So viele Gröschleins die Kasperles auch einnahmen, für den Kasperlemann langte es doch nicht. Erstens aßen die Kasperles sehr viel und der Kasperlemann war sehr gutmütig, er ließ ihnen viele Gröschleins für Pfannküchlein. Es war nämlich so: je mehr die Kasperles davon aßen, je besser schmeckten sie ihnen. Und wenn Sauerkraut auf dem Tisch stand, verlangte Peringel Pfannküchlein, denn von Sauerkraut bekomme er Magenschmerzen, sagte er. Ob er schwindelte? Der Kasperlemann wußte nicht, wie es in einem Kasperlemagen aussah, und Schmerzen sollte sein Kasperle nicht leiden. Er liebte nämlich seine beiden Kasperles sehr und sagte oft: »Ich wollte, ihr könntet bei mir bleiben.« Er wollte sie aber nach der Messe zu Meister Drillhose bringen, dem sie doch eigentlich gehörten.

»Haste denn genug Geld, wenn die Messe aus ist?« fragte Peringel einmal.

»Bleibt ihr doch bei mir.« Der Kasperlemann seufzte. »Nein,« sagte er traurig, »dann habe ich immer noch nicht Geld genug. Ich habe Schulden.«

»Was ist denn das, was zum Essen?«

»Nein, etwas sehr Schlimmes.«

»Bauchweh?« fragte Peringel mitleidig.

»Nein, es ist, wenn man jemand Geld geben muß und es nicht hat.«

»Wird Herr Jemand da böse?«

»Ja, sehr böse. Er nimmt mir meine Kasperlebude weg.«

»Das soll er nicht, wir hauen ihn.«

»Ach, das hilft nichts.«

»Warum hast du denn Schulden?« Peringel war sehr neugierig.

»Weil ich so lange krank war und all mein Geld für’s Krankenhaus hergeben mußte.«

»Haste Bauchweh gehabt?« Peringel kannte nur die eine Krankheit und er dachte mitleidig, der Kasperlemann hätte gewiß zu viel Pfannküchlein gegessen.

»Ich hatte den Fuß gebrochen.« Der Kasperlemann deutete auf sein Bein und Peringel sah es neugierig an und fragte: »Ist’s von Porzellan?«

Der Kasperlemann wollte gerade dem dummen Kasperle das Beinbrechen erklären, als die Dame aus der Schießbude kam und ein Zeitungsblatt schwenkte: »Da steht etwas drin von den Kasperles.«

Die beiden staunten und der Kasperlemann staunte noch viel mehr, als die Dame las: »Zwei Kasperles verloren gegangen. Sie sind jedenfalls mit einem Flugzeug entführt worden. Wer sie unversehrt wiederbringt, bekommt 500 Mark. Torburg, Meister Drillhose.«

»Hast du Glück!« sagte die Schießbudendame.

»Unverschämtes Glück!« sagte der Schlangenmensch neidisch, der dabei stand.

»Ja, bekomme ich denn das Geld?« Der Kasperlemann war ganz verwirrt.

»Natürlich,« rief der Schlangenmensch.

»Ist das viel?« fragte Peringel.

»Sehr viel, damit bin ich aus allen Sorgen heraus.«

»Aber wenn dir jemand die Kasperles fortnimmt? Sie gehören Dir doch nicht,« meinte die Schießbudendame.

Das war eine Frage. Wer hatte die Kasperles eigentlich gefunden? Es entstand bald ein lebhafter Streit auf dem Meßplatz, wer eigentlich der Finder der Kasperles wäre, denn jeder wollte es gewesen sein, jeder wollte die Belohnung einstecken.

»Wir wollen ausreißen,« schlug Peringel sein beliebtes Hilfsmittel dem Kasperlemann vor. Und der war damit einverstanden. Es kam ihm am gescheitesten vor, mit den beiden Kasperles heimlich den Festplatz zu verlassen.

Am nächsten Morgen ging ein Zug nach Torburg, mit dem beschlossen der Kasperlemann und die Kasperles abzufahren. »Ihr dürft es niemand verraten,« sagte der Kasperlemann und die beiden gelobten auch Stillschweigen.

Sie verrieten auch niemand etwas und legten sich am Abend in das Bett, das eigentlich dem Kasperlemann gehörte und das er den beiden abgetreten hatte. Es stand im Budchen und war ein luftiger Schlafplatz, denn nur eine Leinwand trennte es von draußen. Der Kasperlemann selbst hatte sich vorn in dem kleinen Theater ein Plätzchen zurechtgemacht.

»Weck uns auch morgen zur rechten Zeit,« schrie Peringel mit einer Stimme, die auf dem halben Meßplatz zu hören war.

»Die wollen ausreißen,« tuschelte der Schlangenmensch einem Chauffeur zu, mit dem er zusammenstand.

»Hätte ich das gewußt, daß eine so hohe Belohnung gezahlt wird, dann hätte ich die beiden gefahren.«

»Wollten sie denn?«

»Ja, für 70 Pfennig.« Die beiden lachten und auf einmal sagte der Schlangenmensch: »Was nicht ist, kann noch werden.« Die beiden tuschelten eine Weile zusammen und dann gingen sie und kauften eine Riesentüte der allergrößten Pfannküchlein.

In der Nacht war es.

Kasperle schlief ganz fest, als ihm auf einmal unversehens ein großer Pfannkuchen in den Mund geschoben wurde, Bimlim geschah das gleiche. Der Pfannkuchen war so groß, daß die beiden beinahe daran erstickten. Sie fühlten, wie sie hochgehoben und weggetragen wurden. Kaum hatte Peringel seinen Pfannkuchen runtergeschluckt, da hatte er schon wieder einen im Munde.

Aber Kasperle war doch ein Held.

Er spuckte in einem großen Bogen aus und begann mörderlich zu schreien.

Flugs wurde er aber in Decken gepackt, daß ihm das Schreien verging.

»Hier schrie doch jemand so,« sagte ein Schutzmann.

»Wer spuckt denn hier Pfannkuchen aus?« fragte ein Herr.

»Da ist etwas nicht richtig,« sagten alle beide.

In dem Augenblick kam der Kasperlemann gelaufen: »Meine Kasperles sind weg.«

»Da vorne in dem Auto hat es geschrien,« rief jemand.

»Ich sehe nach.« Ein Chauffeur kurbelte an, der Kasperlemann sprang in den Wagen und los ging die Fahrt.

Die Kasperles lagen eine Weile ganz ruhig in ihren Decken und der Schlangenmensch sagte, denn er war es wirklich: »Ich sehe nach, ob ihnen etwas fehlt.« Er wickelte also Peringel aus und sah, daß der ganz steif war. Da bekam er einen tüchtigen Schreck und begann Peringel heftig zu schütteln. Auf einmal klatsch bekam er eine mächtige Ohrfeige und Peringel sprang auf und riß Bimlim in die Höhe und beide kobolzten aus dem Wagen hinaus. Ehe sich der Schlangenmensch und der Chauffeur noch recht besonnen hatten, waren die beiden schon ein Stück die Straße entlang gepurzelbaumt.

Weil Menschen auf der Straße gingen, wagten der Schlangenmensch und der Chauffeur nicht umzukehren und Peringel und Bimlim gingen ganz gemächlich den Weg zurück.

Auf einmal rief jemand: »Da gehen die Kasperles.«

Es war der Kasperlemann und die Freude war gegenseitig riesengroß.

»Nun fahr’ ich sie gleich nach Torburg,« rief der Chauffeur.

Das war allen drei recht, besonders den Kasperles, denn im Auto zu fahren, dünkte ihnen sehr unterhaltsam.

Es ging auch wie der Wind.

Häuser, Menschen, Wälder, Wiesen, Berge, Täler, alles flog vorbei und auf einmal schrie Peringel: »Das kenne ich.« Sie fuhren an Schloß Himmelhoch vorbei. Die Kasperles schnitten Gesichter, und wenn sie an menschlichen Wohnungen vorbeikamen, da lachten die Leute. Einmal sangen sie auf der Straße ein Lied, da sang Kasperle mit. Er kannte das Lied, Florizel hatte es gedichtet und Kasperle hatte es vor vielen Jahren gesungen.

Aber das Singen hatte Kasperle noch nie recht gekonnt, er sang noch wie ein altes Scheunentor, wenn es der Wind bewegt, und die Kinder auf der Straße lachten über das Singen. Da schnitt er ein Unhold- und Räubergesicht und geschwind rissen die Kinder aus.

Und endlich kam Torburg. Die erste, die Kasperle erkannte, war Liebetraut Severin, die lief auf den Wagen zu und rief: »Kasperle, wir haben uns alle um dich geängstigt.«

»Du auch?«

»Ich auch. Und Marlene war ganz traurig.«

»Wo ist Marlenchen?« schrie Kasperle.

»Bei mir heute nachmittag zum Kaffee, komme du auch.« Das versprach Kasperle und Liebetraut sagte ganz herzlich, denn ihr gefiel heute Kasperle sehr gut: »Wir freuen uns alle, wenn du ins alte Severinhaus kommst.«

»Erst muß ich ihn aber zu Meister Drillhose bringen,« sagte der Kasperlemann.

»Und das viele Geld holen,« rief Kasperle.

»Weißt du, wer das gegeben hat?« fragte Liebetraut.

»Herr Stopps.«

»Ja, Herr Stopps.«

»Sind’s so viel wie zwei Millionen?« fragte Kasperle.

»Nein, so viel lange nicht. Ach, wenn man so viel Geld hätte.«

»Hast du kein Geld?« Kasperle holte zwei Gröschlein aus der Tasche.

»Da, die schenke ich dir.«

Liebetraut Severin lachte über das Geld und das dumme Kasperle machte ein trauriges Gesicht: »Warum hast du kein Geld? Meister Severin hatte doch so viel Geld,« sagte er traurig.

»Er hatte keins,« antwortete Liebetraut nachdenklich.

»Doch, in dem kleinen Kasten im Schlafzimmer, da steckt viel Geld.« Kasperle sah sich auf einmal wieder wie einst im alten Severinhause herumtollen und sah Meister Severin vor seinem Geldfach stehen.

»Kasperle,« rief Liebetraut, »du findest bei uns vielleicht noch einen Schatz, das wäre schön, dann brauchte sich mein Vater nicht so zu sorgen.«

Kasperle gab merkwürdigerweise keine Antwort. Er machte nur ein erschrecklich schlaues Gesicht, so, als jagten sich die Dummheiten in seinem Kasperlekopf.

»Nun aber schnell zu Meister Drillhose.« Der Kasperlemann hatte es eilig.

Da raste das Auto davon und hielt wenige Minuten später vor dem Haus, in dem Meister Drillhose wohnte.

Da liefen dann alle Leute in der Gasse zusammen, als es hieß: »Die Kasperles sind wieder da.«

Das war eine Freude, denn alle hatten schon geglaubt, die Kasperles wären nach Amerika entführt worden.

Der Kasperlemann bekam seine 500 Mark, die er mit dem Chauffeur teilte, und alle beiden sagten froh, nun hätten sie keine Angst vor dem Winter.

Kasperle schenkte ihnen noch seine beiden Gröschlein und glaubte wunder wieviel Geld er gegeben hätte.

Am Nachmittag aber gingen die Kasperles zu Severins in das alte Severinhaus am Kirchplatz und dort wurde Kasperle mit großem Hallo und großer Freude empfangen.

Das tat wohl.

Kasperle kam sich ungeheuer wichtig vor, als alle ihn mit dem Ruf begrüßten: »Da bist du ja endlich wieder im alten Severinhause.«

Kasperle saß wie einst am runden Tisch. Und die um ihn herumsaßen, waren Liebetraut und Rosemarie Severin, Prinzessin Marlenchen, Henry Stopps und die beiden Prinzen, der richtige Prinz und der Kasperleprinz. Und mit allen war Kasperle an diesem Nachmittag gut Freund, denn alle hatten sich um ihn gesorgt und Sorge knüpft feste Bande. Alle waren froh, Kasperle wieder zu haben, und Kasperle und Bimlim mußten erzählen, was sie alles gesehen und erlebt hatten. Kasperle aß und trank, füllte sein Bäuchlein und schwatzte wie eine Elster, da sagte Herr Severin: »Kasperle, weißt du nicht, wo hier im Hause ein Schatz liegt? Es soll einen geben.«

»Da.« Kasperle deutete mit beiden Händen auf einen Wandschrank. Reden konnte er nicht, er hatte zu viel im Munde.

»In dem Schrank ist meine Wäsche,« sagte Frau Severin.

»Da – da drin.« Kasperle konnte noch immer nicht sprechen, er zappelte mit Armen und Beinen.

Da ging Frau Severin und schloß den Schrank auf, er lag voll Tischwäsche. Aber Kasperle sprang wie ein Blitz auf, hin an den Schrank und alle Wäsche lag am Boden und nun sahen es alle: der Schrank war doppelt, dahinter war noch ein Schrank.

»Der Schatz!« schrien alle.

Und dann sagten alle enttäuscht: »Ach Kasperles!«

»Das bin ich,« schrie Kasperle.

Er war es auch. Frau Severin holte zwei Kasperles aus dem Schrank, es waren die letzten, die einst Meister Friedolin geschnitzt hatte, darunter lag sein ganzes Schnitzzeug und eine Geige.

»Auf der hat Meister Severin gespielt,« rief Peringel.

»Ich will einmal darauf spielen,« bat Rosemarie.

»Halt, laßt mal sehen, was noch im Schranke ist.« Frau Severin nahm alles heraus aus dem Schrank. Außer den zwei Kasperles, der Geige und dem Schnitzzeug standen noch ein paar silberne Patenbecher und ein Kästchen drin. Es enthielt nur ein Bild in einem kleinen Goldrahmen und Kasperle schrie los: »Das ist der Herzog.« Das Bild mochte der alte Herzog einst Meister Severin geschenkt haben. Ein Beutelchen mit ein paar Goldstücken fand sich auch noch in dem Schrank, mehr nicht.

»Das ist der ganze Schatz,« sagten alle enttäuscht.

Nur der Herr Severin sagte nichts, er sah nachdenklich drein und prüfte die Schnitzmesser mit der Hand.

»Schade, wir hätten den Schatz so gut gebrauchen können.« Frau Severin sah betrübt drein, aber ihr Mann nahm ihre Hand und sagte fast feierlich: »Das ist auch ein Schatz.«

»Wieso, die Geldstücke sind doch nicht mehr viel wert?«

»Man kann auch einen Schatz finden ohne Geld. Der Schatz liegt hier auch in der Arbeit. Ich habe mir gedacht, ich möchte etwas tun mit meinen kranken Augen, nun weiß ich, ich werde Holzschnitzer wie Meister Friedolin.«

»Schnitze mich auch,« sagte Kasperle eifrig.

»Ja, dich zuerst. Wenn ich dich herausbringe, dann kann ich auch andere Sachen.«

»Fang an.« Kasperle meinte, es müßte nun auch schnell gehen. Und wirklich nahm Herr Severin wie Meister Friedolin das Schnitzmesser zur Hand und begann an einem Stück Schnitzholz, das auch im Schranke lag, zu schnitzen. Mit seinen schwachen Augen konnte er die Arbeit leidlich sehen, und was er nicht sehen konnte, begann er zu fühlen.

Kasperle meinte, es sei wie damals, als Meister Friedolin ihn geschnitzt hatte, und als Rosemarie die Geige nahm, die noch eine Saite von Meister Severin hatte, da klang es wie einst, wenn das Michele spielte.

»Es wird etwas aus dir, wenn du fleißig bist,« sagte der Vater.

»Das will ich schon auf Urgroßvaters Geige,« antwortete Rosemarie, die bis dahin ein kleiner Faulpelz gewesen war. »Ich habe nun auch einen Schatz.«

Das wurde noch ein gemütlicher Nachmittag. Alle saßen um den Vater herum und sahen das Kasperle entstehen und Kasperle aß wegen der Anstrengung des Modellstehens ein Stück Kuchen nach dem andern.

»Aber Kasperle, du ißt zu viel Kuchen,« sagte Liebetraut.

»Erst zwölf Stück,« schrie Kasperle, »oder hundert.«

»Kasperle, du mußt zählen lernen,« sagte Liebetraut. »Du bist zu dumm: Paß auf, ich bring’ dir’s bei, Paß mal auf, hier sind fünf Portionen, nun zähl’ mal eins, zwei, drei.«

Da waren schon alle fünf in Kasperles Mund verschwunden und Bimlim rief aufgeregt: »Ich will auch zählen lernen.«

»Aber mit Bohnen,« meinte Liebetraut.

Doch damit waren die Kasperles nicht einverstanden und endlich gab Frau Severin Birnenschnitze her. Damit lernten sie das Zählen. Und erstaunlich genug, als Herr Severin mit seinem Kasperle nach zwei Stunden fertig war, konnte Kasperle schon bis sechs zählen, weiter ging es nicht. »Wenn du morgen wiederkommst, dann gebe ich dir weiter Stunde.«

»Mit Birnenschnitzen,« rief Peringel, aber Bimlim verlangte Schokolade.

»Das geht nicht, das ist zu teuer.«

»Wir legen unser Geld zusammen,« schlug Marlene vor, »davon kaufen wir Zuckerles und Kasperle und Bimlim lernen dann zählen.«

»’ne Million,« schrie Kasperle und stopfte den letzten Birnenschnitz in den Mund.

Das war aber allen zu viel. Eine Million Zuckerles, wer sollte die bezahlen!

»Ein Pfund ist genug,« sagte Marlene.

»Das ist noch zuviel,« meinte Liebetraut.

Aber Kasperle fand nichts zuviel, und er erzählte von riesengroßen Zuckertüten, die er vor hundert Jahren ausgegessen hatte.

»Und nun ist Kasperle fertig,« sagte auf einmal Herr Severin und alle sahen voll Bewunderung das geschnitzte Kasperle an. »Nun geht das auf den Jahrmarkt,« sagte Kasperle, »und ich bleibe zu Hause.«

»Wo denn zu Hause?« fragte Bimlim traurig.

»Hier,« schrie Kasperle.

»Ja, im Severinhause,« riefen alle. »Wir gehen zu Meister Drillhose und bitten ihn. Und da, das nehmt mit, seht, was draufsteht.« Frau Severin hielt den Beutel mit Goldstücken hoch, auf diesem stand: Kasperles Eigentum.

»Das gehört Kasperle,« riefen alle. »Das gibt er Meister Drillhose und bleibt bei uns.«

Kasperle staunte den Beutel an. Ein dunkles Erinnern kam ihm, daß den Mr. Stopps ihm mal geschenkt hatte.

»Ich habe nichts,« klagte Bimlim.

»Du bist doch dumm, was mein ist, ist auch dein. Und da du allein nicht kaspern kannst, muß Meister Drillhose uns beide freilassen.«

»Wollt ihr nicht mehr auf Jahrmärkte gehen?« fragte Herr Severin.

»Nä,« schrie Kasperle, »das ist zuviel!«

Da kam es denn heraus, daß das Leben und Treiben auf der Leipziger Messe die beiden so verwirrt hatte, daß sie alle Lust am Kasperlespiel verloren hatten.

Wer das nicht einsehen wollte, war aber Meister Hirsebrei. Der wollte und wollte sein Kasperle nicht freilassen und Kasperle mußte alle seine Goldstücke hergeben, um die Meister beide dahin zu bringen, ihn in das Severinhaus ziehen zu lassen.

Aber an einem schönen Festtag hielten Kasperle und Bimlim dort ihren Einzug und Meister Hirsebrei spielte an dem Tage mit Kasperles, die Herr Severin geschnitzt hatte, auf dem Jahrmarkt in Neustadt. Die geschnitzten Kasperles spielten beinahe so gut wie das echte Kasperle und Meister Severin bekam so viele Bestellungen wie einst Meister Friedolin. Aber er schnitzte nicht nur Kasperles. Für die Kirche in Torburg schnitzte er einen neuen Altar, ein feines Werk, eine Rosenhecke von zarter Schönheit, das seinen Namen berühmt machte. So hatte er wirklich im alten Schrank einen echten Schatz gefunden, eine Lebensarbeit, und das nur, weil Kasperle sich auf den Doppelschrank besonnen hatte. Kasperle und Bimlim verlebten gute Tage im Severinhaus. Marlene, Herr Stopps und Prinz August sorgten dafür, daß die Kasperles immer suppsatt wurden und nie Not litten. Manchmal kasperten die Kasperles auch auf dem Kirchplatz wie in alter Zeit und beide waren bald so bekannt in Torburg wie einst Peringel. Jeder Autokutscher kannte sie und manchmal fuhr Kasperle mit im Land oder in der Stadt herum. Und wenn Fremde nach Torburg kamen, zeigten die Dienstmänner das Haus, in dem die beiden echten Kasperles wohnten.

Aber so recht glücklich waren die beiden doch nicht.

Um sie herum hatten alle ein Leben der Arbeit. Liebetraut ging in das Gymnasium, Rosemarie spielte Geige, Henry Stopps und Prinz August waren so fleißige Schüler wie Liebetraut, sie wollten alle drei studieren. Und die Erwachsenen hatten alle ihre Sorgen und Arbeit. Da kamen sich die beiden Kasperles manchmal recht überflüssig vor. Sie hatten keine Arbeit, denn auf die Jahrmärkte ziehen wollte hauptsächlich Bimlim nicht. Da erwachte in ihnen oft die Sehnsucht nach der Heimat, aber Peringel sagte stets: »Ich kann doch nicht zurück, ich hab’s versprochen.«

»Du warst dumm,« sagte Bimlim.

»Nä, klug, immer klug.«

Sie stritten sich jeden Tag und versöhnten sich wieder, waren froh, daß sie einander hatten, denn zu zweit in der Fremde ist immer ein besser Ding als mutterseelenallein. Es war aber das alte Lied. Um sie herum wuchsen die Kinder und wurden größer und verständiger, und sie blieben die kleinen dummen Kasperles. Das war nicht schön, und die beiden fingen an, sich zu grämen, als sich auf einmal ihr Schicksal wandelte; ganz merkwürdig war es, wie es geschah.