805. Das Kreuz am Stein

805. Das Kreuz am Stein

Zu Würzburg auf dem Stein, da wächst der beste Wein! wiederholt ein Jahrhundert dem andern. Auf der Stätte nun, wo der beste Wein wächst, dem aber jener an der dem Stein gegenüberliegenden Leiste keineswegs nachsteht, denn er leistet Außerordentliches, steht ein steinern Kreuz. Zu einer Zeit wegelagerte Ritter Eppelein von Gailingen der Tapfere, dem die Würzburger Sage den Ort Gailig oder Gailnau bei Rothenburg an der Tauber zuweist, in dieser Gegend und hielt die Veitshöchheimer Straße bewacht, von der er einen heraufkommenden Güterzug verkundschaftet hatte. Weil aber der Ritter ein schlimmer Geselle war, so war längst auf seinen Kopf ein Preis gesetzt, den die Würzburger just so gern verdienen mochten wie die Nürnberger, und der Güterzug war eine Falle, denn als er nahe kam und Eppela mit seinen Dreizehn ihn angriff, so sprangen aus den Fässern und Kisten und Kasten der hochbeladenen Fuhrmannswagen mehr als dreimal dreizehn Bewaffnete, und von zwei Seiten sprengten würzburgische Reisige heran, und da kam es an ein arges Schlagen und Klopfen, und war Eppela Gaila von Dramaus heute zu vierzehnt ausgeritten, so ritt er ganz einzig und allein jetzt über Stock und Stein auf wilder Flucht, und hinter ihm her, wie die wilde Jagd, ritten seine Verfolger, schnitten ihm auch seitwärts Wege ab, kreiseten ihn ein wie die Jäger einen Edelhirsch und erhoben ein lautes Hallo, als sie ihn dahin gebracht, daß er einer hohen Felsklippe am Stein zusprengte, von der kein Entrinnen war, denn unter ihr floß breit und tief der Strom. Aber Eppeleins treues Flugroß hatte schon ganz andere Sprünge gemacht als den, der jetzt zu machen war, ein Satz, und im Main verschwanden Mann und Roß, und nach einer Weile tauchten beide unversehrt am andern Ufer empor und gewannen’s, und wenn Eppelein auch den Würzburgern hätte zurufen wollen: Die Würzburger henken auch keinen, sie hätten ihn zuvor – so war er doch zu weit von ihnen, als daß sie’s gehört hätten.

Aus Dankbarkeit für seine Rettung hat hernach der fromme Eppelein das Steinkreuz auf den Fels am Stein aufrichten lassen.

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806. Die Wirtin zur Gans

806. Die Wirtin zur Gans

Ganz nahe beim Marienburgberg bei Würzburg liegt St. Nikolauskapelle. Diese soll eigentlich diejenige gewesen sein, welche – Pipin nach seinem Traume gründete. Des Berges Spitze heißt die Waldkapell, da stand sonst eine Kapelle des Teufels darauf, nämlich ein Wirtshaus genannt zur Gans. Darin hausete eine lose Wirtin, die manschte den Wein, dessen dort doch kein Mangel, dennoch mit Wasser, dafür ist sie aber auch von ihren Gästen so oft und so lange verwünscht worden, bis die Verwünschung an ihr in Erfüllung gegangen. Längst ist vom Wirtshaus zur Gans keine Spur mehr vorhanden, aber die böse Wirtin, oder vielmehr ihre Seele, hat noch immer keine Ruhe, sie muß umgehen, wie die Arnstädter Bierzapferin im Walperholz, und immer schreien:

Ein halb Maß Wasser,
Ein halb Maß Wein,
Macht’s etwas blasser,
Doch auch ’n Maß Wein.

Und was das Schlimmste bei der Sache ist, ist das, daß diese wandernde Seele nicht eher ihre Erlösung zu hoffen hat, bis kein Wirt und Weinhändler mehr im ganzen weingesegneten Frankenlande auch nur einen Tropfen Wasser dem Weine zugemischt, da kann die Ärmste noch lange warten, wandeln und schreien.

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807. Christusbild fängt einen Dieb

807. Christusbild fängt einen Dieb

In die Neumünsterkirche zu Würzburg stieg einst ein Dieb; er hatte wahrgenommen, daß ein Christusbild allda mit einer reichen güldnen Kette geziert war, die ein frommer Gläubiger zur Erfüllung eines Gelübdes demselben geopfert. In ernster Ruhe stand das Kruzifix, die Arme fest am Kreuzesstamm; strafend schienen die Augen des heiligen Leichnames den Kirchenräuber anzublicken, aber der Dieb ließ sich nicht schrecken, er nahte dem hölzernen Bilde und streckte die Hand gierig nach der Goldkette aus. Indem so ließ das Bild seine Arme vom Kreuzesstamme los und umhalste den Dieb, was diesem sehr drückend war. Er ächzete und krächzete wie ein Fuchs im Eisen, aber das hörte niemand; er winselte, wimmerte und betete, das hörte auch niemand, denn das Kruzifix stand in der Krypte der Neumünsterkirche. Endlich, als ihm die Umarmung schier unerträglich ward, schrie er: Zetermordio, zu Hülfe, zu Hülfe! – das endlich hörten die Leute, und fanden den Vogel, und banden ihn, und taten ihn in einen sichern Käfig; aber ein Wunder begab sich noch, des Kreuzbildes Arme blieben, so wie sie den Dieb losgelassen, vor den Leib hin ausgestreckt stehen, und so wird es noch heute gezeigt und angestaunt.

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808. Hauger Stiftskirche

808. Hauger Stiftskirche

In dem reichen Stift Haug dicht an Würzburg sollte eine schöne Kirche gebaut werden; der Baumeister verhieß, sie solle im Innern und Äußern der St. Peterskirche zu Rom gleichen und mit gleich herrlicher Kuppel geziert sein. Mißlinge das Werk, so wolle er auf seinen Lohn verzichten. Der Baumeister war ein Teufelsbündner, er glaubte seiner Sache ganz sicher zu sein, und vollendete mit des Teufels Hülfe glücklich den Bau; aber eben weil er ihn vollendete, verfiel er dem bösen Feind zum Eigentum, und dieser trachtete mit Arglist, ihn zu verderben, denn er hatte mit dem Baumeister bedungen, daß dieser ihm dann verfallen solle, wenn der Bau glücklich vollendet werde und der Baumeister dennoch auf seinen Lohn verzichte. Da nun die Gerüste abgenommen wurden, so entstand in der Gewölbekuppel ein donnerähnliches Krachen, das Gewölbe schien sich zu senken und alles zusammenstürzen zu wollen. Voll Entsetzen und schreiend drängte alles nach den Türen, dem Baumeister selbst war so bange um seinen Kopf, daß er ihn alsbald selbst verlor, stürzte auch aus der Kirche und fand ein schwarzes gesatteltes Pferd stehen, auf das er sich eilend warf, Lohn und alles dahinten ließ, nur sein Leben zu retten, und davonsprenzte. Das Pferd rannte spornstreichs nach dem Galgenberge, zur Gerichtsstätte, wo die armen Sünder abgetan wurden, und als es droben war, warf es den Baumeister ab und verwandelte sich in die Gestalt des Teufels, welcher alsbald dem Baumeister das Genick brach, ehe er Amen sagen konnte.

Nun geht die Sage noch immer in Würzburg, daß das Münster zum Stift Haug bis heute noch nicht bezahlt sei, und daß der Böse statt der Zinsen jedesmal ein Menschenleben fordere, sobald an der Kuppel eine Ausbesserung vorgenommen werde. Da müsse stets ein Arbeiter verunglücken, wie denn auch im Jahre l827 wiederum geschehen.

Dem Stifte Haug gehörte als Eigentum das Dorf Gramschatz ohnweit dem Städtlein Rimpar, wo Wilhelm von Grumbach seinen stattlichen Herrensitz hatte, der noch steht. Dort herrscht ein eigner Brauch: es darf zu Ehren der heiligen Jungfrau an Sonntagen keine Besserung auf das Feld gefahren werden, und am Veitstage spannt kein Bauer ein Vieh an, von wegen des Veitswurms.

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80. Der Stiefel voll Wein

80. Der Stiefel voll Wein

Auf dem Steine, wo nun fortan dieser Rheingraf fröhlich hauste, ging es zum öftern gar hoch her. Da saßen eines Abends die Wild- und Rheingrafen und eine große Schar Ritter von den Nachbarburgen im Saale beisammen und zechten baß, und die Humpen kreisten. Da saßen Ritter von Sponheim, von Dhaun, von der Ebernburg, von Flörsheim, von Stromberg und tranken scharf und fest. Jetzt hob der Rheingraf einen mächtigen Reiterstiefel auf den Tisch und goß den voll Weines und rief: Wer diesen Humpen leert auf einen Zug, dem soll Hüffelsheim zu eigen sein mit Wonne und Weide und aller Zubehör! – Des verwunderten sich die Mannen und mocht sich’s keiner vermessen, schien ihnen allen der Schluck doch zu groß, und selbst der Burgpfaff, der etwas zu leisten vermochte in guten Trünken, und mancher andere Wackere wagten sich nicht daran. Da saß auch ein alter Zecher im Kreise, Ritter Boos von Waldeck, der sah die andern alle der Reihe nach an und wartete, ob einer den Stiefel leeren wolle, und da es keiner tat, da faßte er ihn in die Hand, und ließ den Wein rinnen in seinen Schlund, und trank ihn leer bis auf die Nagelprobe, und dann sagte er: Lieber Rheingraf, dein Hüffelsheim schmeckte gut, wie wär‘ es nun mit Waldbökelheim? Der Mensch kann doch nicht in einem Stiefel gehen? – Aber der Rheingraf wollte nicht noch einen Ort an eine Rittergurgel verlieren und schwieg stille. Darnach ist das Sprüchwort aufgekommen: Der verträgt einen guten Stiefel.

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809. Nixen in Theilheim und im Gründlersloch

809. Nixen in Theilheim und im Gründlersloch

Auch vom Dorfe Theilheim, zwischen Randersacker und Dettelbach, sowie vom Gründersloch zwischen dem Schlosse Castell und dem Dorfe Rüdenhausen, wie noch an vielen Orten Mittelfrankens geht die weitverbreitete und fast immer gleichmäßig mit geringer Abänderung wiederholte Sage von Nixen, die zum Dorftanze kommen, fröhlich sind, singen, tanzen, lieben und dann leiden, als wolle überall die Sage das Glück der Mädchenjugendtage symbolisch andeuten. In Theilheim waren der Tänzerinnen drei, die häufig begegnende Nornenzahl, im Castell kamen aber der Tänzerinnen fünf zur Hochzeit eines jungen Grafen. Immer weilte die jüngste am längsten, immer büßte sie die Lust am härtesten; nie kommen sie wieder, aber die Sage von ihnen geht von Geschlecht zu Geschlecht.

Bei Randersacker ist ein Berg, der Spielberg geheißen, dort hat sich einstmals der wilde Jäger über den Main schiffen lassen, und das wilde Heer hat Feuer in die Fähre geworfen. Einem Heckenwirt, der von Würzburg nach Randersacker fuhr, soff es Wein aus dem Faß, wie die wilden Frauen bei Schwarza das Bier, und segnete es mit Nieversiegen; das währte so lange, bis der Heckenwirt sein Glück verplapperte.

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797. Die Wettenburg

797. Die Wettenburg

Ganz nahe bei Kreuzwertheim erhebt sich ein steiler Berg, die Wettenburg genannt, der ist auf drei Seiten vom Main umflossen. Den Namen des Berges leitet die örtliche Sage von einer Burg ab, die ehemals dessen Scheitel krönte. Eine reiche Gräfin, die als Herrin auf der Burg saß, wollte den Berg auch noch auf der vierten Seite vom Main umgeben wissen, auf daß der Strom zum natürlichen Wallgraben eines Inselschlosses würde, und entbot dazu das Volk zur harten Frone. Ihre Untertanen erlagen fast unter der Last der Arbeiten, die das ungeheuere Unternehmen erforderte, und Hindernisse aller Art türmten sich entgegen, doch der Trotz der Gräfin ging so weit, jedem ihrer Freunde und Vasallen eine Wette anzubieten, der etwa das Zustandekommen der Ausführung ihres Planes bezweifeln wollte. Bei einem stattlichen Gastmahle, wo sie die Wette anbot, warf die Gräfin einen blitzenden Demantring in die Flut des Mains und sprach: So gewiß dieser Ring nimmer wieder in meine Hände kommt, so gewiß muß der Berg durchgraben werden; wo nicht, so verschlinge der Main mich und meine Burg! – Ein furchtbarer Donnerschlag aus heiterem Himmel antwortete der Stimme ihres Frevels. Am zweiten Abend saß die Dame in großer Gesellschaft bis Mitternacht beim Mahle, wo unter andern auch ein großer Fisch aufgetragen wurde, und o Wunder! in des Fisches Eingeweiden hatte sich der in die Fluten geschleuderte Ring gefunden, den der Koch, indem er den Fisch auftrug, glückwünschend der Herrin darreichte. Alles entsetzte sich, und mit dem letzten Schlage der Geisterstunde sank unter Donner und Blitz die Burg mit ihren Bewohnern in den Strom, und nur Steinhaufen bezeichneten ihre Stätte.

Diese Stätte der versunkenen Wettenburg, die nun von der Wette erst dann den Namen bekam, als sie nicht mehr war, bezeichnete sonst neben wenigen Trümmern nur eine tiefgehende schachtähnliche Kluft. In diese Kluft ließ sich einmal ein Hirte an einem Seil hinab und hatte seinen oben gebliebenen Gefährten angewiesen, ihn auf ein gegebenes Zeichen sogleich herauszuziehen. Er kam in einen Saal, worin ein schwarzer Hund lag und etliche Männer und Frauen in alter Tracht regungslos, wie Leichensteine, beisammensaßen. Da faßte ihn ein Grausen, und schnell ließ er sich hinaufziehen.

Einen Schäfer, welcher ein andermal hinuntergestiegen war, führte eine Frau, die Herrlichkeit des Schlosses ihm zeigend, durch viele Gemächer, zuletzt in eines, worin lauter Totenköpfe sich befanden. Als er aus dem Berg kam, erfuhr er, daß seit seinem Hinuntersteigen nicht, wie er geglaubt hatte, einige Stunden, sondern sieben ganze Jahre verflossen waren. – Heutiges Tages ist auch der Schacht nicht mehr zu sehen; wohl aber hört man noch Glockengeläute aus der Tiefe des Berges, und goldene Sonntagskinder können alle sieben Jahre am Tage des Untergangs der Burg dieselbe auf dem Grunde des Mains erblicken, ebenso auf dem Berge, da wo das Schloß gestanden, eine Höhle und daneben einen Felsen, worin ein großer Ring abgedruckt ist. Auf diesen Ring legte einst ein Küfer sein Bandmesser und schlief nachher ganz in der Nähe ein. Beim Erwachen sah er weder Felsen noch Messer mehr; aber nach sieben Jahren fand er beide wieder, als er an dem gleichen Tage dahinkam. – Ein Schäfer, welcher sich vor dem Regen in die Höhle geflüchtet hatte, verfiel darin in Schlaf; als er erwachte, waren unterdessen siebenmal sieben Jahre verflossen, und er traf zu Hause alles ganz verändert.

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798. Der Pauker von Niklashausen

798. Der Pauker von Niklashausen

Nicht weit von Wertheim liegt Niklashausen, ein Dorf an der Tauber, darin hat sich im Jahre 1476 ein Hirte und Paukenschläger erhoben und einen Aufruhr angezettelt, den der Teufel nicht schöner hätte einfädeln können, und waren gegen ihn viele Rumpelmeier und Rumorpauker, die in späterer Zeit, auch gleich ihm, auf den Wiesen predigten, nur Schwachmatiker. Das Treiben dieses losen Gesellen und Kommunismuspredigers und seines dreckigen Anhanges kann nur am besten mit Worten seiner Zeitgenossen geschildert werden, sonst könnte mancher denken, man führe gar zu unsäuberlich mit dem unsaubern zottelhaarigen Knaben Absalom. Der Hirte – so berichtet einfältiglich ein geschrieben Schwäbisch-Haller Chronikbuch – predigte gegen die Obrigkeit, gegen die Klerisei und, ein zweiter Capistranus, gegen die spitzen Schuhe, ausgeschnittene Goller und lange Haare. – Wasser, Wild und Weide solle und müsse alles gemein sein, keine Steuer, kein Zoll, kein Geleitgeld! Die Mutter Gottes hätt‘

ihm das in einer Samstagnacht offenbart! Ach ja! Also – denn diese Lehre schmeckte – ward gen Niklashausen ein großer Zulauf und ganz Deutschland bewegig; da liefen die Roßhirten von ihren Pferden, die Zäume in Händen tragend, die Schnitter mit ihren Sicheln vom Felde, die Heuerinnen mit ihren Rechen von den Wiesen, die Weiber von ihren Ehemannen und die Mannen von den Weiben. Der Wein war im Jahr davor wohlgeraten, gut und wohlfeil, da wurden zwei Meilen ringsumher um Niklashausen Tabernen aufgerichtet auf Feld und Rasen, da man Wein schank und den Wallern zu essen gab. Die Waller wurden vom Franken- und Tauberwein bezecht, übernachteten durcheinander in Scheuern und im Feld – ging nit all‘ Sach‘ gleich zu. – So groß ward des Volkes Zulauf, daß der Paukenschläger aus einem Bauernhaus den Kopf zum Dach herausstieß, daß ihn alle hörten, und hinter ihm im Dachboden stand ein Barfüßermönch, der gab ihm ein, was er predigte, und da hub das Volk an zu weinen – es mochte ihn verstehen oder nicht – wie bei Capistranus, der zumal lateinisch predigte – über seine Sünden und das drückende Elend, und schnitt so viel Haare und Schuhspitzen ab, und tat sich der gestickten Kleider und Wämser ab, daß es nit auf viele Wägen gegangen wäre – wenn es sich nicht unter der Hand verkrümelt hätte. Viele Männer und Frauen schienen Lust zu haben, gleich Adamstänzer zu werden vor lauter Zerknirschung und Gemeinheitstrieb, und zogen sich bis aufs Hemde aus; wenn aber das Getös und der Wein ihnen aus den Köpfen kam, hätten sie gern ihre Kleider wiedergehabt. Es fiel ein unsäglich Geld und Wachs, und die armsdicken Wachskerzen waren mit Würzburger Schillingern, Nürnberger Fünfern, Gerhardskreuzern und Ißbrücknern wie ein Igel mit Stacheln besteckt. Dieser Pauker hatte eine Zottelkappe auf, solche Zotteln riß ihm das Volk von seiner Kappe als ein Heiltum, daß es förderlich sei, wo etwan die Weiber in Kindsbanden lägen und hätten solchen Zottel bei sich, dürft’s nit mißlingen. Ja sie küßten dem Pauker Hand und Stecken und was sonst noch. Bald kamen auch absonderlich schöne Liedlein zum Vorschein, die sangen die Waller anstatt der alten Kreuzlieder, zum Beispiel:

Wir wollen’s Gott vom Himmel klag’n,
Kyrie eleison! –
Daß wir die Pfaffen nit tot söll’n schlag’»,
Kyrie eleison! –

Dann nannte das wahnbetörte Volk den Pauker nicht anders als Unser Frauen Botschaft, womit sie unserer Frau den allerschlechtesten Geschmack aufhalsten.

Die Herren zu Nürnberg merkten, wes Geistes Kind diese Wallfahrt war, und verboten den Untertanen ihres Gebietes bei schwerer Strafe das Rennen gen Niklashausen. Da nun endlich auch Bischof Rudolf, des Geschlechtes von Scheerenberg zu Würzburg, von dem andauernden nichtsnutzen Lärm und der Unzucht in seiner Nähe hörte, denn der Lärmspuk dauerte schon über ein Jahr, auch berichtet ward, der Pauker habe auf einen Samstag eine großmächtige Volksversammlung ausgeschrieen, sie sollten gen Niklashausen in großer Zahl kommen und ihre Wehre mitbringen, da wolle der Pauker ihnen sagen, was die Mutter Gottes ihm befehlen würde – wahrscheinlich hatte er einen Handstreich auf die nahen Schlösser und Klöster im Sinne, denn wozu sonst die Wehr? – da sandte der Bischof einige Reiter und ließ vor diesem Samstag den Pauker und seine Ratgeber einfangen und gen Würzburg führen. Wie nun das Volk erschien mit allerhand Wehr, auch Fahnen, Spießen, Stangen, Wandelkerzen, was jeder erwischt und zu Händen hatte, und hörte, daß Unser Frauen Botschaft zu Würzburg im Turm liege, da brauste es wie ein Wasserfall, und der helle Haufe brach gen Würzburg auf, den lieben Botschafter zu befreien. Da ritt des Bischofs reisiger Zeug entgegen, und die Führer fragten, was es geben solle mit diesem Zug und Spuk. – Der Bischof solle Unser Frauen Botschaft herausgeben, wo nit, so wollten sie ihn mit Gewalt herausnehmen! – Die Reisigen sprachen: Gehet heim! – Da hagelten erst die beliebten Schimpfwörter aus der Volkswehr auf die Reisigen: Ketzer! Pfaffenknechte! Hohlhipper! und dergleichen, ins neue Deutsch übersetzt: vertierte Söldlinge der Gewalt. Solches bewegte die Reisigen zur Ungeduld, wiesen ihrer viele mit blutigen Köpfen von sich, empfingen auch deren, und vermochten nicht, dem Strome zu widerstehen. Als nun die Aufruhrrotten wirklich den Frauenberg, die Feste Würzburgs und des Bischofs Residenzschloß, zu stürmen Miene machten, ließ der Bischof die Stückkugeln über ihre Köpfe hinwegspielen, da vermeinten sie. Unsere Frau beschütze sie mächtiglich, und die Kugeln könnten sie nicht treffen, drangen demnach mutig vor. Da ging denn der ernste Tanz los mit Hauen, Schießen, Stechen, Niederreiten, weil sie es gar nicht anders haben wollten, und wurden alle Türme und Gewölbe voll Gefangene gelegt. Dann wurde der Pauker samt einigen Rottgesellen zu Pulver verbrannt und ihre Asche in den Main gestreut, Aberglauben zu verhüten. In die Wallfahrtgelder, die eingegangen und sehr beträchtlich waren, teilten sich Würzburg, Mainz und Wertheim brüderlich, es ward also doch geteilt, nur nicht so, wie es der Pauker gewollt, und damit war die Niklashäuser Wallfahrt zu Ende.

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7. Luzerner Hörner und Mordnacht

7. Luzerner Hörner und Mordnacht

Da die Schweizer aufstanden und zu Felde zogen gegen ihre Unterdrücker, gebrauchten sie allerlei Kriegsinstrumente. So hatten die von Uri einen Mann, den hießen sie den Stier von Uri, der blies ein mächtig Urhorn, das mit Silber beschlagen war; und wenn man einen Keil ins Mundstück schlug, konnte man auch daraus trefflich trinken. Die Luzerner brauchten eherne Hörner, wie die alten Römer gebraucht, die hießen sie Harschhörner, und die hatte ihnen König Karl verliehen, als sie mit ihm in der Roncevaller Schlacht gestritten, wo Held Roland fiel.

Zur Zeit, als die Schweiz sich erhob, gab es in Luzern eine Partei, die war noch gut österreichisch gesinnt, die erkannten sich an den roten Ärmeln, die sie an ihren Wämsern trugen. Die versammelten sich unter dem großen Schwibbogen an der Ecke der Schneiderzunftstube und verabredeten, daß sie um Mitternacht alle Eidgenössischen überfallen und morden wollten. Ein Bettelbube vernahm’s, ward aber entdeckt und mit dem Tode bedreut, wenn er nicht schweige; mußte deshalb einen Eid schwören, niemand den Anschlag anzusagen. Der Knab‘ ging auf die Metzgerzunftstube, da zechten noch viele Gesellen, und der Knabe legte sich auf die Ofenbank und seufzte:

O Ofen, o Ofen, was muß ich dir klagen,
Wel ich’s beim Eed sonst niemand darf sagen.
Die Landsknecht wollen, wenn’s Zwölfe wird schlagen,
Alles morden und alles erschlagen.

Da horchten die Zecher hoch auf, und lief alsbald einer aufs Rathaus, ein anderer zum Glöckner, daß er nicht Zwölfe anschlage, ein dritter und vierter und fünfter zu den Zünften, und kamen den Rotmänteln zuvor. Hernachmals ist das Bild des Knaben auf der Metzgerzunftstube hinter dem Ofen gemalt lange Zeit zu sehen gewesen.

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79. Das Pfaffenkäppchen

79. Das Pfaffenkäppchen

Zwischen schroff und steil überm Tal der Nahe zum Himmel sich aufgipfelnden Felskolossen werden jetzt die Trümmer der einst trotzigen Burgfeste Rheingrafenstein erblickt. Auf der Kauzenburg saß ein junger Rheingraf, jagdlustig, mutig, der wünschte sich eine Burg auf diesen ungeheuren Felsen, stattlich wie die Ebernburg und der Landstuhl der Sickinger, unnahbar dem Feinde – und mit solchen Wünschen weilte er einstens sehnend und sinnend in der Nähe der Felsriesen, deren Gipfel noch kein Mensch erstiegen hatte. Da gesellte sich einer zu ihm, den man nicht gern nennt, der las in des jungen Rheingrafen Seele den Wunsch und redete ihn an und sprach: Eine Burg da droben, eine schöne stattliche, feste, ja, die wär‘ Euch recht! Nicht so? Fehlt nur der Baumeister – ja – und wenn einer käme, und baute sie über Nacht – dem verschriebet Ihr wohl einen stattlichen Lohn? Was gäbet Ihr solchem? Sagt es an! – Ihr redet wunderlich, erwiderte der Rheingraf. Seid Ihr der Mann, der das vermag, so fordert und bestimmt den Lohn. – Nur eine einzige Seele – die Seele dessen, der zuerst durchs Fenster der neuen Burg herab ins Tal der Nahe und über alle die Täler und Berge ausschaut – das ist wohl wenig für eine stattliche Grafenburg. Kommt heute abend wieder her, ich will es in Überlegung ziehen! sagte der Rheingraf und verließ gedankenvoll den Ort – eine Seele seinem Wunsche zu opfern, dünkte ihm sündlicher Frevel, und doch war sein Wunsch stark und groß. Daheim ließ er seinen Burgpfaffen kommen und offenbarte dem den Handel. Der Pfaffe schlug viele Kreuze und riet ernstlich ab, warnte gar treu vor des bösen Feindes List und Tücken und rückte sein schwarzes Käppchen auf dem Scheitel wohl hin und her. Da trat des Rheingrafen junges Ehegemahl herein und hörte das Gespräch und ließ erst den Pfaffen hinausgehen, dann sagte sie: Laß jenem nur gewähren, versprich ihm, was er begehrt, das andere findet sich. – Da ritt der Ritter wieder hinaus ins Nahetal und hielt ganz allein am Fuß der Felsen, und es dämmerte schon, oben aber sprang eine schwarze Gestalt von Fels zu Felsen, einer Gemse gleich, und mit einem Male stand der Fremde auch unten im Tale. Was machtest du da droben? fragte der Ritter. Ich nahm einstweilen die Maße, antwortete jener und fragte: Nun, soll ich? Fast hätte der Rheingraf gesagt: In Gottes Namen – da wäre es gleich aus gewesen – er besann sich und sagte bloß: Ja – aber bis morgen früh fertig, und daß nichts fehle, Bergfried, Mushaus, Palas, Luginsland, Mauern, Brücken, alles, was zu einer stattlichen Burg gehört. – Am andern Morgen glänzte die Burg flammenrot ins Nahetal herab, alle Welt war erstaunt, solch Wunder- und Zauberwerk war noch nicht da gewesen. Der Rheingraf ritt nun hinauf, und der Architekt der Nacht führte ihn in dem neuen herrlichen Eigentum umher, zeigte ihm Hallen und Säle, Brücken und Gänge und öffnete im Palas ein hohes Bogenfenster, die herrliche Aussicht bewundern zu lassen. Aber der Ritter sah nicht hinaus, er sagte spöttisch: Machet zu, hier zieht’s, wir sind warm vom Steigen. Morgen wollen wir die Kauzenburg verlassen und hier heraufziehen. Ihr räumt wohl den Platz und nehmt ein Zimmer im Wächterturme? Nicht? – Der Teufel zog ein schiefes Maul, er hatte sich schon unendlich darauf gefreut, dem Rheingrafen einen Stoß aus dem Fenster in die schwindelnde Tiefe zu geben und mit dessen Seele davonzufahren.

Am andern Morgen kamen der Rheingraf und die Gräfin, und der Burgkaplan, und das Hofgesinde, die Leibdiener, die Jäger, die Knappen, die Stallleute, die Wächter, die Hundejungen, die Hühnerwärter, die Schloßmägde, die Käsemutter, die Zwergin und die Pferde, die Kühe, die Esel, die Rüden, der Meeraffe, die Katzen. Es war ein Zug, schier gleich dem des Erzvaters Noah, da er in den Kasten einging, zu Roß, zu Esel, zu Wagen – alles auf das neue Schloß.

Die junge Gräfin scherzte freundlich mit dem Burgkaplan, da droben werde es sehr zugig sein, sie wolle ihm ein wärmeres Käpplein nähen, er möge ihr das alte zum Muster einmal leihen – und als sie oben angelangt war, ließ sie durch die Knappen auch ein Eselfüllen hinauf in den Palas führen, und hieß es halten, und band ihm das Pfaffenkäpplein auf den Kopf, und ließ das Fenster öffnen und das Füllen daranstellen, das schaute gar fromm und bedächtiglich zum Fenster hinaus und spitzte die Ohren und witterte die frische Morgenluft. Der Teufel hatte lange schon still lauernd seitwärts gegenüber auf der Turmzinne gesessen, jetzt sah er das Fenster sich öffnen, sah des Pfaffen ihm wohlbekanntes Käppchen zum Vorschein kommen, und fuhr im Nu hin, und krallte seiner Meinung nach den Pfaffen heraus, und schmetterte ihn ins Tal, und fing die Seele auf. Herrgott, was der Teufel für einen Zorn hatte, als er von einer Tochter Evas sich überlistet sah und statt einer Pfaffenseele eine Eselsfüllenseele in den Klauen hielt! –

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