Auf der Messe war auch ein Lichtspieltheater. Und die Kasperles, neugierig wie die Elstern, beschlossen hineinzugehen. Der Besitzer hatte geboten: »Macht kein Aufhebens, wenn die Kasperles kommen.« Er dachte nämlich, die beiden könnten allerhand anstellen. Die beiden gingen also eines Tages mit den besten Vorsätzen in das Theater. Sie wollten ganz gewiß nichts anstellen, ja das wollten sie, aber . . . Als sie in den dunklen Zuschauerraum gelassen wurden, erschraken sie sehr und sie stolperten mit Getöse den Gang entlang.

»Da setzt euch,« sagte das Fräulein mit der Lampe.

Ja setzen, wenn man nicht sehen kann.

Auf einmal saß Kasperle einer Dame auf dem Schoß und Bimlim umarmte den dazu passenden Herrn.

»Hilfe, Hilfe, Mörder!« kreischte die Dame. Sie dachte, Kasperle wollte sie umbringen.

Weil Kasperle der Meinung war, zwei schrien immer besser als einer, schrie Kasperle auch um Hilfe, da er nicht wußte, daß er der Übeltäter war.

»Hilfe, Hilfe!« gellte es durch das Theater und ein Diener sprang herzu und drehte das Licht auf. Da saß Kasperle auf dem Schoß der Dame und beide schrien um die Wette.

»Er mordet mich!«

»Mich auch,« stöhnte der Herr, den Bimlim immer noch umhalst hatte.

»Ih nee, das tun die Kasperles nicht.«

»Kasperles!« Im Nu sahen so und so viele Kinderköpfe herum, Kinderaugen suchten, Kinderbeine zappelten, um zu Kasperle zu eilen, das ganze Publikum geriet in Unruhe.

»Was, der häßliche Kerl auf meinem Schoß soll ein Kasperle sein?« rief die Dame. Da schnitt Kasperle, empört über den Zweifel, ein Räuber- und ein Menschenfressergesicht, dabei neues Geschrei der Dame. Endlich setzte der Diener Kasperle und Bimlim neben die schreiende Dame und sagte ein bißchen streng: »Nun still.«

Nun wußten Kasperle, Dame, Bimlim und Herr nicht, wer gemeint war, und darum waren sie alle still, und es wurde wieder dunkel. Aber nicht lange hielt die Stille an, denn auf einmal ertönte Kasperles laute, kreischende Stimme: »’n bißchen lauter, ich kann gar nichts verstehen.«

Kasperle spricht. Wieder drehten sich Kinderköpfe um, wieder zwirbelten Buben- und Mädelbeine und Kindermünder lachten. Kasperle dachte, die Kinoleute sind lebendig. O das blitzdumme Kasperle!

»Lauter!« schrie nun auch Bimlim. Da sagte der Herr herablassend: »Das sind nur Bilder.«

»Nä,« sagte Kasperle laut, »die sind lebendig. Da!« Ein gellender Aufschrei: »Er schießt, er schießt!«

Kasperle fuhr aus dem Stuhle hoch und kreischte: »Mann, sieh doch, Mann, sieh doch, er schießt!«

Ein lautes Lachen brauste durch den Saal und Kasperle sah Bimlim erstaunt an und Bimlim sah ihn erstaunt an.

»Es sind Bilder, mein Sohn,« sagte der Herr mild.

»Du schwindelst.« Kasperle war entrüstet, daß ihm der Herr etwas weismachen wollte, und Bimlim war mit entrüstet, der rief: »Schwindelpeter!«

»Du bist ein ganz frecher Junge.«

»Ich bin kein Junge.«

»Na, was denn?«

»Ein Kasperle.«

»Stille!« tönte es durch den Saal, »Mund halten!«

»Siehste,« sagte Kasperle laut, »du sollst den Mund halten.«

Das ging dem Herrn doch über den Spaß und patsch bekam Kasperle eins auf den Mund.

Der arme Herr wußte nicht, was er angerichtet hatte, denn er hatte in seinem Leben noch kein Kasperle schreien hören. Kasperle schrie so, daß nun alle dachten, er werde wirklich umgebracht und Bimlim schrie mit.

Der Diener kam ganz aufgeregt herbei: »Was ist denn los?«

»Er haut mir, er haut mir!«

»Bloß einen Klaps,« sagte der Herr verlegen und die Dame sagte milde: »Aber Kasperle, es war ganz sanft.«

So war’s, und klapp hatte die Dame eins auf dem Mund und sie wollte gleich in Ohnmacht fallen, da sagte Kasperle: »Man muß sie auf den Kopf stellen,« und flugs war die Dame wieder munter.

»Ruhe,« rief ein ungeduldiger Zuschauer, »nicht so schreien.«

»Ich schreie nicht mehr!« Kasperle brüllte, als wären alle stocktaub, und der Diener sagte ganz streng: »Wenn du nicht gleich still bist, dann wirst du nausgestellt.«

»Es muß ihm gesagt werden, daß das nur Bilder sind,« flüsterte der Herr.

Aber Kasperle hatte das Flüstern doch verstanden und das vermeintliche Geschwindle empörte ihn, er brüllte wieder: »Nä, das sind keine Bilder! Bilder kenne ich, die wackeln nicht, da spuckt man drauf, dann kleben sie.«

Ein lautes Gelächter durchbrauste den Saal und das Publikum verlangte, Kasperle sollte an die weiße Wand geführt werden und selbst sehen, daß es Bilder wären.

Der Herr des Lichtspielhauses mußte kommen und Kasperle wurde zur allgemeinen Freude wirklich an die weiße Wand geführt. Das erste, was er tat, war, daß er einen kräftigen Stoß gegen den Bösewicht des Stückes führte: »Das war der, der geschießt hat,« schrie er. Zu seiner Verwunderung traf er nur die Wand und keinen Menschen. Da fing er allmählich an zu glauben, daß es wirklich nur Bilder waren. Er ging suchend zu seinem Platz zurück, ein kleines feines Mädchen aber rümpfte die Nase, als Kasperle vorbeiging: »Wie der riecht.« Es ging wirklich ein unholdes Düftchen von Kasperle aus. Man konnte schon sagen, er stank.

»Nach was riechst du denn?« fragte die Dame, als er vorbeiging, aber Kasperle wollte sehen und sich nicht unterhalten, er sagte patzig: »Du riechst.«

Da drehten sich ein paar Leute um und sagten: »Es riecht wirklich entsetzlich.«

»Ich bin’s nicht, du bist es,« schrie Kasperle zum Entsetzen der Dame.

»Hier hat jemand Käse mit,« sagte ein alter Herr.

»Hinter mir ist es,« sagte ein Herr, der vor der Dame saß.

»Aber ich bin es nicht.«

»Doch, du bist es.«

Kasperle war sehr frech. Er steckte ein Käsepaketchen, das er vergessen hatte, dem Kasperlemann abzugeben, der Dame unter den Mantel und sagte wieder: »Du bist es.«

Da kam der Aufsichtsbeamte, hielt sich die Nase zu und sagte: »Käse mit ins Kino zu nehmen, ist nicht erlaubt.«

»Ich bin’s nicht,« die Dame stand auf und das Käsepaketchen fiel zu Boden.

»Da ist es,« sagte der Aufsichtsbeamte, »was so riecht.«

»Es gehört mir nicht,« die Dame war wütend und ihr Mann stand auf und sagte: »Wir wollen gehen.«

Sie gingen und die Kasperles hatten die Stuhlreihe für sich allein.

»Nun betragt euch anständig,« sagte der Aufsichtsbeamte und nahm den Käse mit.

Beinahe hätte Kasperle geschrien: »Mein Käse!« er schwieg aber und saß ganz steif und still auf seinem Platz, denn er hatte ein sehr schlechtes Gewissen.

»Kasperle ist fortgegangen,« riefen ein paar Kinder, »wie schade.«

Trotz seines schlechten Gewissens hörte Kasperle das gern und er brüllte laut: »Nä, ich bin da, aber der Käse ist fort.«

Nun lachten wieder alle und der Aufsichtsbeamte dachte: Warte Kasperle, dich kriege ich noch! Der den Käse gehabt hat, bist du gewesen.

»Stille!« mahnte er, denn Kasperle zeigte nicht geringe Lust, ein Gespräch mit den Kindern zu beginnen.

Da schwieg Kasperle muckstill, denn sein Gewissen war noch wach. Aber ein Kasperlegewissen schläft bald ein und Peringels Gewissen schlief ganz fest ein.

Die Vorstellung ging weiter. Ein Lustspiel löste das Drama ab und plötzlich lachte Kasperle und schrie: »Er hat sich in den Pudding gesetzt!«

Ein Mann hatte sich auf einen Zylinder gesetzt und Kasperle dachte, es wäre ein Pudding.

»Kasperle sei still!«

Aber Kasperle war nicht still. Der lachte und lachte sein echtes freches Kasperlelachen und das steckte an. Erst lachten ein paar Kinder mit, dann Erwachsene, immer mehr lachten und zuletzt dröhnte das Haus wider vom Lachen des Publikums.

Und je mehr die andern lachten, je mehr lachte Kasperle.

So war noch nie in einem Kino gelacht worden und ein dicker Herr rief: »Ich platze!«

»Ich platze auch!« rief eine Dame.

»Ich bin schon geplatzt!« rief Kasperle.

»Wo denn?« fragten die Kinder.

»An meinem Hösle ist ein Knöpfle abgesprungen.«

Da brauste das Lachen von neuem auf. Der Aufsichtsbeamte wollte »Stille« rufen, er mußte aber selbst so lachen, daß ihm die Tränen kamen.

Und dem dicken Herrn platzten drei Hosenknöpfe ab und er bat seine Frau um eine Sicherheitsnadel.

»Nun aber still,« flüsterte der Aufsichtsbeamte Kasperle zu, und weil Kasperles Gewissen wieder aufwachte, hielt er sich selbst den Mund zu.

Da erlosch das freche Kasperlelachen und alle sagten wieder: »Wie schade, Kasperle ist fort.«

»Nä, ich bin noch da.«

»Bleibst du noch?«

»Ja, noch lange.«

»Still.«

Schwupp war Kasperle wieder ganz still. Unheimlich still, dachte nach einer Weile der Aufsichtsbeamte. Was macht er nur?

Das Sehen nach der weißen Wand hatte Kasperle ermüdet und auf einmal sah er, daß Bimlim schlief. Da dachte er, das kann ich auch, schloß die Glitzeräuglein und auf einmal sagte jemand: »Was rasselt nur so?«

»Das ist die Maschine,« sagte eine andere Stimme.

»Eine Ratte ist’s,« kreischte ein Fräulein.

»Uh je,« quiekte eine andere.

»Es muß etwas an der Maschine kaputt sein,« sagte die erste Stimme.

»Es wird doch kein Unglück passieren.«

»Kasperle schnarcht,« rief der Aufsichtsbeamte und ein lautes Lachen brauste durch den Saal.

Davon erwachten die Kasperles und sie sahen verdutzt um sich, wußten gar nicht, wo sie waren.

»Ausgeschlafen?« fragte jemand.

»Nä,« schrie Peringel und Bimlim machte »uah.«

Der Aufseher aber nahm beide Kasperles beim Schlafittchen und führte sie hinaus, denn schnarchen im Kino, das ging nun doch nicht.

Draußen, als die beiden noch recht verdutzt dastanden, sagte er: »Hier ist auch der Käse.«

Eilfertig griff Peringel danach und der Aufseher lachte: »Also, du warst es doch,« sagte er.

Da merkte Kasperle, daß er sich verraten hatte und er brach in ein ungeheures Gelächter aus.

»Kasperle lacht draußen!« Die Kinder im Saal sprangen hoch und verlangten, Kasperle solle wieder hereinkommen. Das tat Kasperle gern und beinahe nahm er den Käse wieder mit in den Saal, aber der Aufseher merkte es noch zur rechten Zeit. Das war gut, denn wenn Käse und Kino auch beide einen Anfangsbuchstaben haben, so passen sie doch nicht zusammen wie Kasperle und Kino.