168. Fositesland

168. Fositesland

Auf der Insel Helgoland stand zu Heidenzeiten das Heiligtum eines Gottes des Namens Fosite oder Fosete, der war ein Gott der Eintracht und des Friedens. Kein unreines Tier durfte seinem Tempel nahen, und wer des Ortes Heiligkeit verletzte, mußte den Tod erleiden. Die Apostel dieses gottheiligen Landes waren Ludger und Wilibrord. Ludger schiffte, ein Kreuz in der Hand, auf die Insel zu, und sang den sechzigsten Psalm. Da ward ein Rauch erblickt, der von der Insel aufstieg und hoch über sie sich ausbreitete und alsdann verschwand. Da sprach Ludger: Wisset, meine Brüder, daß dieser Dampf Satan selbst war, den nun der Herr von diesem Insellande vertrieben. Und betrat das Ufer freudig und predigte Jesum Christum. Er zerstörte den Tempel Fosetes und baute an seiner Stätte die erste Kirche. Als Wilibrord eines der Tiere schlachtete, welche um Fosetes Tempel weideten und für heilig und unverletzbar galten, glaubten die Bewohner, er werde alsbald sterben, da dies aber nicht geschah, so ließen sie sich taufen. Selbst die Seeräuber in späterer Zeit achteten dieses Land also heilig, daß sie nie etwas davon hinwegführten, ja den frommen Einsiedlern, die dort wohnten, reichten sie sogar einen Teil ihrer Beute. So ist auch bis auf den heutigen Tag alldort ein tiefer heiliger Brunnen, darinnen, dem Meeresstrande so nahe, doch süßes Wasser quillt. Daraus sind die heidnischen Bewohner des Landes getauft worden.

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155. Stavorens Ursprung

155. Stavorens Ursprung

Des Friesenlandes Hauptstadt ist Stavoren. Die alten Friesen hatten einen Gott, den hielten sie so groß und mächtig wie das Römervolk seinen Jupiter, den nannten sie Stavo. Da nun zu einer Zeit aus fernen Landen drei Brüder zu Schiffe an die Küste kamen, Friso, Saxo und Bruno geheißen, von vielen Gefährten begleitet, welches zur Herbsteszeit geschah, so fanden sie das Land, welches damals Sueven bewohnten, die keine festen Wohnsitze behaupteten und sich der Spätherbstüberschwemmungen wegen in höheres Land zurückgezogen hatten, von Einwohnern fast ganz entblößt, erbauten ihrem Gott Stavo einen Tempel, gründeten eine Stadt und nannten sie nach ihrem Gott Stavoren. Diese Stadt wurde bald groß und viel größer denn jetzt, und die ganze Südersee war noch bewohntes Land, von dem jetzt nur noch hie und da als kleine Insel ein geringer Rest aus den Wogen ragt. Da blieben sie nun dreizehn Jahre, und ihr Volk mehrte sich, und sie hatten nicht Raum genug, darum sprach Friso zu seinen Brüdern, es sei besser, wenn sie sich teilten und jeder von ihnen mit den Seinen ein weites Land gewänne. Da schieden die Brüder Saxo und Bruno in Frieden von Friso, welcher blieb, und Saxo lief in die Elbe ein, ließ sich an ihrem Ufer nieder und bevölkerte das Land, und sein Volk wurde nach ihm Saxen geheißen. Bruno aber machte sich seßhaft am Weserstrome und gründete dort eine Stadt, die hieß nach ihm Brunosvic, die gab hernach dem ganzen Lande ihren Namen Braunschweig. Friso aber erreichte ein sehr hohes Alter, er herrschte über Friesland achtundsechzig Jahre und hinterließ sieben Söhne und eine einzige Tochter.

Die Stadt Stavoren wurde und war vor diesem die allerberühmteste Haupt- und Residenzstadt der friesischen Könige, und war nirgends größere Handlung und Schiffahrt als in dieser Stadt, denn sie war überaus wohl gelegen und hatte einen vortrefflichen Hafen.

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156. Der Feuerpütz

156. Der Feuerpütz

Es war zu Kaiser Titus‘ Zeit, vier Jahre nach der Geburt unsers Herrn, als im heutigen Westfriesland an einem Berge, der rote Kliff genannt, ein Feuerpütz aus der Erde schoß, der drei Tage lang loderte und weberte. Am vierten Tage kam ein Drache aus der Öffnung geflogen, aus der das Feuer schoß, hob sich hoch, schwebte eine halbe Stunde lang in Lüften und tat sich dann wieder nieder und hinein, woraus er gekommen war, ward nicht wieder gesehen, und das Feuer erlosch.

Hundertundfünfzig Jahre später brach der Feuerpütz wieder auf und brannte ganz schrecklich, acht Tage lang, und flammte sehr hoch, daß allen, die daherum wohnten, bange ward; dann erlosch die Flamme. Die Einwohner fragten das Orakel ihres Abgottes Staffo, weil sie ein großes Sterben fürchteten, und der Gott sprach, von diesem Erdfeuer werde das Land nicht untergehen, eher von dem kalten Stoff, der nach Länge der Zeit ihm folgen werde.

Und aber nach etwa hundertundvierundzwanzig Jahren borst der Feuerpütz beim roten Kliff zum dritten Male aus, doch achtzehn Tritte weiter von der ersten Stelle, und flammte eilf Tage lang sehr schrecklich hoch. Da brachten die Einwohner dem Abgott Staffo Brandopfer und fragten aufs neue das Orakel. Da gebot ihnen der Gott, aus der Nordsee drei Krüge Salzwasser zu holen und diese durch einen gegen die Glut gewappneten Ritter in den Flammenschlund werfen zu lassen, da werde der inwendige Brand ausgelöscht werden. Das wurde vollbracht, und der Brand löschte aus.

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157. Der überquellende Wasserpütz

157. Der überquellende Wasserpütz

Da man südwestlich von Stavoren, eine halbe Stunde von der Stadt, einen Pütz (einen Brunnen) grub, so sprang statt süßen Wassers ein Überfluß von Salzwasser hervor, wie aus einem Springbrunnen, das quoll und quoll und drohte, Stadt und Land zu überschwemmen. Da fragten die Einwohner das Orakel ihres Gottes Staffo, und das sprach, der Pütz werde nicht aufhören überzuquellen, bis das Blut eines dreijährigen Knaben in dasselbe Wasser gesprengt und mit ihm gemengt werde. Solches geschähe eilend, da hörte der Pütz auf zu fließen, und war endlich kein Tropfen Wasser mehr in ihm zu sehen, und wo das übergequollene Wasser gestanden hatte, blieb das Land drei Jahre lang dürr und unfruchtbar, bis es allmählich wieder zu grünen begann und Früchte trug.

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158. Das Wunderkorn von Stavoren und der Frauensand

158. Das Wunderkorn von Stavoren und der Frauensand

Bei den Einwohnern der groß und reich gewordenen Stadt Stavoren ging es gerade so wie bei denen der Stadt Zevenbergen an der Südersee, sie führten ein üppiges Leben und kannten ihres Übermutes nicht Maß noch Ziel. Da war eine Zeit, in der das Korn sehr teuer wurde, und eine reiche Witwe rüstete ein Schiff aus und sandte es nach Danzig, dort Korn zu holen, und gebot dem Schiffer, ihr zugleich von dort das Köstlichste mitzubringen, was nur dort zu haben sei. Als nun das Schiff in See war, fiel das Getreide sehr schnell, und dem geizigen Weibe wurde bange, daß sie an ihrem Einkauf mächtig Schaden erleiden werde.

Da nun das Schiff aus Danzig zurückkam, ging die Witwe alsbald an Bord und fragte den Schiffer, was er ihr Köstliches mitgebracht habe nächst dem Korn, das ohnedies nichts mehr wert sei, als ins Wasser geworfen zu werden. Der Schiffer neigte sich und sprach: Vieledle Frau, den schönsten Weizen bracht‘ ich Euch mit, den je ein Menschenauge hat erschauen können. – Was, Weizen? Und nichts Besseres? rief die Frau zornig aus. Von welcher Seite nahmst du den in das Schiff? – Von der Backbordseite, entgegnete der Schiffer. – Ei so wirf ihn ins Teufels Namen von der Steuerbordseite ins Meer, und das Korn dazu! Ich befehle es! – Der Schiffer gehorchte, da brauste es in den Tiefen, und die Wellen hoben sich und teilten sich, und es wuchs ringsum vor den Hafen eine mächtige breite Düne von Sand, Hügel auf Hügel, und auf der Düne lagen Korn und Weizen und keimten und schossen auf in Ähren, die blühten auf, aber taub, und trugen nimmer Frucht. Die Witwe kehrte in die Stadt zurück, um deren Hafen sich nun die Düne zog, daß kein Schiff mehr in den Hafen einlaufen konnte, und trug den Fluch der verarmenden Stadt und starb in Kummer und Elend. Aber auf der Düne, welche bis auf den heutigen Tag der Frauensand heißt, erwächst Jahr auf Jahr das taube Korn, der Dünenhelm oder Dünenhalm genannt, und weht und wiegt sich im Winde.

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15. Winkelried und der Lindwurm

15. Winkelried und der Lindwurm

Zu Wylen, einem Dorfe nicht weit vom Pilatus, saß ein Mann, der hieß Winkelried, und in der Nähe droben am Berge hauste ein schädlicher Lindwurm, der fraß Menschen und Vieh und verödete den ganzen Landstrich, so daß ihn die Umwohner Öd-Wyler nannten. Nun hatte der Einwohner Winkelried ob einer Mordtat Leib und Leben verwirkt und war flüchtig worden, der sandte Botschaft, daß er, wenn man ihn wieder annehmen wolle, Mut habe, den Lindwurm zu bestehen. Diesen Kampf vergönnte man ihm gern, er bewahrte sich gut mit scharfem Schwert, und statt des Schildes hielt er in der linken Hand eine Dornwelle. Diese stieß er dem Drachen, sowie der auf ihn losfuhr, in den weitaufgesperrten Rachen hinein. Das waren dem Lindwurm zu viele Zahnstocher auf einmal; er wand und krümmte sich, und sowie Winkelried eine Blöße sah, stieß er ihm mit sichrer Hand das Schwert in den Leib. Der Lindwurm sank tot nieder, von seinem Blute troff Winkelnrieds Schwert, der schwang es hoch und freudig als Sieger und hatte sein Leben gewonnen, aber nur, um es alsbald zu verlieren. Denn vom Schwert ab floß das giftige Drachenblut und rann ihm über die Hand und den Arm, das brannte alsbald wie Feuer der Hölle, und der Held starb an diesem Brand. Das Land hatte er befreit, das Drachenloch wird noch heute gezeigt.

Ein andres Drachenloch zeigt man bei Burgdorf mitten im Berner Lande. Es zogen zwei Herzöge von Lenzburg aus zu jagen, die waren Brüder und hießen Sintram und Bertram, oder nach andern Guntram und Waltram, und kamen in einem wilden Wald an ein wüstes Geklüft, darin lag ein ungeheurer Drache, der ebenfalls die Landschaft umher zur Einöde machte. Als der die jungen Jäger gewahrte, fuhr er alsbald auf sie los und schlang den Bertram, den Jüngsten, mit Haut und Haar durch seinen weiten Schlund hinab, Sintram aber fiel voll Mut den Drachen an, hieb ihm den Kopf ab, schnitt ihm den Leib auf und half seinem Bruder, der noch lebendig war, heraus. Danach ließen die Brüder der heiligen Margaretha zu Ehren eine Kapelle an dem Orte erbauen und die Tat durch ein Bild verewigen.

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149. Der Geist Osschaert

149. Der Geist Osschaert

Ganz Holland ist voll Spukgeister, Kobolde und Tückebolde; die stillen Flächen, die weiten Ebenen, die tiefen Gewässer – das flüsternde Röhricht, das murmelnde Wellenrauschen – aus allen brechen und sprechen die Stimmen der Natur geheimnisvoll, und des Volkes eigner Sinn gibt sich dem geisterhaften Geheimnis gern gefangen.

Im Wanslande geht ein Geist um, der Osschaert heißt, der treibt viel mannigfaltigen Spuk, guten und schlimmen, recht nach Koboldnatur. Er teilt alle Eigenschaften des Kludde, des Lodder und des langen Wapper, macht sich groß, macht sich klein, macht sich sichtbar, macht sich unsichtbar, wandelt in Tiere sich um, wirft Trunkenbolde zur Abkühlung ihrer Saufhitze in manch ein kaltes Bad, äfft als Esel die menschlichen Esel, legt sich den Bezechten auf den Rücken, daß sie ihn huckepack tragen müssen, wie die Vollzapfen im thüringischen Städtchen Ruhla ihren Bieresel, so daß sie, wenn sie es schon satt haben, es noch satter kriegen, und dabei lacht er auch so herzlich, so laut und so wunderschön, wie nur immer ein Esel lachen kann; noch lieber aber kommt er vom Esel aufs Pferd als vom Pferd auf den Esel, wie so viele Gute zu kommen pflegen. Des Osschaerts Natur ist echt holländisch-amphibisch, er ist, gleich seinen gespenstischen Kumpanen, die oben genannt wurden, zu Land und zu Wasser heimisch; er handhabt Wasser und Land ganz nach seinem Belieben. Eines Tages ging ein alter Gärtner vom Dorfe zur nahen Stadt. Es war noch früh am Tage, aber dunkel, denn es war Winterzeit. Da sah er ein greulich Ding auf sich loskommen und simulierte aus, das möge wohl gar der Osschaert sein, wich ihm aus – sprang etwas hastig neben den Weg auf eine Wiese. Das Ding sah ihm nach und verschwand. Wie der Gärtner von der Wiese wieder auf die Heerstraße lenken wollte, fand er sich abgeschnitten und zwischen lauter Wassergräben, die in Holland das Allerhäufigste sind, was dort zu finden. Nun hatte aber der gute Mann Eile und war ihm gar nicht einerlei, daß er zwischen den Kanälen von einem zum andern irrte und doch über keinen hinwegkommen konnte, denn sie waren alle zu breit, und wie tief sie waren, das konnte man so eigentlich nicht wissen, gerade wie jener gute Schulrat bei einer Schulmeisteramtskandidatenprüfung sagte, als er die Frage nach der Höhe des Berges Sinai zur Beantwortung ausstellte und neben denen, die sie nicht beantworten konnten, er sie selbst auch nicht beantworten konnte: Man kann es so eigentlich nicht wissen. Da wurde dem alten Gärtner das Ding zu bunt, und er tat den Mund auf und tat einen Fluch, daß der Schnee sich erschrak, der auf den Baumästen lag, und herunterfiel. Da plumpste ihm aber gleich eine schwere Last auf den Rücken und spornte ihn, wie ein Reiter sein Roß, nach dem breitesten der Gräben hin und trieb ihn hinein, nolens volens, da half kein Zittern vor dem Froste. Und siehe als der Mann in den breiten Graben trabte, da machte er keinen Schuh naß, denn der Graben war gar kein Graben, sondern die salztrockne Heerstraße, aber seinen Aufhuck, o den behielt er und mußt‘ ihn noch eine gute Viertelstunde tragen und Lastgaul, wo nicht -esel sein, bis ihm eine Bäuerin begegnete, die eine Kiepe (Tragkorb) von Weidengeflecht trug, da hopste der Osschaert hinein, und jenem ward es leicht, der Frau aber schwer; sie wußte gar nicht, was sie auf einmal so Schweres trug, und stand und nahm den Korb ab und giekte hinein. Da flog ihr eine Fledermaus ins Gesicht aus dem Korbe, und sie tat einen Schrei, und die Fledermaus wurde so groß wie ein Mondkalb und lachte, daß es durch Mark und Bein drang.

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150. Die Mahr

150. Die Mahr

Was in andern deutschen Landen der Alp heißt oder die Trud, die grausen Nachtspuke, die die Menschen quälen, das ist in Holland und den Niederlanden die Mahr. Aber die Sagen von ihr sind häufiger und viel fürchterlicher als im innern Deutschland. Die Mahr ist nicht eigentlich ein Gespenst, sie ist eine dämonische Qual, von Menschen gegen Menschen verübt. Wer eine Mahr ist, deren Seele zieht aus, andere zu peinigen, zu reiten, wie der richtige Volksausdruck ist, und es ist das Sprüchwort: Reitet dich die Mahr! nicht viel anders zu verstehen als das: Reitet dich der Teufel! Absonderlich üben böse Hexenweiber das teuflische Mahrreiten. Zu Harlem ist’s in einem reichen Hause geschehen, daß ein Mädchen unversehens in der Schlafkammer eines Knaben nackt am Boden liegend gefunden ward, neben ihr ein Besenstock, und das Mädchen schrie und jammerte. Als es gefragt wurde, bekannte es: Ich wachte in der Nacht, sah, wie meine Mutter aufstand, sich auszog, mit einer Salbe sich strich, einen Stock nahm und darauf zum Fenster hinausritt. Da stieg ich auch auf, holte auch einen Besenstock, strich mich auch mit der Salbe, fuhr auch aus dem Fenster, da kam ich über dieses Haus, ward hier hereingeführt, da lag meine Mutter auf des Knaben Brust gleich einer Mahr. Ich schrie laut vor Schreck: Jesus Maria!, da fuhr alsbald meine Mutter auf und mit geballten Fäusten an mir vorbei durchs Fenster fort.

Als das Mädchen solches erzählt, wurde die Hexe verhaftet und gestand, daß sie in jeder Nacht da oder dort die Leute als Mahr gequält, und wurde verbrannt zur gerechten Strafe.

Bei Vilforde fanden Schnitter ein Weibsbild liegen, die lag wie tot, doch war sie nicht kalt wie eine Tote, aber sie atmete auch nicht wie eine Schlafende. Ein Hirte, den die Schnitter herbeiriefen, sprach: Das ist eine Mahr, die ist ausgezogen, einen andern zu quälen. Die Schnitter wollten’s gar nicht glauben, aber, der Hirte sagte: Harret nur, ihr sollt Wunder sehen! Und neigte sich zu der Liegenden und flüsterte ihr ein paar Worte ins Ohr, da kam ein klein Tierchen, fingerslang, weither gelaufen, blitzgeschwind, das kroch der Frau in den Mund. Der gab nun der Hirte einen Schub, daß sie um und um kollerte, da wachte sie auf, schaute starr sich um und flüchtete rasch davon.

Einen jungen Menschen quälte jede Nacht die Mahr, er liebte ein Mädchen, das ein Kamerad von ihm auch liebte, ohne daß er’s wußte, und klagte diesem seine Qual. Da sprach der Kamerad: Folge mir und tue das: halte gegen deine Brust ein wohlgespitztes Messer mit der Spitze, wenn du dich zu Bette gelegt hast, aber schlafe nicht ein. Das war ein Teufelsrat, denn der andere rechnete, wenn die Mahr auf jenen falle, solle sie ihm das Messer in die Brust stoßen, damit er des Nebenbuhlers ledig würde. Jener aber befolgte den Rat, nur verkehrt, denn er hatte das Richtige vergessen und hielt die Spitze und Schneide des Messers über sich; wie die Mahr auf ihn fiel, stach sie sich durch und durch und kam nimmermehr wieder.

Selbst Pferde wurden von der Mahr geritten, wie denn das Wort Mahr selbst so viel ist als Pferd, wovon in deutscher Sprache noch die Worte Marstall und Mähre üblich sind, daher auch bei der bösen Trudentat der Begriff von reiten und geritten werden. Die Mahr ist aber selbst bisweilen Vampir, und ebenso vertauscht sie Kinder gegen Wechselbälge. Wer den Kindern abends ein Kreuz über Wickel und Wiege macht, hat nichts von der Mahr für sie zu fürchten.

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151. Die Klabautermännchen

151. Die Klabautermännchen

Was im höhern Norden die Trollen, Deutschland die Hinzchen, Heinzemännchen, Hütchen sind – Zwerge, zwerghafte Erdgeister, das sind in Holland und Niederland die Klabautermännchen, Kaboter- oder Kaboutermannekens; sie wohnen in Höhlen, sind oft hülfreich den Menschen, gutartig, dankbar. Beim Dorfe Gelrode liegt ein Kabouterberg, darinnen wohnten die Mannekens nahe einer Mühle, die schärften dem Müller seine Mühlsteine und wuschen sein Linnen, wenn er ihnen nur ein Butterbrot und ein Glas Bier zur Nacht hinstellte. Ein anderer Müller im Kempnerlande fand, wenn er zufällig etwas von seinem Butterbrote liegen ließ, des Morgens lange Zeit alle Arbeit in der Mühle getan, die er für den andern Morgen vorbereitet; er wußte, daß in der Nähe Klabautermännchen hausten, steckte sich hinter die Säcke und sah richtig in der Nacht ein solches Männchen alles tun, mit ungeheurer Kraft und Schnelligkeit, aber dabei verzehrte es das Restchen Butterbrot. Das Manneken war ganz nackt, das tat dem Müller leid, er bestellte ihm beim Schneider ein Kleidchen nach ohngefährem Maß und legte es ihm hin und ein großes Butterbrot daneben. Dann verbarg sich der Müller, das Klabautermännchen kam, tat einen Freudensprung, aß schnell das große Butterbrot, zog die Kleidchen an, verschwand und kam nimmermehr wieder. Nun wußte aber der Müller, daß die Klabautermännchen jeden Abend über einen Steg am Mühlbach schritten, und da lauerte er ihnen auf. Als sie kamen, waren alle nackt, und er ließ sie vorüber, bis das letzte kam, welches der Müller gekleidet hatte. Nach diesem langte er und rief: Hab ich dich? – da schrie es: Hülfe! Hülfe! aus dem Mühlbach, mit der Stimme von des Müllers Frau; der Mann erschrak, sah sich um, glitt aus vom Stege und plumpste selbst hinunter in das Wasser. Die Klabautermännchen aber schwanden hinweg und kamen niemals wieder. Ein anderer Kaboutermannekensberg liegt zwischen Turnhout und Casterle; die darin wohnten, waren aber böse von Natur, anderwärts gibt es hingegen viele gute, und wer sich gut mit diesen Manneken versteht, dem dienen sie gern und oft, häufig aber üben sie auch Tücke, besonders gegen solche, die ihnen abhold sind. Sie verderben die Butter, saugen die Kühe aus, treiben mannigfachen Spuk und Schabernack. Sie werden auch Rotmützchen und Klabbers genannt.

Ein Bauer hatte ein gar hülfreiches Rotmützchen im Hause, das butterte ihm, leistete ihm allerlei Dienst, half ihn allmählich reich machen. Der Bauer kaufte Kühe, baute das Haus neu, und das Männchen tat mehr als drei starke Knechte, es pflügte auch und bestellte den Acker in aller Weise. Einmal hatte es der Bauer zu sehen bekommen, es trug sich ganz rot, hatte ein grünliches Gesicht und grüne Hände. Des guten Rotmützchens hülfreicher Fleiß verdarb jedoch den Bauer, er tat selbst gar nichts mehr, gewöhnte sich an das Wirtshausleben, an Trunk und Spiel. Rotmützchen warnte ihn, aber sein Warnen fruchtete nicht, ja eines Abends, als er spät und trunken nach Hause kam, schimpfte und schalt er den Hülfsgeist. Das Klabautermännchen verschwand. Am andern Tage lag die Frau des Bauern krank, das Vieh fiel in den Ställen, in den Strümpfen, die der Bauer nach und nach mit harten Talern gefüllt und wohl verborgen hatte, staken Kohlen und faule Kartoffelscheiben, die Felder hatte ein Hagel zusammengeschlagen und furchtbar verwüstet, das Haus hing auf eine Seite und drohte den Einsturz. Der Bauer ging in sich, bereuete, gelobte Besserung – das war alles vergebens. Hohnlachen erscholl um das Haus herum, das mehr und mehr verfiel. Der Bauer starb in Armut und Elend.

Ein armer Bauernbursche liebte heftig ein reiches Mädchen und sie auch ihn, aber der Vater sagte nein. Wer nicht tausend blanke Gülden besitzt und aufzählt, die sein eigen sind, wird nicht mein Schwiegersohn, sagte er. Der arme Bursche schlich traurig heim, mochte seine Barschaft gar nicht zählen, er hatte nicht hundert Batzen, geschweige tausend Gulden. Ging hinaus zu Feld und Busch und dachte: Was liegt am Leben, wenn es nicht Liebe krönt? Willst’s abwerfen. Siehe, da stand ein Klabautermännchen vor ihm, wie hergeschneit oder aus dem Boden herausgewachsen, und fragte ihn: Was fehlt dir? – Da klagte ihm der Bursche sein Leid. Wenn’s weiter nichts ist, sagte der Klabautermann, zähle doch nur erst einmal dein Geld. – Ich hab’s gezählt, es langt nimmer. – Hast nur nicht recht gezählt, geh, zähl noch einmal, es muß treffen! – Der Bursche ging, halb ungläubig, halb hoffend; er zog seine kleine Habe hervor und begann zu zählen und zählte und zählte und zählte immerfort, bis tausend Gülden voll waren, und da war’s alle, nicht einer darunter, nicht einer darüber. Welch ein Glück! Er rannte wieder ins Feld hinaus, er wollte danken, er rief: Kaboutermänneken! Kaboutermänneken! – Ja guten Morgen, da war kein Kaboutermänneken weder zu hören, noch zu sehen. Nun lief er heim, hob und schleppte seinen Schatz zum reichen Bauer hin, zählt‘ ihm die blanken Gülden vor, bekam des Mädchens Hand und des Alten Segen und wurde ein glücklicher Mann.

Im Kasteelberg bei Beveren im Hennegau wohnten auch Kaboutermannekens. Die wuschen den Leuten die Wäsche gegen Empfang von etwas Butter, Eiern, Milch, Mehl und wenigem Geld, bleichten sie auch im Mondenscheine ganz blütenweiß und hielten oft, derweil die Wäsche bleichte, in den Waschkufen einen Ball. Hernachmals sind die Männchen fortgezogen, man weiß nicht warum und wohin. Nur ein ganz altes blieb zurück. Das sehen bisweilen die Leute droben auf dem Berge sitzen, es hat einen eisgrauen Bart, der langt bis auf die Füße nieder, es sitzt und sinnt und schmökt seine Pipe und macht mit den Daumen die Mühle, ganz wie ein echter alter Holländer.

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152. Nix Flerus

152. Nix Flerus

Nixen wohnen in Holland allenthalben, sie heißen dort Neck, in der Mehrzahl Necker, und führen auch zum öftern noch besondere Namen. Zu Lessinghe bei Ostende, am Canal de Furnes, war ein Bauernhof, darinnen hauste ein Nix, des Namens Flerus, als hülfreicher Hausgeist, welcher gleich Kludde und Lodder die Macht hatte, sich in jede Gestalt zu verwandeln. War ein Pferd krank und konnte seinen Dienst nicht tun, und man rief Flerus, so kam Flerus als Pferd und arbeitete für drei Pferde. Den Mägden erleichterte er ihre Arbeit auf alle Weise und verlangte nichts für alle Dienste, als daß ihm abends ein wenig Milch und Zucker hingestellt wurde. Dieser gute und willige Hülfsgeist wurde durch den einfältigen Vorwitz von ein paar jungen leichtfertigen Dienstmägden auf immer von dem Hause getrieben. Sie gedachten den Neck zu necken, es bekam aber schlecht. Eines Abends riefen sie: Flerus! Flerus kam, da schoben sie ihm seine Milch hin, hatten aber statt Zuckers Knoblauch in dieselbe getan. Da schüttelte sich Flerus, warf ihnen die Schale nach dem Kopf und rief zornige Worte:

Milch und Lauch!
Flerus zieht weg,
Und das Glück auch!

und verschwand. Nie sah und hörte man ihn wieder auf jenem Hofe, und von Stund an ging dort alles den Krebsgang, bis andere Besitzer den Hof bekamen, der noch bis heute der Flerushof heißt.

Nicht alle Necker sind so gut wie Flerus, sie ziehen gern Menschen in das Wasser, mischen sich in Tänze der Uferbewohner und tanzen die Jungfrauen in die Flut.

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