Die Kasperles im Kino

Auf der Messe war auch ein Lichtspieltheater. Und die Kasperles, neugierig wie die Elstern, beschlossen hineinzugehen. Der Besitzer hatte geboten: »Macht kein Aufhebens, wenn die Kasperles kommen.« Er dachte nämlich, die beiden könnten allerhand anstellen. Die beiden gingen also eines Tages mit den besten Vorsätzen in das Theater. Sie wollten ganz gewiß nichts anstellen, ja das wollten sie, aber . . . Als sie in den dunklen Zuschauerraum gelassen wurden, erschraken sie sehr und sie stolperten mit Getöse den Gang entlang.

»Da setzt euch,« sagte das Fräulein mit der Lampe.

Ja setzen, wenn man nicht sehen kann.

Auf einmal saß Kasperle einer Dame auf dem Schoß und Bimlim umarmte den dazu passenden Herrn.

»Hilfe, Hilfe, Mörder!« kreischte die Dame. Sie dachte, Kasperle wollte sie umbringen.

Weil Kasperle der Meinung war, zwei schrien immer besser als einer, schrie Kasperle auch um Hilfe, da er nicht wußte, daß er der Übeltäter war.

»Hilfe, Hilfe!« gellte es durch das Theater und ein Diener sprang herzu und drehte das Licht auf. Da saß Kasperle auf dem Schoß der Dame und beide schrien um die Wette.

»Er mordet mich!«

»Mich auch,« stöhnte der Herr, den Bimlim immer noch umhalst hatte.

»Ih nee, das tun die Kasperles nicht.«

»Kasperles!« Im Nu sahen so und so viele Kinderköpfe herum, Kinderaugen suchten, Kinderbeine zappelten, um zu Kasperle zu eilen, das ganze Publikum geriet in Unruhe.

»Was, der häßliche Kerl auf meinem Schoß soll ein Kasperle sein?« rief die Dame. Da schnitt Kasperle, empört über den Zweifel, ein Räuber- und ein Menschenfressergesicht, dabei neues Geschrei der Dame. Endlich setzte der Diener Kasperle und Bimlim neben die schreiende Dame und sagte ein bißchen streng: »Nun still.«

Nun wußten Kasperle, Dame, Bimlim und Herr nicht, wer gemeint war, und darum waren sie alle still, und es wurde wieder dunkel. Aber nicht lange hielt die Stille an, denn auf einmal ertönte Kasperles laute, kreischende Stimme: »’n bißchen lauter, ich kann gar nichts verstehen.«

Kasperle spricht. Wieder drehten sich Kinderköpfe um, wieder zwirbelten Buben- und Mädelbeine und Kindermünder lachten. Kasperle dachte, die Kinoleute sind lebendig. O das blitzdumme Kasperle!

»Lauter!« schrie nun auch Bimlim. Da sagte der Herr herablassend: »Das sind nur Bilder.«

»Nä,« sagte Kasperle laut, »die sind lebendig. Da!« Ein gellender Aufschrei: »Er schießt, er schießt!«

Kasperle fuhr aus dem Stuhle hoch und kreischte: »Mann, sieh doch, Mann, sieh doch, er schießt!«

Ein lautes Lachen brauste durch den Saal und Kasperle sah Bimlim erstaunt an und Bimlim sah ihn erstaunt an.

»Es sind Bilder, mein Sohn,« sagte der Herr mild.

»Du schwindelst.« Kasperle war entrüstet, daß ihm der Herr etwas weismachen wollte, und Bimlim war mit entrüstet, der rief: »Schwindelpeter!«

»Du bist ein ganz frecher Junge.«

»Ich bin kein Junge.«

»Na, was denn?«

»Ein Kasperle.«

»Stille!« tönte es durch den Saal, »Mund halten!«

»Siehste,« sagte Kasperle laut, »du sollst den Mund halten.«

Das ging dem Herrn doch über den Spaß und patsch bekam Kasperle eins auf den Mund.

Der arme Herr wußte nicht, was er angerichtet hatte, denn er hatte in seinem Leben noch kein Kasperle schreien hören. Kasperle schrie so, daß nun alle dachten, er werde wirklich umgebracht und Bimlim schrie mit.

Der Diener kam ganz aufgeregt herbei: »Was ist denn los?«

»Er haut mir, er haut mir!«

»Bloß einen Klaps,« sagte der Herr verlegen und die Dame sagte milde: »Aber Kasperle, es war ganz sanft.«

So war’s, und klapp hatte die Dame eins auf dem Mund und sie wollte gleich in Ohnmacht fallen, da sagte Kasperle: »Man muß sie auf den Kopf stellen,« und flugs war die Dame wieder munter.

»Ruhe,« rief ein ungeduldiger Zuschauer, »nicht so schreien.«

»Ich schreie nicht mehr!« Kasperle brüllte, als wären alle stocktaub, und der Diener sagte ganz streng: »Wenn du nicht gleich still bist, dann wirst du nausgestellt.«

»Es muß ihm gesagt werden, daß das nur Bilder sind,« flüsterte der Herr.

Aber Kasperle hatte das Flüstern doch verstanden und das vermeintliche Geschwindle empörte ihn, er brüllte wieder: »Nä, das sind keine Bilder! Bilder kenne ich, die wackeln nicht, da spuckt man drauf, dann kleben sie.«

Ein lautes Gelächter durchbrauste den Saal und das Publikum verlangte, Kasperle sollte an die weiße Wand geführt werden und selbst sehen, daß es Bilder wären.

Der Herr des Lichtspielhauses mußte kommen und Kasperle wurde zur allgemeinen Freude wirklich an die weiße Wand geführt. Das erste, was er tat, war, daß er einen kräftigen Stoß gegen den Bösewicht des Stückes führte: »Das war der, der geschießt hat,« schrie er. Zu seiner Verwunderung traf er nur die Wand und keinen Menschen. Da fing er allmählich an zu glauben, daß es wirklich nur Bilder waren. Er ging suchend zu seinem Platz zurück, ein kleines feines Mädchen aber rümpfte die Nase, als Kasperle vorbeiging: »Wie der riecht.« Es ging wirklich ein unholdes Düftchen von Kasperle aus. Man konnte schon sagen, er stank.

»Nach was riechst du denn?« fragte die Dame, als er vorbeiging, aber Kasperle wollte sehen und sich nicht unterhalten, er sagte patzig: »Du riechst.«

Da drehten sich ein paar Leute um und sagten: »Es riecht wirklich entsetzlich.«

»Ich bin’s nicht, du bist es,« schrie Kasperle zum Entsetzen der Dame.

»Hier hat jemand Käse mit,« sagte ein alter Herr.

»Hinter mir ist es,« sagte ein Herr, der vor der Dame saß.

»Aber ich bin es nicht.«

»Doch, du bist es.«

Kasperle war sehr frech. Er steckte ein Käsepaketchen, das er vergessen hatte, dem Kasperlemann abzugeben, der Dame unter den Mantel und sagte wieder: »Du bist es.«

Da kam der Aufsichtsbeamte, hielt sich die Nase zu und sagte: »Käse mit ins Kino zu nehmen, ist nicht erlaubt.«

»Ich bin’s nicht,« die Dame stand auf und das Käsepaketchen fiel zu Boden.

»Da ist es,« sagte der Aufsichtsbeamte, »was so riecht.«

»Es gehört mir nicht,« die Dame war wütend und ihr Mann stand auf und sagte: »Wir wollen gehen.«

Sie gingen und die Kasperles hatten die Stuhlreihe für sich allein.

»Nun betragt euch anständig,« sagte der Aufsichtsbeamte und nahm den Käse mit.

Beinahe hätte Kasperle geschrien: »Mein Käse!« er schwieg aber und saß ganz steif und still auf seinem Platz, denn er hatte ein sehr schlechtes Gewissen.

»Kasperle ist fortgegangen,« riefen ein paar Kinder, »wie schade.«

Trotz seines schlechten Gewissens hörte Kasperle das gern und er brüllte laut: »Nä, ich bin da, aber der Käse ist fort.«

Nun lachten wieder alle und der Aufsichtsbeamte dachte: Warte Kasperle, dich kriege ich noch! Der den Käse gehabt hat, bist du gewesen.

»Stille!« mahnte er, denn Kasperle zeigte nicht geringe Lust, ein Gespräch mit den Kindern zu beginnen.

Da schwieg Kasperle muckstill, denn sein Gewissen war noch wach. Aber ein Kasperlegewissen schläft bald ein und Peringels Gewissen schlief ganz fest ein.

Die Vorstellung ging weiter. Ein Lustspiel löste das Drama ab und plötzlich lachte Kasperle und schrie: »Er hat sich in den Pudding gesetzt!«

Ein Mann hatte sich auf einen Zylinder gesetzt und Kasperle dachte, es wäre ein Pudding.

»Kasperle sei still!«

Aber Kasperle war nicht still. Der lachte und lachte sein echtes freches Kasperlelachen und das steckte an. Erst lachten ein paar Kinder mit, dann Erwachsene, immer mehr lachten und zuletzt dröhnte das Haus wider vom Lachen des Publikums.

Und je mehr die andern lachten, je mehr lachte Kasperle.

So war noch nie in einem Kino gelacht worden und ein dicker Herr rief: »Ich platze!«

»Ich platze auch!« rief eine Dame.

»Ich bin schon geplatzt!« rief Kasperle.

»Wo denn?« fragten die Kinder.

»An meinem Hösle ist ein Knöpfle abgesprungen.«

Da brauste das Lachen von neuem auf. Der Aufsichtsbeamte wollte »Stille« rufen, er mußte aber selbst so lachen, daß ihm die Tränen kamen.

Und dem dicken Herrn platzten drei Hosenknöpfe ab und er bat seine Frau um eine Sicherheitsnadel.

»Nun aber still,« flüsterte der Aufsichtsbeamte Kasperle zu, und weil Kasperles Gewissen wieder aufwachte, hielt er sich selbst den Mund zu.

Da erlosch das freche Kasperlelachen und alle sagten wieder: »Wie schade, Kasperle ist fort.«

»Nä, ich bin noch da.«

»Bleibst du noch?«

»Ja, noch lange.«

»Still.«

Schwupp war Kasperle wieder ganz still. Unheimlich still, dachte nach einer Weile der Aufsichtsbeamte. Was macht er nur?

Das Sehen nach der weißen Wand hatte Kasperle ermüdet und auf einmal sah er, daß Bimlim schlief. Da dachte er, das kann ich auch, schloß die Glitzeräuglein und auf einmal sagte jemand: »Was rasselt nur so?«

»Das ist die Maschine,« sagte eine andere Stimme.

»Eine Ratte ist’s,« kreischte ein Fräulein.

»Uh je,« quiekte eine andere.

»Es muß etwas an der Maschine kaputt sein,« sagte die erste Stimme.

»Es wird doch kein Unglück passieren.«

»Kasperle schnarcht,« rief der Aufsichtsbeamte und ein lautes Lachen brauste durch den Saal.

Davon erwachten die Kasperles und sie sahen verdutzt um sich, wußten gar nicht, wo sie waren.

»Ausgeschlafen?« fragte jemand.

»Nä,« schrie Peringel und Bimlim machte »uah.«

Der Aufseher aber nahm beide Kasperles beim Schlafittchen und führte sie hinaus, denn schnarchen im Kino, das ging nun doch nicht.

Draußen, als die beiden noch recht verdutzt dastanden, sagte er: »Hier ist auch der Käse.«

Eilfertig griff Peringel danach und der Aufseher lachte: »Also, du warst es doch,« sagte er.

Da merkte Kasperle, daß er sich verraten hatte und er brach in ein ungeheures Gelächter aus.

»Kasperle lacht draußen!« Die Kinder im Saal sprangen hoch und verlangten, Kasperle solle wieder hereinkommen. Das tat Kasperle gern und beinahe nahm er den Käse wieder mit in den Saal, aber der Aufseher merkte es noch zur rechten Zeit. Das war gut, denn wenn Käse und Kino auch beide einen Anfangsbuchstaben haben, so passen sie doch nicht zusammen wie Kasperle und Kino.

Was die Kasperles wert sind

So viele Gröschleins die Kasperles auch einnahmen, für den Kasperlemann langte es doch nicht. Erstens aßen die Kasperles sehr viel und der Kasperlemann war sehr gutmütig, er ließ ihnen viele Gröschleins für Pfannküchlein. Es war nämlich so: je mehr die Kasperles davon aßen, je besser schmeckten sie ihnen. Und wenn Sauerkraut auf dem Tisch stand, verlangte Peringel Pfannküchlein, denn von Sauerkraut bekomme er Magenschmerzen, sagte er. Ob er schwindelte? Der Kasperlemann wußte nicht, wie es in einem Kasperlemagen aussah, und Schmerzen sollte sein Kasperle nicht leiden. Er liebte nämlich seine beiden Kasperles sehr und sagte oft: »Ich wollte, ihr könntet bei mir bleiben.« Er wollte sie aber nach der Messe zu Meister Drillhose bringen, dem sie doch eigentlich gehörten.

»Haste denn genug Geld, wenn die Messe aus ist?« fragte Peringel einmal.

»Bleibt ihr doch bei mir.« Der Kasperlemann seufzte. »Nein,« sagte er traurig, »dann habe ich immer noch nicht Geld genug. Ich habe Schulden.«

»Was ist denn das, was zum Essen?«

»Nein, etwas sehr Schlimmes.«

»Bauchweh?« fragte Peringel mitleidig.

»Nein, es ist, wenn man jemand Geld geben muß und es nicht hat.«

»Wird Herr Jemand da böse?«

»Ja, sehr böse. Er nimmt mir meine Kasperlebude weg.«

»Das soll er nicht, wir hauen ihn.«

»Ach, das hilft nichts.«

»Warum hast du denn Schulden?« Peringel war sehr neugierig.

»Weil ich so lange krank war und all mein Geld für’s Krankenhaus hergeben mußte.«

»Haste Bauchweh gehabt?« Peringel kannte nur die eine Krankheit und er dachte mitleidig, der Kasperlemann hätte gewiß zu viel Pfannküchlein gegessen.

»Ich hatte den Fuß gebrochen.« Der Kasperlemann deutete auf sein Bein und Peringel sah es neugierig an und fragte: »Ist’s von Porzellan?«

Der Kasperlemann wollte gerade dem dummen Kasperle das Beinbrechen erklären, als die Dame aus der Schießbude kam und ein Zeitungsblatt schwenkte: »Da steht etwas drin von den Kasperles.«

Die beiden staunten und der Kasperlemann staunte noch viel mehr, als die Dame las: »Zwei Kasperles verloren gegangen. Sie sind jedenfalls mit einem Flugzeug entführt worden. Wer sie unversehrt wiederbringt, bekommt 500 Mark. Torburg, Meister Drillhose.«

»Hast du Glück!« sagte die Schießbudendame.

»Unverschämtes Glück!« sagte der Schlangenmensch neidisch, der dabei stand.

»Ja, bekomme ich denn das Geld?« Der Kasperlemann war ganz verwirrt.

»Natürlich,« rief der Schlangenmensch.

»Ist das viel?« fragte Peringel.

»Sehr viel, damit bin ich aus allen Sorgen heraus.«

»Aber wenn dir jemand die Kasperles fortnimmt? Sie gehören Dir doch nicht,« meinte die Schießbudendame.

Das war eine Frage. Wer hatte die Kasperles eigentlich gefunden? Es entstand bald ein lebhafter Streit auf dem Meßplatz, wer eigentlich der Finder der Kasperles wäre, denn jeder wollte es gewesen sein, jeder wollte die Belohnung einstecken.

»Wir wollen ausreißen,« schlug Peringel sein beliebtes Hilfsmittel dem Kasperlemann vor. Und der war damit einverstanden. Es kam ihm am gescheitesten vor, mit den beiden Kasperles heimlich den Festplatz zu verlassen.

Am nächsten Morgen ging ein Zug nach Torburg, mit dem beschlossen der Kasperlemann und die Kasperles abzufahren. »Ihr dürft es niemand verraten,« sagte der Kasperlemann und die beiden gelobten auch Stillschweigen.

Sie verrieten auch niemand etwas und legten sich am Abend in das Bett, das eigentlich dem Kasperlemann gehörte und das er den beiden abgetreten hatte. Es stand im Budchen und war ein luftiger Schlafplatz, denn nur eine Leinwand trennte es von draußen. Der Kasperlemann selbst hatte sich vorn in dem kleinen Theater ein Plätzchen zurechtgemacht.

»Weck uns auch morgen zur rechten Zeit,« schrie Peringel mit einer Stimme, die auf dem halben Meßplatz zu hören war.

»Die wollen ausreißen,« tuschelte der Schlangenmensch einem Chauffeur zu, mit dem er zusammenstand.

»Hätte ich das gewußt, daß eine so hohe Belohnung gezahlt wird, dann hätte ich die beiden gefahren.«

»Wollten sie denn?«

»Ja, für 70 Pfennig.« Die beiden lachten und auf einmal sagte der Schlangenmensch: »Was nicht ist, kann noch werden.« Die beiden tuschelten eine Weile zusammen und dann gingen sie und kauften eine Riesentüte der allergrößten Pfannküchlein.

In der Nacht war es.

Kasperle schlief ganz fest, als ihm auf einmal unversehens ein großer Pfannkuchen in den Mund geschoben wurde, Bimlim geschah das gleiche. Der Pfannkuchen war so groß, daß die beiden beinahe daran erstickten. Sie fühlten, wie sie hochgehoben und weggetragen wurden. Kaum hatte Peringel seinen Pfannkuchen runtergeschluckt, da hatte er schon wieder einen im Munde.

Aber Kasperle war doch ein Held.

Er spuckte in einem großen Bogen aus und begann mörderlich zu schreien.

Flugs wurde er aber in Decken gepackt, daß ihm das Schreien verging.

»Hier schrie doch jemand so,« sagte ein Schutzmann.

»Wer spuckt denn hier Pfannkuchen aus?« fragte ein Herr.

»Da ist etwas nicht richtig,« sagten alle beide.

In dem Augenblick kam der Kasperlemann gelaufen: »Meine Kasperles sind weg.«

»Da vorne in dem Auto hat es geschrien,« rief jemand.

»Ich sehe nach.« Ein Chauffeur kurbelte an, der Kasperlemann sprang in den Wagen und los ging die Fahrt.

Die Kasperles lagen eine Weile ganz ruhig in ihren Decken und der Schlangenmensch sagte, denn er war es wirklich: »Ich sehe nach, ob ihnen etwas fehlt.« Er wickelte also Peringel aus und sah, daß der ganz steif war. Da bekam er einen tüchtigen Schreck und begann Peringel heftig zu schütteln. Auf einmal klatsch bekam er eine mächtige Ohrfeige und Peringel sprang auf und riß Bimlim in die Höhe und beide kobolzten aus dem Wagen hinaus. Ehe sich der Schlangenmensch und der Chauffeur noch recht besonnen hatten, waren die beiden schon ein Stück die Straße entlang gepurzelbaumt.

Weil Menschen auf der Straße gingen, wagten der Schlangenmensch und der Chauffeur nicht umzukehren und Peringel und Bimlim gingen ganz gemächlich den Weg zurück.

Auf einmal rief jemand: »Da gehen die Kasperles.«

Es war der Kasperlemann und die Freude war gegenseitig riesengroß.

»Nun fahr’ ich sie gleich nach Torburg,« rief der Chauffeur.

Das war allen drei recht, besonders den Kasperles, denn im Auto zu fahren, dünkte ihnen sehr unterhaltsam.

Es ging auch wie der Wind.

Häuser, Menschen, Wälder, Wiesen, Berge, Täler, alles flog vorbei und auf einmal schrie Peringel: »Das kenne ich.« Sie fuhren an Schloß Himmelhoch vorbei. Die Kasperles schnitten Gesichter, und wenn sie an menschlichen Wohnungen vorbeikamen, da lachten die Leute. Einmal sangen sie auf der Straße ein Lied, da sang Kasperle mit. Er kannte das Lied, Florizel hatte es gedichtet und Kasperle hatte es vor vielen Jahren gesungen.

Aber das Singen hatte Kasperle noch nie recht gekonnt, er sang noch wie ein altes Scheunentor, wenn es der Wind bewegt, und die Kinder auf der Straße lachten über das Singen. Da schnitt er ein Unhold- und Räubergesicht und geschwind rissen die Kinder aus.

Und endlich kam Torburg. Die erste, die Kasperle erkannte, war Liebetraut Severin, die lief auf den Wagen zu und rief: »Kasperle, wir haben uns alle um dich geängstigt.«

»Du auch?«

»Ich auch. Und Marlene war ganz traurig.«

»Wo ist Marlenchen?« schrie Kasperle.

»Bei mir heute nachmittag zum Kaffee, komme du auch.« Das versprach Kasperle und Liebetraut sagte ganz herzlich, denn ihr gefiel heute Kasperle sehr gut: »Wir freuen uns alle, wenn du ins alte Severinhaus kommst.«

»Erst muß ich ihn aber zu Meister Drillhose bringen,« sagte der Kasperlemann.

»Und das viele Geld holen,« rief Kasperle.

»Weißt du, wer das gegeben hat?« fragte Liebetraut.

»Herr Stopps.«

»Ja, Herr Stopps.«

»Sind’s so viel wie zwei Millionen?« fragte Kasperle.

»Nein, so viel lange nicht. Ach, wenn man so viel Geld hätte.«

»Hast du kein Geld?« Kasperle holte zwei Gröschlein aus der Tasche.

»Da, die schenke ich dir.«

Liebetraut Severin lachte über das Geld und das dumme Kasperle machte ein trauriges Gesicht: »Warum hast du kein Geld? Meister Severin hatte doch so viel Geld,« sagte er traurig.

»Er hatte keins,« antwortete Liebetraut nachdenklich.

»Doch, in dem kleinen Kasten im Schlafzimmer, da steckt viel Geld.« Kasperle sah sich auf einmal wieder wie einst im alten Severinhause herumtollen und sah Meister Severin vor seinem Geldfach stehen.

»Kasperle,« rief Liebetraut, »du findest bei uns vielleicht noch einen Schatz, das wäre schön, dann brauchte sich mein Vater nicht so zu sorgen.«

Kasperle gab merkwürdigerweise keine Antwort. Er machte nur ein erschrecklich schlaues Gesicht, so, als jagten sich die Dummheiten in seinem Kasperlekopf.

»Nun aber schnell zu Meister Drillhose.« Der Kasperlemann hatte es eilig.

Da raste das Auto davon und hielt wenige Minuten später vor dem Haus, in dem Meister Drillhose wohnte.

Da liefen dann alle Leute in der Gasse zusammen, als es hieß: »Die Kasperles sind wieder da.«

Das war eine Freude, denn alle hatten schon geglaubt, die Kasperles wären nach Amerika entführt worden.

Der Kasperlemann bekam seine 500 Mark, die er mit dem Chauffeur teilte, und alle beiden sagten froh, nun hätten sie keine Angst vor dem Winter.

Kasperle schenkte ihnen noch seine beiden Gröschlein und glaubte wunder wieviel Geld er gegeben hätte.

Am Nachmittag aber gingen die Kasperles zu Severins in das alte Severinhaus am Kirchplatz und dort wurde Kasperle mit großem Hallo und großer Freude empfangen.

Das tat wohl.

Kasperle kam sich ungeheuer wichtig vor, als alle ihn mit dem Ruf begrüßten: »Da bist du ja endlich wieder im alten Severinhause.«

Kasperle saß wie einst am runden Tisch. Und die um ihn herumsaßen, waren Liebetraut und Rosemarie Severin, Prinzessin Marlenchen, Henry Stopps und die beiden Prinzen, der richtige Prinz und der Kasperleprinz. Und mit allen war Kasperle an diesem Nachmittag gut Freund, denn alle hatten sich um ihn gesorgt und Sorge knüpft feste Bande. Alle waren froh, Kasperle wieder zu haben, und Kasperle und Bimlim mußten erzählen, was sie alles gesehen und erlebt hatten. Kasperle aß und trank, füllte sein Bäuchlein und schwatzte wie eine Elster, da sagte Herr Severin: »Kasperle, weißt du nicht, wo hier im Hause ein Schatz liegt? Es soll einen geben.«

»Da.« Kasperle deutete mit beiden Händen auf einen Wandschrank. Reden konnte er nicht, er hatte zu viel im Munde.

»In dem Schrank ist meine Wäsche,« sagte Frau Severin.

»Da – da drin.« Kasperle konnte noch immer nicht sprechen, er zappelte mit Armen und Beinen.

Da ging Frau Severin und schloß den Schrank auf, er lag voll Tischwäsche. Aber Kasperle sprang wie ein Blitz auf, hin an den Schrank und alle Wäsche lag am Boden und nun sahen es alle: der Schrank war doppelt, dahinter war noch ein Schrank.

»Der Schatz!« schrien alle.

Und dann sagten alle enttäuscht: »Ach Kasperles!«

»Das bin ich,« schrie Kasperle.

Er war es auch. Frau Severin holte zwei Kasperles aus dem Schrank, es waren die letzten, die einst Meister Friedolin geschnitzt hatte, darunter lag sein ganzes Schnitzzeug und eine Geige.

»Auf der hat Meister Severin gespielt,« rief Peringel.

»Ich will einmal darauf spielen,« bat Rosemarie.

»Halt, laßt mal sehen, was noch im Schranke ist.« Frau Severin nahm alles heraus aus dem Schrank. Außer den zwei Kasperles, der Geige und dem Schnitzzeug standen noch ein paar silberne Patenbecher und ein Kästchen drin. Es enthielt nur ein Bild in einem kleinen Goldrahmen und Kasperle schrie los: »Das ist der Herzog.« Das Bild mochte der alte Herzog einst Meister Severin geschenkt haben. Ein Beutelchen mit ein paar Goldstücken fand sich auch noch in dem Schrank, mehr nicht.

»Das ist der ganze Schatz,« sagten alle enttäuscht.

Nur der Herr Severin sagte nichts, er sah nachdenklich drein und prüfte die Schnitzmesser mit der Hand.

»Schade, wir hätten den Schatz so gut gebrauchen können.« Frau Severin sah betrübt drein, aber ihr Mann nahm ihre Hand und sagte fast feierlich: »Das ist auch ein Schatz.«

»Wieso, die Geldstücke sind doch nicht mehr viel wert?«

»Man kann auch einen Schatz finden ohne Geld. Der Schatz liegt hier auch in der Arbeit. Ich habe mir gedacht, ich möchte etwas tun mit meinen kranken Augen, nun weiß ich, ich werde Holzschnitzer wie Meister Friedolin.«

»Schnitze mich auch,« sagte Kasperle eifrig.

»Ja, dich zuerst. Wenn ich dich herausbringe, dann kann ich auch andere Sachen.«

»Fang an.« Kasperle meinte, es müßte nun auch schnell gehen. Und wirklich nahm Herr Severin wie Meister Friedolin das Schnitzmesser zur Hand und begann an einem Stück Schnitzholz, das auch im Schranke lag, zu schnitzen. Mit seinen schwachen Augen konnte er die Arbeit leidlich sehen, und was er nicht sehen konnte, begann er zu fühlen.

Kasperle meinte, es sei wie damals, als Meister Friedolin ihn geschnitzt hatte, und als Rosemarie die Geige nahm, die noch eine Saite von Meister Severin hatte, da klang es wie einst, wenn das Michele spielte.

»Es wird etwas aus dir, wenn du fleißig bist,« sagte der Vater.

»Das will ich schon auf Urgroßvaters Geige,« antwortete Rosemarie, die bis dahin ein kleiner Faulpelz gewesen war. »Ich habe nun auch einen Schatz.«

Das wurde noch ein gemütlicher Nachmittag. Alle saßen um den Vater herum und sahen das Kasperle entstehen und Kasperle aß wegen der Anstrengung des Modellstehens ein Stück Kuchen nach dem andern.

»Aber Kasperle, du ißt zu viel Kuchen,« sagte Liebetraut.

»Erst zwölf Stück,« schrie Kasperle, »oder hundert.«

»Kasperle, du mußt zählen lernen,« sagte Liebetraut. »Du bist zu dumm: Paß auf, ich bring’ dir’s bei, Paß mal auf, hier sind fünf Portionen, nun zähl’ mal eins, zwei, drei.«

Da waren schon alle fünf in Kasperles Mund verschwunden und Bimlim rief aufgeregt: »Ich will auch zählen lernen.«

»Aber mit Bohnen,« meinte Liebetraut.

Doch damit waren die Kasperles nicht einverstanden und endlich gab Frau Severin Birnenschnitze her. Damit lernten sie das Zählen. Und erstaunlich genug, als Herr Severin mit seinem Kasperle nach zwei Stunden fertig war, konnte Kasperle schon bis sechs zählen, weiter ging es nicht. »Wenn du morgen wiederkommst, dann gebe ich dir weiter Stunde.«

»Mit Birnenschnitzen,« rief Peringel, aber Bimlim verlangte Schokolade.

»Das geht nicht, das ist zu teuer.«

»Wir legen unser Geld zusammen,« schlug Marlene vor, »davon kaufen wir Zuckerles und Kasperle und Bimlim lernen dann zählen.«

»’ne Million,« schrie Kasperle und stopfte den letzten Birnenschnitz in den Mund.

Das war aber allen zu viel. Eine Million Zuckerles, wer sollte die bezahlen!

»Ein Pfund ist genug,« sagte Marlene.

»Das ist noch zuviel,« meinte Liebetraut.

Aber Kasperle fand nichts zuviel, und er erzählte von riesengroßen Zuckertüten, die er vor hundert Jahren ausgegessen hatte.

»Und nun ist Kasperle fertig,« sagte auf einmal Herr Severin und alle sahen voll Bewunderung das geschnitzte Kasperle an. »Nun geht das auf den Jahrmarkt,« sagte Kasperle, »und ich bleibe zu Hause.«

»Wo denn zu Hause?« fragte Bimlim traurig.

»Hier,« schrie Kasperle.

»Ja, im Severinhause,« riefen alle. »Wir gehen zu Meister Drillhose und bitten ihn. Und da, das nehmt mit, seht, was draufsteht.« Frau Severin hielt den Beutel mit Goldstücken hoch, auf diesem stand: Kasperles Eigentum.

»Das gehört Kasperle,« riefen alle. »Das gibt er Meister Drillhose und bleibt bei uns.«

Kasperle staunte den Beutel an. Ein dunkles Erinnern kam ihm, daß den Mr. Stopps ihm mal geschenkt hatte.

»Ich habe nichts,« klagte Bimlim.

»Du bist doch dumm, was mein ist, ist auch dein. Und da du allein nicht kaspern kannst, muß Meister Drillhose uns beide freilassen.«

»Wollt ihr nicht mehr auf Jahrmärkte gehen?« fragte Herr Severin.

»Nä,« schrie Kasperle, »das ist zuviel!«

Da kam es denn heraus, daß das Leben und Treiben auf der Leipziger Messe die beiden so verwirrt hatte, daß sie alle Lust am Kasperlespiel verloren hatten.

Wer das nicht einsehen wollte, war aber Meister Hirsebrei. Der wollte und wollte sein Kasperle nicht freilassen und Kasperle mußte alle seine Goldstücke hergeben, um die Meister beide dahin zu bringen, ihn in das Severinhaus ziehen zu lassen.

Aber an einem schönen Festtag hielten Kasperle und Bimlim dort ihren Einzug und Meister Hirsebrei spielte an dem Tage mit Kasperles, die Herr Severin geschnitzt hatte, auf dem Jahrmarkt in Neustadt. Die geschnitzten Kasperles spielten beinahe so gut wie das echte Kasperle und Meister Severin bekam so viele Bestellungen wie einst Meister Friedolin. Aber er schnitzte nicht nur Kasperles. Für die Kirche in Torburg schnitzte er einen neuen Altar, ein feines Werk, eine Rosenhecke von zarter Schönheit, das seinen Namen berühmt machte. So hatte er wirklich im alten Schrank einen echten Schatz gefunden, eine Lebensarbeit, und das nur, weil Kasperle sich auf den Doppelschrank besonnen hatte. Kasperle und Bimlim verlebten gute Tage im Severinhaus. Marlene, Herr Stopps und Prinz August sorgten dafür, daß die Kasperles immer suppsatt wurden und nie Not litten. Manchmal kasperten die Kasperles auch auf dem Kirchplatz wie in alter Zeit und beide waren bald so bekannt in Torburg wie einst Peringel. Jeder Autokutscher kannte sie und manchmal fuhr Kasperle mit im Land oder in der Stadt herum. Und wenn Fremde nach Torburg kamen, zeigten die Dienstmänner das Haus, in dem die beiden echten Kasperles wohnten.

Aber so recht glücklich waren die beiden doch nicht.

Um sie herum hatten alle ein Leben der Arbeit. Liebetraut ging in das Gymnasium, Rosemarie spielte Geige, Henry Stopps und Prinz August waren so fleißige Schüler wie Liebetraut, sie wollten alle drei studieren. Und die Erwachsenen hatten alle ihre Sorgen und Arbeit. Da kamen sich die beiden Kasperles manchmal recht überflüssig vor. Sie hatten keine Arbeit, denn auf die Jahrmärkte ziehen wollte hauptsächlich Bimlim nicht. Da erwachte in ihnen oft die Sehnsucht nach der Heimat, aber Peringel sagte stets: »Ich kann doch nicht zurück, ich hab’s versprochen.«

»Du warst dumm,« sagte Bimlim.

»Nä, klug, immer klug.«

Sie stritten sich jeden Tag und versöhnten sich wieder, waren froh, daß sie einander hatten, denn zu zweit in der Fremde ist immer ein besser Ding als mutterseelenallein. Es war aber das alte Lied. Um sie herum wuchsen die Kinder und wurden größer und verständiger, und sie blieben die kleinen dummen Kasperles. Das war nicht schön, und die beiden fingen an, sich zu grämen, als sich auf einmal ihr Schicksal wandelte; ganz merkwürdig war es, wie es geschah.

Eine ganz kuriose Geschichte

Zwei Jahre lebten die Kasperles im alten gemütlichen Severinhaus. Da stand an einem Spätsommertag ein Matrose vor einem Spielwarenladen in Hamburg. Er sah darin zwei Kasperles ausgestellt: Peringel und Bimlim, darunter stand: »Nach lebendigen Kasperles geschnitzt von Meister Severin.« Neben dem Matrosen stand ein Engländer, der auch die Kasperles ansah. Der Engländer hatte, wie einst Mister Stopps, einen kleinen Spleen, auf deutsch einen kleinen Klaps.

Der Engländer sah auch die Kasperles an, und da er Spielzeug sammelte, obgleich er keine Kinder hatte, sagte er auf einmal laut: »Die will ich kaufen.«

»Nein, ich,« schrie der Matrose.

»O no, ich habe es zuerst gesagen.«

»Ich gedacht.«

»Denken gilt nichts in der Welt.«

»Doch, mir gehören sie.«

»Mich.«

»Nein, mir.«

»Mich.«

Die beiden stritten miteinander und plötzlich begannen sie zu boxen. Puff, puff, ging das, Schlag auf Schlag. Und dabei schrien sie immer: »Mir«, »mich«, »mir«, »mich«.

»Ruhe!« rief ein Schutzmann.

»Mich sein die Kasperles.«

»Ich hab’s zuerst gedacht, ich will sie kaufen.« Das Streiten zwischen Engländer und Matrose lockte Zuschauer herbei und ein alter Mann sagte: »Sie sind alle beide verrückt.«

»Bitte schön, ich bin nicht verrückt.« Der Matrose hörte zu boxen auf und der Engländer hörte auch auf. Beide sagten wieder wie aus einem Munde: »Mir gehören die Kasperles.«

»Mich gehören sie.«

»Welche Kasperles?« Der Schutzmann machte große Augen vor Erstaunen und alle Leute, die darum herumstanden, fragten lachend: »Welche Kasperles?«

»Die da im Laden stehen.«

»Wo stehen welche?«

»Dort im Laden.«

»Wo?«

Da sahen Matrose und Engländer hin, aber die beiden Kasperles waren weg.

»Sie sind gestohlen worden,« riefen beide.

»Ih wo, am hell-lichten Tage aus ’nem verschlossenen Ladenfenster, wer soll denn da Kasperles stehlen?«

Die beiden rannten in den Laden hinein und riefen: »Wo sind die Kasperles?«

»Eben verkauft.« Der Herr des Geschäfts rieb sich die Hände. Er hatte wohl gesehen, wie sich die beiden gestritten hatten, und er war froh, daß ein Dritter die beiden Figuren gekauft hatte, denn boxende Käufer in seinem Laden schätzte er nicht.

»Wer haben sie gekauft?« fragte der Engländer, während der Matrose leise einen Angestellten etwas fragte.

»Der Herr, der da eben um die Ecke biegt.«

Im Umsehen war der Engländer draußen und rannte dem Herrn nach, während sich der Matrose drinnen im Laden die Adresse von Meister Severin geben ließ. Er ging dann hinaus, setzte sich in ein Auto und sagte: »Nach Torburg.«

»Wo liegt denn das?«

»In Franken.«

»Also dann fahren wir mal los.«

Und sie fuhren los.

Inzwischen war der Engländer dem Herrn nachgelaufen, der die Kasperles gekauft hatte, und schon war er ihm nahe, als der in ein Auto stieg und ihm heidi hoppsassa an der Nase vorbeifuhr.

Da stand der Engländer auf der Straße und sah sich dumm um.

»Was wollten Sie denn von dem Herrn?« Ein Schutzmann fragte und der Engländer mit seinem Spleen gab Antwort.

»Um ein paar Holzkasperles so ’n Gestürme,« sagte der Schutzmann, »das ist dumm.«

»Das sein nicht dumm und er sein grob, zu mich das zu sagen.«

»Nee, man ’n bißchen still, nicht so schreien, um so ein paar Holzkasperles macht man nicht so ’n Wesen. Gehen Sie doch in den Laden und bestellen Sie ein paar andere.«

Der Engländer klappte vor Verwunderung seinen Mund auf und zu, und als er ihn wieder auf hatte, sagte er: »Das sein einfach.«

»Na, ich denke.«

Der Engländer kehrte wieder in den Laden zurück und erfuhr dort, daß die Vorbilder der Kasperles lebendig wären und in Torburg wohnten. »Ein Auto,« schrie er, »ich will hinfahren.«

»Das hat der andere auch schon gesagt.«

»Uer?«

»Na, der Matrose, mit dem Sie geboxt haben.«

»Schnell, o schnell, er wird sie mich wegnehmen.«

Und Mr. Steeplechose setzt sich in ein Auto und fuhr dem Matrosen nach Torburg nach.

Der hatte aber einen guten Vorsprung und kam eher an. Er ließ sich vor das Severinhaus fahren und wollte dort gerade in den Hausflur treten, als Kasperle und Bimlim herausgepurzelbaumt kamen. Bums, da saßen sie alle drei auf der Erde, und der Matrose sagte: »Ihr seid es wirklich, Kasperle Peringel und Prinz Bimlim?«

»Woher kennst du uns denn?« riefen die.

»Ich soll euch Grüße bringen und euch holen.«

»Von wem? Wohin denn?«

»Von der Kasperleinsel!«

Heisa, da saßen beide, die gerade aufstehen wollten, wieder auf dem Hosenbödle und beide schrien: »Das ist nicht wahr!«

»Ist doch wahr, ich war dort.«

»Wie denn dort?«

»Na, ich bin mit einem Schiff hingefahren und hingeschwommen.«

»Haben sie nicht mit einer Lachkanone geschoßt?«

»Die ist kaputt.«

»Und König Tolu?«

»Ist tot. Aber immer können wir doch nicht im Hausflur sitzen bleiben, kommt mit hinein zu Meister Severin, der euch geschnitzt hat, da will ich alles erzählen.«

Das gab drinnen ein großes Verwundern, als sie hörten, hier komme einer, der auf der Kasperleinsel gewesen sei. Und was erzählte er? König Tolu wäre tot und die Kasperles wollten durchaus Peringel, den Schlingel, zum König haben, der hätte ihnen so gut gefallen. Freilich müßte Prinz Bimlim, wenn der noch am Leben wäre, seine Erlaubnis geben. Der schrie gleich: »Meinetwegen, Peringel soll König sein, mir ist das zu anstrengend.«

Kasperle aber schüttelte den Kopf, er glaubte die ganze Geschichte nicht, und der Matrose mußte erst einen Brief vorzeigen, in dem stand, daß sie einen König brauchten. Das war nun ein echter Kasperlebrief. Statt Worte waren es Bilder. Da war ein Bild, auf dem alle Kasperles nach der leeren Königsschaukel zeigten, und eins, da standen sie alle am Meeresstrand und winkten einem Schiff zu. Kasperle erkannte aus den Bildern, daß sie ihn wirklich zum König haben wollten. Und wie er noch die Bilder besah, zeigte Jan, so hieß der Matrose, einen Beutel Reisegeld für die Kasperles. Und wenn er sie brächte, bekäme er noch einen viel größeren Beutel mit Geld und Perlen, erzählte der Matrose.

Indem sie noch redeten, kam Mr. Steeplechose angefahren. Er machte ein großes Geschrei vor dem Hause und rief mit lauter Stimme: »Ich will die Kasperles sehen.«

Da streckte Peringel den Kopf zum

Fenster hinaus und rief: »Hier wohnen keine Kasperles.«

»Oh, du sein doch einer.«

»Nä.«

»Wer sein du denn?«

»Ein König.« Und Peringel, der Schlingel, streckte, so weit er konnte, die Zunge heraus.

Das paßte sich nun gar nicht für einen König, alle sagten es und Kasperle schämte sich gewaltig. Und weil Mr. Steeplechose nicht aufhörte mit dem Ruf: »Ich will die Kasperles sehen!« ging Jan hinaus und boxte so lange mit ihm, bis Mr. Steeplechose braun und blau geschlagen davonfuhr. Erst als er wieder in Hamburg war, fiel ihm ein, daß er doch Meister Severin nach Holzkasperles hatte fragen wollen.

Kasperle ein König! Peringel, der Schlingel, König der Kasperleinsel! In Torburg erzählten es sich die Menschen auf der Straße und alle fragten einander: »Wird er denn gehen? Will er uns verlassen?« Das war eine schwere Entscheidung für die Kasperles. Bimlim wurde es nicht so schwer, der wäre gern im Menschenland geblieben, denn er kannte die Kasperleinsel kaum noch, die liebe, schöne Insel im blauen Meer mit all ihren Blumen.

Und Kasperle überlegte und überlegte, und kam zu keiner Entscheidung. Viele redeten zu, viele rieten davon ab.

Am dritten Tage ging Kasperle zu Prinzeß Marlenchen. Es putzte sich, so fein es konnte, zog seine neuen Hösles an und wusch sich sogar dreimal die Hände. Es ließ sich von Meister Severin Geld geben, kaufte einen großen Blumenstrauß bunt wie ein Kasperlerock, ging damit zu Prinzeß Marlenchen und fragte sie frank und frei, ob sie seine Frau werden wolle. Er wäre ein König und müßte doch eine Königin haben.

Aber Marlene wollte keine Kasperlekönigin werden, sie sagte, sie wolle lieber in Deutschland bleiben und etwas lernen.

Das war ein bitterer Schmerz für Peringel. Er heulte ganz fürchterlich und Marlenchen hatte Mühe, ihn zu trösten. Schließlich kam sie auf den Einfall, Pfannküchlein holen zu lassen. Davon aß Peringel sechzehn Stück und ließ das Heulen sein.

Also Marlenchen wollte nicht mit. Es fanden sich andere Kinder, die gerne mitgewollt hätten, aber Jan sagte, dazu hätte er keinen Auftrag. Und dann wollten die Eltern ihre Kinder auch nicht nach der Kasperleinsel schicken. Da war nichts zu machen.

Und an einem wunderschönen Oktobertag reisten die Kasperles doch nach ihrer Heimatinsel ab. Sie fuhren mit einem Luftschiff, obgleich Kasperle sehr große Angst vor dem Übelwerden hatte. Und vor dem Herausfallen auch. Aber König Peringel wurde festgebunden, damit er nicht wieder auf einem Strohhaufen landete.

Ganz Torburg lief zusammen, um Abschied zu nehmen. Und jeder brachte ein paar Pfannküchlein und schließlich war das ganze Luftschiff voll und die Kasperles aßen und aßen und darüber verging ihnen das Übelwerden. Ein Zeichen, daß Pfannküchlein gut sind bei Luftfahrten.

Nach ein paar Wochen kamen die Luftschiffer zurück. Die Kasperles waren mit großer Freude im Kasperland aufgenommen und Peringel war gleich zum König ausgerufen worden. Die Kasperles waren nur traurig, daß Marlenchen nicht mitgekommen war, sie dachten, es wäre noch das kleine Menschenmädchen, das einstmals bei ihnen war, denn auf ihrer glücklichen Insel vergeht ihnen schnell genug die Zeit.

König Peringel sandte auch an Meister Severin einen großen Beutel voll Gold und Perlen, und der gab davon Meister Drillhose, Madame Käsewurm, Meister Hirsebrei und dem Kasperlemann von der Leipziger Messe, damit die keine Not mehr zu leiden brauchten.

Ob wohl Kasperle manchmal Sehnsucht hat nach dem lieben Deutschland? Ganz sicher, aber er wird dann seinen Untertanen etwas vorkaspern und sich über die Sehnsucht trösten.

Ob er einmal wiederkommt?

Wohl kaum.

Der kleine alte Kasperlemann

Als der Weltkrieg zu Ende war, fing ein kleiner alter Mann wieder an zu arbeiten. Er hatte, wie so viele Leute, sein erarbeitetes Geld verloren und mußte nun wieder mit der Arbeit beginnen. Er war Kasperlemann, das heißt, er zog von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, von Messe zu Messe mit seiner Kasperlebude. Das Budchen besaß er noch, denn von dem hatte er sich nicht trennen mögen, auch die Puppen waren noch da und so zog nun Herr Hirsebrei mit seiner Frau Mariechen eines Tages auf die Leipziger Messe. Es war um die Osterzeit, alles blühte und grünte schon, die große Stadt lag eingebettet in einen Kranz frischer grüner Wälder und der Kasperlemann Hirsebrei sagte zu seiner Frau Mariechen: »Man sollte lieber spazierengehn als immer Kasperlespiele machen.« Ja, zum Spazierengehn hatte er auch reichlich Zeit, denn die Kinder, die vor der Kasperbude sitzen und lachen sollten, die fehlten.

Woher das nur kam?

Das Budchen war da, die Kasperles waren da, aber die Kinder kamen nicht. »Ich kann’s nicht mehr,« sagte Herr Hirsebrei zu Frau Mariechen, »ich hab’s verlernt.«

»Unsinn, es sind zu viele Kasperle-Theater da,« antwortete die Frau, »du kannst es noch sehr gut. Solche Witze wie du machen nicht viele, aber sieh nur, dort steht ein ganz großes neues Theater und dort eins und da stehen die Kinder herum, wir müssen unsere Kasperles neu anstreichen und neu anziehen.«

Damit war Meister Hirsebrei einverstanden, aber erst nach der Messe, sonst klebten sie, und mit Kasperles, die kleben, kann man nicht spielen.

»Mir ist’s recht.« Frau Mariechen war mit allem zufrieden, was ihr Mann wollte. Aber sie fing doch immer an, neue Anzüge für die Kasperlepuppen zu nähen, damit es schneller ging. So saß sie dann da und nähte Kasperlestaat und manchmal nahm sie auch den Teller und sammelte ein. Es kam aber wenig Geld ein und manchmal war der Gewinn nur ein Hosenknopf. Da hatte sich so ein Büblein gesagt: Geld ist rund und Hosenknöpfe sind auch rund, also kann man auch Hosenknöpfe geben.

Das stimmte nun nicht, und die arme kleine Frau Mariechen ärgerte sich nur, wenn sie einen Hosenknopf fand, denn alle konnte sie ihrem Manne doch nicht annähen.

So ging die Leipziger Messe vorbei und das Ende vom Lied war, daß die armen Kasperleleute nur wenig Geld hatten, nicht einmal so viel, um mit der Bahn nach Weimar zum Jahrmarkt zu fahren. Da zog Herr Hirsebrei seinen alten Kasperlewagen aus dem Schuppen und das Ehepaar zog wieder wie ehedem mit dem Karren übers Land. Zuerst nach Thüringen und dann nach Franken. Dort in dem Städtchen Torburg lernte Meister Hirsebrei einen uralten Kasperlespieler kennen. Der wohnte in einem kleinen uralten Hause, er zog nicht mehr zu Jahrmarkt und Messe hinaus, denn dazu war er zu alt. Er ging also und sah sich Meister Hirsebreis Spiel an und so lernte ihn Meister Hirsebrei kennen. »Ich spiele schlecht,« sagte Meister Hirsebrei traurig, »ich hab’s verlernt.« »Sie spielen ganz gut,« antwortete der alte Meister, der Drillhose hieß. »Aber die Kinder kommen nicht mehr zu mir!«

»Die Kinder wissen nicht, was ein gutes Kasperlespiel ist, es sind neumodische Kinder, die für Kino und Rundfunk schwärmen. Ja, wenn sie mein altes Kasperle sehen würden, da würde ihnen ein Licht aufgehen!«

»Was ist denn das, Ihr altes Kasperle?«

»Ja, das ist ein echtes Kasperle.«

»Das gibt es ja gar nicht.«

»Doch, es ist davon geschrieben worden.«

»Ach, die Leser sind dumm, echte Kasperles gibt es nicht.«

»Doch, die gibt es: ich habe eins.«

Meister Hirsebrei machte große Augen, dann aber lachte er und spottete: »Wenn Sie ein echtes Kasperle hätten, dann wohnten Sie nicht in einem so armen, kleinen Häuschen, sondern hätten viel Geld verdient, denn ein echtes Kasperle würde die Leute anlocken.«

»Da haben Sie recht, aber mein Kasperle schläft. Als mein Vater ein ganz junger Bursche war, ist es eingeschlafen, es hatte sich müde gekaspert.«

»Warum haben Sie es nicht aufgeweckt?«

»Weil es dann stirbt.«

»Ja, vom Aufwecken stirbt man doch nicht.«

»O doch, wenn man ein Kasperle ist.«

»Wissen Sie das so genau?«

»So ziemlich. Mein Großvater war der alte Kasperlemann, mit dem das echte Kasperle einmal herumgezogen ist, der es damals gerettet hat: Peringel, den Schlingel.«

»Was? Peringel, den Schlingel, das weltberühmte Kasperle wollen Sie haben? Das glaube ich nicht!«

»Glauben Sie es nur, es ist so.«

»Aber wo ist der Peringel?«

»In meinem Kasten.«

»Den muß ich sehen.«

»Wenn ich es erlaube, es hat noch niemand Peringel, den Schlingel, gesehen als mein Vater und ich und meine Frau Luise, die ist aber schon tot.«

»Wie alt sind Sie denn?«

»Fünfundsiebzig Jahre. Als ich geboren wurde, schlief Peringel, der Schlingel, ein, und seitdem warte ich auf das Aufwachen.«

»Fünfundsiebzig Jahre!«

»Ja, fünfundsiebzig Jahre. Eine lange Zeit, aber Peringel, der Schlingel, war auch so müde, als er einschlief, er konnte gar nicht mehr richtig kaspern, es fielen ihm keine Späßchen mehr ein und mein Vater sagte, er wird lange schlafen, hoffentlich erlebst du es noch, daß er aufwacht.«

»Wie kann man so lange schlafen!« Der Meister Hirsebrei kam aus dem Verwundern nicht heraus.

»Oh,« sagte Meister Drillhose, »das vorige Mal hat er über achtzig Jahre geschlafen, und ich weiß noch ein Geheimnis.«

»Was für ein Geheimnis?«

»Das darf ich nicht sagen.«

»Hängt es mit Kasperle zusammen?«

»Mit einem anderen Kasperle. Aber ich sage nichts weiter.«

»Wo ist denn das andere Kasperle?«

»Das sage ich nicht.«

»Hier in Torburg?«

»Das sage ich nicht.«

»Auch in Ihrem Kasten?«

»Das sage ich nicht.«

»Ist’s auch ein echtes Kasperle?«

»Das sage ich nicht.«

»Steht es auch in den Kasperlebüchern?«

»Das sage ich nicht.«

Dem Meister Hirsebrei wurde das ewige »Das sage ich nicht« zu dumm, er stand auf und sagte, er müsse nun kaspern lassen.

»Das ist gut, ich sehe zu.«

»Soll ich Ihnen etwas vorkaspern? Sie können es ja doch besser.«

»Ich kann nicht mehr spielen, nur Kasperle konnte es.«

»Zeigen Sie ihn mir?«

»Vielleicht!«

»Wann?«

»Ich sage es nicht.«

Da fing Meister Hirsebrei zu kaspern an und dachte, der alte Drillhose belügt mich, der hat gar kein Kasperle. Er spielte mit seinen Puppen, so gut er konnte, und die paar Kinder, die gekommen waren, lachten. Auf einmal aber rief ein rechter Dreikäsehoch: »Das sind keine echten Kasperle!«

»Gibt’s gar nicht!« brummte Meister Hirsebrei.

»Doch, in Büchern steht es.«

»Da steht viel Unsinn.« Meister Hirsebrei war schlechter Laune, so ärgerte er sich, und die Kinder ärgerten sich noch mehr. Die liefen fort und vergaßen selbst die Hosenknöpfe in den Sammelteller zu tun. Als Frau Mariechen kam, liefen sie davon wie die Mäuse, wenn die Katze um die Ecke blickt.

Da weinte Frau Mariechen und Meister Drillhose legte eine Mark in den Sammelteller, er sagte dabei: »Ihr Mann spielt sehr gut, beinahe als hätte er es von Peringel, dem Schlingel, gelernt. Er soll heute abend zu mir kommen und Sie sollen mitkommen.«

Da dankte Frau Mariechen sehr für die freundliche Einladung, sie fragte auch nicht, ob sie das Kasperle sehen würde, sie dachte, kommt Zeit, kommt Rat.

Am Abend gingen dann die Kasperleleute zu Meister Drillhose. Von den Leuten, die noch auf dem Festplatz waren, blieb niemand vor dem Kasperlebudchen stehen, Meister Hirsebrei konnte es zuschließen, denn die Kinder waren alle im Bett.

Meister Drillhose hatte schon auf seine Gäste gewartet. Er bewohnte in dem uralten Häuschen, das ihm gehörte, im Erdgeschoß zwei Zimmer. In dem einen stand eine große, buntbemalte Truhe.

»Darin liegt Kasperle,« sagte Meister Drillhose gleich, als das Ehepaar eingetreten war.

»Kann ich es sehen?« Meister Hirsebrei war sehr neugierig, am liebsten hätte er den Kasten gleich aufgemacht, aber Meister Drillhose wehrte ab: »Sachte, sachte, erst muß Madame Käsewurm kommen.«

»Wer ist denn das?«

»Na eben Madame Käsewurm. Da drüben in dem Häuschen wohnt sie, sie ist meine Nachbarin.«

Meister Drillhose sah zum Fenster hinaus und sah drüben ein windschiefes, uraltes Häuschen, an dem sich ein Rosenstock emporrankte. Schneeweiße Gardinen schimmerten hinter den Fenstern, die spiegelblank geputzt waren. Vor den Fenstern blühten bunte Blumen, überhaupt sah das ganze Häuschen blitzsauber aus.

»Dort wohnt meine Nachbarin Madame Käsewurm.«

»Wie kann man Käsewurm heißen!« rief Meister Hirsebrei.

»Wie kann man Hirsebrei heißen!« rief Meister Drillhose, und der Kasperlemann rief lachend: »Wie kann man Drillhose heißen!« Da lachten alle drei über die wunderlichen Namen und Frau Mariechen sagte: »Ich bin eine geborene Schlippermilch, das ist auch so ein kurioser Name. Aber wer ist das?«

Aus dem Hause gegenüber war ein altes Dämchen getreten, klein und fein, in ein staubgraues Kleid gehüllt, stand sie vor ihrem Häuschen wie ein Bild aus alter Zeit.

Als sie Herrn Drillhose sah, winkte sie und sagte: »Ist der Kasperlemann da?«

»Ja,« antwortete Meister Drillhose.

»Ist er nett?«

»Ja,« klang’s wieder zurück.

»Ist er wert, Kasperle zu sehen?«

»Ja.«

»Das ist gut, dann komme ich.«

Und das feine kleine Dämchen stelzte in ihrem weitgebauschten Kleid über die Gasse und trat nach ein paar Minuten bei Meister Drillhose ein.

Kasperle steigt aufwärts und wieder abwärts

Man muß sagen, trotzdem Kasperle keine Heimstätte hatte, schlief er in der Nacht wie ein Murmeltier und wachte am nächsten Morgen purzelvergnügt wieder auf. Es sollte gleich zum Jahrmarkt gehen. Meister Drillhose wollte es, obgleich Meister Hirsebrei sagte: »Es lohnt sich nicht, es ist niemand da.« Aber dem alten Kasperlespieler hatte das bunte Treiben so gefallen, daß er es bald wiedersehen wollte. Wenn er gewußt hätte, was er damit anrichten würde, er hätte es nicht getan. Auf dem Jahrmarktsplatz war es noch ganz still. Viele Buden waren noch geschlossen und Meister Drillhose, den das ärgerte, sagte etwas mißmutig zu den Kasperles: »Seht euch einmal die Flugzeuge dort an.«

»Nä,« schrie Peringel.

»Warum denn nicht?«

»Weil du uns foppen willst. Flugzeuge gibt es nicht.«

»Gibt es doch, geht nur und seht sie euch an. Ihr habt eben viel verschlafen.«

Da gingen sie, die merkwürdigen Dinge anzusehen. Ein Eindecker flog ihnen gerade wie ein großer Vogel vor der Nase weg, und die Kasperles staunten ihm mit weit aufgerissenen Mündern nach.

»So was habt ihr wohl noch nie gesehen?« fragte ein Herr. Es war der Pilot eines Passagierflugzeuges, der bald in die Lüfte segeln sollte.

»Nä,« schrie Kasperle, »das war ’n Vogel.«

»Das war ein Flugzeug, mein Junge.«

»Ich bin kein Junge.«

»Na, was bist du dann?«

»Ein Kasperle.«

Da lachte der Luftschiffer hellauf, denn er hatte gestern von dem Kasperle gehört. »Willst du mitfahren?« fragte er. »In einer halben Stunde steige ich auf.«

»Ja!« schrie Kasperle.

»Darfst du denn?«

»Es gibt ja nichts zu spielen.«

»Dann lauf und hole deine Sachen.«

»Ich habe keine.«

»Na, du kannst auch in deinen roten Kasperlehosen fahren. Geh aber erst und frage, ob du darfst.«

Kasperle aber dachte, wer viel fragt, bekommt viel Antwort, und Bimlim dachte gar nichts. Da sagte Kasperle: »Geh, frage du, ob wir mit dem Flugzeug nach – ja wohin?«

»Nach Leipzig,« rief der Pilot.

»Also frage es, Bimlim, hörst du?«

Bimlim nickte und Kasperle dachte, er findet gar nicht den Meister Drillhose, aber Bimlim fand wirklich hin. Nach einer halben Stunde kam er zurück: »Nun hast du ihn gefunden?«

»Ja.«

»Hast du gefragt?«

»Nä.«

»Warum nicht.«

»Sie schlafen gerade.«

Damit war Kasperle vollständig beruhigt. Wenn einer schläft, kann man ihn nicht um Erlaubnis fragen, und darum antwortete er vergnügt: »Ja,« als der Luftschiffer nochmals fragte: »Darfst du auch bis Leipzig mitfahren? Heute abend komme ich erst zurück.«

Ach, dachte das leichtsinnige Kasperle, dann warten eben die Kinder auf mich.

Er zog Bimlim mit hinein und beide setzten sich in dem Doppeldecker hin, als säßen sie in ihrer Kasperlebude.

Auf einmal fing der Propeller an zu spektakeln und Kasperle bekam einen kleinen Schreck. Bimlim aber sagte: »Wohin fahren wir denn?«

»Wir fahren doch nicht, wir fliegen.«

»Ih nä,« schrie Bimlim.

»Ja, da geht es schon los.«

Die Maschine hob sich langsam vom Erdboden und auf einmal sah Kasperle den Festplatz unter sich liegen. Da sprang er in die Höhe und schrie: »Ich will nicht.« Ein Herr aber nahm das Kasperle, wickelte es ganz und gar in eine Decke und sagte: »Sitz still, sonst fällst du naus.«

Bimlim wurde auch eingewickelt, und da saßen die zwei und unter ihnen rauschten die Wälder, flossen die Flüsse, sie waren bald über allem. Kasperle schnitt vor lauter Aufregung die merkwürdigsten Gesichter und Bimlim schnitt mit. Auf einmal rumpelte es in Kasperles Mäglein und auch Bimlim stöhnte: »Mir wird so komisch.«

Selbst einem Kasperle kann es in dem Flugzeug übel werden, und die Herren, die ihren Spaß an Kasperle hatten, hatten auch Mühe genug mit ihm. Kasperle wollte hinaus, wollte nach Torburg zurück, wollte lieber auf dem Jahrmarkt kaspern, statt in dem Flugzeug zu sein. Und die Welt unter ihm war ihm so fremd und unheimlich.

»Jetzt kommt Leipzig bald,« sagte der eine Herr, »dort müßt ihr uns was vorspielen.«

»Ja, ich schon,« schrie Kasperle, und ehe ihn einer halten konnte, kobolzte er zum Flugzeug hinaus und Bimlim faßte ihn am Hosenzipfel, aber statt Kasperle zu halten, kobolzte er ihm nach.

»Die sind verloren,« sagte der Luftschiffer.

»Schade, es wäre etwas Besonderes gewesen, in Leipzig mit zwei Kasperles zu landen.«

»Ja, schade.«

Und die vier Herren schauten betrübt den Kasperles nach. Es war ihnen wirklich leid um die kleinen drolligen Kerle. Und sie sagten zu einander: »Nun liegen sie irgendwo zerschlagen, schade, sehr schade.« Sie wußten aber nicht, wie gut ein Kasperle purzelbaumen kann. Die beiden purzelbaumten durch die Luft wie durch Meister Drillhoses Wohnstube und landeten unzerschlagen, nur etwas dösig, auf einer großen Strohmiete, inmitten eines Feldes. Da lagen sie und mußten sich erst besinnen, wie sie hergekommen waren.

Das erste, was Kasperle sagte, war: »Ich habe Hunger.«

»Ich auch,« schrie Bimlim.

»Wer redet da oben?« fragte eine grobe Stimme. Ein Bauer stand mit Sohn, Tochter, Knecht und Magd an der Strohmiete und sagte zu den Seinen: »Da oben sitzen zwei Bummler, die wollen wir ordentlich vornehmen.«

»Wir machen Teufelsgesichter,« flüsterte Kasperle, und auf einmal grinsten zwei rotbehoste Teufel von oben herab.

Die Magd riß zuerst aus, die Tochter folgte.

Bauer, Sohn und Knecht blieben noch stehen und sagten: »Das sind aber komische Kerle, vielleicht sind es Räuber.«

»Ja,« kreischte Kasperle und griff dem Bauern in die Haare.

Bimlim wollte das beim Knecht nachmachen, er faßte aber dessen Nase und zerrte so gewaltig daran, daß der Knecht sich laut schreiend losriß und davonlief.

Zwei gegen zwei, dachte der Sohn, ich laufe auch davon. Da rannte der Sohn davon und der Vater lief hintendrein, ihnen nach aber schrien die Kasperles, daß den Ausreißern himmelangst wurde.

Sie liefen ins Dorf und schrien dort: »Räuber sind auf der Strohmiete, die dem Ortsvorsteher gehört.«

»Nein, Teufel sind’s,« schrie die Magd.

»Ja, Teufel.«

»Die Feuerspritze anspannen lassen,« gebot der Ortsvorsteher.

»Alle müssen mit, die freiwillige Feuerwehr soll aufmarschieren.«

»Los, eins, zwei, drei!«

Und hinaus zum Dorf marschierte die freiwillige Feuerwehr und hintendrein Buben und Mädels. Die durften nicht fehlen.

Leichtsinnig wie sie waren, hatten sich die zwei erst einmal auf dem Stroh gehörig ausgestreckt, dann waren sie eingeschlafen. Sie schnarchten sich gegenseitig etwas vor und merkten nichts von dem, was um sie herum vorging.

Auf einmal sagte unten eine Stimme: »Los, sie liegen noch oben,« und schschsch, schschsch, sauste ein Wasserstrahl über die beiden.

Davon wachten sie freilich auf und sie fingen ungeheuerlich zu brüllen an.

»Das müssen ein paar Riesenkerle sein, die so brüllen können,« sagten die Dorfleute, »die müssen noch ein Güßlein haben,« und schschsch, schschsch, ging es wieder über die beiden hin.

O je! Laut brüllten sie, sie dachten, es wäre ein ungeheurer Regen über sie gekommen.

»Jetzt die große Leiter angesetzt,« sagte nun der Ortsvorsteher.

»Zwei müssen hinauf! Wer?«

Es hatte aber keiner Lust, zu den brüllenden Ungeheuern hinaufzusteigen, und die Bauerntochter schrie auch immer: »Es sind Teufel, nehmt euch in acht.«

Sie berieten unten so lange, daß die beiden oben den ersten Schreck überwunden hatten.

»Mach ein Teufelsgesicht, Bimlim,« flüsterte Kasperle.

»Hört ihr sie reden?« sagte unten der Ortsvorsteher. Und weil er doch der Ortsvorsteher war, wollte er seinen Mut zeigen und begann langsam, sehr langsam die Leiter emporzusteigen.

»Schschiiii!« fuhren die beiden mit ihren Teufelsgesichtern an den Rand des Strohlagers.

Da lag der Ortsvorsteher am Boden und die freiwillige Feuerwehr ergriff die Flucht. Heidi riß alles aus!

Es waren aber unter den Kindern zwei Buben, die ergriffen den Schlauch, und da noch Wasser im Wasserwagen war, bekamen die beiden oben wieder ein tüchtiges Güßlein.

Und während der eine spritzte, stieg der andre die Leiter empor, und da sah er die Kasperles. Ein unbändiges Lachen tönte den Fliehenden nach; die drehten sich um und sahen den Buben auf der Leiter stehen und lachen.

Kasperle schnitt zwar alle Teufels- und Räubergesichter, die er kannte, aber Oswald, so hieß der Bube, ließ sich kein bißchen schrecken. Er griff zu und packte das spuckende, schreiende Kasperle fest im Genick und zog es über die Leiter. »Ein Junge, der sich als Kasperle angezogen hat,« rief er.

»So ein frecher Bengel,« schrie der Ortsvorsteher.

»Nä,« schrie Kasperle, »ich bin ein Kasperle und bin aus dem Flugzeug gefallen und . . .«

»Warum nicht vom Monde?« spottete Oswald.

»Nä, daher komme ich nicht, ich bin eben ein Kasperle.«

»Ich bin auch ein Kasperle.« Bimlim kam auch zum Vorschein, und wie die beiden mit ihren großen Nasen und den drolligen Gesichtern vor den Dorfleuten standen, mußten die lachen. »Sie sehen wirklich wie Kasperles aus.«

Da dachten die beiden, es ist am besten, wir zeigen ihnen, was wir können, und sie fingen an, Gesichter zu schneiden und Arme, Beine, Ohren, Nasen und sonst noch etwas zu verrenken. Dabei lachten sie ihr vergnügtes Kasperlelachen und bald hallte das Feld wider vom Gelächter der Dorfleute.

Der Ortsvorsteher sagte: »Ihr wollt wohl nach Leipzig zur Messe?«

»Ja, essen,« schrie Peringel, der es falsch verstanden hatte, und Bimlim schrie mit.

»Habt ihr Hunger?«

»Ja!« »Aber feste,« setzte Peringel, der Schlingel, hinzu.

»Dann kommt herunter, wir wollen euch etwas zu essen geben,« sagte der Ortsvorsteher.

Das Herunterkommen war einfach, die beiden purzelbaumten von ihrer Feste herab und rissen drei Kinder, einen Bauern und eine Ziege um, die auch neugierig gewesen war.

Das gab ein Hallo!

Die gefallen waren, schimpften, die anderen, die aufrechtstanden, lachten, zuletzt aber lachten alle, und die beiden Kasperles wurden ins Dorf geführt. Dort sagte der Ortsvorsteher: »Wollt ihr bei mir essen?«

»Ja,« rief Kasperle Peringel.

»Ich dachte bei mir, wir haben Kaffee und Kuchen.«

»Das essen wir auch,« schrie Kasperle.

»Ich dachte bei mir, wir haben Schweinebraten und Sauerkraut.«

»Essen wir auch,« Kasperle nickte.

»Wir haben Klöße mit Birnen.«

»Und wir Milchreis und Apfelschnitze.«

»Wir Kartoffelbrei mit Leber.«

Und zu allem nickte Kasperle, denn eins schien ihm verlockender als das andre.

»Na, dann sagt doch, wo ihr essen wollt,« sagte der Ortsvorsteher ein bißchen ungeduldig.

»Überall,« schrien die Kasperles wie aus einem Munde.

»Überall, ja ihr wollt doch nicht sechsmal zu Mittag essen?«

»Doch, ist doch fein,« riefen die Kasperles vergnügt, »da wird man mal satt.«

»Na, die sind gut,« sagten die Bauern. Sie glaubten aber nicht an die sechs Mittagessen, doch als die Kasperles begannen, da sagte jeder Bauer zum andern: »Gut, daß sie bei dir auch essen, sonst hätten sie bei mir alles aufgegessen.«

Bimlim konnte nur fünfmal essen, Peringel, der Schlingel, klopfte sich nach dem sechsten Mal auf sein Bäuchlein und sagte: »Endlich mal satt.«

»Nun seid ihr so dick gegessen, nun könnt ihr keine Vorstellung geben, worauf alle Kinder warten,« sagte Oswald betrübt.

»Ich kann schon.« Peringel fing schon zu zappeln an.

Und er konnte.

Fein konnte er spielen. Zuletzt tat Bimlim doch mit, und die Dorfkinder kamen aus dem Lachen nicht heraus. Sie belachten jeden Witz und glaubten alles, was die Kasperles sagten. Am liebsten wären sie alle mit nach Leipzig auf die Messe gezogen. Das ging nun nicht, aber Gröschleins brachten sie und Zweipfennige, keine Hosenknöpfe, da bekamen die Kasperles genug Geld, um mit der Eisenbahn nach Leipzig zu fahren.

Kasperle war noch nie mit der Eisenbahn gefahren. Ja, er erinnerte sich nicht, überhaupt eine gesehen zu haben. Und nun sollte er in den langen Zug steigen, der auf der kleinen Dorfstation hielt. Die Kinder hatten alle die Kasperles hingebracht auf den Bahnhof und Kasperle fragte aufgeregt: »Wo ist denn der, der uns fährt?«

»Da ist der Herr Zug,« schrie Oswald, als der Zug brausend einfuhr. Kasperle machte eine tiefe Verbeugung, so wie er sie einst vor dem Herzog August Erasmus gemacht hatte. Und er stupste Bimlim, der mußte auch eine machen.

»Vor wem verbeugt ihr euch denn?« fragte ein Schaffner, der das sah.

»Na, vor dem Herrn Zug.«

»Donnerwetter, ihr seid aber höfliche Fahrgäste.« Der Schaffner lachte, öffnete ein Abteil vierter Klasse und schob die beiden hinein: »Einsteigen, der Herr Zug wartet nicht.«

»Ich muß erst Abschied nehmen,« rief Kasperle und eins, zwei, drei, kobolzte er aus dem Zug wieder heraus, Bimlim ihm nach.

Da fuhr der Zug los, und Schaffner, Kinder, alles schrie: »Hier bleiben!« aber die beiden blieben nicht. Wuppdiwupp waren sie wieder drin, diesmal aber waren sie in ein Abteil zweiter Klasse geturnt und Kasperle saß einer alten Dame auf dem Schoß, während Bimlim einem Herrn den Hut vom Kopf stieß.

»Was sind das für freche Jungen!« rief die Dame.

»Huch, wir sind keine Jungen.«

»Was seid ihr denn?«

»Kasperles!«

Die Dame mußte lachen, denn Kasperle sah sie so unglaublich verschmitzt an.

»Die sind von Holz.«

»Nä, von Holz sind wir nicht. Wir sind echte Kasperles.«

»Kann denn das stimmen, Herr Professor?« fragte die Dame einen Herrn, der eine große Brille auf der Nase hatte.

»Unmöglich,« sagte der, »so eine Gestalt gehört in die Märchenwelt, es sind zwei Jungen, die sich den Spaß machen, als Kasperles verkleidet zu gehen. Wissenschaftlich lehne ich sie ab.«

»Nä, wir sind keine Jungen, wir sind Kasperles.«

»Stille!«

»Nä!« Die beiden schrien und zappelten, und auf einmal sah Kasperle zum Fenster hinaus und rief: »Da, die Bäume laufen weg!«

Er wollte zum Fenster hinausspringen, den fliehenden Bäumen nach, aber die Dame hielt ihn am Hosenbödle: »Du fällst ja hinaus.«

»Ich bin heute schon mal aus dem Flugzeug gefallen,« erzählte Kasperle.

»Unsinn, da müßtest du doch zerschlagen sein.«

»Nä, bin ich nicht.« Und nun erzählte Kasperle seine Erlebnisse, und dann erzählte er von Meister Hirsebrei und Meister Drillhose und daß die auch nach Leipzig zur Messe kommen wollen.

Und plötzlich sagte der Professor: »Es ist unglaublich, wie der Junge schwindeln kann.«

»Ich schwindle nicht.«

»Alles ist erlogen.«

»Nä!« Kasperle zitterte vor Ärger. Auf einmal machte er ein Teufelsgesicht und die Dame erschrak so, daß sie umfiel und eine Ohnmacht bekam.

War das eine Begebenheit!

Der Professor goß gleich eine ganze Flasche Kölnisches Wasser über sie und Kasperle wurde gescholten, er hätte mit seinen Faxen das Unglück verschuldet. Gleich machte Kasperle ein Prinzessin-Gundolfine-Gesicht. Darüber erschrak nun der Professor gewaltig. Alle seine Wissenschaft konnte sich die seltsamen Kasperlegesichter nicht erklären und er sagte streng: »Sie müssen Haue haben.«

»Nä,« schrie Kasperle, sah das offene Fenster und purzelbaumte hinaus und Bimlim ihm nach, gerade an der Nase des Professors vorbei.

»Sie werden überfahren,« schrien alle.

Aber die beiden wurden nicht überfahren. Sie landeten gerade auf dem Bahnsteig, als der Zug in die Riesenhalle des Leipziger Bahnhofs einfuhr. »Herrjeses,« rief ein Gepäckträger, »da fliegen ja die Goffer schon zum Fenster raus.«

Und dann, als die Kasperles auf ihren Beinen standen, sah er sie erstaunt an und brummelte: »Wees Gnebchen, das sind gar keene Goffer, das sind Jungen.«

»Nä, wir sind keine Jungen.«

»Na, was seid ihr dann?«

»Kasperles!«

»Ihr gehört wohl auf die Messe?«

»Ja.«

»Na, da macht mal hin. Sie hat gerade angefangen.«