Kapitel 59

 

59

 

Bellamys Gesichtsausdruck änderte sich.

 

»Sagen Sie ihm, er möchte heraufkommen.« Dann legte er den Hörer auf den Tisch und sah sich nach Lacy um. »Sie können währenddessen hinausgehen. Es wird gleich Besuch hier sein.«

 

Lacy erhob sich widerwillig.

 

»Mir gefällt die ganze Sache hier nicht mehr,« sagte er. »Ich muß mich Verstecken und in dunklen Löchern schlafen, seitdem ich hier bin. Mir wächst die Sache allmählich zum Halse heraus.«

 

Bellamy antwortete ihm nicht, sondern beobachtete ihn nur mit seinen kühlen, grauen Augen. Lacy verließ den Raum, aber er fühlte sich nicht wohl und wußte selbst nicht warum.

 

Sen öffnete die Tür und führte den Besucher in die Bibliothek. sternchenland.com Bellamy stand an den Kamin gelehnt, hatte die Hände auf dem Rücken und den Kopf auf eine Seite gelegt. Diese Haltung nahm er häufig ein. Er sprach auch kein Wort, bis Sen sich entfernt hatte und der Besucher direkt vor ihm stand.

 

»Mr. Wood?« brummte er.

 

»Ja, das ist mein Name. Ich habe doch die Ehre mit Mr. Bellamy? Ich habe gerüchtweise gehört, daß Sie die Burg verlassen und verkaufen wollen.«

 

»Nehmen Sie Platz,« unterbrach ihn der alte Mann.

 

»Ich ziehe es vor zu stehen, wenn Sie nichts dagegen haben.«

 

»Sie haben also gehört, daß die Burg verkauft werden sollte? Wer hat Ihnen denn diese Tartarennachricht erzählt? Ich beabsichtige nicht, Garre Castle zu verkaufen. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Warum wollten Sie es denn kaufen?«

 

»Ich habe von verschiedenen Seiten große Summen erhalten, um ein Kinderheim in England zu gründen,« entgegnete Mr. Wood. Seine ernsten Augen beobachteten gespannt das Gesicht Bellamys. »Und ich dachte mir, daß die Burg, wenn man sie modern einrichtete, ein sehr geeigneter Platz hierfür wäre. Es gibt hier viele große Räume, die, soviel ich weiß, niemals von Ihnen benutzt werden, und abgesehen davon ist ja genügend Land vorhanden, daß man Erweiterungsbauten aufführen könnte –«

 

»Aber ich verkaufe nicht.«

 

John Wood verbeugte sich zum Abschied und wollte gerade gehen, als Bellamy ihn wieder anredete.

 

»Mir kommt Ihr Name so bekannt vor, Mr. Wood – möglicherweise irre ich mich, aber ich glaube mich zu entsinnen, daß Sie einen Verwandten von mir kennen.«

 

»Meinen Sie Ihren Neffen?« fragte John Wood ruhig.

 

Bellamy nickte.

 

sternchenland.com »Ja, wir waren in derselben Fliegerstaffel.«

 

»Er ist wohl gefallen? Sind Sie sicher, daß er getötet wurde?«

 

»Sein Name stand in den Gefallenenlisten, und ich habe sein kleines Vermögen geerbt.«

 

»Glauben Sie nicht, daß er noch am Leben ist? Es kommt doch so häufig vor, daß Leute, die im Krieg als tot oder gefallen gemeldet wurden, später noch sehr lebendig waren.«

 

»Die amerikanischen Armeebehörden sind aber sehr gewissenhaft in ihren Berichten. Sie haben sich große Mühe gegeben, alle gemeldeten Todesnachrichten genau nachzuprüfen. Außerdem hat auch die deutsche Regierung seinen Tod bestätigt.«

 

Bellamy dachte nach.

 

»War mein Neffe ein mitteilsamer Mensch? Hat er Ihnen irgend etwas über –« er suchte nach Worten – »über seine eigene Vergangenheit mitgeteilt?«

 

»Er hat niemals darüber gesprochen.«

 

»Hm!« sagte Bellamy und schien beruhigt zu sein. Er begleitete Mr. Wood zur Tür und sah ihm nach, als er den Fahrweg entlangschritt, um die Ecke der Sträucher bog und bei dem Pförtnerhaus verschwand. Dann ging er zur Bibliothek zurück und fand dort Sen damit beschäftigt, ein Tablett auf den Tisch zu stellen. Als er näherkam, reichte ihm der Chinese ein Stück Papier.

 

»Keine Milch,« stand darauf.

 

»Ist keine mehr im Vorratsraum?«

 

Sen schüttelte den Kopf.

 

»Es muß doch kondensierte Milch dort sein,« brummte Bellamy. »Ich werde selbst gehen und nachsehen.«

 

Bei dieser Gelegenheit machte er eine wichtige Entdeckung.

 

Als es dunkel wurde, schickte er Lacy mit dem Auto nach London, um Einkäufe zu machen.

*

sternchenland.com Jim Featherstone machte einen Spaziergang durch die Hauptstraße, als er einen Mann bemerkte, der aus der Torfahrt von Garre Castle herauskam. Er hatte ihn nur kurz gesehen, aber sofort erkannt, und entschuldigte sich bei der Dame, die er begleitete. Er ging schnell vorwärts und überholte Mr. John Wood gerade, als er in den altertümlichen Omnibus steigen wollte, der die Verbindung zwischen Garre und der nächsten Eisenbahnstation aufrechterhielt.

 

»Ich bin hierhergekommen, um Garre Castle zu kaufen,« erklärte ihm Wood nach der ersten Begrüßung.

 

Jim mußte lachen.

 

»Ich hatte keine Ahnung, daß Sie wirklich die Absicht hatten – Miß Howett, darf ich Ihnen Mr. John Wood vorstellen? Er ist hierhergekommen, um Garre Castle zu kaufen, aber wie ich vermute, hat er keinen Erfolg gehabt. Was halten Sie nun von Bellamy, nachdem Sie ihn aus nächster Nähe gesehen haben?«

 

»Er besitzt gerade kein sehr angenehmes Äußere,« sagte Mr. Wood lächelnd.

 

Valerie nahm ein mehr als gewöhnliches Interesse an diesem eigenartigen Mann. Sie hatte sich selbst schon eingestanden, daß es seine prächtige Liebhaberei war, die sie so für ihn einnahm. Aber wenn sie ehrlich gewesen wäre, hätte sie noch zugeben müssen, daß es seine bedeutende Persönlichkeit war, die schon einen tiefen Eindruck auf sie gemacht hatte, bevor sie noch ein Wort mit ihm gewechselt hatte.

 

»Kehren Sie wieder zu Ihren kleinen Kindern zurück, Mr. Wood?« fragte sie.

 

»Noch nicht, ich habe noch viel in England zu erledigen, bevor ich heimfahren kann. Interessieren Sie sich für meine Liebhaberei?« fragte er und seine Augen leuchteten auf.

 

»So sehr, daß ich wünschte, Sie würden mir alles darüber erzählen. Würden Sie nicht mit uns speisen, Mr. Wood?«

 

Er zögerte.

 

sternchenland.com »Ja,« sagte er schließlich und entschuldigte sich schnell wegen seiner Unhöflichkeit.

 

Als sie an dem Tor der Burg vorbeikamen, wandte er sich nach dem Gebäude um.

 

»Schauen Sie sich nach dem bösen Riesen um?« fragte sie.

 

»Ich erwarte nicht, ihn zu sehen, aber wenn ich diese Burg hätte, würde ich auf jedem Turm die amerikanische Flagge hissen. Vermutlich ist Abel Bellamy ebensowenig patriotisch als menschenfreundlich.«

 

Während des ganzen Weges nach Lady’s Manor unterhielt sich Valerie anregend mit John Wood. Jim fühlte, daß er im Augenblick überflüssig war und das war eine unangenehme Erkenntnis.

 

Als sie bei Tisch saßen, schien es, als ob Valerie den Fremden schon ihr ganzes Leben lang gekannt hätte. Und wenn sie sich an Jim wandte, so war es nur, um eine Bestätigung für etwas von ihm zu erhalten, was Wood eben gesagt hatte.

 

Schon das allein hätte genügt, Captain Featherstone zu bedrücken, aber es kam noch das merkwürdige Verhalten Mr. Howetts dazu, der während der ersten Zeit des Essens ein tödliches Schweigen beobachtete und nicht einmal von seinem Teller aufsah. Er war doch sonst ein Mann, der gewöhnt war, Gäste bei sich zu sehen, der großes öffentliches Ansehen genoß und Gelassenheit und Gleichmut besaß. Selbst sein schlimmster Feind hätte ihn nicht der Teilnahmslosigkeit und Schüchternheit bezichtigt. Aber jetzt war er merkwürdig zurückhaltend, und erst als Spike auf der Bildfläche erschien, der seinen Bekannten auch begrüßen wollte und die Unterhaltung sich um Bogenschießen drehte, begann er zu sprechen.

 

Jim war überrascht, daß er von sich aus die Frage wieder anschnitt. Er schien dem Zeitungsmann eine Antwort auf seine Frage geben zu wollen, die er damals im Speisesaal des Carlton-Hotels an ihn gerichtet hatte.

 

»Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß ich mich sternchenland.com für diesen Sport interessiere, aber solche Zufälligkeiten finden Sie alle Tage. Wenn Sie zum Beispiel ein Buch aufschlagen und irgendeinen technischen Ausdruck finden, den Sie früher niemals gesehen oder angewandt haben und wenn Sie dann in einem Wörterbuch seine Bedeutung nachsehen, so treffen Sie dasselbe Wort in den nächsten zwölf Stunden wieder!«

 

»Als ich noch ein junger Mann war und noch so gute Augen wie Sie besaß, interessierte ich mich sehr für das Bogenschießen. In meinem Heimatdorfe waren wir ungefähr ein halbes Dutzend Jungens, die für sich selbst so eine Art Robin-Hood-Bande gründeten. Sie wurde allerdings aufgelöst, nachdem wir verschiedene Fenster zerschossen hatten. Damals hielt man mich für den besten Bogenschützen in unserem kleinen Kreis. Später habe ich diese Fähigkeit weiter entwickelt, bis ich einen gewissen Ruf darin erhielt. Und als ich wohlhabend wurde, nahm ich den Sport wieder auf und wurde Mitglied in einer Gesellschaft in Philadelphia. Aber mein schlechtes Sehvermögen bildete allmählich ein unüberwindliches Hindernis. Vor fünfzehn Jahren ging ich nach Deutschland, um einen bekannten Augenspezialisten aufzusuchen. Auf meiner Rückreise kam ich durch London mit der neuen Brille – es ist diese hier –« er nahm sein Glas ab und schaute nachsinnend darauf – »Ich las die Bekanntmachung in der Zeitung, daß ein Preisschießen für Bogenschützen stattfinden sollte, und da ich gerne mein neues Augenglas prüfen wollte, meldete ich mich und so kam es, daß ich wieder einen Bogen in die Hand nahm.«

 

»Das Gespräch scheint auf den Grünen Bogenschützen zu kommen,« meinte John Wood lächelnd. »Ist er in der letzten Zeit gesehen worden? In Belgien lese ich nur selten englische Zeitungen.«

 

Die Unterhaltung wurde nun allgemein. Valerie bekam durch vorsichtige und taktvolle Fragen heraus, daß Mr. sternchenland.com Wood einen freien Abend hatte und brachte es durch dauernde Querfragen fertig, daß Mr. Howett ihn einlud.

 

Jim ging nachdenklich nach Hause. Er war zu welterfahren, um traurig zu werden oder der Eifersucht Ausdruck zu geben, die zweifellos sein Herz beschlichen hatte.

 

Kapitel 56

 

56

 

Die Hunde waren nicht mehr in Garre. Eines Morgens war ein Hundezüchter gekommen, hatte sie an die Leine gelegt und mit sich fortgenommen. Das ganze Personal von Garre Castle atmete erleichtert auf. Abel Bellamy, der seinen Sekretär bei seiner Rückkehr begrüßte, erzählte ihm nur kurz, daß sie fortgebracht wären.

 

»Ich habe sie weggeschickt,« erklärte er. »Es waren schlechte Hunde, die sich betäuben ließen. Savini, ich brauche eigentlich eine Frau hier, die nach dem Haushalt sehen könnte. Ich möchte keinen Hausmeister mehr engagieren, aber es muß jemand die Dienstboten bei der Arbeit beaufsichtigen. Würden Sie nicht Ihre Frau nach Garre bringen?«

 

Zuerst wollte Julius ablehnen.

 

»Meine Frau wird wahrscheinlich die Stellung eines Hausmeisters nicht übernehmen wollen, sie wäre ja nicht mehr als ein besserer Dienstbote.«

 

»Fragen Sie nur,« sagte der alte Bellamy kurz.

 

Julius schrieb an Fay und hatte nie geglaubt, daß sie annehmen würde. Zu seiner großen Überraschung beantwortete sie seinen Brief durch einen Besuch und brachte schon ihr ganzes Gepäck mit.

 

»Ich bin das Alleinsein müde,« sagte sie, »und ich möchte doch auch gar zu gerne einmal diesen Geist sehen, Julius. Ich habe alte Schlösser und Burgen gern. Es ist zwar nicht so schön wie in Holloway, aber man hat hier doch größere Freiheit.«

 

sternchenland.com Julius zuckte zusammen. Es gab Augenblicke, in denen er nicht daran erinnert werden wollte, daß seine Frau jemals im Gefängnis gesessen hatte.

 

Er nahm sie mit in die Bibliothek, damit sie Bellamy begrüßen konnte. Der Alte schien nicht einmal überrascht zu sein, daß sie so schnell gekommen war. Er war sehr höflich, sogar liebenswürdig zu ihr und übergab ihr die Schlüssel der Burg. Aber dann warnte er sie auch.

 

»Ich habe einen Wachtmann, der nur in der Nacht Dienst tut. Sie müssen sich keine Gedanken machen, wenn Sie nachts Geräusche hören. Er schläft am Tage, und Sie werden ihn nicht zu sehen bekommen.«

 

Als Fay in ihrem Zimmer war, versuchte sie, noch mehr über diesen nächtlichen Wanderer zu erfahren.

 

»Ich weiß auch nicht, wer es ist,« antwortete Julius. »Der Alte hat mir dasselbe gesagt. Vermutlich ist es irgendein Meuchelmörder, ein Kerl, den er angestellt hat, um den Grünen Bogenschützen unschädlich zu machen.«

 

Am Abend las Julius den Bericht über die Totenschau.

 

»Jetzt weiß ich, wer der geheimnisvolle mitternächtliche Wanderer ist,« sagte er plötzlich. »Es kann kein anderer als Lacy sein.«

 

Fay gab ihm recht.

 

Daß weder sie noch Julius eine Vorladung zur Leichenschau erhalten hatten, war ihr unverständlich. Aber sie fand schließlich eine Erklärung, als sie auf der Kante ihres Bettes saß, eine Zigarette rauchte und sich die Sache durch den Kopf gehen ließ.

 

»Featherstone hat alles unterdrückt, um Bellamys Namen nicht mit dem Fall zu verknüpfen.«

 

»Warum denn?« fragte Julius erstaunt. »Das ist doch das Letzte, was Featherstone tun würde. Er will doch gerade Bellamy fassen!«

 

»Du bist sehr schlau, Julius, aber du könntest als Diplomat sternchenland.com niemals dein Vaterland im Ausland vertreten. Das ist nicht deine starke Seite. Nahmen wir an, Featherstone hätte den alten Teufel vor Gericht gestellt – woher hätte er denn die Beweise gegen ihn nehmen sollen? Und wie hätte er ihn zur Rechenschaft ziehen können, ohne die ganze Sache mit Valerie Howett aufzurollen? Und ich weiß ganz sicher, daß sie und Bellamy in eine große, geheime Geschichte verwickelt sind. Warum hätte sie dir denn sonst soviel Geld gegeben, bloß um ein paar Informationen über ihn zu bekommen?«

 

Sie schlüpfte ins Bett, zog die Knie hoch und grübelte angestrengt nach.

 

»Ich habe mir alles überlegt, Julius. Warum wollte er eigentlich, daß ich hierherkommen sollte?«

 

»Das mag der Himmel wissen. Vielleicht kann er einen gewissen Einfluß auf mich ausüben, wenn du hier bist.«

 

Sie antwortete nicht, und er war schon halb eingeschlafen, als sie wieder zu sprechen begann.

 

»Vielleicht war Holloway doch sicherer,« meinte sie. Julius brummte unzufrieden etwas vor sich hin.

 

Fay verbrachte die erste Nacht in Garre Castle nicht besonders gut. Um drei Uhr wachte sie auf und konnte nicht wieder einschlafen. Einmal ging auch jemand an der Tür vorbei. Es war ein geheimnisvolles Schlürfen, und Fay hörte, wie der nächtliche Wanderer vergeblich versuchte, einen Hustenanfall zu unterdrücken.

 

Schließlich stand sie auf, schlüpfte in ihren Morgenrock, ging ans Fenster, zog den Vorhang beiseite und schaute in die dunkle Nacht hinaus. Es regnete, und sie konnte draußen nichts erkennen. Aber um so lebhafter arbeitete ihre Phantasie. Schaudernd und fröstelnd ging sie wieder zu Bett.

 

Sie war halb eingeschlafen, als sie plötzlich ein schwaches, regelmäßiges Klopfen vernahm. Zuerst glaubte sie, es sei ein Geräusch im Zimmer, aber als sie genauer aufhorchte, merkte sie, daß es von unten kam.

 

sternchenland.com »Tap, tap, tap!« Eine Pause – dann wieder »tap, tap, tap!«

 

Sie stieß Julius an und er erwachte.

 

»Was ist das?« flüsterte sie.

 

Er saß aufrecht im Bett und lauschte.

 

»Ich weiß es nicht, – es klingt so, als ob unten jemand ist.«

 

»Was für ein Raum ist denn unter uns?«

 

Julius dachte eine Weile nach.

 

»Das Speisezimmer – nein, die Wachtstube. Ich habe dir doch den Platz gezeigt, als du ankamst.«

 

Sie schauderte.

 

»Du meinst den Eingang zu den Kerkern?« flüsterte sie ängstlich. »Ach, Julius, ich fürchte mich schrecklich.«

 

Er klopfte ihr auf die Schulter.

 

»Sei nicht verrückt. Vielleicht ist es auch nur eine Wasserröhre. – Bellamy behauptete stets, daß alle außergewöhnlichen Geräusche hier mit der Wasserleitung zu tun haben.«

 

Trotzdem war auch er verwundert.

 

»Es kann unmöglich aus dem Wachtraum kommen, es klingt, als ob man mit einem Hammer auf Eisen schlägt. Es muß ziemlich weit fort sein, sonst würde ich es genauer hören.«

 

»Wo kann es nur sein?« fragte sie besorgt.

 

Einige Sinne waren bei Julius Savini außergewöhnlich scharf entwickelt. Während seiner etwas stürmischen Vergangenheit hatte sich sein scharfes Gehör und die Fähigkeit festzustellen, woher ein Geräusch kam, von unschätzbarem Wert für ihn erwiesen. Er fand auch bald heraus, daß das Klopfen aus den unterirdischen Kerkern kommen mußte.

 

»Wo ist es denn?« fragte Fay noch einmal.

 

»Es können nur die Wasserröhren sein,« erwiderte Julius. »Versuche du nur wieder zu schlafen, ich will einmal sehen, ob ich sie nicht abstellen kann.«

 

sternchenland.com Er zog seinen Rock an, und sie hörte, wie er die Schublade seines Schreibtisches aufzog.

 

»Du brauchst aber doch keinen Revolver, um eine Wasserröhre abzustellen?« fragte sie erschrocken.

 

»Ich bin etwas nervös geworden,« antwortete er ihr sehr ruhig. »Ich will nicht in der Burg umherwandeln ohne –«

 

Sie stand schnell auf.

 

»Ich bleibe nicht allein hier,« sagte sie bestimmt.

 

Julius war ihre Begleitung nicht unangenehm, denn er war ebenso ängstlich wie sie, allein zu sein.

 

Als sie leise auf den Gang hinaustraten, sahen sie, daß eine Lampe brannte. Die Tür zu Bellamys Schlafzimmer stand weit offen.

 

»Er ist noch nicht zu Bett gegangen,« flüsterte Julius. »Sie stand genau so offen, als ich mich legte.«

 

Auch in der unteren Halle brannte Licht. Julius schlich langsam die Treppe hinunter. Die Bibliothekstür war geschlossen, aber nun konnte er das Hämmern deutlicher erkennen. Es kam aus der Richtung des Speisezimmers, und er ging die langen, dunklen Gänge entlang. Fay folgte ihm auf dem Fuße am Speisezimmer vorbei in den Wachtraum. Bevor er dorthin kam, sah er die Lichtstrahlen einer Laterne, die sich auf dem blanken Fußboden spiegelten. Auch von der Treppe, die zu den Kerkern hinunterführte, kam Lichtschein herauf. Julius schlich sich vorwärts und schaute hinunter, konnte aber niemand sehen, aber die Hammerschläge waren laut und deutlich zu hören.

 

Der Revolver in seiner Hand zitterte, als er den Fuß auf die ausgetretenen Steinstufen der Treppe setzte. Aber plötzlich hörte das Klopfen unten auf, und es erklangen Schritte auf dem unebenen Steinfußboden. Savini zog sich fluchtartig zurück, nahm seine Frau am Arm, und sie liefen den langen Gang entlang, die Treppe in die Höhe. Von dem oberen Podest aus hatte er einen guten Überblick über die Eingangshalle. sternchenland.com Sie mußten noch etwas warten, bevor der nächtliche Arbeiter erschien. Es war Abel Bellamy.

 

Er hatte keinen Rock an, sein Hemd war vorne geöffnet und zeigte seine starke Brust, die Ärmel waren bis zur Schulter aufgerollt. Julius sah auf den muskulösen, mächtigen Armen eine graue Staubschicht. Bellamy trug einen schweren Hammer in der einen Hand, eine Laterne in der anderen, und als er in die Halle heraufkam, wischte er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirne. Julius und Fay eilten in ihr Zimmer und schlossen die Tür leise hinter sich zu.

 

»Was hat er nur gemacht?« flüsterte die erschrockene Frau.

 

»Er wird ein Wasserrohr verlegt haben,« meinte Julius beruhigend. Aber er hätte sich nicht träumen lassen, wie nahe sein Ausspruch der Wahrheit kam.

 

Kapitel 57

57

Am nächsten Morgen stand Julius schon sehr früh auf. Er hatte genügend Entschuldigungsgründe, um in den Wachtraum zu gehen, denn seine jetzigen Pflichten brachten ihn in alle Teile der Burg. Als er den Raum aber betrat, erwartete ihn eine Überraschung. Er sah eine schwere Gittertür dort, die aus starken Stahlstangen bestand. Bellamy mußte sie noch in der Nacht angebracht haben, um den Zugang zu den Kerkern zu schließen. Julius konnte sich nicht darauf besinnen, jemals früher diese Tür gesehen zu haben. Er sah auch, daß die Tür mit einem ganz neuen Vorhängeschloß gesichert war. Als er Bellamy später traf, erwähnte er seine Entdeckung. »Eins von Ihren verrückten Dienstmädchen wäre in Ihrer Abwesenheit beinahe die Treppe hinuntergefallen,« erklärte er. »Deshalb habe ich sie jetzt geschlossen, damit nichts mehr passieren kann. Aber warum fragen Sie?« sternchenland.com »Ich hätte meiner Frau gern die Kerker gezeigt,« log Julius. »Das geht jetzt nicht,« war die ablehnende Antwort. Aber als sie sich nach einiger Zeit wieder begegneten, brachte der alte Bellamy von selbst das Gespräch wieder darauf zurück. »Wenn Ihre Frau die Kerker sehen will, so werde ich sie ihr selbst eines Tages zeigen,« meinte er. Julius dankte ihm und berichtete Fay von seiner Unterhaltung. »Ich will die alten, verfluchten Kerker nicht sehen,« rief sie. »Julius, ich gehe von hier fort. Unsere Wohnung in Maida Vale ist sicher kein Palast, aber es ist doch nicht so schauerlich dort.« Julius nahm ihren Entschluß ohne Widerrede hin. Aber Bellamy wurde aufgebracht, als er davon hörte. »Sagen Sie ihr nur, daß sie nicht so ohne weiteres fortgehen kann,« rief er erregt. »Ich brauche sie hier. Auf alle Fälle muß sie eine Woche hier bleiben.« »Es wäre besser, wenn Sie ihr das selbst mitteilen, Mr. Bellamy,« erwiderte der kluge Julius. »Schicken Sie Ihre Frau zu mir.« Fay kam sofort. »Savini sagte mir eben, daß Sie die Burg verlassen wollen?« »Das stimmt – Ihr Garre Castle fällt mir auf die Nerven, Mr. Bellamy.« »Sie fürchten sich wohl vor Geistern?« brummte er. »Nein, vor Ihnen.« Abel Bellamy lachte. Wenn sie sich angestrengt hätte, ihm etwas Angenehmes zu sagen, so hätte sie es nicht besser machen können. »Was, Sie fürchten mich? Was ist denn an mir dran, sternchenland.com wovor Sie sich fürchten könnten? Vor häßlichen Männern haben die Frauen doch keine Furcht – im Gegenteil, die haben die Frauen doch gerne?« »Ich habe noch niemals an Höhlenmenschen Gefallen gefunden. Ich sehne mich nicht nur wegen Ihrer häßlichen Erscheinung nach meiner alten Wohnung. Sie sind gerade kein Adonis, das wissen Sie ja selbst, Mr. Bellamy, aber darum bekümmere ich mich nicht. Das ist die schreckliche alte Burg und vor allem die Geräusche in der Nacht.« »Julius hat mir gesagt, daß es die Wasserrohren sind, und vielleicht hat er auch recht. Aber ich kann bei dem Spektakel nicht schlafen, ich verliere mein hübsches Aussehen und das will ich nicht.« Er beobachtete sie durch halbgeschlossene Augenlider, und als sie zu Ende war, lachte er wieder leise in sich hinein, als ob er eine unbändige Freude meistern müßte. »Machen Sie es so, wie Sie wünschen, aber bleiben Sie noch bis zum Ende der nächsten Woche, dann können Sie gehen.« Sie hatte sich fest vorgenommen, die Burg sofort zu verlassen, aber merkwürdigerweise gab sie Bellamy doch ihre Einwilligung, noch solange zu bleiben. »Warum ich schließlich Ja sagte, kann ich mir eigentlich gar nicht erklären. Wenn ich noch eine Woche hier bleiben soll, bekomme ich graue Haare, Julius.« »Ach, du bist verrückt.« In der nächsten Nacht hörten sie das Klopfen wieder, aber es störte sie nicht weiter im Schlafe. In der dritten Nacht aber wachte Julius plötzlich auf und sah, daß auch Fay erschreckt im Bett saß. »Was war denn das?« fragte er. »Es klang wie eine Explosion.« Während sie noch sprach, kam wieder ein dumpfer Knall, der das ganze Gebäude erzittern ließ. sternchenland.com Savini eilte auf den Gang, die Treppe hinunter. Er war mitten in der Halle, als der Alte nach oben kam. »Was wollen Sie hier?« fragte er. Savini bemerkte irgendeinen sonderbaren Geruch. Sicher Waren es die Rauchgase einer Explosion. »Ist irgend etwas nicht in Ordnung?« »Alles in Ordnung – ich habe nur eine kleine Sprengung vorgenommen, aber deshalb brauchen Sie sich nicht zu fürchten.« »Eine Sprengung – mitten in der Nacht?« »Ist das nicht die beste Zeit dafür? Eine der Kerkerwände sah mir so aus, als ob etwas dahinter verborgen wäre. In all diesen alten Burgen gibt es Schatzräume, und ich hatte schon seit einiger Zeit beschlossen, diese Mauer niederzulegen.« Nun war aber Abel Bellamy nicht der Mann, der um drei Uhr in der Nacht auszog, um Schätze zu heben. »Ihre Frau fürchtet sich wohl wieder? Ich dachte, ich wäre der einzige, vor dem sie sich fürchtet. Gehen Sie wieder zu Bett, Savini.« Julius blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. »Der Alte hat Löcher in die Mauern gesprengt,« erzählte er Fay. »Wenn das Loch, das er gesprengt hat, groß genug ist, daß ich hinauskommen kann, dann krieche ich sofort hinaus,« erwiderte Fay ganz bestimmt. »Und du kommst mit, Julius. Es ist ganz gleich, ob du hier viel Geld verdienst oder nicht. Warum wollte er dich denn wieder hier zurückhaben? – warum hat er mich hierhergerufen? Weil wir beide etwas wissen und ausplaudern könnten. Ich wußte, daß er hinter der Sache mit Smith steckte – hat er dich denn nicht zu mir gesandt, um mir Anweisungen zu geben? Smith hat mir das auch gesagt. Wegen seiner eigenen Sicherheit durfte er weder dich noch mich in der Stadt lassen. Wir sind blind gewesen! Er kann es doch durchaus nicht leiden, wenn Frauen sternchenland.com in seiner Nähe sind, und trotzdem hat er nach mir geschickt. Wenn ich nur soviel Verstand gehabt hätte wie eine Mücke, dann hätte ich das vorher durchschauen sollen. Aber sobald es hell wird, gehen wir.« Julius war es unheimlich zumute. Er ahnte, daß sie recht hatte und stimmte ihr zu. »Natürlich habe ich recht,« sagte sie zornig. »Julius, du bist ein verlorener Mann, wenn du länger hier bleibst. Der alte Fuchs führt irgend etwas Böses gegen uns im Schilde. Ich bin nicht beunruhigt wegen der Sprengungen, ich vermute, er hat nicht genug Dynamit, um ganz Garre Castle in die Luft zu sprengen. Aber hinter all diesem Klopfen und den Geräuschen steckt irgendein geheimer Plan.« Bellamy war in der Bibliothek, als die beiden zu ihm kamen. Er las gerade in einem Exemplar des »Daily Globe« den Bericht über die Leichenschau. »Wollen Sie ausgehen?« fragte er, als er ihre Kleidung sah. »Nein, wir gehen nach Haus,« antwortete Fay. Bellamy legte die Zeitung nieder. »Ich dachte, Sie wollten die Woche noch aushalten. Und Sie wollen auch fort, Savini?« Julius nickte. »Ach was, Sie sind wohl nicht ganz bei Verstand! Aber ich will keinen Streit mit Ihnen anfangen. Hier ist Ihr Lohn. Eigentlich haben Sie auf gar nichts Anspruch, wenn Sie mich so verlassen. Schreiben Sie mir eine Quittung über das Geld aus.« Julius gehorchte und setzte sich das letztemal an Abel Bellamys Schreibtisch. »Savini, erinnern Sie sich an die Ledermappe? Fragen Sie mich nicht, welche ich meine. Besinnen Sie sich darauf, wie Sie hier herumspioniert haben, wenn ich nicht da war? Wie Sie alle Schubladen im Schreibtisch geöffnet haben? sternchenland.com Wissen Sie noch, wieviel geheime Nachrichten Sie Valerie Howett gegeben haben? Und ich habe Ihnen nur Gutes für all dieses Böse getan.« Julius war auf der Hut. Er schaute ganz erstaunt auf, als der Alte plötzlich mit einem harten Ruck den Schreibtisch zurückstieß und den Teppich aufhob. »Ich bin ein verlorener Mann,« sagte Bellamy ruhig. »Dieser verdammte Spürhund, der Featherstone, hat alles über die Frau herausbekommen, die ich drunten gefangen halte. Und vermutlich wissen Sie es auch, sonst würden Sie nicht fortlaufen wollen.« Er bückte sich, nahm ein Stück des Parkettfußbodens heraus, steckte den Schlüssel ein und öffnete. Savini beobachtete aufgeregt alle seine Bewegungen. Verwundert sah er, wie der Stein sich um die Stahlachse drehte. Ohne ein Wort zu verlieren, stieg Bellamy die Treppe hinunter. »Kommen Sie und sehen Sie es sich an,« sagte er. Julius folgte ihm, und widerstrebend ging auch Fay hinter ihm her. Der Alte zündete unten einen Gasarm an und schloß die Türe auf. Die Lampen brannten unten, wie er sie verlassen hatte. »Kommen Sie ruhig herein,« sagte Bellamy, der am Eingang des Tunnels stand. »Ich bleibe hier,« erwiderte Julius. Er fühlte zitternd Fays Hand, die ihn am Arm zurückzog. Bellamy drehte sich gleichgültig um. »Nun ja, bleiben Sie dort, die Frau ist hier, wenn Sie sie sehen wollen –« Blitzschnell drehte sich Bellamy um. Er packte Julius mit der einen, Fay mit der anderen Hand, und bevor Julius zu sich kam, hatte Bellamy ihn und seine Frau durch den Tunnel hindurchgestoßen. Die Tür fiel krachend ins Schloß, und sie hörten, wie er die Riegel vorschob. sternchenland.com Dann schaute der Alte durch das kleine Gitter in der Tür. »Nach Hause gehen, was? Nun bei Gott, jetzt sind Sie zu Hause! Das ist Ihre letzte Heimat, Sie verdammter Nigger und Spürhund! Du Schmutzweib! Ihr meint wohl, ich hätte euch frei herumlaufen lassen, damit ihr überall Geschichten erzählt? Nun seid ihr hier, und da werdet ihr so lange bleiben, bis ihr krepiert!« Bellamys Stimme war heiser, er war fast wahnsinnig vor Aufregung. »Auf Sie habe ich gewartet, Savini! Und dieses Frauenzimmer –« begann er von neuem. Aber plötzlich sprang er beiseite, und zwar gerade noch zu rechter Zeit, denn es fiel ein Schuß, und ein Geschoß prallte hinter ihm an der Wand ab. Ein zweites Geschoß traf eine Eisenstange des Gitters in der Türe. Er hatte nicht geglaubt, daß Julius Waffen bei sich tragen könnte. Unversehens schloß er die Falltür, die das Gitter bedeckte, und befestigte es mit Riegeln. Dann stieg er die Treppe wieder hinauf. Oben schrieb er einen langen Brief und brachte ihn selbst zu dem Pförtnerhaus. »Sie fahren doch Rad?« fragte er den Pförtner. »Nehmen Sie diesen Brief und bringen Sie ihn nach Lady’s Manor.« Der Mann entfernte sich sofort und Bellamy sah ihm nach. Nach zehn Minuten kam der Bote zurück und gleich darauf erblickte Bellamy eine bekannte Gestalt. »Gehen Sie schnell und sagen Sie dem Herrn dort, daß ich ihn gern sehen möchte.« Kurze Zeit später kam der interessierte Spike mit dem Pförtner zum Tor. »Guten Morgen, Holland, Ihr Freund hat mich verlassen.« »Meinen Sie etwa Savini?« Bellamy nickte. sternchenland.com »Er ist eben mit seiner Frau gegangen. Ich überraschte sie dabei, wie sie über Nacht meinen Geldschrank aufbrechen wollten. Im Augenblick habe ich sie hinausgeworfen. Ich dachte, Sie können diese Nachricht vielleicht für Ihre Zeitung brauchen.« »Das ist ja eine große Neuigkeit,« sagte Spike ohne sichtliche Begeisterung. »Welchen Weg sind Sie denn gegangen? Am ›Blauen Bären‹ sind sie jedenfalls nicht vorbeigekommen.« »Nein, sie gingen in der Richtung nach Newbury. Wenigstens sagte Savini so. Er drohte auch, daß er dort zu einem Rechtsanwalt gehen würde. Ich habe jetzt genug von dieser Burg, Holland. Man kann diesen Engländern überhaupt nicht trauen – dieser Kerl, der Savini, ist doch auch ein halber Engländer.« »Was wollen Sie denn dann anfangen?« »Ach, ich werfe die ganze Dienerschaft hinaus – zahle die Gehälter bis zum nächsten Ersten und schließe die Bude. Ich behalte nur den Pförtner und einen Verwalter. Vielleicht kann ich Ihnen eines Tages, wenn Sie zu mir kommen, eine gute Geschichte erzählen.« Spike zwinkerte mit den Augen. »Und was wird aus dem Grünen Bogenschützen?« fragte er. »Das ist ja doch gerade mein neuer Verwalter,« antwortete Bellamy prompt. »Vielleicht kann ich Ihnen nächstens etwas mehr über ihn berichten, Holland. Er hat alle Leute an der Nase herumgeführt, nur mich nicht. Haben Sie sein Gesicht noch nie gesehen?« »Nein,« sagte Spike ruhig. »Ich möchte es auch nicht sehen. Was ich sehen möchte, ist sein Rücken.« Bellamy zog die Stirne kraus. »Was soll das heißen – Sie wollen seinen Rücken sehen?« sternchenland.com »Ich möchte die Narbe sehen, die Creager ihm schlug, als er ihn auspeitschte.« Er hatte nicht erwartet, daß seine Worte einen so großen Eindruck auf Bellamy machen würden. Der Alte taumelte, als ob er von einem Geschoß getroffen worden wäre, seine große Hand hob sich, und er stützte sich an dem Steinpfeiler des Tores, um sich aufrechtzuhalten. Sein Gesicht war vollkommen totenblaß, und sein Blick war leer. »Sie wollen seinen Rücken sehen … den Creager ausgepeitscht hat! …« flüsterte er. Dann wandte er sich um und eilte zu dem Eingang der Burg, als ob ihn ein leibhaftiges Gespenst verfolgte. Er eilte geradenwegs in die Bibliothek, warf die Tür donnernd hinter sich zu, taumelte zu seinem Sessel und fiel atemlos hinein. Der Mann, den Creager ausgepeitscht hatte! Ein Geist war in Garre aufgetaucht, schrecklicher als der Grüne Bogenschütze! Er saß zwei Stunden lang und schaute bewegungslos aus dem Fenster. Ein entsetzliches Gefühl des Schreckens hatte sich seiner bemächtigt – es war die Furcht vor dem Tode.

Kapitel 51

 

51

 

Das Entsetzen, das ihm diese Entdeckung einjagte, machte ihn plötzlich nüchtern. Er kam aus dem dunklen Raum heraus und rief einen Matrosen an.

 

»Wer hat die Tür aufgemacht?« fragte er.

 

»Ich habe ihm noch vor zwei Stunden Essen gebracht,« antwortete der Mann.

 

»Haben Sie denn die Tür nicht hinter sich geschlossen?«

 

»Ja – er wollte Wasser haben und ich ging, um ihm eine Kanne zu holen – ein paar Augenblicke war die Tür offen.«

 

Coldharbour Smith steckte ein Streichholz an und suchte Savinis Gefängnis noch einmal genau ab. Wie er erwartet hatte, lagen die Handschellen und der Strick, mit dem Julius gefesselt war, auf dem Boden. Smith ging schnell über das Bootsdeck zum Kapitän, den er im Kartenzimmer fand.

 

»Emil, wie lange dauert es noch, bis du abfahren kannst?«

 

»In zwei Stunden,« sagte der kleine Spanier. »Aber mein lieber Freund, sieh doch bloß mal diesen teuflischen Nebel an!«

 

Dichter Dunst lag über der Themse, und die Lichter, die man sehen konnte, erschienen nur als trübe Punkte.

 

»Das ist alles ganz egal. Kannst du nicht gleich losmachen?«

 

»Ausgeschlossen!« Der Spanier wurde aufgeregt. »Außerdem haben wir noch nicht genügend Dampf. Vielleicht in einer Stunde. Aber wenn der Nebel dichter wird, was soll ich dann machen?«

 

»Durchfahren!« brüllte Coldharbour. »Du kennst doch den Fluß – also schnell auf hohe See!«

 

Er ging zu dem Salon zurück, sah die verschlossene Tür von Valeries Schlafkabine, setzte sich in einen Sessel nieder und überdachte seine Lage. Wenn Julius zur Küste entkommen war …

 

sternchenland.com Coldharbour Smith nahm seinen Revolver aus der Tasche und legte ihn vor sich auf den Tisch.

 

Von Valerie war nichts zu hören – es tat ihm jetzt leid, daß er sie so eingeschüchtert hatte. Aber seine Gedanken beschäftigten sich hauptsächlich mit Julius. Wo mochte er sein? Wenn er an Land war, kam die Sache zum Klappen.

 

Aber vielleicht war er noch an Bord, es gab ja hier viele Plätze, an denen sich ein Mann wie er verstecken konnte.

 

Mit diesem Gedanken ging er wieder an Deck und schaute in den dicker werdenden Nebel. Er sah ein Boot langsam auf das Schiff zukommen. Es saß nur ein Wann darin, das bedeutete also keine Gefahr. Möglicherweise war es einer der Matrosen, der von Land zurückkam. Als er den einsamen Ruderer weiter beobachtete, fand er, daß er unter dem Bug des Dampfers durchfuhr und wieder im Nebel verschwand.

 

Smith ging wieder zum Salon zurück und setzte sich an das Ende des Tisches, von wo aus er die offene Tür überschauen konnte.

 

Er fühlte instinktiv, daß sich etwas ereignen würde. Wenn er jetzt wirklich in Gefahr kommen sollte, würde er mit dem Mädchen da drin kein Mitleid mehr haben. Wenn man ihn vor Gericht stellte, dann sollten die Leute auch Grund dazu haben.

 

Er strengte seine Ohren an, ob er irgendwie vom Strom her ein Ruder- oder Motorboot oder eine Stimme hörte, die die ›Contessa‹ anrief. Beim ersten Anzeichen dafür, daß Featherstone an Deck kommen würde, wollte er sofort die Türe versperren und verriegeln …

 

Er saß nachdenklich da, während die Minuten verrannen. Er hörte, wie der Kapitän Befehl gab, den Anker zu lichten. Plötzlich vernahm er ein leises Geräusch, als ob sich jemand ohne Schuhe über das Deck bewegte. Er schaute auf und starrte einen Augenblick lang entsetzt auf die Erscheinung. Dann fuhr er mit der Hand nach dem Revolver …

 

sternchenland.com Das Motorboot, das seinen Weg durch den Nebel bahnte, fuhr geradenwegs auf die »Contessa« zu.

 

Jim ahnte, was an Bord vorging und hatte Instruktion gegeben, den Motor sofort abzustellen, wenn man das Schiff sehen konnte.

 

Lautlos glitt das Boot an die Seite des Dampfers. Jim war in wenigen Sekunden an Bord, die Leute von der Flußpolizei folgten ihm. Die Decks waren leer, die Tür zu dem Salon war geschlossen.

 

»Gehen Sie und vergewissern Sie sich des Kapitäns,« flüsterte Jim. Ein Beamter stieg die Eisenleiter zum Bootsdeck empor.

 

Jim ging vorsichtig zur Tür des Salons und drückte leise die Klinke herunter. Zu seiner Freude öffnete sich die Tür. Er trat ein. Der Salon war nicht erleuchtet, und es war kein Laut zu hören. Schnell zog er seine Taschenlampe heraus und leuchtete die Wände des Raumes ab. Plötzlich entdeckte er die Türe zur Schlafkabine Valeries und schloß sie rasch auf. Es brannte ein Licht in der Kabine, Valeries Pelz lag auf dem Bett. Aber sie selbst war weder hier noch in dem anstoßenden Raum.

 

Er kehrte zum Salon zurück und ließ das Licht über den Tisch gehen. Aber plötzlich sprang er zurück und hob seinen Revolver. Er hatte die Gestalt eines Mannes auf einem Stuhl am Tischende sitzen sehen.

 

»Hände hoch!« rief er und beleuchtete die Gestalt mit seiner Lampe.

 

In dem grellen Licht erkannte er Coldharbour Smith. Er lag zurückgelehnt im Sessel, eine Hand lag auf der Tischplatte, als wollte sie nach der Pistole greifen. Seine gebrochenen Augen starrten nach dem offenen Deckenfenster.

 

Er war tot, und aus seiner Brust ragte ein grüner Pfeil. sternchenland.com

 

Kapitel 52

 

52

 

Jim rief den Inspektor der Flußpolizei herein. Sie steckten die Lampe im Salon an, bevor sie sich an eine weitere Untersuchung machten.

 

Coldharbour Smith mußte sofort tot gewesen sein. Der Pfeil war durchs Herz gegangen, und zwar mit solcher Gewalt, daß er auch noch das Holz der Rückenlehne durchbohrt hatte.

 

»Er muß irgend etwas gesehen haben, so daß er nach dem Revolver griff,« sagte Jim. »Wie lange mag er schon tot sein?«

 

Smiths Hände waren noch warm.

 

»Er muß getötet worden sein, während wir uns dem Schiff näherten.«

 

Jim eilte, um den Kapitän zu suchen. Er fand ihn in Tränen, und als er ihm die Tragödie erzählte, brach der Mann in einen Weinkrampf aus.

 

»Ich wußte, daß eine Dame an Bord war,« schluchzte er. »Aber bei –« und dann nannte er mit unglaublicher Schnelligkeit eine Anzahl von Heiligen – »wußte ich nicht, daß etwas nicht in Ordnung war. Ich bin ein vernünftiger und ruhiger Mann, mein Herr. Wenn ich geahnt hätte, daß die Dame nicht die Frau von Senor Smith war …«

 

»Wo ist sie jetzt?« fragte Jim scharf. »Ich warne Sie – wenn Sie mich hinters Licht führen wollen, werden Sie Vigo sobald nicht wiedersehen!«

 

In diesem Augenblick legte ein großes Polizeiboot am Schiff an, und gleich darauf waren die Decks mit uniformierten Leuten gefüllt. Der Dampfer wurde vom Kiel bis zum Mastkorb durchsucht, aber Valerie war nicht zu finden.

 

»Das Deckenfenster im Salon stand weit auf,« berichtete einer der Polizisten. »Das ist sehr merkwürdig in einer solchen Nacht wie heute.«

 

sternchenland.com Jim hatte dies auch bemerkt. Bei der Besichtigung des Bootsdecks fand er eine lange Strickleiter, die scheinbar von einer unkundigen Hand an einer eisernen Stütze befestigt worden war. Obendrein entdeckte der Kapitän auch noch, daß ein Boot fehlte. Es war halb heruntergelassen gewesen, damit Leute darin stehen konnten, um die Schiffswand zu teeren. Jetzt sah man aber, daß die Haltetaue leer in der Luft hingen.

 

Valerie konnte das Boot nicht allein hinuntergelassen haben, das war Jim klar.

 

Wo mochte Julius Savini geblieben sein? Der Kapitän gab ihm die Erklärung.

 

»Der arme Smith hat ihn in dem kleinen Raum eingeschlossen, wo die Ankerketten verwahrt werden, er ist aber entkommen und an Land geschwommen.«

 

Der Mann, der Julius das Essen brachte, hatte ihn im Wasser schwimmen sehen. Er berichtete auch, daß er mit einem schweren Eisenbolzen nach ihm geworfen habe. Smith hätte er nicht sagen dürfen, daß der Gefangene so entkommen war.

 

Jim ging zum Salon zurück und ließ noch einige Lampen in den Raum bringen, um eine genaue Untersuchung durchzuführen.

 

»Das ist ein typischer Mord des Grünen Bogenschützen,« sagte er, als er zu Ende war. »Der Pfeil ist an genau derselben Stelle eingedrungen wie bei Craeger. Nicht einmal einen Fingerabdruck haben wir entdeckt, um den Mörder identifizieren zu können. Henker wäre vielleicht die richtigere Bezeichnung für diesen Mann.«

 

»Aber wie ist er wieder an Land gekommen?« fragte der Inspektor verwundert. »Wenn er den Fluß nicht ganz genau kennt, kann er sich in einer so nebligen Nacht nicht zurechtfinden.«

 

Jims Mut sank, als er sich klar machte, daß dasselbe für sternchenland.com Valerie galt – es sei denn, daß sie mit dem Grünen Bogenschützen gegangen war.

 

Wenn erst das Ufer zu sehen war, konnte man sehr leicht landen, denn in dieser Gegend hatte jede kleine Straße, die von den langen Werften herunterkam, am Ende einen Landungsplatz.

 

Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Grüne Bogenschütze im Augenblick noch auf dem Fluß, er ruderte wohl durch den Nebel und suchte sich vergeblich zu retten.

 

Jim ließ eine Polizeimannschaft zur Bewachung des Schiffs zurück, bestieg dann wieder das Motorboot und begann eine systematische Absuchung des Flusses. Nur einmal sahen sie undeutlich durch den Nebel ein Schiff, das langsam den Strom herunterkam und ihnen einen Warnungsruf mit der Sirene gab, als sie fast schon mit ihm zusammengestoßen waren.

 

»Das ist die ›Gaika‹ – ein Fischdampfer,« sagte der Inspektor. »Wir hätten sie schon vorher am Geruch erkennen müssen.«

 

Von Zeit zu Zeit ließ Jim den Motor abstellen und sie lauschten, ob sie nicht das Geräusch von Rudern hören könnten. Aber erst als sie in die Nähe des Nordufers kamen, waren ihre Anstrengungen von Erfolg gekrönt.

 

»Hier ist ein Boot in der Nähe – hören Sie!« flüsterte der Inspektor und beugte seinen Kopf weit vor. Jim hörte auch unregelmäßige Ruderschläge.

 

»Der versteht sich nicht aufs Rudern, das ist kein Seemann,« sagte der Inspektor. »Mit einem Ruder kommt er immer eher ins Wasser!«

 

Jetzt konnten sie die Richtung feststellen, aus der das Geräusch kam. Das Motorboot fuhr langsam auf die Stelle zu. Als die Umrißlinien eines großen Warenspeichers durch den Nebel sichtbar wurden, sah Jim auch das Boot. Ein sternchenland.com Mann saß darin und ruderte. Er steuerte auf eine der Landungsbrücken zu, die an den Enden der Straßen lagen.

 

Das Motorboot nahm die Verfolgung mit größter Geschwindigkeit auf, und sie kamen gerade an, als der Mann ausstieg.

 

»Halt!« rief Jim und sprang mit einem Satz auf den engen Landungssteg.

 

Der Mann drehte sich um und starrte ihn an.

 

»Sind Sie nicht Captain Featherstone?« fragte er. Jim war höchst erstaunt, denn er erkannte die Stimme von Mr. Howett.

 

»Aber … Mr. Howett, was machen Sie denn hier?«

 

»Ich hörte, daß Sie an Bord der ›Contessa‹ gehen wollten und folgte Ihnen,« sagte Howett ruhig. »Ich fand dieses Boot oder richtiger, ich sah einen Mann rudern, als ich mich nach einem Boot umsah und fragte, ob ich es nehmen könnte.«

 

Das klang sehr merkwürdig, und Jim hätte es sofort als eine Ausrede angesehen, wenn ihm ein anderer das erzählt hätte.

 

»Haben Sie Valerie gefunden?« fragte Mr. Howett.

 

»Nein, sie war nicht an Bord. Smith ist tot.«

 

»Tot? Und Valerie ist nicht an Bord? Wie starb Smith?«

 

»Er wurde vom Grünen Bogenschützen getötet.«

 

Mr. Howett antwortete nicht.

 

»Valerie ist entweder entkommen, oder man hat sie von dem Schiff entführt,« fuhr Jim fort. »Ich gehe nach Scotland Yard zurück – wollen Sie mich begleiten, Mr. Howett?«

 

Der andere nickte.

 

»Tot?« murmelte er. »Vollständig tot?«

 

»Ja, der ist für immer tot.«

 

Eine Stunde später erreichten sie Scotland Yard, denn sie kamen nur langsam vorwärts, da in der Stadt dichter Nebel sternchenland.com herrschte. Im Bureau waren keine neuen Nachrichten eingetroffen. Jim hatte die Aufklärung des Mordes der Flußpolizei überlassen. Aber trotzdem er sehr müde war, machte er doch einen kurzen Bericht, nachdem er Mr. Howett in sein Hotel gebracht hatte.

 

Alle Stationen suchten nach Valerie, und während er schrieb, wurde er mindestens ein dutzendmal durch die Meldungen unterbrochen, die ihm telephonisch durchgegeben wurden.

 

Als er fertig war und das Bureau gerade verlassen wollte, wurde ihm Fay Clayton gemeldet.

 

Sie trat ein, verhärmt und mit geröteten Augen.

 

»Haben Sie Julius gefunden?« fragte sie.

 

Jim schüttelte den Kopf.

 

»Ich hoffe, daß er in Sicherheit ist. Smith hatte ihn an Bord der ›Contessa‹ gefangengesetzt. Das ist ein kleiner Dampfer, der auf dem Fluß verankert lag. Aber allem Anschein nach ist es ihm gelungen, davonzukommen. Sagen Sie mir, Fay, ist Savini ein guter Schwimmer?«

 

Fay lächelte trotz ihres Kummers.

 

»Mein Julius kann schwimmen wie ein Fisch,« sagte sie stolz. »Er ist der beste Schwimmer, den Sie jemals sahen, Featherstone. Wenn er mitten im Atlantischen Ozean Schiffbruch litte, würde er an Land schwimmen – aber warum fragen Sie mich das?«

 

»Weil er über Bord gesprungen ist. Es war etwas neblig, aber wenn er schwimmen kann, ist er ja in Sicherheit.«

 

Sie wurde wieder unsicher.

 

»Er wird ertrinken! Warum bemühen Sie sich nicht um ihn, Featherstone? Sie lassen ihn allein im Wasser und niemand sucht nach ihm – das ist Mord!«

 

Jim klopfte ihr auf die Schulter.

 

»Julius ist in Sicherheit,« erwiderte er freundlich. »Ich wünschte, ich könnte dasselbe von Miß Howett sagen.«

 

Er hatte schon auf der Zunge, daß es Julius nicht bestimmt sternchenland.com war, zu ertrinken, aber er verschwieg es taktvollerweise. Er erzählte ihr aber von Coldharbour Smiths Tod.

 

»Das hat er verdient,« sagte sie schnell. »Der Mann war zu schlecht, um leben zu können, Featherstone. Er war ein abscheulicher Kerl. Aber Sie glauben doch nicht etwa, daß Julius ihn umgebracht hat?« fragte sie plötzlich. »Julius würde Bogen und Pfeil überhaupt nicht erkennen, wenn er sie sehen würde.«

 

Jim beruhigte sie darüber, daß auf Julius nicht der leiseste Verdacht fallen könnte. Dann schickte er sie nach Hause.

 

Die Autobusse und Untergrundbahnen gingen zu dieser Nachtstunde nicht mehr, und sie konnte auch keinen freien Wagen entdecken. So ging sie zu Fuß, obwohl es ihr Mühe machte, den Weg zu finden. Es war weit nach zwei Uhr, als sie müde und mit wunden Füßen den Hausblock erreichte, in dem ihre Wohnung lag. Vor der Tür hielt ein Auto, und sie erinnerte sich, daß dieser Wagen ein paar Minuten vorher an ihr vorbeigefahren war.

 

Im Schatten des Hauseingangs stand ein Mann. Sie erkannte sofort Abel Bellamy.

 

»Ich möchte ins Haus,« brummte er. »Einer meiner Freunde wohnt hier. Ich wußte nicht, daß die äußere Haustür nachts geschlossen wird.«

 

»Sie können nicht hereinkommen, Mr. Bellamy,« sagte sie böse. »Nachdem Sie meinen Mann so behandelt haben, wundere ich mich wirklich, daß Sie noch die Kühnheit haben hierherzukommen, obendrein zu einer solchen Stunde!«

 

Er schaute sie wild an.

 

»Ach so, Sie sind die Frau … Mrs. Savini? Ich bin hierher gekommen, um Ihrem Mann etwas mitzuteilen.«

 

»Das können Sie mir auch sagen. Und sagen Sie es schnell, denn ich bin sehr müde.«

 

»Ich habe entdeckt, daß dreitausend Dollars aus meinem sternchenland.com Geldschrank gestohlen sind, und ich werde ihn verhaften lassen! Das ist alles, was ich zu sagen habe, Mrs. Savini.«

 

Sie packte ihn am Arm, als er sich umwandte, um zu gehen.

 

»Warten Siel Das ist eine Falle, aber Sie sind ja viel zu gerissen, um ihm einen Ausweg gelassen zu haben. Kommen Sie herein und erzählen Sie mir alles.«

 

Er folgte ihr die Treppe hinauf in die Wohnung.

 

»Kommen Sie hier herein.« Sie drehte das Licht im Wohnzimmer an.

 

»Mein Gott, sehen Sie hübsch aus,« sagte sie, als sie sein häßliches Gesicht in der Nähe betrachtete.

 

»Ich soll wohl auch noch schön sein,« sagte er unwirsch und setzte sich auf einen Stuhl.

 

»Nun, was ist das für eine Geschichte mit dem Diebstahl, Mr. Bellamy? Ich bin davon überzeugt, daß Julius es nicht getan hat, denn er ist nicht von der Sorte.«

 

»Was, der wäre nicht so?« fragte er ärgerlich. »Das wissen Sie doch ganz genau. Aber immerhin, ich werde ihn nicht zur Anzeige bringen – und ich habe auch kein Geld eingebüßt. Aber ich möchte einmal mit Ihnen sprechen – junge Frau.«

 

»Na, das ist aber doch ein starkes Stück,« fuhr sie ihn an. »Sie lügen mich an, um ins Haus zu kommen – jetzt können Sie aber machen, daß Sie verschwinden, sonst werde ich sofort der Polizei telephonieren.«

 

Einen Augenblick trafen sie seine kalten Blicke, und unter diesem unheimlichen Einfluß verflog ihr Mut.

 

»Das werden Sie nicht tun! Ich muß Julius sprechen.«

 

»Er ist nicht hier.«

 

Der alte Mann sah sich um.

 

»Schauen Sie doch einmal in der Wohnung nach.«

 

Sie zögerte.

 

»Sehen Sie doch nach,« sagte er noch einmal, und sie sternchenland.com ging aus dem Zimmer. Sie wußte nicht, warum sie die Tür zu dem früheren Zimmer Jerrys öffnete, vielleicht weil sie am nächsten lag. Sie machte Licht an und blieb erstaunt stehen. Julius lag auf dem Bett, schmutzig, ohne Kragen, unrasiert, aber er schlief fest.

 

Zuerst wollte sie ihren Augen nicht trauen, aber dann sprang sie mit einem Schrei auf ihn zu, nahm ihn in ihre Arme, weinte vor Freude und drückte ihr Gesicht an seinen schmutzigen Anzug. Julius erwachte langsam und blinzelte in dem Licht.

 

»Fay, du bist hoffentlich nicht böse … ich sagte ihr, sie sollte in dein Zimmer gehen.«

 

Fay eilte in ihr eigenes Schlafzimmer und sah, daß eine Frau in ihrem Bett lag. Sie erkannte sie sofort.

 

Valerie bewegte sich im Schlaf und seufzte, und Fay Clayton, so böse und niederträchtig sie auch manchmal sein konnte, beugte sich über sie und küßte sie auf die Wange.

 

Kapitel 53

 

53

 

Als sie zu Julius zurückkehrte, saß er auf der Bettkante und stützte den Kopf in die Hände.

 

»Was ist los, Fay?« fragte er schnell.

 

»Bellamy ist hier in der Wohnung.«

 

Er schaute sie an und versuchte, seine Gedanken zu konzentrieren.

 

»Bellamy – Abel Bellamy ist hier? Was will er denn?«

 

»Er möchte dich sprechen. Wie lange bist du denn schon hier, Julius?«

 

»Ich weiß es wirklich nicht, sicher ist es schon einige Zeit her.«

 

Er hatte die Schuhe ausgezogen, bevor er sich niedergelegt hatte und schaute sich nun hilflos nach ihnen um. Er war noch halb im Schlaf. Sie reichte ihm seine Pantoffeln.

 

sternchenland.com »Du brauchst ihn nicht zu sprechen, wenn du nicht willst, Julius.«

 

»Doch, ich werde zu ihm gehen,« sagte er und lächelte merkwürdig. »Geht es Miß Howett gut?«

 

Fay nickte, und unter vielem Gähnen stand Julius auf und folgte ihr in das Wohnzimmer. Es war eine gewisse Genugtuung für ihn, dem Mann, den er bis jetzt so gefürchtet hatte, gegenüberzutreten.

 

»Nun, was können Sie zu Ihrer Entschuldigung sagen?« fragte Bellamy.

 

»Sprechen Sie nicht in diesem Ton zu mir,« sagte Julius und machte eine Handbewegung, als ob er Abel Bellamys Anblick verscheuchen wollte.

 

»Wo ist das Mädchen?«

 

»Welches Mädchen?« fragte Julius unschuldig.

 

»Sie sind ihr doch auf die ›Contessa‹ gefolgt!«

 

»Ach, die ist nach Hause gefahren,« sagte Julius leichthin.

 

»Das Lügen ist Ihnen vermutlich schon zur zweiten Natur geworden! Ich weiß, daß sie hier ist in dieser Wohnung. Man hat Sie beobachtet, wie Sie sie hergebracht haben.«

 

»Warum zum Teufel fragen Sie denn noch, wenn Sie es so genau wissen?« sagte Julius gereizt. »Ja, sie ist hier.«

 

Der Alte biß sich auf die Lippen.

 

»Wie sind Sie denn von dem Schiff weggekommen?«

 

»Das geht Sie gar nichts an,« erwiderte Julius kühl.

 

Bellamy schluckte seinen Ärger hinunter.

 

»Hat Smith Sie denn nicht gesehen?«

 

»Smith ist tot.« Fay warf diese Äußerung dazwischen. Julius starrte sie an.

 

»Tot?« fragte er ungläubig.

 

Sie nickte.

 

»Woher wissen Sie das?« fragte Bellamy.

 

»Featherstone sagte es mir vor etwa einer Stunde.«

 

»Aber wie starb er denn? Ist er ermordet worden?«

 

sternchenland.com »Der Grüne Bogenschütze hat ihn erschossen!«

 

Abel Bellamy sprang mit einem Fluch auf.

 

»Sie sind verrückt,« rief er. »Der Grüne Bogenschütze? – Hat ihn denn jemand gesehen?«

 

»Wozu fragen Sie mich denn soviel? Nun hören Sie mal zu, Mr. Bellamy, das ist hier kein Auskunftsbureau. Ich sage Ihnen nur, wag ich erfahren habe. Coldharbour Smith wurde in dem Salon des Schiffes tot aufgefunden. Ein grüner Pfeil hatte ihn mitten ins Herz getroffen. Das ist alles, was ich darüber weiß.«

 

Bellamy war durch die Nachricht ganz verstört.

 

»Um so besser,« sagte er schließlich. »Savini, wir verstehen uns doch beide, ich will keine langen Redensarten machen. Ich biete Ihnen zehntausend Pfund, das sind fünfzigtausend Dollars, und ich biete Ihrer Frau dieselbe Summe, wenn Sie mir einen Dienst erweisen wollen, Sie wissen doch, was das zu bedeuten hat – hunderttausend Dollars geben im Jahr sechs- bis siebentausend Dollars Zinsen. Damit können Sie in aller Ruhe und in allem Luxus in einem anderen Lande leben.«

 

»Umsonst bieten Sie mir das doch nicht an,« sagte Fay fest. »Was sollen wir dafür tun?«

 

Abel Bellamy wies auf die Tür.

 

»Bringen Sie das Mädchen noch heute nacht nach Garre Castle. Wir werden alle zusammen dorthinfahren, mein Wagen wartet vor der Tür.«

 

Julius schüttelte den Kopf.

 

»Es gibt sehr vieles, was ich für Geld tue, Mr. Bellamy, aber das gehört nicht dazu. Sie können gar keine Summe nennen, die groß genug wäre, das zu tun.«

 

Fay nickte zustimmend, um die Worte ihres Mannes zu bekräftigen.

 

»Niemand wird etwas davon erfahren,« sagte Bellamy und dämpfte seine Stimme zu einem heiseren Flüstern. »Sie sternchenland.com ist vom Schiff verschwunden, niemand weiß, daß Sie mit ihr zusammen waren. Das Geld können Sie sich doch leicht verdienen, Savini. Ich will mein Angebot auf fünfzehntausend für jeden erhöhen –«

 

»Und wenn Sie es auf fünfzehn Millionen erhöhten, würde es auch nichts ausmachen,« erwiderte Fay. »Und ich würde es Julius sehr verdenken, wenn er es täte. Wir haben jahrelang von Betrügereien gelebt, aber wir haben höchstens Männer hereingelegt, die weiter nichts verloren als ihr Geld.«

 

Abel Bellamy schaute auf die Tischdecke und stand eine Weile nachdenklich da. Dann schlug er den Kragen seines Mantels hoch.

 

»Nun gut, dann wollen wir die Sache fallen lassen, Julius. Sie können am Montag morgen nach Garre Castle zurückkommen. Ich will sehen, daß ich Ihnen eine bessere Stellung und mehr Gehalt geben kann.«

 

»Ich komme nicht mehr zu Ihnen zurück.«

 

Bellamy drehte sich hastig nach ihm um.

 

»Wie, Sie wollen nicht?« fragte er drohend. »Vermutlich glauben Sie, daß Sie aus Howett mehr herauspressen können als Sie von mir bekommen?«

 

»Es ist mir ganz gleich, auch wenn ich von Howett überhaupt nichts bekomme,« sagte Julius ärgerlich. »Ich habe es nicht für Geld getan und außerdem –« Er dachte plötzlich an seinen früheren Plan, hielt mitten im Reden an und sagte dann zu der größten Überraschung seiner Frau: »Also, Mr. Bellamy, ich werde am Montag morgen nach Garre kommen.«

 

Bellamy schaute ihn an und nickte.

 

»Das ist auch das Beste, was Sie tun können.«

 

Fay begleitete ihn bis zur Tür und verschloß und verriegelte sie hinter ihm. Bevor sie aber zu Julius ins Wohnzimmer zurückkehrte, telephonierte sie an Jim Featherstone, der daraufhin ohne Hut und Mantel in den Nebel hinauseilte. sternchenland.com »Machen Sie keinen Lärm,« flüsterte ihm Fay zu, als sie die Tür öffnete. »Sie schläft noch. Was habe ich Ihnen gesagt, Featherstone? Julius hat sie von dort fortgebracht. Julius ist wirklich ein feiner Mensch.« Und sie lobte ihn weiter, wahrend er mit ihr zum Wohnzimmer ging.

 

Julius war noch im Schlafrock. Die Unterredung mit Bellamy hatte ihn vollständig wach gemacht, aber er sah müde und hohläugig aus.

 

»Sie ist wirklich wundervoll, Captain,« sagte er und drückte Jim die Hand. »Ich habe eben mit Mr. Howett telephoniert und ihm erzählt, daß seine Tochter sicher und wohlbehalten in meiner Wohnung schläft.«

 

»Wie sind Sie denn aber von dem Schiff entkommen?«

 

»Es war leicht und doch zugleich schwierig,« sagte Julius geheimnisvoll. »Es gelang mir, die Handschellen abzustreifen und meine Füße freizumachen. Nun war nur noch die Tür zu öffnen und ich mußte warten, bis einer von den Kerlen mir am Abend Essen brachte. Als er die Tür aufmachte, sprang ich auf ihn zu und bevor er wußte, was geschah, war ich an ihm vorbei auf Deck und ins Wasser gesprungen. Beinahe hätte er mich mit einem schweren Gegenstand getroffen, den er hinter mir herwarf. Aber ich tauchte unter. Der Nebel war sehr dicht und das Wasser kalt, und ich überlegte mir schnell genug, daß ein halbverhungerter Mann kaum schwimmend das Ufer erreichen würde, besonders nicht im Nebel. Und dann dachte ich auch, daß es eigentlich nicht recht sei, Miß Howett im Stich zu lassen, und so wandte ich wieder um und schwamm auf die andere Seite des Schiffes. Ich hielt mich an einer Vertäuungskette fest, die ins Wasser herunterhing. Ich war schon halb erfroren, als ich plötzlich ein Tau von einem halb heruntergelassenen Boot herabhängen sah. Schnell kletterte ich hinein, aber ich war so schwach wie eine verhungerte Ratte. Ich legte mich erst eine Weile hin und überlegte, was ich nun anfangen sollte. Haben sternchenland.com Sie jemals schon naß bis auf die Haut in einem offenen Boot gesessen? Dazu der feuchte Nebel! Schließlich konnte ich es doch in dem Boot nicht mehr aushalten und kletterte an Deck. Ich hörte Stimmen im Salon und öffnete das Deckenfenster. Smith war betrunken und stritt sich mit Miß Howett. Aber sie machte sich von ihm los, lief in den Schlafraum und schloß die Tür. Ich entdeckte eine lange Strickleiter und befestigte sie an einem der Deckenpfosten. Als ich dann sah, daß Smith den Salon verließ, um sich nach mir umzusehen, öffnete ich das Deckenlicht weit, ließ die Strickleiter hinunter in den Salon und kletterte schnell hinab, trotzdem ich vor Kälte ganz steif war. Ich mußte ja auch immer fürchten, daß der Kerl zurückkommen würde. Nach ein paar aufregenden Augenblicken hatte ich Miß Howett davon überzeugt, daß ich im Zimmer sei und nicht Coldharbour Smith. Sie öffnete die Tür, und ich hielt ihr die Leiter, als sie nach oben stieg. Dann folgte ich ihr sobald sie oben auf dem Deck angekommen war. Im Handumdrehen waren wir in dem Boot. Ich wußte nicht, wie die Flaschenzüge in Gang gebracht weiden sollten, aber Miß Howett, die sich im Segeln genau auskennt, zeigte mir, wie die Seile gebraucht werden und wie man das Boot aufs Wasser bringen konnte. Sie nahm das eine Tau und ich das andere, und gleich darauf hatten wir das Boot klargemacht. Das ist alles, was ich über unsere Flucht berichten kann. Nur hat es noch sehr lange gedauert, bis wir einen Landungsplatz fanden. Aber dann hatten wir Glück und fanden schnell ein Auto. Ich hielt es für das Beste, Miß Howett hierherzubringen, da ich nicht wußte, wo sich ihr Vater augenblicklich befand. Und hier konnte Fay für sie sorgen.«

 

»Haben Sie nicht noch ein anderes Boot gesehen, als sie von der ›Contessa‹ fortruderten?« fragte Jim.

 

»Wir sahen noch ein anderes kleines Boot, das ein einzelner Mann ruderte. Es war auf der Südseite des Schiffes, sternchenland.com und wir wunderten uns, wer es sein könnte. Er war aber nicht nahe genug, daß wir ihn hätten erkennen können. Glauben Sie, daß es der Grüne Bogenschütze war?«

 

»Das ist möglich.«

 

»Es ist doch merkwürdig – wir riefen ihn an, weil wir die Richtung nicht wußten. Er muß uns sicher gehört haben, aber er antwortete uns nicht.«

 

Jim stand auf.

 

»Gott sei Dank, daß Sie von dem Schiff entkommen sind,« sagte er. »Nun wäre es aber für Sie besser, wenn Sie sich zur Ruhe legten, Savini. Mr. Howett wird früh am Morgen hierherkommen. Fay –« er nahm ihre Hand in die seine – »wenn wir uns jemals wieder dienstlich treffen sollten, was ich unter allen Umständen beklagen würde, dann werden Sie einen guten Freund bei der Polizei und beim Gericht haben.«

 

Julius hatte ihm nichts von dem Besuch des alten Bellamy gesagt, und Fay erinnerte ihn daran, als Featherstone gegangen war.

 

»Ich glaube nicht, daß es klug gewesen wäre, ihm das mitzuteilen,« meinte er. »Du hast doch gehört, was er sagte. Er könnte ganz brauchbar sein, wenn wir einmal schnell fort wollten. – Ich habe eine Idee, daß man doch viel Geld von gewissen Leuten bekommen könnte. Aber das scheint mir heute wirklich nicht mehr so verlockend. Ich nehme lieber meinen alten ersten Plan wieder auf und ich denke, Bellamy wird es noch leid tun, daß er mich einlud, wieder zurückzukommen.«

 

»Und vielleicht wirst du es noch mehr bereuen, daß du wieder zu ihm gingst,« sagte Fay prophetisch.

 

Kapitel 54

 

54

 

Am nächsten Tag saßen fünf Menschen vergnügt im Carlton-Hotel zusammen. Es war Sonntag, und das große sternchenland.com Lokal war weniger besucht, aber für Jim und Valerie waren noch viel zu viel Leute da.

 

Mr. Howett sah düster und nachdenklich aus und war so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er jedesmal aufmerksam gemacht werden mußte, wenn ein Kellner seinen Teller wechselte und ein neues Gericht angeboten wurde. Es war merkwürdig, daß er sich erst an der Unterhaltung beteiligte, als Julius ihn ansprach. Savini erzählte gerade noch von der Flucht, als Spike Holland in den Speisesaal kam. Wenn sich der Reporter hier sehen ließ, so war es unweigerlich ein Zeichen, daß er von irgend jemand eingeladen war, der sich im Hintergrund hielt. Sein Gastgeber war jener vornehme Herr, den Valerie vor ihrer Übersiedlung nach Lady’s Manor im Carlton-Hotel gesehen hatte.

 

Jim erhob sich und grüßte John Wood, als er an ihrem Tisch vorüberging. Nach einer Weile kam Spike zu ihm herüber.

 

»Wer am Sonnabend einen Mord begeht, müßte sofort aufgehangen werden,« sagte er böse. »Alle Sonntagszeitungen sind voll von der Geschichte mit dem Grünen Bogenschützen, und das ist doch eigentlich mein Reservatrecht, Captain Featherstone. Ich habe von Ihnen nicht ein Wort erfahren, bis ich es in den Zeitungen las.«

 

»Das ist nicht schön,« lächelte Jim. »Aber ich bin nicht dafür verantwortlich, Spike, sonst hatten Sie den Löwenanteil der Nachrichten bekommen. Aber nach dem Essen werde ich Ihnen erzählen, wie es sich wirklich abgespielt hat. Wie ich sehe, sind Sie in der Begleitung Ihres Kinderfreundes?«

 

»Ja, Mr. Wood ist gestern angekommen und verbrachte die Nacht in meiner Wohnung. Er gründet jetzt ein Kinderheim in England und möchte dazu mit dem alten Bellamy verhandeln – er will nämlich Garre Castle kaufen. Was halten Sie von der Idee? Er sagte mir, er würde nicht eher ruhen, als bis er die ganzen zinnenbekrönten Mauern mit sternchenland.com zweijährigen Kindern besetzt hätte, die den Grünen Bogenschützen mit ihren Klappern in die Flucht jagen sollen. Es ist doch merkwürdig, daß er annimmt, Garre Castle würde ein idealer Sitz für ein solches Heim sein. Und obwohl er Bellamy ganz und gar nicht leiden kann, will er ihn doch diese Woche noch aufsuchen.«

 

»Kennen Sie ihn genau?« fragte Mr. Howett, der plötzlich Interesse an dieser Unterhaltung zeigte.

 

»Nicht gerade sehr gut. Aber er ist wirklich ein lieber Mensch und es lohnt sich schon, ihn kennenzulernen. Nebenbei bemerkt, Mr. Howett,« fragte Spike obenhin, »waren Sie vor fünfzehn Jahren schon einmal in London?«

 

Mr. Howett nickte.

 

»Ich war neulich in der Gesellschaft für Bogenschießen,« fuhr Spike fort, »und habe dort Nachforschungen angestellt, um dem Grünen Bogenschützen auf die Spur zu kommen. Dabei sah ich Ihren Namen – L. B. Howett. Sie haben ja damals bei einem Preisschießen am besten abgeschnitten.«

 

»Ja, ich habe mich in jener Zeit ein wenig dafür interessiert,« erwiderte Howett kurz. »Schon vor vielen Jahren hatten wir eine Gesellschaft für Bogenschießen in Philadelphia. Ich glaube, sie ist jetzt eingegangen. Ich erinnere mich auch, daß ich mich während meines Besuches hier an einem Preisschießen beteiligte. Ich fühlte mich damals sehr vereinsamt und las die Ankündigung der Veranstaltung in den Zeitungen. Ich kann mich aber nicht mehr darauf besinnen, mit welchem Erfolg ich daran teilnahm.«

 

»Aber, lieber Vater, ich wußte niemals, daß du dich für Bogenschießen interessiertest,« sagte Valerie erstaunt.

 

»Es interessiert mich auch jetzt nicht mehr,« antwortete Mr. Howett und suchte der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben.

 

Julius horchte aufgeregt zu, aber das Gespräch wandte sich anderen Dingen zu.

 

sternchenland.com »Mr. Wood sieht doch sehr gut aus,« sagte Valerie, als sie Spike nachsah, der zu seinem Tisch zurückging. »Ich kann mich nicht besinnen, jemals ein so faszinierendes Gesicht gesehen zu haben.«

 

»Es tut mir leid, das zu hören,« sagte Jim.

 

»Für wie alt halten Sie ihn?« fragte sie, ohne auf seine Bemerkung zu achten.

 

»Das ist schwer zu sagen. Er kann achtunddreißig sein, er kann aber auch ebensogut achtundzwanzig sein. Offenbar ist sein Haar vor der Zeit grau geworden.«

 

»Erzählen Sie mir mehr von ihm,« bat sie.

 

Kein Mann rühmt einer geliebten Frau gegenüber gern die Vorzüge eines anderen, aber Jim sprach mit bewunderungswürdiger Selbstüberwindung von John Wood und seiner auffallenden Vorliebe für kleine Kinder.

 

»Ich dachte, ich hätte Ihnen das alles schon früher berichtet,« sagte er schließlich. »Sicher hat er ein bemerkenswertes Gesicht und ist ein hervorragender Mensch. Er hat kein anderes Interesse im Leben als sich um die Wohlfahrt der Kinder zu kümmern. Ich habe wohl niemals einen Mann getroffen, der sich mehr für seine Liebhaberei interessiert? als er.«

 

»Er soll Bellamy nicht gern haben, kennt er ihn denn?«

 

»O ja, er kennt ihn sehr gut. Er war doch ein Freund von Bellamys Neffen, der ihm all sein Vermögen hinterließ, als er starb. Ich habe das Testament durchgesehen, es wurde in England aufgesetzt und ist in Somerset House registriert, und obgleich die Erbschaft keinen großen Wert besaß – sie bestand hauptsächlich aus Büchern und wissenschaftlichen Instrumenten – bestätigt doch die Tatsache, daß er ihn zum Universalerben einsetzte, seine Zuneigung zu ihm. Zufällig konnte Wood mir einige Hinweise geben, die wertvoll für die Auffindung Ihrer Eltern sein können, Valerie,« setzte er mit leiser Stimme hinzu. Dann erzählte er ihr kurz die Geschichte sternchenland.com von dem geraubten Kind und dem Eisenbahnunglück. »Zuerst dachte ich, es handelte sich um Sie, aber Sie hätten in diesem Fall schon drei Jahre alt sein müssen, während Sie doch offenbar kaum ein Jahr alt waren, als Sie zu den Howetts kamen.«

 

Sie nickte nachdenklich.

 

»Ich glaube, ich habe auch etwas von dem River Bend-Unglück gehört, aber ich kann es nicht gewesen sein, denn ich habe später die Kleider gesehen, die ich trug, als ich zu meinen Pflegeeltern kam.«

 

Jim war überrascht, daß Mr. Howett nach Lady’s Manor zurückkehren wollte. Ei dachte, er hätte sich durch die schrecklichen Erfahrungen, die seine Pflegetochter dort gemacht hatte, warnen lassen und würde sie nun entweder in der Stadt lassen oder sie nach Amerika schicken – diese letzte Möglichkeit stimmte ihn allerdings sehr traurig.

 

Aber Mr. Howett fuhr schon am Nachmittag mit Valerie nach Lady’s Manor ab. Jim begleitete sie zum Wagen. Die Leichenschau für Coldharbour Smith war auf Mittwoch festgesetzt, und obgleich er Valerie gern die Zeugenaussage erspart hätte, waren doch gerade ihre Angaben dringend notwendig.

 

Er kehrte in die Vorhalle zurück, um Mantel und Hut zu holen, nachdem das Auto abgefahren war. Er traf dort auch Mr. Wood und Spike Holland, die leise miteinander sprachen. Er wollte sie in ihrer Unterhaltung nicht stören und ging mit einem Lächeln an ihnen vorüber.

 

Am Sonntag war Jims Besuch in Scotland Yard gewöhnlich eine Formsache. Aber infolge der neuen Entwicklungen im Falle des Grünen Bogenschützen wartete diesmal viel Arbeit auf ihn. Der wachthabende Beamte hielt ihn am Eingang an, als er vorüberging.

 

»Inspektor Fair von der Flußpolizei wartet in Ihrem Bureau. Ich sagte ihm, daß Sie bald kommen würden. Er sternchenland.com hat Ihnen sicher Wichtiges mitzuteilen. Ich habe deswegen auch schon an Ihre Wohnung telephoniert.«

 

Jim hatte diesen Besuch erwartet, aber er war erstaunt, daß der Mann ihn so dringend zu sprechen wünschte. Der Inspektor war ein wetterharter Wann, der mehr nach einem Seemann als nach einem Polizeibeamten aussah.

 

»Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, Captain Featherstone. Aber Sie besinnen sich doch darauf, daß wir letzte Nacht einen Freund von Ihnen in dem Boot trafen, – es war doch Mr. Howett, wenn ich nicht irre?«

 

»Mr. Howett, jawohl.«

 

Inspektor Fair nahm zwei Gegenstände von dem Boden auf; die hinter dem Klubsessel verborgen lagen und legte sie auf Jim Featherstones Schreibtisch. Der eine war ein kurzer, starker Stahlbogen, der andere ein dazugehöriger grüner Pfeil.

 

»Wo haben Sie dies gefunden?« fragte Jim überrascht.

 

»In Mr. Howetts Boot,« antwortete Inspektor Fair.

 

Kapitel 55

 

55

 

Jim schaute lange auf die beiden belastenden Funde, ohne zu sprechen. Und dann versuchte er, eine Erklärung zu geben.

 

»Mr. Howett erzählte doch, daß er einen Mann nach dem Ufer rudern sah und ihn bat, ihm sein Boot zu überlassen.«

 

»War das nicht eine recht sonderbare Geschichte, die er da erzählte, Captain Featherstone?«

 

»Mir ist sie nicht besonders merkwürdig vorgekommen,« sagte Jim ein wenig kühl. »Es scheint mir sehr wahrscheinlich, daß der Mann, der ursprünglich in dem Boot war, überrascht war, als er Mr. Howett auf der Landungsbrücke stehen sah, und daß er entweder vergaß, seine Waffe herauszunehmen oder daß er sie absichtlich dort zurückließ, um nicht die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu lenken.«

 

sternchenland.com »Hm!« meinte Inspektor Fair. Aber man hörte seinen Worten an, daß er sich durch Jims Worte nicht überzeugen ließ. »Sie haben den Fall ja zu bearbeiten und ich möchte Ihnen dabei nicht in die Quere kommen, Captain. Aber wenn Sie meinen Rat annehmen wollten – und ich bin doch schon viel länger im Dienst tätig als Sie – so würden Sie Mr. Howett doch nicht ganz von dem Verdacht freisprechen, daß er den Tod von Coldharbour Smith auf dem Gewissen hat. Und unter uns gesagt, wäre es ja schließlich auch gerechtfertigt, wenn man daran denkt, daß dieser Schuft seine Tochter geraubt hat –«

 

»Mr. Howett sollte – nein, das ist ganz unmöglich!«

 

»Es mag unmöglich scheinen,« erwiderte Inspektor Fair, der sich nicht im mindesten einschüchtern ließ. »Aber was wollen Sie nun tun? Weiden Sie Mr. Howett zur Leichenschau laden? Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Jeder, der unter solchen Umständen auf dem Fluß angetroffen wurde, hat sich verdächtig gemacht und müßte vorgeladen werden, um dem Leichenbeschauer zu sagen, was er gesehen und gehört hat.«

 

Jim war in einer schwierigen Lage. Es war unmöglich, Valeries Namen aus der Sache fernzuhalten, aber er wollte die Verbindung der Howetts mit der Geschichte möglichst beschränken. Wer mochte der Mann gewesen sein, den Valerie und Julius sahen, als er allein durch den Nebel ruderte? Den sie anriefen, ohne eine Antwort zu bekommen? War das Mr. Howett? Oder war das – der Mann, den er suchte? Er beschloß, Howett bei der nächsten Gelegenheit darüber auszufragen. Aber ebenso fest stand es bei ihm, daß es unter allen Umständen vermieden werden mußte, Mr. Howett zu der Leichenschau zu laden.

 

Es war ja auch noch der andere Mord des Bogenschützen aufzuklären, und das Publikum wurde schon ungeduldig, daß so viele Verbrechen ungesühnt blieben.

 

sternchenland.com Als Jim Smiths Papiere durchsah, entdeckte er, daß er eine sehr große Summe, meist in amerikanischen Banknoten, bei sich trug. Von wem er das Geld erhalten hatte, konnte man nicht ausfindig machen.

 

Die Leichenschau mußte vom Standpunkt der Polizei aus sehr vorsichtig behandelt werden. Alle Zeitungen waren schon voll von diesem geheimnisvollen Verbrechen und erinnerten in Artikeln und Abbildungen wieder an die Ermordung Creagers. An dem Morgen, an dem die Leichenschau stattfinden sollte, brachte der »Daily Globe« einen aufsehenerregenden großen Aufsatz. Es war eine nahezu vollständige Zusammenstellung aller Unternehmungen des Grünen Bogenschützen, und die Zeitung hatte sorgfältig vermieden, Abel Bellamy mit den beiden Verbrechen in Verbindung zu bringen.

 

»Die Schwierigkeit besieht darin,« sagte Spike, der wie gewöhnlich an diesem Morgen in Scotland Yard erschien, »Bellamy und einen oder beide Morde miteinander in Zusammenhang zu bringen. Die einzige Verbindung liegt in der Tatsache, daß Miß Howett in Lady’s Manor wohnt und sich infolgedessen im Bereiche des Grünen Bogenschützen befindet.«

 

»Ich habe mir bis jetzt noch nie die Mühe gemacht, die Artikel zu lesen,« erwiderte Jim. »Aber ich hoffe, Spike, daß Sie nicht ausgeplaudert haben, was Sie verschweigen sollten.«

 

»Diskretion ist meine größte Schwäche,« antwortete Holland, »und alles in allem ist die Geschichte einleuchtend wiedergegeben. Coldharbour Smith, ein Verbrecher, der schon viel auf dem Kerbholz hatte, nahm Miß Howett gefangen und wollte sie nur gegen ein Lösegeld freigeben. Durch eine List gelang es ihm, sie an Bord der ›Contessa‹ zu bringen und er war gerade dabei – wie wir vermuten, oder wenigstens wie der ›Daily Globe‹ vermutet, und darauf kommt es doch nur an – ihrem Vater einen Brief zu schicken, in dem er ihm sternchenland.com mitteilte, daß er sie gegen soundsoviel tausend Pfund freilassen würde. Die ganze Geschichte ist also als eine gewöhnliche Erpressung dargestellt – nichts ist erwähnt von einer Heirat, die dieser fürchterliche Kerl beabsichtigte, und es findet sich keine Andeutung, daß der alte Bellamy in die Angelegenheit verstrickt sein könnte.«

 

Jim nickte.

 

»Wenn ich die Dinge irgendwie arrangieren kann, so wird auf der Leichenschau die Sache ähnlich behandelt werden. Es besteht nur eine Gefahr –«

 

»Das ist Lacy,« platzte Spike heraus. »Der könnte uns noch die ganze Suppe versalzen, besonders da ich glaube, daß Sie ihn mit der Entführung Miß Howetts und deshalb auch mit dem Mord in Zusammenhang bringen müssen. Vielleicht hat er auch noch etwas über Sie auszusagen, Captain,« sagte er bedeutungsvoll. »Er erzählte mir eine haarsträubende Geschichte, wie er behandelt worden sei und auch, daß er sich schwer rächen wolle.«

 

Lacy war wirklich die große Gefahr, Jim erkannte das auch. Als aber bei der Leichenschau Lacys Name aufgerufen wurde und er sich nicht meldete, als man nach ihm suchte und ihn nicht fand, atmete Jim erleichtert auf, obwohl durch die Vertagung der Leichenschau der böse Augenblick für ihn doch nur hinausgeschoben wurde. Da Lacy nicht erschienen war, trotzdem er unter Strafandrohung vorgeladen war, blieb Jim nur eins übrig. Er mußte ihn verhaften lassen und in Gewahrsam behalten. Sehr unwillig händigte Jim seinem Assistenten den nötigen Verhaftungsbefehl aus. Aber Lacy war nicht aufzufinden, er war aus dem Hause, in dem er lebte, verschwunden, und man sah ihn nirgendwo in der Gegend.

 

Nach drei Tagen wurde die Leichenschau abgehalten. Spike Holland nahm auch daran teil und folgte den Vorgängen mit außerordentlichem Interesse. Aber es fiel kein Wort von sternchenland.com Garre Castle, und der Grüne Bogenschütze wurde überhaupt nicht erwähnt. Nur ein etwas neugieriger Geschworener machte den Versuch, die Sprache darauf zu bringen, wurde aber prompt von dem Leichenbeschauer zurückgewiesen. Es war eben ein Mord, zwar außergewöhnlich durch die Nebenumstände, aber sonst sehr nüchtern. Und als die einfältigen Geschworenen mit ihrem Spruch wieder erschienen, wurde der letzte Hauch von Romantik von dem Fall genommen, denn der Spruch lautete:

 

»Es wurde festgestellt, daß der verstorbene Henry Arthur Smith an Bord des Dampfers ›La Contessa‹ getötet wurde und zwar an einer Stelle, die zu der Gerichtsbarkeit von Rotherhithe in dem Bezirk von London gehört. Der Tod trat ein, weil er von einer oder mehreren unbekannten Personen mit einem spitzen Gegenstand durchbohrt wurde. Wir erheben gegen diese Personen die Anklage des vorsätzlichen Mordes.«

 

Es wurde nicht einmal gesagt, daß der spitze Gegenstand ein Pfeil war. Niemand sprach über Valerie Howett, die ihre Aussage mit leiser Stimme machte, so daß man sie nicht einmal auf den Sitzen der Zeitungsberichterstatter verstehen konnte.

 

»Das war ein wirklich idealer Spruch der Geschworenen,« sagte Jim mit einem Seufzer der Erleichterung, als alles vorüber war. »Ich möchte nur wissen, was Bellamy sich bei der ganzen Sache denkt.«

 

Mr. Howett lud ihn zum Wochenende nach Lady’s Manor ein, und Jim nahm sofort mit Freuden an. Mr. Howett, der schon früher sehr zurückhaltend gewesen war, schien ganz schweigsam geworden zu sein. Valerie beklagte sich bei Featherstone darüber, kurz nachdem er in Lady’s Manor angekommen war.

 

»Die Burg wird jetzt noch mehr bewacht wie früher,« erzählte sie ihm dann. »Mr. Bellamy laßt nicht einmal mehr die Geschäftsleute hereinkommen, sie müssen ihre Waren im sternchenland.com Pförtnerhaus abliefern. Mr. Savini ist eine Art Haushofmeister geworden und seine Frau –«

 

»Fay?« fragte Jim ungläubig. »Sie wollen doch nicht sagen, daß sie hier ist?«

 

»Sie kam letzten Dienstag und ist der weibliche Haushofmeister von Garre Castle geworden. Mr. Savini glaubt, daß dieser schreckliche Lacy irgendwo in der Burg versteckt ist. Ich versprach ihm, Ihnen nichts davon zu sagen.«

 

»Sagen Sie bitte, daß Sie mir nichts berichtet haben,« fiel ihr Jim hastig ins Wort. »Lacy ist der einzige Mann, dessen Aufenthaltsort ich nicht zu wissen wünsche, bis ich Abel Bellamy alle seine Verbrechen nachweisen kann.«

 

Sie standen im Garten, und sie war dabei, die verwelkten Blütenblätter einer großen, weißen Chrysantheme zu entfernen.

 

»Glauben Sie, daß ich die Hoffnung aufgeben muß, jemals meine Mutter wiederzufinden?« fragte sie.

 

Er wollte ihr nicht direkt antworten.

 

»Eine Hoffnung, die schon ein Teil der Gedanken geworden ist, die man jahrelang gehegt hat, soll man eigentlich nicht aufgeben,« sagte er schließlich.

 

Sie wollte ihm etwas mitteilen und hatte ihn deswegen in den schattigen Garten geladen. Aber so oft sie beginnen wollte, fiel ihr das Sprechen zu schwer. Wenn sie ihr Geheimnis verriet, brachte sie damit einen Menschen in Verdacht, den sie von Herzen liebte, und der ihr sehr teuer war. Und doch konnte nur eine Aussprache über das, was ihre Gedanken Tag und Nacht beschäftigte, ihre verstörten Gedanken wieder zur Ruhe bringen.

 

»Jim, ich gebe mir die größte Mühe, Ihnen alles Vertrauen entgegenzubringen, und doch fürchte ich mich ein wenig vor Ihnen. Es ist wegen meines – meines Vaters, Mr. Howett. Wollen Sie bitte vergessen, daß Sie ein Polizeibeamter sternchenland.com sind und nur daran denken, daß Sie mein Freund sind?«

 

Er nahm ihre kalte Hand in die seine, und sie verweigerte es ihm nicht.

 

»Erzählen Sie, was Sie bedrückt, Valerie,« sagte er freundlich. »Ich habe mich niemals weniger als Polizeibeamter gefühlt als gerade in diesem Augenblick.«

 

Sie ließ sich auf einer großen Holzbank an seiner Seite nieder und berichtete ihm zögernd von ihrem merkwürdigen nächtlichen Erlebnis, von den flüsternden Stimmen und dem Weinen.

 

»Als mein Vater mir sagte, daß er selbst im Wohnzimmer war, hätte ich zu Bett gehen sollen – aber ich war so neugierig und – Jim, ich wäre beinahe gestorben, als ich unten in der Eingangshalle den Grünen Bogenschützen stehen sah!«

 

Jim war erstaunt, aber nicht im mindesten beunruhigt.

 

»Haben Sie Mr. Howett gesehen, als er nachher die Treppe heraufkam?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Er ging direkt in sein Zimmer.«

 

»Langsam oder eilig?«

 

»Sehr schnell.«

 

»Hat er nicht an Ihre Türe geklopft oder Ihnen Gute Nacht gesagt?«

 

»Nein, er ging in sein Zimmer und schloß die Tür hinter sich zu.«

 

»Und die Frau – haben Sie die auch gesehen?«

 

»Nein, Mr. Holland glaubte, daß sie den Wagen lenkte, der an ihm vorbeikam und ihn aufweckte.«

 

Man sah Zweifel in Jims Gesicht.

 

»Eine hysterische Frau wird wohl kaum in der Lage sein, ein Auto zu lenken. Aber immerhin, manchmal erholen sich Frauen sehr schnell. Es ist eine ganz merkwürdige Geschichte.«

 

»Ich will Ihnen eine noch viel seltsamere Sache erzählen,« sternchenland.com sagte sie und teilte ihm nun zum erstenmal mit, daß sie in der Nacht, in der sie ihren abenteuerlichen Gang nach Garre Castle unternahm, sonderbare Geräusche gehört und den grünen Pfeil in der Küche gefunden hatte.

 

Auf seine dringende Bitte hin brachte sie die Waffe zum Wohnzimmer herunter. Er nahm sie in die Hand und maß sie.

 

»Dieser Pfeil ist länger als die drei, die ich bis jetzt gesehen habe,« sagte er schließlich. »Creager und Smith wurden durch Pfeile getötet, die wenigstens fünfzehn Zentimeter kürzer waren als dieser, der genau ein altes Yard mißt. Diese Pfeile wurden von den Bogenschützen im Mittelalter benützt.«

 

Er befühlte die nadelscharfe Spitze und untersuchte sie durch sein Vergrößerungsglas.

 

»Die Spitze ist handgefertigt,« erklärte er dann. »Nun verstehe ich auch, warum wir keinen Erfolg hatten, als wir alle Geschäfte untersuchten, die solche Sportartikel führen. Der Pfeilschaft ist auch selbst hergestellt – er ist außerordentlich kunstvoll geglättet.«

 

Er besah ihn neugierig und hielt ihn nahe ans Licht. »Ich sehe ein halb Dutzend Fingerabdrucke daran,« sagte er plötzlich. »Wahrscheinlich sind das Ihre eigenen, aber es wäre doch wichtig, wenn ich sie photographieren könnte. Darf ich den Pfeil mit mir zur Stadt nehmen?«

 

»Nein,« sagte sie mit einer Heftigkeit, über die er sich sehr wunderte, bis er sich wieder an die Zusammenhänge erinnerte. Sie fürchtete – daß die Fingerabdrücke die Identität des Grünen Bogenschützen ans Tageslicht bringen könnten.

 

Er gab ihr den Pfeil zurück, als sich plötzlich die Tür öffnete und Mr. Howett eintrat.

 

»Mein lieber –« begann er, brach aber plötzlich ab. »Was ist das?« fragte er düster.

 

»Ein Pfeil,« stotterte Valerie. Mr. Howett nahm ihr die sternchenland.com Waffe aus der Hand, wandte sich um, ohne ein Wort zu sagen, und verließ das Zimmer schnell.

 

Die Beiden sahen sich an, und Jim entdeckte in Valeries Blick einen Ausdruck von Angst und Furcht, der ihm ins Herz schnitt.

 

Kapitel 46

 

46

 

Es war schon spät am Abend, aber der Mann sah repräsentabel und unverdächtig aus. Valerie kam sofort in das Wohnzimmer herunter, wo er auf einer Ecke des Stuhles saß und das Teppichmuster betrachtete. Er erhob sich sofort als sie eintrat.

 

»Ich bin Sergeant Brown, Miß Howett. Captain Featherstone hat mich hierher geschickt, um Sie nach Scotland Yard zu begleiten. Wir glauben, daß wir Mrs. Held gefunden haben.«

 

Valerie blieb erstaunt stehen.

 

»Wirklich? Das ist doch nicht möglich! Sind Sie Ihrer Sache auch gewiß?«

 

»Ja. Wir haben sie im ›Goldenen Osten‹ gefunden, das ist ein Klub, der von einem gewissen Coldharbour Smith geführt wird. Allem Anschein nach ist sie dort schon zwei Jahre gefangengehalten worden.«

 

»Warten Sie!« rief sie, eilte in ihr Zimmer und kleidete sich um. Ihre Finger zitterten vor Aufregung.

 

Sie kam wieder herunter und wollte ihren Wagen bestellen, aber der Wann erwartete sie schon im Flur»

 

»Mein Auto steht zu Ihrer Verfügung,« sagte er. »Captain Featherstone dachte, es wäre bequemer, wenn Sie unseren Wagen benützten.«

 

»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen,« sagte sie dankbar.

 

Sie nahm schnell ihren Pelz, schrieb noch eine eilige Botschaft für Mr. Howett, die ihm bei seiner Rückkehr gegeben werden sollte, und stieg dann in den Wagen. Den Chauffeur konnte sie nicht erkennen, er hatte seinen Kragen hochgeschlagen.

 

Als sie durch das Dorf fuhren, mußten sie einmal halten, um einen Lastwagen vorbeizulassen, der mit gefällten Bäumen beladen war. Julius Savini, der am Tor des Pförtnerhauses sternchenland.com stand, sah hinüber und erkannte in dem Lichte der Laternen, die über dem Eingangstor von Garre Castle brannten, Valerie und ihren Begleiter. Aber er wurde nicht von ihnen bemerkt, denn er stand im Schatten. Julius faßte sofort einen Entschluß. Der Lastwagen gab eben die Passage frei und das Auto fuhr an. Julius lief hinterher und schwang sich auf den hinteren Gepäckhalter. Es gelang ihm nur mit Aufbietung aller Kräfte, denn der Wagen war schon in voller Geschwindigkeit. Er war ganz außer Atem und fluchte leise, daß er diese Verrücktheit begangen hatte. Ein Polizist sah das Auto am Ende der Dorfstraße und war sehr verwundert, als er Julius hinten auf dem Gepäckhalter sitzen sah.

 

Die Eisenstangen schmerzten ihn, und manchmal klammerte sich Julius in Verzweiflung und Todesangst daran fest. Aber trotzdem er glaubte, daß jeder Augenblick der letzte sein könnte, hielt er doch mit großer Zähigkeit aus. Schmutzig und zerzaust fuhr er durch die hellerleuchteten Straßen der Londoner Vorstädte. Die Leute sahen ihm böse und aufgebracht nach, aber nun war er der Lage vollständig gewachsen und hatte sich entschlossen, auszuhalten, was auch kommen mochte.

 

Valerie sprach während der Fahrt nicht. Sie malte sich das Wiedersehen mit ihrer Mutter aus. Welche wunderbaren Möglichkeiten eröffneten ihr die letzten Ereignisse! Sie wollte sich nicht in diesen glücklichen Gedanken stören lassen. Erst als sie über den Fluß gefahren waren und sich dem Osten Londons näherten, brach sie das Schweigen.

 

»Fahren Sie nicht nach Scotland Yard?« fragte sie.

 

»Nein, mein Fräulein, der Captain wartet im ›Goldenen Osten‹ auf Sie.«

 

Sie erkannte den Klub wieder, aber der Eingang, vor dem der Wagen hielt, war nicht derselbe, den sie bei früheren Gelegenheiten benützt hatte. Der Mann neben ihr sprang aus dem Wagen und öffnete die Tür.

 

»Der Captain ist oben, mein Fräulein!«

 

sternchenland.com Sie zweifelte keine Sekunde daran, daß er die Wahrheit sprach, und selbst als sie in den kleinen Raum hinter der Bar kam und Coldharbour Smith sah, ahnte sie noch nichts von der Gefahr, in der sie sich befand. Sie kannte Smith nicht, obgleich sie schon einmal eine Ausfahrt unternommen hatte, um ihn auszufragen. Aber trotzdem wußte sie sofort, daß er es war.

 

»Sie sind doch Mr. Smith?« fragte sie lächelnd.

 

»Ja, das bin ich, mein Fräulein. Der Captain wird gleich kommen. Er sagte, ich sollte Ihnen inzwischen eine kleine Erfrischung anbieten.«

 

Eine Flasche Champagner stand auf dem Tisch, und mit starken Händen löste er Draht und Korken.

 

»Er meinte, es wäre möglich, daß Sie von der langen Fahrt ermüdet wären.«

 

»Ich bin aber nicht müde, und ich trinke auch keinen Champagner,« entgegnete sie.

 

Es wurde ihr plötzlich unheimlich zumute, und eine innere Stimme sagte ihr, daß Gefahr im Anzug sei. Zum erstenmal wurde ihr klar, wie unklug sie gehandelt hatte.

 

»Würden Sie so liebenswürdig sein, Captain Featherstone zu rufen?«

 

»Er ist noch nicht hier, mein Fräulein,« sagte Coldharbour und betrachtete mit gierigen Augen ihre schöne Gestalt. »Er hat Ihre Mutter gefunden – ja, es ist Ihre Mutter.«

 

»Meine Mutter!« rief das Mädchen. »Sind Sie auch sicher?« Sie hatte wieder alle Gefahr vergessen.

 

»Ja, es ist Ihre Mutter. Sie haben sie gefunden, gerade als der alte Bellamy sie nach Südamerika schicken wollte. Der Captain hat sie auf einem Schiff gefunden, sie ist sehr krank.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Die kränkste Frau, die ich jemals gesehen habe, Miß Howett. Eine Krankenpflegerin ist Tag und Nacht bei ihr. Sie müssen die junge Dame zur ›Contessa‹ bringen.« Mit diesen Worten wandte er sich an den Mann, der Valerie begleitet hatte.

 

sternchenland.com »Auf ein Schiff? Aber das geht doch nicht … wie weit ist denn der Weg dahin?« fragte sie bestürzt.

 

»Es ist keine Meile von hier entfernt. Sie brauchen sich doch nicht zu fürchten, solange der Sergeant bei Ihnen ist. Außerdem ist doch die Themse voll von Polizeibooten.«

 

Hätte sie ruhig nachgedacht, so hätte sie sich sicher darüber wundern müssen, daß das Auto noch unten vor der Tür wartete. Aber in ihrem Eifer, die Frau zu sehen, die sie so lange gesucht hatte, fielen ihr diese Widersprüche nicht auf, und sie dachte nicht daran, daß dieser Trick Bellamy ähnlich sah.

 

Der Wagen bog in eine lange, enge Seitenstraße ein, wandte sich dann nach links, fuhr an den hohen Mauern eines Warenspeichers vorbei und hielt plötzlich vor einer schmalen Passage zwischen hohen Häusern. Sie konnte hinten den Fluß sehen. In der Nähe spielten ein paar schmutzige Kinder Soldaten. Sie wunderte sich im Vorbeifahren, woher der kleine Anführer wohl seinen blitzenden Säbel hatte.

 

»Ich glaube, daß das Boot auf Sie wartet, mein Fräulein,« sagte der angebliche Detektiv.

 

Sie stand unentschlossen da. Der enge Gang erschien ihr dunkel und drohend, und sie konnte nur undeutlich die Umrisse des Bootes sehen.

 

»Würden Sie nicht Captain Featherstone bitten, mich hier abzuholen?« sagte sie. Ihr Mut verließ sie plötzlich.

 

»Es ist besser, Sie fahren hin, mein Fräulein. Es ist wirklich keine Gefahr. Wahrscheinlich hat der Captain ein Boot von der Themsepolizei geschickt.«

 

Aber das stimmte nicht. Sie erkannte es gleich, als sie sich hinten in das zitternde Boot gesetzt hatte. Die Leute der Besatzung sahen gewöhnlich und gemein aus, und ein unangenehmer Geruch von Whisky machte sich bemerkbar.

 

»Ich will wieder aussteigen,« rief sie und erhob sich. »Bitte lassen Sie mich aussteigen.«

 

sternchenland.com »Setzen Sie sich hin! Sie werden das Boot zum Umkippen bringen, wenn Sie nicht vorsichtig sind, und wir werden alle ertrinken. Ich glaube nicht, daß Captain Featherstone sehr zufrieden mit Ihnen ist, wenn er erfährt, wie Sie sich benehmen.«

 

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als stillzusitzen. Sie zitterte und fühlte sich furchtbar hilflos. Sie sah ein Ruderboot, das mit ziemlicher Geschwindigkeit gegen die Strömung ankämpfte. Die Ruder bewegten sich im Rhythmus, fast mit maschinenmäßiger Genauigkeit. Ein Schrei, und sie wäre gerettet gewesen, denn es war ein Patrouillenboot der Strompolizei, aber sie wußte es nicht. Sie erkannte auch die furchtbare Lage noch nicht, in der sie sich befand.

 

Sie mußte an einer senkrecht herunterhängenden Strickleiter in die Höhe klettern, um das verlassene Deck zu erreichen.

 

»Sie sind alle unten,« sagte der Mann, der sie begleitet hatte.

 

Sie war etwas außer Atem von der Anstrengung des Kletterns.

 

»Ich werde Ihnen den Weg zeigen.«

 

Sie folgte ihm über das schmutzige Deck. Er öffnete eine Tür und bevor sie wußte, was geschah, war sie hineingegangen, und die Tür schloß sich hinter ihr. Die Salonkabine war nicht sehr groß und roch unangenehm nach Knoblauch. Die runden Fenster waren dicht geschlossen, so daß nicht ein einziger Strahl der Petroleumhängelampe nach draußen fiel. Sie wollte die Tür wieder aufmachen, aber sie wußte schon, daß ihr Versuch vergeblich war. Wenn sie doch nur daran gedacht hätte, Spikes Revolver mitzunehmen, aber sie hatte es vergessen. Hier konnte sie keine Waffe finden, obgleich sie alles fieberhaft danach absuchte.

 

Auf der Treppe erklangen Schritte. Die Tür wurde aufgeschlossen, ein Mann kam herein, schloß die Tür wieder sternchenland.com hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Dann sah er Valerie belustigt an.

 

»Mr. Smith,« sagte sie stotternd, »wo ist Captain Featherstone – und was hat dies alles zu bedeuten?«

 

»Was das zu bedeuten hat? Das will ich Ihnen gleich sagen. Wir beide, Sie und ich, werden uns heiraten, und wir fahren nach Rio, um dort unsere Flitterwochen zu verleben.«

 

Valerie starrte ihn an.

 

»Ich verstehe Sie nicht. Gehen Sie bitte von der Türe weg, ich will an Deck gehen. Ich muß das Schiff verlassen.«

 

In ihrer Aufregung versuchte sie, ihn von der Türe wegzuziehen, aber er packte sie, hielt sie in Armlänge von sich ab und lachte ihr ins Gesicht.

 

»Nein, meine Liebe, Sie gehen auf eine lange Reise mit mir, und ob Sie mich nun zu Anfang oder zu Ende der Reise heiraten, ist ganz gleich. Wenn Sie sich mir aber widersetzen und mir Unannehmlichkeiten machen –« sein Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich – »dann sollen Sie sehen, was ich mit Ihnen anfange.«

 

Seine dicken unförmigen Hände umschnürten ihre Kehle. Sie versuchte sich loszureißen, aber seine grausamen Finger preßten sich um ihren Hals, bis sie keinen Atem mehr holen konnte und ihr das Blut in den Kopf stieg.

 

Plötzlich löste sich sein Griff, sie stürzte auf die Knie und rang nach Atem.

 

»Behandeln Sie mich anständig, dann werde ich es ebenso mit Ihnen machen,« warnte er sie. »Es gibt nichts, das ich nicht für Sie tun würde, wenn Sie mich darum bitten, aber wenn Sie niederträchtig sind, dann –« er biß die Zähne knirschend aufeinander.

 

Sie schauderte, schwankte zum nächsten Stuhl und setzte sich. Sie versuchte, ihre wilden Gedanken zu ordnen.

 

»Es ist nicht gut, hier Spektakel zu machen, besonders jetzt nicht,« sagte Coldharbour Smith. »Der Kapitän ist betrunken sternchenland.com und wenn er das nicht ist, dann ist er schlimmer als ich. Verhalten Sie sich ruhig, mein Fräulein –«

 

Es wurde an der Türe geklopft und eine erregte Stimme rief nach ihm. Er ging nach draußen, kam aber nach zwei Minuten wieder.

 

»Kommen Sie hierher,« rief er, und als sie nicht gleich gehorchte, brüllte er: »Kommen Sie hierher!«

 

Er packte sie am Arm, zerrte sie die Treppe hinauf und führte sie das unordentliche und schmutzige Deck entlang. Der Mann, der die Rolle des Sergeanten gespielt hatte, hob vorn am Schiff eine kleine eiserne Falltür auf und schlüpfte hinein, mit den Füßen zuerst.

 

»Machen Sie, daß Sie hineinkommen,« zischte Coldharbour Smith ihr zu.

 

Mechanisch kletterte sie an der eisernen Leiter nach unten. Ein scharfer Geruch von rostigem Eisen schlug ihr entgegen. Sie befand sich in einem engen Raum und trat auf Ketten. Es war kaum Platz genug, daß man aufrecht stehen konnte, trotzdem folgte ihr auch Smith noch und zog die eiserne Tür dicht hinter sich zu. Sie standen dicht beieinander. Coldharbour Smith war hinter ihr und hatte seine dicken Hände auf ihre Schultern gelegt.

 

»Ich dachte nicht, daß sie schon so bald kommen würden,« flüsterte er heiser. »Aber der Kapitän ist ja betrunken, der Kessel ist kalt, da werden sie nicht denken, daß ihnen ein Streich gespielt wird.«

 

»Wer hat die Sache verraten?« fragte der andere im selben Ton.

 

»Barnett … vielleicht hatten sie auch jemand zum Klub geschickt … Featherstone ist ein sehr umsichtiger Mensch, ein verdammter Kerl!«

 

Der kleine Raum, in dem sie standen, lief spitz nach vorne zu, und am engsten Teil sah Valerie zwei schmale, ovale Öffnungen, durch die die Ankerketten hindurchliefen. Von ihrem sternchenland.com Platz aus konnte sie den Fluß sehen, und sie hörte deutlich das Geräusch eines näherkommenden Motorboots.

 

Sie vernahmen den Anprall, als es an dem Dampfer anlegte, und dann hörte sie eine Stimme – es war Jim Featherstone. Sie öffnete den Mund und wollte schreien, aber Coldharbours Hand legte sich mit eisernem Griff auf ihren Mund.

 

»Wenn Sie rufen, drehe ich Ihnen das Genick um!«

 

Er fürchtete sich und sie konnte fühlen, wie er zitterte. Schritte tönten auf dem eisernen Deck, dann wurde es ganz ruhig.

 

»Sie sind nach unten gegangen,« flüsterte der andere Mann. Smith nickte ihm zu.

 

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Leute, die das Schiff durchsuchten, wieder nach oben kamen. Sie hörte die Schritte über ihrem Kopf.

 

»Das ist der Raum für die Ankerketten, dort können sie nicht sein, aber ich will den Raum durchsuchen, wenn Sie es wünschen,« sagte eine Stimme, die Valerie nicht kannte.

 

»Ich glaube nicht, daß sie überhaupt an Bord sind. Barnett ist bestochen worden, uns auf eine falsche Fährte zu führen.«

 

Coldharbour grinste in der Dunkelheit.

 

Oben berieten sich die Leute, dann gingen sie nach der Seite des Schiffes. Man hörte, wie sie ins Motorboot kletterten und wie sich das Fahrzeug langsam entfernte. Das Geräusch wurde schwacher und schwächer.

 

»Sie sind fort,« sagte Coldharbour Smith und fühlte, wie das Mädchen unter seinen Händen zusammenbrach.

 

Sie hoben sie an Deck und brachten sie schnell wieder in die Kabine. Währenddessen legte ein kleines Boot an dem hinteren Teil des Dampfers an, und der Mann, der darin angekommen war, kletterte langsam an einem herunterhängenden Tau an Deck.

 

Er war vollständig beschmutzt von dem Staub der Landstraße, sternchenland.com und sein sonst so sorgfältig gebürstetes Haar war unordentlich und zerzaust. Seine zarten Hände waren zerkratzt und bluteten Von den ungewohnten Anstrengungen. Es war Julius Savini. Er hatte das Boot unten festgebunden und schritt nun behutsam auf dem Deck vorwärts. In den Händen trug er eine merkwürdige Waffe.

 

Kapitel 47

 

47

 

»Hierfür ist noch Strafporto zu zahlen, Fräulein,« sagte der Postbote. Fay war in ihrem Morgenrock an die Tür gekommen. Sein lautes Klopfen hatte sie aus dem Schlaf geweckt.

 

»Ich nehme keinen unfrankierten Brief an,« sagte sie böse.

 

»Es ist kein Brief, und es ist auch keine Postkarte,« erwiderte der Postbote und betrachtete das abgerissene Stück Papier, das er in der Hand hielt.

 

»Wer hat es geschickt?«

 

Der Postbote grinste.

 

»Es ist gegen die Dienstvorschriften, Ihnen das zu sagen, aber hier hat sich jemand mit Julius unterschrieben.«

 

Sie riß ihm die Karte aus der Hand und gab ihm das Geld.

 

Es dauerte mindestens fünf Minuten, bis sie die Botschaft entziffert hatte. Sie war auf ein Stück Papier geschrieben, das aus einem Notizbuch herausgerissen war. Auf der einen Seite stand in Bleistiftschrift ihre Adresse. Die Schriftzüge waren kaum leserlich.

»Lacy hat Miß H. weggebracht, sah sie im Dorf, sprang auf den Wagen, fuhr mit ihnen zum G. Osten. Smith, L. und Miß H. kommen heraus und fahren im Boot zu einem Schiff. Ich folge. Featherstone mitteilen.«

Kaum hatte Fay den Inhalt verstanden, als sie rasch zum Telephon ging. Sie versuchte drei verschiedene Nummern, sternchenland.com ohne Featherstone zu erreichen. Aber sie hinterließ überall Nachricht, für ihn. Sie hatte sich eben angezogen, als das Telephon läutete. Sie nahm den Hörer ab. Jims müde Stimme antwortete ihr.

 

»Sie haben mich angerufen, Fay?«

 

Sie las ihm den Brief am Telephon ohne weitere Erklärung vor.

 

»Das hat Julius fein gemacht. Wo ist die Karte aufgegeben?«

 

Sie schaute nach.

 

»Postamt E 5,« sagte sie. »Haben Sie ihn nicht gesehen – Julius meine ich?«

 

»Nein, ich habe auch nichts von ihm gehört. Hat er nicht gesagt oder geschrieben, welchen Namen das Schiff hat?«

 

»Nein, wie er die Karte schrieb, konnte er es doch noch nicht wissen.«

 

»Ich komme sofort zu Ihnen.«

 

Zehn Minuten später war er in ihrer Wohnung. Er sah überarbeitet aus, war unrasiert und staubig.

 

»Wir haben ein Schiff unten an der Mündung des Flusses angehalten, aber sie waren nicht an Bord. Das war auch nicht möglich, wenn das Schiff, das Julius sah, vorigen Abend noch im Fluß lag. Es war nämlich Ebbe und vor vier Uhr heute morgen hätten sie überhaupt nicht ausfahren können.«

 

Sie machte sich in der Küche zu schaffen und brachte ihm heißen Kaffee, wofür er sehr dankbar war.

 

»Ihr Telephon klingelt,« sagte Jim plötzlich und sprang auf. »Vielleicht ist es Julius. Kann ich ihm antworten?«

 

»Ich werde einen schlechten Ruf bekommen,« erwiderte sie, »aber Sie können ihm ja erklären, daß ich nicht die Gewohnheit habe, Polizeibeamte zum Frühstück einzuladen.«

 

Jim Featherstone erkannte sofort die Stimme Abel Bellamys.

 

»Ist Savini dort?« fragte er.

 

sternchenland.com Jim winkte Fay an den Apparat und reichte ihr den Hörer.

 

»Wo ist Ihr Mann?« fragte Bellamy.

 

»Er ist nicht hier. Ist er denn nicht in Garre?«

 

»Würde ich denn nach ihm fragen, wenn er in Garre wäre? Er ist gestern abend ausgegangen und noch nicht zurückgekommen. Sie können ihm sagen, daß er seine Kleider und sein Geld abholen soll – er ist entlassen!«

 

»Vielleicht ist er mit Lacy zusammen,« sagte Fay in ihrer liebenswürdigsten Stimme. »Lacy ist nach Garre gefahren, um Miß Howett zu Coldharbour Smith zu bringen – die Polizei weiß alles!«

 

Ein langes Schweigen folgte auf der anderen Seite und sie dachte schon, er hätte angehängt. Aber dann antwortete er wieder.

 

»Ich weiß nichts von Lacy,« sagte er mit sanfterer Stimme, »und noch viel weniger etwas von Miß Howett. Was ist denn das für eine Geschichte, die Sie mir da erzählen?« Und nach einer Pause fragte er: »Was wird die Polizei denn unternehmen?«

 

Sie hielt den Empfänger zu und wiederholte flüsternd seine Frage.

 

»Sagen Sie ihm, daß alle Schiffe im Fluß angehalten werden.«

 

»Es ist jemand bei Ihnen in der Wohnung,« sagte der argwöhnische Bellamy. »Wer ist das?«

 

Jim nickte.

 

»Captain Featherstone,« rief Fay und hörte wie Bellamy fluchte und den Hörer wütend anhing.

 

»Jetzt ist die Frage, wo ist Julius,« meinte Jim. »Ich muß gestehen, daß ich schon ein wenig beruhigter bin, seit ich weiß; daß er in der Nähe ist. Ich hätte mir früher nicht im Traum einfallen lassen, daß ich mich jemals auf ihn verlassen würde!«

 

sternchenland.com »Da kennen Sie Julius nicht,« erwiderte Fay stolz.

 

Unglücklicherweise kannte aber Jim Julius Savini nur zu genau, aber er sprach jetzt lieber nicht darüber.

 

Er kehrte in sein Büro zurück, wo Mr. Howett auf ihn wartete. Ihr Stiefvater hatte die Nachricht von der Gefahr, in der sich Valerie befand, sehr tapfer aufgenommen.

 

»Ich kann nicht glauben, daß ihr Böses zustößt,« sagte er. »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, Captain Featherstone, daß Sie keine Ausgaben zu scheuen brauchen, um sie wiederzufinden.«

 

»Wenn man sie mit Geld aus der Gefahr befreien könnte, dann wäre sie schon frei,« sagte Jim so ruhig und geduldig er nur konnte. »Verzeihen Sie, daß ich ein wenig aufgeregt bin, aber das ist ja nicht verwunderlich nach dieser Nacht. Sie waren nicht in Lady’s Manor, als Miß Howett fortfuhr?«

 

»Nein, ich war in London.« Mr. Howett fiel das Sprechen schwer. »Aber selbst wenn ich in Garre gewesen wäre, hätte ich sie nicht zurückgehalten, da sie ein Mann von Scotland Yard begleitete. Haben Sie schon irgendwelche Anhaltspunkte?«

 

»Ja, ich glaube,.« sagte Jim nach einigem Nachdenken. Er klingelte nach seinem Sekretär. »Gehen Sie ins Archiv und sehen Sie die Akten von Lacy nach, Henry Francis Lacy, wenn ich mich recht erinnere. Er wurde vor drei Jahren von den Geschworenen von Old Baley wegen Einbruchs verurteilt. Geben Sie seine Personalbeschreibung allen Polizeistationen auf, er soll festgenommen werden, wo er gefunden wird. Man soll mich sofort benachrichtigen, wenn er verhaftet worden ist. Lacy wird sich, wenn er keinen Verdacht schöpft, irgendwo in der Nähe des ›Goldenen Ostens‹ aufhalten. Dies ist um so wahrscheinlicher, als Barnett mir den Namen des Mannes nicht nannte, der Valerie Howett zum Schiff brachte. Lacy wird zuerst zum ›Goldenen Osten‹ gehen, um festzustellen, wie weit er verdächtigt wird.«

 

sternchenland.com »Was halten Sie von Julius Savinis Verschwinden?«

 

»Julius ist ein merkwürdiger Mensch – manchmal hält er sich ganz ordentlich und gerade dann, wenn es niemand vermutet. Ich bin überzeugt, daß die Nachricht, die er seiner Frau sandte, vollkommen richtig ist. Er ist jetzt irgendwo in der Nähe Valeries. Ich hätte mir nie einfallen lassen, daß ich Julius Savini einmal beneiden würde.«

 

Ein kaltes Bad, neue Wäsche und Kleider erfrischten Jim Featherstone und er machte sich sofort wieder an die Arbeit.

 

Die Themsepolizei hatte eine umfassende Durchsuchung aller Schiffe angeordnet, die im Pool lagen, von der Londonbrücke bis nach Greenwich hinunter. Jim befand sich auch auf der kleinen Dampfpinasse, mit der der Oberinspektor von Schiff zu Schiff fuhr. Aber alle Nachforschungen waren bisher erfolglos gewesen. Als sie auch wieder an der »Contessa« vorüberkamen, sah Jim gelben Rauch aus ihrem Schornstein aufsteigen, aber das einzige sichtbare menschliche Wesen an Deck war ein unordentlich aussehender Matrose, der mit verschränkten Armen an der Reling stand.

 

»Es hat wohl keinen Zweck, sie noch einmal zu durchsuchen,« meinte Jim.

 

»Ich glaube auch,« erwiderte der Inspektor. »Es wäre doch sehr unlogisch, eine Dame auf ein Schiff zu bringen, das nicht einmal zur Abfahrt bereit liegt. Barnett hat wieder gelogen.«

 

Jim nickte, aber er schaute doch nachdenklich auf den breiten, häßlich aussehenden Frachtdampfer. Er hätte gewünscht, daß Barnett die Wahrheit gesagt hätte. Als er später den Barmann im »Goldenen Osten« wieder aufsuchte, fand er ihn in Tränen aufgelöst.

 

»Und wenn ich in dieser Minute sterben soll, Captain, ich habe Sie nicht belogen! Wenn ich Ihnen etwas Falsches gesagt habe, so kann es nur daher kommen, daß Coldharbour wußte, daß ich am Schlüsselloch zuhörte.«

 

sternchenland.com »Haben Sie noch etwas anderes gehört, als daß sie an Bord der ›Contessa‹ gehen wollten?«

 

»Ja, Coldharbour sagte, daß er die junge Dame heiraten würde, wenn sie an Bord seien. Er erzählte diesem spanischen Kapitän, wie hübsch sie sei, und daß er eins der Mädchen, die hier im ›Goldenen Osten‹ verkehren, fortgeschickt habe, um einen ganzen Koffer voll schöner Kleider für sie zu kaufen, denn sie hatte doch nichts mit sich, als sie an Bord ging. – Ich habe nun all meine Ersparnisse in diesen Klub gesteckt,« sagte der niedergeschlagene Mann. »Und ich habe sogar Geld auf Zinsen geborgt – Sie können sich vorstellen, wie es mir geht, Captain. Ich hätte Coldharbour zehnmal im Stich gelassen, nur um mein Geld nicht zu verlieren. Alles, was ich Ihnen gesagt habe, ist richtig.«

 

Jim glaubte ihm. Wenn die Nachforschungen nach Valerie nicht zum Ziel geführt hatten, so war das nicht der Fehler des Barmanns. Coldharbour hatte vielleicht die Unterhaltung absichtlich so geführt, und die Tatsache, daß er englisch und nicht spanisch gesprochen hatte, war für Jim hinreichender Beweis.

 

Es kam noch etwas anderes dazu, das für Barnett von großem Vorteil war. Die Polizei hatte wenig Interesse daran, den »Goldenen Osten« zu schließen, wie Jim ihm gedroht hatte. Diese Lokale, in denen die Verbrecher verkehrten, starben mit der Zeit aus, und es dauerte sehr lange, bis diese Leute sich in einem neueröffneten Lokal heimisch fühlten. El Moro’s diente demselben Zwecke, und wie die Motten in die Flamme fliegen, so drängte alles, was irgendwie zur Verbrecherwelt gehörte, im Westen dorthin. Der »Goldene Osten« erfüllte dieselbe Aufgabe am anderen Ende der Stadt.

 

Jim fragte Barnett noch aus, als Spike Holland mit neuen Nachrichten kam. Er war hergekommen, um Erkundigungen nach dem Wagen einzuziehen, der Miß Howett und den angeblichen Polizeibeamten hierhergebracht hatte.

 

sternchenland.com »Hinten saß ein Mann auf dem Gepäckhalter, er ist an zwei oder drei Stellen beobachtet worden, besonders in der einen Vorstadt von London. Ein Polizist sah ihn und wollte ihn von dem Wagen entfernen. Nach der Personalbeschreibung besteht gar kein Zweifel, daß es Julius war.«

 

»Dieser Savini ist doch ein merkwürdiger Mensch,« meinte Jim nachdenklich, »aber diese Nachricht bestätigt seine Botschaft. Wo mag er jetzt sein? Wenn wir ihn finden können, ist es leicht, Miß Howett zu entdecken.«

 

»Der alte Bellamy ist in die Stadt gefahren – er kam heute morgen an,« sagte Spike. »Da Julius nun fort ist, kann man nur sehr schwer neue Nachrichten bekommen, denn der jetzige Pförtner ist eine armselige Aushilfe. Aber er hat mir wenigstens erzählt, daß Bellamy fortgefahren ist und in den nächsten Tagen nicht zurückkehren wird. Und das ist doch sehr seltsam, denn in den letzten acht Jahren hat er keine Nacht außerhalb der Burg verbracht. Julius hat mir davon nie etwas gesagt, das habe ich von dem Pförtner, Captain, ich habe jetzt einen wichtigen Anhaltspunkt für den Grünen Bogenschützen.«

 

Jim Featherstone war nicht in der Stimmung, im Augenblick mit ihm über den Grünen Bogenschützen zu diskutieren, aber er hörte so geduldig zu, wie er nur irgend konnte.

 

»Ein Mann, der Pfeil und Bogen so außerordentlich sicher handhabt, wie unser grüner Freund, muß sehr viel Übung gehabt haben,« erklärte Spike. »Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«

 

»Ich habe noch nicht viel darüber nachgedacht,« sagte Jim ein wenig schroff. Er wollte seine Nachforschungen sobald wie möglich wieder aufnehmen, und Spike war ihm im Augenblick sehr hinderlich.

 

»Bogenschießen ist ein außergewöhnlicher Sport. In den Tagen des guten Königs Hokum, als die fröhliche Jugend ins Grüne hinauszog und alle Mädchen sich mit einem sternchenland.com Manne sehen lassen wollten, der ein goldenes Abzeichen trug – das bedeutete nämlich im Mittelalter, daß er das Zentrum der Scheibe getroffen hatte – da war es noch etwas anderes.«

 

»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Holland?«

 

»Ich meine,« sagte Spike sehr ernst, »daß wir den grünen Mann herausfinden werden, wenn wir die Gesellschaften durchsuchen, die das Bogenschießen pflegen. Ich bin eigens zur Stadt gekommen, um heute den Sekretär einer solchen Gesellschaft zu sprechen. Wahrscheinlich kann ich etwas von ihm erfahren.«

 

»Das glaube ich auch,« sagte Jim, der außerordentlich froh war, als er den Zeitungsreporter wieder los wurde.

 

Die Gesellschaft für Bogenschießen hatte ihre Räume in Regent’s Park und Spike hatte Glück, daß er zu gleicher Zeit mit dem zweiten Sekretär dort ankam.

 

»Ja, ich kann Ihnen die Mitgliederlisten der letzten dreißig Jahre zeigen,« sagte der Beamte.

 

Spike brachte den ganzen Nachmittag damit zu, die Klubakten zu studieren.

 

Als er gerade einen Bericht über ein früheres Wettschießen durchlas, hielt er plötzlich erstaunt inne und ging wieder zu dem Sekretär.

 

»Der Name ist mir bekannt,« sagte Spike. »Ist er auch unter den Mitgliedern?«

 

Sie suchten alle Listen durch, ohne ihn zu finden.

 

»Es war ein offener Wettbewerb, das heißt, es konnten sich Nichtmitglieder daran beteiligen,« erklärte der Sekretär. »Es ist allerdings merkwürdig, daß der Name nicht in unseren Verzeichnissen steht, denn die Leistungen dieses Herrn müssen ganz außerordentlich gut gewesen sein. – Wie Sie sehen, hat er zehnmal hintereinander Zentrum geschossen. Kennen Sie ihn?«

 

»Ich glaube ja,« sagte Spike atemlos.

 

Endlich hatte er den Grünen Bogenschützen entdeckt! sternchenland.com