819. Die heilige Jungfrau schützt Münnerstadt

819. Die heilige Jungfrau schützt Münnerstadt

Im Dreißigjährigen Kriege, und zwar im Jahre 1641, wurde Münnerstadt, zwischen Schweinfurt und Neustadt unter der Salzburg gelegen, von den Schweden unter Anführung des weimarischen Generals Rosa hart bedrängt und belagert. Der Feind hatte auf dem Karlsberg seine Verschanzungen und begann von ihm aus die Stadt zu beschießen. In dieser war eine fromme Brüderschaft zum heiligen Rosenkranz, die in solcher Bedrängnis heiße Gebete um Rettung zum Himmel sandte. Als nun die Kanonade vom Karlsberge herab am heftigsten wurde, offenbarte sich ein göttliches Wunder; denn die heilige Jungfrau erschien in ihrer Glorie, umschwebt von Engeln, im langen weißen Gewände und himmelblauen Mantel auf den Mauern und fing die seindlichen Kugeln auf. Darüber verwunderten und entsetzten sich die Schweden, hoben die Belagerung auf und zogen von dannen. Zum Gedächtnis dieser wunderbaren Rettung feiert Münnerstadt bis heute noch ein Dankfest mit feierlichem Gottesdienst und einer Prozession, während welcher die Stadttore geschlossen werden. Und am Marienaltar in der überaus schönen Pfarrkirche künden wohlklingende lateinische Distichen der Nachwelt dieses Ereignis, welche mit dem heiligen Rosenkranz, der Himmelsrose Maria und dem Namen des seindlichen Feldherrn, Rosa, anmutig Wortspielen. Auch in das städtische Wappen und in das Siegel der Marienrosenkranzbrüderschaft zu Münnerstadt ward der Madonna Bild mit dem göttlichen Sohne über der getürmten Torpforte aufgenommen.

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812. Die Bilseiche

812. Die Bilseiche

Bei Albertshofen im Forst, zwischen Kitzingen und Dettelbach, ist ein verrufener und unheimlicher Platz von ziemlicher Ausdehnung, den man insgemein die Bilseiche nennt. In der Mitte dieses Platzes standen drei große uralte Eichen, von denen in neuerer Zeit zwei gefällt sein sollen, eine davon steht aber noch, und man nennt sie die Bils- oder Bildseiche. In der alten Heidenzeit sollen auf jenem Platze große Versammlungen gehalten und Opfer errichtet worden sein. Jetzt lärmt und pfeift es dort oft, als wenn der wilde Jäger an der Stätte hausete, und niemand betritt, ohne Schauer zu empfinden, diesen Platz. Nicht weit davon ist ein Brunnen, welcher der Weihbrunnen heißt, da sollen in uralten Zeiten besondere Weihungen vorgenommen worden sein. Dieses Wasser rühmt das Volk als sehr gut und heilkräftig gegen Fieber.

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813. Casteller Sage

813. Casteller Sage

Auf der alten Burg Castell in Franken, dem Stammhaus eines noch blühenden Reichsgrafengeschlechtes, haben die Geister keine Bewohner geduldet. Die Herrschaft hat sich’s vieles Geld kosten lassen und hat Leute droben schlafen lassen, aber niemand hat vermocht, es auszuhalten, und so ist die alte Stammburg verlassen worden und verfallen.

In dieser Burg Castell ist ein Brunnen, des Tiefe reicht von der Bergeshöhe bis zum Grunde und hat Zusammenhang mit dem Gründlersloch. Eine Ente, welche in den Casteller Schloßbrunnen gelassen ward, kam im Gründlersloch wieder zum Vorschein, eine halbe Stunde weit von dem Schlosse. Dieses Loch duldet keine Leichname, obschon sich viele darin ersäuft haben, es läßt auch keinen Stein in sich niedersinken, sondern wirft ihn aus. Dabei ist’s unergründlich.

Bei Gereuth oder Greuth, ganz nahe bei Castell, ruht im Schoß der Erde ein versunkenes Dorf. Auch dessen Glocke, wie die so vieler andern, wühlten Schweine aus.

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814. Eule legt Dukaten

814. Eule legt Dukaten

Zu Prichsenstadt in Franken hat vordessen ein Mann gewohnt, der hatte in seiner Oberstube, wie allgemein die Rede ging, eine Ohreule, die legte ihm alle Tage, wie ein Huhn sein Ei legt, einen Dukaten. Das war hübsch von der Eule, aber umsonst geschieht dergleichen Wunder nicht, und mochte wohl ein Aber mit selbem Nachtvogel haben. Der Mann hatte nun Geldes vollauf, denn die fleißige Eule hatte jahrelang gelegt und starb nicht, und der Mann hatte endlich Gründe, zu wünschen, die Eule los zu sein, denn es war die Zeit bald um. Und da dachte er, du willst die Eule wegschenken, und als einstmals eine Frau zu ihm kam, die einen Tragkorb auf dem Rücken hatte, so setzte er ihr die Eule heimlich in den Korb. Aber siehe da, plötzlich sank die Frau in die Kniee und schrie: Ach was Schweres liegt denn in meinem Korbe? und riß den Korb von der Schulter und schaute in die tückischen feurigen Augen des Ungetüms und schrie: Jesus, Maria, Joseph! – Da fauchte die Eule, gleich einer Katze, und flog aus dem Korbe, und die Frau raffte ihren Korb an sich und entwich. Nachher hat der Mann die Eule behalten müssen und konnte sie nimmermehr loswerden, nicht verschenken, nicht verkaufen, nicht töten, und als eines Morgens die Türe seines Schlafgemachs lange verschlossen blieb und er nicht zum Vorschein kam, so ward die Türe erbrochen, und da lag er tot auf seinem Lager, und die Eule saß auf seinem blutigen Kopfe und hatte ihm die Augen ausgehackt, als welches gar schrecklich anzusehen war, und war so groß wre der größte Steinadler und flog durch die geöffnete Türe alsbald fauchend von bannen. Für solche Eule lobt sich doch wohl mancher die Dukatenmännchen, die sie zu Nürnberg und Sonneberg machen, die fügen keinem ein Leid zu und bringen auch die Seele in keine Gefahr, dafür legen sie auch keine Dukaten, sondern tun nur so.

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815. Die Zollner von der Hallburg

815. Die Zollner von der Hallburg

Über Volkach am Main stand eine Ritterfeste, die Hallburg geheißen, und deren Besitzer nannten sich die Zollner. Wahrscheinlich zöllnerten sie ein wenig bezüglich der Mainschiffahrt, daher der unadelige Name. Ohnweit der Burg steht auf dem Kirchberge noch eine sehr alte gut erhaltene Kirche. Einst zogen zwei Zollner von der Hallburg, Brüder, in das Heilige Land, der eine war vermählt, der andere unvermählt, und kämpften tapfer gegen die Sarazenen, unterlagen aber in einer Schlacht der Übermacht und wurden gefangen. Lange trugen sie im dunkeln Kerker schwere Ketten, und endlich wurden sie, da sie Christum nicht abschwören wollten, zum Tode verurteilt. Ein türkisches Mädchen, des Kerkermeisters Tochter, war heimlich dem Christenglauben zugeneigt und vergoß viele Tränen über der armen Ritter nahen Tod; ja sie bat dieselben, sie in ihr letztes Gebet mit einzuschließen. Darauf haben die Ritter noch einmal recht inbrünstig im Kerker gebetet, und zwar zur wundertätigen Maria auf ihrem Kirchberge in der fernen Heimat, und haben nicht vergessen, auch die junge Türkin in ihr Gebet mit einzuschließen. Dann sind sie beide ruhig entschlummert, und es erschien ihnen die Maria vom Kirchberg im Traume und winkte ihnen. In derselben Nacht träumte auch der verlassenen Herrin auf der Hallburg, die Madonna ihrer Kirche winke sie zu sich. Und da machte die Frau sich am andern Morgen auf, einen stillen Bittgang zur Kapelle zu tun. Und wie sie hinkam, da fand sie vor der Türe zwei Männer in Sklaventracht und in Ketten und ein jung Mägdlein in des Morgenlandes Tracht in Schlummer sitzen, und der eine war ihr Mann. Ihr lauter Freudenruf erweckte die Schläfer, die blickten staunend umher und wußten nicht, wo sie waren, bis die Männer die Gegend und der eine in der Edelfrau sein Weib wiedererkannte, und alle warfen sich vor dem wundertätigen Bilde voll frommgläubigen Dankes anbetend nieder. Dann wurde die junge Türkin des jüngern Zollners von der Hallburg Hausfrau, nachdem sie feierlich in derselben Kirche zur Christin geweiht worden, und zum ewigen Gedächtnis ward für die Kirche ein Bildwerk verfertigt, das schnitzte ein kunstvoller Hirte derselben Gegend, welches noch vorhanden. Darauf erblickt man alle Personen, die jenes hohe Wunder berührt, in halber Größe; die Antlitze der Ritter sind leidensvoll, und dieselben Ketten und Fußblöcke, die sie im Kerker getragen, und die bei ihrer wunderbaren Entrückung nach der fernen abendländischen Heimat noch an ihnen hingen, dann aber abfielen, sind den Bildern der Ritter angelegt. Fragte nun ein Ungläubiger spöttelnd nach solchen Wunders Möglichkeit, so erwidert ihm der Mund der Sage: Konnte der Teufel Christum selbst auf einen hohen Berggipfel führen sowie den Herzog Heinrich den Löwen in einer Fahrt übers Meer tragen, warum sollte nicht die heilige Jungfrau ein noch höheres Wunder zu üben vermocht haben?

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816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze Lollus

816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze Lollus

In den alten Zeiten lag die Stadt Schweinfurt nicht da, wo sie jetzt liegt, sondern eine Strecke weiter aufwärts am Main, da, wo man noch eine Anzahl Gärten und Weinberge die alte Stadt nennt. Viele der Weinbergslagen haben noch bis heute die einstigen Benennungen, welche die Straßen führten, als da Häuser standen, wo jetzt Reben- und Obstbaumpflanzungen grünen. So die Herdgasse, vielleicht von den Viehherden, die langen Schranken, wo der ehemalige Turnierplatz sich befunden haben soll. Dort steht auch im Tannengarten die grüne Tanne, welche genau den Platz bezeichnet, wo vorzeiten das Wirtshaus zum Tannenbaum stand, ein Baum, der stets neu gepflanzt wird, wenn der alte abstirbt, damit das Andenken nicht erlösche. Unter der alten Stadt sollen noch große Schätze und Kostbarkeiten liegen;, wer sie zu finden und zu heben wüßte, könnte sehr glücklich werden.

Bei den langen Schranken kam auch einst ein Wasserfräulein zum Turnei und Tanz; ein Ritter kämpfte für sie, entzündet vom Reiz ihrer Schönheit. Da lächelte sie mit rotem Mund ihrem Ritter minneseligen Dank, aber da hatte sie grüne Zähne, und jener schrak von ihr hinweg. Lachend rutschte die Wasserminne zum nahen Main und tauchte lustig in die Flut hinab.

Im Bereich der alten Stadt, und zwar nicht weit von den langen Schranken, liegt ein Platz, den nennt das Volk den Lollus. Dort war ein heiliger Hain, darin soll in einer Umzäunung ein ehern Götzenbild gestanden haben, welches die Einwohner mit unblutigen Opfern, Trauben und Früchten des Feldes, ehrten. Das Bildnis hieß Lollus und soll gestaltet gewesen sein als ein nackter geschürzter Jüngling, im vollen Lockenhaar, einen Kranz von Mohnsamen um sein Haupt und einen über die Brust. Es hob die rechte Hand zum Munde, faßte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Junge und hielt in der linken einen Becher empor, aus welchem Kornähren sproßten. Uber diesen Lollus haben die Gelehrten mancherlei von alledem geschrieben, was sie so eigentlich nicht von ihm wußten. Hernach, als der heilige Kilian in das Frankenland gekommen und das Heidentum allda ausgerottet hat, ist das Bild hinweggekommen und in den Main versenkt worden. Viele Einwohner wurden Christen, und diese waren es, welche das Bild des Loll in das Mainbette versenkten. Als aber einige Jahre später der fromme Glaubensapostel zu Würzburg seinen Martyrertod gefunden, fielen die meisten Bewohner der Gegend wieder ab, ließen sich ein neues Götzenbild des Loll aus Erz gießen und stellten es an dem Orte zur Verehrung auf, den man jetzt das kleine Löllein nennt. Später jedoch ward auch dieses Bild vernichtet. Eigentümlich ist es, daß vom Götzen Lollus nur an einem einzigen Ort noch im Bayerlande die Sage wiederkehrt, und zwar zu Großlellen- oder -löllenfeld im Eichstättischen.

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803. Das Schenkenschloß

803. Das Schenkenschloß

Über Zell bei Würzburg, hart überm Wege nach Karlstadt, rechter Hand steht eine alte Turmtrümmer, die Schenkenburg genannt; auf der hauste ein ruheloser Schenk. Nun wurde einst in einer Spinnstube gesagt, droben im Schenkenturme sei ein Hühnernest mit Eiern, und dabei derjenigen ein neuer grüner Rock versprochen, die sich getraue, jetzt in der Nacht und ganz allein die Eier aus dem Nest zu holen. Ein Mädchen war zu dem Unternehmen bereit, wenn man ihr einen Ranken Schwarzbrot, einen Wetzstein und einen schwarzen Kater verschaffen wolle. Nachdem sie diese drei Dinge erhalten, ging sie damit getrost hinauf in den öden Burgturm, fand dort in einer Raufe das Nest und nahm die Eier heraus. Da rief ein grauer Mann ihr zu: Hättest du nicht deinen linkenden Rank, deinen wetzenden Wetz und deinen schwarzen Kater – so müßt‘ ich dir den Hals brechen! – Voll Schrecken lief das Mädchen davon und brachte zwar die Eier nach Zell, wurde aber gleich darauf krank und starb nach kurzer Zeit.

Da, wo jetzt noch dieser Schenkenturm steht, stand vormals eine stattliche Burg, die gehörte dem Schenken von Roßberg. Es ist allgemeiner Glaube, daß dort die Geister der Ritter noch spukend umgehen, und daß große Schätze sich zur nächtlichen Zeit durch blaue Flämmchen droben verkünden. – Zu Unterdürrbach, hinterm Schloßberge nach Rimpar zu, lebte ein altes Weib, die hatte aus Gnade und Barmherzigkeit ein armes Waislein, das ihre Verwandte war, zu sich genommen. Sie plagte aber das arme Kind wie ein Teufel, und dabei hatte sie eine ungemein durstige Leber. Als sie einstmals ihren Vorrat ausgezecht, gab sie dem Mädchen den Weinkrug und befahl ihm Wein zu holen, aber Geld gab sie ihm nicht, und da fragte das Kind: Wo soll ich denn Wein holen ohne Geld? – Ei du Teufelsbraten! schrie die Alte, hol ihn doch in des Kuckucks Namen, wo du willst! Meinethalben droben im Schenkenturme! Da muß man doch wohl den Wein geschenkt bekommen! – Das Mädchen stieg in seiner Unschuld den steilen Berg hinauf und betrat die inneren Räume der Burg; da schritt ihm ein kleines eisgraues Männlein entgegen und fragte freundlich: Was willst du, Kleine? – Das Kind erzählte, was ihm von der Alten gesagt und geboten worden war. Das schien dem Männchen zu gefallen, und es nahm den Krug, verschwand in ein Gewölbe und brachte dann das Gefäß gefüllt mit dem köstlichsten Wein wieder. Als er ihn dem erstaunten Kinde übergab, sprach er: Habe Dank, du kleine reine Feine! Du glückselige Magd hast mich erlöst! Denn so lange war ich verdammt, in diesem Gemäuer zu wandern, bis ein rein unschuldig Kind mir etwas von dem geraubten Gut abverlangen werde. Geh hinab und trinke ja nicht von dem Wein, sonst brennt er dir auf der Seele. – Das Mädchen zitterte an allen Gliedern und trug den Korb hinab, der wurde aber mit jedem Schritt schwerer und immer schwerer, und als es endlich den Fuß des Berges erreicht hatte, sank es erschöpft nieder. Schon wollte es einen wackern Zug zur Stärkung tun, aber – da war der Wein verschwunden und hatte sich in eitel Goldstücke verwandelt.

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804. Würzburgs Gründung

804. Würzburgs Gründung

Die Gründung Würzburgs und namentlich die seiner Feste fällt in sehr frühe Zeiten. Da der Frankenherzog Gozbert sich dem Christenglauben zuneigte, ließ er die Götzenbilder in den Mainstrom versenken und reinigte von ihnen Schloß und Stadt. Also schon zu dessen Zeit war beides vorhanden. So auch bekannte sich der Herzoge letzter, Hetan, mit seiner Tochter Irmina zum Christentum, die später ihren Wohnsitz auf die Karlsburg über Karlstadt verlegte und die Burg über Würzburg dem ersten Bischof, Burkhard, überließ. Andere schreiben der Feste Gründung einem Traume Pipins zu, den er in öder Waldwildnis auf dem Burgberge, vom Jagen müde und entschlummert, gehabt, worauf derselbe 764 zuerst eine Kapelle auf dem Berge erbauen lassen; darauf habe Karl der Große ein Kloster droben begründet, und der alte Name habe Wilisburg, Wildsburg, Wülzburg gelautet, der häufig begegnende Umlaut des l in r habe endlich daraus Würzburg bilden lassen. Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen – allein solche Angaben sind kaum Sage zu nennen, denn in der Regel hat dergleichen nur einer gesagt, der es eben erträumte. Burg- und Städtegründungen, die so hoch wie jene Würzburgs in die Zeitenfrühe hinaufragen, lassen sich nicht nach Jahr und Datum an den Fingern herzählen.

Als sich in Westfrankonien die Macht der Majordomen oder Hausmeier über die der Könige unter dem hochstrebenden Pipin von Heristal, der das Ruder der Herrschaft in starken Händen hielt und dem König nur einen Schatten von Ansehen gönnte, erhoben hatte, nannten seine Nachkommen sich Herzöge und Fürsten der Franken. Karl Martell hatte Thüringen und Franken den Sachsen entrissen. Karlmann bekam in der Teilung mit seinen Brüdern Austrien, Suevien und Thüringen. Bald auch machte der Name Franken neben Austrien und Nuistrien (Neuaustrien, Ostfranken) sich für immer geltend. Karlmann konnte schon an das Stift Würzburg eine Menge Kirchen und Güter schenken. Pipin der Kurze, Karlmanns Bruder, bestieg, als letzterer der Welt entsagte und in ein Kloster trat, den Thron. Er übergab dem Bischof Burkard zu Würzburg die Herzogwürde für sich und seine Nachfolger mit der Jurisdiktion über Leute und Blut, welche die würzburgischen Bischöfe jedesmal von dem westfränkischen Königreiche zu Lehn empfangen sollten, daher das Sprüchwort entstand: Herbipolis sola judicat ense, stola. Pipins großer Sohn Karl war oft in Franken und Thüringen anwesend. Längst war Franken in Gaue eingeteilt, die unter besonderen Gaugrafen standen. – Würzburg, die uralte Bischofstadt, ist so reich an örtlichen Sagen, daß sie für sich ein Buch füllen würden.

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805. Das Kreuz am Stein

805. Das Kreuz am Stein

Zu Würzburg auf dem Stein, da wächst der beste Wein! wiederholt ein Jahrhundert dem andern. Auf der Stätte nun, wo der beste Wein wächst, dem aber jener an der dem Stein gegenüberliegenden Leiste keineswegs nachsteht, denn er leistet Außerordentliches, steht ein steinern Kreuz. Zu einer Zeit wegelagerte Ritter Eppelein von Gailingen der Tapfere, dem die Würzburger Sage den Ort Gailig oder Gailnau bei Rothenburg an der Tauber zuweist, in dieser Gegend und hielt die Veitshöchheimer Straße bewacht, von der er einen heraufkommenden Güterzug verkundschaftet hatte. Weil aber der Ritter ein schlimmer Geselle war, so war längst auf seinen Kopf ein Preis gesetzt, den die Würzburger just so gern verdienen mochten wie die Nürnberger, und der Güterzug war eine Falle, denn als er nahe kam und Eppela mit seinen Dreizehn ihn angriff, so sprangen aus den Fässern und Kisten und Kasten der hochbeladenen Fuhrmannswagen mehr als dreimal dreizehn Bewaffnete, und von zwei Seiten sprengten würzburgische Reisige heran, und da kam es an ein arges Schlagen und Klopfen, und war Eppela Gaila von Dramaus heute zu vierzehnt ausgeritten, so ritt er ganz einzig und allein jetzt über Stock und Stein auf wilder Flucht, und hinter ihm her, wie die wilde Jagd, ritten seine Verfolger, schnitten ihm auch seitwärts Wege ab, kreiseten ihn ein wie die Jäger einen Edelhirsch und erhoben ein lautes Hallo, als sie ihn dahin gebracht, daß er einer hohen Felsklippe am Stein zusprengte, von der kein Entrinnen war, denn unter ihr floß breit und tief der Strom. Aber Eppeleins treues Flugroß hatte schon ganz andere Sprünge gemacht als den, der jetzt zu machen war, ein Satz, und im Main verschwanden Mann und Roß, und nach einer Weile tauchten beide unversehrt am andern Ufer empor und gewannen’s, und wenn Eppelein auch den Würzburgern hätte zurufen wollen: Die Würzburger henken auch keinen, sie hätten ihn zuvor – so war er doch zu weit von ihnen, als daß sie’s gehört hätten.

Aus Dankbarkeit für seine Rettung hat hernach der fromme Eppelein das Steinkreuz auf den Fels am Stein aufrichten lassen.

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806. Die Wirtin zur Gans

806. Die Wirtin zur Gans

Ganz nahe beim Marienburgberg bei Würzburg liegt St. Nikolauskapelle. Diese soll eigentlich diejenige gewesen sein, welche – Pipin nach seinem Traume gründete. Des Berges Spitze heißt die Waldkapell, da stand sonst eine Kapelle des Teufels darauf, nämlich ein Wirtshaus genannt zur Gans. Darin hausete eine lose Wirtin, die manschte den Wein, dessen dort doch kein Mangel, dennoch mit Wasser, dafür ist sie aber auch von ihren Gästen so oft und so lange verwünscht worden, bis die Verwünschung an ihr in Erfüllung gegangen. Längst ist vom Wirtshaus zur Gans keine Spur mehr vorhanden, aber die böse Wirtin, oder vielmehr ihre Seele, hat noch immer keine Ruhe, sie muß umgehen, wie die Arnstädter Bierzapferin im Walperholz, und immer schreien:

Ein halb Maß Wasser,
Ein halb Maß Wein,
Macht’s etwas blasser,
Doch auch ’n Maß Wein.

Und was das Schlimmste bei der Sache ist, ist das, daß diese wandernde Seele nicht eher ihre Erlösung zu hoffen hat, bis kein Wirt und Weinhändler mehr im ganzen weingesegneten Frankenlande auch nur einen Tropfen Wasser dem Weine zugemischt, da kann die Ärmste noch lange warten, wandeln und schreien.

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