Kapitel 34

 

34

 

Vor langer Zeit war der »Goldene Osten« einmal ein angesehener Klub gewesen, dessen Mitglieder sich aus Offizieren der Handelsflotte zusammensetzten. Weil aber kein Klub von einer geringen Mitgliederzahl existieren kann, wurden die Statuten geändert und die Aufnahmebedingungen erleichtert, bis der Klub schließlich alle Leute umfaßte, die irgendwie an dem Handel mit Indien und China interessiert waren. Aber selbst diese Entwicklungsstufe gehörte schon der Vergangenheit an. Der Klub hatte allmählich seine vornehme, gesellschaftliche Stellung und sein Ansehen eingebüßt, und als schließlich jeder aufgenommen werden konnte, kam er sehr schnell herunter.

 

Coldharbour Smith war auch Mitglied geworden. Er fand bald heraus, welche Gewinnchancen sich ihm hier boten, brachte die Majorität der Aktien an sich und war endlich alleiniger und erfolgreicher Besitzer des Klubs. Seltsame Dinge ereigneten sich in dem »Goldenen Osten«. Fast alle Vorschriften der Polizei über das Klubwesen wurden hier übertreten, so daß man den Klub zu jeder Zeit hätte schließen können. Aber vom Standpunkt der Polizeidirektion aus war der »Goldene Osten« eine ganz brauchbare Einrichtung. Es verkehrten viele lichtscheue Elemente dort, und gerade weil die Polizei hier ein Auge zudrückte, konnte man häufig gesuchte Verbrecher aufspüren und dingfest machen.

 

sternchenland.com Coldharbour Smith war sehr großzügig und lebte in der Überzeugung, daß seine Geschenke an gewisse Polizeibeamte ihm diese Achtung und Rücksichtnahme verschafften. Er wäre sehr erstaunt gewesen, wenn er erfahren hätte, daß das Geld, das er dem Polizeiinspektor seines Quartiers zusteckte, jeden Sonnabend dem Polizeiwaisenhaus übergeben wurde und daß der Kassierer darüber regelmäßig Buch führte und offizielle Quittungen erteilte.

 

Der Klub hatte früher nur kleine Räumlichkeiten an einer Straßenecke gehabt, aber allmählich war er zu einem großen Etablissement geworden. Die Räume im Erdgeschoß wurden als Bureaus benützt, erst im Obergeschoß lagen die eigentlichen Gesellschaftsräume, zu denen auch eine lange, fensterlose Eingangshalle gehörte, die ihr Licht von oben erhielt. Nichts wurde hier gewöhnlich gespielt.

 

Den Tanzsaal im Obergeschoß bevölkerte ein merkwürdiges Publikum. Man fand dort Schauspielerinnen aus dem Westen und junge Leute, die sich einmal die Verbrecherwelt Londons ansehen wollten. Auch ein paar Chinesen und Neger waren zu sehen, ebenso eine große Anzahl elegant gekleideter Damen, die scheinbar keine andere Beschäftigung hatten, als sich im Klub aufzuhallen. Hinter dem Tanzsaal lag die Bar, in der man gewöhnlich Coldharbour Smith finden konnte« Er trug einen gutsitzenden, karierten Anzug mit weißer Krawatte und ließ die Zigarre im Munde niemals ausgehen.

 

Um Mitternacht war der Betrieb meistens am größten. Die Theater des Westens hatten dann geschlossen, und die vornehmeren Besucher kamen in das Lokal. Die farbigen Kellner in ihren schmucken Livreen eilten von Tisch zu Tisch, um die Aufträge der Gäste in Empfang zu nehmen, und die Jazz-Band spielte wild und laut. Der Klub lag mitten in einer ärmlichen, dürftigen Gegend, wo Männer, Frauen und Kinder eng wie in Ställen zusammengepfercht lebten und hungerten, wie man Vieh nicht hätte hungern lassen. Aber trotzdem sternchenland.com waren diese Leute stolz auf den Klub. Die ausgelassene Fröhlichkeit und die Eleganz der Besucher boten ihnen eine abwechslungsreiche Unterhaltung. Jeden Abend standen diese Menschen in ihren armseligen Kleidern zitternd vor Frost vor dem Lokal, um die Auffahrt der schönen Automobile und Wagen zu beobachten.

 

Der »Goldene Osten« war beliebt und modern. Die Fremden besichtigten ihn ebenso wie sie die berühmten Sehenswürdigkeiten, die Kathedrale, die großen Handelshäuser und die Museen besuchten.

 

Lärmendes Gelächter und wilde Synkopenmelodien schollen Jim Featherstone entgegen, als er in die Eingangshalle trat, den Portier mit einem Kopfnicken begrüßte und dann auf der teppichbelegten Treppe nach oben ging. Aber der Portier setzte sofort unauffällig eine geheime Alarmklingel in Bewegung, und als Jim den Tanzsaal erreichte, war dort eine allgemeine Ruhepause eingetreten. Das Orchester spielte nicht mehr, und die Tänzer waren zu ihren Tischen zurückgekehrt. Wer das Lokal nicht genau kannte, mochte ein wenig erschrocken sein, denn Coldharbour Smith hatte das Zauberwort »Polizei« ins Lokal gerufen.

 

»Ich freue mich, Sie zu sehen, Captain.« Coldharbour kam Featherstone halbwegs durch den Tanzsaal entgegen und reichte ihm seine von Brillantringen glitzernde Hand zum Gruß.

 

»Es ist heute abend sehr ruhig hier, Smith.«

 

»Ach, es ist nicht außergewöhnlich ruhig. Wir haben hier überhaupt nur wenig Lärm.«

 

Jim musterte mit schnellen Blicken die ganze Gesellschaft.

 

»Sie haben aber ganz gute Kundschaft hier. Wer hat denn an diesem Tisch gesessen?«

 

»Die Leute sind schon vor einer halben Stunde gegangen.«

 

»Und haben die Weinflasche hier stehen lassen? Sie ist doch eben erst aufgemacht worden, der Sekt schäumt ja noch! sternchenland.com Und vier funkelnagelneue Gläser stehen auch auf dem Tisch?«

 

»Ach, das hat nichts zu sagen, Sie kennen doch keinen von ihnen. Es sind irgendwelche reichen Leute vom Westend, die sich vermutlich hier nicht sehen lassen wollten.«

 

Er ging zur Bar und Jim Featherstone folgte ihm.

 

»Wollen Sie nicht einen Schluck trinken, Captain?« Coldharbour Smith warf dem Barmann einen schnellen Blick zu. »Wir bekommen Sie ja nicht oft zu sehen. Heute abend sind ein paar regelrechte Schiffskapitäne hier.« Er zeigte mit dem Kopf nach einem Tisch, an dem eine kleine Gruppe an der Ecke des Saales saß. Es waren wenig elegant gekleidete Leute, die scheinbar von außerhalb kamen. »Es verkehren auch eine ganze Menge Matrosen hier,« fuhr Coldharbour Smith fort. »Ich glaube, daß sie gerne herkommen, um zu sehen, wie sich der alte Platz herausgemacht hat, den sie vor Jahren kannten.«

 

»Möglich, daß sie das tun,« erwiderte Jim trocken. »Vielleicht empfangen Sie hier auch ihre Aufträge und Befehle.«

 

»Befehle, Captain?« fragte Smith und bemühte sich, ein erstauntes Gesicht zu machen.

 

»Ich möchte nur wissen, wieviele Schiffsladungen schlechten Whisky Sie schon nach den Vereinigten Staaten verfrachtet haben, Smith! Tun Sie doch nicht so unschuldig, die Polizei weiß ganz genau, daß Sie schon seit einem Jahr Alkohol nach Amerika verschicken.«

 

»Ach, die Sache geht leider nicht immer nach Wunsch,« klagte Smith. »Letzthin sind uns zwei ganze Ladungen abgefaßt und über Bord geworfen worden.«

 

»Na, dann muß der Ozean voll von toten Fischen sein,« sagte Featherstone. »Aber ich bin nicht gekommen, um Ihnen deshalb Schwierigkeiten zu machen. Es ist kein Vergehen, die Amerikaner mit Alkohol zu vergiften.«

 

»Ich bin nur ein Agent.« Smith sagte die Wahrheit. sternchenland.com »Ich habe kaum etwas davon. Nur die großen Leute verdienen das viele Geld. Aber wollen Sie nicht etwas trinken, Captain?«

 

»Nein, ich habe keinen Durst. Aber ich wollte einmal in aller Ruhe mit Ihnen sprechen, Smith. Haben Sie ein Zimmer, wo wir allein miteinander reden können?«

 

Smith ging in einen Raum, der auf der Rückseite der Bar lag, und Featherstone folgte ihm. Als Coldharbour das Licht andrehte, hob Jim die Nasenflügel, als ob er etwas Besonderes witterte. Dann sah er den unglücklichen Coldharbour vernichtend an.

 

»Unterlassen Sie das Opiumrauchen hier, Smith,« sagte er scharf. »Wir sind sonst nicht so genau, aber das muß unter allen Umständen unterbleiben!«

 

»Das ist sicher einer von den verdammten Portugiesen gewesen,« erwiderte Coldharbour schnell. »Mein Geschäftsführer hat die Kerle hier hereingelassen. Ich selbst gestatte so etwas niemals – ich schwöre Ihnen, Captain, daß bei mir keine Pfeife Opium geraucht werden darf. Das passierte in meiner Abwesenheit. Als ich zurückkam, habe ich den Kerl hinausgeworfen.«

 

»Das mag wahr oder gelogen sein, aber lassen Sie es nicht noch einmal vorkommen. Nun hören Sie zu!«

 

Er nahm einen Stuhl, setzte sich nieder, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und schaute Smith an.

 

»Sie waren also neulich abend drüben in der Burg?«

 

»Meinen Sie Garre Castle – Mr. Bellamys Wohnsitz? Ja, ich bin in letzter Zeit zweimal dort gewesen, um Mr. Bellamy in geschäftlichen Angelegenheiten zu sprechen. Aber woher wußten Sie denn das?« fragte er möglichst unschuldig.

 

Jim lächelte.

 

»Der Alte hat heute an Sie telephoniert und Ihnen erzählt, daß ich heule morgen Haussuchung bei ihm abgehalten sternchenland.com habe. Leugnen Sie nicht, einer meiner Leute in der Telephonzentrale hat das Gespräch abgehört.«

 

Es war reiner Bluff von Jims Seite. Aber es war ihm aufgefallen, daß man auf seinen Besuch im »Goldenen Osten« scheinbar vorbereitet war, und er vermutete, daß der alte Bellamy Smith gewarnt hatte.

 

»Was haben Sie denn eigentlich mit dem alten Bellamy vor?«

 

»Er ist ein guter Freund von mir,« sagte Coldharbour gewandt. »Er hat mir viel Geld geliehen, so daß ich dieses Lokal kaufen konnte.«

 

»Haben Sie nicht auch sein Leben gerettet – sind Sie nicht auch einmal ins Wasser gesprungen, um ihn herauszuziehen?«

 

»Nein, mein Herr, das habe ich nicht getan.« Smith sprach sehr liebenswürdig, und sein Benehmen war ungewöhnlich freundlich. Aber Jim sah doch einen kalten, tückischen Glanz in seinen Augen und wußte genug.

 

»Er hat Ihnen also das Geld geliehen. Gut, daß Sie mir das sagen. Und nun wollen Sie ihm das Geld wohl zurückzahlen? Sagen Sie einmal, Smith, wo wohnten Sie eigentlich, bevor Sie hierher zogen? Ich habe Ihre Akten nicht durchgesehen.«

 

»Ich habe kurze Zeit in der Nachbarschaft gewohnt,« sagte Smith düster. »Ich lebte gewöhnlich in Camden Town.«

 

»In welchem Teil von Camden Town?« fragte Jim schnell.

 

»In Little Bethel Street.«

 

»Little Bethel Street!« Jim sprang auf. »Dann kennen Sie Mrs. Held!« sagte er drohend und anklagend.

 

»Ich habe niemals von einer Mrs. Held gehört!« rief Smith laut. »Was meinen Sie denn damit, Captain? Wer ist denn überhaupt Mrs. Held?«

 

sternchenland.com »Sie kannten Mrs. Held, und Sie haben dabei geholfen, sie verschwinden zu lassen!«

 

Smith war ein wenig blasser geworden.

 

»Erzählen Sie mir alles, Smith, ich will dafür sorgen, daß Sie straflos ausgehen, wenn Sie es mir sagen. Aber wenn Sie das nicht tun –« er schlug mit der Faust auf den Tisch – »dann werde ich den ›Goldenen Osten‹ in einer Woche schließen.«

 

Zu seinem größten Erstaunen begann Smith zu lächeln.

 

»Das macht mir nichts aus, Captain. Ich habe den › Goldenen Osten‹ verkauft und habe schon die Hälfte des Kaufpreises.« Er klopfte auf seine Tasche. »Wenn Sie das Lokal schließen, so ist es mir wirklich gleichgültig.«

 

Er sprach die Wahrheit – Jim sah es an seinem Gesichtsausdruck.

 

»Aber immerhin, Captain, warum drohen Sie mir? Ich bin doch immer offen gewesen, Sie können nichts gegen mich haben. Ich habe stets versucht, mit der Polizei auf gutem Fuß zu stehen, und wenn es nicht so ist, kann ich nichts dafür. Wollen Sie wirklich nichts trinken, Captain?«

 

Drei wichtige Dinge waren Jim Featherstone nicht entgangen: erstens der schnelle Wink, den Smith dem Barmann mit den Augen gegeben hatte, zweitens die Aufdringlichkeit, mit der er ihm etwas zu trinken anbot, obwohl er wußte, daß Jim niemals etwas genommen hatte, wenn er hier war. Drittens hatte er bemerkt, daß der Baimann das Zeichen, das ihm Smith gegeben hatte, weiter signalisierte. Unauffällig schaute er in dieselbe Richtung und entdeckte einen Mann, den er vorher noch nicht gesehen hatte. Aber darüber wollte er Smith an einem mehr öffentlichen Platz zur Rede stellen.

 

»Warum bieten Sie mir eigentlich dauernd zu trinken an? Sie wissen doch nur zu gut, daß ich hier nichts nehme.«

 

»Seien Sie doch wenigstens einmal gemütlich!« grinste Smith.

 

sternchenland.com In der Ecke des Raumes stand ein Telephon, das Jim schon bemerkt hatte, als er hereinkam.

 

»Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich einmal einen Freund anrufe,« sagte er plötzlich.

 

Smith zögerte.

 

»Der Apparat ist nicht in Ordnung –«

 

»Das werden wir gleich sehen,« entgegnete Jim kühl und nahm den Hörer auf.

 

Das Amt meldete sich sofort und er nannte eine Nummer.

 

Smith stand mitten im Zimmer und kaute nervös an seinen Nägeln. Jim ahnte dunkel, was sich vorbereitete.

 

»Wer ist dort? Der Sergeant vom Dienst in Limehouse? Captain Featherstone am Apparat. Ich bin im ›Goldenen Osten‹ … jawohl … senden Sie sofort vier Leute, die mich am Eingang des Klubs draußen erwarten. Danke Ihnen.«

 

Er hing den Hörer ein, und nun zeigte ihm die Bestürzung Smiths, daß er sich nicht getauscht hatte.

 

»Sie hatten für mich einen kleinen Empfang da unten arrangiert, Smith,« sagte er böse. »Ich sah den Mann wohl, der mir folgte. Wer hat Ihnen den Tip gegeben, daß ich allein hierherkam? Wie dachten Sie sich denn die Sache? Ich sollte wohl in eine Straßenschlägerei geraten? Das haben Sie nicht schlau genug angefangen, Smith!«

 

Mit einem Nicken ging er zur Tür und drückte den Griff herunter, aber sie war geschlossen. Er wandte sich wütend um.

 

»Der Barmann hat wahrscheinlich die Tür geschlossen,« sagte Smith heiser. »Aber hier ist ein anderer Weg, auf dem Sie das Lokal verlassen können, Captain.«

 

Er öffnete eine Tür, die auf eine steile Treppe führte.

 

»Sie werden unten noch eine andere Tür finden, Captain.«

 

»Vielleicht gehen Sie eben mit mir hinunter,« sagte Jim höflich.

 

Smith ging schnell vor dem Detektiv her und öffnete die sternchenland.com Tür. Jim sah die rechteckige Türöffnung und die Umrißlinien von Coldharbours Gestalt.

 

»Gute Nacht, Captain,« sagte Smith laut.

 

»Gute Nacht,« antwortete Jim.

 

Er tat so, als ob er an dem Wirt des »Goldenen Ostens« vorbeigehen wollte, drehte sich aber plötzlich um und packte Smith am Kragen. Bevor dieser ein Wort sagen konnte, hatte Jim ihn durch die offene Tür ins Freie gestoßen. Auf der Straße sprang ein Mann, der sich im Schatten versteckt hatte, auf ihn zu und schlug ihm zweimal mit einem schweren Stock über den Schädel. Smith fiel mit einem Stöhnen zu Boden.

 

Jim war sofort draußen und verfolgte den Flüchtling. In kürzester Zeit hatte er ihn eingeholt und stieß ihn schnell in die Kniekehlen, so daß er der Länge nach auf das harte Straßenpflaster fiel. Jim zog ihn mit eisernem Griff nach oben und stellte ihn wieder auf die Füße.

 

»Ich will mich nicht wehren,« winselte der Mann und ließ seine Waffe fallen, die polternd auf den Asphalt aufschlug. »Ich wollte ihm ja gar nichts tun, das war wirklich nicht meine Absicht. Coldharbour Smith hat mir Geld gegeben, daß ich einen Mann niederschlagen sollte, der aus der Tür kam.«

 

»Coldharbour Smith wünscht jetzt wohl selbst nicht, daß er das getan hat, mein Freund,« sagte Jim.

 

Er schleppte seinen Gefangenen zu einer Straßenlaterne und bog ihm den Kopf zurück, daß er sein Gesicht sehen konnte. Es war derselbe Mann, der ihm schon vorher gefolgt war. Er wand sich unter Jims hartem Griff.

 

»Coldharbour wird mich kalt machen,« stöhnte er.

 

Als sie zu der Tür zurückkamen, fanden sie Smith, der eben wieder zu sich gekommen war. Er saß auf dem Pflaster und hielt seinen schmerzenden und blutenden Kopf. Die beiden sternchenland.com beschuldigten sich gegenseitig, und Jim hörte belustigt und interessiert zu.

 

»Wenn Sie hier behaupten, daß ich Ihnen den Auftrag gab, diesem Gentleman aufzulauern, dann lügen Sie ganz unverschämt,« brüllte Smith. »Wenn ich Sie erst in die Finger bekomme, drehe ich Ihnen das Genick um, Sie dreckiger Kerl! Lochen Sie den Hund nur ein, Featherstone!«

 

»Einlochen!« schrie der andere. »Sie wären schon längst eingebuchtet, Smith, wenn Sie nicht immer mit der Polizei zusammensteckten! Das wäre ja ein Heidenspaß, wenn Sie einmal im Gefängnis säßen, Sie lahmer Hund!« Der Mann war über den Verrat von Coldharbour Smith empört und wurde immer wütender, trotzdem Jim ihn am Kragen festhielt.

 

»Sie würden keinen Ausschank mehr hier haben, Sie würden keine Valerie –«

 

Jim riß ihn wild herum.

 

»Was ist das?« fragte er scharf.

 

»Valerie Howett – wird Mrs. Smith,« brüllte der Gefangene.

 

Jim fühlte, wie sein Blut zu Eis erstarrte.

 

Kapitel 35

 

35

 

»Hören Sie nicht auf den Kerl, Captain,« schrie Smith heiser. »Er ist verrückt, er war schon immer unzurechnungsfähig, er war in einer Irrenanstalt!«

 

Plötzlich überschüttete er den Mann mit einem furchtbaren Wortschwall. Er sprach jiddisch, und Jims Gefangener wurde unter dem Anprall seiner Rede plötzlich mäuschenstill.

 

»Halten Sie jetzt den Mund, Smith,« sagte Featherstone scharf. »Wenn Sie in meiner Gegenwart zu dem Mann sprechen, haben Sie die englische Sprache zu gebrauchen.« sternchenland.com Er wandte sich wieder an seinen Gefangenen. »Heraus mit der Sprache! Was meinten Sie, als Sie den Namen dieser Dame erwähnten.«

 

»Ich habe mir nur einen Scherz erlaubt,« antwortete der Mann kleinlaut.

 

»Ich habe viel Sinn für Humor,« fuhr Jim ihn an, »aber hierüber kann ich nicht lachen. Was wissen Sie von Miß Howett?«

 

»Ich weiß gar nichts von ihr.«

 

»Er hat ihren Namen in der Zeitung gelesen,« warf Smith ein. »Aber ich kann Ihnen versichern, Captain, er ist wirklich nicht richtig im Kopf. Sie sind doch im Irrenhaus gewesen, Isaacs?«

 

»Ja, das stimmt,« gab der andere seufzend zu. »Man darf mich nicht für meine Worte verantwortlich machen.«

 

In diesem Augenblick kamen die vier Polizisten an, nach denen Jim telephoniert hatte.

 

»Nehmen Sie diesen Mann und bringen Sie ihn zur Station. Ich beschuldige ihn wegen bewaffneten Überfalls und Körperverletzung. Ich werde nachher hinkommen und ihn verhören.«

 

Als sich die Beamten mit dem Gefangenen entfernt hatten, wandte sich Featherstone an Smith.

 

»Vermutlich haben Sie schon seit langer Zeit Sehnsucht nach Unannehmlichkeiten. Ihr Wunsch wird setzt über Erwarten in Erfüllung gehen! Wenn ich mit dem Kerl da fertig bin, komme ich zurück und werde Sie vornehmen.«

 

»Sie können mir keine Angst einjagen, Captain,« sagte Smith und hielt sich noch immer den blutenden Kopf.

 

»Es kommt auch gar nicht darauf an, ob Sie Angst haben – es handelt sich darum, daß Sie wahrscheinlich ermordet werden. Machen Sie sich das einmal in Ihrem Schädel klar!«

 

sternchenland.com Featherstone folgte den Polizisten und ließ den Gefangenen in einer Zelle einschließen.

 

»Isaacs hat tatsächlich recht, Captain Featherstone,« sagte der Sergeant. »Er ist etwas verrückt und wird von Zeit zu Zeit in eine Irrenanstalt gebracht, solange ich mich besinnen kann.«

 

»Wie sind seine Akten?«

 

»Die sehen böse aus. Er hat schon dreimal vor den Geschworenen von Old Baley gestanden – meist wegen räuberischen Überfalls. In der letzten Zeit war er im ›Goldenen Osten‹ beschäftigt. Coldharbour Smith hatte ihn sozusagen angestellt.«

 

Es war ein aussichtsloses Unternehmen, aus dem Mann etwas herausbringen zu wollen. Offenbar hatte Smith ihn in Jiddisch gewarnt, etwas auszusagen und ihm sicher eine große Belohnung versprochen, wenn er den Mund hielte. Jim war es ganz klar, daß die Erwähnung von Valeries Namen kein Zufall war. Mrs. Smith! Welche schrecklichen Pläne hatten Coldharbour Smith und dieser Teufel von Bellamy vor?

 

Jim ging mit einem Polizeibeamten in die Zelle und verhörte den Gefangenen. Aber er erkannte bald, daß es nur Zeitverschwendung war. Isaacs hatte einen krummen Buckel, einen schiefen Hals und eine niedrige, zurückfliehende Stirne. Aber trotz seines geistigen Defektes war er doch schlau genug, um diese Gebrechen in jeder Weise für sich auszunützen. Er schaute Jim bloß blöde an.

 

»Kann mich überhaupt nicht erinnern, daß ich sowas gesagt habe – wie war doch der Name der Dame?«

 

»Es hat keinen Zweck,« meinte Jim, als er zum Dienstraum zurückkam. »Ich weiß überhaupt nicht, ob es sich der Mühe lohnt, ihn noch länger einzusperren. Es ist Smiths Sache, die Anklage gegen ihn zu erheben. Wenn das nicht geschieht, lassen Sie ihn wieder laufen.«

 

sternchenland.com Smith dachte gar nicht daran, seinen Helfershelfer anzuzeigen und gab das auch offen zu, als Featherstone ihn danach fragte.

 

»Meine Geduld mit diesem verrückten Teufel ist zu Ende. Ist es nicht genug, daß ich sehen mußte, wie er Ihnen auflauerte? Gott sei Dank hat er nicht Sie, sondern mich getroffen,« sagte Smith heuchlerisch.

 

»Ich bin sehr gerührt,« erwiderte Jim sarkastisch. »Aber jetzt wollen wir einmal über Miß Valerie Howett sprechen und warum Isaacs ihren Namen mit dem Ihrigen zusummen nannte.«

 

Sie saßen wieder in dem kleinen Raum hinter der Bar, aber jetzt war ein Polizist an dem Hinteren Türausgang aufgestellt und ein anderer bewachte den Haupteingang.

 

»Ich weiß wirklich nicht mehr als Sie darüber. Diese Verrückten haben ganz sonderbare Ideen. Manchmal prägt sich ihnen ein Name ein –«

 

»Also lassen Sie den Unsinn, Smith,« sagte Jim mit gefährlicher Ruhe, »und spielen Sie nicht auch den Verrückten. Sie sind jedenfalls bei klarem Verstand.«

 

»Captain, ich weiß wirklich nichts davon. Ich habe den Namen dieser Dame früher nie gehört. Ich kann doch nichts für das, was dieser verrückte Isaacs gesagt hat.«

 

»Isaacs hat nur das wiederholt, was Sie geäußert haben müssen, als Sie betrunken waren, Smith. Ich sage es Ihnen noch einmal – Sie sind in großer Gefahr, Sie brauchen nicht so schmutzig zu lachen. Ich weiß schon, woran Sie eben wieder denken, ich habe aber nicht damit gemeint, daß wir Sie ins Gefängnis stecken wollen, – ich kann Sie hinter Schloß und Riegel bringen, sobald ich will. Sie fühlen sich sicher, weil niemand etwas gegen Sie unternimmt, aber Sie sind schlecht beraten. Ein Mann wie Sie steht immer mit einem Bein im Zuchthaus. Man braucht sich gar nicht die Mühe zu geben, großes Material gegen Sie zu sammeln. Nein, Sie sternchenland.com sind in Gefahr, in persönlicher Gefahr.« Er drohte ihm warnend mit dem Finger. »Hüten Sie sich vor mir, aber größere Gefahr droht Ihnen von jemand, der kein Mitleid mit Ihnen haben wird.«

 

Lange nachdem sich die Tür hinter Featherstone geschlossen hatte, saß Coldharbour Smith immer noch in der Haltung, die er während der Unterredung eingenommen hatte. Dann stand er auf, öffnete die Tür zu der Bar und rief dem Barmann mit grober Stimme etwas zu.

 

»Schicken Sie mir den südamerikanischen Kapitän herüber und bringen Sie eine Flasche Wein und Zigarren. Ich werde wohl die Nacht hier bleiben.«

 

Kapitel 31

 

31

 

Julius Savini fühlte sich nicht sehr wohl. Die Quelle seiner außerordentlichen Einnahmen war plötzlich versiegt. Aber er liebte Fay, die ja teilweise daran schuld war, zu sehr, als daß er ihr auf die Dauer böse sein konnte. Als beweglicher Mann sah er sich sofort nach einer neuen Einnahmequelle um und schwankte zwischen Valerie Howett und Bellamy selbst. Aus Abel Geld herauszubringen war ein schwieriges Unternehmen, wie er sich selbst eingestand. Aber unter gewissen Umständen mußte es doch möglich sein. Wenn er zum Beispiel hinter eins der Geheimnisse käme, könnte ihm das vielleicht eine Rente einbringen, ähnlich der, die Coldharbour Smith regelmäßig erhielt.

 

Er war nun schon länger als ein Jahr in den Diensten dieses Amerikaners, ohne auch nur das geringste Geheimnis zu entdecken, das auch nur einige Groschen wert gewesen wäre. Und es wurde immer schwerer, ihm nachzuforschen. sternchenland.com Das Auftreten des Grünen Bogenschützen hatte zur Folge, daß die wachsamen Polizeihunde angeschafft wurden, die ihn daran hinderten, nachts Nachforschungen in Bellamys Akten anzustellen, und am Tage fand sich überhaupt keine Gelegenheit dazu. Früher oder später mußte er diese Stelle doch aufgeben und eine weniger aufreibende Beschäftigung in einem anderen Lande suchen. Aber obgleich Bellamy sein bares Geld im Hause hinter Stahltüren aufbewahrte, gab es doch auch noch andere Wege.

 

Als kluger Geschäftsmann hatte Julius das Monatsgeld seiner Frau stark heruntergesetzt und ihr auch erklärt, warum dies notwendig war. Als Antwort hierauf hatte sie sofort verlangt, daß er zur Stadt zurückkehren sollte. Ihr Bruder hatte sich nun doch einer Bande angeschlossen, die auf den Schiffen arbeitete, die über den Atlantischen Ozean fuhren. Dort fand sich sicher auch Gelegenheit für einen Mann von Julius‘ Fähigkeiten. Aber er war nur einen kurzen Augenblick versucht, seinen Posten aufzugeben. Das Wagnis war nicht allzugroß, dafür waren aber auch die Einnahmen gering. Seiner Meinung nach durfte er nicht so kleinen Verdiensten nachjagen. In seiner jetzigen Stellung konnte er unter Umständen viel Geld machen, selbst wenn das Risiko verhältnismäßig groß war.

 

Er hatte damals nur die Wahrheit gesagt, als er erklärte, daß er unter gewissen Umständen für einen vorzeitigen Tod Abel Bellamys sorgen würde. Hätte er nur die Gewißheit gehabt, straflos zu entkommen, so hätte er den alten Mann ohne die leisesten Gewissensbisse ebenso leicht wie eine Ratte umgebracht. Und wenn seine Hand bei der Tat gezittert hätte, so wäre es nur um seine eigene Sicherheit gewesen, denn er war sehr um seine Zukunft besorgt.

 

Er lehnte also den Vorschlag seiner Frau ab und forderte rigoros von ihr, daß sie den Plan, sich selbst an den Unternehmungen ihres Bruders zu beteiligen, aufgeben sollte. Als sternchenland.com er nur eine zweideutige Antwort hierauf erhielt, fuhr er m die Stadt, hielt dem als Faustkämpfer berüchtigten Jerry die Mündung einer Pistole unter die Nase und warf ihn aus seiner Wohnung hinaus.

 

»Du bist doch sonst ein so liebes, gutes Mädchen, Fay. Nun tue doch, was ich dir rate,« sagte er mit seiner sanftesten Stimme. »Du hast mich neulich nervös gemacht, und ich habe nichts dazu gesagt, daß du mich einen Narren nanntest, aber vergessen habe ich es nicht.«

 

»Ach, du armseliger Feigling,« stöhnte sie.

 

»Mag sein, daß ich das bin. Ich fürchte mich vor manchen Dingen, aber am allerwenigsten vor dir und der Gesellschaft, mit der du da verkehrst. Ich lebe setzt bei einer Bestie in Menschengestalt, und da ist es wohl natürlich, daß ich manchmal Furcht empfinde. Aber vor solchen Kaninchen wie dir habe ich noch nie Angst gehabt. Wenn du dich mit diesen Leuten einläßt, werde ich dir bis ans Ende der Welt folgen und dich kalt machen.«

 

Julius verließ sie wieder, und sie blieb in London. Er hatte auch nicht erwartet, daß sie etwas anderes tun würde. Sie fühlte sich niedergeschlagen und traurig und mochte auch Grund dazu haben, denn Savini war ein Mischling, den alle Gesellschaftsklassen verachteten.

 

Dies spielte sich wenige Tage nach Valeries Besuch in Garre Castle ab. Die Ereignisse kamen schnell in Fluß, obgleich sich äußerlich das Leben auf der Burg nicht änderte. Nur Abel Bellamy war in der letzten Zeit schweigsamer geworden, und es war noch schwerer mit ihm umzugehen als sonst.

 

Drei Tage später kam Coldharbour Smith unerwartet zu Besuch und Bellamy schloß sich den größten Teil des Abends mit ihm in der Bibliothek ein. Mr. Smith war vollständig nüchtern und sah noch abstoßender aus, als wenn er getrunken hatte. Sein liederlicher Lebenswandel spiegelte sich auf seinem blassen Gesicht wieder. Seine kurze Oberlippe bedeckte kaum sternchenland.com die Zähne, sein großes Kinn trat weit hervor. Er machte den Eindruck, als ob er sich nur manchmal rasierte. Seine kleinen Augen lagen tief und er hatte eine Glatze.

 

Als der neue Hausmeister hörte, daß er kommen würde, bat er Julius, ihn zu empfangen.

 

»Können Sie denn das nicht selbst tun?« sagte der Sekretär mürrisch.

 

»Ich kann sein Gesicht nicht ausstehen, es verfolgt mich im Traum,« war die wenig befriedigende Antwort.

 

Und dann kam der Tag der vielen Ereignisse. Es begann schon bald nach dem Frühstück. Abel war zu dem Hundekäfig gegangen und hatte die drei Tiere herausgelassen, um sie im Park spazierenzuführen. Er kam an der Eingangshalle draußen vorbei, wo der Hausmeister stand und dem neuen Dienstmädchen zeigte, wie man den Schmutzkratzer an der Tür mit Graphit schwärzte. Plötzlich entfernte sich unerwartet einer der Hunde von Bellamys Seite und sprang das Mädchen an. Sie fiel schreiend auf den Rücken. In dem Augenblick, als der Hund sie an der Schulter packen wollte, bückte sich der Hausmeister, hob das Tier ohne große Anstrengung auf und warf es in weitem Bogen auf den Rasen. Mit einem wütenden Bellen kam die Bestie zurück und gerade auf den Mann zu.

 

Bellamy rührte sich nicht und machte auch keinen Versuch, den Hund zurückzurufen. Er beobachtete interessiert, wie er zum Sprung ansetzte. Aber als der Hund eben vom Boden loskam, bückte sich der Hausmeister wieder und schlug ihm mit der Faust unter die Kinnlade des geöffneten Rachens, so daß sich die beiden Kiefer unfreiwillig schlossen. Es gab ein dumpfes Geräusch, als er ihm mit der anderen Faust gegen die Rippen fuhr und den Hund weit wegschleuderte. Die Bestie lag nach Luft schnappend auf dem Rücken.

 

»Was haben Sie mit meinem Hund gemacht?« herrschte ihn Bellamy ärgerlich an. »Wenn Sie ihn getötet haben –«

 

sternchenland.com »Ich habe ihn nicht getötet, er ist nur etwas außer Atem, Ich hätte ihn allerdings auch ebenso leicht töten können.«

 

Abel sah den Mann von oben bis unten an.

 

»Sie haben aber wirklich einen höllischen Mut, daß Sie meinen Hund derartig behandeln!«

 

»Und Sie haben Mut, sich nach dem Angriff auf das arme Mädel noch zu beklagen, daß man das Vieh schlägt. Wenn Sie Ihrem Hund gepfiffen hätten, dann hätte er sie nicht angesprungen!«

 

Abel horchte ganz verstört auf.

 

»Wissen Sie denn, zu wem Sie hier sprechen?«

 

»Ich spreche mit Mr. Bellamy, wie ich denke. Sie haben mich angestellt, daß ich mich um Ihre Dienstboten kümmere, und nicht, daß ich Ihre Hunde füttere!« Er drehte sich um, wandte ihm den Rücken zu und ging in die Halle, um das erschreckte und weinende Mädchen zu trösten.

 

Abel wollte ihm zuerst auf dem Fuß folgen, aber er änderte seine Absicht und setzte seinen Spaziergang fort. Als er dann zurückkam, suchte er Streit und schickte nach Savini.

 

»Wo ist Philipp?«

 

»Er kümmert sich noch um das Mädchen, das vom Hund gebissen wurde, sie hat einen Nervenzusammenbruch.«

 

»Werfen Sie das nichtsnutzige Ding hinaus!« brüllte Bellamy. »Und sagen Sie diesem eitlen Hausmeister, daß ich ihn nicht dazu bezahle, daß er mit den Mädels herumpoussiert. Schicken Sie ihn zu mir!«

 

Gleich darauf erschien Philipp.

 

»Wie Sie auch immer heißen mögen, Sie können Ihren Plunder packen und sich fortscheren – und Sie können auch Ihr Mädchen mit sich nehmen!«

 

»Ich habe hier kein Mädchen,« sagte der Hausmeister ruhig. »Aber wenn ich hier für eine Frau verantwortlich wäre, dann können Sie sicher sein, daß ich sie keinen Augenblick hier lassen würde. Regen Sie sich nicht auf, Mr. Bellamy,« sternchenland.com sagte er, als der Alte zornig aufsprang. »Sie haben es hier nicht mit Valerie Howett und auch nicht mit ihrer Mutter zu tun.«

 

Er sah, daß Bellamy blaß wurde. Aber es war nicht Furcht, sondern blinde Wut, die ihn übermannte.

 

»Mich können Sie nicht so behandeln, wie Sie die beiden behandelt haben, das wollte ich Ihnen nur sagen, Bellamy!«

 

»Sie – Sie –!«

 

»Kommen Sie mir nicht zu nahe, Sie sind ein alter Mann, und ich möchte Sie nicht gerne niederschlagen, das gehört nicht zu meinen Pflichten.«

 

»Ihren – Pflichten?« fuhr Abel Bellamy heraus.

 

Der Hausmeister nickte.

 

»Ich bin Captain James Featherstone, Polizeidirektor von Scotland Yard. Ich habe auch ein amtliches Schriftstück in der Tasche, das mir den Auftrag gibt, Garre Castle zu durchsuchen und wenn nötig, Sie zu verhaften, weil Sie Elaine Held ungesetzlicherweise gefangen halten.«

 

Kapitel 28

 

28

 

Die Dienstboten von Lady’s Manor erklärten sich die häufige Anwesenheit ihrer jungen Herrin in der Küche innerhalb so kurzer Zwischenräume damit, daß das Haus für sie eben eine Art neues Spielzeug war.

 

»Jetzt fragt das junge Fräulein schon das drittemal, warum die Kellertür letzte Nacht verschlossen war,« sagte der Koch. »Und die Kellertür ist doch nicht verschlossen.«

 

»Sie hat einen Riegel innen gefunden, ich habe ihn nie vorher gesehen,« sagte das Küchenmädchen.

 

»Sie sind ja auch erst ganz kurze Zeit hier. Es wird noch eine Menge Dinge im Hause geben, die Sie nicht gesehen haben. Ich habe den Riegel gleich am ersten Tag bemerkt, als ich meinen Dienst hier antrat.«

 

In diesem Augenblick kam Valerie zurück.

 

»Glauben Sie nicht, daß ich Ihnen Umstände machen will, aber ich möchte den Kohlenkeller einmal besichtigen.« Sie hatte ihre elektrische Taschenlampe in der Hand.

 

»Sie werden sich ganz staubig machen, gnädiges Fräulein,« warnte sie das Mädchen, aber Valerie ließ sich dadurch nicht abschrecken.

 

Über ein Dutzend Treppenstufen führten zu einem großen Keller. In einer Ecke war ein Haufen Kohlen aufgeschüttet, die durch eine äußere Luke hineingeworfen worden waren.

 

sternchenland.com Von dem Gewölbe führten drei Türen in andere, scheinbar in sich abgeschlossene, kleine Zellen. Eine war von einem früheren Bewohner des Hauses als Weinkeller eingerichtet worden, in der zweiten standen leere Flaschen und alte Kisten. Die dritte Tür war verschlossen. Valerie sah aber, daß das Schloß neu war. Durch eine kleine vergitterte Öffnung konnte sie einen Blick in das Innere tun. Sie leuchtete mit ihrer Lampe hinein und versuchte zu sehen, welche Schätze wohl in dem Raum enthalten sein mochten. Aber außer einem großen, schwarzen Koffer war nichts zu entdecken. Sie ging zurück und holte alle Schlüssel, die sie finden konnte, um die Tür zu öffnen. Aber all ihre Bemühungen waren vergeblich. Vielleicht war es auch gar nicht der Mühe wert, den alten Koffer zu besichtigen, der scheinbar von einem früheren Besitzer des Hauses als wertlos zurückgelassen worden war.

 

Als sie in die Küche zurückkam, hörte sie herzhaftes Gelächter, das plötzlich verstummte, als sie eintrat.

 

»Entschuldigen Sie bitte, gnädiges Fräulein,« sagte der Koch, »aber ich erzählte gerade Käthe von dem merkwürdigen Namen, den unser Keller hier im Dorfe hat. Wir sind hier alle altmodische Leute, und wir brauchen noch die alten Namen. Die Burg nennen wir immer nur ›Curcy‹ nach den früheren Herren, die Hunderte von Jahren hier gesessen haben.«

 

»Und wie ist denn der merkwürdige Name für den Keller?« fragte Valerie lächelnd.

 

»Man nennt ihn ›Lippfad‹, ich glaube aber, daß es richtiger ›Liebespfad‹ heißen soll.«

 

»Aber warum in aller Welt heißt er so?« fragte Valerie.

 

Doch der Koch konnte ihr keine Auskunft darüber geben.

 

Nach all den Erfahrungen der letzten Zeit sah Valerie ihrem Besuch in Garre Castle mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie hatte noch niemals mit Abel Bellamy gesprochen, obwohl sie ihn oft genug gesehen hatte. Sie war gespannt, sternchenland.com ob sie wohl fähig sein würde, den Haß und Widerwillen, den sie gegen ihn fühlte, nicht durch ihren Gesichtsausdruck oder durch ihre Blicke erkennen zu lassen. Sie hätte ihn schon früher öfter sprechen können, aber aus Furcht, sich selbst zu verraten, hatte sie jede Begegnung mit ihm vermieden. Ein Zusammentreffen mit ihm erschien ihr jetzt weniger schrecklich, weil sie vollständig mit der Entdeckung beschäftigt war, die sie heute morgen über Jim Featherstone gemacht hatte.

 

Ihre Gedanken verwirrten sich immer weiter, je mehr sie darüber nachdachte. Welchen Zweck konnte er damit verfolgt haben? Vergeblich suchte sie nach einer Erklärung. Wenn Bellamy von der Polizei verdächtigt wurde, gab es doch genug andere Mittel und Wege, ihn zu beobachten? Sie kannte die Methoden der Polizei und wußte, daß die Behörden nicht zögern würden, in Garre Castle eine Haussuchung vorzunehmen, wenn sie begründeten Verdacht gegen Bellamy hätten. Warum maskierte er sich denn als Grüner Bogenschütze? Sie schüttelte hoffnungslos den Kopf und war froh, als Spike kam, um sie abzuholen.

 

Julius Savini erwartete sie in dem Pförtnerhaus.

 

»Bellamy hat nichts von Ihnen erwähnt, Mr. Holland,« sagte er. »Es ist wohl besser, daß ich Ihretwegen erst nach oben telephoniere.«

 

»Unterlassen Sie das,« erwiderte Spike. »Ich kann nicht gestatten, daß Miß Howett ohne meine Begleitung Garre Castle betritt. Ich habe eine Verantwortung für sie übernommen, die ich keinem anderen überlassen kann, Savini.«

 

Julius erlaubte schließlich dem Zeitungsreporter, Valerie zu begleiten. Offenbar hatte auch Bellamy mit seinem Besuch gerechnet, denn er zeigte sich nicht im mindesten verwundert, als er Spike sah.

 

Er kam aus der Halle und begrüßte Valerie. Sie nahm sich zusammen und schaute ihm voll ins Gesicht, obwohl sie entsetzt war über seine außerordentliche Häßlichkeit, sein rotaufgedunsenes sternchenland.com Gesicht, seine unförmige Gestalt und die unheimliche Stärke, die sich in seinen breiten Schultern ausdrückte. In diesem Augenblick konnte sie ihn nicht hassen. Es war etwas Übermenschliches in seiner Erscheinung, das seine vielen Verbrechen und Vergehen, seinen unermeßlichen Haß und seine Bosheit erklärte. Dies Gefühl empfand Valerie, als sie Abel Bellamy zum erstenmal gegenüberstand.

 

Kapitel 29

 

29

 

»Ich freue mich, daß Sie gekommen sind, Miß Howett.«

 

Ihre kleine Hand verschwand vollständig in seiner großen Rechten. Er ließ sie nicht aus den Augen und beobachtete sie dauernd.

 

»Ich möchte nicht unhöflich gegen meine Nachbarn sein,« sagte er. »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie hier wohnten, hätte ich Sie schon eher gebeten, mich zu besuchen.«

 

In dem Ostflügel des Schlosses, in dem auch der wenig benutzte Speisesaal lag, befand sich eine lange Gemäldegalerie, in der viele Werke alter Meister hingen. Spike hatte nicht vermutet, daß Bellamy die Kunst liebte.

 

»Ich wußte nicht, daß Sie Bilder sammeln, Mr. Bellamy.«

 

Der alte Mann sah Holland schnell an.

 

»Ich habe in meinem Leben nur Geld gesammelt,« sagte er dann einsilbig. »Ich kaufte diese Gemälde mit der Burg. Sie kosten eine halbe Million Dollars und man erzählte mir, daß sie die doppelte Summe wert seien. Miß Howett, betrachten Sie einmal dieses Bild. Es ist bekannt unter dem Namen ›Die Dame mit der Narbe‹.«

 

Es war ein Gemälde der niederländischen Schule und stellte eine schöne Frau mit entblößtem Arm dar, an dem man eine Narbe sehen konnte.

 

»Die meisten Damen würden sich nicht so malen lassen,« sternchenland.com sagte er. »Aber ich hörte, daß dieser Niederländer immer alles genau so darstellte, wie er es in Wirklichkeit sah. Eine junge Dame in unseren Tagen wurde anders darüber denken, nicht wahr?« wandte er sich an Valerie.

 

Es war eine Herausforderung und sie ging sofort darauf ein.

 

»Ich weiß nicht, ob ich etwas dagegen hätte,« erwiderte sie kühl. »Ich habe selbst eine Narbe an meinem linken Ellenbogen, die sehr wohl zu sehen ist. Als ich noch ein kleines Kind war, fiel ich und verletzte mich an der Stelle.«

 

Sie bedauerte, daß sie sich dazu hatte hinreißen lassen, das zu sagen, aber ihre Reue dauerte nur kurze Zeit.

 

»Sie haben eine Narbe am linken Ellenbogen, die Sie sich als kleines Kind durch einen Fall zuzogen?« wiederholte Abel Bellamy langsam. Und plötzlich wurde ihr klar, warum er sie eingeladen hatte. Er wollte unter allen Umständen Gewißheit haben.

 

Er brachte seine Gäste in die Bibliothek zurück. Sein Interesse, das Schloß zu zeigen, schien verschwunden zu sein. Er meinte, es sei außerdem nicht mehr viel zu sehen.

 

»Sic haben uns aber die unterirdischen Kerker noch nicht gezeigt, Mr. Bellamy,« sagte Spike.

 

»Nein, das habe ich nicht getan. Ich dachte, Miß Howett hätte kein Interesse an diesen schauerlichen Stätten – oder möchten Sie sie doch sehen?«

 

»Ich würde sie ganz gerne sehen.« Ihre Stimme verriet ihre Erregung und sie hatte Mühe, sich zusammenzunehmen.

 

»Nun gut, dann kommen Sie mit – aber sie sind nicht mehr so fürchterlich wie früher,« sagte Abel.

 

Er führte sie wieder zu der großen Halle und ließ sie dort einige Augenblicke warten, während er zu Savinis Zimmer ging, um die Schlüssel zu holen. Julius schloß sich ihm zögernd an, obwohl er eigentlich fürchtete, jeden Augenblick fortgeschickt zu werden. Aber Bellamy hatte scheinbar nichts gegen seine Anwesenheit einzuwenden.

 

sternchenland.com Er führte sie wieder durch die Gemäldegalerie und dann durch eine schmale Tür zu einem quadratischen, steinernen Raum, der nach seiner Erklärung früher der alte Wachtraum der Burg gewesen war. In alten Zeiten hatte er einen Ausgang ins Freie, aber jetzt war die Tür zugemauert. Von dieser Steinkammer aus führte eine Wendeltreppe in ein unterirdisches Gewölbe.

 

»Ich werde Licht machen,« sagte Bellamy. Er drehte die elektrischen Schalter an und sie sahen, daß sie in einem großen Raum waren, dessen Bogen von drei starken Pfeilern getragen wurden. »Das war das Hauptgefängnis,« sagte der alte Mann. »Alle möglichen Leute wurden hier gefangen gehalten. Sehen Sie die Ringe dort an den Pfeilern, Miß Howett? Daran wurden die Menschen angekettet.«

 

»Wie schrecklich!« rief sie. Er lachte belustigt.

 

»Aber dies ist noch ein Paradies gegen jene kleinen Kerker dort unten.«

 

An dem Hinteren Ende des gewölbten Raumes blieb er stehen und öffnete eine schwere, steinerne Falltür.

 

»Wenn Sie hinuntergehen wollen, dann können Sie recht grauenvolle Zellen sehen. Aber ich würde Ihnen nicht dazu raten. Die Treppe ist sehr steil und ausgetreten, und Sie müssen ein Licht mitnehmen.«

 

»Ich möchte sie doch gerne sehen,« sagte sie, und Bellamy schickte Savini zurück, um eine Laterne zu holen.

 

Unten befanden sich vier Einzelzellen, von denen zwei sehr groß waren. Aber die beiden anderen waren nicht größer als Hundehütten, nicht hoch genug, daß ein Mann aufrecht darin stehen konnte, und nicht lang genug, daß sich jemand bequem darin ausstrecken konnte. Und doch erzählte er ihnen, daß in diesen grabähnlichen Löchern Männer und Frauen jahrelang leben mußten. Er zeigte ihnen auch in die Steinwände eingemeißelte Inschriften von fremdartigem Charakter.

 

»Diese Steinbänke dienten den Gefangenen als Bett. sternchenland.com Wenn Sie hinsehen, werden Sie finden, daß sie ganz glatt gerieben sind von den Körpern der Leute, die hier jahrelang geschlafen haben, bis die Steine ausgehöhlt wurden.«

 

Valerie starrte entsetzt auf die Felsen.

 

»Was für schreckliche Bestien waren doch diese alten Curcys, die menschliche Wesen so behandeln konnten,« rief sie aus.

 

»Ich weiß nicht, was Sie dagegen haben. Das war doch wenigstens noch etwas,« entgegnete Bellamy.

 

»Warum hat man sie denn dann nicht lieber gleich umgebracht?«

 

»Dann hätte man sie doch nicht mehr gefangenhalten können! Wozu sollte denn das dienen? Nahmen Sie doch einmal an, Sie hassen einen Mann – welchen Zweck hat es denn, ihn umzubringen? Dann ist er Ihnen doch entgangen! Sie wollen ihn doch irgendwo festhalten, wo Sie hingehen, ihn sehen und sich an seiner Qual weiden können?«

 

Sie antwortete ihm nicht.

 

»So, das wäre nun alles, was ich Ihnen in der Burg zeigen kann, es sei denn, daß Sie noch Gasherde, oder Türme, oder leerstehende Räume sehen wollen.«

 

»Was ist denn das?«

 

Sie zeigte auf ein tiefes Loch in dem Boden. Die rauhen Seiten der Vertiefung zeigten den bloßen Felsen, aus dem es ausgehöhlt war. Er schaute lächelnd nach oben, und sie folgte seinen Blicken. An der Decke war ein Balken befestigt, ähnlich dem, den sie oben an der Burgkapelle gesehen hatte. Sie schloß die Augen.

 

»Man hat früher nur ein paar Leute draußen gehängt, aber sehr viele hier unten,« sagte Abel befriedigt.

 

Valerie war froh, als sie das Tageslicht wiedersah.

 

»Nun kann ich Ihnen aber wirklich nichts mehr zeigen,« wiederholte Abel, als sie zur Halle zurückkamen.

 

»Kann ich Sie einmal allein sprechen, Mr. Bellamy?«

 

sternchenland.com Sie folgte einer plötzlichen Eingebung. Einen Augenblick vorher hatte sie nur den Wunsch gehabt, dieses schreckliche Haus zu verlassen, in das freie Sonnenlicht hinauszufliehen, wieder Lust zu atmen, die nicht an schreckliche Qualen und Sorgen erinnerte.

 

Er sah sie argwöhnisch an.

 

»Gewiß, Miß Howett,« erwiderte er langsam. Dann sah er sich nach den beiden Männern um. »Ich habe Auftrag gegeben, den Tee in der Bibliothek zu servieren. Vielleicht nachher –«

 

Sie nickte.

 

Wie töricht war es doch von ihr, immer so impulsiv zu handeln. Stets mußte sie ihre übereilten Schritte bereuen. Ihre Anregung tat ihr schon wieder leid, und sie versuchte, eine Entschuldigung zu finden, um der Unterhaltung unter vier Augen aus dem Weg zu gehen.

 

Ein Mädchen bediente in der Bibliothek.

 

»Wo ist denn Philipp?« brummte Bellamy.

 

»Er hat heute seinen freien Nachmittag,« antwortete Julius.

 

»Wieviel freie Nachmittage hat denn der in der Woche?« begann Bellamy, aber dann unterdrückte er seinen Ärger und spielte die Rolle des wohlwollenden Gastgebers weiter.

 

Valerie trat an das Fenster, um die friedliche Umgebung zu betrachten. Sie schaute hinaus auf den wunderbar grünen Rasen, auf die starken Bäume, die sich von der grauen Steinmauer im Hintergrund abhoben. Als Bellamy sie stehen sah und ihre ganze Haltung beobachtete, wäre er beinahe in ein Gelächter ausgebrochen.

 

Spike bemerkte es und war neugierig, was der alte Mann sich wohl denken mochte. Aber dann wandte er sich schnell wieder der Betrachtung des Raumes zu und war eifrig bemüht, alle Einzelheiten in sich aufzunehmen. Obwohl dieses Zimmer Bibliothek genannt wurde, konnte man nicht viel von Büchern sternchenland.com sehen, nur ein großer Bücherschrank stand in der Nähe der Hinteren Tür. Aber der Raum war schön und hatte trotz der Renovierung seinen altertümlichen Charakter vollkommen beibehalten. Dicke, kleine Wollteppiche lagen über dem spiegelblank polierten Fußboden, um ihm etwas von seiner Kahlheit zu nehmen. Sie waren genau im Ton des polierten Holzbodens gehalten.

 

»Der Boden ist aus Stein,« sagte Bellamy, der seinen Blicken gefolgt war. »Das würden Sie nicht vermuten. Ich habe das Parkett erst darüber legen lassen, denn Stein ist ein wenig zu kalt für einen Mann meines Alters.«

 

Das war die einzige Bemerkung, die er über die Bibliothek machte. Bald darauf erhob sich Spike und ebenso Julius, dem die unerwartete Ehre widerfahren war, an dem Tee teilnehmen zu dürfen.

 

»Savini wird Sie unterhalten, Holland, während Miß Howett mit mir spricht,« sagte Abel Bellamy. »Ich glaube, unsere Unterredung wird nicht lange dauern, Miß Howett?«

 

»Nein, nicht sehr lange,« stimmte sie ihm bei.

 

Ihr Mut sank mehr und mehr. Am liebsten wäre sie mit den anderen aus dem Raum gegangen, denn die Aussicht, diesem Mann Auge in Auge allein gegenüberzustehen, ließ ihr Blut zu Eis erstarren. »O du Feigling, du Feigling,« sagte sie zu sich selbst und war sich böse wegen ihrer Schwäche. Sie hörte, wie sich die Tür hinter den beiden schloß. Bellamy kam zurück. Er hatte die Hände in die Hosentasche gesteckt, die Schultern hochgezogen und stand nun breitbeinig vor ihr, mit dem Rücken an den Kamin gelehnt.

 

»Nun, Miß Howett?« begann er mit rauher Stimme und schaute auf sie nieder, »warum wollten Sie mich sprechen?«

 

Die feindliche Gesinnung, die sie gegen ihn empfand, gab ihr neue Kraft.

 

»Mr. Bellamy,« sagte sie ruhig, »ich möchte, daß Sie mir etwas sagen.«

 

sternchenland.com »Ich werde Ihnen alles sagen, wenn es gut für Sie zu wissen ist,« sagte er. Seine Augen flackerten wild.

 

»Wo ist meine Mutter?« Sie sprach jedes Wort deutlich und langsam aus.

 

Nicht ein Muskel in seinem Gesicht bewegte sich, er sah sie nur unbeweglich an.

 

»Wo ist meine Mutter?« fragte sie noch einmal.

 

Plötzlich zitterte seine große Gestalt, sein Gesicht wurde dunkelrot, und ein höhnisches Lächeln lag um seinen Mund. Als ob er sich gegen seinen Willen bewegte, erhob er die Hand gegen Valerie, die entsetzt vor seiner Wut zurückfuhr.

 

»Wünschen Sie, daß ich noch ein Stück Holz in den Kamin lege, mein Herr?« fragte in diesem Augenblick eine Stimme.

 

Bellamy drehte sich zornig zu dem Eindringling um. Es war der neue Hausmeister, der gleichgültig und nicht im mindesten erregt dreinschaute.

 

Die Anstrengung, die Bellamy machte, um sich wieder in die Gewalt zu bekommen, war fast übermenschlich. Seine Adern traten auf der Stirn hervor, und er zitterte vor Wut. Aber durch seinen erstaunlichen Willen zwang er sich zur Ruhe.

 

»Ich werde Ihnen klingeln, wenn ich Sie hier wünsche, Philipp,« sagte er heiser. »Ich dachte, Sie wären ausgegangen.«

 

»Ich bin schon frühzeitig wieder zurückgekommen, mein Herr.«

 

»Verlassen Sie das Zimmer!«

 

Die letzten Worte kamen wie aus der Pistole geschossen. Der Hausmeister neigte sich und ging hinaus.

 

Abel Bellamy wandte sich wieder Valerie zu, deren Gesicht auffallend blaß geworden war.

 

»Ihre Mutter? Sagten Sie nicht eben so etwas? Davon wollten Sie doch etwas wissen? Ich habe Ihre Mutter sternchenland.com niemals gesehen, Miß Howett. Ich habe Ihre Mutter nie gesehen, und auch Ihnen bin ich früher nicht begegnet. Sie hatten ein Zimmer in demselben Hotel in London wie ich, und vermutlich hatten Sie auch ein Zimmer in demselben Hotel in New Jork – es muß ungefähr im Juli 1914 gewesen sein. Viele Leute schrieben mir dorthin, obwohl ich damals in England war. Ungefähr am 14. Juli wurde ein Paket Briefe, das für mich bestimmt war, gestohlen. Vielleicht las der Dieb, der die Briefe nahm, in einem der Schreiben etwas, das ihn auf den Gedanken brachte, ich könnte wissen, wo seine Mutter sei. Das ist möglich. Aber es geht mich nichts an, was Diebe denken, ob sie Männer oder Frauen sind. Und ich weiß nicht, wo Ihre Mutter ist.« Er betonte jede Silbe. »Ich weiß nicht, wo sie ist, wenn sie nicht tot ist und im Grabe liegt. Und selbst wenn ich wüßte, wo sie wäre, wurde ich es Ihnen nicht mitteilen, Miß Howett. Ich vermute, daß sie gestorben ist. Die meisten Menschen, deren Spuren man verliert, weilen nicht mehr unter den Lebenden. Es gibt kein besseres Versteck als das Grab. Dort liegt man sicher und wohlverwahrt.«

 

»Wo ist meine Mutter?« Ihre Stimme klang hohl und schwach.

 

»Wo ist Ihre Mama?« wiederholte er höhnisch. »Habe ich es Ihnen denn nicht eben gesagt? Sie haben ganz verrückte Gedanken in Ihrem Kopf, Valerie Howett. Das kommt nur daher, weil Sie gestohlene Briefe gelesen haben. Wenn Sie einen ihrer Briefe sahen, der an mich adressiert war, dann war es doch außerordentlich leicht, sie zu finden.«

 

Mit einer seitlichen Kopfbewegung schickte er sie fort, als ob sie eine Scheuerfrau sei, und sie ging unsicher aus der Tür. Einmal schaute sie sich noch um und sah, daß er düster hinter ihr herschaute. Sein böser Blick war kaum zu ertragen.

 

»Was ist los? Was ist passiert?«

 

sternchenland.com Spike ging auf das taumelnde Mädchen zu und faßte sie am Arm.

 

»Ach nichts, ich fühle mich nur ein wenig schwach. Würden Sie so gut sein und mich von hier fortführen, Mr. Holland?«

 

Sie sah sich nach dem Hausmeister um, aber er war nirgends zu sehen.

 

»Hat er Ihnen etwas zuleide getan?« fragte Spike böse. »Wenn er auch so groß wie ein Berg ist, so will ich doch hin und ihn –«

 

»Nein, tun Sie das nicht,« wehrte sie ihm. »Bringen Sie mich nach Hause und gehen Sie bitte langsam.«

 

Während sie miteinander weggingen, beeilte sich Julius Savini, den neuen Hausmeister zu suchen.

 

»Der Alte will Sie sehen,« sagte er leise. »Er ist fürchterlich wütend.«

 

»Ich bin auch ein wenig auf ihn geladen,« sagte der Hausmeister und ging schnell zu dem aufgeregten Bellamy.

 

»Wie heißen Sie?« fuhr ihn der Alte an, als er in die Bibliothek trat.

 

»Philipp, mein Herr, Philipp Jones.«

 

»Wie oft habe ich Ihnen nun schon gesagt, daß Sie nicht in diesen Raum kommen sollen, wenn ich nicht nach Ihnen schicke?«

 

»Ich dachte, die ganze Gesellschaft wäre hier, mein Herr!«

 

»Das haben Sie gedacht? Haben Sie denn gehört, was die junge Dame sagte?«

 

»Als ich hereinkam, schwieg sie gerade. Ich dachte, Sie zeigten Ihr einige Salontricks, mein Herr.«

 

Kein Muskel in dem Gesicht des Hausmeisters bewegte sich.

 

»Was haben Sie gedacht?« fuhr Bellamy ihn an.

 

»Aus der Haltung Ihrer Hände schloß ich, daß Sie ihr einige Kunststücke vormachten. Selbst in vornehmen Familien zeigten die Herren ihren Gästen gerne Salontricks,« sagte sternchenland.com der Hausmeister und nahm eine Krume von dem Kaminteppich auf. »Es tut mir sehr leid, daß ich de trop war.«

 

»Was haben Sie da gesagt?« fragte Abel völlig verblüfft.

 

»Das war ein französischer Ausdruck.«

 

»Der Deibel soll Sie holen, wenn Sie nochmal französische Ausdrücke gebrauchen,« brach Bellamy los, »und wenn Sie noch einmal hereinkommen, ohne daß Sie gerufen sind, dann fliegen Sie! Haben Sie das verstanden?«

 

»Vollkommen, mein Herr. Was wünschen Sie zu Abend zu speisen?«

 

Bellamy war sprachlos über den Mann und zeigte nur stumm auf die Tür.

 

Kapitel 3

 

3

 

Spike sah auf die Uhr – es war fünf Minuten vor eins. Aber kaum hatte er sich in einem bequemen Sessel in der Eingangshalle niedergelassen, um auf John Wood zu warten, als dessen schlanke Gestalt sich schon im Hoteleingang zeigte. Die Erscheinung dieses hochgewachsenen Mannes fiel allgemein auf. Er war vor der Zeit ergraut, aber sein Gesicht war von einer eigenartigen Schönheit, die sich besonders in den lebhaften Augen konzentrierte. Sein ausdrucksvoller Mund schien zu sprechen, auch wenn er schwieg.

 

Er reichte Spike die Hand und drückte sie freundlich.

 

»Ich komme doch nicht etwa zu spät? Ich war den ganzen sternchenland.com Vormittag sehr beschäftigt, und ich möchte den Zug um halb drei nach dem Kontinent nehmen. Deshalb bin ich so eilig.«

 

Sie gingen zusammen in den großen Speisesaal, und der Oberkellner führte sie zu einem reservierten Tisch in einer Ecke. Spike war durch das interessante Gesicht des anderen gefesselt und stellte unwillkürlich Vergleiche mit der abstoßenden Häßlichkeit des Mannes an, den er soeben verlassen hatte. Wood war aber auch das gerade Gegenteil von Abel Bellamy. Sein gütiger Charakter spiegelte sich in seinem seelenvollen Blick wider, und ein freundliches Lächeln lag ständig in seinen Augen. Alle seine Bewegungen waren gewandt und lebhaft, und seine langen, weißen, zarten Hände schienen niemals zu ruhen.

 

»Nun, was wollen Sie von mir erfahren? Vielleicht kann ich Ihnen alles erzählen, bevor die Suppe serviert wird: Ich bin Amerikaner –«

 

»Das hätte ich nicht vermutet.«

 

John Wood nickte.

 

»Ich habe lange Zeit in England gelebt, ich bin –« er machte eine Pause – »lange Jahre nicht daheim gewesen. Ich möchte nicht viel von mir selbst erzählen und meine bescheidenen Verdienste mit möglichst wenig Worten abtun. Ich lebe jetzt in Wenduyne in Belgien und leite dort ein Heim für schwindsüchtige Kinder. Ich will die Anstalt aber noch dieses Jahr nach der Schweiz verlegen. Die Woodsche Lungenheilmethode stammt von mir – nebenbei bin ich Junggeselle – aber das ist alles, was von mir zu berichten ist.«

 

»Ich möchte gerne wegen der Kinderheime mit Ihnen sprechen. Wir haben einen längeren Artikel darüber in einer belgischen Zeitung gefunden. Dort stand auch, daß Sie die Absicht haben, große Summen zusammenzubringen, um in jedem Lande Europas ein Mutterhaus zu errichten. Was verstehen Sie darunter?«

 

sternchenland.com Mr. Wood lehnte sich in seinen Stuhl zurück und dachte einen Augenblick nach, bevor er antwortete.

 

»In allen Ländern Europas, besonders in England, wird eine Frage immer brennender – ich möchte sie das Problem der ungewünschten Kinder nennen. Vielleicht ist ungewünscht nicht das richtige Wort. Nehmen wir einmal an, eine Witwe bleibt nach dem Tod ihres Mannes ohne Mittel zurück und muß ein oder zwei Kinder ernähren. Sie kann unmöglich einem Beruf oder einer Beschäftigung nachgehen, es sei denn, daß sich jemand um ihre Kinder kümmert, und das kostet wieder Geld. Dann gibt es andere Kinder, deren Geburt man fürchtet, deren Existenz Schande und Verlegenheit bringt, die versteckt werden müssen und dann in solche verrufenen Kinderheime kommen, deren Inhaberinnen es für ein paar Dollars die Woche übernehmen, nach ihnen zu sehen und sie großzuziehen. Es vergeht kein Jahr, in dem nicht in dem einen oder anderen Lande die Leiterinnen solcher Heime unter schwerer Anklage vor Gericht gestellt werden, sei es, daß sie die Erziehung dieser Kinder vernachlässigt oder daß sie direkt beschuldigt werden, sie beiseite gebracht zu haben.«

 

Dann begann er in großen Zügen seinen Plan über die Errichtung von Mutterhäusern zu entwerfen, in denen solche unerwünschten Kinder Aufnahme finden könnten und sorgfältig von besonders zu diesem Beruf vorgebildeten Pflegerinnen betreut werden sollten.

 

»Allmählich könnte man dann Schülerinnen annehmen, die für ihre Ausbildung in der Kinderpflege ein Lehrgeld zahlen. Meiner Meinung nach könnte man im Lauf der Zeit diese Anstalten so organisieren, daß sie sich selbst unterhalten. Dann würde man der Welt gesunde Knaben und Mädchen schenken, die fähig wären, den Kampf ums Dasein erfolgreich zu bestehen.«

 

Während des Essens sprach er nur über kleine Kinder. Ihre Pflege war sein Lebensinhalt. Er erzählte des langen sternchenland.com und breiten von einem kleinen deutschen Waisenkind, das er in seinem Heim besonders hegte und schilderte es so lebhaft, daß die Gäste an den anderen Tischen sich nach ihm umwandten.

 

»Seien Sie nicht böse, daß ich Ihnen das sage, Mr. Wood, aber Sie haben doch eine sonderbare Liebhaberei.«

 

Der andere lachte.

 

»Das ist schon möglich,« meinte er. »Wer sind diese Leute?« fragte er dann plötzlich.

 

Zwei Herren und eine junge Dame hatten den Speisesaal betreten. Der erste war hochgewachsen, schlank und hatte weiße Haare. Über seine Gesichtszüge breitete sich eine stille Melancholie. Sein Begleiter war ein elegant gekleideter junger Mann, dessen Alter zwischen neunzehn und dreißig liegen konnte. Er schien von der tadellosen Frisur bis zu den Lackschuhen eine lebende Reklame für seinen Schneider zu sein. Aber am meisten fesselte die Erscheinung der jungen Dame.

 

»Sie ist von unwirklicher Schönheit, als ob sie aus einem Gemälde gestiegen sei,« sagte Spike.

 

»Wer ist sie denn?«

 

»Miß Howett – Valerie Howett. Der ältere Herr ist Mr. Walter Howett, ein Engländer, der viele Jahre in den Vereinigten Staaten in dürftigen Verhältnissen lebte, bis Petroleum auf seiner Farm gefunden wurde. Auch dieser elegante junge Mann ist Engländer – Featherstone. Er treibt sich überall herum – ich habe ihn schon in fast allen Nachtklubs von London getroffen.«

 

Die kleine Gesellschaft nahm an einem Tisch in ihrer Nähe Platz, und Wood konnte von da aus die junge Dame genauer betrachten.

 

»Sie ist in der Tat außerordentlich schön,« sagte er mit leiser Stimme. Aber Spike war vom Tisch aufgestanden, zu den anderen hinübergegangen und begrüßte den älteren Herrn mit einem Händedruck.

 

sternchenland.com Nach kurzer Zeit kam er zurück.

 

»Mr. Howett hat mich eben gebeten, nach Tisch auf sein Zimmer zu kommen. Dürfte ich Sie vielleicht bitten, mich nachher einen Augenblick zu entschuldigen?«

 

»Natürlich.«

 

Die junge Dame vom Nebentisch schaute während des Essens zweimal mit fragenden, ungewissen Blicken zu ihnen herüber, als ob sie John Wood schon früher gesehen hätte und sich nun überlegte, wo und unter welchen Umständen.

 

Spike hatte die Unterhaltung auf ein Thema gebracht, das ihn im Augenblick viel mehr interessierte als kleine Kinder.

 

»Mr. Wood, ich vermute, daß Sie auf Ihren vielen Reisen noch niemals einem wirklichen Geist begegnet sind?«

 

»Nein,« erwiderte der andere mit einem ruhigen Lächeln. »Ich glaube wirklich nicht.«

 

»Kennen Sie Bellamy?«

 

»Abel Bellamy – ja, ich habe von ihm gehört. Er ist doch der Mann aus Chicago, der Garre Castle kaufte?«

 

Spike nickte.

 

»Und in Garre Castle treibt der Grüne Bogenschütze sein Wesen. Der alte Bellamy freut sich gerade nicht so sehr über den Spuk, obwohl viele andere recht stolz sein würden über einen solchen Schloßgeist. Er hat versucht, mich vollständig auszuschalten und mir diese schöne Geschichte vorzuenthalten.«

 

Er erzählte alles, was er von dem Grünen Bogenschützen von Garre wußte, und Mr. Wood hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen.

 

»Es ist merkwürdig. Ich kenne die Legende von Garre Castle auch und habe auch von Mr. Bellamy gehört.«

 

»Kennen Sie ihn genauer?« fragte Spike schnell. Aber der andere schüttelte den Kopf.

 

Gleich darauf brach Mr. Howetts Gesellschaft auf. Mr. Wood winkte dem Kellner und zahlte. Dann erhoben sie sich.

 

sternchenland.com »Ich muß einen Brief schreiben,« sagte Wood. »Haben Sie lange mit Mr. Howett zu tun?«

 

»In fünf Minuten bin ich wieder hier. Ich weiß nicht, was er von mir will, aber ich glaube nicht, daß es länger dauern wird.«

 

Howetts Zimmer waren auf demselben Flur wie die Bellamys. Als Spike hinaufkam, wurde er schon von Mr. Howett erwartet. Mr. Featherstone hatte sich scheinbar schon vorher verabschiedet. Nur der Millionär und seine Tochter waren in dem Zimmer.

 

»Treten Sie bitte näher, Holland.« Howett sprach mit einer müden Stimme und sah niedergedrückt aus. »Valerie, dies ist Mr. Holland, er ist ein Journalist und kann dir vielleicht helfen.«

 

Die junge Dame nickte ihm freundlich zu.

 

»In Wirklichkeit möchte nämlich meine Tochter Sie sehen, Holland,« sagte Howett zu Spikes Genugtuung.

 

»Es handelt sich um folgendes, Mr. Holland,« begann sie. »Ich möchte eine Dame ausfindig machen, die vor zwölf Jahren in London lebte.« Sie zögerte. »Es ist eine Mrs. Held, die in der Little Bethel Street, Camden Town, wohnte. Ich habe bereits Nachforschungen in der Straße selbst gemacht, es ist eine schrecklich armselige Gegend, und niemand kann sich dort an sie erinnern. Ich wüßte überhaupt nicht, daß sie sich jemals dort aufgehalten hat, wenn ich es nicht durch einen Brief erfahren hatte, der in meinen Besitz kam.« Wieder machte sie eine Pause. »Daß der Brief in meinem Besitz ist, ist dem Adressaten unbekannt. Er hat auch allen Grund, alle Nebenumstände möglichst geheimzuhalten. Einige Wochen, nachdem der Brief geschrieben wurde, verschwand Mrs. Held.«

 

»Haben Sie öffentliche Nachfragen in die Zeitungen eingesetzt?«

 

sternchenland.com »Ja, ich habe alles getan, was nur irgend möglich war. Auch die Polizei unterstützt mich schon seit Jahren.«

 

Spike schüttelte den Kopf.

 

»Ich fürchte, ich kann Ihnen dabei nicht viel helfen.«

 

»Das dachte ich auch,« sagte Mr. Howett. »Aber meine Tochter glaubte, daß Zeitungsleute viel mehr hören als die Polizei –«

 

Plötzlich wurde sie durch Lärm auf dem Flur unterbrochen. Man hörte eine rauhe, erregte Stimme, dann einen Fall. Spike schaute auf und eilte sofort in den Korridor hinaus.

 

Dort bot sich ihm ein ungewöhnlicher Anblick. Der Mann mit dem grauen Bart, den der Sekretär Creager nannte, erhob sich langsam vom Boden. Auf der anderen Seite sah Spike die große, unförmige Gestalt Bellamys im Rahmen seiner Zimmertür stehen.

 

»Das wird Ihnen noch leid tun,« rief Creager erregt.

 

»Scheren Sie sich zum Teufel,« brüllte Bellamy. »Wenn Sie noch einmal hierherkommen, werfe ich Sie zum Fenster hinaus.«

 

»Das wird Ihnen teuer zu stehen kommen!«

 

Creager schluchzte beinah vor Wut.

 

»Aber nicht in Dollars und Cents,« fuhr der Alte böse auf. »Und hören Sie, Creager, Sie beziehen eine Pension von der Regierung – nehmen Sie sich in acht, daß Sie die nicht verlieren!« Mit diesen Worten drehte er sich um und warf die Tür heftig ins Schloß.

 

Spike wandte sich an den Mann, der den Gang entlanghinkte.

 

»Was ist denn los?«

 

Creager stand einen Augenblick still und rieb seine Knie.

 

»Sie sollen alles erfahren! Sie sind doch ein Reporter? Ich habe eine gute Sache für Sie.«

 

Spike war ein Zeitungsmann mit Leib und Seele, und irgendeine Geschichte, über die man einen guten Artikel schreiben sternchenland.com konnte, war für ihn das halbe Leben und bedeutete Erfüllung seiner ehrgeizigen Wünsche. Er ging schnell zu Howett zurück.

 

»Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen? Ich muß diesen Mann sprechen.«

 

»Wer hat ihn so zu Boden geworfen – Bellamy?«

 

Valerie fragte ihn. Eine gewisse Erregung klang in ihrer Stimme, so daß Spike erstaunt aufschaute.

 

»Jawohl, Miß Howett – kennen Sie ihn?«

 

»Ich habe manches über ihn gehört,« sagte sie langsam.

 

Spike begleitete den wütenden Craeger in die Hotelhalle. Er war bleich und zitterte, und es dauerte einige Zeit, bevor er seine Stimme wieder beherrschte.

 

»Es stimmt, was er sagte. Es ist möglich, daß ich meine Pension verliere, aber das will ich auf mich nehmen. Sehen Sie, Mr. –«

 

»Holland ist mein Name.«

 

»Hier kann ich Ihnen nicht alles erzählen, aber wenn Sie in mein Haus kommen wollen – Rose Cottage, Field Road, New Barnet –«

 

Spike notierte sich die Adresse.

 

»Ich habe Ihnen etwas zu erzählen, was eine große Sensation hervorrufen wird. Bestimmt!« sagte er mit Befriedigung.

 

»Das ist fein!« rief Spike. »Wann kann ich Sie sprechen?«

 

»Kommen Sie in ein paar Stunden.« Mit einem kurzen Gruße entfernte sich Craeger.

 

Wood, der interessiert zugeschaut hatte, trat auf Spike zu.

 

»Der Mann sah ziemlich mitgenommen aus.«

 

»Ja, man hat ihm böse mitgespielt – aber er hat eine Geschichte zu erzählen, die ich brennend gern schreiben möchte.«

 

»Ich habe gehört, was er Ihnen mitteilte,« sagte Wood lächelnd. »Aber nun muß ich mich verabschieden. Besuchen sternchenland.com Sie mich doch einmal in Belgien.« Als er Spike die Hand schüttelte, sagte er noch: »Vielleicht kann ich Ihnen eines Tages eine Geschichte über Abel Bellamy erzählen, die beste, die Sie jemals gehört haben. Wenn Sie noch genauere Nachrichten über die Kinderheime haben wollen, wenden Sie sich nur ruhig an mich.«

 

Als Wood gegangen war, kehrte Spike zu Howett zurück, aber dort erfuhr er nur, daß sich Miß Howett mit bösen Kopfschmerzen zurückgezogen hatte, und daß die Besprechung, wie er ihr bei ihren Nachforschungen vielleicht helfen könnte, auf unbestimmte Zeit verschoben war.

 

Kapitel 30

 

30

 

Valerie ging in dem Garten spazieren und versuchte ihre Aufregung niederzukämpfen und sich über die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden klarzuwerden. Da sah sie, daß etwas Weißes über die Mauer geworfen wurde. Sie trat näher, nahm das Briefchen auf und öffnete es. Als sie die schnell hingekritzelten Zeilen gelesen hatte, steckte sie das Papier in ihre Handtasche.

 

Um zehn Uhr wurde ihr der Besuch Jim Featherstones gemeldet. Sie hatte mit dieser Möglichkeit gerechnet und empfing ihn im Gang.

 

»Ich bin froh, daß Sie gekommen sind,« sagte sie schnell. »Ich möchte Ihnen die Geschichte von Mrs. Held erzählen.« Sie führte ihn hinein, und sie saßen sich bald im Wohnzimmer gegenüber. »Zuerst möchte ich Ihnen aber etwas geben, was Ihnen gehört. Das Zimmermädchen fand dies heute morgen.« Bei diesen Worten nahm sie ein kleines Paketchen vom Schreibtisch.

 

»Es wird mein Manschettenknopf sein, ich habe mich selbst schon danach umgesehen, aber ich hatte nicht viel Zeit, denn ich wollte das Haus verlassen, bevor Sie wieder zu sich kamen.« sternchenland.com »Sie haben mich also hierhergebracht – nein, nein, erzählen Sie es mir nicht!« Sie hob abwehrend die Hand. »Ich möchte nichts mehr davon hören. Sie waren so unendlich gut zu mir, Captain Featherstone, und ich hätte mir viel Unruhe und Aufregung erspart, wenn ich nicht so töricht gewesen wäre,« setzte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu. »Ich hätte Ihnen schon früher erzählen sollen, was ich Ihnen jetzt sagen will. Sie wissen nicht, obwohl Sie es vielleicht geahnt haben mögen, daß Mr. Howett nicht mein Vater ist.«

 

Als sie ihn bei diesen Worten fest ansah, konnte sie erkennen, daß diese Nachricht vollkommen neu für ihn war.

 

»Vor dreiundzwanzig Jahren war Mr. Howett noch ein armer Mann,« fuhr sie fort. »Er wohnte auf einer dürftigen, kleinen Farm in Montgomery in der Nähe von Trainor. Aus dem Ertrag seines Grundstücks an Gemüsen und Gartenfrüchten konnte er gerade so viel herauswirtschaften, daß er das nackte Leben hatte. Damals litt er unter einer bösen Augenkrankheit, die ihn nahezu blind machte. Er lebte allein mit meiner Pflegemutter, denn sie hatten keine Kinder. Aber obwohl sie schon lange miteinander verheiratet waren und Mühe hatten, sich selbst zu unterhalten, setzten sie doch eine Annonce in die Zeitung, daß sie ein Kind annehmen wollten. Ich will Ihnen nun nicht einen Bericht über den späteren günstigen Lebenslauf Mr. Howetts geben – Sie wissen ja selbst am besten, welches Glück er hatte, als er nachher eine neue Farm in einem anderen Teil der Vereinigten Staaten kaufte, auf deren Boden Petroleum gefunden wurde.«

 

»Viele Antworten kamen auf die Annonce, aber keine befriedigte die beiden. Eines Tages erhielt Mrs. Howett, die die ganze Korrespondenz führte, einen Brief. Hier ist er.« Sie nahm ein Schreiben aus der Schreibtischschublade und gab es Jim. Es kam von einem Hotel in der Fifth Avenue in New York und lautete:

sternchenland.com »Sehr geehrter Herr, In Beantwortung Ihrer Annonce teile ich Ihnen mit, daß ich froh sein würde, wenn Sie ein kleines Mädchen im Alter von zwölf Monaten adoptierten, deren Eltern vor kurzem gestorben sind. Ich bin bereit, für Ihre Dienste tausend Dollars zu bezahlen.«

»Zu jener Zeit,« fuhr Valerie fort, »wurde Mr. Howett gerade sehr von einem Mann bedrängt, der ihm Geld auf seine Farm geliehen hatte. Trotzdem er gern ein Kind gehabt hatte, war doch sicherlich das Geldangebot ausschlaggebend für ihn, und so wurde die Sache zu meinen Gunsten entschieden, denn ich war das kleine Mädchen. Mr. Howett schrieb, daß er einverstanden sei. Einige Tage später kam ein Mann in einem Einspänner zu der Farm, stieg aus, nahm ein Bündel aus dem Wagen und übergab es Mrs. Howett. Damals war auf der Farm ein kleiner Laufbursche angestellt, der sich sehr für das Photographieren interessierte. Jemand hatte ihm eine kleine Kamera geschenkt, und die erste Aufnahme, die er machte, war der Wagen mit dem fremden Mann, der gerade im Begriff war, auszusteigen. Dieses Bild hätte für immer verloren gehen können und damit auch alle Hoffnung, die Spur meiner Eltern jemals wiederzufinden. Aber zufällig hatte die Fabrik, die die Kameras herstellte, ein monatliches Preisausschreiben für die beste Momentaufnahme veranstaltet. Der kleine Laufbursche sandte sein Bild ein, es wurde mit einem Preis bedacht und in einer Zeitschrift abgebildet. Ich habe sowohl die Zeitung als auch die Originalphotographie, von der ich mir später eine Vergrößerung machen ließ.«

 

Sie nahm eine dicke Papierrolle aus dem Schreibtisch.

 

»Sie sehen, ich habe alle Unterlagen gesammelt.«

 

Sie entfaltete das große Blatt und hielt es in das helle Licht der Lampe auf dem Tisch. Featherstone trat neben sie und betrachtete es aufmerksam.

 

sternchenland.com »Dieser Mann ist zweifellos Abel Bellamy – sein Gesicht ist gar nicht zu verkennen.«

 

»Es ist sonderbar, daß Mrs. Howett nichts Merkwürdiges an seiner Erscheinung auffiel, aber sie war beinahe so kurzsichtig wie ihr Mann. Ich wurde damals als Kind der Howetts aufgezogen und dem Gesetz nach habe ich, nachdem die Adoption rechtlich ausgesprochen wurde, nur einen Vater – Mr. Howett. Nach dem Tod meiner Pflegemutter erfuhr ich die Zusammenhänge. Ich war damals nicht sehr daran interessiert, meine wirklichen Eltern ausfindig zu machen. Denn ich war noch jung, und die Schule nahm mich ganz in Anspruch. Erst später, als ich selbständig zu denken begann und ein eigenes Vermögen besaß – Mr. Howett hat mir Geld überwiesen, und seine verstorbene Frau hat mir eine große Summe vermacht – stieg der Wunsch in mir auf, zu entdecken, wer meine Eltern waren.

 

Und so wurde dieses Bild in der Zeitung besonders wertvoll für mich. Als ich die Vergrößerung machen ließ, konnte man Abel Bellamy darauf erkennen. Niemand wußte damals, warum ich sie haben wollte, und ich sagte es auch niemand. Ich hatte schon manches von Abel Bellamy und seinem schlechten Ruf gehört. Je mehr ich von ihm erfuhr, desto klarer wurde es mir, daß ich nicht mit ihm verwandt sein konnte. Ich war auch davon überzeugt, daß er mich nicht deshalb zu Howetts Farm gebracht und tausend Dollars dafür gegeben hatte, um mir oder sonst jemand dadurch zu helfen, sondern daß er es aus reinem Egoismus tat. Die Detektive, die für mich arbeiteten, fanden heraus, daß Bellamys einziger Verwandter ein Bruder war, der vor ungefähr achtzehn Jahren gestorben ist. Dieser hatte zwei Kinder, die auch nicht mehr am Leben sind. Die Nachforschungen in dieser Richtung schienen also nicht sehr aussichtsreich zu sein, besonders da man bald feststellen konnte, daß Abel Bellamy und sein Bruder schon seit langer Zeit miteinander verfeindet waren. sternchenland.com Es wäre doch sehr unwahrscheinlich gewesen, wenn er ihm geholfen hätte.

 

Ich sagte nichts zu Mr. Howett, aber ich konzentrierte meine ganze Aufmerksamkeit auf Abel Bellamy. Ich war damals erst siebzehn Jahre alt, aber von Tag zu Tag wurde ich entschlossener das Geheimnis zu enthüllen, das über meiner Geburt lag. Ohne daß Mr. Howett es wußte, engagierte ich Leute, die Bellamys Korrespondenz kontrollierten. Er lebte damals meistens in Europa und brachte kaum drei Monate im Jahr in New York zu. Nach Chicago ist er überhaupt niemals gekommen. Eines Tages entdeckten meine Agenten einen Brief – hier ist das Original.«

 

Sie brachte ein Schreiben in die Nähe der Lampe, denn die Tinte war schon verblaßt.

»Little Bethel Street, London N. W.

Sie haben mich schwer getroffen. Geben Sie mir das Kind zurück, das Sie mir genommen haben, und ich will all Ihre Wünsche erfüllen. Ich bin körperlich und geistig zerbrochen durch Ihre unausgesetzten Verfolgungen. Sie sind ein Teufel – ein Feind, wie keine menschliche Phantasie ihn sich vorstellen kann. Sie haben mir das Teuerste geraubt, was ich hatte, und ich will nicht mehr länger leben.

Elaine Held.«

Darunter standen noch ein paar Worte, die aber selbst Featherstone, der doch Sachverständiger in diesen Dingen war, nur schwer entziffern konnte:

 

»Wollen Sie nicht großherzig sein und mir sagen… die kleine Valerie … letzten April sind es siebzehn Jahre her …«

 

»Im vergangenen April waren es vierundzwanzig Jahre, daß ich zu Sr. Howett gebracht wurde,« sagte Valerie ruhig. »Bellamy machte einen Fehler – er jagte Mrs. Howett meinen Namen. Er behauptete später, daß es nicht der richtige sternchenland.com Name war und bat meine Pflegeeltern, mich Jane zu nennen. Aber Mrs. Howett gefiel der Name Valerie besser, und so bin ich denn mein ganzes Leben lang so genannt worden.«

 

Featherstone ging langsam in dem Wohnzimmer auf und ab.

 

»Sind Sie davon überzeugt, daß Ihre Mutter noch am Leben ist?« fragte er schließlich.

 

Sie nickte. Ihre Lippen zitterten.

 

»Ich weiß es gewiß,« sagte sie schwer atmend.

 

»Glauben Sie auch, daß er weiß, wo sie ist?«

 

»Ganz sicher. – Ich dachte, sie wäre in der Burg, Sie können sich nicht denken, was für phantastische Träume ich hatte, daß ich sie finden würde.«

 

»Sie haben mit dem alten Bellamy gesprochen. Erzählen Sie mir doch alles.« Als sie ihm dann einen genauen Bericht ihrer Unterredung gegeben hatte, nickte er. »Sie haben einen unerschütterlichen Glauben, aber ich möchte Ihre Hoffnung nicht bestärken, Miß Howett –«

 

»Sie haben mich neulich Valerie genannt. Wenn es auch ein Versehen von Ihnen war ähnlich wie das Bellamys, so möchte ich Sie doch bitten, mich Valerie zu nennen. Vielleicht werde ich Sie auch mit Ihrem Vornamen anreden, wenn ich Sie besser kenne. Heißen Sie nicht William?«

 

»Mein Name ist Jim,« sagte er feierlich. Trotz ihres Kummers fühlte sie eine heimliche Befriedigung, als sie sah, daß er rot wurde. »Sie wissen, daß ich Jim heiße. Valerie, Sie werden nicht mehr in Bellamys Burg gehen oder irgend etwas Unbesonnenes tun, das Sie in Gefahr bringt.«

 

»Sie sagten eben, daß Sie meine Hoffnungen nicht bestärken wollten, aber Sie beendeten den Satz nicht.«

 

»Ich wollte sagen, daß ich auch eine ganz geringe Hoffnung habe, und daß ich das tue, wovor ich Sie gewarnt habe: Ich baue meine Hoffnung auf ein sehr wenig haltbares Fundament sternchenland.com auf. Aber in ein oder zwei Tagen kann ich Ihnen sagen, ob ich dazu berechtigt bin. Haben Sie übrigens noch den alten Plan der Burg? Würden Sie ihn mir überlassen? Ich glaube, ich kann ihn besser gebrauchen als Sie,« meinte er halb lächelnd.

 

Sie begleitete ihn bis zur Haustür.

 

»Sie müssen sich jetzt ruhig Verhalten,« sagte er warnend.

 

Sie nickte im Dunkeln, aber es war doch hell genug, daß er ihr Gesicht sehen konnte.

 

»Gute Nacht,« sagte er und hielt ihre Hand einen Augenblick langer, als es notwendig war.

 

»Gute Nacht – Jim!«

 

James Lamotte Featherstone kehrte in einer glücklichen Stimmung in das Dorf zurück, und sein Herz war noch leichter als seine Schritte.

 

Kapitel 20

 

20

 

Jim Featherstone geleitete Valerie zu dem Automobil und setzte sich in ihren Wagen, ohne daß sie ihn dazu aufforderte.

 

»Es gibt Plätze, wohin Sie gehen dürfen, und andere, wohin Sie nicht gehen dürfen. Als Ihr nachsichtiger Beschützer kann ich es nicht dulden, daß Sie sich in einem Lokal wie El Moro’s sehen lassen. Dieses Haus hat einen sehr bösen Ruf und wird von allerhand verbrecherischen Elementen besucht. Ich werde mir den guten Julius noch kaufen, wenn ich mit ihm unter vier Augen bin, daß er es überhaupt gewagt hat, Sie dorthin zu führen.«

 

»Es war mein Fehler, denn ich bat ihn, eine Stelle ausfindig zu machen, wo mich niemand kennt und wo wir sicher und allein sprechen können.«

 

»Dann würde ich Ihnen raten, in Zukunft auf den Turm der St. Pauls Kathedrale zu steigen oder in die Grabkirche der Westminster-Abtei zu gehen – das sind beides Plätze von sternchenland.com tadellosem Ruf.« Aber dann fuhr er in anderm Ton fort: »Julius hat Ihnen natürlich Nachrichten über Bellamy und seinen Haushalt gebracht. Das habe ich schon lange vermutet. Ich warne Sie aber, Miß Howett, denn ich bin davon überzeugt, daß dieser Mann, obwohl er Ihnen bis zu einem gewissen Grade mehr oder weniger ehrlich dient, doch auch nicht zögern wird, Sie an Bellamy zu verraten. Er arbeitet auch für eigene Rechnung.«

 

»Ich weiß das,« sagte sie ruhig. »Vermutlich sind Sie mir wieder den ganzen Tag gefolgt?«

 

»Fast den ganzen Nachmittag,« gab er zu.

 

»Ich dachte, Sie seien verreist, Captain Featherstone, Sie fallen mir allmählich auf die Nerven.«

 

»Und Sie fallen mir schon seit Monaten auf die Nerven,« antwortete er gelassen. »Sie bilden sich doch nicht etwa ein, daß es ein Vergnügen ist, immer hinter Ihnen her durch ganz London zu jagen? Oder sind Sie etwa anderer Meinung?«

 

Plötzlich wurde sie vernünftig und bereute ihr Verhalten ihm gegenüber.

 

»Ich – es tut mir so leid,« sagte sie kleinlaut, »aber es ist merkwürdig, daß Sie immer meinen Widerspruch wecken, wenn Sie etwas sagen. Ich bin Ihnen ja so dankbar, daß Sie gerade im richtigen Moment gekommen sind. Es war wirklich mehr als nur unangenehm. Ist sie denn wirklich mit ihm verheiratet?«

 

Er nickte.

 

»Ich habe mich nie zuviel um diese gemischten Ehen gekümmert, aber aus dem kindischen Stolz, mit dem die gute Fay ihren Trauring trägt, schließe ich, daß eine regelrechte Heirat vorliegt. Nichts macht die gewohnheitsmäßigen Verbrecher so froh, als wenn sie trotz ihres verfehlten Lebens der Welt irgend etwas Rechtmäßiges zeigen können.«

 

»Ich dachte, Sie wären verreist,« wiederholte Valerie.

 

sternchenland.com »Das haben Sie mir schon eben gesagt. Es tut mir sehr leid, daß es nicht der Fall ist. Wenn ich meinen Wünschen folgen könnte, so würde ich jetzt in den Tiroler Alpen die Berge hinaufklettern.«

 

Valerie wußte nicht, wie sehr Jim lügen konnte. Denn es gab keinen Platz in der weiten Welt, an dem er im Moment lieber gewesen wäre, als an ihrer Seite in dem ruhig dahingleitenden Rolls Royce-Wagen, der sie durch die Straßen von Westend trug.

 

Plötzlich entschlüpfte ihr ein Ausruf des Ärgers.

 

»Ach, ich vergaß ihn etwas zu fragen,« begann sie, »und das war doch eins der wichtigsten Dinge, die ich wissen mußte.«

 

»Vielleicht kann ich es Ihnen sagen,« meinte er, aber sie schüttelte abweisend den Kopf.

 

»Sie können mir nicht sagen, was ich brauche,« erwiderte sie lächelnd.

 

»Eines Tages werden Sie sich davon überzeugen, daß Sie sich auf meine Auskünfte mehr verlassen können als auf irgendwelche andere.«

 

Sie zögerte einen Augenblick, dann öffnete sie ihr Täschchen und zog daraus einen zusammengelegten Bogen hervor, den sie sorgfältig auf ihrem Schoß entfaltete.

 

»Das ist ein Plan der Burg,« sagte Jim sofort.

 

»Es ist ein alter Plan, ich habe ihn von einem Buchhändler in Guildford gekauft. Er zeigt die Burg nicht, wie sie heute ist, sondern wie sie vor zweihundert Jahren war. Sie sehen, es sind keine Wohnräume eingezeichnet und dieser Raum –« sie zeigte mit dem Finger auf eine Stelle – »der jetzt als Bibliothek benutzt wird, ist als Gerichtshalle bezeichnet.«

 

Er nickte.

 

»Es war der Raum, in dem die alten de Curcys ihre Gefangenen verhörten,« sagte er schnell. »Und was jetzt« – er sternchenland.com deutete auf eine andere Stelle – »die Eingangshalle der Burg ist, war die Folterkammer, wo die Gefangenen gezwungen wurden, die Wahrheit zu sagen. Es gibt Augenblicke, in denen ich bedaure, daß heutzutage Folterkammern nicht mehr im Gebrauch sind, denn das Verbrechen, das in England heute am häufigsten begangen wird, ist vorsätzlicher Meineid. Wenn wir nur einige kleine, malerisch aussehende Folterinstrumente über den Zeugenstuhl hängen könnten –«

 

»Aber bitte bleiben Sie doch bei der Sache. Sind Sie sicher, daß dies jetzt die Bibliothek ist?«

 

»Natürlich, ich habe viel modernere Pläne als Sie, die ich von dem letzten Eigentümer der Besitzung erhielt.«

 

»Würden Sie mir die leihen?« fragte sie begierig.

 

»Warum?«

 

»Weil ich sie brauche.«

 

Es war zwar kein überzeugender Grund, aber zu ihren größten Erstaunen gab Captain Featherstone nach.

 

»Aber ich möchte Ihnen denn doch einen Rat geben, meine liebe Freundin,« sagte er. »Gehen Sie, wenn Sie es absolut wünschen, meinethalben nach Limehouse und durchforschen Sie dort die kleine Höhle, in der Coldharbour Smith seine Kneipe hat. Besuchen Sie so oft Sie wollen El Moro’s, und ich will dafür sorgen, daß nichts passiert, was Ihnen oder Ihrem Ruf schaden könnte. Aber versuchen Sie um Himmels willen nicht, allein nach Garre Castle zu gehen und dort Ihre Nachforschungen anzustellen.«

 

Er sprach langsam und eindringlich und sie konnte sich nicht verhehlen, daß er es sehr ernst meinte.

 

»Auf gewöhnliche Weise werden Sie niemals dort hineinkommen. Ich möchte, daß Sie mir versprechen, nichts Außergewöhnliches zu unternehmen. Nicht wahr, Sie geben mir doch das Versprechen.«

 

Sie überlegte es sich eine Weile.

 

sternchenland.com »Nein,« sagte sie dann offen, »das kann ich Ihnen ehrlicherweise nicht versprechen.«

 

»Aber was wollen Sie denn dort finden? Bilden Sie sich etwa ein, daß der alte Bellamy schriftlich aufgezeichnete Bekenntnisse in seiner Burg herumliegen läßt, damit irgendeiner, der dort gewaltsam eindringt, sie lesen kann? Vermuten Sie denn auch nur einen Augenblick, daß Sie eine brauchbare Entdeckung machen können, selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, in die Burg hineinzukommen? Überlassen Sie diese Sache nur mir, Miß Howett. Ich bin tatsächlich in Sorge um Sie, das sage ich Ihnen ganz offen, weil ich zu viel von diesem verbrecherischen Bellamy weiß. Seine Hunde würden kurzen Prozeß mit Ihnen machen. Aber vor allem fürchte ich wegen des Grünen Bogenschützen.«

 

Sie wollte ihren Ohren nicht trauen.

 

»Sind Sie tatsächlich wegen des Grünen Bogenschützen beunruhigt? Captain Featherstone, Sie machen einen Scherz!«

 

»Nein, im Ernst, ich bin sehr besorgt deswegen,« wiederholte er nachdrücklich. »Valerie, Sie taumeln in eine schreckliche Gefahr hinein, die um so schlimmer ist, weil man nicht genau weiß, was sich ereignen wird. Ich möchte nicht in Ihr Geheimnis eindringen, ich dränge Sie auch nicht, mir zu sagen, warum Sie Mrs. Held suchen oder was diese Frau für Sie bedeutet und was Sie über die Begleitumstände ihres Verschwindens wissen. Vielleicht werden Sie mir später bei gegebener Zeit doch einmal Ihr Vertrauen schenken. Ihr Vater ist auch der Meinung.«

 

»Hat er Ihnen sonst keine näheren Aufschlüsse gegeben?«

 

Jim schüttelte den Kopf.

 

»Nein, er hat mir nichts gesagt, aber werden Sie mir jetzt das Versprechen geben, keinen Versuch zu machen, in die Burg einzudringen?«

 

»Das kann ich nicht. Ich bin aber davon überzeugt, daß Sie die Gefahr größer machen, als sie ist. Und vielleicht sternchenland.com unterschätzen Sie doch die Wichtigkeit meiner Nachforschungen.«

 

»Das mag sein,« sagte er nach einer Pause. »Ich glaube aber, ich muß Sie jetzt verlassen. Lassen Sie bitte den Wagen halten.«

 

Er stieg in Whitehall aus. Nachdem er gegangen war und sie ruhig über alles nachdachte, erkannte sie erst, welch großen Dienst er ihr erwiesen hatte und welche Opfer er ihr dauernd brachte – aber er glaubte an den Grünen Bogenschützen! Sie mußte lächeln. Sie hatte die Existenz des Grünen Bogenschützen stets bezweifelt.

 

Kapitel 21

 

21

 

Julius Savini sagte seiner Frau ein paar recht unangenehme Worte, bevor er sie verließ. In der Gegenwart Featherstones und Valerie Howetts war er bedrückt, aber er war ein ganz anderer Mensch, als er mit Fay allein unter vier Augen war.

 

»Du hast mir wahrscheinlich die ganze Sache vollständig verdorben. Du hast alles zertrümmert, wofür ich nun schon seit Jahren arbeite – du hast mir direkt gutes und sicheres Geld aus der Tasche gestohlen!«

 

»Es tut mir sehr leid, ich wußte nicht, daß Featherstone hier war,« bat sie ihn um Verzeihung. »Ich wurde fast verrückt, als ich sah, daß du mit Miß Howett zu El Moro’s gingst. Wärst du an meiner Stelle denn nicht auch eifersüchtig geworden?«

 

»Das ist kein Grund, um verrückt zu werden,« sagte Julius, »ich habe mir solche Dummheiten noch nicht geleistet.«

 

»Wie konnte ich denn wissen, daß sie deine Auftraggeberin war und dich bezahlte?«

 

»Woher glaubst du denn, daß ich das Geld hatte?« fuhr er auf sie los.

 

sternchenland.com Es war sehr angenehm für einen Mann von Julius Savinis Temperament, jemand zu haben, an dem er seine Wut auslassen konnte.

 

»Du bildest dir doch nicht etwa ein, daß der Alte mir das Geld gibt oder bist du so dumm? Ich würde mich nicht wundern, wenn es setzt mit der Freigebigkeit Miß Howetts zu Ende ist. Ich werde wahrscheinlich nie wieder einen Cent von ihr sehen. Aber sage einmal, weiß Featherstone denn, daß wir verheiratet sind?«

 

»Das wußte er schon lange, er hat es mir neulich auf den Kopf zugesagt, als ich ihn im Park traf. Aber was ist denn auch dabei? Schämst du dich etwa?« fragte sie argwöhnisch.

 

»Nun, sei doch vernünftig,« sagte Julius. Dann läutete er nach dem Kellner, um die Rechnung zu bezahlen. Zu seiner Erleichterung nahm sie seine Entschuldigung, daß er mit dem nächsten Zug zurückkehren müßte, ohne weiteres an und begleitete ihn zum Bahnhof. Sie war schon wieder auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung, als ihr einfiel, daß sie doch das Gepäck ihres Bruders von der Eisenbahnstation holen wollte.

 

In dem Zug, der Julius nach Berkshire brachte, fuhr auch ein Hundezüchter mit zwei wildaussehenden Hunden mit. Julius sah sie auf dem Bahnsteig der kleinen Stadt, die nahe bei Garre lag. Sie schienen noch wilder und bissiger zu sein als die ersten beiden, und einer von ihnen hatte einen starken Maulkorb um.

 

»Sie sind wohl für Mr. Bellamy bestimmt?« fragte er den Mann.

 

»Ja, mein Herr, und ich wünsche Ihnen alles Vergnügen dazu – es sind fürchterlich scharfe Tiere!«

 

Auf der Station hielt nur ein Mietauto. Julius nahm es, und obgleich es ihm ganz gegen den Strich ging, mußte er den Mann mit den Hunden einladen, auch in dem Wagen Platz zu nehmen und mit nach Garre zu kommen. Die Fahrt war wirklich nicht angenehm.

 

sternchenland.com Mr. Bellamy zeigte seine außerordentliche Überlegenheit Tieren gegenüber. Die Hunde schienen das Rohe und Brutale seines Charakters zu spüren. Gleich nach ihrer Ankunft nahm Bellamy dem schärfsten der beiden den Maulkorb ab, klopfte ihm auf den zottigen Kopf, und der große Hund legte sich gehorsam zu seinen Füßen nieder. Abel brachte die Tiere sofort zu dem Käfig, ohne Stock oder Peitsche zu gebrauchen. Sie folgten ihm willig, gingen zu den anderen Hunden hinein und ließen sich an die Kette legen, ohne auch nur zu knurren oder zu bellen. Der Alte schien eine ungewöhnliche Genugtuung bei dieser Beschäftigung zu empfinden. Er ging mit Julius, der ihm in großem Abstand gefolgt war, nach der Halle zurück und amüsierte sich über die Furcht seines Sekretärs.

 

»Savini, in Ihnen steckt kein richtiger Teufel, das können die Hunde auch nicht leiden. Sie haben den Charakter eines Pudels, Sie kennen doch diese langhaarigen Kerle, die die Frauen an schönen Leinen spazierenführen – aber diese Hunde sind scharf auf den Mann.«

 

Er schaute stirnrunzelnd in die Höhe, und seine Augen glänzten, als er den Galgenbalken oben bemerkte.

 

»Das waren noch Tage, was, Savini? Wenn ich fünfhundert Jahre früher gelebt hätte, dann hätte ich die Hunde auf Sie hetzen können, und bei Gott, das würde mir ein irrsinniges Vergnügen gemacht haben.«

 

Er meinte es so, wie er sagte. Schon die Vorstellung, daß sich Julius in Todesfurcht vergeblich dieser wilden Bestien zu erwehren suchte, bereitete ihm unbändiges Vergnügen.

 

»Aber die Polizei würde mich verfolgen und mich gefangensetzen,« sagte er mit einem Seufzer. »Und dann müßte ich in einem Zeugenstand vor Gericht stehen und lügen. Wissen Sie, Savini, heutzutage gibt es vielzuviel Gesetze. Was ist denn eigentlich das Gesetz? Schwächlinge haben es erfunden, um Schwächlinge zu beschützen. Menschen, die nicht für sich sternchenland.com selbst kämpfen können, müßten zugrunde gehen. Ich lese da gerade im ›Globe‹ von einem Mann in Belgien, der ein Kinderheim hat, eine Organisation zur Heilung kranker Kinder. Wozu heilt er überhaupt diese kranken Kreaturen? Er zieht nur unnütze Bürger auf und ermutigt die Schlauen, die Starken zu betrügen.«

 

Julius gab ihm recht. Es war für ihn weit angenehmer, zuzustimmen, als dem Mann zu widersprechen, der ihn angestellt hatte. Und in diesem Falle konnte er auch aus voller Überzeugung zustimmen, denn das Geld, das der amerikanische Ingenieur für kleine Kinder ausgab, konnte wirklich besser angewandt werden. Für Julius war Menschenliebe in all ihren Äußerungen Torheit. Die Menschen, die daran Vergnügen fanden, wohlzutun, ohne auf eine entsprechende Belohnung zu rechnen, konnte er nicht verstehen.

 

»Ich hörte durch meinen Rechtsanwalt von diesem sonderbaren Menschen,« sagte Bellamy zu Savinis größtem Erstaunen. »Ich kannte einen Mann … der im Kriege fiel.« Einen Augenblick lang huschte ein Lächeln über seinen unförmigen Mund, als ob er etwas sehr Lustiges an dieser Tragödie fand. »Wissen Sie, so ein verrückter Flieger. Und dieser Wood in Belgien war sein Freund. Nach dem Kriege brachte er ein Testament bei, wonach er alles … von diesem … na ja, er war ein Verwandter von mir … wonach er alles erbte, was ihm gehörte. Es war ja auch gar nicht der Rede wert,« fügte er mit größter Genugtuung hinzu.

 

Julius wußte, daß er von seinem gefallenen Neffen sprach und vermutete, daß die Photographie in der Ledermappe hiermit in Verbindung stand.

 

»Er ist durchaus kein Freund von mir. Ich möchte wetten, daß er tatsächlich noch Geld verdient mit seiner verrückten Idee, Kinderheime zu gründen. All diese heiligen Geister legen doch ein bißchen für sich auf die Seite.«

 

Dies war seine Lieblingsidee und er stand nicht allein mit sternchenland.com dieser Ansicht, daß reiner Altruismus eine Eigenschaft ist, die nur in der Einbildung dummer Leute existiert.

 

Bellamy ging nicht in die Halle, sondern an der offenen Tür vorbei. Savini begleitete ihn, war aber darauf gefaßt, hart angefahren zu werden, weil er Bellamy nicht allein ließ. Auf der anderen Seite würde er ausgeschimpft werden, wenn er eine Entschuldigung vorbrächte, um wegzugehen.

 

»Ich habe das Wassertor schließen lassen,« sagte Bellamy endlich. Julius seufzte erleichtert auf, als er auf die Weise erfuhr, daß seine Gegenwart erwünscht war.

 

»Ich kann mir nämlich gar nicht vorstellen, wo dieser grüne Spuk in die Burg hineinkommen kann; aber ich glaube, das Wassertor war der einzige Zugang.«

 

Sie kamen zu dem großen starken Eisengitter, das nun noch von einer Lage schwerer eichener Planken auf der Rückseite bedeckt war. Über die scharfen Spitzen des Tores waren dichte Reihen Stacheldraht gezogen.

 

»Wenn er hier hereinkam, wird er seinen Weg jetzt versperrt finden,« sagte Abel. »Wie er überhaupt in die Burg kommen konnte, ist mir ein Rätsel.«

 

»Vielleicht schleicht er sich während des Tages heimlich hinein und verbirgt sich.«

 

»Seien Sie doch nicht kindisch. Abends werden doch alle Räume durchsucht, das wissen Sie doch ganz genau. Er muß irgendeinen Weg kennen, den wir noch nicht entdecken konnten.«

 

Vorausgesetzt, daß der Grüne Bogenschütze ein menschliches Wesen war, (woran der abergläubische Julius stark zweifelte,) so grenzte es doch an ein Wunder, daß er kommen und gehen konnte, wie er wollte. Nur von zwei Räumen aus konnte man das Grundstück überschauen: von dem nicht benützten Speiseraum aus, dessen schmale Fenster jede Nacht mit eisernen Rolljalousien geschlossen wurden, und dann von sternchenland.com Bellamys Schlafzimmer aus. Aber die Fenster dieses Raumes lagen sehr hoch, und man konnte nicht an sie herankommen. Außerdem bewohnte der Hausmeister noch einen Raum in dem Flügel, in dem sich die Burgkapelle befand. Man hätte hier eventuell von außen in das Gebäude eindringen können, aber die Fenster lagen über sieben Meter vom Boden entfernt, und es war stets jemand in dem Raum wahrend der Zeit, in der der Grüne Bogenschütze zu erscheinen pflegte.

 

Spike Holland hatte seinen Beobachtungsposten wieder eingenommen und saß auf der Umfassungsmauer, ungefähr hundert Meter von dem Pförtnerhaus entfernt. Durch ein starkes Fernglas hatte er Abel Bellamy und Savini beobachtet, wie sie außen um das Gebäude herumgingen. Gleich nachher sah er auch, wie sie beide in dem großen Tor verschwanden.

 

Die Ankunft der neuen Hunde hatte Spikes Aufmerksamkeit wachgerufen. Später telephonierte er mit dem Redakteur, der ihn etwas scharf anfaßte.

 

»Ihre Geschichte von dem Gespenst in Garre wird reichlich dünn, Holland, und ich glaube, daß die neuen Hunde Ihre Ferien auf dem Lande nicht vollkommen rechtfertigen. Können Sie denn nicht wenigstens einmal in die Burg hineinkommen und Bellamy interviewen?«

 

»Meinen Sie nicht, daß es besser wäre, den Geist zu interviewen?« fragte Spike ironisch. »Das wäre entschieden leichter. Ich bin schon so bekannt mit dem Alten wie ein Zigarrenanzünder mit einer Puderquaste. Also, Mr. Syme, lassen Sie mich ruhig hier, ich habe die feste Überzeugung, daß sich vor Ende der Woche große Dinge in Garre abspielen werden. Wenn Sie wollen, will ich auch ein Interview mit Bellamy arrangieren … nein, im Ernst … ich mache Ihnen nichts vor.«

 

Spike hatte eine besonders feine Nase für kommende Ereignisse und er ahnte, daß sich hier etwas vorbereitete. Alle Vorbedingungen für eine große Tragödie waren gegeben. Als sternchenland.com er sorglos durchs Dorf schlenderte, hörte er die scharfe Hupe eines Autos und sprang zur Seite. In dem Wagen saß Miß Howett. Der Wagen hielt dicht bei ihm an. Sie lehnte sich hinaus und winkte ihn heran.

 

»Mr. Holland, darf ich Sie einen Augenblick bitten?«

 

Spike ließ sich das nicht zweimal sagen und war gespannt, warum sie ihn rief.

 

»Ich möchte Sie um einen großen Gefallen bitten,« sagte sie ein wenig atemlos. »Haben Sie … können Sie mir einen Revolver verschaffen?«

 

Als sie sah, daß sich seine Stirne zusammenzog, sprach sie ein wenig zusammenhanglos weiter.

 

»Lady’s Manor liegt sehr einsam, und da kam mir der Gedanke … nun ja, es ist sehr verlassen, nicht wahr? Und Mr. Howett trägt niemals Feuerwaffen oder so etwas Ähnliches mit sich herum. Ich wollte einen Revolver in London kaufen … eine Browningpistole, aber ich erfuhr, daß es scharfe Polizeivorschriften gibt und daß … man einen Waffenschein haben muß … und nun sah ich Sie eben und da fiel es mir ein …«

 

»Sicher, Miß Howett,« erwiderte Spike, als sie eine Pause machte, um Atem zu holen. »Ich habe eine Pistole im Hotel, und ich weiß nicht, warum ich sie in dieses friedliche Dorf mitgenommen habe. Die kann ich Ihnen geben, wenn Sie warten wollen, hole ich sie gleich.«

 

Er eilte zu dem »Blauen Bären« und war bald wieder zurück.

 

»Sie ist geladen,« sagte er, als er die Waffe aus der Tasche zog. »Es ist leider nur eine kleine Pistole. Aber das müssen Sie mir versprechen, Miß Howett, wenn Sie einen Einbrecher damit niederknallen, dann geben Sie mir das ausschließliche Recht, darüber zu berichten.« sternchenland.com

 

Kapitel 22

 

22

 

Bellamy las selten Zeitungen, nur der »Globe« hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Das einzige Blatt, das sonst sein Interesse erweckte, war der »Berkshire Herald«, ein wöchentliches Lokalblatt. Auch diese Zeitung las er nicht einmal selbst, sondern es gehörte zu Savinis Pflichten, ihm jeden Donnerstagabend – an diesem Tag wurde es ausgegeben – daraus vorzulesen. Manchmal mußte er jede gedruckte Zeile lesen, von der ersten Familienanzeige auf der Vorderseite bis zu den Berichten über irgendeine kleine landwirtschaftliche Ausstellung auf der letzten Seite. Manchmal wollte sein Herr auch nicht viel hören.

 

Obgleich Bellamy mit den Familien auf dem Lande nicht verkehrte und weder Einladungen ausschickte noch annahm, so war er doch sehr an allem interessiert, was in der Gegend von Berkshire vorging. Er lehnte es niemals ab, Gelder zu zeichnen, wenn man ihm eine Subskriptionsliste vorlegte, aber auf keinen Fall ließ er sich persönlich sprechen. Er gab mit vollen Händen für die Wohlfahrtsorganisationen der Umgegend. Er bestand aber stets darauf, daß sein Name nicht genannt werden durfte. Julius wunderte sich, warum ein so unzugänglicher, unliebenswürdiger und wenig wohltätiger Mann solche Summen für diese Zwecke ausgab. Sicherlich war seine Handlungsweise nicht von dem Wunsch diktiert, seinen Mitmenschen zu helfen oder das harte Los der Unglücklichen zu mildern. Savini machte einmal eine Bemerkung dieser Art, als Bellamy einen hohen Scheck an ein Wohltätigkeitskomitee sandte. Der alte Mann brummte darauf etwas, was als Erklärung für seine Großzügigkeit gelten konnte.

 

»Ich vermute, daß die Besitzer von Gurre Castle immer gegeben haben,« sagte er.

 

Er setzte also nur die Tradition der Herren fort, deren sternchenland.com Banner einst von dem Flaggenmast der Burgkapelle geweht hatte.

 

Abel Bellamy gehörte seinem Wesen nach ins Mittelalter, zu jenen starken Männern, die schwergepanzerte Pferde bestiegen und ihre Mordbuben ausschickten, um sich ihrer Feinde zu entledigen.

 

Als sie von dem Hundekäfig zurückkamen, dachte Julius daran, daß der »Berkshire Herald« heute erschienen sei. Er seufzte innerlich, denn er war gerade nicht in der Stimmung, die kindlichen Aufsätze laut vorzulesen, die die Spalten dieses Lokalblattes füllten. Er hoffte schon, daß die Ankunft der neuen Hunde Bellamy so in Anspruch nehmen würde, daß er seine gewöhnliche Donnerstagserholung vergessen würde. Aber das erste Wort Abels bei dem Betreten der Bibliothek zerstörte seine Illusionen.

 

Der Alte setzte sich in seinen Lehnstuhl, legte die Hände zusammengefaltet in den Schoß und schaute auf die brennenden Holzscheite im Kamin.

 

»Holen Sie die Zeitung, Savini,« sagte er dann, und Julius gehorchte.

 

An diesem Tag war Bellamy von einer außerordentlichen Wißbegierde. Julius mußte jede Spalte lesen, von Warenverkäufen, von einer Wahlversammlung in einer benachbarten Stadt, wofür sich Bellamy doch sonst niemals interessierte.

 

»Ich kümmere mich nicht darum, was sie für Politik machen, habe mich auch nie darum gekümmert,« brummte er. »Das ist doch alles nur dummes Zeug, aber lesen Sie nur ruhig.«

 

Julius war bei den persönlichen Nachrichten angekommen. Es war eine durch viele Annoncen unterbrochene Spalte, in denen die Vorzüge von Kleesalz als Zugabe zum Viehfutter angepriesen wurden oder irgendein Mechaniker sich zur Reparatur von landwirtschaftlichen Maschinen empfahl.

 

sternchenland.com »Hier sieht eine Bemerkung über die Bewohner von Lady’s Manor,« sagte Savini und schaute fragend auf. »Lesen Sie.«

 

Bellamy saß mit vorgebeugtem Kopf, geschlossenen Augen und schien zu schlafen. Einmal, aber nur einmal, hatte Julius den Fehler gemacht, zu glauben, Bellamy schliefe wirklich. Aber er hütete sich wohl, wieder in diesen Irrtum zu verfallen.

 

»Der neue Mieter von Lady’s Manor ist ein bekannter Petroleummagnat, dessen Leben recht romantisch verlaufen ist. Als er vor Jahren nach Amerika auswanderte, war er zuerst ein armer Farmer in Montgomery County in Pennsylvania –«

 

»Wie?«

 

Abel Bellamy war plötzlich ganz wach und saß gerade und aufrecht in seinem Stuhl.

 

»Ein Farmer in Montgomery County in Pennsylvania?« wiederholte er. »Weiter, weiter!«

 

Julius war sehr erstaunt über das plötzlich erwachende Interesse seines Herrn.

 

»Na, vorwärts!« rief der Alte.

 

»Aber ein plötzlicher Glückszufall gab ihm die Mittel, eine größere Farm in einem anderen Teil der Staaten zu kaufen. Hier wurde Petroleum gefunden, und dies legte den Grund zu seinem großen Vermögen. Beide, Mr. Howett und seine Tochter, Miß Valerie Howett –«

 

»Wie war der Name?«

 

Abel schrie beinahe. Er war aufgesprungen und schaute auf seinen Sekretär. Seine Augen flammten.

 

»Valerie Howett!« rief er. »Das lügen Sie!«

 

Er riß Savini die Zeitung aus der Hand und starrte auf die gedruckte Seite.

 

»Valerie Howett!« wiederholte er dann leise für sich. »Donnerwetter!«

 

sternchenland.com Zum erstenmal sah Julius seinen Herrn, seit er ihm diente, außer Fassung. Die Hand Bellamys zitterte.

 

»Valerie Howett!« sagte er noch einmal und starrte mit leerem Blick auf Savini. »In Lady’s Manor … hier!«

 

Plötzlich ging er zu seinem Schreibtisch und zog an einer Schublade. Sie war verschlossen, aber er war zu ungeduldig, um erst den Schlüssel zu suchen. Er riß daran, das Schloß gab nach und die Schublade ging auf. Er hatte durch sein gewaltsames Zerren das Schloß abgebrochen, als ob es dünnes Holz sei. Er stieß die Papiere zurück, die darin lagen und zog ein kleines Bündel hervor, das er auf den Tisch warf. Julius sah, daß es das blutbefleckte Taschentuch war, das in dem Storeraum gefunden worden war.

 

»Wie?« rief Bellamy wieder. »Valerie Howett!«

 

Er schaute unter seinen buschigen Augenbrauen auf Savini.

 

»Sie wußten, daß es ihre Anfangsbuchstaben waren!«

 

»Ich habe nie daran gedacht, sie damit in Zusammenhang zu bringen. Aber abgesehen davon wohnte sie damals noch nicht in der Nachbarschaft.«

 

»Das ist wahr.«

 

Bellamy nahm das Taschentuch, hielt es in seiner großen Hand, stopfte es dann wieder in die Schublade und warf sie krachend zu.

 

»Sie können gehen,« sagte er kurz. »Lassen Sie die Zeitung hier. Ich werde Ihnen klingeln, wenn ich Sie wieder brauche. Mein Abendessen soll schnell serviert werden.«

 

Savini hatte sich aber kaum zehn Minuten in seinem Zimmer ausgeruht, als er plötzlich hörte, daß sich die Bibliothekstür öffnete und Bellamy ihn rief.

 

»Kommen Sie herein!« kommandierte der Alte.

 

Er hatte sich von seiner Erregung erholt und zeigte sich wieder wie gewöhnlich, obwohl der plötzliche Schreck Spuren in seinen Zügen hinterlassen hatte.

 

sternchenland.com »Ich vermute, daß Sie sich den Kopf zerbrechen, worüber ich mich so aufgeregt habe, aber das brauchen Sie nicht. Ich kannte früher einmal jemand, der Howett hieß und ein junges Mädchen, deren Vorname Valerie war. Es war nur die zufällige Übereinstimmung der Namen, die mich stutzig machte. Wie sieht sie eigentlich aus?«

 

»Sie ist sehr hübsch.«

 

»So? Hübsch ist sie?« fragte Bellamy nachdenklich.

 

»Und ihr Vater?«

 

»Sie müssen die beiden doch gesehen haben, Mr. Bellamy. Sie wohnten auch im Carlton-Hotel und zwar auf demselben Flur wie wir.«

 

»Ich habe sie nicht gesehen,« unterbrach Abel ihn ungeduldig. »Wie sieht er aus?«

 

»Er ist schlank gewachsen und hager.«

 

»Ein bißchen elend, wie?« fragte Abel scharf.

 

»Sie haben ihn also doch gesehen?«

 

»Sie hören, daß ich ihn nicht gesehen habe – ich frage Sie doch nur. Wie ist seine Frau? – Ist sie bei ihm?«

 

»Nein, mein Herr, ich glaube, Mrs. Howett ist tot.«

 

Der Alte stand mit dem Rücken gegen den Kamin gelehnt und betrachtete aufmerksam seine Zigarre. Er biß das Ende ab und steckte sie an, bevor er wieder sprach. Es war ganz ungewöhnlich, daß er vor dem Abendessen rauchte, und Julius vermutete, daß die Zigarre als Beruhigungsmittel für seine aufgeregten Nerven diente.

 

»Möglicherweise habe ich ihn auch gesehen. Das Mädchen sollte hübsch sein, jung und intelligent? Hat sie eine dunkle oder helle Gesichtsfarbe?«

 

»Sie ist dunkel.«

 

»Und sehr lebendig, wie? Äußerst lebhaft – ist das nicht der Ausdruck, mit dem Sie sie beschreiben würden?«

 

»Jawohl, ich glaube, diese Worte passen sehr gut auf sie.«

 

sternchenland.com Bellamy nahm die Zigarre aus dem Mund, betrachtete die lange Asche, streifte sie dann ab und steckte sie dann wieder in den Mund. Er starrte zu der getäfelten Decke empor.

 

»Ihre Mutter ist also tot?« wiederholte er. »Wo wohnte Valerie Howett denn, bevor sie nach England zurückkam? Das müssen Sie herausfinden. Ich möchte auch wissen, ob sie in New York war« – er schaute wieder auf seine Zigarre – »vor sieben Jahren und ob sie damals im Fifth Avenue Hotel gewohnt hat. Senden Sie sofort ein Telegramm und sehen Sie, ob Sie irgendwelche Informationen darüber erhalten können. Ich will ganz genau wissen, ob sie am 17. Juli 1914 im Fifth Avenue Hotel war. Gehen Sie direkt zur Post, und wenn sie hier schon geschlossen sein sollte, nehmen Sie den Wagen und fahren Sie nach London. Schicken Sie das Telegramm an den Geschäftsführer des Hotels. Sicher haben die doch noch die alten Fremdenlisten. Aber nun machen Sie schnell!«

 

»Wenn die Post geschlossen sein sollte, kann ich das Telegramm ja telephonisch aufgeben,« meinte Julius.

 

Bellamy nickte und schaute auf die Uhr.

 

»Es ist setzt sieben Uhr, dann ist es in New Jork zwei. Wir müßten eigentlich noch diese Nacht Antwort erhalten. Sagen Sie den Leuten hier auf dem Telegraphenamt, daß wir ein eiliges Telegramm aus Amerika erwarten und fragen Sie, ob sie das Bureau nicht für uns offen halten können heute nacht. Es macht nichts aus, wieviel es kostet. Hören Sie zu, Savini: Ich muß es noch heute nacht wissen! In dem Hotel in New York kennt man meinen Namen genau, ich habe dort damals das ganze Jahr über ein Zimmer gehabt. Ich war nicht dort, aber ich hatte es gemietet. Aber nun gehen Sie schnell!«

 

Julius gab das Telegramm telephonisch auf und kam fünf Minuten später mit der Nachricht zurück, daß es unterwegs sei. Er fand Bellamy genau in derselben Stellung, wie er ihn sternchenland.com verlassen hatte, die Zigarre in einem Mundwinkel, die Hände auf dem Rücken und den Kopf nach vorne geneigt.

 

»Haben Sie jemals mit der Dame gesprochen?«

 

»Einmal, als ich sie zufällig im Carlton-Hotel sah,« erwiderte Julius.

 

»Hat sie sich eigentlich für mich interessiert? Ich glaube kaum. Oder hat sie Sie über mich und mein Leben ausgefragt?«

 

Julius schaute ihn an und fing einen argwöhnischen Blick von ihm auf.

 

»Nein,« sagte er mit wohlgespielter Überraschung. »Wenn sie das getan hatte, würde ich ihr natürlich nichts gesagt haben, außerdem hätte ich Ihnen das erzählt.«

 

»Sie sind ein alter Lügner. Wenn sie Sie um Auskunft gebeten und Ihnen nur genügend Geld dazu gegeben hätte, dann hätten Sie alles ausgeplaudert, was Sie nur wußten. Vermutlich gibt es nichts auf der Welt, was Sie nicht für Geld tun würden, es sei denn ein Mord!«

 

In diesem Augenblick hätte Julius selbst einen Mord zu seinen vielen anderen Verbrechen hinzugefügt, so haßte er seinen Herrn.

 

In Savinis Abwesenheit hatte Bellamy die Schublade wieder geöffnet und das Taschentuch herausgenommen. Es lag unterhalb des Stuhles, von dem er aufgestanden war. Jetzt nahm er es wieder von der Erde auf.

 

»Sie hat doch wahrscheinlich irgendeine Zofe. Machen Sie sich an die heran und bringen Sie heraus, ob dieses Taschentuch der jungen Dame gehört. Die Anfangsbuchstaben beweisen noch gar nichts. Nein, lassen Sie es da liegen, Sie sollen es nicht wegnehmen, Sie sollen es nur ansehen, damit Sie sich genau darauf besinnen können. Wenn möglich, besorgen Sie mir ein anderes Taschentuch, sicher hat sie solche Dinge dutzendweise. Legen Sie ruhig Geld aus und zahlen Sie jede Summe, die verlangt wird. Sie können alles Geld haben, das Sie dazu brauchen.«

 

sternchenland.com Ganz mechanisch nahm Bellamy den langen, dünnen Schlüssel aus der Tasche, den Julius nur einmal vorher gesehen hatte, und betrachtete ihn genau, gewissermaßen um sich zu überzeugen, daß er noch in seinem Besitz sei.

 

»Ist der Zeitungsmensch noch im Dorf?« fragte er.

 

»Ich weiß es nicht. Ich spreche niemals zu Zeitungsreportern.«

 

»Zum Donnerwetter,« sagte Bellamy ungeduldig. »Ich mache Ihnen doch in keiner Weise einen Vorwurf! Wissen Sie nicht, ob er noch hier ist? Gehen Sie sofort hin und fragen Sie. Und wenn er noch da ist, dann bringen Sie ihn gleich hierher.«

 

Julius war über diesen Auftrag sehr erstaunt, aber er gehorchte sofort.

 

»Bevor Sie gehen, stellen Sie noch eine Telephonverbindung für mich her, 789 Limehouse – stecken Sie nach der Bibliothek durch.«