, an welcher auch die beiden Helden des Abends saßen, obwohl ich durchaus nicht gelehrt genug bin, um eine derartige Ehre zu verdienen. Es bereitete mir ein seltsam angenehmes Gefühl, mich in solcher Gesellschaft zu befinden, mit dreiundzwanzig Männern zusammen zu sein, welche an einem Tage mehr vergessen, als ich je gewußt habe. In Verlegenheit geriet ich nicht; die Gelehrsamkeit steht dem Menschen selten im Gesicht geschrieben und ich konnte mit leichter Mühe Haltung und Gebärden der Herren so nachahmen, daß mich die Menge auch für einen Professor hielt.

In kurzer Zeit war der ganze Saal voll, es hieß, es seien gegen viertausend Personen anwesend; auch alle Zwischengänge waren dicht besetzt. An jeder Tafel stand ein Student im Wichs seiner Verbindung. Diese Trachten sind alle von reichem Stoff in glänzenden Farben und außerordentlich malerisch.

So weit mein Auge reichte, sahen alle die frischen, jugendlichen Gesichter nach einer Richtung hin; unverwandt hingen die Blicke sämtlicher Studenten an dem Platz, wo Virchow und Helmholtz saßen. Sie verschlangen die beiden Geistesriesen förmlich mit den Augen und die Verehrung der Herzen strahlte aus allen Mienen.

Mancher ausgezeichnete Gast war schon durch die Ehrengarde an seinen Platz geleitet worden, da erklangen noch einmal die drei Trompetenstöße und wieder fuhren die Rappiere aus den Scheiden. Vom fernen Eingang her blitzten die erhobenen Schläger – ›Mommsen!‹ ging es flüsternd durch die Reihen. Der ganze Saal erhob sich, rief, stampfte mit den Füßen, klatschte mit den Händen, rasselte mit den Biergläsern. Es war ein wirklicher Sturm. Dann drängte sich der kleine Mann mit dem langen Haar an uns vorbei und nahm seinen Sitz ein. Denkt euch meine Überraschung! Ich hatte ja nicht im Traum daran gedacht, daß ich den Mann leibhaftig vor mir haben würde, der die ganze römische Welt und alle Cäsaren in seinem lichtvollen Haupte trug. Meilenweit wäre ich gewandert, um ihn zu sehen, und hier saß er, ohne daß es mir die kleinste Mühe oder Reise oder sonst etwas gekostet hätte.

Die Musik spielte einen kriegerischen Marsch; es folgte der Toast auf den Kaiser, bei dessen Schluß alle Gläser auf einmal geleert und mit einem Schlage auf den Tisch gestoßen wurden. Es klang täuschend wie Donnergetöse. Mächtige Weisen ertönten, immer höher schwoll die Lust, die Schläger krachten, die Biergläser rasselten, die Begeisterung wuchs und ließ sich bald nicht mehr überbieten. Ich wenigstens fühlte mich außer stande, noch mehr darin zu leisten.

Die Feier des Abends schloß mit zwei von Studenten gehaltenen Reden und der Erwiderung von Virchow und Helmholtz.

Virchow ist seit langer Zeit Mitglied der Berliner Stadtverwaltung. Er arbeitet ebenso eifrig für das Wohl der Stadt wie jeder andere Stadtrat und für den nämlichen Sold: für nichts. Ich weiß nicht, ob wir in Amerika es unserm berühmtesten Mitbürger zumuten könnten, sich an der städtischen Verwaltung zu beteiligen und ob, falls wir es wagten, wir seine Wahl durchsetzen würden. Aber hier ist das Munizipalsystem so vorzüglich, daß die besten Männer es sich zur Ehre rechnen, unentgeltlich als Stadträte dienen zu dürfen und das Volk ist vernünftig genug, diese Männer zu bevorzugen und immer wieder zu wählen. Darum ist Berlin auch eine in jeder Beziehung gut und zweckmäßig verwaltete Stadt.

Eine schlaflose Nacht

Eine schlaflose Nacht

Auf unserer Neckarreise in Heilbronn angekommen, stiegen wir in der nämlichen Herberge ab, wo vor drei- bis vierhundert Jahren der alte Haudegen, Götz von Berlichingen, nach seiner Befreiung aus der Gefangenschaft im Turm, gewohnt hat. Wir, mein Reisegefährte Harris und ich, wurden sogar in dem Zimmer des tapfern Ritters einquartiert. Reste der damaligen Tapeten klebten noch an den Wänden, die vierhundertjährigen Möbel waren mit wunderlich verschnörkeltem Schnitzwerk bedeckt, und einige Gerüche in dem Zimmer mochten wohl tausendjährig sein. Der Wirt zeigte uns auch den Haken in der Mauer, an dem der grimme alte Götz beim Zubettgehen seine eiserne Hand aufzuhängen pflegte. –

Nach einem Abendspaziergang durch die altertümliche Stadt begaben wir uns früh zur Ruhe, da wir bei Tagesanbruch unsere Wanderung fortsetzen wollten.

Ich wälzte mich im Bett umher, während Harris sofort eingeschlafen war. Daß es geradezu eine Unverschämtheit ist, wenn jemand gleich einschläft, ist vielleicht zu viel gesagt, aber rücksichtslos ist es gewiß. Ich lag brütend über dieser Unbill wach und bemühte mich vergebens, in Schlaf zu kommen. Ohne jegliche Ansprache fühlte ich mich anfangs im Dunkeln sehr einsam und verlassen; bald begannen jedoch tausenderlei Gedanken mir durch den Kopf zu schwirren, von denen einer den andern in rasender Eile verdrängte. Nach Verlauf einer Stunde war ich von dieser Gedankenjagd ganz schwindelig und fühlte mich todmüde und abgehetzt.

Meine Ermüdung war so groß, daß sie momentan über meine nervöse Erregung siegte; denn, während ich mir einbildete, völlig wach zu sein, mußte ich dennoch vorübergehend, auf Augenblicke, der Bewußtlosigkeit verfallen sein. Ich bemerkte dies, indem ich wiederholt durch das Gefühl, rücklings in einen Abgrund zu sinken, jählings aufgeschreckt wurde. Dies wiederholte sich sechs bis achtmal, worauf die Bewußtlosigkeit das Übergewicht über meinen Geist soweit bekam, daß ich in einen Schlummer verfiel, der tiefer und tiefer wurde und sich gewiß zum solidesten und genußreichsten Schlaf entwickelt hätte, wenn – – doch, was war das? Ich rief alle meine Lebensgeister wieder wach und begann zu lauschen: Mir war’s, als ob ich aus unermeßlicher Ferne einen Ton vernähme, der näher kam, – war es das Heulen des Sturms? – jetzt wurde es deutlicher – war es das Knarren und Raspeln irgend einer Maschine? Nun klang es noch vernehmlicher – war es der gemessene Tritt eines heranziehenden Heeres? Immer kleiner wurde die Entfernung, und jetzt war es mitten im Zimmer: – es war nur eine Maus, die am Holzwerk nagte. Und um solcher Kleinigkeit willen hatte ich die ganze Zeit über den Atem angehalten! –

So ärgerlich mir das war, es ließ sich nicht mehr ändern, – aber nun wollte ich auch gleich einschlafen, um die verlorene Zeit wieder einzubringen. Das war jedoch leichter gedacht als gethan. Ohne es zu wissen und zu wollen, begann ich auf das Geräusch zu horchen, das die Maus mit ihren Nagezähnen machte, und bald verursachte mir diese Beschäftigung die gräßlichsten Qualen. Wäre nur das Tier wenigstens bei seiner Arbeit geblieben! – aber es setzte von Zeit zu Zeit aus, und ich wartete und lauschte gespannt, bis es anfing weiter zu nagen – ein unerträglicher Zustand!

Wer mir die Maus umbrächte, dem setzte ich innerlich Zur Belohnung zuerst 5,6, 7 – 10 Dollars aus und verstieg mich endlich zu Summen, die weit über meine Mittel gingen! Ich klappte das Ohrläppchen über das Ohr und preßte die Hände dagegen, ich steckte die Finger hinein – alles vergebens! – durch die Hindernisse hindurch schien ich nur noch schärfer zu hören.

In rasender Wut griff ich zuletzt zu dem Auskunftsmittel, auf das von Adam her schon jeder Mensch verfallen ist – ich beschloß einen Wurf zu wagen! Ich griff nach meinen Wanderschuhen und erhob mich im Bette, um zu horchen, von wo das Geräusch herkäme. Ich konnte es aber nicht herausbringen; die Stelle, woher das Geräusch kam, war so undefinierbar wie bei einer im Grase zirpenden Grille. So schleuderte ich denn meinen Schuh mit kräftiger Hand auf gut Glück hinaus. Er schlug gerade über Harris Kopf an die Wand und fiel auf ihn herunter, – ich war erstaunt, daß ich so weit werfen konnte, denn das Bett stand am entgegengesetzten Ende des großen Zimmers.

Harris wachte auf und das freute mich; da er aber nicht ärgerlich wurde, that es mir wieder leid. Er blieb nicht lange wach und das war gut; aber nun begann die Maus von neuem, was mich ganz in Harnisch brachte. Ich wollte Harris nicht noch einmal wecken, da aber das Nagen fortdauerte, konnte ich es nicht mehr aushalten und benutzte den zweiten Schuh als Wurfgeschoß. Diesmal flog er gegen den Spiegel – es waren zwei im Zimmer, natürlich zerbrach der größere. Harris erwachte abermals, ließ aber keinen Laut der Klage hören, was mir sehr leid that. Ich beschloß, lieber alle Qualen zu erdulden, als ihn zum drittenmal im Schlaf zu stören.

Schließlich zog sich die Maus vom Schauplatz zurück und ich war im Begriff einzuschlummern, als ich eine Uhr schlagen hörte. Ich zählte die Schläge und wollte mich eben wieder aufs Ohr legen, da schlug die zweite Uhr, und während ich zählte, begannen die beiden großen Engel an der Rathausuhr auf ihren Posaunen wunderbar melodische reiche und volle Töne zu blasen. Etwas so überirdisch Zartes und Geheimnisvolles hatte ich nie gehört! Als sie dann aber auch die Viertelstunden bliesen, dachte ich, das sei des Guten zu viel. Kaum schlummerte ich einen Moment, so weckte mich ein neuer Lärm und beim jedesmaligen Erwachen vermißte ich mein Deckbett und mußte es erst vom Boden aufheben, wie das bei den schmalen deutschen Betten nicht gut anders möglich ist.

Kein Wunder, daß sich meine Schläfrigkeit endlich ganz verlor, und ich zu der Überzeugung kam, daß in dieser Nacht an Schlaf für mich nicht mehr zu denken war. Dabei schüttelte ich mich wie im Fieber und litt den brennendsten Durst. – So ging es wirklich nicht länger; ich beschloß aufzustehen, mich anzuziehen, am Brunnen auf dem großen Platz Kühlung zu suchen und meinen Durst zu löschen. Dann wollte ich bei einer Zigarre im Freien den Morgen erwarten.

Ich konnte mich sehr gut im Dunkeln ankleiden, ohne Harris zu wecken; meine Schuhe hatte ich zwar nach der Maus geschleudert, aber für die Sommernacht genügten auch die Pantoffeln. Leise stand ich auf und kam allmählich in die Kleider; nur eine Socke war verloren gegangen, – ich konnte sie nirgends entdecken, und doch mußte ich sie haben.

Ich kniete nieder, und den einen Pantoffel am Fuß, den andern in der Hand, suchte ich nun rund auf dem Boden umher; – vergebens. Ich suchte weiter und weiter, indem ich fortrutschte. Dabei krachten die Dielen und so oft ich an einen Gegenstand stieß, entstand ein Lärm, zehnfach größer, als er bei Tage gewesen wäre. Ich wartete jedesmal erst mit angehaltenem Atem, um mich zu überzeugen, daß Harris weiter schlief, ehe ich vorwärts kroch. Trotz alles Suchens fand ich die Socke nicht, sondern stieß nur von einem Möbel ans andere. War das Zimmer wirklich so reich möbliert gewesen, als ich zu Bette ging, oder waren vielleicht seitdem einige Familien eingezogen? Überall standen mir Stühle im Wege, und statt sie im Vorbeikriechen nur zu streifen, stieß ich jedesmal mit dem Kopf dagegen.

Langsam aber sicher begann mir die Geduld zu reißen, und ich glaube wirklich, daß ich von Zeit zu Zeit einen leisen Fluch ausstieß, um mir das Herz zu erleichtern. Endlich schwur ich im höchsten Zorn, ohne die Socke auszugehen, stand auf und schritt, wie ich meinte, geradeswegs zur Thüre – statt dessen starrte mir plötzlich mein gespenstisches Ebenbild aus dem unzerbrochenen Spiegel entgegen. Ich schrak zusammen, und erkannte zugleich, daß ich verirrt sei und die Richtung gänzlich verloren habe. Ich geriet darüber in einen solchen Zorn, daß ich mich auf den Boden setzen und etwas packen mußte, um einen fürchterlichen Ausbruch explodierender Leidenschaft hintanzuhalten.

Wenn im Zimmer nur ein Spiegel gewesen wäre, so hätte ich mich daran vielleicht zurechtfinden können; aber es waren zwei da und zwei waren ebenso schlimm wie hundert; abgesehen davon, daß die beiden sich an den entgegengesetzten Enden des Zimmers befanden. Ich konnte an einem schwachen Schimmer die Fenster erkennen, aber da ich dieselben in meiner Verdrehtheit ganz wo anders vermutete, so wurde ich nur um so verwirrter.

Beim Aufstehen stieß ich einen Regenschirm um; der Fall auf den harten teppichlosen Boden klang wie ein Pistolenschuß. Ich hielt den Atem an und biß auf die Lippen – Harris rührte sich nicht. Ich versuchte mehreremale den Regenschirm an die Wand zu stellen, – aber plums, lag er jedesmal wieder unten, sobald ich die Hand losließ.

Ich bin von guter Erziehung, aber wäre es nicht so schwarz, feierlich und unheimlich in dem riesigen Zimmer gewesen, so würde ich – glaube ich – etwas gesagt haben, das man nicht in ein Sonntagsschulbuch hätte setzen dürfen, ohne den Absatz desselben zu schädigen. Wären meine Verstandeskräfte nicht bereits durch die ausgestandenen Qualen erschöpft gewesen, so hätte ich etwas Gescheiteres gethan. als zu versuchen, einen Regenschirm bei Nacht auf einen gewichsten deutschen Stubenboden zu stellen. Das eine tröstete mich noch – Harris rührte sich nicht.

Der Regenschirm konnte mich auch nicht orientieren, da mehrere ganz gleiche herumstanden. So tastete ich mich denn an der Wand hin, um zur Thüre zu gelangen. Dabei stieß ich ein Bild herunter – kein großes, aber es machte einen Höllenlärm! – Harris rührte sich nicht, wenn ich aber noch mehr Angriffe auf Bilder ausführte, mußte er sicherlich wach werden. Ich beschloß mein Vorhaben aufzugeben und statt nach dem Ausweg zu suchen, zu dem Tisch in der Mitte zurückzukehren, mit dem ich schon mehrmals zusammengestoßen war. Von dort wollte ich dann eine Entdeckungsreise nach meinem Bett antreten; hatte ich das erst gefunden, so war der Wasserkrug nicht weit, ich konnte meinen verzehrenden Durst löschen und mich wieder hinlegen. Ich kroch auf allen Vieren, weil das schneller ging und ich dabei weniger umzuwerfen hoffte. Bald fand ich den Tisch – das heißt, ich stieß mit dem Kopf dagegen – rieb mir die Beule etwas, richtete mich in die Höhe, streckte die Hände aus und tastete umher, bis ich an einen Stuhl kam; dann berührte ich die Wand, wieder einen Stuhl, dann ein Sofa, einen Alpenstock und wieder ein Sofa. Das brachte mich in Verwirrung – es war doch nur ein Sofa im Zimmer gewesen! Ich suchte abermals den Tisch auf, begann meine Wallfahrt von neuem und fand mehrere Stühle.

Nun erst fiel mir ein, woran ich schon längst hätte denken sollen, daß der große Tisch ja so rund war wie der vom König Artus und seiner Tafelrunde, mir also in Bezug auf die Richtung durchaus nicht behilflich sein konnte. So wanderte ich denn aufs Geratewohl durch unbekannte Regionen, bis ich einen Leuchter vom Kaminsims stieß; ich wollte den Leuchter festhalten und brachte eine Lampe zum Fallen; ich wollte die Lampe halten und stieß den Wasserkrug um, der krachend zu Boden stürzte, während ich zu mir sagte: »So, habe ich dich endlich; ich wußte wohl, du könntest nicht weit sein!«

Gleich darauf schrie Harris: »Räuber, Diebe, – das Wasser geht, mir bis an den Hals!« Er war ganz außer sich.

Auf den Krach hin wurde das ganze Haus lebendig. Mit Lichtern und im Nachtgewand stürzten die Gäste von allen Seiten ins Zimmer, auch der Wirt und die Dienstmagd drängten sich mit herein.

Ich stand vor Harris‘ Bett, eine Meile von dem meinigen entfernt. Das Zimmer hatte nur ein einziges Sofa, das an der Wand stand, und einen einzigen Stuhl, der frei umherstand, und – um diesen hatte ich mich die halbe Nacht herumgedreht, wie ein Planet um die Sonne und war auf meiner Kometenbahn nur allzuoft mit ihm zusammengestoßen.

Meine Thaten in der schlaflosen Nacht waren bald erzählt; Wirt und Gäste zogen sich hierauf wieder in ihre Gemächer zurück, während wir unsere Vorbereitungen zum Frühstück trafen, da der Morgen schon zu dämmern anfing. Wie ich einen verstohlenen Blick auf meine Schrittuhr warf, fand ich, daß ich fünfzehn Kilometer zurückgelegt hatte, was mich indessen nicht verdroß, da ich ja zum Zweck einer Fußwanderung die Reise unternommen hatte.

Als der Wirt am andern Tage erfuhr, daß wir auf einer Fußtour durch Europa begriffen seien, behandelte er uns sehr rücksichtsvoll. Er ließ sich die Sachen, die ich während der Nacht zerschlagen hatte, nur zum Selbstkostenpreis bezahlen, stärkte uns reichlich mit Speise und Trank, und um uns zum Abschied die größte Ehre zu erweisen, ließ er uns mit Götz von Berlichingens Pferd und Wagen zum Thor, von Heilbronn hinausfahren.

Die Besteigung des Riffelbergs

Die Besteigung des Riffelbergs

Kaum war ich auf meiner Schweizerreise in Zermatt angelangt, so benützte ich gleich den ersten Abend, um mich gründlich darüber zu unterrichten, wie man Alpenbesteigungen am besten bewerkstelligt.

Ich las alles darauf bezügliche in den Büchern, die ich auftreiben konnte, und darin u. a. folgende Ratschläge:

Man schafft sich vor allem feste, mit spitzigen Nägeln beschlagene Schuhe an und einen Alpenstock, der vom dauerhaftesten Holze sein muß, denn, wenn er bricht, kann man leicht ums Leben kommen. Man muß eine Axt mit sich führen, um Stufen in das Eis zu hacken und eine Leiter, die über die unwegsamsten Felsen forthilft. Mancher Tourist ist schon stundenlang nach einem Übergang umhergeirrt, bloß weil er sich nicht mit einer Leiter versehen hatte. Ein dickes Seil von 150-500 Fuß Länge ist ganz unumgänglich nötig, um sich an steilen und schlüpferigen Abhängen hinunterzulassen. Sehr nützlich ist auch ein starker, stählerner Haken zum Erklimmen derjenigen Felswände, für welche die Leiter zu kurz ist. Der Tourist wirft den an einem Seil befestigten Haken wie einen Lasso in die Höhe, bis derselbe an einer Felsenspitze hängen bleibt, dann arbeitet er sich mit Händen und Füßen an dem Seil hinauf. Hierbei darf er aber dem Gedanken nicht Raum geben, daß – sollte der Haken nicht halten – er selbst ins Fallen geraten und zuletzt in einer Gegend der Schweiz auf den Boden kommen würde, wo kein Mensch ihn erwartet. Mit einem dritten Seil, – und das ist die Hauptsache – müssen sich alle Bergsteiger an einander binden, damit, wenn einer aus der Gesellschaft in einen Abgrund oder eine Gletscherspalte hinabstürzt, die andern sich entgegen stemmen und ihn am Seil wieder heraufziehen können. Ferner braucht man einen Gazeschleier, um das Gesicht vor Schnee, Graupeln, Hagel und Wind zu schützen, und eine blaue Reisebrille, um nicht schneeblind zu werden. Endlich braucht man noch Träger, die mit Mundvorrat und Wein beladen werden, sowie mit wissenschaftlichen Instrumenten und wollenen Decken.

Zum Schluß meiner Studien las ich noch den Bericht über das entsetzliche Abenteuer, das Herrn Whymper einmal auf dem Matterhorn zugestoßen ist, als er allein 5000 Fuß über der Stadt Breil herumkletterte. Er suchte seinen Weg an einem Abhang gefrorenen Schnees. Derselbe war ein paar hundert Fuß lang und lief zunächst in eine Spalte aus, an deren Ende ein Abgrund von 800 Fuß Tiefe gähnte, gerade oberhalb eines Gletschers. Sein Fuß glitt aus und er stürzte hinab. Hören wir ihn selbst: »Wegen meines Tornisters fiel ich mit dem Kopf zu unterst und schlug zunächst etwa 12 Fuß tiefer auf Felsengestein; ich prallte wieder ab und nun ging’s Hals über Kopf dem Abgrund zu. Der Alpenstock flog mir aus der Hand und immer mächtigere Sätze beförderten mich hinab, bald über Eis, bald über Gestein, wobei ich meinen Kopf vier- bis fünfmal mit stets verstärkter Gewalt aufschlug. Beim letzten Sprung flog ich 50-60 Fuß weit wie ein Kreisel durch die Luft und quer über die Spalte. Glücklicherweise schlug ich mit der ganzen linken Seite des Körpers am Rande derselben auf. Mein Kopf lag zum Glück oben und nach ein paar krampfhaften Griffen mit den Händen fand ich just über dem Abgrund einen Anhalt. Alpenstock, Hut und Schleier wirbelten an mir vorbei und verschwanden, und das Krachen, mit dem die durch meinen Fall losgebröckelten Steine auf die Gletscher fielen, sagte mir vernehmlich, mit wie knapper Not ich dem Geschick entronnen war, in der fürchterlichen Tiefe zerschmettert zu werden. In sieben bis acht Absätzen war ich beinahe 200 Fuß hinabgestürzt, und weitere zehn Fuß würden mich in einem Riesensprung bis zu dem Gletscher hinunter befördert haben.

Meine Lage war auch jetzt keineswegs gefahrlos, da ich den Felsen nicht einen Augenblick loslassen durfte und mir das Blut aus zwanzig offenen Wunden floß. Die schlimmsten am Kopfe versuchte ich zwar mit der einen Hand zu schließen, während ich mich mit der andern festhielt, aber bei jedem Pulsschlag schoß ein neuer Blutstrahl hervor. Plötzlich kam mir ein glücklicher Einfall – ich nahm einen großen Klumpen Schnee und legte ihn mir als Pflaster auf den Kopf. Das Blut hörte allmählich auf zu fließen. Nun arbeitete ich mich höher am Felsen hinauf und es gelang mir noch, eine gesicherte Stelle zu erreichen – dann verließen mich die Sinne!

Als ich wieder zum Bewußtsein erwachte, nahte sich die Sonne schon dem Untergang, und es war stockfinster, ehe ich die ›Riesenleiter‹ hinabgestiegen war. Glück und Behutsamkeit im Vereine halfen mir die 4700 Fuß bis nach Breil hinab, ohne daß ich auch nur ein einzigesmal ausglitt oder die Richtung verlor.«

Nach diesem Abenteuer mußte Whymper seiner Wunden wegen mehrere Tage lang das Bett hüten; kaum war er aber wieder aufgestanden, so erklomm er denselben Berg noch einmal. Ein richtiger Alpenbesteiger thut es nicht anders; er kann nicht genug Abenteuer bestehen!

Dieser und ähnliche Berichte von unglaublichen Gefahren, Abenteuern und Triumphen unserer Alpenbesteiger hatten mich in die größte Aufregung versetzt. Ich war ganz entzückt und berauscht davon. Nachdem ich eine Weile schweigend dagesessen, fuhr ich plötzlich in die Höhe und rief aus:

»Mein Entschluß steht fest!«

Der Ton dieser Worte fiel meinem Reisebegleiter Harris auf; er blickte mich an; und als er sah, was in meinen Augen geschrieben stand, wurde er sichtlich bleich und stammelte: »Rede!« – worauf ich mit erkünstelter Ruhe erwiderte: »Ich will den Riffelberg ersteigen!« – Mein armer Freund fiel vor Schreck jählings vom Stuhl, als hätte ich ihn totgeschossen. Er beschwor mich, meine Absicht aufzugeben, – inniger kann kein Sohn seinen Vater bitten, – ich aber blieb taub gegen sein Flehen. Als er endlich sah, daß mein Entschluß unerschütterlich war, gab er sein Drängen auf, und nur das bitterliche Schluchzen, das sich seiner Brust entrang, unterbrach eine Zeitlang unser tiefes Schweigen. Unbeweglich wie ein Marmorbild saß ich da und starrte ins Leere. – Im Geiste kämpfte ich schon mit allen Gefahren des wilden Gebirges, während mein Freund mit von Thränen umflorten Augen voll staunender Bewunderung nach mir hinblickte. Endlich fiel er mir gerührt um den Hals und rief mit überströmendem Gefühl: »Dein Harris wird dich nie verlassen, laß uns zusammen sterben!« – Laut pries ich hierauf die standhafte Treue meines Freundes und am Ende hatte er bald alle Furcht vergessen und brannte vor Begierde, sich in das Abenteuer zu stürzen. Er wollte sogleich die Führer zum Aufbruch um 2 Uhr morgens bestellen; ich aber machte ihm klar, daß wir ja um diese Zeit keine Zuschauer haben würden und daß der Aufbruch bei Nacht in der Regel nicht im Dorfe stattfindet, sondern erst nach dem ersten Nachtquartier im Gebirge. Ich sagte ihm, wir wollten Zermatt am nächsten Tage zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags verlassen; bis dahin hätten wir Zeit, mit den Führern alles zu besprechen und die Aufmerksamkeit des Publikums auf unser Unternehmen zu lenken. Dann ging ich zu Bett, aber ohne Ruhe zu finden! Wer eine dieser großen Alpenbesteigungen vorhat, kann niemals schlafen, und so warf ich mich denn wie im Fieber die ganze Nacht auf meinem Lager hin und her. Ich war daher herzlich froh, als ich die Uhr halb zwölf schlagen hörte. Es war hohe Zeit aufzustehen und sich zum Mittagessen anzukleiden. Ganz ermattet und wie zerschlagen trat ich um zwölf Uhr in den Speisesaal. Die große Nachricht mußte sich herumgesprochen haben, denn ich bildete bald den Mittelpunkt für die Neugier und das Interesse der Gäste. Es ist sehr schmeichelhaft, als Löwe des Tages zu gelten, – wenn man dabei seine Mahlzeit in Ruhe verzehren könnte!

Wie es in Zermatt üblich, wenn eine große Besteigung von dort aus unternommen wird, lassen Einheimische und Fremde ihre eigenen Pläne für den Augenblick fallen, um von einem guten Platz aus den Aufbruch der Expedition beobachten zu können. Dieselbe bestand aus 198 Personen mit Einschluß der Maulesel, und aus 205 mit Einschluß der Kühe. Es wurde 4 Uhr nachmittags, bis der ganze Zug in Ordnung war und sich in Bewegung setzen konnte, dann bot er aber auch das großartigste Schauspiel, das Zermatt je gesehen.

Ich befahl dem ersten Führer, Menschen und Tiere hintereinander in Zwischenräumen von zwölf Fuß in einer Reihe aufzustellen und sie alle zusammen durch ein starkes Seil zu verbinden. Seine Einwendung, daß die zwei ersten Meilen des Weges ganz eben seien und man das Seil nur an gefährlichen Stellen brauche, ließ mich kalt; denn meine Bücher hatten mich gelehrt, daß viele der schlimmsten Unfälle in den Alpen nur aus dem Umstand entspringen, daß sich die Leute nicht rechtzeitig an einander binden. Durch meine Schuld sollte die Liste der Verunglückten nicht vergrößert werden.

Als der Zug nun fertig dastand, durch das Seil verknüpft und marschbereit, war der Anblick ganz prächtig!

Er nahm eine Länge von 3122 Fuß ein, – mehr als eine halbe Meile – außer mir und Harris waren alle zu Fuß; jeder trug einen grünen Schleier, eine blaue Brille, einen weißen Mullstreifen um den Hut, das zusammengewickelte Seil über der Schulter und die Eishacke im Gürtel. Die linke Hand umschloß den Alpenstock, die rechte den zugemachten Regenschirm, und hinten waren die Krücken aufgeschnallt; Edelweiß und Alpenrosen schmückten die Hörner der Kühe und das Gepäck auf dem Rücken der Lasttiere.

Wir nahmen den gefährlichsten Posten ein, ganz hinten, und jeder von uns war mit fünf Führern verbunden. Unsere Träger hatten sich mit unseren Eishacken, Alpenstöcken und der übrigen Ausrüstung beladen, während wir selbst auf unseren kleinen Eseln saßen. Wir hatten sehr kleine gewählt, damit wir, wenn Gefahr drohte, die Beine ausstrecken, uns auf den Boden stellen und den Esel unter uns weglaufen lassen konnten. Ich kann jedoch dieses Tier nicht empfehlen, wenigstens nicht zu derartigen Ausflügen, weil es einem mit seinen Ohren die Aussicht versperrt. Obgleich wir beide, ich und mein Begleiter, das vorschriftsmäßige Bergsteigerkostüm besaßen, hatten wir es doch zu Hause gelassen, und aus Hochachtung für die zahlreichen Touristen beiderlei Geschlechts, die uns abmarschieren sahen, sowie aus Rücksicht für alle diejenigen, welchen wir unterwegs begegnen könnten, Fräcke angezogen. Um ein viertel auf fünf Uhr gab ich den Befehl zum Abmarsch, und meine Untergebenen trugen ihn schnell die ganze Linie entlang. Da brach die Zuschauermenge, die vor dem Monte-Rosa-Hotel Spalier stand, in lautes Hurra aus, worauf ich zum Gegengruß kommandierte: ›Stillgestanden, – Achtung – Hoch!‹ – bei letzterem Wort flogen alle Regenschirme auf der ganzen halben Meile mit einemmale in die Höhe! – Es war ein herrliches Schauspiel, wie solches in den Alpen nie zuvor gesehen worden war, und eine vollständige Überraschung für die Zuschauer, die nun in einen wahren Beifallssturm ausbrachen. Ich ritt mit abgezogenem Hut an ihnen vorbei, um meinen Gefühlen Ausdruck zu geben; es auf andere Weise zu thun, war ich außer stande, da ich vor Rührung nicht sprechen konnte.

Wir tränkten die Karawane an dem kalten Strom, der am Ende des Dorfes durch eine Röhrenleitung floß, und ließen bald darauf die Stätten der Zivilisation hinter uns. Gegen halb sechs Uhr erreichten wir die Brücke, welche sich über den Bispfluß wölbt, und schickten zuerst eine Abteilung hinüber, um ihre Sicherheit zu prüfen, dann folgte die ganze Karawane ohne Unfall. Der Weg führte nun in allmählicher Steigung über grüne Matten bis zur Kirche von Winkelmatten. Ohne dieses Gebäude näher in Augenschein zu nehmen, machte ich eine Schwenkung nach rechts und überschritt die Brücke über den Findelenbach, nachdem ihre Tragfähigkeit untersucht worden war. Dann wendete ich mich abermals zur Rechten, und erreichte bald eine zweite Strecke Wiesenland, an dessen äußerstem Ende einige verfallene Hütten standen.

Der Platz war wie geschaffen zum Bivouakieren; wir schlugen daher unsere Zelte auf, speisten zu Abend und stellten die nötigen Wachen aus. Nachdem wir noch die Ereignisse des Tages verzeichnet hatten, legten wir uns schlafen. Um 2 Uhr morgens standen wir wieder auf und zogen uns bei Licht an, wobei uns recht frostig und unbehaglich zu Mute war. Nur wenige Sterne leuchteten am dunkeln Himmel und der große Kegel des Matterhorns war in schwarze Wolkenmassen gehüllt. Da unser Hauptführer fürchtete, daß wir Regen bekämen und zum Aufschub riet, warteten wir. Gegen neun Uhr brachen wir bei ziemlich klarem Wetter auf.

Der Weg führte nun zu schrecklich steilen Höhen hinauf, die dicht mit Lärchen- und Arvenbäumen bewaldet waren. Das Erdreich war vom Regen ganz aufgeweicht, auch lagen viele lose Steine umher. Die Gefahr und Unbequemlichkeit der Wanderung wurde überdies noch durch die zahlreichen Touristen vermehrt, die uns auf ihrem Rückweg zu Pferd oder zu Fuß entgegen kamen, während andere Touristen, im Hinaufsteigen begriffen, rasch an uns vorbei wollten und uns überall drängten und stießen. Aber es sollte noch schlimmer kommen: eine Stunde später riefen alle siebzehn Führer plötzlich Halt! und traten zu einer Beratung zusammen. Nachdem diese eine geraume Zeit gedauert hatte, erklärten sie, daß wir uns aller Wahrscheinlichkeit nach verirrt hätten. Ich fragte, ob sie es denn nicht bestimmt wüßten, worauf sie erwiderten, sie könnten das nicht mit vollständiger Gewißheit behaupten, da noch keiner von ihnen je zuvor in dieser Gegend gewesen sei. Wenn sie es aber auch nicht beweisen könnten, so sage ihnen doch ihr Gefühl, daß sie sich verirrt hätten; auch hielten sie es für ein verdächtiges Zeichen, daß uns so lange keine Touristen begegnet seien.

Da saßen wir schön in der Patsche.

Der besseren Sicherheit wegen bewegten wir uns nur langsam und bedächtig vorwärts, da der Wald sehr dicht war; auch stiegen wir nicht in die Höhe, sondern zogen um den Berg herum, in der Hoffnung unsere alte Spur wieder aufzufinden. Mit Einbruch der Nacht kamen wir, todmüde, vor einem haushohen Felsen an, bei dessen Anblick den Leuten vollends der Mut sank, und Furcht und Verzweiflung die Oberhand gewannen. Sie schluchzten, weinten und klagten, daß sie ihre Heimat und ihre Lieben nie wiedersehen würden, und ergingen sich in Verwünschungen gegen mich, den Urheber dieses verhängnisvollen Unternehmens, ja einzelne brachen sogar in Drohungen aus!

Nun galt es keine Schwäche zu zeigen! Ich hielt eine Rede, in der ich bewies, daß schon vor uns andere Alpenbesteiger in ähnlich gefahrvolle Lage geraten seien, sich aber durch Mut und Ausdauer glücklich daraus befreit hätten. Ich versprach ihnen Beistand und Rettung aus der Not, stellte ihnen vor, daß wir auf lange hinaus mit Lebensmitteln versehen seien, und schloß mit dem Ausdruck der zuversichtlichen Hoffnung, daß die Bewohner von Zermatt nicht eine ganze Schar von Menschen verschwinden lassen würden, ohne in kürzester Frist eine Expedition zu ihrer Hilfe auszurüsten.

Die Rede verfehlte ihre Wirkung nicht; die Leute schlugen willig ihre Zelte auf und lagen bald in süßem Schlummer. Nur Harris und ich blieben wach; denn ich hätte mir nie gestattet, bei so drohender Gefahr zu schlafen – ich fühlte mich verantwortlich für die vielen Menschenleben und wollte zur Hand sein, wenn die Lawinen heruntergestürzt kämen. Jetzt weiß ich allerdings, daß in jener Gegend keine Lawinen vorkommen, aber damals war ich noch im Dunkel darüber.

Die ganze Nacht hindurch machten wir Wetterbeobachtungen und ich verwandte kein Auge von dem Barometer, um jede auch noch so geringe Veränderung zu bemerken; aber ich nahm die ganze Zeit über auch nicht den leisesten Wechsel wahr. Welchen Trost mir das freundliche und ermutigend beständige Instrument in dieser Zeit der Not gewährte, läßt sich nicht in Worte fassen! Daß der Barometer schadhaft war und nur noch seinen unbeweglichen Metallzeiger besaß, entdeckte ich erst später; aber wenn ich je wieder in eine ähnliche Lage gerate, wünsche ich mir keinen anderen Barometer als diesen.

Am nächsten Morgen war die ganze Gesellschaft um zwei Uhr beim Frühstück, und sobald es hell genug war, banden wir uns wieder mit dem Seil zusammen und begannen den Angriff auf den Felsen. Zuerst warfen wir das Hakenseil aus, und Harris versuchte daran in die Höhe zu klimmen, aber der Haken hielt nicht fest! Mein Begleiter hätte sich beim Fallen sicherlich zum Krüppel geschlagen, wenn nicht ein Mann zufällig gerade unter ihm gestanden hätte. So war es der letztere, der von dem Unglück betroffen wurde. Hierauf befahl ich das Hakenseil beiseite zu legen. Es war zu gefährlich, wo so viele Leute herumstanden.

Nun wußten wir nicht aus noch ein, bis zum Glück jemand an die Leitern dachte. Wir lehnten eine derselben an den Felsen, die Leute stiegen paarweise hinauf und vermittelst einer zweiten Leiter, die sie mit sich in die Höhe zogen, auf der andern Seite wieder hinunter. Nach Verlauf einer halben Stunde waren alle jenseits wieder auf ebener Erde und der Fels war bezwungen, worüber wir in ein lautes Triumphgeschrei ausbrachen! – Die Freude war jedoch nicht von langer Dauer, denn nun entstand die Frage, wie wir die Tiere hinüberschaffen sollten!

Bei dieser neuen Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, verloren alle sogleich wieder den Mut und abermals drohte eine Panik auszubrechen. Im Augenblick höchster Gefahr wurden wir jedoch auf die wunderbarste Weise gerettet: ein Maulesel, der von Anfang an große Neigung zu Experimenten gezeigt hatte, versuchte ein Gefäß mit fünf Pfund Nitroglycerin zu verschlucken und zwar in nächster Nähe des Felsens. Eine entsetzliche Explosion erfolgte; alle wurden zu Boden geworfen und mit Erde und Felstrümmern bedeckt. Als wir aufstanden, war zu unserer großen Freude der Felsen verschwunden. Wo er gestanden hatte, öffnete sich ein Loch von dreißig Fuß Breite und ungefähr fünfzehn Fuß Tiefe, das wir nur zu überbrücken brauchten, um unsern Weg fortsetzen zu können. Mit kräftigem Hurraruf machten sich die Leute ans Werk. Ich beaufsichtigte die Ingenieurarbeit selbst. Es galt, Bäume zu fällen und Brückenpfeiler daraus zu machen, was gar kein leichtes Geschäft war, da die Eishaken nur schlechte Dienste beim Holzhauen leisteten. Die Pfeiler wurden dann reihenweise in die Grube eingerammt, sechs von meinen vierzig Fuß langen Leitern darüber gelegt und sechs andere quer über diese. Auf das Ganze breiteten wir eine dichte Lage von Baumzweigen und schütteten eine sechs Zoll hohe Schicht Erde darüber. Statt des Geländers wurde an jeder Seite ein Seil gespannt. Die nun vollendete Brücke erwies sich als so haltbar, daß ein Zug Elefanten sie bequem und sicher hätte passieren können.

Vor Einbruch der Nacht war die ganze Karawane drüben.

Am nächsten Morgen waren anfangs alle guten Mutes, trotz des steilen und steinichten Weges, der durch dichten Wald führte und auf dem wir nur langsam und mühsam vorwärts kamen. Bald aber malte sich tiefe Niedergeschlagenheit in allen Mienen, und niemand, nicht einmal die Führer, waren länger in Ungewißheit darüber, daß wir fortgesetzt in der Irre gingen. Der vollständige Mangel an vorbeiwandernden Touristen sprach nur zu deutlich; und vollends ein untrügliches Zeichen, auf wie schlimmen Irrwegen wir uns befanden, war es, daß wir auf keine der Expeditionen stießen, die längst aufgebrochen sein mußten, um uns aufzusuchen.

Um dem Geist gänzlicher Entmutigung, der immer mehr um sich griff, entgegen zu wirken, galt es zu handeln, und zwar ohne Zögern. Um Auskunftsmittel bin ich selten verlegen und auch jetzt verfiel ich auf eines, das allen einleuchtete und den besten Erfolg versprach: ich nahm ein dreiviertel Meilen langes Seil, band ein Ende desselben einem Führer um den Leib und befahl ihm, den richtigen Weg aufzusuchen, während die Karawane an Ort und Stelle wartete. Mißlang es ihm, so konnte er sich am Seil wieder zu uns zurückfinden; glückte es ihm aber, so sollte er tüchtig an dem Seil zerren, worauf wir uns sogleich aufmachen würden, um ihm zu folgen. Der Führer verließ uns und verschwand bald im Schatten der Bäume. Ich wickelte das Seil ab, während die andern dessen Windungen aufmerksam beobachteten – bald kroch es langsam dahin – bald schneller; zwei- oder dreimal glaubten wir schon das Zeichen zu sehen, aber immer hatten wir uns geirrt und das Triumphgeschrei blieb den Leuten in der Kehle stecken. Endlich, als schon über eine halbe Meile von dem Seil abgewickelt war, hörte es plötzlich auf, sich zu bewegen – es lag ganz still – eine Minute verging, zwei – drei Minuten – wir hielten den Atem an! – Machte der Führer vielleicht eine Ruhepause? Suchte er sich von einem hohen Punkt aus in der Gegend zu orientieren? Zog er Erkundigungen bei einem Bergbewohner ein, der ihm zufällig begegnete? Oder – war er am Ende gar vor Angst und Ermattung zusammengesunken? –

Diese letzte Möglichkeit erschütterte mich tief; ich war eben im Begriff, ihm eine Abteilung zu Hilfe nachzuschicken, als plötzlich mit so heftigem Ruck an dem Seil gezerrt wurde, daß es mir fast aus der Hand flog!

Das laute ›Hurra‹, das ertönte, that meinem Herzen wohl, und: »Gerettet, gerettet!« klang es von einem Ende der Karawane bis zum andern.

Wir brachen sofort auf; eine Zeit lang war der Weg ganz leidlich, dann wurde er jedoch immer schwieriger. Nachdem wir ungefähr eine halbe Meile zurückgelegt hatten, erwarteten wir jeden Augenblick, den Führer zu Gesicht zu bekommen, doch zeigte sich keine Spur von ihm und es ließ sich nicht einmal annehmen, daß er irgendwo auf uns warte, da sich das Seil noch immer fortbewegte. Hieraus schlossen wir, daß er den Weg doch noch nicht gefunden habe, aber vermutlich von irgend einem Landmann dahingeführt werde. Uns blieb nichts übrig, als weiter zu schreiten. Nach Verlauf von drei Stunden schritten wir noch ebenso weiter. Es war nicht bloß rätselhaft, es war zum verzweifeln. Obendrein wurden unsere Kräfte vollständig erschöpft, zumal wir anfangs uns ganz unnütz beeilt hatten, den Führer einzuholen.

Um drei Uhr nachmittags waren wir halb tot vor Erschöpfung, und noch immer glitt das Seil dahin! – Das Murren gegen den Führer wurde lauter und lauter und brach zuletzt in wilde Verwünschungen aus! Die Leute weigerten sich, einen Schritt weiterzugehen und behaupteten, wir seien den ganzen Tag immer in der Runde marschiert, ohne von der Stelle zu kommen. Zuletzt verlangten sie, ich solle das Ende des Seils an einem Baum festbinden, damit der Führer stillstehen müsse, und sie ihn einholen und umbringen könnten! Dies schien mir recht und billig und ich gab sogleich den nötigen Befehl. –

Kaum war das Seil angebunden, als die Expedition sich mit einem Eifer in Bewegung setzte, wie ihn nur der Rachedurst einflößen kann. Wir waren wohl eine halbe Meile marschiert, als wir einen Hügel erreichten, der ganz mit Steingeröll bedeckt und so steil war, daß kein einziger mehr die Kraft hatte, ihn zu erklimmen. Jeder derartige Versuch wurde teuer bezahlt. Nach Verlauf von zwanzig Minuten hinkten bereits fünf Leute an Krücken! So oft sich einer beim Klettern an dem Seil festhalten wollte, gab es nach und er stürzte rücklings wieder hinunter. Diese Wahrnehmung brachte mich auf den Gedanken, die Karawane eine Rückwärtsbewegung machen zu lassen. Ich stellte sie in Marschordnung auf, band das Schlepptau an den hintersten Maulesel fest und kommandierte nun:

»Kehrt euch, – vorwärts – marsch!« – Unter den Klängen eines Schlachtgesanges setzte sich der Zug in Bewegung. »Das muß den Führer zu uns zurückbefördern,« dachte ich im stillen, »wenn nicht etwa das Seil dabei zerreißt.« Ich beobachtete, wie das Seil langsam den Hügel hinabglitt, aber im Moment der freudigsten Erregung wurde ich aufs bitterste enttäuscht. Nicht der erwartete Führer kam am Ende zum Vorschein, sondern – ein alter schwarzer Bock, der sich wie unsinnig gebürdete! –

Wer beschreibt die Entrüstung der so schmählich betrogenen Expedition? In rasender Wut wollten sie ihren Rachedurst in dem Blut des unschuldigen, vernunftlosen Tieres kühlen. Ich aber warf mich zwischen sie und ihr Opfer, obgleich hundert spitze Eishaken und Alpenstöcke sich gegen mich erhoben, und schwur, daß sie nur über meine Leiche hinweg ihren Mordanschlag ausführen sollten. Nur ein Wunder, das wußte ich, konnte die Reisenden von ihrem verruchten Vorhaben abbringen und mich erretten. Noch heute, wie damals, sehe ich die schrecklichen Waffen mir entgegenstarren und das feindliche Heer mit haßerfüllten Blicken auf mich anstürmen! Schon senkte ich das Haupt und ergab mich in mein Schicksal, als ich plötzlich eine gewaltige, erdbebenartige Erschütterung empfand. Und wer war der Urheber derselben? Der Bock, für dessen Rettung ich mich eben opfern wollte! Ich flog durch die dichte Schar der Angreifer, wie von einer Schleuder geworfen. Ein donnerähnliches Gelächter durchlief die Reihen und erschütterte die Luft – ich war gerettet, – gerettet durch den Instinkt der Undankbarkeit, welchen eine gütige Natur dem schändlichen Tier ins Herz gepflanzt hatte. Was all meiner Beredsamkeit nicht gelungen war, bewirkte bei den Leuten der komische Zwischenfall; sie setzten den Bock in Freiheit und schonten mein Leben.

Jetzt ging uns auch ein Licht auf über die Verräterei des Führers. Sobald er uns aus dem Gesicht war, hatte er uns unserm Schicksal überlassen. Damit jedoch kein Argwohn erregt würde, durfte das Seil nicht aufhören, sich zu bewegen. Deshalb fing der Schändliche den Bock, warf ihn zu Boden und band ihm das Seil um, während wir dachten, daß er, von Schmerz und Müdigkeit übermannt, auf die Erde gesunken sei. Die wilden Sprünge, die der Bock machte, um sich von dem Seile zu befreien, hatten wir für das verabredete Zeichen gehalten, dem wir mit Jubelgeschrei gefolgt waren.

Den ganzen Tag über waren wir von dem Bock im Kreise herumgeführt worden, was sich dadurch beweisen ließ, daß wir die Karawane in Zeit von sieben Stunden siebenmal an ein und derselben Quelle getränkt hatten. Dies war mir trotz meiner Aufmerksamkeit ganz entgangen, bis ich zufällig durch ein Schwein darauf aufmerksam gemacht wurde. Jedesmal wälzte sich ein Schwein an der Quelle, an die wir kamen, und da mir am Ende die Ähnlichkeit zwischen diesen Schweinen auffiel, kam ich auf den Gedanken, ob es nicht ein und dasselbe sei? Hieraus ergab sich dann die weitere Frage, ob es nicht auch die nämliche Quelle sei – was sich richtig so verhielt.

Von dem treulosen Führer, der den Bock an das Seil gebunden hatte, will ich nur noch erwähnen, daß er eine Weile aufs Geratewohl umherschweifte, bis er auf eine Kuh stieß. In der Meinung, daß eine Kuh natürlicherweise besser Bescheid wissen müsse als ein Führer, hielt er sich an ihrem Schwanz fest und der Erfolg gab ihm recht. Die Kuh ging gemächlich grasend den Hügel hinunter, bis es Zeit zum Melken war, dann trabte sie nach Hause und brachte den Führer im Schlepptau nach Zermatt zurück.

Wir schlugen unsere Zelte mitten in der Wildnis auf, in die uns der Bock geführt hatte. Die müden, hungrigen Leute ließen sich das Abendessen so vortrefflich schmecken, daß sie darüber ganz vergaßen, daß wir verirrt waren, und noch ehe sie sich darauf besannen, hatte ich ihnen Schlafpulver eingegeben und sie zur Ruhe gebracht.

Am nächsten Morgen überdachte ich unsere verzweifelte Lage und sah mich vergebens nach einem Rettungsweg um. Da erschien Harris mit einer Karte aus dem Bädeker, breitete sie vor mir aus und bewies mir klar und deutlich, daß der Berg, auf dem wir uns befanden, noch in der Schweiz liege und in keinem andern Lande. – So waren wir wenigstens nicht ganz verloren. Sofort machte ich die Nachricht öffentlich bekannt und stellte die Karte aus. Das hatte eine ganz wunderbare Wirkung, – denn kaum sahen die Leute mit eigenen Augen, an welcher Stelle wir uns befanden, und daß nur der Gipfel verloren gegangen sei, nicht wir, – so wurden sie wieder guten Mutes.

Ich ließ die Karawane einen Ruhetag im Lager halten und erst am folgenden Morgen setzten wir neu gestärkt und erfrischt unsere Wanderung weiter fort.

Dieser Tag wird mir ewig unvergeßlich sein, da wir an ihm unseren verlorenen Weg wieder fanden, und zwar auf höchst merkwürdige Weise: drittehalb Stunden hatten wir uns schon mühsam weitergearbeitet, als wir auf einen fast zwanzig Fuß hohen Felskegel stießen. Diesmal wartete ich nicht erst die Hilfe eines Maulesels ab. Ich war inzwischen durch Erfahrung klüger geworden als alle Esel der Expedition zusammen genommen. Durch Anwendung von Dynamit räumte ich den Felsen sofort aus dem Wege, – wie groß war jedoch meine Bestürzung, als sich herausstellte, daß oben auf dem Gipfel eine Sennhütte gestanden hatte. –

Alle Familienglieder, die in meiner Nähe zur Erde kamen, hob ich sorgfältig auf, den Rest sammelten meine Gefährten. Zum Glück war von den armen Leuten niemand verletzt, aber sie klagten bitterlich über die gewaltsame Störung. Ich entschuldigte mich bei dem obersten Sennhirten damit, daß ich nicht gewußt habe, daß er oben sei, sonst würde ich ihn rechtzeitig von meiner Absicht in Kenntnis gesetzt haben.

Als ich ihm schließlich anbot, ihm allen Schaden zu vergüten und seine Sennhütte wieder aufzubauen, noch dazu mit einem Keller, der ihm bisher gefehlt hatte, da war er besänftigt und erklärte sich zufriedengestellt.

Der Keller mußte ihn für die schöne Aussicht entschädigen, von der er freilich viel eingebüßt hatte.

In Zeit von fünfzehn Minuten hatten die 116 Mann, die ich bei der Arbeit anstellte, die Sennhütte aus den Trümmern wieder aufgebaut und sie sah malerischer aus als zuvor. Der Senne sagte mir, daß wir uns auf dem Feli-Stutz über der Schwegmatt befänden, und ich war nach allen Zweifeln der letzten Tage nicht übel froh, über Ort und Stelle so genau Bescheid zu erhalten. Wir erfuhren überdies, daß wir am Fuß des eigentlichen Riffelbergs waren und somit die ersten Schwierigkeiten unseres Unternehmens hinter uns lagen.

Einen prächtigen Anblick bot uns von hier aus der wilde Vispfluß, der aus einer hohen Wölbung hervorstürzt, die er sich durch die feste Eismauer des großen Gornergletschers gebrochen hat; auch sahen wir den Furggenbach, den Abfluß des Furggengletschers.

Wir wurden bald inne, daß der Saumpfad auf den Gipfel des Riffelbergs dicht an der Sennhütte vorbeiführt, denn die ganze Zeit über war er von Touristenschwärmen belebt. In der Sennhütte nahmen die Wanderer gewöhnlich Erfrischungen ein; da ich dieselbe aber in die Luft gesprengt hatte, wobei alle Flaschen entzwei gegangen waren, so war der Handel des Sennhirten etwas ins Stocken geraten. Ich gab ihm jedoch ein Quantum Branntwein, um ihn als Alpenchampagner zu verkaufen, sowie ein Quantum Essig, der für Rheinwein gelten konnte, und so kam sein Geschäft bald wieder lebhaft in Gang.

Nach kurzer Rast stellte ich die Karawane in Marschordnung auf, ritt die Linie entlang, um zu sehen, ob alle ordentlich aneinander gebunden waren, und gab dann Befehl zum Aufbruch. Bald schritten wir auf grünen Matten dahin, der Wald mit seinen beschwerlichen Pfaden lag hinter uns, und unser Gipfel – der Gipfel des Riffelbergs – ragte weithin sichtbar in die Luft.

Auf dem Saumpfad, der sich im Zickzack bald nach rechts, bald nach links in die Höhe schlängelte, stiegen die Touristen in ununterbrochener Reihe hinauf und herab. Sie engten uns ein und fielen uns sehr lästig; Gesellschaften, die an einander gebunden waren, bemerkte ich nicht unter ihnen. An manchen Stellen war der Weg kaum zwei Meter breit und fiel an den Seiten mehrere Fuß tief steil ab, so daß wir mit der äußersten Vorsicht aufwärts klimmen mußten. Ich sprach meinen Leuten fortwährend Mut ein, damit sie sich nicht unmännlicher Furcht überließen.

Wir hätten den Gipfel wohl noch vor einbrechender Nacht erreicht, wäre nicht wegen eines verlorenen Regenschirmes Aufenthalt entstanden. Bei meinem Vorschlag, den Regenschirm aufzugeben, entstand ein allgemeines Murren. Die Leute hatten eigentlich recht, – in unserer ausgesetzten Lage konnten wir einen Schutz gegen Lawinen jetzt weniger denn je entbehren! So bezogen wir denn unser Lager und ich sandte eine Abteilung aus, um den verlorenen Gegenstand zu suchen.

Wie harte Arbeit uns auch der nächste Morgen noch brachte, so schwand uns doch der Mut nicht wieder im Angesicht des nahen Zieles! Gegen Mittag war endlich das letzte Hindernis überwunden und der Gipfel erklommen. –

Die große That war gethan, – was für unmöglich galt, war zur Thatsache geworden, und außer dem Maulesel, der das Nitroglycerin verschlungen, hatten wir bei dem ganzen Unternehmen keinen Mann verloren! Harris und ich schritten stolz in den großen Speisesaal des Riffelberghotels, wo wir unsere Alpenstöcke an die Wand lehnten.

Ja, die Bergbesteigung war vollendet – aber im Gesellschaftsanzug hätte ich sie doch nicht unternehmen sollen! Unsere Frackschöße flatterten in Fetzen herab, die hohen Hüte hatten viele Knicke und der Schmutz, mit dem wir von oben bis unten bespritzt waren, trug nicht dazu bei, unsere Erscheinung wohlgefälliger zu machen.

Der freudige Willkommen, den uns die fünfundsiebzig Touristen im Hotel entgegenbrachten – es befanden sich eine Menge Damen und kleine Kinder darunter – entschädigte uns reichlich für alle ausgestandenen Leiden und Entbehrungen. Jetzt trägt ein steinernes Denkmal die Jahreszahl der Bergbesteigung, sowie die Namen der Teilnehmer, zur Erinnerung für alle Touristen späterer Zeiten.

Noch höher als das Hotel erhebt sich der Gorner Grat, ein Felskamm, der in schwindelnder Höhe über einem gewaltigen Gletscher hängt. Der Aufstieg ist nicht ohne Gefahr, aber ich beschloß, ihn doch zu wagen!

Unter Aufsicht zweier Oberkellner ließ ich von meinen Leuten den ganzen Weg entlang Stufen in den Felsboden hauen; auf diesen klomm ich dann, an die Führer gebunden, zu der Höhe empor. Ein zweites Denkmal verewigt mein tollkühnes Wagnis.

Meine Aussicht auf den Monte-Rosa und die ganze übrige Alpenwelt war wunderbar schön. Die großartigste Rundsicht eröffnete sich meinen Blicken und zahllose Gletscher und Schneeberge türmten ihre Häupter übereinander, als hätten dort Riesen ihre Zelte aufgeschlagen. Stolz und einsam ragte nur der mächtige Felszahn des Matterhorns empor. Die steilabfallenden Seiten waren mit Schnee bedeckt und der Gipfel in dichte Wolken gehüllt, die sich dann und wann verzogen, so daß die dunkle Masse wie durch einen dünnen Schleier hindurchschimmerte. Bald darauf veränderte sich das Schauspiel und das Matterhorn sah einem Vulkan nicht unähnlich; die ganze Spitze trat klar hervor und ungeheure Massen weißen Gewölks schienen langsam herauszuquellen und sich kräuselnd in schräger Richtung nach der Sonne emporzuwälzen, wie Berge von Dampf und Dunst, die aus einem Krater aufsteigen. Kurz nachher erschien die eine Seite des Felskegels unverhüllt und auf der andern zogen dunkle Rauchwolken um die scharfen Felskanten herum, wie der Qualm aus einem brennenden Gebäude. Das Matterhorn versteht sich auf die Wirkung von Licht und Farben, und versucht fortwährend bald diese bald jene malerische Zusammenstellung. Bei Sonnenuntergang scheint es aus dem Dunkel, das die ganze niedere Welt einhüllt, wie ein feuriger Finger gen Himmel zu deuten. Bei Sonnenaufgang – ja, da soll es wunderschön sein, wie ich mir habe sagen lassen.

Es ist erwiesen, daß man auf keinem zugänglichen Punkt der Gletscherwelt eine solche Fülle von riesigen Bergformen und schneebedeckten Alpenspitzen zu sehen bekommt, wie vom Gipfel des Riffelbergs aus. Nachdem ich nun gezeigt habe, daß man bei gehöriger Seelenstärke und verständiger Umsicht an dieses Ziel gelangen kann, ist es Sache der Touristen, sich an einander zu binden und die Bergbesteigung zu wagen. –

  1. Die Kronik dieses Bergriesen erzählt von vielen traurigen Katastrophen, denen Touristen zum Opfer gefallen. Die bekannteste ist der Absturz einer aus vier Engländern (der obengenannte Whymper, Lord Douglas, Hudson und Hadow) bestehenden Gesellschaft, welche mit den Führern Croz, Taugwalder (Vater und Sohn) und Javelle 1865 eine Besteigung des Matterhorns unternahmen. Das Seil, mit welchem die acht Personen unter einander verbunden waren, riß und drei Engländer sowie der Führer Croz stürzten 1200 Meter tief hinab auf den Matterhorngletscher, während nur Whymper und drei Führer sich auf dem Grat festhielten. Im Jahre 1881 stürzte der Amerikaner Mosley ab, der sich bei der sogenannten ›Schulter‹ des Seiles entledigte. 1886 starb der Engländer Burkardt, der bei der ›Schulter‹ von einem Schneesturm überrascht wurde, vor Kälte.

Lebensgeschichte Mark Twain’s

Lebensgeschichte Mark Twain’s

In diesem und in den vorausgegangenen Bänden der » ausgewählten humoristischen Schriften Mark Twain’s« hat der Leser ohne Zweifel den amerikanischen Humoristen so lieb gewonnen und hochschätzen gelernt, daß er eine eingehendere Lebensbeschreibung desselben gewiß gern aufnehmen wird; zumal eine solche, welche – wie die nachfolgende – in mancher Beziehung neues Licht auf die Schriften des Verfassers wirft. Es hat gewiß einen eigenen Reiz, sich noch einmal an den Genuß der Lektüre Mark Twain’s und namentlich einzelner Episoden derselben zu erinnern, während man dem Verfasser auf seiner viel bewegten Laufbahn folgt. ‹

Erstes Kapitel

Erstes Kapitel

Erstes Kapitel

Samuel Langhorne Clemens.

Die Vorfahren des großen amerikanischen Humoristen, welche sowohl väterlicher- wie mütterlicherseits aus angesehenen Familien Englands stammten, hatten sich schon bald nach Gründung der Kolonien im Süden Nordamerikas angesiedelt.

Mark Twains Vater, John Marshall Clemens, ein kluger und charakterfester Mann, war in Virginien geboren. Er ließ sich zuerst in Lexington im Staate Kentucky nieder, der von jeher wegen seiner schönen Mädchen bekannt gewesen ist, und führte die reizende Jane Lambton als Gattin heim. Sie besaß, neben echt häuslichem Sinn, auch große Herzenswärme, natürlichen Witz und geistige Lebendigkeit. Daß ihr berühmter Sohn viel von der Eigenart seiner Mutter geerbt hat, unterliegt wohl keinem Zweifel.

Von Lexington wanderte die Familie Clemens nach Tennessee aus und zog dann im Jahre 1828 nach dem Städtchen Florida in Missouri. Hier erblickte Samuel Langhorne Clemens am 30. November 1835 das Licht der Welt. Schon drei Jahre später wechselten seine Eltern abermals den Wohnort und ließen sich in der am Ufer des Mississippi gelegenen Stadt Hannibal nieder, wo er seine Knabenjahre verlebte. Wer ›Tom Sawyer‹ gelesen hat, kennt diese Gegend. Die Bewohner gehörten der strengen kirchlichen Richtung jener Zeit an, im übrigen stand die Gesittung auf keiner höhern Stufe als in andern Sklavenstaaten; Leidenschaft, Anmaßung und Beschränktheit führten überall das große Wort.

Sams Vater, der sich durch unbeugsamen Sinn und streng rechtlichen Wandel rasch das Vertrauen seiner Mitbürger erworben hatte, ward im Jahre 1840 zum Friedensrichter ernannt. Wie einfach der damalige Geschäftsbetrieb war, ließ sich schon an der ganzen Ausstattung des Gerichtszimmers erkennen. Es enthielt außer einer alten Warenkiste, die vom Richter und den Advokaten als gemeinsamer Tisch benutzt wurde, nur noch vier Bretterstühle und eine lange Holzbank für die Geschworenen. Von diesem Lokal aus regierte der Richter Clemens die Gemeinde mit hoheitsvoller Würde und wußte durch Uebung einer für unsere Begriffe etwas summarischen Gerechtigkeit selbst unruhige Geister im Zaum zu halten.

Mark Twains Knabenzeit war reich an losen Streichen und Abenteuern. Er ward früh zur Schule geschickt, erntete aber dort durchaus keine Lorbeeren. Seine Mutter erzählt, Sam sei ein gutherziger, aber wilder und mutwilliger Knabe gewesen, der die Schule versäumte, so oft es irgend anging. Die Unbeständigkeit und Ausgelassenheit seines Wesens machte den Eltern große Sorge; nie, glaubten sie, werde er es in der Welt so weit bringen, wie seine ruhigeren und viel besonneneren Brüder. Oft folgte ihm der Vater von fern auf dem Schulweg, um zu sehen, was er anfange. Aber, sobald Sam dies bemerkte, verbarg er sich hinter einem dicken Baumstamm am Wege und ließ seinen Vater vorbeiziehen. Vater und Lehrer stimmten bald darin überein, daß es unmöglich sei, dem Jungen etwas beizubringen, da er entschlossen schien, nichts zu lernen. Nur die Mutter gab die Hoffnung nicht auf. Sie kannte Sams Vorliebe für alles, was sich auf die Weltgeschichte bezog, und sah, daß er nie müde wurde, Bücher dieser Gattung zu lesen; der Schulzwang aber, samt Lehrsystem und Leitfaden, war ihm unerträglich.

Mark Twain selbst schreibt einmal über diese Zeit: »Wir blieben gern in gemessener Entfernung von einander, mein Vater und ich. Unser Verhältnis bestand, sozusagen, in einer Art bewaffneter Neutralität, die in unregelmäßigen Zwischenräumen gebrochen wurde und immer großes Leid im Gefolge hatte. Wir gingen dabei ganz systematisch zu Werke: der Neutralitätsbruch war stets meines Vaters Sache und das Leid kam auf mein Teil.«

Wir brauchen bei Einzelheiten im Leben des jungen Sam nicht zu verweilen; denn Mark Twain hat uns in seinem ›Tom Sawyer‹ und in dessen Fortsetzung ›Huckleberry Finn‹ den besten Einblick in seine Jugendzeit eröffnet. Hat er auch nur einiges von dem dort Erzählten selber erlebt und erscheint in diesen prächtigen, in ihrer Art unübertrefflichen Erzählungen auch vieles im Lichte der Romantik, so zeigen sie uns doch weit besser als jede andere Beschreibung, unter welchen Eindrücken und Verhältnissen der Knabe aufwuchs und wie er als solcher dachte und fühlte.

Als der Vater starb und eine Witwe mit vier Kindern zurückließ, zählte Sam erst zwölf Jahre. Er sah sich, so gut wie seine Brüder, auf eigene Arbeit angewiesen. Nach mancherlei Versuchen, sich seinen Unterhalt zu erwerben, wurde er endlich Lehrling in der Druckerei des ›Weekly Courier‹, der Lokalzeitung von Hannibal.

In spätern Jahren kam er bei einem Festessen der Buchdrucker in New Jork auf diese Periode seines Lebens zu sprechen. »Ein Buchdrucker von damals,« sagte er, »war ein ganz anderer Mensch als heutzutage. Das weiß niemand besser als ich, denn ich habe ihn gut gekannt. Am Wintermorgen machte ich ihm das Feuer an; ich holte ihm Wasser vom Dorfbrunnen und fegte das Geschäftslokal; ich hob, ihm die heruntergefallenen Lettern vom Boden auf; war er dabei und sah zu, so legte ich die guten in sein Fach und warf die zerbrochenen in die ›Hölle‹; war er aber nicht zugegen, dann schüttete ich rasch alles unter die Schrift auf dem Formtisch, denn so machte es der ›Junge‹ immer hinter dem Rücken des Druckers und der ›Junge‹ – war ich. Am Samstag mußte ich die Druckbogen anfeuchten und sie am Sonntag umwenden, unsere Zeitung war nämlich ein Wochenblatt. Ich zog die Bogen durch die Presse, reinigte die Walzen, desgleichen die Formen, faltete die Zeitungen und trug sie in unbehaglicher Frühe am Donnerstagmorgen aus. Der Zeitungsträger war damals der interessanteste Gegenstand für sämtliche Hunde des Orts. Hätte ich alle Bisse aufbewahren können, die mir die Köter angedeihen ließen – Professor Pasteur würde ein Jahr lang daran zu kurieren haben. Auch die Exemplare, welche mit der Post fortgeschickt wurden, mußte ich einpacken; wir hatten hundert Abonnenten in der Stadt und dreihundertfünfzig auf dem Lande. Die städtischen Abonnenten bezahlten uns in Kolonialwaren und die ländlichen in Kohlköpfen und Klafterholz – wenn sie überhaupt bezahlten. Geschah es, so erwähnten wir es jedesmal mit Preis und Dank in der Zeitung. Wir mußten das thun, denn sonst lasen sie das Blatt nicht mehr.

»Jeder unserer geehrten Leser in der Stadt half uns bei der Herausgabe, das heißt, er erteilte Verhaltungsregeln und schrieb vor, welche Ansicht und Richtung wir vertreten sollten. Im allgemeinen machten wir uns das Leben nicht schwer. Geriet der Satz einmal in Unordnung, so ward das Blatt erst in der folgenden Woche ausgegeben. Auch sonst stellten wir von Zeit zu Zeit die Arbeit ein, z. B. wenn der Fischfang gerade ergiebig war. Es hieß dann, der Redakteur sei krank geworden – ein recht nichtiger Vorwand; als ob ein kranker Redakteur eine solche Zeitung nicht ebenso gut schreiben könnte, als ein gesunder; ja, wäre er tot gewesen, es hätte keinen Unterschied gemacht.

»Ich sehe das Lokal jener vorsündflutlichen Druckerei noch heute vor mir: die Preislisten der Pferdehändler an den Wänden, die Klumpen geschmolzenen Talgs im g-Fach, in das wir nachts immer das Licht stellten, das Handtuch, welches erst für schmutzig galt, wenn es so steif war, daß es von selber stehen konnte, nebst den übrigen Merkmalen und Sinnbildern, durch die sich ein derartiges Geschäft im Thal des Mississippi auszeichnete.«

Drei Jahre arbeitete er getreulich im Bureau des Couriers. Mit fünfzehn Jahren hatte er ausgelernt und hielt sich nun für einen fertigen Buchdruckergesellen. Als er eines Abends nach Hause kam, bat er seine Mutter um fünf Dollars und erklärte auf die Frage, wozu er sie brauche, er wolle auf die Wanderschaft gehen. Das Geld erhielt er nicht, aber die Absicht führte er doch aus, denn er hatte von seinem Wochenlohn, der fünfzig Cents betrug, einige Ersparnisse gemacht. Eines schönen Tages ging er heimlich auf und davon. Das Ziel seiner Sehnsucht war New York, wo er die Ausstellung besuchen wollte; er schlug sich auch glücklich dahin durch, indem er auf seiner Wanderschaft gelegentlich eine Stelle auf kurze Zeit annahm.

Als er nach New York kam, betrug sein ganzer weltlicher Besitz zwölf Dollars. Eine Zehndollarnote hatte er sorgfältig ins Aermelfutter genäht, zwei Dollars trug er in der Tasche. Zuerst sah er sich gründlich in der Ausstellung um, dann suchte er Beschäftigung und trat in die Greensche Druckerei ein, wo er zwei bis drei Monate arbeitete. Was ihn wieder von dannen trieb, war die zufällige Begegnung mit einem Mann aus Hannibal. Aus Furcht, dieser werde seinen Aufenthaltsort verraten, machte er sich unverzüglich nach Philadelphia auf den Weg. Auch hier fand er Arbeit in verschiedenen Zeitungsbureaus, hatte aber im übrigen manches Mißgeschick. So erzählt er uns unter anderm, er habe sich einmal auf der Straße eines armen Knaben angenommen, dem unrecht geschah und sei dafür von einem Feuerwehrmann so furchtbar durchgeprügelt worden, daß er aussah, wie ›Lissabon nach dem Erdbeben‹. Nach einigen Monaten fand er, daß er nun das Leben in den Oststaaten genugsam kennen gelernt habe. Die Zehndollarnote trug er noch immer im Aermelfutter und so brach er denn wieder nach dem Westen auf.

Zuerst wanderte er nach Cincinnati, wo er jedoch nur kurze Zeit blieb, von da nach Louisville und weiter nach St. Louis. Er war jetzt siebzehn Jahre alt. Gern wäre er in die Heimat zurückgekehrt, aber nur als gemachter Mann. Er faßte jetzt den Entschluß, Lotse auf dem Mississippi zu werden. Welche Schwierigkeiten es für ihn zu überwinden gab, bis dieser Plan verwirklicht wurde, schildert er selbst eingehend in seinem ›Leben auf dem Mississippi‹. Er hat das Andenken an jene Zeit, die ihn rasch zum Manne reifte, stets besonders hoch gehalten und es auch durch die Wahl seines Schriftstellernamens verewigt. Bei der Schiffahrt auf den Flüssen im Westen darf nämlich, der vielen Sandbänke und seichten Stellen wegen, das Senkblei kaum aus der Hand gelegt werden. Der Matrose am Bugspriet, der die Messung anstellt, ruft dem Kapitän an den gefährlichen Plätzen mit lauter Stimme zu, wieviel Fuß tief sein Lot unter die Wasserfläche sinkt, worauf der Kapitän es dem Lotsen wiederholt, damit dieser das Steuer richtig handhaben kann. › Mark twain!‹ schreit der Matrose, wenn er zwei Faden (zwölf Fuß) Wasser findet. Aus diesem, am Mississippi heimischen Ruf ist jetzt der weltberühmte Name des ersten amerikanischen Humoristen geworden. Daß er eigentlich Samuel Langhorne Clemens heißt, ist darüber fast in Vergessenheit geraten.

Zweites Kapitel

Zweites Kapitel

Zweites Kapitel

In Nevada und Kalifornien.

Bei Ausbruch des Bürgerkrieges befand sich Mark Twain als wohlbestallter Lotse auf dem Flußdampfer ›Alonzo Childs‹. Erst als dies Fahrzeug in ein Widderschiff der Südstaaten umgewandelt wurde, gab er seinen Platz am Steuer auf. Infolge des Bürgerkrieges konnte von einem regelmäßigen und einträglichen Stromverkehr nicht länger die Rede sein.

Nach Hannibal zurückgekehrt, trat Clemens, der damals 24 Jahre alt war, als Freiwilliger in die Südarmee unter General Price ein. Seine militärische Laufbahn war jedoch von kurzer Dauer; die kleine unorganisierte Schar, die ihn zum Leutnant wählte, – fünfzehn Mann, alles in allem – verrichtete keine großen Thaten. Fast wäre dem jungen Clemens die Ehre zu teil geworden, von General Grant zum Gefangenen gemacht zu werden; es gelang ihm jedoch, zu entkommen, und er beschloß nun, sein Glück im fernen Westen zu suchen.

Sein älterer Bruder, Orion Clemens, war seit kurzem zum Vizegouverneur von Nevada ernannt worden; und mit diesem begab sich unser jugendlicher Abenteurer nach Carson City. Doch ließ ihn die Sorge, daß er von vorüberziehenden Unionstruppen erkannt und an den Norden ausgeliefert werden könne, auch hier keine Ruhe finden. Bis er die Gefahr für beseitigt hielt, wollte er sich lieber in eine abgelegene Bergwerksgegend zurückziehen und wählte die Niederlassung ›Aurora‹ zum Aufenthalt. Hier arbeitete er zuerst um Tagelohn in einer Quarzgrube, dann für eigene Rechnung als Goldgräber. Auf kurze Zeit war er einmal Mitbesitzer des berühmten Erzgangs von Combstock und Millionär, ohne es zu wissen. Er erfuhr es erst, nachdem er seinen Anteil verkauft hatte.

Nach Nevada strömten damals die Abenteurer aus aller Herren Länder. Bankerotte Kaufleute, Studenten, die den Bücherstaub abschüttelten, um Goldstaub zu suchen, entlaufene Mörder und Diebe, unglückliche Spieler, und der Auswurf der großen Städte, alle suchten dort eine Zuflucht. In der ganzen Gegend herrschte ein buntes und oft recht tolles Drängen und Treiben; Stulpenstiefel, Zahnstocher und Revolver bildeten, wie Mark Twain behauptet, die unentbehrlichsten Bestandteile der damaligen Tracht.

Von Aurora aus schrieb der junge Clemens eine Anzahl Briefe an die Herausgeber des ›Enterprise‹ in Virginia City und nahm 1862 eine Redakteurstelle bei diesem Journal an. Viele der humoristischen Skizzen, die seinen späteren Schriftstellerruhm begründeten, erschienen um diese Zeit und zwar zum erstenmal unter dem Namen Mark Twain. Im täglichen Verkehr war sein trockener Witz oft sehr unterhaltend für die Kameraden, doch fürchteten sie ihn auch wegen der losen Streiche und derben Scherze, die er mit ihnen trieb und gegen die sie nie genug auf ihrer Hut sein konnten.

Von Virginia City aus führte Mark Twains Weg naturgemäß nach San Francisco, dem Zufluchtsort aller Abenteurer der Westküste. Er litt damals an fortwährendem Geldmangel und ging, um Arbeit zu suchen, gleich nach seiner Ankunft auf das Bureau des ›Morning Call‹, einer Zeitung, für die er schon in Nevada verschiedene Artikel geschrieben hatte. Sein Anzug bestand aus einem abgeschabten Filzhut, einem blauen Soldatenmantel und Beinkleidern, die nur bis zu den Stiefelschäften reichten. George Barnes, der Redakteur, empfing ihn freundlich, forderte ihn auf, gleich, am nächsten Tage mit der Arbeit zu beginnen und händigte ihm eine Anweisung auf die Geschäftskasse ein, damit er sich anständige Kleider verschaffe.

Die Beschäftigung muß Mark Twain jedoch wenig behagt haben. Stadtneuigkeiten und Polizeiberichte zu schreiben, war nicht nach seinem Geschmack. Wenn er irgend konnte, mied er es, den Verhandlungen auf dem Rathause beizuwohnen, und das Journal hatte wenig Nutzen von der Mitarbeiterschaft des unstäten, saumseligen Berichterstatters. Er selbst fühlte sich nicht an seinem Platz. So war er es denn wohlzufrieden, als ihm Barnes, dem zuletzt die Geduld riß, vorschlug, sich eine andere Anstellung zu suchen.

General Mc Comb, der mit Mark Twain befreundet war und eine hohe Meinung von seinem Schriftstellertalent halte, erzählt, Clemens sei ihm einmal auf der Straße begegnet und habe ihm mitgeteilt, daß er sich nächstens wieder als Lotse anstellen lassen wolle; Berichterstatter möge er nicht länger sein und er habe bereits eine Eingabe bei der Regierung in Washington gemacht, die wahrscheinlich berücksichtigt werden würde. Der General, dem dieser Entschluß höchlich mißfiel, redete Mark Twain aus allen Kräften zu, den Plan aufzugeben, indem er ihm vorstellte, daß er es bei seinen Gaben zu etwas weit Besserem bringen könne, als sein Leben lang einen Flußdampfer zu steuern. Wenn er das Zeitungswesen satt habe, so solle er ein Buch schreiben oder Skizzen und was ihm sonst in den Kopf käme. Bei seinem originellen, kernigen Stil würde er sicherlich ein Publikum finden, das ihn zu schätzen wisse, und mehr verdienen als im Lotsenberuf. Mark Twain nahm den Rat des Freundes an und blieb der Feder getreu, mit der er später sein Glück machen sollte.

Zunächst beteiligte er sich mit Bret Harte an der Herausgabe des ›Kaliforniers‹. Viele seiner besten Skizzen erschienen in dem Blatt und fanden durch häufigen Nachdruck auch in den Städten des Ostens Verbreitung. Das Unternehmen hatte jedoch nur kurzen Bestand. Eines schönen Tages brachen die beiden Redakteure zusammen nach den Bergen auf, um zu versuchen, ob es ihnen mit dem Goldgraben besser glücken werde. Das war jedoch nicht der Fall, und Mark Twain fand bei der Rückkehr nach San Franzisco obendrein, daß er seine Gesundheit stark geschädigt hatte. Um sich zu erholen, ging er als Zeitungsreporter nach den Sandwich-Inseln und schickte von Honolulu aus sehr lesbare Artikel über die dortigen Zustände und Lebensgewohnheiten an die ›Union‹ in Sakramento zur Veröffentlichung.

Die Schönheit der Sandwich-Inseln schildert er noch in spätern Jahren wie folgt:

»Kein fremdes Land in der ganzen Welt hat je einen solchen Reiz auf mich ausgeübt, mir eine so sehnsuchtsvolle und lebendige Erinnerung hinterlassen, die ich mein halbes Leben lang, weder schlafend noch wachend los werden konnte. Andere Eindrücke verbleichen, aber dieser bleibt; andere Länder schwinden mir aus dem Gedächtnis, aber dies kann ich nie vergessen. Seine balsamische Luft umweht mich stets, auf seinem Meer strahlt die Sommersonne, ich höre die Brandung an die Klippen schlagen und sehe seine blumenbekränzten Ufer, die schäumenden Wasserfälle, die gefiederten Palmbäume in der Mittagsruhe, die fernen Berggipfel, die wie Inseln über die Wolken ragen. Noch durchströmt mich das wohlige Gefühl, das ich dort in der Waldeseinsamkeit empfunden habe, das Plätschern des Baches tönt mir im Ohr und ich atme noch den Duft der Blumen, die vor mehr als zwanzig Sommern verwelkt sind.« –

Das milde Klima von Hawai stellte Mark Twains Gesundheit schnell wieder her. Nach zweimonatlicher Abwesenheit lehrte er neugekräftigt nach San Franzisco zurück, um dort den Kampf ums Dasein weiter fortzusetzen.

Drittes Kapitel

Drittes Kapitel

Drittes Kapitel

Ein ›Harmloser‹ auf Reisen.

Im Winter von 1866 auf 67 hatte sich eine Anzahl begabter Journalisten in San Franzisco zusammengefunden, die kümmerlich von der Hand in den Mund lebten. Die bekanntesten unter diesen Glücksjägern, welche mit einander in der Bergmannsschenke speisten, waren Bret Harte, Stoddard, Webb, Mulford und Mark Twain. So drückenden Mangel wie Samuel Clemens, der nicht selten am Hungertuche nagte, litt jedoch keiner von ihnen.

Einmal bot ihm ein Schauspieler, der ihn kannte, fünf Dollars für fünf gute Witze, die er in seiner Rolle anbringen wollte. »Kann leider nicht dienen,« gab ihm der Humorist zur Antwort, »denn fände man fünf Dollars bei mir armem Schlucker, so hielte man mich sicherlich für einen Dieb. Aber auch bei Ihnen, alter Junge, würde gleich jedermann denken, Sie hätten die Witze, die Sie zum besten geben, gestohlen, wenn sie einigermaßen anständig wären.«

Als im Januar 1867 Stoddard und Mulford mit Erfolg öffentliche Vorträge in San Franzisco gehalten hatten, erwachte auch Mark Twains Unternehmungsgeist und er begab sich auf eine Vorlesungstour in den Städten von Kalifornien und Nevada.

Ein Freund von ihm schildert uns seinen Vortrag in Carson City wie folgt:

»Das Publikum kam damals mit größter Bereitwilligkeit zu jeder Unterhaltung herbeigeströmt, die man ihm bot. Auch Mark Twain fand ein volles Haus, als er gegen acht Uhr die Rednertribüne bestieg. Er verbeugte sich höflich und faltete eine riesige braune Papierrolle auseinander, die wie eine Wandkarte aussah. Es stellte sich jedoch heraus, daß es seine Vorlesung war, die er auf große Bogen Packpapier mit Frakturschrift geschrieben hatte. Nun drehte er dem Publikum den Rücken zu, hielt sein seltsames Manuskript dicht an die Lampe, reckte den Hals, als könne er noch immer nicht sehen und fing an zu lesen.

»Sein Thema war die Zukunft Nevadas und er behandelte es auf ganz originelle Weise. Er weissagte, daß eine Periode ungeheuren Reichtums für die Bewohner des Staates im Anzuge sei, forderte sie auf, sich darauf vorzubereiten und erzählte die unglaublichsten Geschichten über schier unmögliche Entdeckungen von Silbergruben und Goldlagern, welche in nächster Zeit bevorstünden. Merkwürdigerweise erschloß sich unmittelbar darauf wirklich die reichste Fundgrube in Virginia City, so daß sich seine Prophezeiungen buchstäblich zu erfüllen schienen. Mark Twains Vorlesung an jenem Abend ist mir immer im Gedächtnis geblieben. Schade, daß sie nie gedruckt worden ist; ich habe in allen seinen Büchern, durch die er später berühmt wurde, kaum etwas Besseres gefunden.«

Mark Twain reiste mehrere Monate lang als Vorleser von einer Stadt zur andern und fand vielen Anklang; daneben schrieb er interessante Briefe an verschiedene Zeitungen des Ostens. Auch sammelte er damals den ersten Band seiner Skizzen, der im März 1867 erschien und nicht nur in Amerika, sondern auch in England begierige Leser fand.

Ueber Panama ging Clemens nun nach New York und von da nach Washington, wo er sich seinen Unterhalt erwarb, indem er Reisebriefe für kalifornische Journale schrieb. Auch als Vorleser trat er in der Bundeshauptstadt auf, wie aus folgender Schilderung hervorgeht:

»Am zweiten Morgen nach meiner Ankunft in Washington,« erzählt er, »kam ein Bekannter in aller Frühe zu mir in den Gasthof. Er weckte mich aus festem Schlaf und legte mir die niederschmetternde Frage vor, ob ich auch wisse, daß ich noch am Abend des selbigen Tages in Lincoln Hall eine Vorlesung zu halten habe? – Ich erwiderte, er müsse wohl übergeschnappt sein, sonst wäre er ruhig daheim im Bette geblieben, statt mir zu so ungelegener Zeit mit dergleichen Abgeschmacktheiten zu kommen. Er aber gab mir, zum Beweis, daß er ganz bei Verstande sei, eine Anzeige im Morgenblatt zu lesen, in welcher stand, daß Mark Twain am Abend einen Vortrag über die Sandwich-Inseln halten werde. Meine Ueberraschung war grenzenlos und mein Aerger nicht gering, denn ich sah wohl, daß irgend jemand mir den schlechten Streich gespielt haben müsse.

»Bei näherer Erkundigung stellte sich denn auch alsbald heraus, wie die Sache zusammenhing. Einer meiner Freunde vom Theater hatte in der Meinung, mir einen Gefallen zu thun, alle nötigen Vorkehrungen aufs gründlichste getroffen und nur die Kleinigkeit vergessen, mich von seinen Absichten in Kenntnis zu setzen. Die Lincoln-Halle war für den Abend gemietet, die Vorlesung durch Anschlagzettel in der ganzen Stadt angekündigt und alle Zeitungen brachten Anzeigen und besondere Notizen, um das Publikum auf den zu erwartenden Genuß vorzubereiten. Ich war in einer schönen Klemme und wußte mir keinen Rat, denn eine Vorlesung über die Sandwich-Inseln hatte ich weder je gehalten noch aufgeschrieben. Aber das konnte ich doch den Leuten nicht sagen – sie hätten es einfach nicht geglaubt, nachdem sie es auf den Zetteln gedruckt gelesen. Der einzige Ausweg, der mir blieb, war, mich in mein Zimmer einzuschließen und gleich nach dem Frühstück anzufangen, die Vorlesung zu Papier zu bringen. Das that ich denn auch im Schweiße meines Angesichts. Ich wurde wirklich bis halb acht Uhr abends damit fertig und fand bei meiner Ankunft im Saal eine so zahlreiche Zuhörerschaft, wie ich sie nie im Leben gesehen hatte.

»Ich pflegte zwar im allgemeinen mein Manuskript nicht zu benutzen, doch schrieb ich damals die Vorlesung immer nieder und legte die Blätter auf ein Lesepult, wenn ich die Tribüne betrat. Mein Gedächtnis war gut, ich brauchte auch keine Notizen, doch wollte ich für den Notfall das Manuskript bei der Hand haben und mich nicht der Beschämung aussetzen, es erst aus der Tasche ziehen zu müssen. Dies Bewußtsein beruhigte mich und flößte mir Mut ein, so daß keine verlegenen Pausen entstanden. Auch an jenem Abend ging alles gut, aber in meiner ganzen öffentlichen Laufbahn ist mir niemals wieder ein so saueres Stück Arbeit aufgebürdet worden, als das Abfassen jener Vorlesung über die Sandwich-Inseln.« –

Eines Nachmittags saß Mark Twain wie gewöhnlich in seinem kleinen dumpfen Zimmer, rauchte seine Thonpfeife und las mit großem Interesse, daß das Dampfboot ›Quaker City‹ binnen kurzem eine Fahrt nach Europa und dem Heiligen Lande antreten werde. Ohne zu ahnen, an welchem entscheidenden Wendepunkt seines Lebens er stand, schrieb er sofort an seinen alten Freund, General John Mc Comb, der damals Mitbesitzer des in San Franzisco erscheinenden Tagblatts ›Alta Kalifornia‹ war und bat ihn um einen Vorschuß von 1200 Dollars in Gold, den er durch Reisebriefe zu fünfzehn Dollars das Stück zurückerstatten wolle. Es war keine kleine Zumutung für eine kalifornische Zeitung in den sechziger Jahren, doch bewog Mc Comb die andern Teilhaber, das Gesuch zu bewilligen.

So kam es, daß Mark Twain in der ›Quaker City‹ den Ausflug mitmachte, welche eine geschlossene Gesellschaft nach dem Süden Europas und dem Orient unternahm. Kapitän Duncan, der den Dampfer befehligte, behauptet, Clemens habe sich, als er den Platz bestellte, für einen Baptistenprediger von San Franzisco ausgegeben, der seine angegriffene Gesundheit durch die Fahrt wieder herzustellen wünsche. In Wirklichkeit reiste er jedoch als Zeitungskorrespondent und wußte die Gelegenheit vortrefflich auszunützen.

Nach beendeter Reise kehrte Mark Twain zunächst nach Washington zurück, wo er seine Thätigkeit als Zeitungskorrespondent fortsetzte und die Abfassung seiner großen Reisebeschreibung, durch welche er seinen litterarischen Weltruf begründete, begann. Ein Bekannter aus jener Zeit erzählt über seine damalige Lebensweise:

»In seinem Zimmer herrschte der größte Wirrwarr, den man sich vorstellen kann; auf dem Schreibtisch, der eine förmliche Sehenswürdigkeit war, lag alles durcheinander, neben alten Manuskripten standen nicht selten alte Stiefel. Beim Schreiben legte er das Papier nie auf den Tisch, dazu gab es keinen Raum, auch hätte die aufrechte Stellung ihm nicht behagt. Die Füße auf einem Haufen Manuskripte, den Stuhl nach hinten übergekippt, Notizbuch und Bleistift in der Hand – so war er gewohnt zu arbeiten. Um seine Gedanken in Fluß zu bringen, bedurfte es überdies einer ganz besonderen Atmosphäre von Tabaksqualm, den er ohne Unterlaß aus seiner Pfeife dampfte.« –

Im März 1868 reiste Mark Twain in Geschäften nach San Franzisco, kehrte aber schon nach fünfmonatlicher Abwesenheit wieder in den Osten zurück. Unterwegs auf dem Dampfboot und während des Aufenthalts in Kalifornien vollendete er die › Innocents Abroad‹, zu deutsch ›Die Harmlosen auf Reisen‹, welchen Titel er den Schilderungen seiner Reise auf der ›Quaker City‹ gab, um dadurch seinen naiv unbefangenen Standpunkt als Beurteiler von Land und Leuten anzudeuten. Von New York aus sah er sich dann nach einem Verleger für sein Werk um, es wollte ihm aber damit, nicht nach Wunsch gelingen. Vergebens wandte er sich wohl an ein Dutzend New Yorker Firmen, dann bot er das Buch einem Verleger in Hartford an und schickte es endlich nach Boston und Philadelphia; überall fand er den gleichen Mißerfolg. In höchst begreiflicher Entmutigung legte er das Manuskript nun beiseite, bis es eines Tages zufällig einem seiner litterarischen Freunde in die Hände geriet. Diesem gefiel es ausnehmend und er konnte nicht begreifen, daß nicht jeder erfahrene und urteilsfähige Verleger auf den ersten Blick erkannt habe, welche Anziehungskraft ein von so echtem Witz und Humor übersprudelndes Buch gerade auf das amerikanische Publikum üben müsse.

Es gelang denn auch wirklich, die Amerikanische Verlagsgesellschaft in Hartford zur Herausgabe der ›Harmlosen auf Reisen‹ zu bewegen. Der Entschluß ward den Direktoren schwer, aber sie brauchten ihn nicht zu bereuen. Es wurden etwa 200 000 Exemplare verkauft, mit denen die Verleger etwa 75 000 Dollars Reingewinn erzielten. Mark Twain erhielt die Hälfte der Einnahme und war überglücklich. Außer ›Onkel Toms Hütte‹ hatte noch nie ein Buch einen ähnlichen Erfolg in Amerika aufzuweisen gehabt und mit einem Schlage war der Ruhm des Verfassers begründet.

Nachdem seit der Veröffentlichung der ›Harmlosen auf Reisen‹ bald fünfundzwanzig Jahre verflossen sind, hat sich in den von Mark Twain damals bereisten Ländern so manches verändert, daß das Werk heute lange nicht den unmittelbaren und frischen Eindruck macht wie nach dem Erscheinen. Die gelungensten Episoden aus demselben sind in dem gegenwärtigen Band wiedergegeben.

Unter den Passagieren des Dampfers ›Quaker City‹, mit welchem Mark Twain diese denkwürdige Fahrt nach Europa unternahm, befand sich auch die Familie des Richters Langdon aus Elmira im Staate New York.

Ein Sohn des Richters wird uns unter dem Namen ›Dan‹ in den ›Harmlosen auf Reisen‹ vorgestellt, seine Tochter Olivia aber, eine hübsche, talentvolle junge Dame, die damals etwas leidend war, machte einen tiefen Eindruck auf das Herz des Humoristen.

Die Nähe von Elmira mag wohl Mark Twain bestimmt haben, sich um eine Redakteurstelle in Buffalo zu bewerben, wenigstens finden wir ihn gegen Ende des Jahres 1869 dort an der Zeitung ›Expreß‹ beschäftigt. Bei gelegentlichen Besuchen in Elmira erneuerte er die Bekanntschaft mit Fräulein Langdon und hegte bald das sehnlichste Verlangen, sie die Seine nennen zu dürfen. Die Familie war sehr wohlhabend und lebte in den angesehensten Verhältnissen; doch es gelang dem feurigen Bewerber, alle Schwierigkeiten, die sich der Erfüllung seines Wunsches entgegenstellten, zu überwinden. Im Februar 1870 ward die Hochzeit gefeiert und eine glücklichere Ehe wird wohl auf Erden selten zu finden sein. Es war ein Bund zweier Herzen, dem alle äußeren Wechselfälle des Lebens nichts anzuhaben vermochten. Die Neuvermählten bezogen zuerst ihr eigenes behaglich eingerichtetes Haus in Buffalo, das ihnen der Schwiegervater am Hochzeitstage zum Geschenk gemacht hatte. Im Herbst 1870 gab Clemens jedoch seine Stellung am Buffalo Expreß auf, dessen Miteigentümer er zuletzt gewesen war, und zog nach Hartford in Connecticut. Die ›Harmlosen auf Reisen‹ brachten ihm bedeutende Summen ein, er war jetzt ein wohlhabender Mann und brauchte seine Feder nicht mehr in den Dienst der Tagespresse zu stellen, sondern konnte schreiben wann und wo es ihm beliebte, da seine Geisteserzeugnisse stets reißenden Absatz hatten.

1871 erschien ein neues Buch von ihm, › Roughing it‹, in welchem er mit köstlichem Humor sein abenteuerliches Leben unter den Goldgräbern schildert. Das Werk fand großen Beifall, was der Verfasser in seiner humoristischen Weise besonders der anregenden Wirkung des Tabaks zuschreibt. »Von meinem achten Jahre an,« berichtet er, »begann ich unmäßig zu rauchen, monatlich etwa hundert Zigarren; als ich zwanzig Jahre alt war, verbrauchte ich zweihundert den Monat und mit dreißig Jahren hatte ich es bis dreihundert gebracht. In meinem fünfzehnten Jahre rauchte ich einmal drei Monate lang gar nicht, ob das aber eine gute oder schlechte Wirkung hatte, erinnere ich mich nicht mehr. Mit zweiundzwanzig Jahren wiederholte ich den Versuch; mit vierunddreißig hörte ich anderthalb Jahre lang ganz auf zu rauchen. Meine Gesundheit wurde nicht besser davon, wahrscheinlich, weil an derselben überhaupt nichts auszusetzen war. Damals schrieb ich nur zum Zeitvertreib dann und wann einen Journalartikel, und eine Abnahme meiner Geisteskräfte war mir nicht gerade aufgefallen. Als ich mich nun aber eines Tages daran machte, laut abgeschlossenen Vertrags für einen Verleger ein Buch zu schreiben – nämlich › Roughing it‹ – da fühlte ich, wie schwer es mir wurde. In drei Wochen brachte ich nur sechs Kapitel fertig. Nun wußte ich, was die Glocke geschlagen hatte; ich gab den Kampf auf, rauchte wieder meine dreihundert Zigarren, verbrannte die sechs Kapitel und beendete das ganze Buch mit Leichtigkeit in drei Monaten.«

  1. In unser« Ausgabe betitelt: »Nach dem fernen Westen« und: »Im Gold- und Silberlande.« (Band 4 und 5 der humoristischen Schriften.)

Viertes Kapitel

Viertes Kapitel

Viertes Kapitel

Mark Twains spätere Werke.

Im Jahre 1872 unternahm Mark Twain eine Reise nach Europa, um mit dortigen Verlegern über die Herausgabe seiner Bücher zu unterhandeln. In England war er schon wohlbekannt und ein willkommener Gast. Er erzählt uns von einem Festmahl in London, zu welchem acht- bis neunhundert Personen Einladungen erhalten hatten und dem er auch beiwohnte. Bei Beginn des Festes wurden die Namen sämtlicher Berühmtheiten verlesen, welche anwesend waren, wobei die Versammlung jeden einzelnen mit mehr oder weniger Beifall begrüßte. Dies fand Mark Twain auf die Dauer ermüdend und er fing an, sich mit seinem Tischnachbar zu unterhalten, bis plötzlich ein wahrhaft betäubender Beifallssturm das Gespräch unterbrach. Von der allgemeinen Begeisterung mit fortgerissen, begann auch er aus Leibeskräften zu klatschen. »Wem gilt denn das?« fragte er endlich verwundert, als sich der Lärm noch immer nicht legen wollte. »Herrn Samuel Clemens,« war die Antwort. Das überwältigte ihn so sehr, daß er die Arme sinken ließ, regungslos sitzen blieb und sich in seiner Verwirrung nicht einmal dankend verbeugte.

Als ›Tom Sawyer‹ 1876 erschien, erreichte Mark Twain den Gipfel seines Ruhms. Das Buch fand ungeheuern Absatz; in kürzester Frist war immer eine Auflage nach der andern vergriffen. Im folgenden Jahre kam das ›Skizzenbuch‹ heraus, eine Sammlung humoristischer Erzählungen und Aufsätze, die der Verfasser gelegentlich in verschiedenen Zeitungsblättern veröffentlicht hatte. Es zeugt von seiner großen Vielseitigkeit und manche Liebhaber Mark Twains geben diesen kleinen Stücken den Vorzug vor seinen größeren Schöpfungen.

Die Reise, welche Mark Twain im Frühling 1878 mit seiner Familie nach Europa machte, lieferte ihm den Stoff für sein berühmtes Buch: ›A Tramp Abroad‹. Der Weg führte ihn durch England, Frankreich und die Schweiz nach Deutschland, wo er sich für den Sommer niederließ und eingehende Studien über Sprache, Sitten, Lebensgewohnheiten und Vergnügungen der Deutschen anstellte. Wir lernen in diesem Buch eine ganz neue und unterhaltende Persönlichkeit kennen, nämlich Twains Reisegefährten Harris, der bald Führer, bald Kurier ist, sich zur Zielscheibe vieler Späße hergeben muß und in allerlei Verlegenheiten gerät. Zu einer wörtlichen und vollständigen Wiedergabe im Deutschen eignet sich ›A Tramp Abroad‹ nicht, dagegen sind die vorzüglichsten Episoden daraus dem sechsten Bande unserer Auswahl einverleibt.

Nach Amerika zurückgekehrt, gab Mark Twain den ›Gestohlenen weißen Elefanten‹ heraus. In diesem Band findet sich auch das berühmte ›Brüder, knipst ein!‹ dessen Ursprung auf eine Einrichtung zurückzuführen ist, die damals versuchsweise in der New Yorker Stadtbahn getroffen wurde. Sie bestand in einer Art gegenseitiger Kontrolle für Schaffner und Reisende; die betreffende Verfügung der Direktion wurde in den Koupees angeschlagen; sie war zufällig so abgefaßt, daß sie sich von selbst zu reimen schien und eine Art Gassenhauer bildete, der bald in aller Munde war. Mark Twain hat diesen Umstand aufs trefflichste benützt, um seinen Witz auszulassen.

Im Jahre 1883 erschien das ›Leben auf dem Mississippi‹, welches ein bedeutendes Bruchstück aus dem eigenen Leben des Verfassers enthält. Im ersten Teil desselben schildert er aufs anschaulichste seine Thätigkeit als Lotse auf einem Dampfer des Riesenstromes, während er im zweiten Teil bei den Veränderungen verweilt, die sich seit dem Bürgerkriege auf dem Mississippi und an dessen Ufern vollzogen haben.

Eine Erzählung ganz eigener Art, mit der Mark Twain selbst seine genauesten Freunde überraschte, ›Prinz und Bettelknabe‹ folgte 1885. Es kann nicht eigentlich unter die humoristischen Schriften zählen, verrät vielmehr die eingehendsten und genauesten Kenntnisse der Zustände Altenglands, die nur als Frucht ausgedehnter Geschichts- und Sprachstudien gewonnen werden konnten.

In ›Huckleberry Finn‹, der Fortsetzung und dem Seitenstück von ›Tom Sawyer‹, das 1886 veröffentlicht wurde, bot der Verfasser seinem Publikum eine hochwillkommene Gabe. Sie berichtet die weiteren Erlebnisse Tom Sawyers und seines Freundes Huckleberry und macht den Leser mit einer Menge neuer Charaktere bekannt, die durch ihre Frische und Eigenart ungewöhnlich anziehend sind.

Ferner hat Mark Twain geschrieben: ›Der amerikanische Prätendent‹, – ›Ein Yankee an dem Hofe König Arthurs‹, – ›Die Jungfrau von Orleans‹. Die erste dieser Erzählungen erschien zwar in deutscher Uebersetzung, bleibt jedoch hinter anderen humoristischen Schöpfungen des Autors zurück. Die beiden anderen Erzählungen verraten gleich dem früher erwähnten ›Prinz und Bettelknabe‹, daß Mark Twain sehr eingehende Studien der altenglischen und altfranzösischen Geschichte getrieben hat; sein Werk über die »Jungfrau von Orleans« ist übrigens durchaus ernster Art. Dagegen zeigt er in seiner Erzählung ›Querkopf Wilson‹ (in deutscher Uebersetzung 1898 im Verlag von Rob. Lutz in besonderer Ausgabe erschienen) wiederum den Humor seiner besten Zeit, ja manche Kritiker schätzen ›Querkopf Wilson‹ als eine der genialsten Gaben des Autors. Die Erzählung spielt in den dreißiger Jahren in einem der damaligen Sklavenstaaten am Mississippi und er hat in ihr den Typus einer Negermutter geschaffen, der in seiner tragi-komischen Gestaltung kaum wirkungsvoller dargestellt werden könnte. Der eigentliche Held der Erzählung ›Querkopf Wilson‹ ist ein Sonderling, dem Mark Twain durch eine Reihe von Sprüchen, die im ›Kalender Wilsons‹ enthalten sind, einen Teil seiner eigenen Lebensweisheit in den Mund gelegt hat. – Von seinem allerneuesten Werk: der ›Reise um die Welt‹ wird später die Rede sein.

Von Mark Twains Büchern sind in Amerika über eine Million Exemplare verkauft worden und ungefähr halb so viele in England und den Kolonien; auch wurden die meisten seiner Werke ins Französische, Italienische, Deutsche, Norwegische und Dänische übertragen.

In Deutschland waren Mark Twains Schriften vor Erscheinen der vorliegenden Ausgabe wenig verbreitet. Erst durch diese, welche den schwer zu verdeutschenden Autor in einer allen Anforderungen entsprechenden guten Übersetzung zu billigem Preis bringt, und zwar durch Auswahl des Allerbesten und für Deutschland Passendsten, hat Mark Twain in Deutschland eine noch immer im Wachsen begriffene Volkstümlichkeit erlangt.

Fünftes Kapitel

Fünftes Kapitel

Fünftes Kapitel

Oeffentliche Vorlesungen.

Von vielen Seiten aufgefordert, vereinigten sich Mark Twain und George W. Cable im Jahre 1884 zu einer Rundreise durch die Vereinigten Staaten, um Vorlesungen aus ihren eigenen Werken zu halten. Ueberall, wohin die beiden Schriftsteller kamen, wurden sie mit Freuden aufgenommen und fanden volle Häuser. Wie wir bereits wissen, war für Mark Twain ein solches öffentliches Auftreten nichts Neues; schon 1866 und 1867 hatte er in Nevada und Kalifornien eine Reihe von Vorlesungen gehalten, sich auch bei verschiedenen Gelegenheiten in England vor einem größeren Publikum hören lassen. Sehr beliebt war er auch als Tischredner bei Festessen, seine Toaste in Boston und New York hatten Aufsehen erregt, auch seine Shakespearevorlesungen rühmte man als meisterhaft.

Die obenerwähnte Vorlesungstour dauerte fünf Monate und es trug sich manches Spaßhafte dabei zu. Als Clemens und Cable nach Albany, der Hauptstadt des Staates New York, kamen, machten sie dort in Gesellschaft mehrerer anderer Herren dem Gouverneur ihre Aufwartung und wollten auch das Kapitol besuchen. Der Generaladjutant war ausgegangen und sie mußten im Bureau auf seine Rückkehr warten. Clemens ließ sich behaglich an einem der Schreibtische nieder, die andern Herren setzten sich gleichfalls und bald war eine heitere Unterhaltung im Gange. Da kamen plötzlich von allen Seiten wohl ein Dutzend Schreiber und Beamte, die in der Abteilung beschäftigt waren, ins Bureau gestürzt, um nach ihrem Begehr zu fragen. Die Mitglieder der Gesellschaft sahen einander verwundert an, sie begriffen nicht, um was es sich handeln könne. Bald jedoch stellte es sich heraus, daß Mark Twain zufällig oder absichtlich auf den elektrischen Klingeln Platz genommen und die ganze Reihe auf einmal in Bewegung gesetzt hatte.

In Montreal befanden sich unter Mark Twains Zuhörern viele Franzosen; dies veranlaßte ihn zu folgender Anrede:

»Die hier anwesenden Gäste sind der größten Anzahl nach Franzosen; es wird daher wohl angemessen sein, daß ich wenigstens einen Teil meiner Rede in ihrer schönen Sprache halte, um doch einigermaßen verstanden zu werden. Mich überfällt immer eine gewisse Blödigkeit, wenn ich französisch sprechen soll; nur wenn ich in Aufregung gerate, geht es fließend. Auch bin ich, soviel ich weiß, noch nie für einen Franzosen gehalten worden, wenigstens nicht von Menschen, höchstens von Pferden. Ich hatte früher gehofft, mich durch den französischen Satzbau allein schon verständlich machen zu können, aber, der Versuch, welchen ich einmal in Quebec damit anstellte, mißlang gänzlich. Als das Dienstmädchen mir öffnete, fragte ich: ›Herr Soundso, ist er bei sich?‹ – Sie verstand mich nicht. Ich fuhr fort: ›Ist es, daß er noch nicht ist zurückgekehrt nach seinem Haus der Geschäfte?‹ – Sie begriff mich noch immer nicht. ›Er wird sein trostlos, wenn er hört, daß sein Freund Amerikaner ist angekommen und er nicht bei sich, ihm zu schütteln die Hand.‹ Selbst das verstand sie nicht – weshalb, ist mir unbegreiflich. Ja, sie wurde sogar ärgerlich und als ihr jemand von hinten zurief: ›Wer ist denn da?‹ erwiderte sie kurz: ›Ein Narr!‹ und schlug mir die Thür vor der Nase zu. – Vielleicht hatte sie nicht unrecht; aber wie konnte sie es wissen – sie sah mich doch zum allererstenmal! – Wie gesagt, ich möchte bei diesem Vortrag meinen Gefühlen gern auf Französisch Luft machen, aber ganz schmucklos, ohne alle blumigen Redensarten, denn nach meiner Meinung ist edle Einfachheit die größte Zierde jedes litterarischen Erzeugnisses! also: J’ai un beau bouton de mon oncle, mais je n’ai pas celui du charpentier. Sie vous avez le frommage du brave menuisier, c’est bon; mais si vous ne l’avez pas, ne vous désolez pas, prenez le chapeau de drap nour de son beaufrère malade. Tout à l’heure! Savoir faire! Qu’est ce que vous dites? Pâté de foie gras. Revenons à nos moutons. Pardon messieurs, pardonnez moi; j’ai essayé de parler la belle langue d’Ollendorf, aber das macht mir mehr Mühe, als Sie sich vorstellen können. Glauben Sie mir, ich habe es in bester Absicht gethan und so gut ich irgend konnte.« – Von seinen bekanntesten Tischreden erwähnen wir nur einen Toast auf das ›Weib‹. Er sagt dabei unter anderem folgendes:

»Die Tochter der modernen Zivilisation ist das kostbarste und auserlesenste Wunder, das uns je vorgekommen ist. Um sie zu erzeugen, müssen alle Länder, alle Zonen, alle Künste ihren Beitrag liefern: Ihr Weißzeug ist aus Belfast, ihr Kleid aus Paris, ihr Fächer aus Japan, ihr Bouquethalter aus China, ihre Uhr aus Genf, ihr Haar aus – ja, wo ihr Haar her ist, habe ich nie ausfindig machen können. Ich meine natürlich nicht ihr gewöhnliches Haar, mit dem sie zu Bette geht, sondern ihr Sonntagshaar, das Ding, das sie zusammendreht und dann immer rund um den Kopf wickelt wie einen Bienenkorb, unter dem sie zuletzt das Ende verschwinden läßt …«

Bald nachdem Clemens wieder nach Hartford zurückgekehrt war, suchte ihn dort ein angesehener Verleger auf, der von ihm einen literarischen Beitrag zu haben wünschte und sich erbot, jeden Preis dafür zu zahlen, den der Humorist fordern würde.

»Wissen Sie,« erwiderte ihm Mark Twain in seiner schleppenden Weise, »eben erst habe ich mir ein schauderhaft dickes Buch vom Halse geschrieben und den Bewohnern dieses unglücklichen Landes eine endlose Reihe Vorlesungen auf den Hals gejagt; mir ist zu Mute wie einer Riesenschlange, die einen Ziegenbock verschluckt hat. Ich muß wenigstens ein halbes Jahr still liegen, ohne auch nur den Schwanz zu rühren.«

Das sollte seine abschlägige Antwort bedeuten.

Sechstes Kapitel

Sechstes Kapitel

Sechstes Kapitel

Mark Twain daheim.

Als Clemens 1871 den Entschluß faßte, Buffalo zu verlassen und seinen dauernden Wohnsitz im Osten zu nehmen, wählte er, wie bereits erwähnt, Hartford in Connecticut. Die Stadt hatte ihm bei einem früheren Besuche gleich ausnehmend gefallen, da sie regen geistigen Verkehr und lebhaften Handel und Wandel mit ländlicher Zurückgezogenheit zu vereinigen schien.

In Nook Farm auf der Farmington Avenue, etwa fünfviertel Meilen von der Geschäftsgegend der Stadt entfernt, baute er sich ganz nach eigenem Geschmack ein geräumiges Wohnhaus aus verschiedenfarbigen Backsteinen und buntem Mörtel, welches mit seinen Giebeln, Bogenwölbungen und altertümlichen Fenstern einem jener altadeligen Herrenhäuser nicht unähnlich sieht, an welchen England so reich ist.

Von Mark Twains glücklichem Leben in den siebziger und achtziger Jahren hat ein Hausfreund ein anziehendes Bild entworfen. Er schreibt:

An Mitteln, sein Besitztum zu vergrößern und zu verschönern, hat es Mark Twain nicht gefehlt, seit er mit seiner jungen Frau in Hartford Einzug gehalten hat. Alles, was die Neuzeit durch Kunst und Erfindung zur Annehmlichkeit des Lebens beitragen kann, findet sich in ihrem Heim reichlich vertreten.

Mark Twains Arbeitszimmer ist im obern Stock und bietet eine herrliche Aussicht, die man am besten von einem der drei Balkons genießt, welche an das Zimmer stoßen. In einer Ecke steht der Schreibtisch und in der Mitte des Raumes das Billard, auf dem der Hausherr gern von Zeit zu Zeit ein Paar kunstgerechte Stöße thut, wenn er sich vom Schriftstellern erholen will. Es ist sein Lieblingsspiel, das er mit ebenso viel Eifer als Geschicklichkeit betreibt. Ein Freund erzählt von ihm, er habe einmal mitten in der Partie bemerkt, daß Funken, die aus dem Kamin gesprungen waren, einen Haufen loser Papiere auf dem Boden entzündet hatten und eine Feuersbrunst zu befürchten stand. Statt das Spiel zu unterbrechen, klingelte er nach dem Diener, befahl diesem, den Brand zu löschen und that zugleich einen wahren Meisterstoß mit dem Queue, das er in der Hand hielt. Mark Twain gerät nie in Aufregung.

Das Jahr zerfällt für ihn in zwei Teile. Vom 1. Juni bis Mitte September lebt er auf der Besitzung von Verwandten seiner Frau, in Quarry Farm bei Elmira im Staate New York. Hier ist für ihn ein Sommerhaus errichtet worden, das auf einer Bergspitze, sechshundert Fuß über dem Thalgrund, steht. Das Gebäude ist fast durchweg aus Glas und zwar nach dem Muster der Lotsenbehausung auf einem Mississippidampfer gebaut. Von allem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen, beschäftigt sich Clemens hier hauptsächlich mit seinen schriftstellerischen Arbeiten. Jeden Morgen um halb neun begiebt er sich in seine luftige Schreibstube, die etwas abseits vom Hause liegt, und bleibt dort, bis das Blasen eines Horns ihn ungefähr um fünf Uhr zu Tische ruft. Dazwischen nimmt er keine Mahlzeit ein und es herrscht strenge Weisung, ihn während seiner Arbeitszeit nicht zu stören. Sein einziger Genuß währenddem ist seine Zigarre. Wie bekannt, ist er ein leidenschaftlicher Rancher und läßt die Zigarre selten ausgehen. Bei der Arbeit ist sie ihm geradezu unentbehrlich, da er ohne sie nichts von Belang zustande bringt. Auf Reisen nimmt er immer seine eigene Sorte mit, auch eine Auswahl der kurzen Pfeifen, an die er gewöhnt ist, und einen Vorrat Tabak. Ein Herr, der ihn bei seiner letzten Ueberfahrt nach Frankreich auf dem Dampfer traf, erzählt scherzend, er sei stets mit einem ungeheuern Tabakspaket und einer Anzahl Zigarrenschachteln auf Deck gekommen, da er die Sorge für diesen Teil seines Gepäcks keiner Menschenseele anvertrauen wollte. Wenn er sich eine frische Zigarre anzündete, so habe er unterdessen das Tabakspaket auf den Boden gelegt und mit dem Fuße festgehalten, damit es ihm niemand entwenden konnte.

Er ist übrigens beständig auf der Jagd nach einer Zigarre, die in Bezug auf Preis und Güte alle seine Ansprüche befriedigt. Einmal glaubte er die Sorte gefunden zu haben, die er suchte, und man sagt, daß nach einer Abendgesellschaft, die er im Winter bei sich in Hartford gab, jeder seiner Gäste sich vor dem Fortgehen eine von diesen Zigarren anzünden mußte. Am andern Morgen fand er sie sämtlich auf dem Schnee liegen, neben dem Fußpfad, der durch seine Wiese führt. Die Herren hatten sie alle aus Höflichkeit geraucht, bis sie im Freien waren, wo ihr Selbsterhaltungstrieb über die Höflichkeit siegte. Sie warfen die Zigarre fort, ohne zu bedenken, daß man sie bei Tageslicht finden werde. Durch die Entdeckung, welche der nächste Morgen brachte, war das Urteil über die neue Sorte ein für allemal gesprochen.

In Elmira arbeitet Clemens angestrengt. Er stellt da die Aufzeichnungen, die er das Jahr über in seinen Notizbüchern gemacht hat, zu einem Ganzen zusammen, beendet angefangene Arbeiten und giebt dem, was nur Entwurf war, seine endgültige Form. Es liegt übrigens nicht in seiner Art, bei einer schriftstellerischen Unternehmung zu bleiben und sie zu Ende zu führen, ehe er etwas Neues beginnt, sondern er hat immer eine Anzahl Pläne zugleich vor und arbeitet daran je nach Stimmung.

Außer seiner Leidenschaft für das Billard hat Mark Twain auch eine große Vorliebe für das Velociped. Er hält sich zwar in Hartford Wagen und Pferde, macht aber am liebsten große Ausflüge auf dem Zweirad. Auch ist er ein unermüdlicher Fußgänger; sein Freund, der Prediger an der Hartforder Kirche, welche Clemens regelmäßig besucht, begleitet ihn gewöhnlich auf seinen weiten Spaziergängen.

Führt Clemens in Elmira ein meist zurückgezogenes Leben, so ist dagegen sein Tageslauf in Hartford, wohin er im September zurückkehrt, voll Abwechslung und Unterhaltung. Hier hält er seine Zeit weniger streng zu Rate und überläßt sich ungehindert den Freuden des geselligen Verkehrs. Er bewirtet viele Freunde und sein gastfreies Haus bildet einen Mittelpunkt für die litterarische Welt. Howells, der ausgezeichnete Novellist, verkehrt stetig bei ihm, wie früher Bayard Taylor, Cable, Aldrich, Henry Irving und viele andere Berühmtheiten bei ihm zu Gaste gewesen sind; der Humorist Dudley Warner und die bekannte Harriet Beecher-Stowe wohnen ganz in seiner Nähe. Man sagt, daß er einmal, als er der Verfasserin von ›Onkel Toms Hütte‹ einen Besuch machte, in seiner Zerstreutheit vergessen hatte, Kragen und Krawatte anzulegen. Bei seiner Heimkehr bemerkte seine Gemahlin mit Schrecken, welchen gesellschaftlichen Verstoß er begangen habe; Mark Twain blieb jedoch höchst gelassen und sagte, er wolle es schon wieder gut machen. Er legte nun den Kragen nebst der Krawatte in eine Schachtel und schickte beides zu Frau Stowe hinüber.

Mark Twain liebt seine Häuslichkeit über alles und ist ein zärtlicher Gatte und Vater. Von seinen drei hübschen Töchtern ist Susan, die älteste, 1872 geboren, Clara 1874 und Jean 1880; ein Söhnchen starb schon in früher Kindheit. Frau Clemens ist zehn Jahre jünger als ihr Mann, einfach und anspruchslos in ihrem ganzen Wesen und Auftreten und von sanfter, stiller Gemütsart. Derselben soll, wie behauptet wird, jeder Sinn für ihres Mannes Witze abgehen. Bei dem Tode seiner Mutter habe Clemens geäußert, jetzt lebe kein Glied mehr in der Familie, das seine Witze verstehen könne.

Susan Clemens gilt für ihres Vaters Liebling und hat viel von seiner Begabung geerbt. In dem Tagebuch, das sie eine Zeitlang führte, pflegte sie allerlei kleine Familienereignisse aufzuzeichnen und eigene Bemerkungen hinzuzufügen. Frau Clemens las einmal darin folgenden Satz: »Der Vater braucht immer viel stärkere Ausdrücke, wenn die Mutter nicht dabei ist, oder wenn er glaubt, daß ›wir‹ es nicht hören.« Sie zeigte dies ihrem Gatten, der nun absichtlich mancherlei sagte, was dem Kinde auffallen mußte. Auch fand er seine Aussprüche nachträglich stets in dem Tagebuche verzeichnet, bis es einmal darin hieß: »Ich werde jetzt nichts mehr über den Vater schreiben, denn ich glaube, er hat mein Tagebuch gelesen und thut und sagt mit Fleiß viele Dinge, damit ich sie aufschreiben soll.«

Wir möchten diesen Abschnitt nicht schließen, ohne nochmals auf das schöne Band zurückzukommen, das Mark Twain und seine Gattin verbindet. Von ihr als der Erzieherin seiner Kinder schrieb er folgende goldene Worte:

»Meine Kinder haben keine treuere und bessere Freundin als ihre Mutter, das wissen sie, und was ihre Hand nur berührt hat, gilt ihnen als geheiligt. Nie hat sie ihnen unrecht gethan, nie ist sie ihnen gegenüber von der Wahrheit abgewichen; sie hält jedes Versprechen, ob es Lohn oder Strafe verheißt, darauf können sie sich verlassen; kein unverständiges Gebot ist je aus ihrem Munde gegangen und stets hat sie unbedingten Gehorsam verlangt. Freundlich und höflich müssen sie in Wort und Benehmen gegen Leute jeden Standes sein und auch ihnen wird stets die liebevollste Rücksicht zu teil. Das alles wissen sie, denn sie besitzen die beste und gütigste Mutter, die gelebt hat.«

Das Zusammenleben mit seiner edlen Gattin betrachtet Mark Twain als das größte Glück seines Lebens und wenn gelegentlich eine Trennung unvermeidlich ist, dann sucht er in einer täglichen Korrespondenz Ersatz. Es berührt uns in dem Zeitalter der Postkarten ganz wunderbar, wenn er erzählt, wie umfangreich der Briefwechsel zwischen ihm und seiner Frau bei jeder Trennung ist. Er schreibt ihr täglich. »In sechs Monaten,« sagte er einmal zu einem Bekannten, »habe ich mindestens 200 000 Wörter an meine Frau geschrieben, und diese Briefe sind nach meiner Ansicht auch in literarischer Beziehung das Beste, was ich je verfaßt habe, der Stil ist so leicht und fließend und die Schilderung so lebendig, wie sie mir nie gelingt, wenn ich für den Druck schreibe. Als ich dies einmal Herrn Walker vom ›Cosmopolitan‹ erzählte, meinte er, es sei eine kolossale Verschwendung, er würde mir 1000 Dollars für jeden dieser Briefe geben Das schrieb ich meiner Frau und sagte ihr, ich könne keine solche Verschwendung treiben, sie möchte mir die Briefe wieder schicken. ›Nur für 1500 Dollars das Stück‹, schrieb sie zurück. Aber ich weiß schon, wenn ich sie beim Wort nähme, würde sie aufschlagen.« –

Im übrigen kann Mark Twain sehr schreibfaul sein; wo Liebe oder Pflicht ihm nicht die Feder in die Hand drücken, läßt er dieselbe gerne ruhen. In dieser Beziehung ist folgende Anekdote charakteristisch: Der englische Schriftsteller Ballentine hatte lange auf eine Antwort von Mark Twain gewartet. Endlich verlor er die Geduld und schickte ihm mit der Post einen Briefbogen und eine Briefmarke, um ihn an seine Versäumnis zu erinnern. Als Erwiderung erhielt er folgende Postkarte: »Papier und Marke erhalten. Bitte, schicken Sie ein Kouvert.«