131. Sankt Remaclus Fuß zu Spa

131. Sankt Remaclus Fuß zu Spa

In dem quellenreichen Spa, darinnen mehr denn hundert Gesundbrunnen ihre Heilwasser ausströmen, ist eine Quelle, die heißt Groesbeeck, die ist ein Jungbrunnen und Frauenbad, absonderlich heilsam und kräftigend. Nahe dabei ist das Zeichen eines Fußes tief in den Boden eingetreten. Einstens kam der heilige Remaclus, welcher im Lütticher Lande wohnte, zu dieser Quelle und verrichtete allda seine Andacht. Der heilige Mann mochte aber ermüdet sein oder sich allzu tief in sein Gebet versenken, er schlief ein über dem Gebet. Solches hat den lieben Gott in etwas verdrossen, und er schuf, daß einer der Füße des heiligen Mannes tief in die Erde sank und das Wahrzeichen also blieb, daß es nimmermehr wieder ausgefüllt werden konnte. Der heilige Remaclus aber fühlte tiefe Reue über sein Vergehen und legte sich die strengste Buße auf, dies sahe Gott mit Wohlgefallen an und schuf der Fußtapfe eine wunderwirkende Kraft. Frauen, welche Nachkommenschaft entbehren und Nachkommenschaft wünschen, halten in der Kirche des heiligen Remaclus zu Spa eine neuntägige Andacht und trinken an jedem dieser Tage aus dem Brunnen Groesbeeck ein Glas Wasser, indem sie den einen Fuß in die Fußtapfe des heiligen Remaclus setzen. Vielen hat dort ihr Glaube geholfen.

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132. Die schlafenden Kinder

132. Die schlafenden Kinder

Im Lütticher Lande, zu Stockum, lebte ein armes Weiblein, eine Wittib mit drei Kindern, kümmerlich, denn es war teure Zeit, und sie mußte betteln gehen und konnte doch nichts erbitten und erbeten. Da kam sie voll Jammer zu ihren drei Kindlein daheim und sagte: Weh uns Armen! Die Herzen der Menschen sind hart, und Gott hat ihr Ohr verschlossen. Lasset uns mitsammen sterben, das ist das Beste für uns viere, da hungern wir nicht mehr! – Da die Kinder diese Worte vernahmen, begannen sie zu weinen, und eines derselben sprach: Ach, liebe Mutter, du wirst doch dich und uns nicht schlachten wollen – denn die Alte hielt schon das scharfe Messer in der Hand – laß uns doch lieber schlafen bis zum Herbst, da gibt es wieder Korn und Obst, da lesen wir wieder Ähren mit dir und können leben. Da fiel der Mutter das Messer aus der Hand, und den Kindern allen dreien fielen die Augen zu, und entschliefen, und schliefen und schlummerten in einem fort, durch den Winter und Frühling und Sommer, und wachten nie nicht auf. Viele Menschen kamen herbei aus Lüttich und aus Brabant und sahen mit Verwunderung die immer schlafenden Kinder, und alle schenkten der armen Frau etwas, und davon wurde die arme Frau sehr reich. Und als der Monat August kam, da die Sicheln der Ährenschnitter im Felde klangen, da wachten die Kinder allzumal auf und hatten einmal recht ausgeschlafen, lobten Gott und den frommen Heiland mit ihrer Mutter und litten nie wieder Mangel.

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122. Vom Loosberg über Aachen

122. Vom Loosberg über Aachen

Als der Teufel mit der Wolfsseele arg betrogen worden war, ergrimmte er heftiglich über die Stadt Aachen und fuhr auf Sturmwindsflügeln bis zum Meeresstrande im Niederland, sah da die weißen Dünen im fahlen Lichte schimmern und brütete einen Rachegedanken aus. Mit einer ganzen breiten Düne belud er sich, die hing ihm über die Schultern, wie einem Bauer der Querchsack, und nun ging es mit Teufelsgewalt auf Aachen los; schon war er über die Maas und gelangte an das Soerstal, da erhob sich ein starker Wirbelwind, der schmiß ihm aus der Düne vielen Sand in die Augen, und da hätte der Teufel sich fast verirrt. Da begegnete ihm ein altes Weib, das kam des Wegs von Aachen her, und der Teufel fragte es: Wie weit ist’s noch bis Aachen? – Die Alte sah ihren Mann an, erkannte ihn am Pferdefuß, zeigte ihm ihren Schuh und sagte: Schauet, Herr! Die Schuhe zog ich zu Aachen neu an, und jetzt sind sie zerschlissen – so weit habt Ihr noch. Darob ergrimmte der Teufel, denn er war müd und matt und hatte die Schlepperei und den Sand in den Augen satt, und rief: Ins Teufels Namen, liege hier, Lausesand! – Und warf die ganze Düne hin, daß es krachte und stäubte, und hub sich von dannen. Das sind die beiden Berge, der Loos- oder Luisberg und neben ihm, niedriger, St. Salvatorsberg, und in Aachen sagen sie, entweder sei der Loosberg nach dem losen Sinn, mit dem das alte Weib den Teufel betrogen, und weil ein alt Weib loser sein kann wie der Teufel selbst, genannt, oder nach des Teufels Wort und Namengebung.

In Aachen aber ward das Münster herrlich geweiht durch den Papst und Kaiser Karl den Großen, im Beisein vieler Bischöfe und allen Volkes. Auf den einen Sandhügel ließ Karl der Große eine Kapelle und ein Kloster erbauen und weihete sie dem Erlöser, weil die Stadt Aachen von der ihr durch den Bösen drohenden Gefahr erlöst worden, das ist die Kapelle St. Salvator.

Als Aachens Münster geweiht wurde, sollten so viele Bischöfe dasselbe weihen helfen, als das Jahr Tage zählt, es kamen aber deren nur dreihundertunddreiundsechzig zusammen. Da erhoben sich zwei gestorbene Bischöfe aus Maastricht aus ihren Gräbern, dienten mit und legten sich dann wieder nieder zur ewigen Ruhe.

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123. Schlangenring

123. Schlangenring

Kaiser Karl der Große, da er in Jürch im Hause »Zum Loch« genannt wohnte, ließ eine Rügesäule aufrichten mit einer Glocke und einem Seile daran und gebot, wer Recht begehre, das ihm irgend geweigert werde, der solle an diesem Seile ziehen und diese Glocke läuten, es sei, wenn es sei, und selbst wenn der Kaiser am Mittagmahle sitze. Nun geschah es eines Tages, daß die Glocke erklang und des Kaisers Diener an die Säule eilten, da fanden sie niemand. Bald aber erschallte von neuem die Glocke, und fort und fort, und der Kaiser sandte abermals hin. Da fanden die Diener eine große Schlange, die hatte das Seil im Rachen gefaßt und läutete. Wie die Diener dieses Wunderbare dem Herrn überbrachten, erhub er sich alsbald und wollte auch dem Tiere Recht sprechen, so dieses solches begehre. Und siehe, der Wurm neigete sich vor dem Kaiser und wandelte von der Säule fort hinab zum Rand eines Wassers; dort fanden sie das Schlangennest, und auf den Eiern der Schlange saß eine übergroße Kröte, die wollte nicht herab. Alsbald gebot der Kaiser, ein Feuer zu schüren, die Kröte mit Zangen zu packen und zu verbrennen. Als dieses geschehen war und der Kaiser eines Tages bei Tische saß, ringelte sich dieselbe Schlange ins Gemach, kroch zur Tafel hinan, hob von einem Pokal den Deckel und ließ einen Ring mit einem kostbaren Edelstein aus ihrem Munde hineinfallen, verneigete sich gegen den Kaiser und schlüpfte schnell von bannen. Kaiser Karl nahm den Ring und schenkte ihn seiner Gemahlin Fastrada, die er sehr liebte und nun noch mehr liebte, denn es lag in dem Schlangenring ein heimlicher, wundersamer Zauber. Auch gebot der Kaiser, an dem Orte, wo er der Schlange Recht gesprochen, eine Kirche zu erbauen, dieses geschah, und hieß man dieselbe Wasserkilch.

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124. Kaiser Karl kehrt heim

124. Kaiser Karl kehrt heim

Im Dome zu Aachen steht ein Stuhl, der ist elfenbeinern, daran ist uraltes Bildwerk zu erschauen, und das ist der Stuhl Kaiser Karl des Großen. Als zu einer Zeit der starke Held auszog in das Heidenland, die Heiden zum Christentum zu bekehren, schied er sich von seinem Ehegemahl und gab seiner Hausfrauen auf, seiner in Züchten zu harren zehen Jahre lang, käme er dann nicht zurück, so wäre sein Tod gewiß. Werde er aber ihr einen Boten senden mit seinem Ringelein, das er ihr wies, dann solle sie dem alles vertrauen und tun, was er ihr entbieten ließ.

Neun Jahre und viele Monden darüber stritt und siegte Kaiser Karl im Ungarlande gegen die Heiden, und daheim hielten sie ihn für tot, und weil das Land keinen Zuchtherrn hatte, erhob sich um Aachen und gegen den Rhein eitel Raub und Mord und Brand, und traten die Räte zu der Herrin, Karls Gemahlin, und lagen ihr an, einen andern Herrn und König zu erkiesen, damit das Land nicht zugrunde gehe. Lange weigerte sich die Frau, weil ihr noch kein Wahrzeichen gesendet war, aber endlich, da die Herren und Räte allzumal heftig in sie drangen, ließ sie es zu, daß ihre Vermählung mit einem reichen König anberaumt wurde, und kam die Zeit heran, daß nur noch drei Tage waren vor der Hochzeit, welche festlich begangen werden sollte. Da sendete Gott der Herr einen seiner Boten ins Lager nach dem Ungarland, der sagte Kaiser Karl an, was sich daheim begebe, und sprach zu ihm: Rüste dich und reite heim, binnen dreien Tagen ist Hochzeit! – Wie soll ich reiten, fragte Karolus, in dreien Tagen hundert Tagereisen weit und darüber? – Reite, und Gott wird mit dir sein! sprach der himmlische Bote, und da gewann der Kaiser ein gutes Roß, damit ritt er an einem Tag aus Bulgarien bis gen Raab, und am andern Tag von Raab bis gen Passau. Dort gewann er ein frisches Roß und kam gen Aachen vor das Burgtor, und Gott war mit ihm. Ganz Aachen war schon ein Sang und ein Schall von eitel Hochzeitglanz und Klang, denn andern Tages sollte die Hochzeit sein, und die Trauung früh im Dom. Da ging Kaiser Karl bei guter Zeit, da es noch Nacht war, in den Dom, setzte sich auf seinen elfenbeinernen Stuhl und legte sein großes Schwert quer über seine Kniee, saß allda ganz ruhig wie ein Steinbild und ruhete von seinem weiten Ritt. Da kam zuerst der Mesner in den Dom, der trug die Bücher vor und beschickte die Altäre und steckte Kerzen auf, und mit einem Male sah er auf dem Königsstuhle einen greisen Mann sitzen, in ernster Stille und mit blankem Schwert, da kam ihm ein Grauen an, und ging und sagte es den Domherren an. Die wollten solche Mär nicht glauben, denn auf dem Stuhle durfte niemand sitzen, er wäre denn König, kamen daher mit Licht, und der Kühnste unter ihnen nahte dem Stuhle unerschrocken. Aber als er den Mann darauf sitzen sah so still und wie steinern, entfiel der Leuchter seiner Hand, und er zitterte und entwich aus der Kirche und sagte dem Bischof von dem Ereignis. Der Bischof nahm sogleich zwei Kerzenträger der Kirche, ließ die vorangehen mit brennenden Kerzen und folgte ihnen hin zum Kaiserstuhle. Da sah er den Greisen sitzen und hub bänglich an zu sprechen: Sag an, wer bist du Mann, und durch wessen Gewalt unterfängst du dich, diesen Stuhl zu behaupten? Weißt du nicht, daß dies der Sessel ist unsers Herrn und Kaisers? – Darauf erwiderte der Kaiser: Wie du sagst, so ist es, da ich noch König Karl hieß, war ich euch allen wohlbekannt, da durfte keiner diesen Stuhl mir wehren! – Und erhob sich und stand vor dem Bischof in seiner stattlichen Größe, eines Kopfes höher als der größte Mann, und der Bischof rief frohlockend aus: Seid gottwillkommen, mein königlicher Herr! Segen sei mit Eurer Wiederkunft. – Da läuteten von selbst alle Glocken, des erschraken die Hochzeitgäste und zogen eilend von dannen, und der Bischof bat für die Königin und sagte, daß sie gedrungen worden sei, da verzieh ihr Karows gerne und gab ihr seine Huld zu erkennen, denn er liebte sie unabänderlich und konnte nimmer von ihr lassen.

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125. Fastradas Liebeszauber

125. Fastradas Liebeszauber

Mit einer unsterblichen Liebe liebte Kaiser Karl sein Ehegemahl Fastrada, bis sie erkrankte und starb. Dies geschah zu Frankfurt am Main, von wannen ihr Leichnam erhoben ward und gen Mainz geführt, ihn allda zu bestatten. Aber der Kaiser wich nicht von der Verstorbenen und duldete nicht, daß man sie von ihm entferne, denn es fesselte ihn ein Zauber, wie vorher an die Lebende, so jetzt an die Tote. Das ward des Kaisers Umgebung auf die Länge ganz unerträglich, fort und fort den Stank der Verwesung zu atmen, und endlich ahnete der weise Turpin, des Kaisers Ohm und Bischof von Mainz, daß ein Zauber hier walte, suchte und fand im Munde der Toten, oder nach andern in ihr Haar geflochten, den Ring mit dem Edelstein, den damals zu Zürch die Schlange in des Königs Becher gesenkt, und nahm den Ring an sich. Alsbald wich der Zauber von Fastradens Leichnam, die dem Kaiser bislang noch immer schön und frisch und blühend, wie eine Schlafende, erschienen war, deshalb er sie auch nicht zu bestatten erlaubte – und er erbebte jetzt vor ihrem Anblick und wollte sie nicht mehr sehen. Also ward Fastrada bestattet, aber nun wandte sich Karls ganze Liebe dem Erzbischof zu, der nun schon wußte, woher diese Neigung stamme. Und als Erzbischof Turpin im Gefolge des Kaisers gen Aachen zog, da sah er unterm Frankenberge einen schönen See, der war still und tief und heimlich. Dahinein warf Turpin den Schlangenring. Alsobald entwich die Zauberliebe aus Karols Herzen und wandte sich nun zu diesem See, wollte nimmer von ihm scheiden. Ließ ein Schloß zur Wohnstätte auf den Berg über dem See bauen, da weilte er nun immerdar und hatte seine Augen stündlich auf den See gerichtet und verordnete, daß man ihn bei seinem Absterben allda in seinem Münster zu Aachen begraben solle, befahl auch, daß alle seine Nachfolger zu Aachen vor ihrer Krönung sich sollten salben und weihen lassen, welches auch also geschehen ist in langer Reihe deutscher Kaiser bis nahe heran an die neue Zeit, da man nicht mehr deutsche Kaiser zu salben und zu krönen hatte und das Reich ein Ende genommen.

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126. Karl des Großen Tod und Grab

126. Karl des Großen Tod und Grab

Als es mit Kaiser Karl dem Großen zum Sterben kam, verordnete der Held, wie es mit seinem Begräbnis geschehen solle, und geschahen zugleich große Wunderzeichen am Himmel und auf Erden, welche des mächtigen Kaisers Absterben vorausverkündigten. So stürzte der bedeckte Gang ein, der von der Kaiserpfalz auf den Markt zum Münster führte. Und da Karolus nun verstorben war, da ward er beigesetzt im rechten Sinn, in eine neue wohlverwahrte Gruft, auf einem Stuhl von Marbelstein aufrechtsitzend, auf seinem Haupt die Krone und in der einen Hand den Szepter, in der andern das Evangeliumbuch, und ward dann über ihm die Gruft geschlossen und vermauert. Das geschahe gleich am zweiten Tage nach dem Tode des großen Herrschers, und kam nach wenigen Wochen Ludwig der Fromme, sein Sohn, und übernahm das Erbe des Reiches. Der sahe seinen Vater nicht mehr, und kein Mensch sah ihn mehr, bis man das Jahr Eintausend schrieb. Da trug des Reiches Krone Kaiser Otto III. vom Sachsenstamme, dem gelüstete zu einer Zeit, den Leichnam Karl des Großen zu schauen, ging zum Grabe dar, geleitet von zwei Bischöfen und einem Grafen, und ließ eine Öffnung in die Gruft brechen. Da saß der nun seit fast zwei Jahrhunderten beigesetzte Kaiser noch hoch und hehr, wie ein steinern Heldenbild, auf seinem Marbelstuhl, die Krone noch auf dem Haupte, das Szepter in der behandschuhten Hand und das Buch auf den Knien, schier dräuend und schrecklich. Alle beugten sich ehrfurchtvoll vor dem großen Toten und befanden, daß die Nägel fortgewachsen waren durch die Handschuhe hindurch, und daß die Fäule nur erst die Nase ergriffen. Die ließ Kaiser Otto von Gold ergänzen, schnitt dem Leichnam mit goldner Schere die Nägel ab und kleidete ihn in ein weißes Gewand. Dann entnahm er dem Munde Karols einen Zahn, diesen aufzubewahren als heilige Reliquie, dann ließ er das Grab wieder schließen und fest vermauern. In der Nacht darauf aber erschien Karolus dem Kaiser Otto III. im Traume, hehr und schrecklich anzusehen, und sprach zu ihm: Mußtest du kommen und meine Ruhe stören? Bald wirst du ruhen, wo ich ruhe, nicht weit von mir, und erlöschen wird mit dir dein Stamm. – Otto, der Kaiser, nahm sich dies Gesicht sehr zu Herzen; er gründete eine Kirche und ein Klosterstift und weihte es in die Ehre Sankt Adalberts, und im zweiten Jahre, nachdem er Karoli Leichnam gesehen, da war schon das Wort der Erscheinung erfüllt, und Otto III. ruhete in der Kaisergruft im Aachner Dome. Hernachmals hat nach aber zweihundert Jahren Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen Kaiser Karls Gebeine erheben und in einen prächtigen goldnen und silbernen Kasten legen lassen, die Krone aber und andere Kleinodien dem Domschatz überwiesen.

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127. Templerkirche zu Aachen

127. Templerkirche zu Aachen

Weit verbreitet war der Orden der Templer; auch zu Aachen erbauten sie ein Tempelhaus, dessen Stätte heißt noch heute der Tempelgraben. Als sich die Feinde des Ordens gegen den Templerbund erhoben, als der schreckliche Tag im Märzmond des Jahres 1314 den heldenherzigen Großmeister Jakob Molay nebst seinen Todesgenossen in Flammen zu Märtyrern verklärete, da versank zu Aachen plötzlich die Templerkapelle, an ihrer Stelle schoß ein Wasserstrahl aus dem Boden herauf, und ein Weiher bedeckte den Ort. Das war fast wieder volle hundert Jahre, seit Kaiser Friedrich Karl den Großen zum andern Male bestattet hatte. Immer noch quillt jene Quelle über der versunkenen Templerkirche, und im Märzen hört man wohl bei stiller Luft ihre tiefversunknen Glocken läuten, das klingt wie aus weiter Ferne und geisterhaft. Auch geht die Sage, daß in der Mitternachtstunde jenes Unheiltages drei Ritter in Templertracht, auf ihren Mänteln das rote Kreuz, von Blut gezeichnet, über den Tempelgraben wandeln.

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128. Die Hinzlein zu Aachen

128. Die Hinzlein zu Aachen

Allenden in Deutschland und den Nachbarländern gehen Sagen von Zwergen und Neckebolden, heißen da so und dort anders, Hinzelmännlein, Bergmanndli, Hütchen, Heinzchen, Wichtlein, Querchlein, Quarkse, stilles Volk, Unterirdische, sind ein wunderlich spukhaft Geistervolk, den Menschen gut und feindlich, je nachdem es kommt, hülfreich und zuwider, nütze und schädlich, doch am meisten den Guten mild und den Bösen feindlich gesinnt.

Solcher Kobolde hatte es auch zu Aachen, hießen dort Hinze, wie man auch hie und da in Deutschland die Katzen nennt, die Hexenlieblinge, wohnten im Felsgeklüft unter der Emmaburg, da waren viele Gänge und unterirdische Keller, daraus zog in gewissen Nächten der Hinzenschwarm hervor mit spukhaftem Gelärm und Gepolter, klapperten an die Haustüren und trieben viel Tückerei und bösen Mutwillen. Kein Geisterbannspruch, kein Kreidekreuz an Türen und Läden half gegen den Nachtspuk der Hinzemännlein; erst als man eine Kapelle dicht an die Felsen der Emmaburg baute und deren Glocken zum ersten Male erklangen, da war alles vorbei – denn Glockengeläute können die Unterirdischen nicht hören und vertragen, aber die guten Aachener ahneten nicht, daß sie sich mit dem Kapellenbau erst recht eine Rute auf den Hals gebunden hatten. Denn die Hinzlein zogen zwar aus den Felsen fort, aber wo zogen sie hin? – In die Stadt Aachen zogen sie, in einen alten Mauerturm, zu dem ein unterirdischer Gang nach dem Felsen unter der Emmaburg führte, und nun ging der Spuk erst recht an. Der alte Turm lag ohnweit der Kölner Straße, da klopfte es zur Nacht an die Häuser, da knisterte es auf dem Herd, da rasselte und klapperte es in den Küchengeschirren, und das ging stundenlang so fort, daß kein Mensch ein Auge zutun konnte. Wußten sich keines Rates zu erholen gegen die schlimmen Poltergeister. Da kam von auswärts her ein weit umgewanderter Gesell gen Aachen, der vernahm von dem Spuk und erzählte, solcher Zwergvölker gebe es in Thüringen und Sachsen vollauf, bei Jena, bei Königsee, bei Plauen, in der Grafschaft Hohnstein am Harzwald, bei Zittau in Sachsen, im Zobten in Schlesien, im Kuttenberg in Böheim und an vielen andern Orten, auch im ganzen Vogtland, in der Schweiz am Pilatus, im Erzgebirge, im Untersberg bei Salzburg, sowie am Rhein usw. Da sei nichts besser, als man stelle vor jedes Haus ein Geschirr, ehern oder irden, dessen wären die Hinzlein sehr froh, benutzten es zur Nacht und stellten es ungeschädigt wieder an seinen Ort, ließen dagegen die Leute in Ruhe. Der Rat des guten Gesellen ward probiert und war probat, man folgte ihm und hatte Ruhe. Kamen nachmals zwei fremde Kriegsgesellen nach Aachen, die hörten in ihrem Quartier von der Sache und der Sage, hatten Spottens kein Ende, daß die Aachner Töpfe und Kessel für die Zwergmännlein hinstellten, deren es doch auf der Welt keine gebe, und vermaßen sich, nachts Wache zu stehen, da sollten die Hinzen statt der blanken Kessel blanke Degen finden. Darauf bezechten sich die Kriegsgurgeln, setzten sich vor die Tür, sangen und hatten sich sehr lustiglich, schrien immer einer den andern an: He da! Hinz! Jetzt kommt der Hinz!, trieben einander zur Kurzweil auf der Straße um, jagten sich, traten sich, rannten durchs Hinzengäßlein hinter bis zu dem alten Mauerturm, da hörte man sie beide noch einmal brüllen, dann war alles still.

Am andern Morgen lagen die Prahlhänse tot vorm Hinzenturm, hatte einer den andern durch und durch gestochen. – Und noch lange nachher hat der Hinzenspuk gedauert, bis ein reguliertes Chorherrenstift erbaut ward in der Nähe der Spukgassen, da hat der abermalige mächtige Glockenschall die Hinzlein auf immer vertrieben.

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12. Die Herdmanndli ziehen weg

12. Die Herdmanndli ziehen weg

Es ist schon viel gesagt, wie gut gegen die guten Menschen die Berglütlenen des Pilatus waren; kleine, zwei Fuß hohe Männlein mit grünen oder grauen Röckchen, mit Füßen, die man nicht sah, langem Silberbart bis zur Erde herunter, die hüteten das edle Gestein im Berge, waren den Menschen hülfreich, kamen wohl auch und begehrten Speise, liebten insonderheit das Schweinefleisch, und wer ihnen gab, hatte es gut und erfreute sich ihrer Gunst. Wenn ihnen die Sennerinnen etwas Milch beiseite stellten, so molken und fütterten sie, und waren ganz heimisch bei den Mägden; sie konnten auch wahrsagen aus Karten und Händen und waren geschickt zu allen Dingen, aber erzürnen durfte man sie nicht. Wem sie im Sommer beim Heuen halfen, der konnte zufrieden sein, sie mehreten das Heu wunderbar. Manchmal sahen sie auch dem Heuen zu und halfen nicht. Einstmals verdroß das einen Heuer, der machte mit noch einem Kameraden, bevor die Arbeit anging, ein Feuer auf den Felsstein, darauf die Herdmanndli zu sitzen und zuzusehn pflegten, und kehrten dann geschwind Asche und Kohlen vom heißen Steine weg. Als die Manndli kamen und den Stein betraten, verbrannten sie sich ihre Füße. Da schrien sie überlaut: O böse Welt! O böse Welt! – und kamen nimmermehr wieder.

So auch kamen Bergmanndli vom Pilatus ins Haslital von der Flüh herunter, den Heuern zuzuschauen; die waren gewohnt, sich auf die Äste und Zweige eines schattigen Ahornbaumes zu setzen. Das merkten Schälke und sägten die Äste knapp durch, daß die armen Manndli herunterfielen. Da erhuben sie ein jämmerlich Geschrei und riefen:

O wie ist der Himmel so hoch!
O wie ist die Untreu so groß!
Heute hier und nimmermehr!

Und nachher hat sich im Haslital niemals wieder eins sehen lassen.

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