Fünfunddreißigstes Capitel.

Fünfunddreißigstes Capitel.

Passepartout läßt sich einen Auftrag nicht zweimal sagen.

Am folgenden Tag würden die Bewohner der Saville-Row sehr erstaunt gewesen sein, hätte man ihnen gesagt, Herr Fogg sei wieder heimgekehrt. Thüren und Fenster waren sämmtlich geschlossen; außen war nicht das Geringste verändert.

In der That war Phileas Fogg vom Bahnhof weg, nachdem er Passepartout beauftragt hatte, einige Lebensmittel zu kaufen, in sein Haus zurückgekehrt.

Dieser Gentleman nahm den Schlag, welcher ihn traf, mit gewohntem Gleichmuth auf. Ruinirt! und durch Schuld des unglückseligen Polizei-Agenten! Mit sicherem Schritt hatte er die ganze Reise gemacht, tausend Hindernisse beseitigt, tausend Gefahren getrotzt, hatte noch Zeit gefunden, unterwegs Wohlthaten zu üben – und nun mußte er im Hafen noch scheitern durch eine brutale That, welche er nicht voraussehen konnte, und gegen welche er entwaffnet war! Schreckliches Loos! Von der ansehnlichen Summe, welche er bei der Abreise mitgenommen hatte, war ihm nur ein unbedeutender Rest geblieben. Sein Vermögen bestand nur noch aus den zwanzigtausend Pfund, welche bei den Gebrüdern Baring deponirt waren, und diese schuldete er seinen Collegen vom Reform-Club. Nach den ungeheuern Ausgaben, welche er gemacht, hätte ihn diese Wette, wenn er sie gewonnen, allerdings nicht reicher gemacht, und vermuthlich hatte er auch dabei nicht nach Bereicherung getrachtet, aber der Verlust dieser Wette ruinirte ihn gänzlich. Uebrigens hatte der Gentleman seinen Entschluß gefaßt; er wußte, was ihm zu thun übrig blieb.

Ein Zimmer im Hause der Saville-Row war für Mrs. Aouda vorbehalten. Die junge Frau war in Verzweiflung: sie hatte aus einigen Aeußerungen des Herrn Fogg abgenommen, daß er etwas Unheilvolles im Sinne hatte.

Es ist bekannt, zu welchen beklagenswerthen äußersten Schritten mitunter die Engländer, welche an einer fixen Idee leiden, fortgerissen werden. Daher überwachte auch Passepartout seinen Herrn, ohne daß man’s merkte.

Aber vor allen Dingen war der brave Bursche in sein Zimmer gegangen und hatte die Gasflamme gelöscht, welche seit achtzig Tagen brannte. Es fand sich im Briefkasten eine Rechnung der Gasgesellschaft, und er mußte diesen Kosten, welche er verschuldete, Einhalt thun.

Die Nacht verfloß, Herr Fogg war zu Bette gegangen, aber schlief er auch? Mrs. Aouda konnte nicht einen Augenblick Ruhe finden. Passepartout wachte wie ein treuer Hund an der Thüre seines Herrn.

Am folgenden Morgen ließ ihn Herr Fogg kommen, und empfahl ihm in sehr knappen Worten, ein Frühstück für Mrs. Aouda zu bereiten; er werde sich mit einer Tasse Thee und einem Stück Braten begnügen. Mrs. Aouda möge ihn für seine Theilnahme am Frühstück und Diner entschuldigen, denn er sei vollauf mit Ordnung seiner Angelegenheiten beschäftigt. Er werde nicht hinunter kommen; nur am Abend werde er sich die Erlaubniß ausbitten, Mrs. Aouda einige Augenblicke zu sprechen.

Passepartout hatte sich diesem Tagesprogramm nur zu fügen. Er sah seinen Herrn an, der fortwährend keine Gemütsbewegung erkennen ließ, und konnte sich nicht entschließen, sein Zimmer zu verlassen. Es schwoll ihm sein Herz, sein Gewissen war von Vorwürfen gepeinigt, denn mehr wie je maß er sich die Schuld des unverbesserlichen Unheils zu. Ja! hätte er Herrn Fogg gewarnt, hätte ihm des Agenten Fix Pläne enthüllt, so hätte derselbe sicherlich nicht den letzteren mit sich herumgeschleppt, um dann …

Passepartout konnte sich nicht mehr zurückhalten.

»Mein Herr! Herr Fogg! rief er, fluchen Sie mir. Ich bin schuld, daß …

– Ich klage Niemand an, erwiderte Phileas Fogg im ruhigsten Ton. Gehen Sie.«

Passepartout verließ das Zimmer und suchte die junge Frau auf, theilte ihr die Absicht seines Herrn mit.

»Madame, fügte er bei, ich vermag nichts durch mich selber, nichts! Ich habe auf den Geist meines Herrn gar keinen Einfluß. Sie vielleicht …

– Was sollte ich für Einfluß üben, erwiderte Mrs. Aouda, Herr Fogg gestattet gar keinen! Hat er jemals begriffen, daß meine Dankbarkeit gegen ihn grenzenlos ist? Hat er jemals in meinem Herzen gelesen? … Mein Freund, Sie dürfen ihn nicht einen Augenblick verlassen. Sie sagten, er habe die Absicht zu erkennen gegeben, mich diesen Abend zu sprechen?

– Ja, Madame. Es handelt sich ohne Zweifel darum, Ihre Lage in England zu sichern.

– Warten wir«, erwiderte die junge Frau, die ganz nachdenklich wurde.

Also war während dieses Sonntags das Haus der Saville-Row wie unbewohnt, und zum erstenmal, seit Phileas Fogg dasselbe bewohnte, ging er nicht in seinen Club, als es auf der Thurmuhr des Parlaments halb Zwölf schlug.

Und weshalb hätte der Gentleman in den Reform-Club gehen sollen? Seine Collegen erwarteten ihn da nicht mehr. Weil Abends zuvor, an dem verhängnisvollen Samstag, 21. December, Phileas Fogg nicht um acht Uhr fünfundvierzig im Salon des Reform-Clubs erschienen war, hatte er seine Wette verloren. Es war nicht einmal nöthig, daß er zu seinem Bankier ging, um die zwanzigtausend Pfund zu holen. Seine Gegner hatten eine von ihm unterzeichnete Anweisung in Händen, und es war bei den Gebrüdern Baring nur ein Schriftzug nöthig, um die zwanzigtausend Pfund auf ihr Conto überzutragen.

Herr Fogg brauchte also nicht auszugehen, und er ging auch nicht aus. Er blieb auf seinem Zimmer und ordnete seine Angelegenheiten. Passepartout nur ging unaufhörlich die Treppen des Hauses auf und ab. Es gab für den armen Jungen weder Zeit noch Stunde mehr. Er horchte an der Thüre seines Herrn, und dachte dabei nicht im Mindesten unrecht zu thun; er sah durch das Schlüsselloch, und meinte ein Recht dazu zu haben: er fürchtete jeden Augenblick eine Katastrophe. Manchmal dachte er an Fix, aber, seine Gedanken hatten schon umgeschlagen: er grollte dem Polizei-Agenten nicht mehr. Fix hatte sich, wie Jedermann, in Hinsicht Phileas Foggs geirrt, und indem er ihm nachschlich, ihn verhaftete, that er nur seine Schuldigkeit, während er … Dieser Gedanke drückte ihn zu Boden, und er hielt sich für den allerelendesten Menschen.

Wenn sich endlich Passepartout in seinem Alleinsein zu unglücklich fühlte, klopfte er an Mrs. Aouda’s Thüre, trat in ihr Zimmer, setzte sich, ohne ein Wort zu sagen, in eine Ecke und sah die junge Frau an, die stets gedankenvoll war.

Gegen halb acht Uhr Abends ließ Herr Fogg bei Mrs. Aouda anfragen, ob sie ihn empfangen könne, und nach einer kleinen Weile befand er sich mit derselben allein in ihrem Gemach.

Phileas Fogg nahm einen Stuhl und setzte sich neben dem Kamin der Mrs. Aouda gegenüber. Seine Gesichtszüge zeigten gar keine Gemüthsbewegung. Fogg war bei seiner Rückkehr gerade wie bei seiner Abfahrt, ebenso ruhig, ebenso rührungslos.

Fünf Minuten sprach er kein Wort. Nachher blickte er Mrs. Aouda in’s Angesicht und sprach:

»Madame, werden Sie mir verzeihen, daß ich Sie nach England mitgenommen habe?

– Ich, Herr Fogg! … erwiderte Mrs. Aouda, ihr Herzklopfen unterdrückend.

– Haben Sie die Güte, mich ausreden zu lassen, fuhr Herr Fogg fort. Als ich den Gedanken hatte, Sie von dem Lande, das für Sie so gefahrvoll war, weit wegzuführen, war ich reich, und ich konnte darauf rechnen, einen Theil meines Vermögens zu Ihrer Verfügung zu stellen. Sie hätten hier ein glückliches und freies Leben führen können. Jetzt bin ich ruinirt.

– Ich weiß es, Herr Fogg, erwiderte die junge Frau, und ich frage Sie meinerseits: Werden Sie mir verzeihen, daß ich Sie begleitet, und, wer weiß vielleicht durch Verzögerung zu Ihrem Ruin beigetragen habe?

– Madame, in Indien konnten Sie nicht bleiben, und Ihre Rettung war nur dann gesichert, wenn Sie weit genug entfernt waren, daß jene Fanatiker Sie nicht wieder in ihre Hand bekamen.

– Also, Herr Fogg, fuhr Mrs. Aouda fort, nicht zufrieden, mich von einem schrecklichen Tode zu retten, hielten Sie sich auch für verpflichtet, meine Lage im Ausland zu sichern?

– Ja, Madame, erwiderte Fogg, aber die Ereignisse sind gegen mich gewesen. Doch bitte ich mir zu gestatten, daß ich mit dem Wenigen, was mir bleibt, zu Ihren Gunsten verfüge.

– Aber, Herr Fogg, was soll aus Ihnen werden? fragte Mrs. Aouda.

– Ich, Madame, erwiderte kaltblütig der Gentleman, bedarf nichts mehr.

– Aber, mein Herr, wie sehen Sie denn das Ihnen bevorstehende Loos an?

– So wie es sein muß, erwiderte Herr Fogg.

– Jedenfalls, erwiderte Mrs. Aouda, dürfte ein Mann wie Sie nicht Mangel leiden. Ihre Freunde …

– Ich habe keine Freunde.

– Ihre Verwandten …

– Ich habe keine Verwandten mehr.

– Dann sind Sie zu beklagen, Herr Fogg, denn Vereinsamung ist ein trauriges Loos. Wie? kein Herz, um Ihren Kummer in dasselbe auszuschütten. Doch sagt man, für zwei Seelen sei selbst das Unglück noch erträglich!

– Man sagt es, Madame.

– Herr Fogg, sagte darauf Mrs. Aouda, indem sie aufstand und dem Gentleman ihre Hand reichte, wollen Sie eine Verwandte und Freundin zugleich! Wollen Sie mich zur Frau?«

Bei diesem Wort stand auch Herr Fogg auf. Seine Augen erglänzten in ungewohntem Wiederschein, seine Lippen schienen zu zittern. Er sah Mrs. Aouda in’s Angesicht. Die Offenheit, Geradheit, Festigkeit und Sanftmuth dieses schönen Blickes einer edlen Frau, die Alles wagt, um den zu retten, welchem sie Alles verdankt, machten ihn bestürzt, durchdrangen ihn. Er schloß einen Augenblick die Augen, als wolle er vermeiden, daß dieser Blick tiefer eindringe … Als er sie wieder öffnete, sprach er einfach:

»Ich liebe Sie! Ja, wahrhaftig, bei allem Heiligsten, was es giebt auf der Welt, ich liebe Sie, gehöre ganz Ihnen an!

– Ah! …« rief Mrs. Aouda aus, die Hand auf dem Herzen. Auf den Ton der Glocke erschien Passepartout, während Herr Fogg noch die Hand der Mrs. Aouda in der seinigen hielt. Passepartout begriff, wie es stand, und sein Angesicht strahlte gleich der Sonne im Zenith der Tropengegenden.

Herr Fogg fragte ihn, ob es nicht zu spät wäre, Se. Ehrwürden, Samuel Wilson, den Pastor von Mary-le-Bone zu rufen.

Passepartout sprach mit herzlichem Lachen: »Niemals zu spät.« Es war erst acht Uhr fünf Minuten.

»Für morgen, Montag! sagte er.

– Für morgen Montag? fragte Herr Fogg und blickte die junge Frau an.

– Für morgen, Montag!« erwiderte Mrs. Aouda.

Passepartout lief spornstreichs fort.

Sechsunddreißigstes Capitel.

Sechsunddreißigstes Capitel.

Phileas Fogg steigt abermals auf dem Geldmarkt.

Nun ist’s Zeit, des Umschlags der öffentlichen Meinung zu gedenken, welche im Vereinigten Königreich stattfand, als die Verhaftung des wirklichen Bankdiebs – eines gewissen James Strand – die am 17. Dezember vorfiel, bekannt wurde.

Drei Tage zuvor war Phileas Fogg ein Verbrecher, dem die Polizei auf’s äußerste nachspürte, und jetzt der ehrenhafteste Gentleman, der seine excentrische Reise um die Erde mit mathematischer Genauigkeit ausführte.

Was für ein Lärm, welche Wirkung in den Journalen!

Alle Wetten für und wider, die bereits vergessen waren, wachten wie auf einen Zauberschlag wieder auf. Alle Verträge gewannen wieder Geltung, alle Verbindlichkeiten lebten wieder auf, und, es ist nicht zu verhehlen, das Wetten begann wieder mit neuer Energie. Der Name Phileas Fogg gewann auf dem Platz abermals Prämien.

Die fünf Collegen des Gentleman im Reformclub brachten diese drei Tage in einiger Unruhe hin. Dieser Phileas Fogg, welchen sie bereits vergessen hatten, erschien wieder vor ihren Augen! Wo befand er sich wohl in diesem Augenblick. Am 17. December, – dem Tag der Verhaftung James Strands – waren es sechsundsiebenzig Tage, daß Phileas Fogg abgereist war, und noch keine Nachricht von ihm! War er unterlegen? Hatte er den Wettkampf aufgegeben, oder setzte er seinen Weg dem Reiseprogramm gemäß fort? Und am Samstag, den 21. December um acht Uhr fünfundvierzig Minuten Abends, sollte er, wie ein Gott der Genauigkeit, auf der Schwelle des Reformclubsalons erscheinen?

Die Spannung, worin drei Tage lang dieser ganze Theil der englischen Gesellschaft schwebte, läßt sich nicht schildern. Man entsendete Depeschen nach Amerika, nach Asien, um über Phileas Fogg Nachricht zu erhalten! Man schickte Morgens und Abends in Saville-Row, das Haus des Gentleman zu beobachten … Nichts. Selbst die Polizei wußte nicht, was aus ihrem Detectiv Fix geworden war, welchen sie so unglückseliger Weise auf falsche Spur geschickt hatte. Demungeachtet erneuten sich die Wetten in höherem Maßstab. Phileas Fogg glich einem Rennpferd, das nun bei der letzten Wendung ankam. Man notirte ihn nicht mehr zu hundert, sondern zu zwanzig, zu zehn, zu fünf, und der alte, gelähmte Lord Albermale nahm es selbst al pari.

Daher war auch am Samstag Abend in Pall-Mall und den nächsten Straßen großes Gedränge, an den Eingängen zum Reformclub standen die Mäkler wie in Permanenz, und man rief die Course des Phileas Fogg aus, als wie die der englischen Fonds. Die Polizei vermochte kaum die Menge in Ruhe zu halten, und je näher die Stunde kam, da Phileas Fogg ankommen mußte, um so höher stieg die Aufregung.

An diesem Abend waren die fünf Collegen des Gentleman seit acht Uhr im großen Salon des Reformclub versammelt. Die beiden Banquiers, John Sullivan und Samuel Fallentin, der Ingenieur Andrew Stuart, Walther Ralph, Administrator der Englischen Bank, der Brauer Thomas Flanagan, alle waren in gespannter Erwartung.

Als die Uhr des großen Saales acht Uhr fünfundzwanzig Minuten zeigte, stand Andrew Stuart auf und sprach:

»Meine Herren, in zwanzig Minuten wird die Frist, welche wir mit Herrn Phileas Fogg ausgemacht haben, abgelaufen sein.

– Um wie viel Uhr ist der letzte Zug von Liverpool angekommen? fragte Thomas Flanagan.

– Um sieben Uhr dreiundzwanzig Minuten, erwiderte Walther Ralph, und der folgende Zug wird erst zehn Minuten nach zwölf eintreffen.

– Nun, meine Herren, fuhr Andrew Stuart fort, wenn Phileas Fogg um sieben Uhr dreiundzwanzig Minuten angekommen wäre, so wäre er bereits hier. Wir können also die Wette schon als gewonnen ansehen.

– Warten wir noch und sprechen uns nicht aus, erwiderte Samuel Fallentin. Sie wissen, daß unser Kollege im höchsten Grad excentrisch ist. Seine Pünktlichkeit in Allem ist uns bekannt. Niemals kommt er zu spät, aber auch nicht zu früh, und es wäre möglich, daß er in der letzten Minute sich hier einfände, was mich gar nicht wundern würde.

– Und ich, sagte Andrew Stuart, der, wie stets, sehr nervös war, ich würde, wenn ich ihn sähe, doch nicht daran glauben.

– Wirklich, versetzte Thomas Flanagan, Phileas Fogg’s Unternehmen war unsinnig. So pünktlich er auch sein mochte, er konnte unvermeidliche Verspätungen nicht hindern, und eine Verspätung von nur zwei oder drei Tagen reichte hin, seine Reise zu vereiteln.

– Bemerken Sie übrigens, fügte John Sullivan bei, daß wir gar keine Nachricht von unserem Collegen erhalten haben, und doch fehlte es auf seinem Wege nicht an Telegraphen.

– Er hat verloren, meine Herren, fuhr Andrew Stuart fort, hundertmal verloren! Sie wissen übrigens, daß das Packetboot China aus New-York, das einzige, mit welchem er zeitig genug in Liverpool eintreffen konnte, gestern hier angekommen ist. Nun sehen Sie die Passagierliste an, welche die »Shipping Gazette« veröffentlicht, und der Name Phileas Fogg kommt auf derselben nicht vor. Nehmen wir die allergünstigsten Umstände an, so ist unser College kaum in Amerika! Ich schätze, daß er wenigstens um zwanzig Tage zu spät kommen wird, und der alte Lord Albemarle wird ebenfalls seine fünftausend verlieren!

– Das liegt auf der Hand, erwiderte Walther Ralph, und wir brauchen morgen nur die Anweisung des Herrn Fogg den Gebr. Baring vorzulegen.«

In dem Augenblick schlug die Saaluhr acht Uhr vierzig Minuten.

»Noch fünf Minuten«, sagte Andrew Stuart.

Die fünf Collegen sahen sich einander an. Es ist wohl glaublich, daß ihre Pulse ein wenig schneller schlugen, denn schließlich war die Partie, selbst für gute Spieler, stark! Aber sie wollten’s nicht merken lassen, denn auf Samuel Fallentins Vorschlag nahmen sie an einem Spieltisch Platz.

»Ich gäbe mein Antheil von viertausend Pfund nicht al pari, sagte Andrew Stuart, indem er sich setzte, wenn man mir auch dreihundertneunundneunzig böte!«

Der Zeiger wies in diesem Augenblick acht Uhr zweiundvierzig Minuten.

Die Spieler hatten die Karten in die Hand genommen, aber ihre Blicke waren jeden Augenblick auf die Uhr gerichtet. So sicher sie der Sache waren, so schienen doch die Minuten ihnen sehr lang!

»Acht Uhr dreiundvierzig«, sagte Thomas Flanagan, indem er die Karten abhob, die Walther Ralph ihm darreichte.

Darauf herrschte einen Augenblick Stille im weiten Clubsaal. Aber draußen hörte man Lärm und Getös der Menge, und zwischendurch helles Schreien. Der Uhrenschwengel schlug mathematisch regelmäßig die Secunden. Jeder Spieler konnte die Sechzigtheile zählen, welche zu seinem Ohr gelangten.

»Acht Uhr vierundvierzig Minuten!« sagte John Sullivan mit einem Ton, der unwillkürliche Gemüthserregung verrieth.

Nur noch eine Minute, und die Wette war gewonnen. Andrew Stuart und seine Collegen ließen ihr Spiel: sie hatten die Karten bei Seite gelegt, und zählten die Secunden.

In der zweiundvierzigsten Secunde, nichts, in der fünfzigsten, noch nichts!

In der fünfundfünfzigsten Secunde hörte man draußen ein donnerähnliches Getöse, Beifallklatschen, Hurrahs, selbst Flüche, die sich rollend weiter verbreiteten.

Die Spieler standen auf.

In der siebenundfünfzigsten Secunde öffneten sich die Salonthüren und der Schwengel hatte noch nicht die sechzigste Secunde hören lassen, als Phileas Fogg erschien, gefolgt von einer wahnsinnigen Menge, welche den Eingang in den Club erstürmt hatte, und mit seiner gelassenen Stimme sprach:

»Hier bin ich, meine Herren!«

Siebenunddreißigstes Capitel.

Siebenunddreißigstes Capitel.

Beweis, daß Phileas Fogg durch seine Reise um die Erde nichts gewann, außer sein häusliches Glück.

Ja! Phileas Fogg persönlich.

Wir erinnern uns, daß Passepartout um acht Uhr fünf Minuten Abends, – fünfundzwanzig Stunden etwa nach Ankunft der Reisenden zu London, – von seinem Herrn den Auftrag erhalten hatte, Se. Ehrwürden, den Herrn Samuel Wilson, in Betreff einer gewissen Heirat, welche den folgenden Tag geschlossen werden sollte, zu ersuchen.

Passepartout war voll Freude raschen Schrittes in die Wohnung Sr. Ehrwürden gegangen, der noch nicht nach Hause gekommen war. Natürlich wartete Passepartout, und zwar zwanzig Minuten wenigstens.

Kurz, als er aus der Wohnung des geistlichen Herrn herauskam, war es acht Uhr fünfunddreißig Minuten. Und er lief über Hals und Kopf, wie man noch nie einen Mann laufen sah, warf wie eine Trombe auf den Trottoirs die Begegnenden zu Boden, und war in drei Minuten wieder im Hause der Saville-Row, wo er atemlos in Fogg’s Zimmer stürzte.

Reden konnte er nicht.

»Was giebt’s?« fragte Herr Fogg.

– Mein Herr … stotterte Passepartout … Heirat … unmöglich.

– Unmöglich?

– Unmöglich … für morgen.

– Weshalb?

– Weil morgen … Sonntag ist!

– Montag, erwiderte Herr Fogg.

– Nein … heute … Samstag.

– Samstag? Unmöglich!

– Ja, ja, ja! rief Passepartout. Sie haben sich um einen Tag geirrt! Wir sind vierundzwanzig Stunden früher angekommen, aber es ist nur noch zehn Minuten Zeit! …«

Passepartout faßte seinen Herrn beim Kragen, und riß ihn mit unwiderstehlicher Kraft fort!

Also verließ Herr Fogg, ohne Zeit zum Besinnen zu haben, sein Zimmer, sein Haus, sprang in einen Cab, versprach dem Kutscher hundert Pfund, und langte, nachdem er zwei Hunde todtgefahren und fünf Wagen aufgehalten, im Reformclub an.

Die Uhr stand auf acht Uhr fünfundvierzig Minuten, als er im großen Saal eintrat …

Phileas Fogg hatte die Reise um die Erde in achtzig Tagen vollendet und damit seine Wette von zwanzigtausend Pfund gewonnen!

Und jetzt, wie konnte es einem so pünktlichen, so methodischen Manne begegnen, daß er sich um einen Tag irrte? Wie war es möglich, daß er meinte, es sei Samstag, der 21. December, als er zu London ausstieg, da es doch erst Freitag, der 20. December, war, der neunundsiebenzigste Tag seit seiner Abfahrt?

Die Ursache ist sehr einfach.

Phileas Fogg hatte »ohne es zu ahnen«, einen Tag über sein Reisebüchlein hinaus gewonnen, – und zwar aus dem einzigen Grund, weil er die Reise um die Erde ostwärts gemacht hatte; und er würde ebenso, wäre er westwärts gereist, einen eingebüßt haben.

Die Thatsache ist, daß Phileas Fogg ostwärts der Sonne entgegen reiste, und folglich die Tage für ihn bei jedem Grad, welchen er in dieser Richtung vorwärts kam, um vier Minuten kürzer waren. Nun zählt man rings um die Erde dreihundertundsechzig Grade, welche Zahl mit vier Minuten multiplicirt gerade vierundzwanzig Stunden giebt, – so daß also unbewußt dieser Tag gewonnen war. Mit andern Worten, während Phileas Fogg bei seiner östlichen Richtung die Sonne achtzigmal über den Meridian gehen sah, war dies bei seinen Collegen, die zu London geblieben waren, nur neunundsiebenzigmal der Fall. Daher kam es, daß dieselben ihn an diesem Tage, welcher Samstag und nicht wie Herr Fogg meinte, Sonntag war, im Reformclubsaal auf ihn warteten.

Und dieses würde die famose Uhr Passepartouts – welcher sie immer bei der londoner Zeit gelassen hatte – nachgewiesen haben, wenn sie, wie die Stunden und Minuten, zugleich auch die Tage angegeben hätte.

Phileas Fogg hatte also die zwanzigtausend Pfund gewonnen. Aber da er unterwegs etwa neunzehntausend davon ausgegeben hatte, so war das Ergebniß an Geld unbeträchtlich. Doch hatte, sagte man, der excentrische Gentleman bei dieser Wette nur den Streit im Sinne, nicht das Vermögen. Und sogar die übriggebliebenen tausend Pfund theilte er zwischen dem wackeren Passepartout und dem unglückseligen Fix, dem er nicht zu grollen fähig war. Nur, und zwar der Regelmäßigkeit wegen, zog er seinem Diener den Preis des durch seine Schuld während der neunzehnhundertundzwanzig Stunden verbrauchten Gases ab.

Diesen nämlichen Abend sagte Herr Fogg, ebenso leidenschaftslos, ebenso phlegmatisch zu Mrs. Aouda:

»Sind Sie, Madame, mit der Heirat immer noch zufrieden?

– Herr Fogg, erwiderte Mrs. Aouda, diese Frage habe ich an Sie zu richten. Sie waren ruinirt, jetzt sind Sie reich …

– Entschuldigen Sie, Madame, dieses Vermögen gehört Ihnen. Hätten Sie nicht den Gedanken dieser Heirat vorgebracht, so wäre mein Diener nicht zu dem geistlichen Herrn gelaufen, und ich wäre meinen Irrthum nicht gewahr worden, und …

– Lieber Herr Fogg … sagte die junge Frau.

– Liebe Aouda …« erwiderte Phileas Fogg.

Es versteht sich, daß die Heirat nun achtundvierzig Stunden später stattfand, wobei Passepartout, stolz, glänzend, blendend, der jungen Frau Zeuge war. Gebührte nicht ihm, der sie auf seinen Schultern gerettet hatte, diese Ehre?

Nur klopfte am folgenden Morgen bei Tagesanbruch Passepartout laut an die Thüre seines Herrn.

Die Thüre öffnete sich, und der leidenschaftslose Gentleman erschien.

»Was gibt’s, Passepartout?

– Was es gibt, mein Herr! So eben habe ich gemerkt …

– Was denn?

– Daß wir die Reise um die Erde in nur achtundsiebenzig Tagen hätten fertig bringen können.

– Allerdings, erwiderte Herr Fogg, wenn wir nicht durch Indien gefahren wären. Aber hätten wir nicht diesen Weg genommen, so hätte ich nicht Mrs. Aouda retten können, und dann wäre sie nicht meine Frau, und …«

Und Herr Fogg schloß in aller Seelenruhe die Thüre. So hatte also Phileas Fogg seine Wette gewonnen, denn er hatte die Reise um die Erde in achtzig Tagen gemacht! Zu diesem Zweck hatte er alle Arten von Transportmitteln gebraucht, Packetboote, Eisenbahnen, Wagen, Yachte, Handelsfahrzeuge, Schlitten, Elephanten. Der excentrische Gentleman hatte dabei seine Kaltblütigkeit und Pünktlichkeit in erstaunlichem Grade aufgeboten. Dann aber, was hatte er dabei gewonnen? Was hatte ihm die Reise eingetragen?

Nichts, sagt man wohl? Nichts, ich gebe es zu, außer eine liebenswürdige, reizvolle Frau, die – so unwahrscheinlich dies vorkommen mag – ihn zum glücklichsten Menschen machte!

Wahrlich, würde man nicht die Reise um die Erde auch um ein geringeres Ziel vornehmen?

Viertes Capitel.

Viertes Capitel.

Phileas Fogg setzt seinen Diener Passepartout in Bestürzung.

Um sieben Uhr fünfundzwanzig Minuten nahm Phileas Fogg, nachdem er beim Whist zwanzig Guineen gewonnen, von seinen ehrenwerthen Collegen Abschied und verließ den Reformclub. Um sieben Uhr fünfzig öffnete er seine Hausthüre und trat in sein Haus.

Passepartout, welcher sein Programm gewissenhaft einstudiert hatte, war sehr überrascht, als er Herrn Fogg so ungenau sah, daß er zu dieser ungewöhnlichen Stunde erschien. Nach der Vorschrift sollte der Bewohner von Saville-Row erst zu Mitternacht heim kommen.

Phileas Fogg begab sich zuerst auf sein Zimmer, dann rief er:

»Passepartout!«

Passepartout gab keine Antwort. Dieses Anrufen konnte nicht ihm gelten. Es war ja nicht die Stunde.

»Passepartout«, rief Herr Fogg wiederholt, doch ohne Steigerung des Tones.

Passepartout stellte sich.

»Ich habe Sie zweimal rufen müssen, sagte Herr Fogg.

– Aber es ist noch nicht Mitternacht, erwiderte Passepartout, die Uhr in der Hand.

– Ich weiß es, versetzte Phileas Fogg, und mache Ihnen keinen Vorwurf. In zehn Minuten reisen wir nach Dover und Calais.«

Das runde Angesicht des Franzosen verzog sich unwillkürlich. Offenbar hatte er nicht recht verstanden.

»Der Herr will eine Reise machen? fragte er.

– Ja, erwiderte Phileas Fogg. Wir wollen eine Reise um die Erde vornehmen.«

Da staunte Passepartout über die Maßen. Er riß die Augen weit auf, spannte die Wimpern und Brauen, streckte die Hände aus – Symptome förmlicher Bestürzung.

»Reise um die Erde! brummte er.

– In achtzig Tagen, erwiderte Herr Fogg. Also, wir haben keinen Augenblick Zeit zu verlieren.

– Aber die Koffer? … sagte Passepartout mit unwillkürlichem Kopfschütteln.

– Keine Koffer. Nur eines Reisesackes bedarf’s, mit zwei wollenen Hemden darin, und drei Paar Strümpfen; ebensoviel für Sie. Weiteres kaufen wir unterwegs. Holen Sie meinen Makintosh und meine Reisedecke, und nehmen Sie gute Fußbekleidung. Uebrigens gehen wir wenig oder nicht zu Fuße. Jetzt, rasch!

Passepartout hätte gern geantwortet, konnte aber nicht. Er verließ Herrn Fogg’s Zimmer, begab sich auf das seinige, sank auf einen Stuhl nieder, und sagte mit einem in seiner Heimat üblichen Ausdruck:

»Ei! Das ist stark! Und ich wollte ruhig leben! …«

Er machte mechanisch seine Vorbereitungen zur Reise. Eine Reise um die Erde in achtzig Tagen! Hatte er’s mit einem Narren zu thun? Nein … War’s ein Scherz? Die Reise ging nach Dover, gut. Nach Calais, laß ich gelten. Uebrigens konnte das dem wackern Jungen nicht sehr zuwider sein, da er seit fünf Jahren den heimatlichen Boden nicht betreten hatte. Vielleicht auch ging die Reise bis Paris, und wahrhaftig, es hätte ihm Vergnügen gemacht, die große Hauptstadt wieder zu sehen. Aber sicherlich würde ein Gentleman, der keinen unnöthigen Schritt that, es dabei bewenden lassen … Ja, ganz gewiß, aber es war doch die volle Wahrheit, daß dieser Gentleman, sonst so ein Haushüter, auf Reisen ging!

Um acht Uhr hatte Passepartout den bescheidenen Sack mit seiner und seines Herrn Garderobe zurecht gemacht; darauf verließ er, noch ganz verstörten Geistes, sein Zimmer, verschloß sorgfältig die Thüre desselben, und begab sich wieder zu Herrn Fogg.

Herr Fogg war reisefertig. Unter’m Arm trug er »Bradshaw’s Continents-Eisenbahn- und Dampfboot-Reiseführer«, woraus er alle für seine Reise erforderlichen Notizen schöpfen konnte. Er nahm Passepartout den Reisesack aus der Hand, öffnete ihn und schob ein starkes Bündel von den schönen Banknoten hinein, welche in aller Welt Cours haben.

»Haben Sie nichts vergessen? fragte er.

– Nichts, mein Herr.

– Mein Makintosh und meine Decke?

– Hier.

– Gut, nehmen Sie den Sack.«

Herr Fogg stellte Passepartout den Sack wieder zu.

»Und haben Sie wohl Acht darauf, fügte er bei. Es sind zwanzigtausend Pfund drinnen.«

Beinahe wäre der Sack Passepartout aus den Händen gefallen, als wären die zwanzigtausend Pfund in schwerem Gold darinnen.

Herr und Diener stiegen darauf hinab, und die Hausthüre wurde doppelt verschlossen.

Am Ende der Straße Saville-Row fand sich eine Fuhrwerkstation. Phileas Fogg und sein Diener stiegen in ein Cab, welches rasch nach dem Bahnhof Charing-Croß zufuhr, wo ein Zweig der Süd-Ostbahn mündet.

Um acht Uhr zwanzig Minuten hielt das Cab vor dem Gitterthore des Bahnhofes. Passepartout sprang herab, sein Herr folgte nach und bezahlte den Kutscher.

In diesem Augenblicke trat eine arme Bettlerin mit einem Kinde an der Hand, barfuß im Koth, zerrissenem Hut mit jämmerlich herabhängender Feder, zerfetztem Shawl über dem Lumpenkleid, zu Herrn Fogg heran und bat um ein Almosen.

Herr Fogg zog die zwanzig Guineen, welche er beim Whist gewonnen hatte, aus der Tasche und überreichte sie der Bettlerin mit den Worten:

»Hier nehmen Sie, brave Frau, es ist mir lieb, daß ich Sie getroffen habe!«

Dann ging er weiter.

Passepartout fühlte sein Auge naß. Sein Herr hatte einen Schritt in sein Herz gethan.

Herr Fogg trat mit ihm sogleich in den großen Bahnhofsaal und gab ihm Auftrag, zwei Billets erster Klasse nach Paris zu nehmen. Als er sich hierauf umdrehte, sah er sich von seinen fünf Collegen des Reformclubs umgeben.

»Meine Herren, sprach er, jetzt reise ich ab, und die Visa’s auf meinem Paß werden Ihnen bei meiner Rückkehr den Nachweis meiner Reiseroute geben.

– O! Herr Fogg, erwiderte höflich Walther Ralph, das ist nicht nöthig. Wir verlassen uns auf Ihr Wort als Gentleman!

– So ist’s besser, sagte Herr Fogg.

– Sie vergessen nicht, daß Sie wieder hier sein müssen? … bemerkte Andrew Stuart …

– Binnen achtzig Tagen, erwiderte Herr Fogg, Samstags, den 21. December 1872, um acht Uhr fünfundvierzig Minuten Abends. Auf Wiedersehen, meine Herren.«

Um acht Uhr vierzig Minuten setzten sich Phileas Fogg und sein Diener in dieselbe Waggon-Abtheilung. Um acht Uhr fünfundvierzig hörte man pfeifen und der Zug ging ab.

Es war finstere Nacht, und ein feiner Regen fiel. Phileas Fogg drückte sich stille in eine Ecke. Passepartout, noch ganz verdutzt, drückte den Sack mit den Banknoten maschinenmäßig an sich.

Aber der Zug war noch nicht über Sydenham hinaus, als Passepartout in wahrer Verzweiflung aufschrie!

»Was fehlt Ihnen? fragte Herr Fogg.

– Ich habe … in der Eile … meiner Bestürzung … vergessen …

– Was?

– Den Gashahn in meinem Zimmer zuzudrehen!

– Nun, mein lieber Junge, erwiderte Herr Fogg kaltblütig, so brennt das Gas auf Ihre Kosten!«

Vierundzwanzigstes Capitel.

Vierundzwanzigstes Capitel.

Fahrt über den Stillen Ocean.

Wir erinnern uns, was sich im Angesicht Schangais begab. Auf dem Packetboot nach Yokohama hatte man die Signale der Tankadère gehört, und da der Kapitän die Nothflagge sah, fuhr er auf die kleine Goelette zu. Nicht lange, so zahlte Phileas Fogg dem Patron John Bunsby den bedungenen Preis von fünfhundertundfünfzig Pfund. Darauf stieg der ehrenwerthe Gentleman nebst Mrs. Aouda und Fix an Bord des Dampfbootes, das unverzüglich nach Nangasaki und Yokohama weiter fuhr.

Als man an demselben Vormittag, den 14. November, zu regelmäßiger Zeit ankam, begab sich Phileas Fogg, indem er Fix seinen Geschäften nachgehen ließ, an Bord des Carnatic, und hörte da zu großer Freude der Mrs. Aouda, – und auch vielleicht zu eigner Freude, obwohl er es nicht merken ließ – daß der Franzose Passepartout Tags zuvor wirklich zu Yokohama angekommen war.

Da Phileas Fogg noch denselben Abend nach San Francisco weiterfahren mußte, so begann er unverzüglich seinen Diener aufzusuchen. Er wandte sich, doch vergeblich, an den französischen und englischen Consular-Agenten, und nachdem er fruchtlos durch die Straßen Yokohamas gelaufen, gab er die Hoffnung, Passepartout wiederzufinden, auf, als er zufällig, oder vielleicht von einer Ahnung getrieben, in die Bude des honorablen Batulcar trat. Sicherlich hätte er seinen Diener unter dieser excentrischen Vermummung nicht wieder erkannt, aber dieser gewahrte, trotz seiner Rückenlage, seinen Herrn auf der Galerie. Er konnte nicht vermeiden seine Nase zu bewegen, worauf dann das Gleichgewicht brach, und das Weitere erfolgte.

Aus dem Munde der Mrs. Aouda vernahm sodann Passepartout, wie es bei der Fahrt von Hongkong nach Yokohama auf der Goelette Tankadère hergegangen, in Gesellschaft eines Herrn Fix. Beim Namen Fix verzog Passepartout seine Miene nicht. Er glaubte, es sei noch nicht der rechte Zeitpunkt, seinem Herrn mitzutheilen, was zwischen ihm und dem Agenten vorgegangen war. Auch machte er bei Erzählung seiner Abenteuer sich selbst einen Vorwurf, und sagte nur, er sei in einer Tabaksbude zu Yokohama von einem Opiumrausch befallen worden.

Herr Fogg hörte die Erzählung kalt an, ohne ein Wort zu erwidern; darauf eröffnete er seinem Diener einen hinreichenden Credit, um sich erst anständigere Kleider anzuschaffen. Und wirklich, ehe eine Stunde verflossen, hatte der wackere Bursche keine Spur mehr von einem Anhänger des Gottes Tingu an sich.

Das Packetboot, welches die Fahrt von Yokohama nach San Francisco machte, gehörte der Gesellschaft »Pacific Mail steam« und hieß »General Grant.« Es war ein ungeheurer Raddampfer von zweitausendfünfhundert Tonnen Gehalt, wohlgebaut und schnell fahrend. Ueber dem Verdeck ging ein ungeheurer Schwengel auf und ab, an dessen einem Ende der Stengel eines Stempels angehängt war, am andern der eines Triebwerks, welches die gradlinige Bewegung in eine kreisförmige verwandelnd sich direct an die Achse des Rades anlehnte. Der »General Grant« war als dreimastige Goelette betakelt, und besaß ein großes Segelwerk, welches die Wirkung des Dampfes bedeutend unterstützte. Wenn das Boot seine zwölf Meilen die Stunde fuhr, brauchte es nur einundzwanzig Tage zur Fahrt über den Stillen Ocean, Phileas Fogg konnte also glauben, daß er, wenn er am 2. December zu San Francisco sich befände, am 11. zu New-York, und am 20. zu London sein werde, – so daß er an dem verhängnißvollen 21. December einige Stunden gewonnen hatte.

Die Passagiere an Bord des Dampfers waren ziemlich zahlreich, Engländer, viel Amerikaner, eine wahre Auswanderung von Kulis nach Amerika, und eine Anzahl Officiere der Indischen Armee, welche ihre Ferien zu einer Reise um die Erde benutzten.

Während dieser Fahrt begab sich kein störender Zwischenfall. Das Boot mit seinen breiten Rädern und dem starken Segelwerk schwankte wenig. Der Stille Ocean rechtfertigte seinen Namen. Herr Fogg war so ruhig, so wenig mittheilsam wie sonst. Seine junge Gefährtin fühlte sich mehr und mehr durch andere Bande, als die der Dankbarkeit an diesen Mann gefesselt. Diese so schweigsame, edelmütige Natur machte auf sie einen tiefern Eindruck, als sie glaubte, und sie ließ sich fast wider Willen von Gefühlen beschleichen, welche auf den rätselhaften Fogg ohne Einfluß zu sein schienen.

Auch nahm Mrs. Aouda an den Projecten des Gentleman merkwürdigen Antheil. Sie ward unruhig über die Widerwärtigkeiten, welche den Erfolg der Reise hindern konnten. Sie plauderte oft mit Passepartout, der sich ganz gut darauf verstand, im Herzen der Mrs. Aouda zwischen den Zeilen zu lesen. Dieser wackere Junge hatte jetzt zu seinem Herrn einen wahren Köhlerglauben; er ward nicht müde, die Ehrenhaftigkeit, den Edelmuth, die Hingebung Phileas Fogg’s zu rühmen; beruhigte sodann Mrs. Aouda über den Erfolg der Reise, indem er wiederholt versicherte, das Schwierigste sei bereits geschehen, da man nunmehr aus den phantastischen Ländern heraus wieder in civilisirte Gegenden komme, und nun zum Schluß nur noch die Bahnfahrt von San Francisco nach New-York und die Ueberfahrt von New-York nach London zu machen brauche, um diese unmögliche Reise um die Erde ohne Zweifel innerhalb der vorgeschriebenen Zeit zu vollenden.

Neun Tage, nachdem man Yokohama verlassen, hatte Phileas Fogg gerade die Hälfte der Rundfahrt um die Erde zurückgelegt. Der »General Grant« fuhr am 23. November über den hundertundachtzigsten Meridian, wo sich in der südlichen Hemisphäre die Antipoden Londons befinden.

Von den achtzig Tagen, welche Herrn Fogg zur Verwendung gegeben waren, hatte er bereits allerdings zweiundfünfzig verwendet, und es blieben ihm nur noch achtundzwanzig. Aber es ist doch zu bemerken, daß, wenn sich der Gentleman auch, wegen der Verschiedenheit der Meridiane, erst auf der Hälfte des Weges befand, er doch in Wirklichkeit mehr als zwei Drittheil desselben zurückgelegt hatte. Welche nothgedrungene Umwege, in der That, von London nach Aden, von Aden nach Bombay, von Calcutta nach Singapore, von Singapore nach Yokohama! Hätte man sich an den fünfzigsten Parallelkreis, welcher über London zieht, gehalten, so hätte die Entfernung nur zwölftausend Meilen ungefähr betragen, während Phileas Fogg in Folge der Launen der Beförderungsmittel deren etwa scchsundzwanzigtausend zu durchlaufen hatte, wovon er an diesem 23. November ungefähr siebenzehntausendfünfhundert zurückgelegt hatte. Jetzt aber war es nur noch der gerade Weg, und Fix war nicht mehr anwesend, um Schwierigkeiten entgegenzuhäufen!

An diesem 23. November erlebte auch Passepartout eine große Freude. Wir erinnern uns, daß derselbe eigensinnig darauf beharrt hatte, seine famose Familienuhr unverändert bei der Londoner Zeit zu lassen, indem er alle Uhren der Länder, durch welche er kam, für irrig erklärte. Nun fand er an diesem Tage, obschon er sie niemals weder vor- noch nachgestellt hatte, seine Uhr völlig in Übereinstimmung mit den Chronometern an Bord. Er triumphirte: »Ich wußte wohl, daß eines Tages die Sonne sich entschließen würde, sich nach meiner Uhr zu richten!« …

Passepartout wußte etwas nicht: Wäre sein Zifferblatt, wie das in Italien der Fall ist, in vierundzwanzig Stunden eingeteilt gewesen, so hätte er keinen Anlaß zu triumphiren gehabt, denn die Zeiger seines Instruments hätten, als es an Bord neun Uhr Vormittags war, auf neun Uhr Abends gewiesen, d. h. die einundzwanzigste Stunde seit Mitternacht, – und das ist genau der Abstand Londons vom hundertundachtzigsten Meridian.

Passepartout spottete darüber, was ihm einmal Fix von den Meridianen und der Sonne vorgeschwatzt hatte. Hätte er ihn aber damals gerade an Bord getroffen, so hätte er ohne Zweifel über etwas anderes mit ihm abgerechnet.

Wo befand sich nun damals Fix? …

Er war gerade an Bord des »General Grant.«

Der Agent hatte sich bei seiner Ankunft zu Yokohama unverzüglich zum englischen Consul begeben, wo er auch endlich den Verhaftsbefehl vorfand, welcher bereits vierzig Tage zuvor ausgestellt von Bombay aus ihm nachgeeilt, und von Hongkong aus auf demselben Carnatic, an dessen Bord man ihn vermuthete, abgeschickt worden war. Welch ein Strich durch seine Rechnung! Jetzt nutzte er nichts mehr, denn der Herr Fogg war nicht mehr auf englischem Gebiet! Nun war eine Auslieferungsacte nöthig, um ihn verhaften zu können!

»Meinetwegen, tröstete sich Fix nach der ersten Aufwallung; taugt mein Mandat nicht mehr für hier, so hat es doch in England Kraft. Der Schuft sieht gerade so aus, als wolle er wieder heimkehren; meint die Polizei angeführt zu haben. Schön. Ich bleibe ihm auf der Ferse bis dorthin. Bliebe nur vom Geld noch etwas übrig! Aber mein Mann hat für Reisegeld, Prämien, Proceß, Bußen, den Elephanten und allerlei andere Kosten bereits über fünftausend Pfund unterwegs verbraucht. Uebrigens, die Bank hat ja Geld genug!«

Rasch entschlossen ging er sogleich auf dem »General Grant« unter Segel. Er befand sich an Bord, als Herr Fogg und Mrs. Aouda denselben bestiegen, und erkannte höchlich erstaunt Passepartout unter seiner Vermummung als Herold. Nun versteckte er sich augenblicklich in seiner Cabine, um einer Erklärung auszuweichen, die alles verderben konnte; – diesen Tag aber meinte er unter der großen Menge der Zuschauer von seinem Feinde nicht erkannt zu werden, – als er auf einmal auf dem Vordertheil des Schiffes ihn Aug‘ im Auge vor sich sah.

Passepartout packte ihn ohneweiters bei der Kehle und brachte, zu großer Erlustigung einiger Amerikaner, die sogleich für ihn wetteten, dem unglückseligen Agenten eine tüchtige Tracht Prügel bei, welche den Beweis von der Ueberlegenheit der französischen Boxkunst über die englische abgaben.

Als Passepartout fertig war, fühlte er sich wie erleichtert und ruhiger. Fix stand, übel zugerichtet, auf, sah seinen Gegner an und sprach kalt:

»Sind Sie fertig?

– Ja, für den Augenblick.

– So kommen Sie auf ein Wort.

– Ich soll …

– Im Interesse Ihres Herrn.«

Passepartout, auf den diese Kaltblütigkeit Eindruck machte, begleitete den Agenten, und sie setzten sich auf dem Vorderverdeck zusammen.

»Sie haben mich geprügelt, sagte Fix. Gut! Ich hatte mich dessen versehen. Jetzt hören Sie mich an. Bisher bin ich Herrn Fogg entgegen gewesen, aber von nun an spiele ich sein Spiel.

– Endlich! rief Passepartout, halten Sie ihn für einen Ehrenmann?

– Nein, erwiderte Fix kalt, ich halte Ihn für einen Schuft. – St! Bleiben Sie, und lassen mich reden. So lange sich Herr Fogg auf englischem Gebiet befand, lag es in meinem Interesse, ihn aufzuhalten, bis der Verhaftsbefehl käme. Zu diesem Zweck habe ich alles gethan, deshalb auch Sie betrunken gemacht, Sie von ihm getrennt, und seine Verspätung für das Dampfboot bewirkt …«

Passepartout hörte mit geballter Faust zu.

»Jetzt, fuhr Fix fort, hat es den Anschein, als wolle Herr Fogg nach England zurückkehren. Meinetwegen, ich werde ihn fortwährend begleiten. Aber nun ist mir es darum zu thun, die Hindernisse seiner Reise ebenso sorgfältig und eifrig aus dem Wege zu räumen, wie bisher, sie zu häufen. Sie sehen, mein Spiel ist jetzt ein anderes, weil mein Vortheil es so verlangt. Ich füge hinzu, daß Ihr Interesse das gleiche ist, denn erst in England können Sie erfahren, ob Sie im Dienst eines Verbrechers sind, oder eines ehrlichen Mannes!«

Passepartout hörte Fix mit gespannter Aufmerksamkeit zu und war überzeugt, daß Fix völlig aufrichtig sprach.

»Sind wir Freunde? fragte Fix.

– Freunde, nein, versetzte Passepartout. Verbündete, ja, und unter Vorbehalt des Inventars, denn beim ersten Anzeichen von Verrath drehe ich Ihnen den Hals um.

– Abgemacht«, sagte der Polizei-Agent gelassen.

Elf Tage nachher, am 3. December, lief der »General Grant« in die Bai von San Francisco ein.

Herr Fogg hatte keinen Tag weder gewonnen noch verloren.

Fünfundzwanzigstes Capitel.

Fünfundzwanzigstes Capitel.

Ueberblick von San Francisco. Ein Meeting.

Es war sieben Uhr Vormittags, als Phileas Fogg, Mrs. Aouda und Passepartout den amerikanischen Continent betraten – sofern man den schwimmenden Quai, wo sie ausstiegen, so nennen darf. Diese Quais, welche mit der Fluth steigen und fallen, erleichtern das Laden und Abladen der Schiffe. Da legen sich die Klipper aller Größen vor, die Dampfer aller Nationalitäten, die mehrstöckigen Dampfboote, welche den Sacramento und seine Zuflüsse befahren. Da sind auch die Producte eines Handels gehäuft, der sich nach Mexiko, Peru, Chili, Brasilien, Europa, Asien und allen Inseln des Stillen Meeres erstreckt.

Passepartout, in dem freudigen Gefühl, endlich den amerikanischen Boden zu betreten, glaubte seine Landung mit einem gewagten Sprung besten Styls ausführen zu müssen. Als er aber auf den wurmstichigen Bretterboden des Quais herabkam, wäre er beinahe durch und durchgedrungen. Ganz bestürzt über die Art, wie er auf dem neuen Kontinent »Fuß gefaßt«, stieß der brave Junge einen entsetzlichen Schrei aus, der eine ganze Schaar Kormorane und Pelikane aufscheuchte, welche auf diesen beweglichen Quais hausen.

Sowie Herr Fogg ausgestiegen war, erkundigte er sich nach der Abfahrt des nächsten Bahnzuges nach New-York. Da dieses erst um sechs Uhr Abends war, so hatte er einen vollen Tag auf die Hauptstadt Kaliforniens zu verwenden. Er ließ für sich und Mrs. Aouda einen Wagen kommen, auf dessen Bock Passepartout Platz nahm; und das Fuhrwerk rollte, um drei Dollars den Cours, zum International-Hotel.

Von seinem erhabenen Sitze herab betrachtete Passepartout neugierig die große amerikanische Stadt: breite Straßen, niedrige, der Linie nach gereihte Häuser, Kirchen und Tempel von angelsächsischer Gothik, ungeheure Docks, Lagerhäuser wie Paläste, theils aus Holz, theils aus Ziegelsteinen; in den Straßen zahlreiche Fuhrwerke, Omnibus, Rinnenschienenwagen, – und auf den Trottoirs schaarenweise nicht allein Amerikaner und Europäer, sondern auch Chinesen und Indier, – kurz, die Bestandtheile einer Bevölkerung von mehr als zweimalhunderttausend Bewohnern.

Passepartout war von diesem Anblick ganz überrascht. Er dachte noch an die märchenhafte Stadt von 1849, die Stadt der Banditen, Brandstifter und Mörder, die herbeiströmten, um Goldbarren zu gewinnen, nur der ungeheure Sammelplatz aller Herabgewürdigten und Ausgestoßenen, wo man um Goldstaub spielte, den Revolver in der einen Hand, in der andern einen Dolch.

Aber diese goldene Zeit war vorüber; San Francisco hatte jetzt das Aussehen einer großen Handelsstadt. Der hohe Thurm des Stadthauses mit seinen Wächtern beherrschte alle diese in rechten Winkeln sich durchschneidenden Straßen und Baumgänge, zwischen welchen grüne Plätze einen heitern Anblick gewährten; sodann eine chinesische Stadt, welche aus dem Himmlischen Reich in eine Schachtel mit Spielzeug verpflanzt schien. Keine Sombreros mehr, keine Rothhemden nach Art der Goldjäger, keine Indier mit Federn, sondern Seidenhüte und schwarze Kleider, wie viele Gentlemen von verzehrender Thätigkeit. Einige Straßen, unter anderen Montgommery, waren mit glänzenden Magazinen umgeben, worin man die Producte der ganzen Welt ausgelegt fand.

Als Passepartout beim International-Hotel anlangte, kam es ihm vor, als sei er nicht aus England herausgekommen.

Im Erdgeschoß befand sich ein ungeheurer Schenkplatz, worin Jedermann unentgeltlich bedient wurde. Getrocknetes Fleisch, Austernsuppe, Zwieback und Chester wurden ausgetheilt, ohne daß der Gast die Börse zu ziehen hatte; er brauchte nur den Trunk zu bezahlen, Ale, Porter oder Xeres, wenn er Lust dazu hatte. Das kam dem Passepartout sehr amerikanisch vor.

Die Restauration im Hotel war angenehm. Herr Fogg und Mrs. Aouda nahmen an einer Tafel Platz, und wurden von Negern in schönstem Schwarz auf Tellern und Schüsseln aus Liliput reichlich bedient.

Nach dem Frühstück verließ Phileas Fogg in Begleitung von Mrs. Aouda das Hotel, um sich auf dem Bureau des englischen Consuls seinen Paß visiren zu lassen. Auf dem Trottoir stieß er auf seinen Diener, der ihn fragte, ob es nicht klug sei, bevor man den Zug der Pacific-Bahn besteige, sich mit einigen Dutzend Karabiner Enfield oder Revolver Colt zu versehen. Passepartout hatte von Sioux und Pawnies reden hören, welche die Bahnzüge überfallen und einholten. Herr Fogg hielt es zwar für eine unnöthige Vorsicht, doch ließ er ihm frei zu thun, wie es ihm beliebte. Darauf ging er auf das Bureau des Consular-Agenten zu.

Noch hatte er keine zweihundert Schritte gemacht, als er »zufällig« auf Fix stieß. Dieser stellte sich äußerst überrascht. Wie? die Herren Fogg und Fix hatten die Fahrt über das Stille Meer mit einander gemacht, ohne sich an Bord zu begegnen? Jedenfalls fühlte sich Fix nur sehr geehrt, dem Gentleman, welchem er soviel verdankte, zu begegnen, und da ihn seine Geschäfte nach Europa zurückriefen, so würde es ihn unendlich freuen, seine Reise in so angenehmer Gesellschaft fortzusetzen.

Herr Fogg erwiderte, die Ehre wäre nur auf seiner Seite, und Fix – dem es sehr darum zu thun war, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, – bat ihn um die Erlaubnis, sich bei Besichtigung der so merkwürdigen Stadt San Francisco ihm anzuschließen. Es ward ihm gewährt.

So schlenderten denn Mrs. Aouda, Phileas Fogg und Fix durch die Straßen, und befanden sich bald auf der Montgommerystraße, wo das größte Zusammenströmen des Volks stattfand: auf den Trottoirs, mitten auf der Chaussee, auf den Rinnenschienenwegen, am Eingang der Läden, an den Fenstern aller Häuser, und selbst auf den Dächern eine unzählbare Menge. Zettelträger drangen durch alle Gruppen, Flaggen und Wimpeln flatterten, lautes Geschrei vernahm man allerwärts.

»Hurrah für Kamerfield!

– Hurrah für Mandiboy!«

Es war ein Meeting. So meinte wenigstens Fix, der seinen Gedanken Herrn Fogg mit dem Beifügen mittheilte:

»Es wird vielleicht gerathen sein, daß wir uns nicht in dies Gedränge hinein wagen; da setzt es nur schlimme Püffe.

– Gewiß, erwiderte Phileas Fogg, und die Faustpüffe um der Politik willen sind darum nicht minder Püffe!«

Fix glaubte, als er diese Bemerkung hörte, lächeln zu müssen, und um zuzuschauen, ohne in’s Gedränge zu kommen, stellten sich Mrs. Aouda, Phileas Fogg mit ihm auf den obern Absatz einer Treppe, welche von einer Terrasse der Montgommerystraße herab führte. Vor ihren Augen, auf der andern Seite der Straße, zwischen der Werfte eines Kohlengeschäftes und dem Magazin eines Petroleumhändlers, befand sich in freier Luft ein geräumiges Bureau, welchem die Menge von verschiedenen Seiten her zuzuströmen schien.

Und jetzt, zu welchem Zweck dieses Meeting? Aus welchem Anlaß wurde es gehalten? Phileas Fogg wußte es durchaus nicht. Handelte sich’s um die Ernennung eines hohen Militär- oder Civilbeamten, eines Staatengouverneurs oder Abgeordneten zum Congreß? Man hätte darauf schwören mögen, wenn man das außerordentliche Leben und Treiben sah, welches die Stadt in leidenschaftliche Bewegung setzte.

In diesem Augenblick vollzog sich eine ungeheure Bewegung in der Menge. Alle Hände ragten in die Luft empor; manche, fest zusammengeballt, schienen sich mitten unter Geschrei auf- und abzubewegen, – allerdings eine energische Art, sein Votum zu formuliren. Die wogende Masse war wie von Wirbeln bewegt. Die Fahnen wankten, verschwanden einen Augenblick, kamen zerfetzt wieder zum Vorschein. Die Wellenbewegung pflanzte sich bis zur Treppe fort, während an der Oberfläche alle Köpfe wogten, wie ein durch einen Windstoß plötzlich aufgerührtes Meer. Die Anzahl der schwarzen Hüte verminderte sich augenfällig, und die meisten schienen an ihrer natürlichen Größe eingebüßt zu haben.

»Offenbar ist’s ein Meeting, sagte Fix, und in einer Frage von durchgreifendem Interesse. Es sollte mich nicht wundern, wenn es sich noch um die Alabamafrage handelte, obwohl sie bereits gelöst ist.

– Vielleicht, erwiderte Fogg.

– Jedenfalls, fuhr Fix fort, stehen sich zwei Bewerber im Kampf gegenüber, Kamerfield und Mandiboy.«

Mrs. Aouda, an Phileas Fogg’s Arm, sah mit Verwunderung der lärmenden Scene zu, und Fix fragte einen seiner Nachbarn um den Grund dieser Volksgährung, als die Bewegung sich noch deutlicher aussprach. Die Hurrahs, mit Beschimpfungen gewürzt, verdoppelten sich. Fahnenschafte wurden zur Angriffswaffe; überall Fäuste statt Hände. Von den Wagen herab, die man anhielt, von den Omnibus, deren Fahrt man sperrte, regnete es Püffe. Man griff nach Allem zum Werfen: Stiefel und Schuhe flogen durch die Luft, und es schien gar, als mischten Revolver ihr nationales Knallen mit den Rufen der Menge.

Das lärmende Gedränge kam näher zur Treppe und überfluthete die ersten Stufen. Die eine Partei war ohne Zweifel zurückgedrängt, ohne daß die Zuschauer zu erkennen vermochten, ob Mandiboy oder Kamerfield im Vortheil war.

»Ich halte für gerathen, daß wir uns zurückziehen, sagte Fix, dem es nicht darum zu thun war, daß »sein Mann« einen tüchtigen Schlag erhielt, oder eine schlimme Sache auf den Hals bekäme. Wenn bei alle diesem von England die Rede ist, und man erkennt uns im Getümmel, so wird es uns übel ergehen!

– Ein englischer Bürger …« versetzte Phileas Fogg.

Aber der Gentleman konnte nicht einmal ausreden; es erhob sich fürchterliches Geschrei von der Terrasse vor der Treppe: »Hurrah! Hipp! Hipp! für Mandiboy!« rief’s aus einer Truppe Wähler, die zum Beistand anrückte und die Anhänger Kamerfield’s in die Seite packte.

Herr Fogg, Mrs. Aouda, Fix befanden sich zwischen zwei Feuern, konnten nicht mehr entrinnen. Dieser mit Bleistöcken und Todtschlägern bewaffnete Menschenstrom war unwiderstehlich. Phileas Fogg und Fix, welche der jungen Frau Schutz boten, wurden fürchterlich herumgestoßen. Fogg, so phlegmatisch wie immer, wollte sich mit der Naturwaffe seiner Fäuste wehren, aber es half nichts. Ein großer, breitschulteriger Bursche mit rothem Bart und farbiger Haut, dem Anscheine nach der Führer einer Rotte, schwang über Fogg seine furchtbare Faust und würde ihn arg getroffen haben, hätte nicht Fix, aus Hingebung, den Schlag aufgefangen. Unter seinem plattgedrückten Seidenhut schwoll dem Detectiv gleich eine ungeheure Beule.

»Yankee! rief Herr Fogg, und warf seinem Gegner einen Blick voll Verachtung zu.

– Ein Engländer! erwiderte der Andere.

– Wir werden uns wiederfinden!

– Wann’s Ihnen beliebt.

– Ihr Name?

– Phileas Fogg. Der Ihrige?

– Oberst Stamp Proctor.«

Darauf fluthete die Menge vorüber. Fix wurde zu Boden geworfen, stand mit zerrissenen Kleidern wieder auf, doch ohne bedeutende Quetschung. Sein Reisepaletot und seine Hosen waren arg zerrissen. Doch war Mrs. Aouda verschont geblieben, und nur Fix hatte seinen Schlag bekommen.

»Danke, sagte Herr Fogg zu dem Agenten, sobald sie aus dem Gedränge waren.

– Kein Grund dazu, erwiderte Fix, aber kommen Sie mit.

– Wohin?

– In eine Kleiderhandlung.«

Wirklich war ein solcher Besuch dringend. Die Kleidung beider war zerfetzt, als hätten sich dieselben auf Rechnung der ehrenwerthen Kamerfield und Mandiboy selbst herumgeschlagen.

Nach Verlauf einer Stunde waren sie wieder in anständigem Zustand und begaben sich zurück in’s International-Hotel.

Hier wartete bereits Passepartout auf seinen Herrn mit einem halben Dutzend sechsläufigen Revolver-Dolchen mit Zündlöchern in der Mitte. Als er Fix in Begleitung des Herrn Fogg sah, ward seine Stirne düster. Aber als Mrs. Aouda in Kürze erzählte, was vorgefallen war, ward Passepartout wieder freundlich. Fix war offenbar kein Feind mehr, sondern ein Verbündeter. Und er hielt Wort.

Nach Beendigung des Diner fuhr eine Kutsche vor, um die Reisenden mit ihrem Gepäck auf den Bahnhof zu bringen. Im Augenblick des Einsteigens sprach Herr Fogg zu Fix:

»Haben Sie diesen Oberst Proctor nicht wiedergesehen?

– Nein, erwiderte Fix.

– Ich werde wieder nach Amerika kommen, und ihn dann finden, sagte Fogg kaltblütig. Ein englischer Bürger darf sich so eine Behandlung nicht gefallen lassen.«

Der Agent lächelte, ohne etwas zu erwidern. Aber man sieht, Herr Fogg gehörte zu der Sorte von Engländern, die, wenn sie auch in ihrer Heimat das Duell nicht leiden mögen, im Ausland sich schlagen, wenn’s sich darum handelt, ihre Ehre zu behaupten.

Um drei Viertel auf sechs Uhr kamen die Reisenden auf den Bahnhof, und fanden den Zug zur Abfahrt bereit.

Als Herr Fogg im Begriff war einzusteigen, bemerkte er einen Beamten, trat zu ihm und fragte:

»Mein Freund, hat es nicht heute zu San Francisco unruhige Auftritte gegeben?

– Es war ein Meeting, mein Herr, war die Antwort.

– Doch hab‘ ich in den Straßen starke Aufregung bemerkt.

– Es handelte sich nur um ein Meeting für eine Wahl.

– Eines Obergenerals wohl? fragte Herr Fogg.

– Nein, mein Herr, eines Friedensrichters.«

Hierauf stieg Fogg in den Waggon, und der Zug brauste von dannen.

Sechsundzwanzigstes Capitel.

Sechsundzwanzigstes Capitel.

Expreßzug auf der Pacific-Bahn.

»Vom Ocean zum Ocean«, – sagen die Amerikaner, – und diese vier Worte sollten auch die allgemeine Benennung des großen Bahnwegs werden, welcher die Vereinigten Staaten Amerika’s in ihrer größten Breite quer durchzieht. Aber in Wirklichkeit ist die Pacific-Bahn in zwei gesonderte Partien eingetheilt: »Central-Pacific«, zwischen San Francisco und Ogden, und »Union-Pacific«, zwischen Ogden und Omaha. Hier treffen fünf besondere Linien zusammen, welche Omaha in starken Verkehr mit New-York bringen.

New-York und San Francisco sind also gegenwärtig durch ein ununterbrochenes Metallband verbunden, welches dreitausendsiebenhundertsechsundachtzig Meilen mißt. Zwischen Omaha und dem Stillen Meer zieht die Eisenbahn durch eine noch von Indianern und Rothhäuten durchzogene Gegend, – ein weit ausgedehntes Gebiet, welches die Mormonen gegen 1845, als sie aus Illinois vertrieben wurden, zu colonisiren anfingen.

Früher brauchte man im günstigsten Fall sechs Monate für eine Reise von New-York nach San Francisco; jetzt nur sieben Tage.

Im Jahre 1862 wurde, trotz der Opposition der Abgeordneten des Südens, welche eine mehr südliche Linie verlangten, beschlossen, die Eisenbahn zwischen dem einundvierzigsten und zweiundvierzigsten Breitegrad zu ziehen. Der Präsident Lincoln bestimmte selbst zu Omaha im Staat Nebraska den Anfangspunkt des neuen Bahnnetzes. Die Arbeiten wurden sofort in Angriff genommen, und mit der amerikanischen Thätigkeit betrieben, die nichts von Papier oder Bureaukratie an sich hat.

Die reißende Schnelligkeit der Ausführung sollte der guten Herstellung der Bahn durchaus nicht schaden. Im Wiesenland kam man täglich anderthalb Meilen vorwärts. Eine Locomotive rollte auf den Schienen des gestrigen Tags und brachte die für den morgenden, verrichtete Schritt für Schritt ihr Werk nach Maßgabe des Fortschritts der Bahn.

Die Pacific-Bahn entsendet einige Zweigbahnen in die Staaten Iowa, Kansas, Colorado, Oregon. Von Omaha ab läuft sie auf dem linken Ufer des Platteflusses bis zur Einmündung der nördlichen Abzweigung, während die südliche durch die Laramie-Landschaft und die Wahsatch-Berge, rings um den Salzsee bis zur Hauptstadt der Mormonen, Lake-Salt-City, zieht, dann in’s Thal der Tuilla dringt, längs der amerikanischen Wüste, dem Cedar- und Humboldtgebirge, dem Humboldtfluß, der Sierra Nevada läuft, und wieder hinab über Sacramento bis zum Stillen Meer, ohne daß diese Strecke, selbst innerhalb des Felsengebirges, einen stärkern Fall hätte, als hundertundzwölf Fuß per Meile.

Diese lange Pulsader durchlaufen die Züge in sieben Tagen, so daß es dem ehrenwerthen Phileas Fogg – er hoffte es wenigstens – möglich war, am 11. zu New-York das Packetboot nach Liverpool zu besteigen. Der Waggon, in welchem Phileas Fogg fuhr, war so ein langer Omnibus auf zwei vierräderigen Untergestellen, welche dergestalt beweglich sind, daß man damit starke Krümmungen befahren kann. Im Innern sind keine Abtheilungen, nur zwei Sitzreihen, auf jeder Seite eine, senkrecht auf der Achse, und zwischen denselben führt ein Gang zu den Cabinetten für Toilette u. a., womit jeder Waggon versehen ist. Alle Wagen sind der Länge nach durch Stege mit einander in Verbindung, so daß die Passagiere von einem Ende eines Wagenzugs bis zum andern sich begeben konnten, der aus Salonwagen, Terrassenwagen, Restauration- und Caféwagen bestand. Nur Theaterwaggons fehlen noch; aber die wird’s künftig auch geben.

Auf den Stegen gingen beständig Bücher- und Journal-Verkäufer auf und ab, die ihre Waare ausboten; und auch den Verkäufern von Liqueurs, Eßwaaren und Cigarren mangelte es nicht an Abnehmern.

Um sechs Uhr Abends fuhr man von der Station Oakland ab. Es war schon Nacht, – kalte, dunkle Nacht bei bedecktem Himmel mit drohendem Schneegewölk. Die Schnelligkeit der Fahrt war nicht sehr bedeutend; die Anhalte eingerechnet betrug sie nicht über zwanzig Meilen die Stunde, wobei man jedoch die vorschriftsmäßige Zeit einhalten konnte.

Man sprach im Waggon wenig, und die Reisenden wurden bald vom Schlaf befallen. Passepartout saß neben dem Polizei-Agenten, sprach aber nicht mit ihm. Seit den letzten Vorfällen war ihr Verhältniß merklich kühler geworden: keine Sympathie, keine Vertraulichkeit mehr. Fix hatte sich in seinem Benehmen nicht geändert, aber Passepartout dagegen hielt sich äußerst verschlossen, bereit, seinen vormaligen Freund beim ersten Argwohn zu erwürgen.

Eine Stunde nach der Abfahrt fing’s an zu schneien, – ein dünner Schnee, der zum Glück die Fahrt des Zuges zu hemmen nicht geeignet war. Durch die Fenster sah man nur noch eine ungeheuere weiße Fläche, auf welcher die wirbelnden Dampfwolken der Locomotive graulich schienen.

Um acht Uhr trat ein Stewart in den Waggon und kündigte an, es sei nun Schlafenszeit. Es war nämlich ein Schlafwaggon, der in wenigen Minuten zu einem Schlafgemach umgewandelt wurde. Die Rücklehnen der Bänke senkten sich, sorgfältig eingepackte Lagerstätten entrollten sich in sinnreicher Weise, in einigen Augenblicken waren Cabinen improvisirt, und jeder Passagier sah sich flugs im Besitz eines behaglichen Bettes, das durch dichte Vorhänge gegen neugierige Blicke geschützt war. Weißes Leinenzeug, weiche Kissen luden zum Hinlegen und Schlafen ein, – wozu Jeder geneigt war, wie in der bequemen Cabine eines Packetbootes, – indeß der Zug mit voller Schnelligkeit durch Californien dampfte.

In der Gegend zwischen San Francisco und Sacramento ist der Boden wenig uneben. Dieser Theil der Eisenbahn, »Central-Pacific-Bahn« genannt, hatte Anfangs Sacramento zum Ausgangspunkt und zog sich dann östlich der von Omaha kommenden entgegen. Von San Francisco nach der Hauptstadt Kaliforniens lief eine Linie gerade nordöstlich längs dem American River, der in die Bai San Pablo mündet. Die hundertundzwanzig Meilen zwischen diesen beiden Hauptstädten wurden in sechs Stunden zurückgelegt, und die Reisenden langten gegen Mitternacht, während sie im ersten Schlaf lagen, zu Sacramento an, so daß sie von dieser ansehnlichen Stadt, dem Sitz der Gesetzgebung des Staates Californien, von seinen hübschen Quais, breiten Straßen, seinen öffentlichen Plätzen und Kirchen, nichts zu sehen bekamen.

Von Sacramento ab, hinter den Stationen Junction, Roclin, Auburn und Colfax, zieht die Bahn durch den Hauptstock des Sierra Nevada-Gebirges. Um sieben Uhr früh fuhr man durch Cisco; eine Stunde nachher ward das Schlafgemach wieder zum gewöhnlichen Waggon, und die Reisenden konnten durch die Fenster die malerischen Ansichten dieses Gebirgslandes schauen. Die Bahn folgte in ihrer Richtung den Launen der Sierra, indem sie hier an die Gebirgswände sich anlehnte, dort sich über Abgründe hinaus schwang, die spitzen Winkel durch kühne Curven vermied, in enge Schluchten drang, die man für ausgangslos hielt. Die funkelnde Locomotive mit ihrer großen Leuchte, silbertönigen Glocke, mischte ihr Pfeifen und Brüllen mit dem Getöse der Waldbäche und Cascaden, und ihre Dampfwolken wirbelten in’s dunkle Tannengezweig.

Wenig oder keine Tunnels, noch Ueberbrückungen. Der Schienenweg bog um die Gebirgsseiten, ohne in gerader Linie den kürzesten Weg von einem Punkt zum andern zu suchen, ohne der Natur Gewalt anzuthun.

Gegen neun Uhr drang der Zug durch das Carson-Thal stets nordostwärts in den Staat Nevada; um zwölf Uhr hatte er Reno hinter sich. Von hier aus nahm die Bahn längs dem Humboldtfluß einige Meilen weit nördliche Richtung. Nachher bog sie ostwärts, und folgte dem Lauf dieses Flusses bis zu seiner Quelle, der Humboldtkette, fast am östlichen Ende des Nevadastaates.

Nach dem Frühstück, wofür zu Reno zwanzig Minuten Zeit gegönnt wurde, nahm Herr Fogg nebst Mrs. Aouda und seinen Gefährten ihre Plätze im Waggon wieder ein. Phileas Fogg, die junge Frau, Fix und Passepartout schauten in aller Behaglichkeit auf die wechselnde Landschaft vor ihren Augen, – ungeheure Wiesenflächen, Gebirgsprofile am Horizont, rauschende Waldbäche mit schäumendem Gewässer. Mitunter zeigte sich eine große Schaar Bisons, die sich in der Ferne wie ein beweglicher Damm zusammendrängte. Diese unzählbaren Heere Wiederkäuer bilden oft ein unübersteigliches Hinderniß einer Eisenbahnfahrt. Man hat gesehen, wie Tausende dieser Thiere mehrere Stunden lang in dicht gedrängten Reihen über die Schienen zogen. Dann ist die Locomotive genöthigt Halt zu machen und zu warten, bis die Bahn wieder frei geworden.

So geschah’s nun auch in diesem Falle. Gegen drei Uhr Nachmittags wurde die Bahn durch einen Trupp von zehn bis zwölftausend Stück versperrt. Die Maschine versuchte zuerst mit geminderter Geschwindigkeit in die Seite der unermeßlichen Reihe einzudringen, aber es blieb ihr nichts übrig, als vor der undurchdringlichen Masse Halt zu machen.

Man sah diese Thiere – von den Amerikanern nicht richtig Büffel genannt – mit langsamem Schritt, mitunter fürchterlichem Gebrüll, über die Bahn wandeln. Sie sind von höherm Wuchs als die europäischen Stiere, haben kurze Beine und Schwanz, einen stark vortretenden Muskelbuckel; ihre Hörner sind an der Wurzel weit abstehend, Kopf, Hals und Schultern mit langhaariger Mähne bedeckt. Man konnte nicht daran denken, ihren Wanderzug aufzuhalten. Wenn die Bison eine Richtung genommen haben, ist nichts im Stande, ihren Zug einzuhalten oder zu ändern; er gleicht einem Strome lebendigen Fleisches, der sich durch keinen Damm einengen läßt.

Die Reisenden schauten von den Stegen aus diesem merkwürdigen Schauspiel zu. Aber der am meisten dadurch bedrängte Phileas Fogg blieb an seinem Platz und wartete mit philosophischer Ruhe, bis es den Ochsen gefallen würde, die Bahn frei zu machen. Passepartout gerieth in Wuth über die dadurch veranlaßte Verspätung. Gerne hätte er alle seine Revolver gegen sie abgefeuert.

»Was für ein Land! rief er aus, wo man nur Ochsen braucht, um Bahnzüge aufzuhalten! Da wandeln sie in Processionen, in aller Gemächlichkeit, als ob sie gar nicht genirten! Zum Henker! Ich möchte doch wissen, ob Herr Fogg auch diesen Unfall in seinem Programm vorgesehen hat! Und daß der Maschinist sich nicht getraut, mit seiner Maschine durchzudringen!«

Der Maschinist hatte gar keinen Versuch gemacht, das Hindernis wegzuschaffen, und that wohl daran. Ohne Zweifel hätte er einige der Thiere mit seiner Locomotive zerfleischt; aber trotz ihrer Kraft wäre die Maschine doch bald aufgehalten worden, unausbleiblich wäre eine Entgleisung erfolgt, und der Zug wäre dadurch erst recht in Noth gerathen.

Das Beste war also, in aller Geduld abzuwarten, und sich dabei zufrieden zu geben, daß man nachher durch beschleunigte Geschwindigkeit die verlorene Zeit wieder einbringen konnte. Drei volle Stunden dauerte dieses Vorüberwandeln der Bisons, und erst als die Nacht einbrach, ward die Bahn wieder frei. Als die letzten Reihen da über die Schienen schritten, verschwanden die vordersten schon am südlichen Horizont aus dem Gesicht.

So gelangte der Zug erst um acht Uhr in die Engen der Humboldtketten, und um halb zehn auf’s Gebiet von Utah, der Gegend des großen Salzsee’s, in das merkwürdige Mormonenland.

Siebenundzwanzigstes Capitel.

Siebenundzwanzigstes Capitel.

Ein Stück Mormonengeschichte.

Während der Nacht vom 5. auf den 6. November legte der Zug erst südöstlich eine Strecke von etwa fünfzig Meilen zurück; dann lief er ebensoweit nordöstlich und kam in die Nähe des großen Salzsees.

Gegen neun Uhr Morgens schöpfte Passepartout auf dem Steg etwas freie Luft. Es war kaltes Wetter, grauer Himmel, aber es schneite nicht mehr. Die Sonnenscheibe, im Nebel vergrößert, glich einem ungeheuern Goldstück, und Passepartout befaßte sich eben damit, den Werth desselben in Pfund Sterling auszurechnen, als ihm die Erscheinung eines seltsamen Menschen bei der nützlichen Arbeit störte.

Auf der Station Elko war ein Mann eingestiegen, von hohem Wuchs, sehr braun mit schwarzem Schnurrbart; er trug schwarze Strümpfe und schwarzen Seidenhut, schwarze Weste und Hosen, weiße Halsbinde und Handschuhe von Hundsleder. Man konnte ihn für einen Geistlichen halten. Er ging von einem Ende des Zugs bis zum andern, und klebte an jede Waggonthüre mit Oblaten eine handschriftliche Notiz.

Passepartout trat näher und las, daß der ehrenwerthe Aelteste William Hitch, Mormonen-Missionär, seine Anwesenheit beim Zug 48 benützen wolle, um elf Uhr Mittags im Wagen Nro. 117 eine Conferenz über den Mormonismus zu halten, und lade dazu alle Gentlemen ein, die Lust hätten, sich über die Geheimnisse der Religion der »Heiligen der letzten Tage« näher zu unterrichten.

»Ei, da geh‘ ich hin«, sagte Passepartout, dem vom Mormonismus nichts weiter bekannt war, als die Vielweiberei, als Grundlage der Mormonengesellschaft.

Die Neuigkeit verbreitete sich rasch unter den etwa hundert Reisenden des Zuges, von welchen höchstens dreißig sich anlocken ließen, um elf Uhr auf den Bänken des Wagens Nro. 117 sich einzufinden. In vorderster Reihe dieser Gläubigen sah man Passepartout; weder sein Herr, noch Fix hatten sich wollen stören lassen.

Zu der festgesetzten Stunde erhob sich der Aelteste und rief mit aufgeregter Stimme, als hätte man ihm schon zum Voraus widersprochen:

»Ich sage Euch, daß Joe Smyth ein Märtyrer ist, daß sein Bruder Hyram ein Märtyrer ist, und daß die Verfolgungen von Seiten der Union gegen die Propheten gleichermaßen Brigham Young zum Märtyrer machen werden! Wer wagt’s, das Gegentheil zu behaupten?«

Niemand unterstand sich dem Missionär zu widersprechen, dessen Aufregung mit seiner von Natur ruhigen Physiognomie in Widerspruch stand. Allerdings war sein Zorn durch den Umstand erklärlich, daß der Mormonismus eben harte Prüfungen zu bestehen hatte. Und wirklich hatte die Regierung der Vereinigten Staaten soeben, nicht ohne Schwierigkeiten, diese unabhängigen Fanatiker unterworfen. Sie hatte Utah eingenommen und den Gesetzen der Union unterworfen, nachdem sie Brigham Young wegen Rebellion und Polygamie verhaftet und vor Gericht gestellt hatte. Seit diesem Zeitpunkt verdoppelten die Jünger des Propheten ihre Anstrengungen, und leisteten, in Erwartung der That, durch Worte den Forderungen des Congresses Widerstand.

Man sieht, der Aelteste William Hitch suchte bis auf die Eisenbahn Proselyten zu machen.

Und darauf erzählte er mit leidenschaftlich gesteigertem Ton und gewaltsamen Geberden die Geschichte des Mormonismus seit den biblischen Zeiten: »Wie in Israel ein mormonischer Prophet aus dem Stamme Joseph’s die Annalen der neuen Religion veröffentlichte und an seinen Sohn Morom vermachte; wie, viele Jahrhunderte später, eine Uebersetzung dieses kostbaren, in ägyptischen Schriftzeichen geschriebenen Buches von dem jungem Joseph Smyth gemacht wurde, einem Farmer des Staates Vermont, der sich im Jahre 1825 als mystischen Propheten kund gab; wie ihm endlich ein himmlischer Bote in einem erleuchteten Walde erschien und die Annalen des Herrn zustellte.«

In diesem Augenblick verließen einige Zuhörer, welche für die zurückblickende Erzählung des Missionärs wenig Interesse hatten, den Wagen; aber William Hitch fuhr fort und erzählte, »wie der jüngere Smyth im Verein mit seinem Vater, seinen zwei Brüdern und einigen Schülern die Religion der Heiligen der letzten Tage gründete, – eine Religion, die nicht allein in Amerika, sondern auch in England, Skandinavien, Deutschland ausgebreitet, unter ihren Gläubigen Handwerker, und auch viele Anhänger aus den höheren Ständen zähle; wie in Ohio eine Colonie gegründet wurde, wie für zweimalhunderttausend Dollars ein Tempel und zu Kirkland eine Stadt erbaut wurde; wie Smyth ein kühner Bankier wurde und von einem Manne, der Mumien zeigte, eine Papyrusrolle erhielt, worauf eine von Abraham und berühmten Aegyptiern eigenhändig geschriebene Erzählung stand.«

Da diese Erzählung etwas langweilig wurde, so lichteten sich die Reihen der Zuhörer noch mehr, und sein Publicum bestand nur noch aus zwanzig Personen.

Aber der Aelteste ließ sich durch dies Ausreißen nicht stören und fuhr fort mit Details zu erzählen, »wie Joe Smyth im Jahre 1837 bankerott wurde; wie seine ruinirten Actionäre ihn mit Theer bestrichen und in Federn wälzten; wie er nach einigen Jahren ehrenwerther und geehrter als jemals zu Independance in Missouri wieder als Haupt einer blühenden Gemeinde auftrat, die nicht weniger als dreitausend Anhänger zählte, daß er aber, vom Haß der Ungläubigen verfolgt, in’s weite Westland flüchten mußte.«

Nun waren nur noch zehn Zuhörer anwesend, worunter der brave Passepartout, der mit gespitzten Ohren hörte. So vernahm er denn, »wie nach langen Verfolgungen Smyth wieder in Illinois auftrat und im Jahre 1839 an den Ufern des Mississippi Nauvoo la Belle gründete, dessen Bevölkerung bis auf fünfundzwanzigtausend Seelen stieg; wie Smyth ihr Bürgervorstand, oberster Richter und Obergeneral ward; wie er im Jahre 1843 als Präsidentschafts-Candidat der Vereinigten Staaten auftrat, und endlich zu Karthago in einen Hinterhalt gelockt, in den Kerker geworfen und von einer maskirten Rotte ermordet wurde.«

In diesem Augenblick war nur Passepartout allein noch in dem Wagen, und der Aelteste blickte ihm unverwandt in’s Gesicht und suchte ihn mit seinen Worten zu fesseln. So brachte er ihm weiter bei, »zwei Jahre nach Smyth’s Ermordung habe sein Nachfolger, der Prophet Brigham Young, Nauvoo verlassen und an den Ufern des Salzsee’s sich niedergelassen, und hier, auf dem wundervollen Landstrich, in der so fruchtbaren Gegend, auf dem Wege der Auswanderer, welche durch Utah nach Kalifornien ziehen, habe die neue Colonie, Dank den Grundsätzen der Polygamie, eine ungeheure Ausdehnung gewonnen.

»Und hierin, fuhr William Hitch fort, hierin liegt der Grund der Eifersucht des Congresses! Deshalb haben die Soldaten der Union den Boden Utahs betreten! Deshalb ist unser Haupt, der Prophet Brigham Young, aller Gerechtigkeit zum Trotz eingekerkert worden! Werden wir der Gewalt uns fügen? Niemals! Vertrieben aus Vermont, aus Illinois, aus Ohio, aus Missouri und Utah, werden wir immer wieder einen unabhängigen Landstrich finden, um unser Zelt aufzustecken…. Und Sie, mein Getreuer, fuhr der Aelteste fort, den zornigen Blick auf seinen einzigen Zuhörer geheftet, werden Sie das Ihrige unter’m Schutz unsers Banners aufschlagen?

– Nein«, erwiderte Passepartout tapfer, entfloh ebenfalls und ließ den Besessenen in der Wüste predigen.

Aber während dieser Unterhaltung war der Zug reißend schnell weiter gefahren und gelangte um halb ein Uhr an die nordöstliche Spitze des großen Salzsee’s. Von hier aus konnte man in weitem Umkreis das innere Meer überblicken, welches auch Todtes Meer genannt wird, mit einem hineinfließenden Jordan. Ein wundervoller See, eingefaßt von schönen, wilden, breitgeschichteten Felsen, die mit weißem Salz überzogen sind, mit prächtigem Wasserspiegel, der vormals einen größern Umfang hatte; aber mit der Zeit, da er allmälig stieg, sind seine Ufer zurückgetreten, und es wurde seine Oberfläche kleiner, seine Tiefe größer.

Der Salzsee ist etwa siebenzig Meilen lang, fünfunddreißig breit, und liegt dreitausendachthundert Fuß über dem Meeresspiegel. Sehr verschieden von dem Asphaltsee, der zwölfhundert Fuß niedriger liegt, ist er von bedeutendem Salzgehalt, und sein Wasser enthält den vierten Theil seines Gewichts an festem Stoff in Auflösung. Das specifische Gewicht desselben beträgt eintausendeinhundertundsiebenzig gegen eintausend des destillirten Wassers. Daher können auch Fische nicht darin leben; die vom Jordan, Weber und andern Flüßchen hineingeführten kommen bald darin um; aber unbegründet ist die Angabe, sein Wasser sei so dicht, daß ein Mensch darin nicht untersinke.

Um den See herum war das Feld zum Staunen wohl bebaut, denn die Mormonen verstehen sich auf den Landbau: Meiereien und Stallungen für Hausthiere, Korn-, Mais- und Hirsenfelder, üppiges Wiesenland, überall wilde Rosenhecken, Akazien- und Euphorbiengebüsch, solchen Anblick hätte diese Gegend sechs Monate später gewährt; aber in dem Augenblick war sie mit einer leichten Schneedecke verhüllt.

Um zwei Uhr stiegen die Reisenden bei der Station Ogden aus. Da der Zug erst um sechs Uhr weiter ging, so hatten Herr Fogg, Mrs. Aouda und ihre beiden Begleiter Zeit, auf der kleinen Bahnstrecke, welche hier abzweigt, sich in die Stadt der Heiligen zu begeben. Zwei Stunden genügten, um diese durch und durch amerikanische Stadt zu besichtigen, die nach dem Muster aller Städte der Union gebaut ist, ein ungeheures Damenbrett mit kalten Linien in traurigen Rechtwinkeln. Der Gründer der Stadt der Heiligen konnte sich dem Bedürfniß der Symmetrie, welches die Angelsachsen kennzeichnet, nicht entziehen. In diesem sonderbaren Lande, wo die Menschen nicht ebenso vorzüglich sind wie die Institutionen, macht sich alles »viereckig«, die Städte, die Häuser und die Dummheiten.

Um drei Uhr wandelten also die Reisenden durch die Straßen der Stadt, welche zwischen dem Jordanufer und den ersten Hügeln des Wahsatchgebirges liegt. Sie bemerkten darin wenig oder keine Kirchen, aber als Monumente das Haus des Propheten, das Gerichtshaus und das Arsenal; sodann Häuser von bläulichem Ziegelstein mit Verandas und Galerien, von Gärten und von Reihen Akazien-, Palm- und Johannisbrodbäumen umgeben. Eine im Jahre 1853 erbaute Mauer von Thon und Kieseln lief um die Stadt. In der Hauptstraße, wo auch der Markt gehalten wird, standen einige mit Fahnen gezierte Gasthöfe, unter anderm das Salzseehaus.

Herr Fogg und seine Begleiter fanden die Stadt nicht sehr bevölkert. Die Straßen waren fast menschenleer, – ausgenommen jedoch die Gegend des Tempels, wohin sie erst kamen, nachdem sie mehrere mit Palissaden umgebene Quartiere durchwandert hatten. Die Frauen waren sehr zahlreich, was aus der eigentümlichen Einrichtung des Hausstandes der Mormonen erklärlich wird. Doch muß man nicht meinen, alle Mormonen hätten mehrere Frauen. Man ist frei, aber zu merken ist, daß besonders die Bürgerinnen von Utah darauf versessen sind, verheiratet zu sein, weil den Religionsbegriffen des Landes nach die unverheirateten Frauen nicht in’s Himmelreich kommen. Diese armen Geschöpfe schienen weder glücklich noch im Wohlstand zu leben. Einige, ohne Zweifel die reicheren, trugen eine schwarzseidene Jacke, die oben offen war, unter einer Kapuze oder sehr bescheidenem Shawl. Die anderen hatten nur Indianertracht.

Passepartout als Junggeselle von Ueberzeugung sah nur mit einem gewissen Schrecken, wie es diesen Mormonenweibern oblag, gemeinsam mit andern das Glück eines einzigen Mormonen auszumachen. Seinem gesunden Verstand nach war der Mann besonders zu beklagen. Es schien ihm eine schreckliche Aufgabe, so viele Frauen miteinander durch die Wechselschicksale des Lebens zu geleiten, sie also truppweise zum Mormonenparadies zu führen, mit der Aussicht, sie dort für ewig in Gesellschaft des glorreichen Smyth wieder zu finden, welcher die Zierde dieses Ortes der Seligkeit sein mußte. Dazu fühlte er sicherlich keinen Beruf in sich, und er fand – vielleicht täuschte er sich hierin – daß die Bürgerinnen der Great-Lake-City etwas beunruhigende Blicke auf ihn warfen.

Glücklicherweise sollte er in der Stadt der Heiligen nicht lange verweilen. Einige Minuten vor sechs Uhr fanden sich die Reisenden wieder auf dem Bahnhof ein, und nahmen Platz im Waggon.

Man hörte das Pfeifen; aber im Augenblick wie die über die Schienen gleitenden Räder der Locomotive den Zug in Gang brachten, ließ sich der Ruf: »Halt! Halt!« vernehmen.

Ein Zug, der einmal in Bewegung ist, läßt sich nicht einhalten. Der Gentleman, welcher diesen Ruf hören ließ, war offenbar ein Mormone, der sich verspätet hatte. Er lief, daß ihm der Athem ausging. Zu seinem Glück war der Bahnhof ohne Thore und Schlagbaum. Er stürzte über den Weg, sprang auf die Einsteigtreppe des hintersten Wagens, und sank athemlos auf eine der Sitzbänke.

Passepartout, der mit Besorgniß dieser Gymnastik zugesehen hatte, betrachtete den verspäteten Mann, an welchem er lebhaften Antheil nahm, als er hörte, dieser Bürger von Utah habe nach einer häuslichen Scene die Flucht ergriffen.

Als der Mormone wieder bei Athem war, wagte Passepartout ihn höflich zu fragen, wieviel Frauen er habe, er allein, – und aus der Art, wie er flüchtig geworden, vermuthete er, es müßten wenigstens zwanzig sein.

»Eine, mein Herr, erwiderte der Mormone, und hob die Hände zum Himmel, eine, und daran übergenug!«

Achtundzwanzigstes Capitel.

Achtundzwanzigstes Capitel.

Passepartout vermochte nicht, der Stimme der Vernunft Gehör zu verschaffen.

Als der Zug die Salzseehauptstadt und die Station Ogden hinter sich hatte, lief er eine Stunde lang nordwärts bis zum Weberfluß, nachdem er von San Francisco aus etwa neunhundert Meilen zurückgelegt hatte. Von diesem Punkt an nahm er wieder östliche Richtung durch den unregelmäßigen Hauptstock des Wahsatchgebirges. An dieser Strecke zwischen diesen Bergen und dem eigentlichen Felsengebirge hatten die amerikanischen Ingenieure mit den ernstlichsten Schwierigkeiten zu kämpfen. Darum ist auch der Zuschuß, welchen die Staatsregierung für Herstellung der Bahn gewährte, an der ganzen Strecke auf achtundvierzigtausend Dollars per Meile angesetzt worden, während er auf der Ebene nur sechzehntausend Dollars beträgt; aber die Ingenieure haben, wie bereits gesagt, nicht der Natur Gewalt anthun wollen, vielmehr mit ihr wetteifernd die Schwierigkeiten zu umgehen gesucht, und um das große Thalbecken zu erreichen, ist auf der gesammten Bahnstrecke nur ein einziger Tunnel, in der Länge von vierzehntausend Fuß, angelegt worden.

Eben am Salzsee hatte bis dahin die Linie ihren höchsten Punkt erreicht. Von diesem aus beschrieb ihr Profil eine sehr lange Curve abwärts nach dem Thal des Bitter-Creek, um dann wieder aufzusteigen bis zur Wasserscheide zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean. In dieser Gebirgsgegend waren die Bergströme zahlreich; man mußte den Muddy, den Green und andere überbrücken. Passepartout wurde im Verhältnis, wie man dem Ziel näher kam, ungeduldiger; aber Fix wäre gern wieder aus dieser schwierigen Gegend herausgewesen, weil er Verspätungen besorgte, Unfälle befürchtete, und er hatte noch mehr als Phileas Fogg selbst Eile, auf englisches Gebiet zu kommen!

Um zehn Uhr Abends hielt der Zug bei der Station Fort-Bridger, verließ dieselbe wieder alsbald und kam zwanzig Meilen weiter in den Staat Wyoming, – das alte Dakota – längs dem ganzen Thalweg des Bitter-Creek, von wo aus ein Theil der Gewässer fließt, welche das hydrographische System des Colorado bilden.

Am folgenden Tage, den 7. December, wurde bei der Station Green-River eine Viertelstunde gehalten. Die Nacht über war reichlich Schnee gefallen, aber da er, mit Regen vermischt, schon halb geschmolzen war, konnte er die Fahrt nicht hemmen. Doch wurde Passepartout unruhig über dies schlimme Wetter, weil durch Häufung des Schnees eine Hemmung der Reise eintreten konnte.

»Was dachte denn auch mein Herr, sprach er bei sich, daß er die Reise im Winter vornahm! Hätte er nicht bei guter Jahreszeit weit bessere Aussichten auf Erfolg gehabt?«

Aber in diesem Augenblick, wo der brave Bursche sich nur über die Beschaffenheit der Witterung und der niedrigen Temperatur Gedanken machte, empfand Mrs. Aouda lebhafte Besorgnisse aus einem andern Grunde.

Es waren einige Reisende ausgestiegen und spazierten auf dem Quai des Bahnhofes von Green-River, bis der Zug wieder weiter ging. Da sah nun die junge Frau durch das Fenster und erkannte unter den Spazierenden den Oberst Stamp Proctor, jenen Amerikaner, welcher bei dem Meeting zu San Francisco sich so gröblich gegen Phileas Fogg benommen hatte. Mrs. Aouda zog sich, um nicht bemerkt zu werden, rasch vom Fenster zurück.

Dieser Umstand beunruhigte die junge Frau in hohem Grade. Sie hatte sich an den Mann angeschlossen, der, so kühl er auch war, ihr doch jeden Tag die vollständigste Hingebung zu erkennen gab. Ohne Zweifel war ihr die ganze Tiefe des Gefühls, welches ihr Retter ihr einflößte, noch nicht faßlich; sie nannte es nur noch Dankbarkeit, aber ohne daß sie’s wußte, umfaßte es bereits weit mehr als dies. Darum wurde ihr auch das Herz beklommen, als sie den ungeschliffenen Mann erkannte, mit welchem Herr Fogg früher oder später über sein Verhalten abrechnen wollte. Offenbar war der Oberst Proctor nur durch Zufall auf diesen Zug gekommen, aber er war nun einmal da, und man mußte um jeden Preis verhindern, daß Phileas Fogg seinen Gegner zu Gesicht bekam.

Als der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt, benutzte Mrs. Aouda einen Augenblick, wo Herr Fogg eingeschlafen war, um Fix und Passepartout in Kenntniß zu setzen.

»Dieser Proctor ist beim Zug! rief Fix. Nun, so beruhigen Sie sich, Madame, ehe er mit Herrn Fogg zu thun bekommt, wird er es mit mir zu thun haben! Es scheint mir, bei alledem, daß ich das schwerste Unrecht erlitten habe.

– Und dazu noch, fügte Passepartout hinzu, mache ich mir mit ihm zu schaffen, trotzdem daß er Oberst ist.

– Herr Fix, versetzte Mrs. Aouda, Herr Fogg wird es Niemand zukommen lassen, ihn zu rächen. Er ist, wie er gesagt hat, fähig, wieder nach Amerika zu kommen, um den Beleidiger aufzusuchen. Wenn er also den Oberst Proctor bemerkt, können wir nicht hindern, daß er mit ihm zu thun bekommt, was beklagenswerthe Folgen haben kann. Darum darf er ihn nicht sehen.

– Sie haben Recht, Madame, ein Zusammentreffen könnte alles verderben. Sieger oder besiegt, Herr Fogg würde dadurch aufgehalten, und …

– Und, setzte Passepartout hinzu, darum ist es den Gentlemen des Reformclubs zu thun. Binnen vier Tagen sind wir zu New-York! Wenn nun mein Herr während der vier Tage nicht aus seinem Waggon kommt, läßt sich hoffen, daß der Zufall ihn nicht mit diesem verdammten Amerikaner zusammen bringen wird. Aber wir werden ihn schon abzuhalten verstehen …«

Die Unterhaltung wurde abgebrochen. Herr Fogg war aufgewacht, und schaute durch das beschneite Fenster auf das Feld hinaus. Aber später, und ohne daß sein Herr Fogg oder Mrs. Aouda es hörte, sprach Passepartout zu dem Agenten:

»Würden Sie wirklich sich für ihn schlagen?

– Ich werde alles aufbieten, ihn lebend nach Europa zu bringen!« erwiderte einfach Fix, mit entschiedenem Ton.

Passepartout fühlte, daß ihn ein Schaudern überlief; aber seine Ueberzeugung in Beziehung auf seinen Herrn wankte nicht.

Und jetzt, gab es wohl ein Mittel, um Herrn Fogg in seiner Wagenabtheilung festzuhalten, damit er von jedem Zusammentreffen mit dem Oberst abgehalten würde? Es konnte nicht schwer fallen, da der Gentleman kein unruhiger Kopf und wenig neugierig war. Jedenfalls glaubte der Polizei-Agent das Mittel gefunden zu haben, denn nach einer kleinen Weile sprach er zu Phileas Fogg:

»Die Stunden hier auf der Eisenbahn sind doch recht lang und langweilig.

– In der That, erwiderte der Gentleman, aber sie gehen doch vorüber.

– An Bord der Packetboote, versetzte der Agent, pflegten Sie Ihr Spielchen Whist zu machen?

– Ja, erwiderte Phileas Fogg, aber hier wäre das schwierig. Ich habe weder Karten, noch Mitspieler.

– O! Karten werden wir schon zu kaufen bekommen. Auf den amerikanischen Waggons giebt es alles zu kaufen. Und was Mitspieler betrifft, wenn vielleicht, Madame …

– O gewiß, mein Herr, erwiderte lebhaft die junge Frau, ich verstehe Whist. Es gehört ja zur englischen Erziehung.

– Und ich, fuhr Fix fort, bilde mir sogar ein, gut zu spielen. Nun, also wir drei und ein Strohmann …

– Nach Ihrem Belieben, mein Herr«, erwiderte Phileas Fogg, der froh war, sein Lieblingsspiel selbst auf der Eisenbahn zu spielen.

Passepartout wurde abgeschickt, den Stewart aufzusuchen, und brachte bald zwei vollständige Kartenspiele, Marken und ein mit Tuch beschlagenes Tischchen. Es fehlte nichts, und das Spiel nahm gleich seinen Anfang. Mrs. Aouda verstand Whist zu Genüge, so daß ihr der strenge Phileas Fogg sogar darüber Komplimente machte. Der Polizei-Agent war besonders stark darin, und konnte dem Gentleman die Spitze bieten.

»Jetzt, sprach Passepartout zu sich selbst, haben wir ihn fest!«

Um elf Uhr Vormittags befand sich der Zug auf dem Höhepunkt der Wasserscheide zwischen den beiden Oceanen, zu Passe-Bridger, siebentausendfünfhundertvierundzwanzig Fuß über dem Meeresspiegel. Noch etwa zweihundert Meilen, dann befand man sich auf den weit ausgedehnten, bis zum Atlantischen Meere reichenden Ebenen, welche der Anlage von Eisenbahnen so günstig sind.

Bereits kamen die ersten Quellflüsse der Atlantischen Abdachung zum Vorschein, Neben- und Zuflüsse des obern Platte-River. Am ganzen nördlichen und östlichen Horizont ragte der ungeheure halbkreisförmige Mittelwall, welcher den nördlichen Theil des Felsengebirges bildet, der vom Pic Laramie beherrscht wird. Zwischen diesem krummen Höhenzug und der Eisenbahn breiteten sich ungeheure, reichlich von Gewässern durchströmte Ebenen aus. Rechts von dem Schienenweg stuften sich die ersten Abhänge des Hauptgebirgsstocks ab, welcher im Süden bis zu den Quellen des Arkansas, einem der großen Nebenflüsse des Missouri, reicht.

Um halb eins bekamen die Reisenden einen Augenblick das Fort Halleck zu sehen, welches diese Gegend beherrscht. In einigen Stunden konnte man über das Felsengebirge hinaus sein, und es stand zu hoffen, daß kein Unfall mehr auf dieser schwierigen Stelle vorkommen werde. Der Schneefall hatte aufgehört, und es trat trockene Kälte ein. Von der Locomotive aufgescheucht, entflohen weithin die Vögel; kein Rothwild, Bär oder Wolf, zeigte sich auf der Ebene, einer kahlen Einöde von ungeheurer Ausdehnung.

Nach einem erquicklichen, im Bahnwagen eingenommenen Frühstück hatten Herr Fogg und seine Spielgenossen eben ihr Whist, das kein Ende nehmen wollte, wieder begonnen, als man heftiges Pfeifen vernahm. Der Zug hielt an.

Passepartout steckte den Kopf zum Fenster hinaus, und sah nichts, was zu diesem Anhalt veranlaßt haben konnte. Keine Station war zu sehen.

Mrs. Aouda und Fix mochten eine Weile befürchten, Herr Fogg werde auf den Gedanken kommen, auszusteigen. Aber der Gentleman sagte nur zu seinem Diener:

»Sehen Sie doch, was es giebt.«

Passepartout sprang aus dem Waggon. Bei vierzig Reisende waren ebenfalls ausgestiegen, darunter der Oberst Stamp Proctor.

Der Zug hatte vor einem rothen Signalzeichen eingehalten, welches den Weg sperrte. Der Maschinist und der Conducteur waren ausgestiegen und disputirten lebhaft mit einem Bahnwärter, welchen der Bahnhofdirector der Station Medecine-Bow dem Zug entgegengeschickt hatte. Einzelne der Reisenden hatten sich dazugesellt und nahmen an dem Disput Theil, – unter andern der gedachte Oberst Proctor mit seinem lauten Ton und gebieterischen Geberden.

Passepartout hörte, als er zu der Gruppe kam, wie der Bahnwärter sprach:

»Nein! Es ist nicht möglich hinüberzukommen! Die Brücke von Medecine-Bow ist schadhaft und verträgt nicht mehr das Gewicht des Zugs.«

Die fragliche Brücke war eine Hängebrücke über einen reißenden Bergstrom, eine Meile von der Stelle entfernt, wo der Zug stehen geblieben war. Nach Aussage des Bahnwärters waren einige der Hängeketten zersprungen, und man durfte ein Darüberfahren nicht riskiren.

Es war das gar keine Übertreibung. Und zudem bei der gewöhnlichen Fahrlässigkeit der Amerikaner kann man annehmen, daß, wenn sie wirklich einmal vorsichtig sind, man wahnsinnig wäre, wollte man es nicht sein.

Da Passepartout nicht wagte, seinem Herrn davon Kenntniß zu geben, so hörte er mit grimmiger Miene zu, unbeweglich wie eine Statue.

»Ei was! schrie der Oberst Proctor, wir werden doch nicht, denk‘ ich, hier im Schnee einwurzeln!

– Oberst, versetzte der Conducteur, man hat nach der Station Omaha telegraphirt, um einen Extrazug von dort aus, aber es ist nicht wahrscheinlich, daß er vor sechs Uhr zu Medecine-Bow ankommt.

– Sechs Uhr! rief Passepartout.

– Allerdings, erwiderte der Conducteur. Uebrigens brauchen wir auch soviel Zeit, um zu Fuß bis zur Station zu kommen.

– Doch ist sie nur eine Meile von uns entfernt, sagte ein Passagier.

– Eine Meile wohl, aber von der andern Seite des Flusses aus.

– Und kann man denn nicht auf einem Fahrzeug über den Fluß kommen? fragte der Oberst.

– Unmöglich. Es ist ein reißender Bergstrom, dessen Wasser vom Regen angeschwollen ist, und um eine Furth zu finden, müßten wir einen Umweg von zehn Meilen nordwärts machen.«

Der Oberst schleuderte eine Kette von Flüchen über die Compagnie, den Conducteur, und Passepartout war zornig bereit, in seine Tonart einzustimmen. Hier war ein materielles Hinderniß, gegen welches alle Banknoten seines Herrn nichts halfen.

Uebrigens war die Verlegenheit und Unlust der Reisenden allgemein; denn außer dem Zeitverlust mußten sie fünfzehn Meilen zu Fuß über den schneebedeckten Boden machen. Daher gab es auch ein Durcheinander von Schreien und Rufen, das sicherlich Phileas Fogg aufmerksam gemacht hätte, wäre er nicht ganz in sein Spiel versunken gewesen.

Doch war Passepartout jetzt genöthigt, ihm Mittheilung zu machen, und er ging schon mit gesenktem Kopf auf den Waggon zu, als der Maschinist des Zugs – ein echter Yankee, Forster mit Namen – seine Stimme erhob, und sprach:

»Meine Herren, vielleicht giebt es ein Mittel hinüberzukommen.

– Ueber die Brücke? fragte ein Passagier.

– Ja wohl.

– Mit unserm Zug? fragte der Oberst.

– Mit unserm Zug.«

Passepartout war stehen geblieben, hörte mit gespitzten Ohren dem Maschinisten zu.

»Aber die Brücke droht einzustürzen! versetzte der Conducteur.

– Einerlei, erwiderte Forster. Ich meine, wenn man den Zug mit höchstmöglicher Schnelligkeit in Bewegung setzte, könnte man doch hinüber kommen.

– Teufel!« sagte Passepartout.

Aber eine Anzahl der Reisenden war gleich für den Vorschlag gewonnen; besonders der Oberst Proctor war damit zufrieden. Und schließlich stimmten alle Betheiligten demselben bei.

»Wir könnten fünfzig gegen hundert wetten, daß wir hinüber kommen, sagte der Eine.

– Sechzig, sagte der Andere.

– Achtzig! … Neunzig gegen hundert!«

Passepartout war ganz verdutzt, obwohl er Alles zu versuchen bereit war, um über den Medecinefluß zu kommen, aber das Vorhaben kam ihm doch allzu »amerikanisch« vor.

»Uebrigens, dachte er, was hier geschehen muß, ist eine sehr einfache Sache, und diese Leute denken nicht einmal daran! … Mein Herr, sagte er zu einem der Passagiere, das von dem Maschinisten vorgeschlagene Mittel scheint mir etwas gewagt, allein …

– Achtzig gegen hundert, erwiderte der Passagier, und kehrte ihm den Rücken zu.

– Ich weiß es wohl, erwiderte Passepartout, und wendete sich an einen andern Gentleman, aber eine einfache Erwägung …

– Keine Erwägung, das taugt nichts! versetzte der Amerikaner mit Achselzucken; denn der Maschinist versichert, daß man hinüber kommt!

– Allerdings, fuhr Passepartout fort, wird man hinüber kommen, aber es wäre vielleicht vorsichtiger …

– Was! vorsichtiger! rief der Oberst Proctor, den dies zufällig vernommene Wort außer sich brachte. Mit höchster Schnelligkeit! sagt man Euch! Verstehen Sie? Mit höchster Schnelligkeit!

– Ich weiß … ich verstehe … sagte Passepartout wiederholt, da man ihn nicht ausreden ließ; aber es wäre, wo nicht vorsichtiger, weil Sie diesen Ausdruck beanstanden, wenigstens viel natürlicher …

– Wer? was? wie? Was will denn der mit seinem natürlich?« … rief man von allen Seiten.

Der arme Junge wußte nicht mehr, bei wem er sich Gehör verschaffen könnte.

»Fürchten Sie sich? fragte ihn der Oberst Proctor.

– Ich, fürchten! rief Passepartout. Nun denn, meinetwegen! Ich will diesen Leuten zeigen, daß ein Franzose ebenso amerikanisch sein kann, wie sie!

– In die Wagen! in die Wagen! rief der Conducteur.

– Ja! in die Wagen, wiederholte Passepartout, in die Wagen! Und augenblicklich! Aber ich bleibe dabei, es wäre doch natürlicher, man ließe uns Passagiere zuerst zu Fuß über die Brücke gehen, und der Wagenzug folgte hinterdrein! …«

Aber kein Mensch gab der gescheiten Bemerkung Gehör, und kein Mensch hätte Lust gehabt, ihre Richtigkeit anzuerkennen.

Die Reisenden stiegen wieder ein, Passepartout setzte sich wieder an seinen Platz, ohne von dem, was vorgegangen war, ein Wort zu sagen. Die Spieler waren unablässig bei ihrem Whist.

Die Locomotive pfiff gewaltig. Der Maschinist ließ seinen Wagenzug erst eine Meile weit zurückgehen, – wie einer, der einen Sprung machen will, einen Anlauf nimmt.

Dann, auf ein zweites Pfeifen, fuhr man wieder vorwärts, mit stets wachsender Schnelligkeit, die bald erschrecklich wurde, man hörte nur noch ein fortwährendes Wiehern aus der Locomotive; die Stempel gingen zwanzigmal in der Secunde; die Achsen der Räder rauchten in den geschmierten Radbüchsen. Man fühlte, sozusagen, daß der gesammte Wagenzug, bei einer Schnelligkeit von hundert Meilen die Stunde, auf den Schienen kein Gewicht mehr hatte.

Und man kam hinüber! Blitzschnell! Von der Brücke sah man nichts. Die Wagen sprangen, kann man wohl sagen, von einem Ufer zum andern hinüber, und der Maschinist konnte seine vorwärts geschleuderte Maschine erst fünf Meilen über der Station hinaus zum Anhalten bringen.

Kaum aber war der Wagenzug über den Fluß hinaus, als die nun völlig ruinirte Brücke krachend in den Strudel des Medecine-Bow hinabstürzte.

Neunundzwanzigstes Capitel.

Neunundzwanzigstes Capitel.

Einiges, was nur auf amerikanischen Eisenbahnen vorkommt.

An demselben Nachmittag fuhr der Zug ohne Hinderniß weiter, am Fort Sauders vorbei, durch die Enge von Chayenne, und kam noch bis zum Paß Evans. An dieser Stelle ist der höchste Punkt der Eisenbahn auf ihrer ganzen Länge, nämlich achttausendeinundneunzig Fuß oberhalb des Meeresspiegels. Von nun an ging es nur abwärts bis zum Atlantischen Meer auf den unbegrenzten, von der Natur nivellirten Ebenen.

Hier entsendet die Hauptbahn eine Abzweigung nach Denver-City, der Hauptstadt von Colorado. Dieses Gebiet ist reich an Gold- und Silberminen, und es haben sich bereits über fünfzigtausend Bewohner dort angesiedelt.

Jetzt hatte man von San Francisco aus dreizehnhundertzweiundachtzig Meilen in drei Tagen und drei Nächten zurückgelegt, und aller Vorausberechnung nach mußten vier Nächte und vier Tage für die Fahrt bis New-York ausreichen. Phileas Fogg hielt sich also innerhalb der vorgezeichneten Fristen.

Während der Nacht ließ man das Lager Walbah links. Der Lodge-pole-Creek floß parallel mit der Bahn längs der geradlinigen Grenze der Staaten Wyoming und Colorado. Um elf Uhr fuhr man in Nebraska, neben Sedgwich vorbei, und berührte Julesburgh am südlichen Arme des Platte-Flusses.

An dieser Stelle fand am 23. October 1867 die Einweihung der Pacific-Bahn statt, deren Oberingenieur der General I. M. Dodge war. Hier hielten die beiden gewaltigen Locomotiven mit den neun Waggons der Eingeladenen, worunter der Vice-Präsident M. Thomas C. Durant; hier erschallte das Beifallklatschen; hier gaben die Sioux und Pawnies das Schauspiel eines kleinen Indianerkriegs; hier sah man das Spiel der Kunstfeuerwerke; hier endlich wurde mittelst einer transportablen Druckerei die erste Nummer des Blattes »Railway- Pioneer« hergestellt. So wurde die Einweihung dieser Riesenbahn gefeiert, die ein Werkzeug des Fortschritts und der Bildung, quer durch die unbewohnten Gegenden zieht, mit der Bestimmung, Städte und Ortschaften, die noch nicht existirten, mit einander zu verbinden. Noch wirksamer als Amphion’s Leier, sollte die Pfeife der Locomotive sie bald aus dem amerikanischen Boden hervorwachsen lassen.

Um acht Uhr Vormittags hatte man das Fort Mac-Pherson hinter sich, welches dreihundertsiebenundfünfzig Meilen von Omaha entfernt liegt. Die Eisenbahn folgte den launischen Krümmungen des südlichen Armes des Platte-Flusses auf seiner linken Seite. Um neun Uhr kam man bei der bedeutenden Stadt North-Platte an, die zwischen den beiden Armen des großen Stromes liegt, welche sich hier vereinigen, um von da an nur eine einzige Pulsader zu bilden, – ein ansehnlicher Nebenfluß des Missouri, in welchen er ein wenig oberhalb Omaha einmündet.

Nun war man über den hundertsten Meridian hinaus. –

Herr Fogg und seine Spielgenossen hatten ihr Spiel fortgesetzt, und keiner beklagte sich über die Länge der Fahrt – nicht einmal der Strohmann. Fix hatte anfangs einige Guineen gewonnen, und war schon im Begriff, sie wieder zu verlieren, aber er zeigte sich doch als ebenso leidenschaftlicher Spieler, wie Herr Fogg. Diesem Gentleman lächelte während dieses Vormittags das Glück besonders; es regnete Trümpfe und Honneurs in seine Hand. Eben war er, nachdem er einen kühnen Coup ausgedacht, im Begriff, Pique auszuspielen, als sich hinter der Bank eine Stimme hören ließ:

»Ich würde Eckstein spielen …«

Herr Fogg, Mrs. Aouda und Fix hoben die Köpfe empor.

Der Oberst Proctor stand hinter ihnen.

Stamp Proctor und Phileas Fogg erkannten sich sogleich.

»O! Sie sind’s, Herr Engländer, rief der Oberst aus, Sie wollen Pique ausspielen!

– Und ich spiele es schon, versetzte Phileas Fogg kaltblütig, und warf eine Zehne dieser Farbe hin.

– Ich aber will haben, daß Eckstein gespielt werde«, versetzte der Oberst Proctor mit gereizter Stimme.

Und er machte eine Handbewegung, als wolle er die ausgespielte Karte wegnehmen, und sagte dabei:

»Sie verstehen nichts von diesem Spiel.

– Vielleicht verstehe ich ein anderes besser, sagte Phileas Fogg, indem er aufstand.

– Es kommt nur auf Sie an, es zu probiren, Sohn John Bull’s!« erwiderte der Grobian.

Mrs. Aouda ward blaß, alles Blut drang ihr zum Herzen. Sie faßte Phileas Fogg beim Arm, er schob sie sanft zurück. Passepartout war im Begriff, über den Amerikaner herzufallen, der mit höhnendem Blick seinen Gegner ansah. Aber Fix stand auf, trat zum Oberst Proctor und sagte:

»Sie vergessen, daß Sie’s mit mir zu thun haben, mein Herr; Sie haben mich nicht nur beleidigt, sondern geschlagen!

– Herr Fix, sagte Herr Fogg, ich bitte um Entschuldigung, dieses geht mich allein an. Da der Oberst behauptete, ich spielte nicht richtig, so hat er mich von Neuem beleidigt, und wird mir dafür Genugthuung geben.

– Wann Sie wollen, und wo Sie wollen, erwiderte der Amerikaner, und auf welche Waffe Ihnen beliebt!«

Mrs. Aouda suchte vergeblich Herrn Fogg zurückzuhalten. Der Polizei-Agent bemühte sich fruchtlos, die Sache auf sich zu nehmen. Passepartout wollte den Oberst zur Thür hinauswerfen, aber ein Wink seines Herrn hielt ihn zurück. Phileas Fogg ging aus dem Waggon, und der Amerikaner folgte ihm auf den Steg.

»Mein Herr, sagte Herr Fogg zu seinem Gegner, ich habe große Eile, nach Europa zurückzukehren, und jeder Verzug würde meine Interessen sehr benachtheiligen.

– Ah! was geht das mich an? erwiderte der Oberst Proctor.

– Mein Herr, fuhr Herr Fogg höflichst fort, bereits als wir zu San Francisco aufeinander trafen, war ich entschlossen, sobald ich meine Geschäfte in Europa beendet hätte, wieder nach Amerika zu kommen und Sie aufzusuchen.

– Wirklich!

– Wollen Sie mir in sechs Monaten ein Rendezvous geben?

– Warum nicht in sechs Jahren?

– Ich sage sechs Monate, erwiderte Herr Fogg, und werde pünktlich mich einfinden.

– Alles nur Ausflüchte! rief Stamp Proctor. Jetzt gleich oder nie.

– Meinetwegen, versetzte Herr Fogg. Sie gehen nach New-York?

– Nein.

– Nach Chicago?

– Nein.

– Nach Omaha?

– Das kann Ihnen einerlei sein. Ist Ihnen Plum-Creek bekannt?

– Nein, erwiderte Herr Fogg.

– Es ist die nächste Station, wo wir in einer Stunde eintreffen und zehn Minuten anhalten werden. Das ist Zeit genug, einige Revolverschüsse zu wechseln.

– Gut, erwiderte Herr Fogg. Halten wir zu Plum-Creek.

– Und ich meine sogar, Sie werden nicht mehr von da wegkommen! setzte der unverschämte Amerikaner hinzu.

– Wer weiß, mein Herr?« versetzte Herr Fogg, und kehrte so kaltblütig wie immer in seinen Waggon zurück.

Hier suchte der Gentleman Mrs. Aouda durch die Versicherung zu beruhigen, daß solche Prahlhänse niemals zu fürchten seien. Sodann bat er Fix, ihm bei der Begegnung, welche statthaben sollte, Zeuge zu sein. Fix konnte es nicht abschlagen, und Phileas Fogg setzte mit Seelenruhe sein unterbrochenes Spiel fort, indem er ungestört Pique spielte.

Um elf Uhr kündigte das Pfeifen der Locomotive an, daß man nächst der Station Plum-Creek sei. Herr Fogg stand auf und begab sich, von Fix begleitet, auf den Steg. Passepartout folgte mit einem Paar Revolver. Mrs. Aouda blieb leichenblaß im Waggon.

In dem Augenblick öffnete sich die Thür des andern Waggons, und der Oberst Proctor erschien gleichfalls auf dem Steg, begleitet von seinem Zeugen, der ein Yankee seiner Art war. Aber als eben die beiden Gegner im Begriff waren auszusteigen, kam der Conducteur in aller Eile und rief:

»Es wird nicht ausgestiegen, meine Herren.

– Und weshalb? fragte der Oberst.

– Wir find um zwanzig Minuten verspätet, und der Zug kann sich nicht aufhalten.

– Aber ich muß mich mit dem Herrn schlagen.

– Ich bedauere, erwiderte der Beamte, aber es geht unverzüglich weiter. Da hören Sie schon die Glocke!«

Wirklich läutete die Glocke, und der Zug ging weiter.

»Es thut mir herzlich leid, meine Herren, sagte darauf der Conducteur; sonst hätte ich Ihnen gefällig sein können. Aber, trotzdem, da Sie hier keine Zeit dafür bekamen, wer hindert Sie, sich während der Fahrt zu schlagen?

– Das steht vielleicht dem Herrn nicht an! sagte Proctor mit spöttischer Miene.

– Ich bin vollkommen damit einverstanden, erwiderte Phileas Fogg.

– Nun, dachte Passepartout, wir sind ganz gewiß in Amerika! und der Conducteur ist ein Gentleman bester Sorte!«

Mit diesen Worten folgte er seinem Herrn.

Die beiden Gegner und ihre Zeugen begaben sich, vom Conducteur geführt, durch alle Waggons der Reihe nach bis an’s Ende des Zuges. In dem hintersten Wagen befanden sich nur etwa zehn Reisende. Der Conducteur fragte sie, ob sie die Güte haben wollten, ihren Platz auf einige Augenblicke zwei Gentlemen zu überlassen, die eine Ehrensache mit einander abzumachen hätten.

Die Reisenden machten sich ein großes Vergnügen daraus, den beiden Gentlemen gefällig sein zu können, und zogen sich auf die Stege zurück.

Dieser fünfzig Fuß lange Waggon war für das Vorhaben ganz geeignet. Die Gegner konnten zwischen den Bänken auf einander los gehen, und nach Herzenslust auf einander schießen. Das Duell war sehr leicht zu regeln. Herr Fogg und der Oberst Proctor, jeder mit zwei sechsläufigen Revolvern versehen, gingen in den Wagen hinein, und wurden von ihren Zeugen, die außen blieben, eingeschlossen. Beim ersten Pfeifen der Locomotive sollte das Feuern beginnen … darauf, nach zwei Minuten wollte man aus dem Wagen holen, was von den beiden Gentlemen noch vorhanden wäre.

Wahrhaftig höchst einfach; so einfach sogar, daß dem Fix sowohl wie Passepartout das Herz zerspringen wollte.

So wartete man auf das verabredete Zeichen, als plötzlich wildes Geschrei erschallte. Es knallten Schüsse, aber sie kamen nicht aus dem Wagen der Duellanten; sie verbreiteten sich sogar über die ganze Zuglinie bis zum vordersten Wagen. Entsetzliches Geschrei vernahm man aus dem Innern der Wagen.

Der Oberst Proctor und Herr Fogg stürzten, die Revolver in der Hand, augenblicklich heraus und eilten nach vorn, wo die Schüsse und das Geschrei am ärgsten waren.

Es war klar, daß der Zug von einem Trupp Sioux überfallen war.

Diese kühnen Indianer machten aber nicht ihren ersten Versuch; sie hatten schon mehr als einmal die Züge angehalten. Nach ihrer Gewohnheit waren sie, ohne das Anhalten des Zugs abzuwarten, wohl hundert Mann stark auf die Einsteigtritte gestürzt und hatten die Wagen so flink erstiegen, wie ein Clown ein galopirendes Pferd.

Die Sioux waren mit Flinten bewaffnet, und ihre Schüsse wurden von den Reisenden, die fast alle bewaffnet waren, mit Revolvers erwidert. Gleich anfangs hatten die Indianer die Maschine überfallen und den Maschinisten, wie den Heizer halb todt geschlagen. Ein Anführer wollte den Zug zum Stehen bringen; da er aber den Handgriff des Regulators nicht zu drehen verstand, so hatte er, anstatt zu schließen, dem Einströmen des Dampfes weiten Raum geöffnet, und die Locomotive stürmte mit erschrecklicher Geschwindigkeit vorwärts.

Zu gleicher Zeit fielen die Sioux die Waggons an, erkletterten wie wüthende Affen die Decken derselben, stießen die Thüren ein und kämpften Mann für Mann mit den Reisenden. Aus dem Gepäckwagen, den sie aufschlugen und plünderten, flogen die Colli’s auf die Bahn. Ununterbrochenes Schreien und Schießen.

Indessen vertheidigten sich die Reisenden muthig. Einige Waggons waren verbarrikadirt, eine Belagerung auszuhalten, gleich beweglichen Forts, die mit einer Schnelligkeit von hundert Meilen die Stunde fortsausten.

Vom Anfang des Kampfes an benahm sich Mrs. Aouda muthig. Den Revolver in der Hand vertheidigte sie sich tapfer, indem sie, wenn ein Wilder ihr vorkam, durch die zerbrochenen Scheiben schoß. Wohl zwanzig zum Tod verwundete Sioux lagen auf dem Bahnweg, und die von den Stegen herab auf die Schienen rutschten, wurden wie Gewürm von den Rädern zermalmt.

Einige von Kugeln oder mit Todtschlägern schwer verwundete Passagiere lagen auf den Bänken.

Doch mußte der Kampf ein Ende haben, der bereits zehn Minuten dauerte und zum Vortheil der Sioux ausschlagen mußte, wenn der Zug nicht zum Stehen kam. Die Station des Forts Kearney, wo sich ein amerikanischer Truppenposten befand, war nur zwei Meilen weit entfernt; aber wenn sie an diesem Posten vorüber fuhren, konnten die Sioux die Oberhand bekommen.

Der Conducteur kämpfte an Fogg’s Seite, als eine Kugel ihn zu Boden streckte. Im Fallen rief er aus:

»Wir sind verloren, wenn der Zug nicht vor Ablauf von fünf Minuten zum Stehen kommt!

– Er wird zum Stehen gebracht, sagte Phileas Fogg, im Begriff, sich aus dem Wagen zu stürzen.

– Bleiben Sie, rief ihm Passepartout zu. Das geht mich an!«

Phileas Fogg hatte nicht Zeit, den muthigen Jungen zurückzuhalten. Er öffnete unbemerkt von den Indianern eine Thür, und es gelang ihm, unter den Wagen zu gleiten, wo er, während über seinem Kopf unablässig gekämpft und Schüsse gewechselt wurden, alle seine Behendigkeit, seine Gewandtheit als Clown zu Hilfe nahm und unter den Waggons geschmiegt an den Ketten und anderen Maschinentheilen angeklammert, mit wunderbarer Geschicklichkeit von einem Wagen zum andern klimmend, ohne gesehen zu werden, an den vordem Theil des Zuges kam.

Hier hielt er sich mit der einen Hand zwischen dem Gepäckwagen und dem Tender fest, und hakte mit der andern die Sicherheitsketten aus; die Kuppelstange loszuschrauben hätte er wohl auch nicht fertig gebracht, aber eine Erschütterung der Maschine zersprengte dieselbe, so daß nun, die Wagen allmälig zurückblieben, während die Locomotive mit erneuerter Schnelligkeit davoneilte.

Der Wagenzug rollte noch einige Minuten lang weiter, dann aber wirkten aus dem Innern derselben die Bremser, und endlich hielt der Zug hundert Schritt weit von der Station Kearney.

Hier kamen die Soldaten des Forts, welche durch die Schüsse bereits aufgeregt waren, in Eile herbei. Die Sioux warteten sie nicht ab, und ehe noch der Zug völlig zum Stehen kam, hatte sich die ganze Truppe entfernt.

Als aber die Reisenden auf dem Quai der Station sich überzählten, nahmen sie wahr, daß Einige fehlten, unter anderen der muthige Franzose, dessen Opferwilligkeit sie soeben gerettet hatte.