I.

Demetrios‘ Traum.

Als Demetrios mit dem Spiegel, dem Kamm und dem Halsbande heimgekehrt war, wurde er in der Nacht von einem Traume heimgesucht und sein Traum war folgender:

Während einer sonderbaren Nacht, ohne Mond und ohne Sterne, während einer wolkenlosen Nacht, die von selbst glänzt, geht er dem Strande zu, mitten unter der Menge.

Ohne zu wissen warum, ohne zu wissen was ihn anzieht, hat er Eile dahin zu kommen, sobald als möglich dort zu sein; aber nur mit Mühe dringt es vorwärts und die Luft leistet seinen Füßen einen unbegreiflichen Widerstand, gleich einem tiefen Gewässer, das jeden Schritt hemmt.

Er zittert, er glaubt, daß er niemals ankommen, daß er niemals erfahren wird, wem er so, keuchend und unruhig, in dieser klaren Dunkelheit entgegengeht.

Von Zeit zu Zeit verschwindet die Menge ganz, sei es, daß sie wirklich vergeht, sei es, daß er aufhört ihre Gegenwart zu fühlen. Dann drängt sie sich wieder, lästiger werdend, und Alle gehen, gehen und gehen geräuschvollen Schrittes vorwärts, schneller als er …

Dann drängt sich die Menschenmasse zusammen: Demetrios erbleicht; ein Mann stößt ihn an der Schulter; die Spange eines Weibes zerreißt ihm das Kleid; ein von der Menge gedrücktes Mädchen wird so eng an ihn gepreßt, daß er fühlt, wie ihre Brustwarzen sich an seiner Brust platt drücken, sodaß sie erschrocken sein Gesicht mit beiden Händen von sich stößt …

Plötzlich findet er sich allein, als der Erste auf dem Strande. Und da er sich zurückgewendet, sieht er in der Ferne ein weißes Gewimmel: die ganze Volksmenge, die plötzlich bis zur Agora zurückgewichen ist.

Und er begreift, daß sie nicht mehr vorrücken wird.

Der Strand dehnt sich weiß und gerade vor ihm aus, wie der Anfang einer unvollendeten Straße, die es unternommen hatte das Meer zu durchziehen.

Er will bis zum Leuchtthurm gehen und schreitet vorwärts. Seine Beine sind plötzlich leicht geworden. Der Wind, der von den sandigen Wüsten her bläst, zieht ihn hastig mit sich fort, nach den welligen Einöden, wo der Strand sich hinauswagt. Aber je mehr er vorwärts kommt, desto mehr zieht sich der Leuchtthurm zurück; der Strand wird unendlich lang. Bald berührt der hohe Marmorthurm, wo ein purpurner Scheiterhaufen lodert, den bleichen Horizont; er fängt an zu zucken, wird immer kleiner und geringer und geht schließlich wie ein zweiter Mond unter.

Demetrias schreitet immer noch weiter.

Tage und Nächte scheinen vergangen zu sein, seitdem er das große Gestade Alexandriens in der Ferne zurückgelassen hat und er getraut sich nicht den Kopf umzuwenden, aus Furcht nichts mehr zu sehen als den zurückgelegten Weg: eine weiße Linie, bis in die Unendlichkeit, bis ans Meer reichend.

Und doch wendet er sich um.

Hinter ihm liegt eine mit großen, breitblumigen Bäumen bedeckte Insel.

Hat er sie blind durchschritten, oder ist sie eben erst hervorgetaucht, auf geheimnißvolle Weise sichtbar geworden? Er denkt nicht daran sich danach zu fragen, er nimmt das Unmögliche wie ein natürliches Ereigniß hin …

Ein Weib ist auf der Insel. Sie steht vor der Thür des einzigen Hauses mit halb geschlossenen Augen und das Gesicht über die Blüthe eines ungeheuren Isis gebeugt, der in der Höhe ihrer Lippen wächst.

Ihr Haar ist tief, von der Farbe des matten Goldes und von einer Länge, die wunderbar erscheint, wenn man sie nach der Masse des Haarwulstes beurtheilt, der ihren schmachtenden Nacken drückt. Ein schwarzes Gewand bedeckt dieses Weib, und ein noch schwärzeres Kleid umwallt das Gewand; und die Irisblume, die sie mit gesenkten Augenlidern beriecht, hat gleichfalls die Farbe der Nacht.

Auf dieser trauernden Gestalt sieht Demetrios nur das Haar, wie eine Goldvase auf einer Ebenholz-Säule. Er erkennt Chrysis.

Die Erinnerung an Spiegel, Kamm und Halsband dringt nur undeutlich in seinen Geist; aber er glaubt nicht daran und in diesem sonderbaren Traum erscheint ihm blos die Wirklichkeit als Träumerei.

»Komm,« sagt Chrysis. »Folge meinen Schritten.«

Er tritt ein. Sie steigt langsam eine mit weißen Fellen bedeckte Treppe hinauf. Ihr Arm hängt sich an die Lehne. Ihre nackten Fersen tauchen unter ihrem Kleide auf.

Das Haus hat nur ein Stockwerk. Chrysis bleibt auf der letzten Stufe stehen.

»Es sind vier Gemächer da,« sagt sie. »Wenn Du sie gesehen hast, wirst Du sie nicht mehr verlassen wollen. Willst Du mir folgen? Hast Du Vertrauen?«

Aber er folgt ihr überall hin. Sie öffnet die erste Thür und schließt sie hinter ihm zu.

Dieser Raum ist eng und lang. Ein einziges Fenster beleuchtet ihn, wo der Blick das ganze Meer umfaßt. Rechts und links enthalten zwei kleine Gestelle ein Dutzend gerollter Bände.

»Hier sind die Bücher, die Du liebst,« sagt Chrysis, »andere sind nicht vorhanden.«

Demetrios öffnet sie: es ist der Oineus von Chérémon, die Rückkehr von Alexis, Laïs Spiegel von Aristipp, die Zauberin, der Cyklop und das Bukolyskon des Theokrit, Oedipus auf Kolonos, die Oden der Sappho und einige andere kleine Werke. Inmitten dieser idealen Bibliothek ist ein nacktes junges Mädchen schweigend auf Kissen gelagert.

»Nun,« murmelt Chrysis, aus einer langen goldenen Hülle ein Blatt Manuskript hervorziehend, »hier ist das Blatt antiker Verse, die Du niemals ohne zu weinen allein lesen kannst.«

Der junge Mann liest aufs Geradewohl:

Οἱ μὲν ἂῤ ἐθρήνεον, ἐπὶ δὲ στενάχοντο γυανῖϰες.
Ρῇσιν δ᾽ Ανδγομάχη λευϰώλενος ἦρχε γόοιο,
Ἓϰτορος ἀνροϕόνοιο ϰάρη μετὰ χερσὶν ἔχονσα᾿
Ἇνερ, ἀπʹ αἰϖνρς νέος ὤλεο, ϰαδδέ με χήρην
Λείπεις ἐν μεγάροισι πάἵς δ῾ ἔτι νήπιος αὕτως,
Ὂν τέϰομεν σύ τ᾽έγώ τε δυσάμμορι …

Er hält inne, um einen zärtlichen und verwunderten Blick auf Chrysis zu werfen.

»Du!« sagte er ihr. »Du zeigst mir das?«

– Ach! Du hast nicht Alles gesehen. Folge mir! Folge mir schnell!

Sie öffnete eine zweite Thür.

Das zweite Gemach ist viereckig. Ein einziges Fenster beleuchtet es, wo der Blick die ganze Natur umfaßt. In der Mitte steht ein Holzgestell, das einen Klumpen rothen Thones trägt, und in einer Ecke, auf einem gebogenen Stuhle sitzt schweigend ein nacktes junges Mädchen.

»Hier wirst Du Andromache, Zagreus und die Sonnenpferde modelliren. Da Du sie für Dich allein schaffen wirst, wirst Du sie vor Deinem Tode zerstören.«

– Es ist das Heim des Glückes, sagte leise Demetrios.

Und er läßt seine Stirne in seine Hand sinken.

Doch Chrysis öffnet eine dritte Thüre.

Das dritte Gemach ist weit und rund. Ein einziges Fenster beleuchtet es, wo der Blick den ganzen blauen Himmel umfaßt. Die Wände sind aus einem Bronzegitter gemacht, das rautenförmig geflochten ist. Dahinter spielen unsichtbare Musikantinen auf Flöten und Zithern eine melancholische Weise. An der hinteren Wand steht ein grüner Marmorthron, darauf sitzt schweigend ein nacktes Mädchen.

»Komm, komm,« wiederholt Chrysis.

Sie öffnete eine vierte Thüre.

Das vierte Gemach ist niedrig, dunkel, luftdicht geschlossen und dreieckig. Dicke Teppiche und Felle bekleiden dasselbe so weich, vom Boden bis zur Decke, daß die Nacktheit darin nicht in Erstaunen setzt, denn die Liebenden können sich einbilden, ihre Kleider nach allen Richtungen an die Wände geworfen zu haben. Wenn die Thür wieder geschlossen ist, weiß man nicht mehr wo sie ist. Fenster sind nicht vorhanden. Es ist eine enge Welt, außerhalb der Welt. Einige von oben herabhängende Büschel schwarzer Haare lassen wohlriechende Tropfen in die Luft gleiten. Und dieses Gemach ist durch sieben Myrrhe-Scheiben beleuchtet, welche das unbegreifliche Licht von sieben unterirdischen Lampen siebenfach verschieden färben.

»Siehe, erklärte die junge Frau mit liebevoller und ruhiger Stimme, es stehen drei verschiedene Betten in den drei Ecken unseres Gemaches …«

Demetrios antwortet nicht; er fragt sich im Stillen:

»Ist dies hier auch das letzte Ziel? Ist das wirklich der Zweck des menschlichen Lebens? Bin ich denn nur deshalb durch die drei anderen Gemächer geschritten, um in diesem inne zu halten? Und könnte ich wieder hinaus, wenn ich mich eine ganze Nacht hindurch in der Stellung der Liebe, welche dem Hinstrecken im Grabe gleicht, hinlege?«

Doch Chrysis spricht:

»Vielgeliebter, Du hast nach mir verlangt, ich bin gekommen, blicke mich recht an …«

Sie hebt gleichzeitig die beiden Arme, läßt die Hände auf den Haaren ruhen, und lächelt, die Ellenbogen vorgestreckt.

»Vielgeliebter, ich bin Dein … Oh! nicht sogleich. Ich habe Dir versprochen zu singen, ich werde zuerst singen.«

Und er denkt nur noch an sie und er legt sich ihr zu Füßen. Sie trägt schwarze Sandalen. Vier bläuliche Perlenschnüre ziehen sich zwischen den kleinen Zehen, deren jede mit einer karminrothen Mondsichel bemalt ist.

Den Kopf auf die Schulter geneigt schlägt sie mit den Fingerspitzen der rechten Hand auf die Handfläche der linken, indem sie leise die Hüften bewegt.

»Ich suchte des Nachts in meinem Bette, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht …

Ich beschwöre euch, ihr Töchter zu Jeruschalaim, wenn ihr meinen Geliebten findet, sagt ihm, daß ich aus Liebe krank liege.«

»Ach! es ist das Hohelied, Demetrios. Es ist der Brautgesang der Töchter meines Landes.«

»Ich schlafe, aber mein Herz wachet. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft …

Er kommt und hüpft auf den Bergen und springt auf den Hügeln.

Mein Freund ist gleich einem Reh oder jungen Hirsch.

Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komme her.

Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin.

Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen und die Turteltaube läßt sich hören in unserem Lande.

Stehe auf, meine Freundin und komm, meine Schöne komme her!«

Sie wirft ihren Schleier weit weg und bleibt mit einem engen Stoff bekleidet stehen, der an den Beinen und Hüften knapp anliegt.

»Ich habe mein Hemd ausgezogen, wie sollte ich es wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie sollte ich sie wieder besudeln?

Aber mein Freund steckt seine Hand durch’s Schloß und mein Leib erzittert davor.

Da stand ich auf, daß ich meinem Freunde aufthäte; meine Hände troffen mit Myrrhen und Myrrhen liefen über meine Finger an den Riegel am Schloß.

Ach, daß er mich küsse mit den Küssen seines Mundes!«

Sie beugte den Kopf zurück, die Augenlider halb schließend.

»Erquickt mich, labet mich, denn ich bin krank vor Liebe.

Seine Linke lege sich unter mein Haupt und seine Rechte herze mich …

Nu hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, mit deiner Augen einem und mit deiner Halsketten einer.

Wie schön sind deine Brüste, meine Schwester, liebe Braut! Deine Brüste sind lieblicher denn Wein und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze,

Deine Lippen, meine Braut, sind wie triefender Honigseim. Honig und Milch ist unter Deiner Zunge, und Deiner Kleider Geruch ist wie der Geruch Libanons.

Meine Schwester, liebe Braut! Du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born …

Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind; und wehet durch meinen Garten, daß seine Würze triefen.«

Sie rundet ihre Arme und hält den Mund ihm entgegen.

»Mein Freund komme in seinen Garten und esse seine edlen Früchte.«

– Ich komme, meine Schwester, liebe Braut, in meinen Garten. Ich habe meine Myrrhen sammt meiner Würze abgebrochen; ich habe meines Seimes sammt meinem Honig gegessen; ich habe meines Weines, sammt meiner Milch getrunken …

Setze mich wie ein Siegel auf Dein Herz, und wie ein Siegel auf Deinem Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod.«

Ohne die Füße zu bewegen, ohne ihre geschlossenen Kniee zu biegen, dreht sie langsam ihren Körper auf ihren unbeweglichen Hüften. Ihr Gesicht und ihre beiden Brüste erscheinen über der Scheide ihrer Beine wie drei fast rosige Blumen in einem Straußbehälter aus Kleiderstoff.

Sie tanzt ernst mit den Schultern und dem Kopfe und mit ihren schönen, in einander geschlungenen Armen. Sie scheint zu leiden in ihrer Hülle und die weiße Hautfarbe ihres halb befreiten Körpers immer mehr zu enthüllen. Ihr Athem schwellt ihre Brust, ihr Mund kann sich nicht mehr schließen. Ihre Augenlider können sich nicht mehr heben. Ein wachsendes Feuer röthet ihre Wangen.

Zuweilen vereinen sich ihre zehn gekreuzten Finger vor ihrem Gesichte. Zuweilen hebt sie die Arme. Reizend streckt sie sich. Eine lange flüchtige Furche trennt ihre gehobenen Schultern. Endlich, in einer Umdrehung ihrer Haare, die ihr keuchendes Gesicht wie mit einem Hochzeitsschleier umgiebt, löst sie zitternd die geschnitzte Spange, die den Stoff an ihren Hüften festhielt und laßt das ganze Geheimniß ihrer Reize auf den Teppich gleiten.

Demetrios und Chrysis …

Ihre erste Umarmung vor der Liebe ist gleich so vollkommen, so harmonisch, daß sie unbeweglich darin verweilen, um ihre mannigfache Wollust voll und ganz zu genießen. Eine der Brüste Chrysis‘ schmiegt sich unter den Arm, der sie mit Kraft an sich zieht. Einer ihrer Schenkel liegt brennend zwischen seinen beiden zusammengezogenen Beinen, und der andere, der darüber gelegt ist, erweitert sich und wird schwer. So bleiben sie bewegungslos, verbunden, aber nicht durchdrungen in der wachsenden Erregung eines unbeugsamen Verlangens, das sie nicht befriedigen wollen. Allein ihre Lippen haben sich zuerst gefunden. Sie berauschen sich an einander, ihrer schmerzhaften Keuschheit trotzend, ohne sie zu befriedigen.

Man betrachtet nichts so sehr in der Nähe wie das Gesicht des geliebten Weibes. In der völligen Annäherung des Kusses gesehen scheinen Chrysis‘ Augen ungeheuer. Wenn sie dieselben schließt, bleiben zwei parallele Falten auf jedem Augenlid und eine einförmig trübe Farbe dehnt sich von den glänzenden Augenbrauen bis zum Ansatz der Wangen. Wenn sie dieselben öffnet, erleuchtet ein grüner Ring, so dünn wie ein Seidenfaden, mit einem farbigen Kranze den unergründlichen schwarzen Augapfel, der sich unter den eingebogenen Augenlidern maßlos vergrößert. Das rothe Fleckchen Fleisch, von wo die Thränen fließen, hat plötzliche Zuckungen.

Dieser Kuß wird kein Ende mehr nehmen. Es scheint, daß unter Chrysis‘ Zunge nicht Milch und Honig fließt, wie die Schrift sagt, sondern ein lebendes, bewegliches, zauberisches Wasser. Und diese Zunge selbst, diese vielförmige Zunge, die sich höhlt und die sich einrollt, die sich zurückzieht und sich dehnt, liebkosender als die Hand, ausdrucksvoller als das Auge, eine Blume, die sich zum Griffel abrundet und sich zum Blumenblatt verdünnt. Fleisch, das steif wird um zu zittern, oder weich um zu lecken: diese Zunge belebt Chrysis mit ihrer ganzen Zärtlichkeit, mit ihrer leidenschaftlichen Phantasie … Dann wieder sind es Liebkosungen, die sie verlängert und die ihre Stelle wechseln. Ihre Fingerspitzen genügen, um einzuschließen in einem Netze von Schauerkrämpfen, welche die Rippen entlang erwachen und nicht immer vergehen. Sie ist nur dann glücklich, hat sie gesagt, wenn sie durch das Verlangen geschüttelt oder durch die Erschlaffung entnervt ist: der Übergang erschreckt sie, wie ein Schmerz. Sobald ihr Geliebter sie dazu einlädt, entfernt sie ihn mit ihren gestreckten Armen; ihre Kniee ziehen sich zusammen, ihre Lippen flehen. Demetrios zwingt sie mit Gewalt.

… Kein Schauspiel der Natur, weder die Flammen des Westens, noch der Sturm in den Palmbäumen, weder der Blitz, noch die Luftspiegelung, oder der große Aufruhr der Fluthen scheint Denjenigen bewunderungswürdig, die in ihren Armen die Verklärung des Weibes gesehen haben. Chrysis wird wunderthätig! Nacheinander sich reckend oder zurückfallend, die Ellenbogen auf die Kissen gestemmt, ergreift sie den Zipfel eines Kopfpolsters, sie hält sich krampfhaft daran, wie eine Sterbende, und sie erstickt schier, den Kopf zurückgebogen. Ihre von Dankbarkeit leuchtenden Augen fixiren in dem Winkel der Augenlider den Taumel ihres Blickes. Ihre Wangen sind strahlend. Die Krümmung ihres Haares ist von einer verblüffenden Beweglichkeit. Zwei wunderbare Muskellinien gehen vom Ohr und von der Schulter aus und vereinigen sich unter der rechten Brust, die sie wie eine Frucht tragen.

Mit einer Art religiöser Scheu betrachtet Demetrios diese Wuth der Göttin in einem weiblichen Körper, dieses Entzücken eines ganzen Wesens, dieses übermenschliche Zucken, dessen unmittelbare Ursache er ist, das er nach seinem Belieben erhöht oder unterdrückt und das ihn zum tausendsten Male verwirrt.

Unter seinen Augen bemühen und verherrlichen sich alle Mächte des Lebens, um zu schaffen. Die Brüste haben schon bis zu ihren völlig gereiften Warzen die mütterliche Majestät angenommen. Der geheiligte Leib des Weibes vollendet sein Empfangen …

Und dieses Klagen, dieses jämmerliche Klagen, das im Voraus das Gebären beweint! …

II.

Die Menge.

Am Morgen, wo das Bacchanal bei Bacchis ein Ende nahm, gab es in Mexandrien ein Ereigniß: es regnete.

Sofort war, im Gegensatz zu dem, was gewöhnlich in weniger afrikanischen Landen geschieht, Jedermann draußen, um den Guß zu empfangen.

Die Naturerscheinung war weder eine fluthartige noch eine stürmische. Breite, lauwarme Tropfen, die aus einer violetten Wolke fielen, durchkreuzten die Luft. Die Frauen fühlten, wie sie ihre Busen und ihr schnell zurechtgebundenes Haar benetzten. Die Männer betrachteten den Himmel mit Interesse. Kleine Kinder lachten laut auf und zogen ihre nackten Füße durch die dünne Kothschichte.

Dann verschwand die Wolke im Lichte; der Himmel blieb unerbittlich klar und kurze Zeit nach Mittag war der Koth in der Sonnenhitze wieder zum Staube geworden.

Aber dieser vorübergehende Regenguß hatte genügt. Die Stadt war aufgeheitert. Die Männer blieben auf dem Steinpflaster der Agora beisammen, die Frauen mengten sich in Gruppen untereinander, wo ihre lauten Stimmen sich kreuzten.

Die Hetären allein waren da, denn der dritte Tag der aphrodisischen Feste war der Frömmigkeit der verheiratheten Frauen allein vorbehalten und diese hatten sich soeben in einem großen Zuge auf die Straße des Ustarteion begeben; auf dem Platze blieben daher nur geblümte Kleider und schwarz geschminkte Augen zurück.

Als Myrtocleia vorbeiging, wurde sie von einem Philotis genannten Mädchen, das mit vielen anderen plauderte, an der Binde ihres Aermels gezogen.

»He, Kleine, Du hast gestern bei Bacchis gespielt? Was hat sich dort ereignet? Was hat man dort getrieben? Hat Bacchis ein neues, breites Halsband hinzugefügt, um die Gruben ihres Halses zu verbergen? Trägt sie Brüste von Holz oder von Kupfer? Hat sie vergessen ihre weiße Härchen auf der Schläfe zu färben, bevor sie ihre Perrücke aufgesetzt hat? Nun, sprich doch, stummer Fisch !«

– Glaubst Du denn, daß ich sie angeschaut habe? Ich bin nach dem Mahle gekommen, habe meine Szene gespielt, meinen Lohn erhalten und bin eilig weggegangen.

– Oh! ich weiß, daß Du keine Unzucht treibst.

– Um mein Kleid zu beschmutzen und Hiebe zu bekommen? nein, Philotis. Nur reiche Frauen können bei Gelagen mitthun. Die kleinen Flötenspielerinen können nur Leid davon tragen.

– Wenn man sein Kleid nicht beflecken will, so läßt man es im Vorzimmer. Wenn man Faustschläge bekommt, läßt man sich doppelt bezahlen. Es ist ganz einfach. Du hast uns also nichts zu erzählen? kein Abenteuer? keinen Scherz? keinen Skandal? Wir gähnen wie Ibisvögel. Erfinde etwas, wenn Du nichts weißt.

– Meine Freundin Theano ist nach mir dort geblieben. Als ich vorhin aufgewacht bin, war sie noch nicht nach Hause gekommen. Das Fest dauert vielleicht noch immer.

– Es ist aus, sagte ein anderes Weib. Theano steht dort, an die keramische Mauer gelehnt.

Die Hetären liefen dorthin, aber einige Schritte davon entfernt blieben sie mit einem mitleidigen Lächeln stehen.

Theano, im Taumel ihres harmlosen Rausches, zog eigensinnig an einer fast entblätterten Rose, deren Dornen in ihren Haaren hängen geblieben. Ihr gelbes Kleid war roth und weiß befleckt, als ob die ganze Orgie ihr über den Leib gefahren wäre. Die Bronzespange, die auf der Schulter die zusammenlaufenden Falten des Stoffes festhalten sollte, hing tiefer als der Gürtel und enthüllte die bewegliche Halbkugel einer jungen, schon überreifen Brust, welche zwei purpurrothe Male bewahrte.

Als sie Myrtocleia bemerkte, verfiel sie in ein sonderbares Lachen, das in Alexandrien Jedermann kannte und das ihr den Spitznamen »das Huhn« eingetragen hatte. Es war ein endloses Glucksen einer brütenden Henne, ein lustiger Tonfall, der athemlos bis zur untersten Stufe ging, um dann mit einem schrillen Aufschrei von Neuem zu beginnen, und so ging es rhythmisch fort, in der Freude eines frohlockenden Vogels.

»Ein Ei! ein Ei!« sagte Philotis.

Aber Myrtocleia machte eine Bewegung:

»Komm, Theano. Du mußt schlafen gehen. Du fühlst Dich nicht wohl. Komm mit mir.«

– Ah! ha! … Ah! ha! lachte das Kind. Und sie nahm ihre Brust in ihre kleine Hand und rief mit entstellter Stimme:

»Ah! ha! … der Spiegel …«

– Komm! wiederholte Myrto ungeduldig.

– Der Spiegel … er ist gestohlen, gestohlen, gestohlen! Ah! haaaa! Ich werde nie mehr so lachen, und wenn ich länger als Kronos lebe. Gestohlen, gestohlen, der Silberspiegel.

Die Sängerin wollte sie fortziehen, allein Philotis hatte verstanden.

»Ohe! rief sie den Anderen zu, die Arme in die Höhe streckend. Kommt doch schnell her! Man erfährt Neuigkeiten! Der Spiegel ist gestohlen!«

Und Alle riefen aus:

»Papaie! Bacchis‘ Spiegel!«

Im Augenblick drängten sich dreißig Frauen um die Flötenspielerin.

»Was sagt man?«

– Wie?

– Man hat Bacchis‘ Spiegel gestohlen; Theano hat es soeben gesagt.

– Aber wann denn?

– Wer hat ihn genommen?

Das Kind zuckte mit den Achseln:

»Weiß ich’s denn?«

– Du hast die Nacht dort zugebracht. Du mußt es wissen. Es ist nicht möglich. Wer ist bei ihr eingedrungen? Man hat Dir’s wohl gesagt. Erinnere Dich, Theano.

– Weiß ich’s denn? … Es waren ihrer mehr als zwanzig im Saale … Sie hatten mich als Flötenspielerin gemiethet, aber sie hatten mich davon abgehalten zu spielen, weil sie die Musik nicht mögen. Sie haben von mir verlangt, ich solle die Figur der Danae darstellen und warfen Goldstücke nach mir, die mir Bacchis alle genommen hat … Und was noch? Sie waren toll. Sie haben mich, den Kopf zu unterst, aus einem übervollen Zuber trinken lassen, wo sie sieben Becher hineingegossen hatten, weil es sieben Gattungen Weine auf dem Tische gegeben hatte. Mein Gesicht war ganz naß. Selbst meine Haare schwammen darin und meine Rosen.

– Ja, unterbrach Myrto, Du bist ein sehr häßliches Mädchen. Aber der Spiegel? Wer hat ihn genommen?

– Eben! Als man mich wieder auf die Beine gestellt hatte, war mir das Blut zu Kopfe gestiegen und ich hatte Wein bis in die Ohren. Ha! Ha! Sie haben alle zu lachen angefangen … Bacchis hat den Spiegel holen lassen … Ha! Ha! er war nicht mehr da. Jemand hatte ihn genommen.

– Wer? Man frägt Dich: wer?

– Ich war es nicht, das ist Alles, was ich weiß. Man konnte mich nicht durchsuchen, ich war ganz nackt. Ich kann einen Spiegel nicht unter dem Augenlid verbergen, wie eine Drachme. Ich war es nicht, das ist Alles, was ich weiß … Sie hat eine Sklavin an’s Kreuz geschlagen, vielleicht ist es deßhalb … Als ich bemerkte, daß man mir nicht mehr zuschaute, habe ich die Goldstücke der Danae aufgelesen. Hier! Myrto. Ich habe deren fünf. Du kannst Kleider für uns drei dafür kaufen.

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Das Gerücht von dem Diebstahl hatte sich nach und nach auf dem ganzen Platze verbreitet. Die Hetären verhehlten ihre eifersüchtige Befriedigung nicht. Eine geräuschvolle Neugierde belebte die bewegten Gruppen.

»Es ist ein Weib, sagte Philotis, es ist ein Weib, das diesen Streich gespielt hat.«

– Ja, der Spiegel war gut verborgen. Ein Dieb hätte Alles mitnehmen und Alles im Zimmer umstürzen können, ohne den Stein zu finden.

– Bacchis hatte Feindinen, ihre früheren Freundinen hauptsächlich. Diese wußten alle das Geheimniß. Eine derselben wird sie wohl irgendwohin locken haben lassen und bei ihr eingedrungen sein zur Stunde, wo die Sonne brannte und die Straße fast einsam ist.

– Oh! sie hat ihn vielleicht verkaufen lassen, um ihre Schulden zu zahlen.

– Wenn es einer ihrer Geliebten wäre? Man sagt, daß sie jetzt Packträger nimmt.

– Nein, es ist ein Weib, ich bin dessen sicher.

– Bei den beiden Göttinen, e» ist ihr recht geschehen!

Auf einmal rückte eine noch mehr erregte Menge einem Punkte der Agora zu, gefolgt von einem wachsenden Geräusch, das alle Vorbeigehenden anlockte.

»Was giebt’s? was giebt’s?«

Und eine gellende Stimme rief, den Tumult beherrschend, über die geängstigten Köpfe hinweg:

»Man hat die Gattin des Hohenpriesters getödtet!«

Ein starke Aufregung bemächtigte sich der ganzen Menge. Man glaubte nicht daran. Man wollte nicht denken, daß inmitten der aphrodisischen Feste, ein solcher Mord den Zorn der Götter auf die Stadt habe laden können. Doch überall wurde, von Mund zu Mund, derselbe Satz wiederholt:

»Man hat die Frau des Hohenpriesters getödtet; das Fest des Tempels ist unterbrochen!«

Rasch folgten sich die Nachrichten. Man hatte den Leichnam an einem entlegenen Ort, am höchsten Punkte der Gärten auf einer Bank von rothem Marmor gefunden. Eine lange Goldnadel war durch die linke Brust hindurch getrieben: die Wunde hatte nicht geblutet; aber der Mörder hatte alle Haare der jungen Frau abgeschnitten und den alten Kamm der Königin Ritaukrit mitgenommen.

Nach den ersten Angstschreien herrschte eine gedrückte Stimmung. Von Augenblick zu Augenblick wuchs die Menge immer mehr an. Die ganze Stadt war da. Es war ein Meer von entblößten Köpfen und von Frauenhüten, eine ungeheure Heerde, die gleichzeitig aus dem blauen Schatten der Straßen in das blendende Licht der Agora Alexandriens strömte. Man hatte einen solchen Zudrang seit dem Tage, wo Ptolemäus Auletes von der Partei der Berenike vertrieben wurde, nicht gesehen. Und die politischen Revolutionen erschienen weniger schrecklich, als dieses Verbrechen gegen die Religion, von welchem das Heil der Stadt abhängen konnte. Die Männer umdrängten die Zeugen zum Erdrücken. Man verlangte neue Einzelheiten. Man sprach Vermuthungen aus. Frauen theilten den neu Angekommenen den Diebstahl des berühmten Spiegels mit. Die Klügsten behaupteten, daß diese beiden nacheinander geschehenen Verbrechen von derselben Hand verübt worden seien. Aber von welcher? Mädchen, die am verflossenen Tage ihre Gabe für das nächste Jahr niedergelegt hatten, fürchteten, daß die Göttin dieselben nicht mehr anrechnen würde, und schluchzend saßen sie da, den Kopf in ihrem Kleide verborgen.

Ein alter Aberglaube verlangte, daß zwei ähnlichen Ereignissen ein drittes, noch schlimmeres folgen müsse, Die Menge erwartete dieses Ereigniß. Was hatte der geheimnißvolle Dieb nach dem Spiegel und dem Kamme gestohlen? Eine erstickende, von dem Südwind entzündete Atmosphäre voll Sand und Staub lastete auf der schier versteinerten Menge.

Unmerklich, als ob diese Menschenmasse nur ein Wesen wäre, wurde sie von einem Schauder ergriffen, der nach und nach bis zur Höllenangst anwuchs; und alle Augen richteten sich auf denselben Punkt am Horizonte.

Es war am äußersten Ende der großen, geradlinigen Allee, welche von dem Canope-Thor aus quer durch Alexandrien ging und von dem Tempel zur Agora führte. Dort, am äußersten Punkte des sanften Abhangs, wo sich die Aussicht auf den Himmel öffnete, war plötzlich eine zweite Menge erschienen, die herunterlief, auf die erste zu.

»Die Hetären! die geweihten Hetären!«

Niemand rührte sich. Man wagte nicht ihnen entgegenzueilen, aus Furcht, ein neues Unglück zu erfahren. Sie kamen wie eine lebende Überschwemmung, welcher der dumpfe Schall ihrer Schritte auf den Boden vorauseilte. Sie hoben die Arme in die Höhe, sie stießen sich, sie schienen vor einem feindlichen Heere zu fliehen. Jetzt erkannte man sie schon. Man konnte ihre Kleider, ihre Gürtel, ihre Haare unterscheiden. Lichtstrahlen fielen auf ihren Goldschmuck. Sie waren ganz nahe. Sie öffneten den Mund … Ein Stillschweigen entstand ringsumher.

»Man hat das Halsband der Göttin gestohlen, die wahren Perlen der Anadyomene!«

Mit einem Schrei der Verzweiflung wurden diese verhängnisvollen Worte aufgenommen. Die Menge wich zuerst wie eine Woge zurück, dann stürzte sie vor, an die Wände schlagend, den Weg versperrend, die erschrockenen Weiber in die lange Strand-Allee zurückdrängend, der bestohlenen Unsterblichen zueilend.

III.

Die Antwort.

Und die Agora blieb leer, wie ein Meeresufer nach der Fluth. Leer, doch nicht ganz; ein Mann und ein Weib blieben zurück, die allein das Geheimniß der großen öffentlichen Aufregung kannten und die, der Eine durch die Andere, diese Aufregung hervorgerufen hatten: Chrysis und Demetrios. Der junge Mann saß auf einem Marmorblocke bei dem Hafen. Das junge Weib stand am anderen Ende des Platzes. Sie konnten sich nicht erkennen, aber sie erriethen sich gegenseitig. Chrysis eilte in der Sonne dahin, trunken vor Hochmuth und endlich auch vor Verlangen. »Du hast es gethan!« rief sie aus. »Du hast es also gethan!« – Ja, sagte einfach der junge Mann. Ich habe Dir gehorcht. Sie warf sich ihm zu Füßen und ergriff ihn in einer rasenden Umarmung. »Ich liebe Dich! ich liebe Dich! Niemals habe ich gefühlt was ich fühle. Ihr Götter! endlich weiß ich denn, was es heißt verliebt zu sein. Du siehst es, mein Lieber, ich gebe Dir also mehr, als ich Dir vorgestern versprochen hatte. Ich, die ich niemals nach Jemandem verlangt habe, konnte nicht glauben, daß ich mich so schnell verändern würde. Ich hatte Dir nur meinen Leib auf meinem Bette verkauft, jetzt gebe ich Dir Alles was ich Gutes habe, alles was ich Reines, Aufrichtiges, Leidenschaftliches besitze, meine ganze Seele, die noch unberührt ist, Demetrios, denke daran! Komm mit mir, verlassen wir diese Stadt für eine Zeit, gehen wir an einen verborgenen Ort, wo nur wir Beide, Du und ich, sein werden. Dort werden wir Tage verleben, wie es vor uns keine auf der Erde gegeben hat. Niemals hat ein Geliebter das gethan, was Du eben für mich gethan hast. Niemals hat ein Weib geliebt, wie ich liebe; es ist nicht möglich! es ist nicht möglich! Ich kann fast nicht sprechen, so sehr fühle ich mich beklommen. Du siehst, ich weine. Ich weiß jetzt auch was es heißt zu weinen; es heißt allzu glücklich sein … Aber Du antwortest nicht! Du sagst nichts! Küsse mich …« Demetrios streckte sein rechtes Bein aus, um sein Knie, das etwas müde wurde, niederer zu legen. Dann hieß er die junge Frau sich erheben, stand selbst auf, schüttelte sein Kleid, um die Falten auszulüften, und sagte ruhig: »Nein … Lebe wohl!« Und er entfernte sich langsamen Schrittes. Äußerst bestürzt blieb Chrysis mit offenem Munde und hängenden Armen stehen. »Was? … was … was sagst Du?« – Ich sage Dir Lebewohl, sprach er, ohne die Stimme zu erheben. – Aber … aber bist Du es denn nicht, der … – Ja. Ich hatte es Dir versprochen. »Dann … verstehe ich nicht mehr.« – Meine Liebe, ob Du verstehst oder nicht, das ist ziemlich gleichgültig. Ich überlasse dieses kleine Geheimniß Deinem Nachdenken. Wenn Das, was Du gesagt hast, wahr ist, so droht dasselbe lange zu dauern. Das kommt gerade recht, um Dich zu beschäftigen. Lebe wohl! – Demetrios! Was höre ich? … Woher ist Dir dieser Ton gekommen? Bist Du es auch, der da spricht? Erkläre mir das! Ich beschwöre Dich! Was ist zwischen uns geschehen? Man könnte darob mit dem Kopf an die Wand rennen … – Muß man Dir hundertmal dasselbe wiederholen! Ja, ich habe den Spiegel gestohlen; ja, ich habe die Priesterin Touni getödtet, um den antiken Kamm zu erlangen; ja, ich habe vom Halse der Göttin das große siebenreihige Perlenhalsband genommen. Ich sollte Dir die drei Geschenke in Umtausch gegen ein einziges Opfer Deinerseits übergeben. Das hieße dieses Opfer schätzen, nicht wahr? Doch ich habe aufgehört ihm einen beträchtlichen Werth beizulegen und ich verlange nichts mehr. Handle Deinerseits ebenso und verlassen wir uns. Ich bewundere Dich, daß Du eine Sachlage nicht verstehst, deren Einfachheit so klar ist. – Aber behalte sie, Deine Geschenke! Denke ich daran? Verlange ich sie von Dir, Deine Geschenke? Was soll ich damit anfangen? Dich will ich. Dich allein … – Ja, ich weiß es. Aber noch einmal: ich mag nicht mehr. Und da, damit eine Begegnung zu Stande komme, es unumgänglich nöthig ist gleichzeitig die Einwilligung der beiden Liebenden zu haben, so läuft unser Bündniß die Gefahr sich nicht zu verwirklichen, wenn ich bei meiner Anschauung beharre. Das versuche ich Dir begreiflich zu machen, mit der ganzen Klarheit der Rede, deren ich mich fähig fühle. Ich sehe, daß sie nicht genügt; aber, da es nicht meine Sache ist, ihr mehr Vollkommenheit zu geben, so bitte ich Dich, gütig die vollendete That anzunehmen, ohne durchdringen zu wollen, was in Deinen Augen dunkel in ihr ist, da Du sie nicht für wahrscheinlich halten willst. Ich wünsche lebhaft diese Unterhaltung zu schließen, die keinerlei Ergebniß haben kann und die mich vielleicht zu unliebsamen Worten fortreißen könnte. – Man hat Dir von mir gesprochen! – Nein. – Oh! ich errathe es! Man hat Dir von mir gesprochen, sage nicht nein. Man hat Dir Schlechtes von mir gesagt! Ich habe furchtbare Feindinen, Demetrios! Du mußt ihnen nicht zuhören. Ich schwöre Dir bei den Göttern, sie lügen! – Ich kenne sie nicht. – Glaube mir! glaube mir, Vielgeliebter! Welches Interesse hatte ich Dich zu täuschen, da ich nichts von Dir erwarte als Dich selbst? Du bist der Erste, mit dem ich also rede … Demetrios schaute ihr in die Augen. »Es ist zu spät,« sagte er. »Ich habe Dich besessen.« – Du faselst … Wann denn? Wo? Wie? – Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe Dich gegen Deinen Willen besessen. Was ich von Deiner Willfährigkeit erwartete, hast Du mir ohne Dein Wissen gegeben. In das Land, wohin Du gehen wolltest, hast Du mich im Traume diese Nacht geführt, und Du warst schön … ach! wie schön warst Du, Chrysis! Ich bin aus diesem Lande zurückgekehrt. Kein menschlicher Wille wird mich mehr zwingen es wiederzusehen. Man hat nie auf dem nämlichen Fleck Erde zweimal Glück. Ich bin nicht toll genug um eine glückliche Erinnerung zu verderben. Ich verdanke Dir diese Erinnerung, wirst Du sagen? Aber da ich nur Deinen Schatten geliebt habe, wirst Du mir, liebes Haupt, erlassen, Deiner Wirklichkeit zu danken.« Chrysis legte ihre Schläfen in die Hände. »Es ist abscheulich! es ist abscheulich! Und er wagt es zu sagen, und er ist damit zufrieden!« – Du urtheilst sehr schnell. Ich habe Dir gesagt, daß ich geträumt habe: bist Du sicher, daß ich eingeschlafen war? Ich habe Dir gesagt, daß ich glücklich war: besteht das Glück für Dich ausschließlich in diesem groben physischen Schauder, den Du so gut hervorrufst, wie Du mir gesagt hast, aber den Du nicht die Macht hast verschiedenartig zu gestalten, weil er derselbe ist bei allen Frauen, die sich hingeben? Nein, Du verringerst Dich selbst, indem Du diese unschickliche Haltung annimmst. Du scheinst doch nicht alles Glück zu kennen, das auf Deinen Spuren entsteht. Was die Geliebten verschieden macht, das ist die persönliche Art einer Jeden ein Erlebniß vorzubereiten und zu beschließen, das eigentlich eben so einförmig wie nothwendig ist und dessen Erforschung, wenn man es allein in Aussicht hätte, nicht alle die Mühe lohnte, die wir uns nehmen; um eine vollkommene Geliebte zu finden. In dieser Vorbereitung und in diesem Abschlusse zeichnest Du Dich unter allen Weibern aus. Wenigstens fand ich Vergnügen daran mir das vorzustellen, und vielleicht wirst Du mir zugeben, daß, nachdem ich von der Aphrodite des Tempels geträumt habe, meine Einbildungskraft keine große Mühe hatte sich ein Weib wie Du vorzustellen. Noch einmal: ich werde Dir nicht sagen, ob es sich um einen nächtlichen Traum oder um einen wachen Irrthum handelt. Es genüge Dir zu wissen, daß, geträumt oder gestaltet, Dein Bild mir in einem außerordentlichen Rahmen erschienen ist. Wahn und Täuschung; aber in allen Stücken werde ich Dich, Chrysis, davon abhalten, mich zu enttäuschen. – Und ich? rief sie. Was fängst Du in alledem mit mir an? Mit mir, die ich Dich noch immer liebe, trotz aller Abscheulichkeiten, die ich aus Deinem Munde höre? Habe ich das Bewußtsein Deines unseligen Traumes gehabt? Hatte ich meinen Antheil an diesem Glücke, von dem Du redest, und das Du mir gestohlen hast? Hat man jemals sagen hören, daß die Selbstsucht eines Liebenden schrecklich genug sein könne, sein Vergnügen bei einem Weibe zu genießen, das ihn liebt, ohne daß sie es mit ihm theilt? … Das verwirrt die Gedanken. Es wird mich noch toll machen. Nun gab Demetrios seinen spöttischen Ton auf und sagte mit leicht zitternder Stimme: »Kümmertest Du Dich um mich, als Du meine plötzliche Leidenschaft ausnütztest, um in einem Augenblick des Wahnes von mir drei Thaten zu verlangen, die mein Dasein hätten zerstören können, und die in mir stets die Erinnerung an eine dreifache Schmach zurücklassen werden?« – Wenn ich es gethan habe, so war es, um Dich an mich zu fesseln. Ich hätte Dich nicht besessen, wenn ich mich hingegeben hätte. – Nun wohl. Du bist befriedigt. Du hast mich festgehalten, zwar nicht lange, aber Du hast mich doch festgehalten in dem Sklavendienste, den Du wünschtest. Ertrage es nun, daß ich mich heute befreie! – Ich allein bin Sklavin, Demetrios. – Ja, Du oder ich, aber Einer von uns beiden, wenn er den Andern liebt. Sklavendienst! Sklavendienst! das ist der wahre Name der Leidenschaft. Ihr habt alle nur einen einzigen Traum, einen einzigen Gedanken im Gehirn: durch eure Schwäche die Stärke des Mannes zu zerstören, durch eure Leichtfertigkeit seine Intelligenz zu beherrschen! Was ihr wollt, sobald euch die Brüste wachsen, ist nicht zu lieben oder geliebt zu sein, sondern einen Mann an eure Fußknöchel zu binden, ihn zu erniedrigen, ihm den Kopf zu beugen und eure Sandalen daraufzusetzen. Dann könnt ihr, je nach eurem Ehrgeiz, uns das Schwert entreißen, den Meißel oder den Zirkel, Alles zerstören was euch überragt. Alles entmännlichen was euch beängstigt, Herakles bei der Nase nehmen und ihn ans Spinnrad setzen! Aber wenn es euch nicht gelungen ist seine Stirne oder seinen Charakter zu beugen, dann betet ihr die Faust an, die euch schlägt, das Knie, das euch zu Boden drückt und sogar den Mund, der euch beschimpft! Wenn der Mann, der sich geweigert hat eure nackten Füße zu küssen, euch schändet, so befriedigt er eure Wünsche. Derjenige, der nicht geweint hat, als ihr sein Haus verließet, kann euch bei den Haaren hinzerren: eure Liebe wird aus den Thränen wiedergeboren werden; denn Eines allein kann euch, verliebte Frauen, trösten, wenn ihr den Sklavendienst dem Mann nicht auferleget, das ist: ihn zu ertragen. – Ach! Schlage mich, wenn Du willst, aber liebe mich nachher! Sie umschlang ihn so plötzlich, daß er nicht Zeit hatte die Lippen zurückzuziehen. Er machte sich mit beiden Armen gleichzeitig los: »Ich verachte Dich. Lebe wohl,« sagte er. Aber Chrysis hing an seinem Mantel: »Lüge nicht! Du betest mich an. Du hast die Seele voll mit mir; aber Du schämst Dich nachgegeben zu haben. Höre, höre. Vielgeliebter! Wenn Du nur das brauchst, um Deinen Stolz zu befriedigen, bin ich bereit, um Dich zu haben, Dir mehr noch zu geben, als ich von Dir verlangt habe. Welches Opfer ich Dir auch bringen müsse, nachdem wir vereint sein werden, ich werde nicht über das Leben klagen.« Demetrios schaute sie neugierig an, und wie sie es zwei Tage vorher auf dem Strande gethan, sagte er ihr: »Welchen Schwur leistest Du?« – Bei Aphrodite, wie Du auch. – Du glaubst nicht an Aphrodite. Schwöre bei Jahveh Zabaoth. Die Galilaeerin erbleichte. »Man schwört nicht bei Jahveh.« – Du weigerst Dich? – Es ist ein furchtbarer Schwur. – Den muß ich haben. Sie zögerte einige Zeit, dann sagte sie mit leiser Stimme: »Ich schwöre bei Jahveh. Was verlangst Du von mir, Demetrios?« Der junge Mann schwieg. »Rede, Vielgeliebter! drängte Chrysis. Rede schnell. Ich habe Angst.« – Oh! es ist nicht viel. – Aber was denn? – Ich will nicht von Dir verlangen, daß Du mir Deinerseits drei Geschenke machest, seien sie eben so einfach wie die ersten selten waren. Aber ich kann von Dir verlangen, daß Du Geschenke empfangest, nicht wahr? – Gewiß! sagte Chrysis freudig. – Diesen Spiegel, diesen Kamm, dieses Halsband, die Du mich für Dich hast nehmen lassen, wolltest Du nicht benützen, nicht wahr? Ein gestohlener Spiegel, der Kamm einer Ermordeten, das Halsband der Göttin sind keine Schmuckgegenstände, mit denen man sich zieren kann. – Wie kannst Du nur daran denken! – Nein. Ich wußte es wohl, Du hast mich demnach aus bloßer Grausamkeit dazu gedrängt sie um den Preis dreier Verbrechen zu entwenden, wegen deren die ganze Stadt heute verstört ist. Nun, Du wirst sie tragen. – Was? – Du wirst in den kleinen geschlossenen Garten gehen, wo sich das Standbild des stygischen Hermes befindet. Dieser Ort ist immer menschenleer und Du läufst nicht Gefahr dort gestört zu werden. Du wirst die linke Ferse des Gottes wegnehmen. Der Stein ist zerbrochen. Du wirst es sehen. Dort, im Innern des Postamentes wirst Du Bacchis Spiegel finden und ihn in die Hand nehmen; dort wirst Du den großen Kamm der Nitaukrit finden, und wirst ihn in dein Haar stecken; dort wirst Du das siebenfache Halsband der Göttin Aphrodite finden und dasselbe um Deinen Hals legen. So geschmückt, schöne Chrysis, wirst Du durch die Stadt wandeln. Die Menge wird Dich den Soldaten der Königin überliefern; aber Du wirst haben, was Du gewünscht hast und ich werde Dich vor Sonnenaufgang in Deinem Gefängnisse besuchen.

IV.

Der Garten des Hermanubis.

Chrysis‘ erste Bewegung war die Achseln zu zucken. Sie würde nicht einfältig genug sein ihr Gelübde zu halten.

Die zweite war hinzugehen um zu schauen.

Eine wachsende Neugierde trieb sie an den geheimnißvollen Ort, wo Demetrios die drei geraubten Gegenstände verborgen hatte. Sie wollte sie nehmen, sie mit den Händen berühren, sie in der Sonne glänzen lassen, sie einen Augenblick besitzen. Es schien ihr, als würde ihr Sieg kein vollständiger sein, so lange sie die Beute ihres Ehrgeizes nicht ergriffen haben würde.

Was Demetrios beträfe, so würde sie wohl verstehen, ihn später durch irgend eine List wiederzugewinnen. Wie hätte sie glauben können, daß er sich für immer von ihr losgesagt habe! Die Leidenschaft, die sie bei ihm vermuthete, war nicht von jenen, die unwiederbringlich in einem Männerherzen erlöschen. Frauen, welche man viel geliebt hat, bilden im Gedächtniß eine ausgewählte Familie, und die Begegnung mit einer früheren, selbst gehaßten oder vergessenen Geliebten führt eine unbezwingliche Verwirrung herbei, aus welcher eine neue Liebe geboren werden kann. Chrysis war dies nicht unbekannt. So gierig sie auch selbst war, so große Eile sie auch hatte diesen ersten Mann, den sie liebte, zu erobern, so war sie doch nicht toll genug, ihn um den Preis ihres Lebens zu erkaufen, da sie doch so viele andere Mittel sah, ihn auf einfachere Weise zu verführen.

Und doch … welches glückselige Ende er ihr vorgeschlagen hatte!

Unter den Augen einer zahllosen Menge den antiken Spiegel, worin sich Sappho beschaut hatte, zu tragen, den Kamm, der die königlichen Haare der Nitaukrit zusammengehalten hatte, das Halsband aus den Perlen des Meeres, welche in der Muschel der Göttin Anadyomene gerollt hatte! Dann vom Abend bis zum Morgen Alles kennen lernen, was die heißeste Liebe eine Frau fühlen lassen kann … Und um die Mitte des Tages ohne Anstrengung sterben … Welches unvergleichliche Loos!

Sie schloß die Augen …

Aber nein; sie wollte sich nicht versuchen lassen.

Sie stieg in gerader Linie, durch Rhacotis kommend, die Straße hinauf, die zum großen Scrapeion führte. Dieser, von den Griechen ausgeführte Weg hatte in diesem Viertel von winkeligen Gäßchen etwas Ungleichförmiges. Die beiden Bevölkerungen mischten sich dort in einem Zusammenleben, das von Haß noch nicht frei war. Zwischen den mit blauen Hemden bekleideten Aegyptern bildeten die rohstoffigen Gewänder der Griechen weiße Lichtpunkte. Chrysis stieg schnellen Schrittes hinan, ohne den Gesprächen zuzuhören, in denen sich das Volk über die für sie begangenen Verbrechen unterhielt.

Vor den Stufen des Monumentes lenkte sie nach rechts, trat in eine dunkle Gasse, dann in eine andere, deren Häuser sich durch die Terrassen beinahe berührten, durchschritt einen kleinen sternförmigen Platz, wo bei einem Sonnenfleck zwei sehr braune Mädchen in einem Brunnenbecken spielten, und hielt endlich inne.

— — — — —

Der Garten des Hermes Anubis war eine kleine, seit langer Zeit verlassene Grabstätte, eine Art wüstes Feld, wo die Verwandten den Verstorbenen keine Opfer mehr darbrachten, und welches die Vorbeigehenden mieden. Inmitten der verfallenen Gräber schritt Chrysis in tiefster Stille vor, bei jedem Steine, der unter ihrem Fuße knirschte, ängstlich werdend. Der stets seinen Sand führende Wind bewegte ihr Haar auf den Schläfen und trieb ihren scharlachrothen Seidenschleier den weißen Blättern der Sykomoren zu.

Sie entdeckte das Standbild zwischen drei Grabmälern, die es auf jeder Seite verbargen und es in einem Dreieck einschlössen. Der Ort war gut gewählt, um ein tödtliches Geheimniß zu vergraben.

Chrysis schlich so gut sie konnte in den engen, steinigen Durchgang. Als sie das Standbild sah, erbleichte sie leicht.

Der Gott mit einem Schakalskopfe stand aufrecht, mit dem rechten Bein vortretend, die zurückfallende Kopfbedeckung mit zwei Löchern versehen, welche die zwei Arme durchließen. Das Haupt senkte sich auf dem steifen Körper, den Bewegungen der Hände folgend, welche die Geberde des Einbalsamierens machten. Der linke Fuß war aus dem Gefüge.

Mit langsamen und scheuem Blicke versicherte sich Chrysis, daß sie allein sei. Sie schauderte wegen eines kleinen Geräusches hinter ihr zusammen. Doch es war nur eine grüne Eidechse, die in einen Marmorspalt flüchtete.

Da getraute sie sich endlich den zerbrochenen Fuß der Statue zu ergreifen.

Sie hob ihn schief und nicht ohne einige Mühe in die Höhe, denn er zog einen Theil des ausgehöhlten Sockels mit, der auf dem Postamente ruhte.

Und unter dem Steine sah sie plötzlich die riesigen Perlen glänzen.

Sie zog das Halsband ganz hervor. Wie schwer es war! Sie hätte nicht gedacht, daß Perlen fast ohne Fassung in der Hand ein so großes Gewicht haben könnten. Die Perlmutterkugeln waren alle prachtvoll rund und hatten ein fast mondhelles Wasser. Die sieben Reihen folgten aufeinander, sich wie kreisförmige Seidenmohren auf einem gestirnten Gewässer erweiternd.

Sie legte es um den Hals.

Mit einer Hand breitete sie es staffelförmig aus und schloß die Augen, um besser die Kälte der Perlen auf der Haut zu fühlen. Sie ordnete die sieben Reihen auf ihrem nackten Halse und ließ die letzte Reihe in den warmen Zwischenraum der Brüste gleiten.

Dann nahm sie den Elfenbeinkamm, betrachtete ihn eine Zeit lang, streichelte das weiße Figürchen, das in den dünnen Kranz geschnitzt war und zog den Schmuck mehrmals durch ihr Haar, bevor sie ihn an der Stelle wo es ihr gefiel, befestigte.

Dann zog sie aus dem Postamente den Silberspiegel heraus, betrachtete sich darin, sah ihren Triumph, ihre von Ehrgeiz leuchtenden Augen, ihre Schultern mit der Beute der Götter geschmückt …

Und sodann ihre Haare in ihre große scharlachrothe Cyclas hüllend, verließ sie die Grabstätte, ohne ihren furchtbaren Schmuck abzulegen.

V.

Die Purpurmauern.

Als aus dem Munde der Hierodulen das Volk nochmals die Tempelschändung mit Sicherheit erfahren hatte, verlief es sich langsam durch die Gärten.

Die Hetären des Tempels drängten sich zu hunderten längs der mit schwarzen Olivenbäumen bestandenen Wege. Einige streuten Asche auf ihr Haupt. Andere wälzten ihre Stirne in dem Staube, oder rauften sich die Haare aus, oder zerfleischten sich die Brüste zum Zeichen der Trauer. Viele schluchzten, die Augen auf den Arm gedrückt.

Schweigend stieg die Menge in die Stadt hinunter, durch die Strandallee, oder längs des Meeresufers. Ein allgemeines Leid hielt die Bevölkerung der Straßen in Bestürzung. Die Handelsleute hatten in Angst ihre bunten Schaukästen hastig in ihre Buden gezogen, und die mit Stäben befestigten hölzernen Schutzdächer folgten, wie einförmige Palissaden an den Erdgeschoßen der blinden Häuser nacheinander.

Das Leben am Hafen stand stille. Die Matrose saßen unbeweglich auf Ecksteinen, die Wangen auf die Hände gestützt. Die zur Abfahrt bereiten Schiffe hatten ihre langen Ruder in die Höhe gehoben und ihre spitzen Segel längs der vom Winde geschaukelten Masten aufgeien lassen. Diejenigen Schiffe, welche in den Hafen einfahren wollten, erwarteten auf offener See die Zeichen, und einige der Reisenden, die Verwandte im Palaste der Königin hatten, brachten, an eine blutige Revolution glaubend, den Göttern der Unterwelt Opfer dar.

An der Ecke der Insel des Leuchtthurms und des Strandes erkannte Rhodis in der Menge Chrysis, die in ihrer Nähe stand.

– Ach! Chryse! beschütze mich, ich habe Furcht. Myrto ist da, aber die Volksmenge ist so groß … ich fürchte, daß man uns trennt. Nimm uns bei der Hand.

– Du weißt, sagte Myrtocleia, Du weißt was geschehen ist? Kennt man den Schuldigen? Ist er auf der Folter? Seit Herostrates hat man nichts Ähnliches gesehen. Die Olympier verlassen uns. Was wird aus uns werden?

Chrysis antwortete nicht.

»Wir hatten Tauben geopfert, sagte die kleine Flötenspielerin. Wird sich die Göttin daran erinnern? Die Göttin muß erzürnt sein. Und Du, und Du, meine arme Chrysis, die Du heute entweder sehr glücklich, oder sehr mächtig sein solltest …«

– Alles ist geschehen, sagte die Hetäre.

– Was sagst Du?

Chrysis that zwei Schritte rückwärts und hob die rechte Hand an den Mund.

»Schau mir gut zu, meine Rhodis, schau Myrtocleia. Was ihr heute sehen werdet, haben menschliche Augen noch nie gesehen, seit dem Tage wo die Göttin vom Berge Ida herabgestiegen ist. Und bis zum Ende der Welt wird man es nicht mehr auf der Erde sehen.«

Die beiden erstaunten Freundinen traten zurück; sie hielten Jene für toll. Doch Chrysis, in ihrem Traume verloren, schritt bis zum ungeheuren Leuchtthurm hin, zu diesem Marmorberg mit seinen acht Feuerherden in acht sechseckigen Stockwerken. Sie öffnete das eherne Thor, und die Unachtsamkeit der Menge benützend, schloß sie dasselbe, indem sie innen die laut rasselnden Barren herunterließ.

Einige Augenblicke vergingen.

Das Grollen des Volkes dauerte fort. Das lebende Gewoge fügte seine Bewegung dem regelmäßigen Aufruhr der Gewässer hinzu.

Auf einmal erhob sich ein Schrei, den hunderttausend Kehlen wiederholten:

»Aphrodite!!«

– Aphrodite!!!

Ein Donner von Schreien brach los. Die Freude, die Begeisterung eines ganzen Volkes jubelte in einem unbeschreiblichen Freudentumulte zu Füßen der Mauer des Leuchtthurms.

Die Menge, die den Strand bedeckte, strömte plötzlich der Insel zu und überfluthete die Felsen, stieg auf die Häuser, auf die Signalmasten, auf die befestigten Thürme. Die Insel war voll, übervoll und die Menge kam noch immer dichter heran; es war das Drängen eines Flusses, der über seine Ufer getreten und lange Menschenreihen von den steilen Klippen schleudert.

Man sah das Ende dieser Menschen-Ueberschwemmung nicht. Von dem Palaste der Ptolemäer bis zur Mauer des Kanals waren die Ufer des königlichen Hafens, des großen Hafens, des Eunostus mit einer gedrängten Menschenmasse bedeckt, die sich durch neu Ankommende aus den Straßen immer mehr verdichtete. Ueber diesem stürmisch bewegten Ocean von Händen und Gesichtern schwankte wie ein Schiff in der Noth die Sänfte der Königin Berenike mit ihren gelben Vorhängen. Und von Augenblick zu Augenblick vergrößerte sich durch neue Stimmen das furchtbar gewordene Getöse.

Weder Helena am skäischen Thore, noch Phryne in den Fluthen zu Eleusis, noch Thais, als sie den Brand van Persepolis anzünden ließ, haben erfahren, was Triumph bedeutet.

— — — — —

Chrysis war am westlichen Thor erschienen, auf der ersten Terrasse des rothen Monumentalbaues.

Sie war nackt wie die Göttin, sie hielt mit beiden Händen die Zipfel ihres scharlachrothen Schleiers, den der Wind gegen den Abendhimmel blies, und in ihrer rechten Hand den Spiegel, wo die untergehende Sonne widerstrahlte.

Langsam, mit gebeugtem Haupte, in einer Bewegung von unendlichem Reiz und Majestät stieg sie die äußere Rampe empor, welche den hohen purpumen Thurm spiralförmig umgab. Ihre halbgeschlossenen Augen flammten. Die glühende Abendröthe färbte das Perlen-Halsband wie eine Rubinenschnur. Sie stieg immer weiter und in dieser Glorie zeigte ihre strahlende Haut alle Pracht des Fleisches, das Blut, das Feuer, das bläuliche Carmin, das sammtweiche Roth, das lebhafte Rosenroth und sich mit den großen Purpurmauern drehend schritt sie dem Himmel zu.

I.

Die letzte Nacht.

»Du bist von den Göttern geliebt,« sagte der alte Gefängnißwärter. Wenn ich, armer Sklave, den hundertsten Theil Deiner Verbrechen begangen hätte, so wäre ich auf eine Folterbank gebunden worden, an den Beinen aufgehängt, von Hieben zerfleischt, mit Zangen geschunden. Man hätte mir Essig in die Nasenlöcher gegossen, mich bis zum Ersticken mit Ziegeln beladen, und wenn ich vor Schmerz gestorben wäre, würde mein Leichnam schon die Schakale der Wüste nähren. Aber für Dich, die Du Alles gestohlen, Alles getödtet, Alles entheiligt hast, für Dich hat man den süßen Schierlingstrank und einstweilen setzt man Dich in ein gutes Zimmer. Zeus treffe mich mit seinem Blitze, wenn ich weiß warum! Du mußt Jemanden im Palaste kennen.«

– Gib mir Feigen, sagte Chrysis. Mein Mund ist ausgetrocknet.

Der alte Sklave brachte ihr in einem grünen Korbe mürbe Feigen, die zum essen gar waren.

Chrysis blieb allein.

Sie setzte sich und stand wieder auf, sie ging im Zimmer herum, schlug mit der flachen Hand an die Wand, ohne an irgend etwas zu denken. Sie löste ihr Haar, um es zu erfrischen und wand es gleich wieder zusammen.

Man hatte sie ein langes Kleid aus weißer Wolle anlegen lassen. Der Stoff war warm. Chrysis fühlte sich ganz von Schweiß durchnäßt. Sie streckte ihre Arme aus, gähnte und lehnte sich an das hohe Fenster.

Draußen leuchtete der Mond an einem Himmel von fast flüssiger Klarheit, an einem Himmel, der so bleich und so rein war, daß man nicht einen einzigen Stern sah.

Es war in einer ähnlichen Nacht, als Chrysis sieben Jahre vorher das Land von Genezareth verließ.

Sie erinnerte sich … Sie waren ihrer sieben. Es waren Elfenbeinhändler. Sie schmückten die langgeschwänzten Pferde mit buntscheckigen Quasten. Am Ufer einer runden Zisterne hatten sie mit dem Kinde Halt gemacht.

Und vordem der bläuliche See, der durchsichtige Himmel, die leichte Luft im Lande Galilaea.

Die Häuser waren von rosigem Flachs und Tamarisken umgeben. Stachelige Kapernstauden verwundeten die Hände, die im Begriffe waren Nachtfalter zu fangen … Man glaubte die Farbe des Windes in den leichten Wellenbewegungen der feinen Gräser zu sehen.

Die kleinen Mädchen badeten in einem klaren Bache, wo man rothe Muscheln unter den Büscheln blühender Lorbeeren fand; und es gab Blumen auf dem Wasser, Blumen auf allen Wiesen, und große Lilien auf den Bergen, und die Linie der Berge war diejenige eines jungen Busens …

Chrysis schloß die Augen mit einem leichten Lächeln, das plötzlich erlosch. Der Gedanke an den Tod hatte sie ergriffen.

Sie fühlte, daß sie bis an’s Ende nicht mehr aufhören könnte zu denken.

»Ach! sagte sie sich, was habe ich gethan? Warum habe ich diesen Mann getroffen? Warum hat er mir gehorcht? Warum habe ich mich meinerseits fangen lassen? Woher kommt es, daß ich auch jetzt noch nichts bereue?«

»Nicht lieben oder nicht leben: Diese Wahl hat mir Gott gegeben. Was habe ich gethan, um bestraft zu werden?«

Und es kamen ihr Bruchstücke von Bibelsprüchen in Erinnerung, die sie in ihrer Kindheit hatte anführen hören. Seit sieben Jahren dachte sie nicht mehr daran. Aber sie kamen ihr, einer nach dem andern, mit unerbittlicher Genauigkeit in das Gedächtniß zurück, um auf ihr Leben Anwendung zu finden und ihr ihre Strafe vorauszusagen.

Sie murmelte:

»Es steht geschrieben:«

Ich gedenke, da du eine freundliche junge Dirne, und eine liebe Braut warest; da du mir folgtest in der Wüste, im Lande, da man nicht säet.

Denn du hast immerdar dein Joch zerbrochen und deine Bande zerrissen und gesagt: ich will nicht unterworfen sein; sondern auf allen hohen Hügeln und unter allen grünen Bäumen liefest Du der Hurerei nach. Jeremia II, 2, 20.

»Es steht geschrieben:«

Ich will meinen Buhlen nachlaufen, die mir geben Brod, Wasser, Wolle, Flachs und Trinken. Hoseas II, 5.

»Es steht geschrieben:«

Wie darfst du denn sagen: Ich bin nicht unrein? Siehe an, wie du es treibest im Thal, und bedenke, wie du es ausgerichtet hast.

Du läufst herum wie eine Kameelin in der Brunst; und wie ein Wild in der Wüste pflegt, wenn es vor großer Brunst lechzet und läuft, das niemand aufhalten kann. Jeremia II, 23, 24.

»Es steht geschrieben:«

Sie aber trieb ihre Hurerei immer mehr, und gedachte

an die Zeit ihrer Jugend, da sie in Aegyptenland Hurerei getrieben hatte;

Und sie entbrannte gegen ihre Buhlen, welcher Brunst war wie der Esel und der Hengste Brunst.

Und bestelletest deine Unzucht wie in deiner Jugend, da dir in Aegypten deine Brüste begriffen und deine Zitzen betastet wurden. Hesekiel XXIII, 19-21.

»Oh, rief sie aus. Ich bin es! ich bin es!«

»Und es steht ferner geschrieben:«

Du aber hast mit vielen Buhlen gehuret; doch komm wieder zu mir, spricht der Herr. Jeremia III, 1.

»Aber meine Züchtigung steht ebenfalls geschrieben:«

Siehe, ich will deine Buhlen wider dich erwecken, und will sie ringsumher wider dich bringen …

Sie sollen dir Nase und Ohr abschneiden, und was übrig ist, soll durch das Schwert fallen. Hesekiel XXIII, 22, 25.

»Und das noch:«

Es ist um sie geschehen: nackt wird sie weggeführt. Ihre Mägde seufzen wie die Tauben und schlagen sich an die Brust. Nachum III, 8.

»Aber weiß man was die Schrift sagt? fügte sie, um sich zu beruhigen, hinzu. Steht nicht an anderer Stelle geschrieben:«

Und ich will es euch nicht wehren, wenn eure Töchter und Bräute geschändet und zu Huren werden. Hoseas IV, 14.

»Und sagt nicht an anderer Stelle die Schrift:«

So gehe hin und iß dein Brod mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Muth; denn dein Werk gefällt Gott.

Laß deine Kleider immer weiß sein und laß deinem Haupt Salbe nicht mangeln.

Brauche des Lebens mit deinem Weibe, das du lieb hast, so lange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat, so lange dein eitles Leben währet;

… denn in der Hölle, da du hinfahrest, ist weder Werk, Kunst und Vernunft, noch Weisheit. Prediger Salomonis IX, 7, 10.

Sie fing an zu zittern und wiederholte mit leiser Stimme:

»Denn in der Hölle, da du hinfährest, ist weder Werk, Kunst und Vernunft, noch Weisheit.

Es ist das Licht süße und den Augen lieblich die Sonne zu sehen. id. XI, 7.

So freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und laß dein Herz guter Dinge sein in deiner Jugend. Thue was dein Herz gelüstet und deinen Augen gefällt, ehe denn die bösen Tage kommen, und die Jahre herzutreten, da du wirst sagen: sie gefallen mir nicht.

Ehe denn der silberne Strick wegkomme und die goldene Quelle verlaufe, und der Eimer zerbreche am Born.

Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.« Hohe Lied. Sal. XI, 9. XII, 1, 6, 7.

Und mit einem neuen Zittern wiederholte sie langsamer:

»Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist.«

Und während sie den Kopf in die Hände nahm, um ihre Gedanken zu unterdrücken, fühlte sie plötzlich, ohne es vorausgesehen zu haben, die Todtenkopfform ihres Schädels unter der lebenden Haut: die leeren Schläfen, die ungeheuern Augenhöhlen, die stumpfe Nase unter dem Knorpel und die hervortretenden Kinnbacken.

Es war schauerlich! So würde sie also werden. Mit einer furchtbaren Klarheit fühlte sie sich als Leiche, und sie betastete ihren Körper mit den Händen, um diese einfache Idee, die ihr bis dahin noch nicht gekommen war, zu ergründen, – die Idee, daß sie ihr Gerippe in ihrem Körper trug, daß es nicht das Ergebniß des Todes war, eine Metamorphose, ein Ende, sondern ein Ding, das man mit sich herumträgt, ein unzertrennliches Gespenst der menschlichen Gestalt, – und daß das Gerüste des Lebens schon das Sinnbild des Grabes ist.

Ein wildes Verlangen zu leben. Alles wiederzusehen. Alles von Neuem zu beginnen ergriff sie plötzlich. Es war eine Empörung angesichts des Todes; die Unmöglichkeit zuzugeben, daß sie den Abend dieses anbrechenden Morgens nicht sehen würde; die Unmöglichkeit zu begreifen, wie diese Schönheit, dieser Körper, dieser lebendige Gedanke, dieses üppige Leben ihres Fleisches in voller Gluth auf einmal aufhören könnten zu sein, und verfaulen würden …

Die Thüre ging still auf.

Demetrios trat ein.

V.

Die Gekreuzigte.

Alle zusammen wiederholten:

»Aphrodisia hat ihn genommen! Hündin! Sau! Aas! Diebin!«

Ihr Haß gegen die bevorzugte Schwester vergrößerte sich durch ihre persönliche Angst.

Aretias stieß sie mit dem Fuße an die Brust.

– Wo ist er? rief Bacchis. Wo hast Du ihn hingethan?

– Sie hat ihn ihrem Geliebten gegeben.

– Wer ist das?

– Ein opischer Matrose.

– Wo ist sein Schiff?

– Es ist heute Abend nach Rom zurückgesegelt. Du wirst den Spiegel nicht mehr sehen. Sie muß gekreuzigt werden, die Sau, das Ungeheuer!

– Ach! ihr Götter! ihr Götter! weinte Bacchis.

Dann verwandelte sich ihr Schmerz in einen milden Zorn.

Aphrodisia war wieder zum Bewußtsein gekommen, aber durch den Schreck gelähmt und nicht begreifend was vorging, verharrte sie ohne Stimme und ohne Thränen.

Bacchis faßte sie bei den Haaren, schleppte sie auf dem beschmutzten Boden herum, inmitten der Blumen und Weinpfützen und schrie:

»An’s Kreuz! an’s Kreuz! Holt die Nägel! Holt den Hammer!«

– Oh! sagte Seso zu ihrer Nachbarin, das habe ich nie gesehen. Folgen wir ihnen.

Alle folgten sich aneinander drängend. Und auch Chrysis folgte, Chrysis, die allein den Schuldigen kannte und die allein an Allem die Schuld trug.

Bacchis ging gerade auf das Sklavenzimmer zu, ein viereckiger Saal, der mit drei Matratzen ausgestattet war, wo sie zu zwei und zwei schliefen. Im Hintergrunde erhob sich als stets gegenwärtige Drohung ein T-förmiges Kreuz, das bis jetzt noch nicht verwendet worden.

Inmitten des verworrenen Gemurmels der jungen Frauen und Männer hoben vier Sklavinen die Märtyrerin zur Höhe der Arme des Kreuzes empor.

Noch kein Laut war aus ihrem Munde gekommen, als sie aber an ihrem nackten Rücken den kalten, rauhen Stamm fühlte, öffnete sie weit ihre langen Augen und begann ein kurz abgestoßenes Wimmern, das bis zu ihrem Ende nicht mehr aufhörte.

Sie setzten sie rittlings auf einen Holzpfahl, der in der Mitte des Pflockes eingesetzt war, um den Körper zu stützen und das Reißen der Hände zu vermeiden.

Dann that man ihr die Arme auseinander.

Chrysis schaute zu und schwieg. Was konnte sie sagen? Sie hätte die Sklavin nur entlasten können, indem sie Demetrios angeklagt hätte; er war geschützt vor jeder Verfolgung und hätte sich grausam gerächt, dachte sie. Übrigens war eine Sklavin ein Reichthum, und es gefiel Chrysis, daß ihre Feindin im Begriffe war mit eigenen Händen einen Werth von dreitausend Drachmen so vollkommen zu zerstören, als ob sie die Geldstücke in den Eunostus geworfen hätte. Und übrigens, war denn das Leben eines dienenden Wesens werth, daß man sich darum bekümmerte?

Heliope reichte Bacchis den ersten Nagel mit dem Hammer und die Marter begann.

Die Trunkenheit, der Ärger, der Zorn, alle Leidenschaften zusammen, selbst jener Grausamkeitsinstinkt, der im Herzen der Weiber schlummert, bewegten Bacchis‘ Seele in dem Augenblicke, wo sie den ersten Schlag führte und sie stieß einen ebenso durchdringenden Schrei aus, als derjenige Aphrodisia’s war, als sich der Nagel in der offenen Handfläche krümmte.

Sie nagelte die zweite Hand an. Sie nagelte die Füße aufeinander. Dann rief sie, durch die Blutquellen, die den drei Wunden entströmten, aufgestachelt:

»Es ist noch nicht genug! Da hast Du! Diebin! Sau! Matrosendirne!«

Sie zog, eine nach der anderen, die langen Nadeln ihrer Haare heraus und stieß sie heftig in das Fleisch des Busens, des Bauches und der Schenkel. Als sie keine Waffe mehr in den Händen hatte, ohrfeigte sie die Unglückliche und spie ihr auf die Haut.

Sie betrachtete einige Zeit ihr vollendetes Rachewerk, dann kehrte sie mit allen ihren Gästen in den großen Saal zurück.

Phrasilas und Timon allein folgten ihr nicht.

— — — — —

Nach einigen Augenblicken des Sammelns hustete Phrasilas ein wenig, legte seine rechte Hand in die Linke, hob den Kopf in die Höhe, runzelte die Stirne und näherte sich der Gekreuzigten, die unaufhörlich von einem schrecklichen Schauer geschüttelt wurde.

»Obwohl ich bei manchen Gelegenheiten, sagte er ihr, den Theorien, die sich gern absolut nennen, entgegengesetzt bin, kann ich nicht verkennen, daß Du in dem Zustande, in welchem Du Dich befindest, nur gewinnen könntest, wenn Du in ernsthafterer Weise mit den stoischen Maximen vertraut gemacht würdest. Zeno, der nicht in allen Dingen einen von Irrthümern freien Geist besessen zu haben scheint, hat uns einige Sophismen ohne große, allgemeine Tragweite hinterlassen, aus welchen Du aber, in der Absicht Deine letzten Augenblicke zu lindern, Nutzen ziehen könntest. Der Schmerz, sagte er, ist ein sinnloses Wort, weil unser Wille die Unvollkommenheiten unseres vergänglichen Körpers überwindet. Es ist übrigens wahr, daß Zeno im Alter von achtundachtzig Jahren starb, ohne die geringste Krankheit gehabt zu haben, sagen seine Biographen; aber das ist kein Grund, den man gegen ihn einwenden kann, denn aus der Thatsache, daß er eine unverwüstliche Gesundheit zu bewahren wußte, können wir logisch nicht schließen, daß, wenn er krank geworden wäre, es ihm an Charakterstärke gefehlt hätte. Auch wäre es ein Mißbrauch die Philosophen zu zwingen, persönlich die Lebensregeln, welche sie vorschlagen, in Anwendung zu bringen und ohne Unterlaß die Tugenden zu pflegen, welche sie als die höchsten betrachten. Kurzum, und damit ich nicht über die Maßen meine Rede verlängere, so daß sie Gefahr laufen würde länger zu dauern als Du: bemühe Dich Deine Seele, so viel es ihr möglich ist, über Deine körperlichen Leiden zu erheben. So traurig, so grausam sie Dir auch scheinen mögen, ich bitte Dich überzeugt zu sein, daß ich wahrhaft daran Theil nehme. Sie gehen ihrem Ende zu; habe Geduld, vergiß! Die Stunde ist gekommen, wo Du unter den verschiedenen Lehren, die uns die Unsterblichkeit zuerkennen, diejenige wählen kannst, die am besten Dein Bedauern, daß Du verschwindest, einzuschläfern geeignet ist. Wenn diese Lehren die Wahrheit sagen, wirst Du sogar die Schauer des Übergangs erleuchtet haben. Wenn sie lügen, was liegt Dir daran? Du wirst nie wissen, daß Du geirrt hast.«

Als er so gesprochen, ordnete Phrasilas die Falten seines Gewandes auf der Schulter, und zog sich schwankenden Schrittes zurück.

Timon blieb mit der Gekreuzigten, die mit dem Tode rang, allein zurück.

Die Erinnerung einer Nacht, die er auf dem Busen dieser Unglücklichen zugebracht hatte, verließ sein Gedächtniß nicht mehr, mit dem Gedanken vermengt, daß baldige Fäulniß diesen schönen Körper, der in seinen Armen entbrannt war, verunstalten würde.

Er drückte die Hand auf die Augen, um die Gefolterte nicht zu sehen, aber er hörte fortwährend das Zittern des Leibes am Kreuze.

Endlich blickte er auf. Blutige Streifen liefen kreuzweise über ihre Haut, von den Nadeln der Brust bis zu den eingekrümmten Zehen. Fortwährend drehte sich der Kopf. Das ganze Haar hing auf der linken Seite herab, von Blut, Schweiß und Wohlgerüchen benetzt.

»Aphrodisia! hörst Du mich! erkennst Du mich! Ich bin es, Timon, Timon.«

Ein schon fast blinder Blick traf ihn für einen Moment. Aber der Kopf drehte sich immer noch. Der Leib hörte nicht auf zu zittern.

Leise, als ob er gefürchtet hätte, daß das Geräusch seiner Schritte ihr weh thun könnte, trat der Jüngling bis zum Fuße des Kreuzes vor. Er streckte die Arme vorwärts, nahm sorgfältig den kraftlosen und schwankenden Kopf in seine beiden mitleidigen Hände, entfernte andächtig die Haare, welche durch die Thränen an den Wangen klebten und drückte auf die heißen Lippen einen unendlich zärtlichen Kuß.

Aphrodisia schloß die Augen. Erkannte sie Den, der ihr schreckliches Ende durch eine Regung liebevollen Mitleides versüßte? Ein unsagbares Lächeln zog ihre blauen Augenlider in die Länge und in einem Seufzer gab sie den Geist auf.

IV.

Mondschein.

Draußen war die Nacht klar und in den heiligen Räumen war es ganz dunkel. Als er behutsam und leise die allzu geräuschvolle Thür geschlossen hatte, fühlte er sich von einem Schauder erfüllt und gleichsam von der Kälte des Steines umgeben. Er wagte es nicht die Augen in die Höhe zu heben. Dieses finstere Schweigen erschreckte ihn; das Dunkel war wie mit etwas Unbekanntem bevölkert. Er legte die Hand an die Stirne, wie ein Mann, der nicht erwachen will, aus Angst sich lebendig wiederzufinden. Endlich schaute er auf.

Im vollen Lichte des Mondes erschien die Göttin auf einem rosarothen Steinpostamente mit umhängenden Kleinodien beladen. Sie war nackt und geschlechtlich, den Farben der Frau gemäß leicht gefärbt; sie hielt in der einen Hand ihren Spiegel, dessen Griff ein Priapusglied war; die andere Hand schmückte ihre Schönheit mit einem Halsband aus sieben Reihen Perlen. Eine Perle, größer als die anderen, silberschimmernd und von länglicher Form, glänzte zwischen den beiden Brüsten, wie eine nächtliche Mondsichel zwischen zwei runden Wolken. Und es waren echte, heilige Perlen, geboren aus einem Wassertropfen, der in der Muschelschale der Anadyomene gerollt hatte.

Demetrios verlor sich in eine unaussprechliche Anbetung. Er glaubte wahrhaftig, daß Aphrodite selbst vor ihm stehe. Er erkannte sein Werk nicht wieder, so tief war der Abgrund zwischen dem, was es früher war und dem was es seither geworden. Er streckte die Arme vorwärts und murmelte die geheimnißvollen Worte, durch welche man in phrygischen Feierlichkeiten die Göttin anbetet.

Übernatürlich, leuchtend, unantastbar, nackt und rein schwankte die Erscheinung leicht zuckend auf dem Steine. Er heftete die Augen auf sie und fürchtete schon, daß bei der Liebkosung seines Blickes diese schwache Hallucination sich in der Luft verflüchtigen könnte. Sehr leise rückte er vor, berührte mit dem Finger die rosigen Zehen, als wollte er sich des Vorhandenseins der Statue versichern, und da er nicht im Stande war einzuhalten, so sehr zog sie ihn an, stieg er aufrecht stehend neben sie und legte, ihr in die Augen schauend, die Hände auf die weißen Schultern.

Er zitterte, er wurde schwach, er begann vor Freude zu lachen. Seine Hände irrten auf den nackten Armen herum, preßten die kalte und harte Taille, tasteten die Beine entlang, liebkoseten die Wölbung des Bauches. Mit seiner ganzen Kraft streckte er sich an dieser Unsterblichkeit empor. Er beschaute sein Bild im Spiegel, hob das Perlenhalsband, nahm es herunter, ließ es im Mondscheine blitzen, und hängte es ihr ängstlich wieder um. Er küßte die zurückgebeugte Hand, den runden Hals, den wogenden Busen, den halbgeöffneten Mund des Marmors. Dann trat er bis zum Rande des Postaments zurück und sich an den göttlichen Armen festhaltend, betrachtete er zärtlich den anbetungswürdigen, vorgebeugten Kopf.

Die Haare waren auf orientalische Art angeordnet und verdeckten leicht die Stirne. Die halbgeschlossenen Augen verlängerten sich in einem Lächeln. Die Lippen blieben geöffnet, wie in einem Kusse vergehend.

Stillschweigend ordnete er die sieben Perlenreihen auf der blendenden Brust und stieg zu Boden, um das Idol aus größerer Entfernung zu sehen.

Dann kam es ihm vor, als erwache er. Er erinnerte sich, weßhalb er hierher gekommen war, was er gewollt und beinahe vollbracht hatte: eine gräßliche That. Er fühlte, daß er bis zu den Schläfen erröthete.

Die Erinnerung an Chrysis zog an seinem Gedächtniß vorüber wie eine plumpe Erscheinung. Er zählte Alles, was in der Schönheit der Hetäre zweifelhaft blieb, auf: die dicken Lippen, die schwellenden Haare, den weichen Gang. Wie die Hände waren; hatte er vergessen; aber er stellte sich dieselben breit vor, um dem Bilde, das er von sich wies, einen widerwärtigen Zug hinzuzufügen. Sein Gemüthszustand wurde demjenigen eines Mannes ähnlich, der bei Tagesanbruch von seiner einzigen Maitresse im Bette einer niedrigen Dirne ertappt wird, und der sich selbst nicht erklären kann, wie er sich am Tage zuvor habe verführen lassen. Er konnte weder eine Entschuldigung, noch einen ernsten Grund finden. Es war klar, daß er während eines Tages eine Art vorübergehender Tollheit erduldet hatte, eine physische Störung, eine Krankheit. Er fühlte sich geheilt, aber von seiner Verblendung noch ganz trunken.

Um vollständig zu sich zu kommen, lehnte er sich an die Wand des Tempels, und blieb lange vor der Statue stehen. Das Mondlicht schien immer noch durch die viereckige Öffnung des Daches hernieder; Aphrodite strahlte, und, da die Augen im Schatten waren, suchte er ihre Blicke …

So ging die ganze Nacht vorüber. Dann kam der Tag und die Statue nahm nach einander die vorige Blässe der Morgendämmerung und den goldenen Schein der Sonne an.

Demetrios hatte keine Gedanken mehr. Der Elfenbeinkamm und der Silberspiegel, die er in seinem Kleide trug, waren seiner Erinnerung entschwunden. Er gab sich sanft der heiteren Betrachtung hin.

Draußen im Garten gab es einen Lärm von Vogelgezwitscher, von Rauschen, Pfeifen und Singen. Man hörte Stimmen von Frauen, die am Fuße der Mauer redeten und lachten. Die Bewegung des Morgens stieg aus der erwachten Erde herauf. Demetrios empfand nur glückselige Gefühle.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel und der Schatten des Daches war weitergerückt, als er ein undeutliches Geräusch von leichten Schritten von den äußeren Stufen her vernahm.

Wahrscheinlich wollte man der Göttin ein Opfer darbringen; ein Zug junger Frauen, welche kamen, um Gelübde zu erfüllen oder solche für den ersten Tag der aphrodisischen Feste vor der Statue der Göttin abzulegen.

Demetrios wollte fliehen.

Das heilige Postament war rückwärts auf eine Art zu öffnen, welche die Priester allein und der Bildhauer kannten. Hier verbarg sich der Hierophant, um einem jungen Mädchen, dessen Stimme hell und laut war, die wunderbaren Reden, welche am dritten Festtage aus der Statue kamen, zu dictiren. Von da aus konnte man die Gärten erreichen. Demetrios drang hinein und blieb vor den mit Bronze beschlagenen Oeffnungen stehen, welche durch den tiefen Stein gingen.

Schwer öffneten sich die beiden goldenen Thüren. Dann trat der Festzug ein.

V.

Die Einladung.

Gegen die Mitte der Nacht wurde Chrysis durch ein dreimaliges Klopfen an die Thür geweckt.

Sie hatte den ganzen Tag zwischen den beiden Epheserinen geschlafen, und ohne die Unordnung ihres Bettes hätte man sie für drei nebeneinander liegende Schwestern halten können. Rhodis lag an die Galilaeerin gepreßt, deren schweißbedeckter Schenkel auf ihr lastete. Myrtocleia schlief auf dem Bauche liegend, die Augen auf dem Arm, mit nacktem Rücken.

Behutsam machte sich Chrysis los, sie that drei Schritte auf dem Bette, stieg herunter und öffnete halb die Thür.

Man hörte Stimmen im Hausflur.

»Wer ist da, Djala? wer ist da?« fragte sie.

– Es ist Naukrates, der mit Dir sprechen will. Ich sage ihm, daß Du nicht frei bist.

– Doch, doch! welche Dummheit! gewiß bin ich frei! Tritt ein, Naukrates. Ich bin in meinem Gemache.

Und sie legte sich wieder auf das Bett.

Naukrates blieb eine Weile auf der Schwelle stehen, als ob er fürchtete zudringlich zu sein. Die beiden Musikspielerinen öffneten ihre schlaftrunkenen Augen und konnten sich ihren Träumen nicht entreißen.

»Setze Dich,« sagte Chrysis. »Zwischen uns ist jede Ziererei unnöthig. Ich weiß, daß Du nicht meinethalben kommst. Was willst Du von mir?«

Naukrates war ein bekannter Philosoph, der seit mehr als zwanzig Jahren Bacchis‘ Geliebter war und der sie nicht betrog, mehr aus Gleichgültigkeit, denn aus Treue. Sein graues Haar war kurz geschnitten, sein Bart spitz nach der Art des Demosthenes und sein Schnurbart erreichte nur den Saum der Lippen. Er trug ein großes, weißes Kleid aus einfach gestreifter Wolle.

»Ich komme um Dich einzuladen, sagte er. Bacchis giebt morgen ein Mahl, welchem ein Fest folgen soll. Mit Dir werden wir unser sieben sein. Komme sicher.

– Ein Fest? Aus welchem Anlasse?

– Sie befreit ihre schönste Sklavin Aphrodisia. Es werden Tänzerinen und Flötenspielerinen kommen. Ich glaube, Deine beiden Freundinen sind bestellt, und bin erstaunt, sie jetzt hier zu sehen. Es ist augenblicklich Probe bei Bacchis.

– Oh! es ist wahr, rief Rhodis aus, wir dachten nicht mehr daran. Auf, Myrto, wir haben uns sehr verspätet!

Doch Chrysis that Einsprache.

»Nein! noch nicht! wie böse Du bist, mir meine Frauen wegzunehmen. Wenn ich das vermuthet hätte, so hätte ich Dich nicht empfangen. Siehe, sie sind schon bereit.«

– Unsere Kleidung ist sehr einfach, sagte das Kind. Und wir sind nicht schön genug, um uns lange bei dem Ankleiden aufzuhalten.

– Werde ich Euch wenigstens im Tempel sehen?

– Ja. Morgen früh tragen wir Tauben dahin. Ich nehme eine Drachme aus Deiner Börse, Chrysis. Wir wären sonst nicht im Stande sie zu kaufen. Also auf morgen.

Und sie eilten von dannen. Naukrates schaute einige Zeit auf die Thür, die sie hinter sich geschlossen hatten; dann kreuzte er die Arme und sagte mit leiser Stimme, indem er sich zu Chrysis wandte:

»Recht so. Du führst Dich gut auf!«

– Wieso?

– Eine genügt Dir nicht mehr. Jetzt mußt Du deren zwei haben. Du suchst sie schon auf der Straße. Das ist ein schönes Beispiel. Aber, wenn es so zugeht, was wird dann uns Männern übrig bleiben? Ihr alle habt Freundinen und wenn ihr aus ihren ermüdenden Armen kommt, gebt ihr uns von eurer Leidenschaft nur noch so viel als Jene übrig ließen. Glaubst Du, daß das lange so dauern kann? Wenn das so fort geht, werden wir gezwungen sein Knaben aufzusuchen…

– Ah! das nicht, rief Chrysis aus. Das werde ich nie zugeben! Ich weiß es wohl, man macht diesen Vergleich. Es hat aber keinen Sinn; und ich bin erstaunt, daß Du, der Du den Beruf eines Denkers hast, nicht begreifst, daß dieser Vergleich unsinnig ist.

– Und welchen Unterschied findest Du da?

– Es handelt sich nicht um einen Unterschied. Es besteht zwischen den beiden Sachen gar keine Beziehung; das ist klar.

– Ich sage nicht, daß Du irrst. Ich will Deine Gründe kennen.

– Oh! Das ist in zwei Worten gesagt; höre gut zu. Das Weib ist für die Liebe ein vollkommenes Instrument. Vom Kopfe bis zu den Füßen ist sie einzig und wunderbar für die Liebe geschaffen. Sie allein versteht es zu lieben. Sie allein versteht es geliebt zu werden. Folglich: wenn ein verliebtes Paar aus zwei Frauen besteht, so ist es vollkommen; wenn nur eine dabei ist, so ist es um die Hälfte weniger gut; wenn gar keine dabei ist, so ist es ganz einfach blöd. Ich habe gesprochen.

– Du bist hart für Plato, meine Tochter.

– Ebenso wenig wie die Götter sind die großen Männer unter allen Umständen groß. Pallas versteht nichts vom Handel, Sophokles konnte nicht malen, Plato verstand nicht zu lieben. Jene Philosophen, Dichter, Redner, welche sich auf ihn berufen, taugen nicht mehr als er, und so bewunderungswürdig sie auch in ihrer Kunst sein mögen, in der Liebe sind sie Ignoranten. Glaube es mir, Naukrates, ich fühle, daß ich Recht habe.

Der Philosoph machte eine Bewegung.

»Du bist ein wenig unehrerbietig, sagte er; aber ich glaube keineswegs, daß Du Unrecht habest. Meine Entrüstung ist keine wirkliche. Es liegt etwas Reizendes in der Verbindung zweier jungen Frauen, unter der Bedingung, daß sie beide weiblich bleiben, ihre langen Haare behalten und ihre Brüste entblößen wollen und sich nicht mit nachgeahmten Werkzeugen ausrüsten, wie wenn sie, in ihrer Inkonsequenz das plumpe Geschlecht, das sie so hübsch verachten, beneiden würden. Ja, ihr Verhältniß ist merkwürdig, weil ihre Liebkosungen rein oberflächlich sind, und ihre Sinnenlust um so raffinirter. Sie umschlingen sich nicht, sie berühren sich nur leicht, um die höchste Freude zu genießen. Ihre Brautnacht ist nicht blutig. Es sind Jungfrauen, Chrysis. Sie kennen die brutale That nicht; darin sind sie der Knabenliebe überlegen. Die menschliche Liebe unterscheidet sich von der blöden Brunst der Thiere nur durch zwei göttliche Funktionen: durch die Liebkosung und den Kuß. Und es sind die einzigen, welche die Weiber, von denen wir hier sprechen, kennen. Sie haben sie sogar vervollkommnet.«

– Auf das Höchste, sagte Chrysis. Aber was wirfst Du mir dann vor?

– Ich werfe Dir vor, daß ihr schon hunderttausend seid in eurer Art. Es gibt schon eine große Zahl von Frauen, welche ein vollkommenes Vergnügen nur mit ihrem eigenen Geschlechte haben. Bald werdet ihr uns nicht empfangen wollen, selbst nicht als Nothbehelf. Aus Eifersucht schelte ich Dich.

Hier fand Naukrates, daß das Gespräch lange genug gedauert hatte und stand einfach auf.

»Ich kann Bacchis sagen, daß sie auf Dich zählen darf?« sagte er.

– Ich werde kommen, antwortete Chrysis.

Der Philosoph küßte ihre Kniee und ging langsam hinaus.

— — — — —

Chrysis faltete die Hände und begann laut zu sprechen, obwohl sie allein war.

»Bacchis … Bacchis … er kommt aus ihrem Hause und weiß nichts! … Ist der Spiegel denn immer noch dort? … Demetrios hat mich vergessen … Wenn er am ersten Tage geschwankt hat, bin ich verloren, dann wird er Nichts thun… Aber es ist möglich, daß doch Alles geschehen ist! Bacchis hat andere Spiegel, deren sie sich öfter bedient. Wahrscheinlich weiß sie noch nicht … Götter! Ihr Götter! Gibt es kein Mittel Nachrichten zu erhalten? und vielleicht … Ah! Djala! Djala!«

Die Sklavin trat ein.

»Gieb mir mein Knöchelspiel«, sagte Chrysis. »Ich will würfeln.«

Und sie warf die vier Knöchel in die Höhe …

»Oh! … Oh! Djala, schau her! Der Wurf der Aphrodite!«

Man nannte so einen ziemlich seltenen Wurf, durch welchen jedes Knöchel eine andere Seite zeigte. Es gab genau fünfunddreißig Fälle gegen einen, daß diese Zusammenstellung sich nicht bilde. Es war der beste Wurf des Spieles.

Djala bemerkte kalt:

»Was hattest Du gewünscht?«

– Es ist wahr, sagte Chrysis enttäuscht. Ich hatte vergessen einen Wunsch zu fassen. Ich habe wohl an Etwas gedacht, aber ich habe Nichts gesagt. Zählt es dennoch?

– Ich glaube nicht; Du mußt von Neuem beginnen.

Ein zweites Mal warf Chrysis die Knöchel.

»Jetzt ist es der Wurf des Midas. Was denkst Du davon?

– Man weiß nicht, es kann gut sein und kann schlecht sein. Es ist ein Wurf, der sich durch den folgenden erklärt. Beginne mit einem einzigen Würfel von Neuem.

Zum dritten Mal befragte Chrysis das Spiel; aber als das Knöchel zurückgefallen war, sagte sie bestürzt:

»Da … der Wurf von Chios!«

Und sie begann zu schluchzen.

Djala sagte nichts, sie selbst war unruhig. Chrysis weinte auf dem Bette, die Haare um den Kopf verstreut. Endlich drehte sie sich in einem Zornanfalle zurück.

»Warum hast Du mich von Neuem beginnen heißen? Ich bin sicher, daß der erste Wurf gegolten hat.

– Wenn Du einen Wunsch hattest, ja. Wenn nicht, nicht. Du allein weißt es, sagte Djala.

– Übrigens beweisen die Knöchel nichts. Es ist ein griechisches Spiel. Ich glaube nicht daran. Ich will etwas Anderes versuchen.

Sie trocknete ihre Thränen und ging durch das Gemach. Sie nahm von einem Tischchen eine Schachtel mit weißen Spielmarken, zählte deren zweiundzwanzig ab und grub mit einer Perlenspange nach einander die zweiundzwanzig Buchstaben des hebräischen Alphabets hinein. Es waren die Arkana (Geheimmittel) der Kabbala, welche sie in Galilaea gelernt hatte.

»Dazu habe ich Vertrauen. Das täuscht nicht, sagte sie. Hebe den Zipfel Deines Kleides auf, er wird mir als Sack dienen.«

Sie warf die zweiundzwanzig Spielmarken in die Tunika der Sklavin und wiederholte in Gedanken:

»Werde ich das Halsband der Aphrodite tragen? Werde ich das Halsband der Aphrodite tragen? Werde ich das Halsband der Aphrodite tragen?«

Sie zog das zehnte Arkanum, welches genau besagen wollte:

»Ja.«

VI.

Die Rose der Chrysis.

Es war ein Festzug in allen Farben: weiß, blau, gelb, rosig und grün.

Dreißig Hetären kamen heran, Blumenkörbe, schneeweiße Tauben mit rothen Füßen, leichte hellblaue Schleier und kostbaren Schmuck tragend.

Ein alter, weißbärtiger Priester, bis über den Kopf in einen steifen, rauhen Stoff gehüllt, schritt an der Spitze des Zuges und führte die Reihe der andächtig Gebeugten zum steinernen Altar.

Sie sangen und ihr Gesang zog sich wie das Meer in die Länge, seufzte wie der Südwind, keuchte wie ein verliebter Mund. Die zwei Ersten trugen Harfen, welche sie mit ihrer flachen linken Hand stützten, daß sie wie dünne Holzsicheln sich vorwärts neigten.

*

Eine der beiden trat vor und sprach:

»Tryphaera, oh geliebte Kypris, bietet Dir diesen blauen Schleier an, den sie selbst gesponnen hat, auf daß Du fortfahren mögest, ihr hold zu sein.«

*

Eine Andere:

»Mousarion legt zu Deinen Füßen, oh Göttin mit dem schönen Kranze, diesen Levkojenkranz und diesen Strauß von Narzissen nieder. Sie hat sie im Gelage getragen und Deinen Namen in der Trunkenheit ihres Duftes angerufen. Oh Siegreiche, nimm diese Liebesbeute an.«

*

Wieder eine Andere:

»Dir, oh goldene Kytherea, weiht Timo dieses Spiralen-Armband. Mögest Du die Rache um die Brust deren, die Du kennst, winden, wie sich diese Silberschlangen um ihre nackten Arme gewunden haben.«

*

Myrtocleia und Rhodis traten, sich bei der Hand haltend, vor.

»Hier sind zwei Tauben aus Smyrna. Ihre Flügel sind weiß wie Liebkosungen, ihre Füße roth wie Küsse. Oh, zweifache Göttin aus Anathont, nimm sie aus unseren vereinten Händen an, wenn es wahr ist, daß der weichliche Adonis Dir nicht immer genügt und daß eine noch süßere Umschlingung manchmal Deinen Schlaf verzögert.«

*

Dann kam eine ganz junge Hetäre:

»Aphrodite Peribasia, empfange meine Jungferschaft mit diesem mit Blut befleckten Kleide. Ich bin Pannychis von Pharos; seit der letzten Nacht habe ich mich Dir geweiht.«

*

Eine Andere:

»Dorothea beschwört Dich, oh mildthätige Epistrophia, aus ihrem Geiste das Verlangen, das Eros hineingelegt hat, zu entfernen, oder endlich für sie die Augen dessen zu entflammen, der sich noch immer weigert. Sie bietet Dir diesen Myrthenzweig an, weil es Dein Lieblingsbaum ist.«

*

Eine Andere:

»Auf Deinen Altar, oh Paphia, legt Callistion, sechzig Drachmen Silber nieder; es ist der Rest von vier Minen, die sie von Cleomenes erhalten hat. Gieb ihr einen noch freigebigeren Geliebten, wenn Dir die Spende willkommen.«

— — — — —

Vor dem Götterbilde stand nur noch ein erröthendes Kind, das sich zuletzt aufgestellt hatte. Sie hielt nur einen kleinen Krokuskranz in der Hand und wegen dieser geringen Gabe verachtete sie der Priester.

Sie sprach:

»Ich bin nicht reich genug, um Dir Silberstücke zu geben, oh herrliche Olympierin. Übrigens, was könnte ich Dir geben, das Du nicht schon hattest? Hier sind gelbe und grüne Blumen, die ich für Deine Füße in einen Kranz geflochten habe. Und nun …«

Sie löste die zwei Schnallen ihres Kleides und als der Stoff zur Erde gefallen war, blieb sie nackt da stehen.

»… Hier bin ich ganz Dein, geliebte Göttin. Ich möchte in Deine Gärten eintreten und als Hetäre des Tempels sterben. Ich schwöre nur die Liebe zu verlangen, ich schwöre nur die Liebe zu lieben und ich entsage der Welt und gebe mich Dir hin.«

— — — — —

Nun bedeckte der Priester sie mit Wohlgerüchen und hüllte ihre Nacktheit in den von Tryphaera gewirkten Schleier. Durch die Gartenthür verliehen sie zusammen den Tempel.

Der Festzug schien beendet zu sein, und die anderen Hetären waren im Begriffe umzukehren, als man eine letzte Frau verspätet auf der Schwelle erscheinen sah.

Diese hatte nichts in der Hand und man konnte glauben, daß auch sie nur ihre Schönheit anbieten wollte. Ihre Haare schienen zwei Goldmassen zu sein, zwei tiefe, schattige Wogen, unter welchen die Ohren verschwanden und die in Windungen auf dem Nacken lagen. Die Nase war fein und die ausdrucksvollen Nasenlöcher zuckten manchmal über einem vollen, bemalten Munde mit abgerundeten und beweglichen Ecken. Die weiche Linie ihres Körpers wiegte sich bei jedem Schritte und wurde durch das Schaukeln der Hüften und die Schwingungen der freien Brüste unter der biegsamen Taille belebt.

Ihre Augen waren außerordentlich, blau aber dunkel und glänzend zugleich, schillernd wie Mondsteine, halbgeschlossen unter den liegenden Augenwimpern.

Diese Augen blickten wie die Sirenen singen …

Der Priester wandte sich zu ihr und harrte ihrer Worte.

Sie sagte:

*

»Chrysis, oh Chryseia, fleht Dich an. Nimm die geringen Gaben an, die sie Dir zu Füßen legt. Höre, erhöre, liebe und tröste die, welche nach Deinem Beispiele lebt, und zur Heiligung Deines Namens.«

*

Sie hielt ihre mit Ringen geschmückten Hände vor und beugte sich mit festgeschlossenen Beinen.

Der Gesang begann von Neuem. Das Gemurmel der Harfen stieg mit dem Dampfe des Weihrauchs empor, den der Priester in einer zitternden Räucherpfanne angezündet hatte.

Langsam richtete sie sich auf und überreichte einen Bronze-Spiegel, der an ihrem Gürtel hing.

*

»Dir, sagte sie, Astarte der Nacht, die Du Hände und Lippen mengst, und deren Sinnbild der Spur des Rehes in der bleichen Erde Syriens gleicht, Dir weiht Chrysis ihren Spiegel. Er hat die Ringe der Augenlider gesehen, den Glanz der Augen nach der Liebe, die durch den Schweiß des Kampfes an die Schläfen geklebten Haare, oh Kämpferin mit den gierigen Händen, welche Körper und Lippen menget.«

*

Der Priester legte den Spiegel zu Füßen der Statue nieder. Chrysis zog aus ihrem goldenen Haarknoten einen langen Kamm aus rothem Kupfer, dem geweihten Metall der Göttin.

*

»Dir, Anadyomene, sagte sie, die Du aus der blutigen Morgenröthe und aus dem schäumigen Lächeln des Meeres geboren wurdest. Dir, perlentriefende Nacktheit, die ihr nasses Haar mit grünen Algen zusammen band. Dir weiht Chrysis ihren Kamm. Er hat in ihrem, durch Deine Bewegungen zerstreuten Haare gesteckt, oh wüthende, keuchende Adonierin, die Du die Krümmung der Lenden höhlst und die steifen Kniee zusammenziehst.«

*

Sie gab dem Greise den Kamm und neigte den Kopf nach rechts, um ihr Smaragd-Halsband loszumachen.

*

»Dir, sagte sie. Dir oh Hetäre, die Du die Röthe der schamhaften Jungfrauen zerstreust und das unkeusche Lachen räthst. Dir, der zu Liebe wir die strömende Liebe unseres Schoßes feilbieten, Dir weiht Chrysis ihr Halsband. Es wurde ihr von einem Manne, dessen Namen sie nicht kennt, als Entlohnung gegeben und jeder Smaragdstein ist ein Kuß, in dem Du einen Augenblick gelebt hast.«

— — — — —

Sie beugte sich zum letzten Male und noch länger, legte das Halsband in die Hand des Priesters und machte einen Schritt, um sich zu entfernen.

Der Priester hielt sie zurück.

»Was verlangst Du von der Göttin für Dein kostbares Geschenk?«

»Ich verlange nichts.«

Dann ging sie den Zug entlang, stahl eine Rose aus einem Korbe und nahm sie, während sie hinausging, in den Mund.

Alle Frauen folgten, eine nach der anderen. Die Thüre des nunmehr leeren Tempels wurde geschlossen.

— — — — —

Demetrios blieb allein im Bronzesockel der Statue verborgen.

Er hatte keine Bewegung, kein Wort dieser ganzen Szene verloren und, als Alles zu Ende war, verharrte er lange, ohne sich zu rühren, von Neuem gequält, leidenschaftlich erregt, unschlüssig.

Er glaubte sich von seiner gestrigen Tollheit völlig geheilt und er hatte nicht gedacht, daß ihn fortan Etwas zum zweiten Male in den glühenden Schatten dieser Unbekannten schleudern könnte.

Aber er hatte ohne sie gerechnet.

Frauen! oh ihr Frauen! wenn ihr geliebt werden wollt, zeigt euch, kommt zurück, seiet da! Die Erregung, die er beim Eintritt der Hetäre gefühlt hatte, war so vollständig und so gewaltig, daß nicht mehr daran zu denken war, sie durch eine Willens-Anstrengung zu bekämpfen. Demetrios war gebunden, wie ein Barbarer-Sklave an einen Triumphwagen. Es wäre ein Wahn gewesen entrinnen zu wollen. Ohne es zu wissen und in ganz natürlicher Weise hatte sie ihn in Besitz genommen.

Er hatte sie schon aus einer großen Entfernung kommen sehen, denn sie trug denselben gelben Stoff, den sie am Strande getragen hatte. Sie ging langsamen Schrittes, sich weich in den Hüften wiegend. Sie war gerade auf ihn zugekommen, als ob sie seine Gegenwart hinter dem Steine errathen hätte.

Vom ersten Augenblicke an begriff er, daß er ihr wieder zu Füßen fiel. Als sie den Bronzespiegel aus ihrem Gürtel zog, betrachtete sie sich, bevor sie ihn dem Priester gab, einige Augenblicke darin, und der Glanz ihrer Augen wurde verblüffend. Als sie, um ihren kupfernen Kamm zu nehmen, die Hand auf den Kopf legte und dabei nach der Bewegung der Charitinen, ihren gebogenen Arm emporhob, entwickelte sich unter dem Stoffe die ganze schöne Linie ihres Körpers, und die Sonne beleuchtete in der Achselhöhle einen Thau glänzenden und kleintröpfigen Schweißes. Und als sie endlich, um ihr Halsband aus schweren Smaragdsteinen loszumachen, die gefältelte Seide, welche ihre Brust verhüllte, bis zu dem süßen, schattigen Zwischenraume, wo man nur einen Blumenstrauß verbergen kann, entfernte, fühlte sich Demetrios von einem solchen Wahnsinn ergriffen, die Lippen an jene Stelle zu pressen und das ganze Kleid herunter zu reißen … Doch schon begann Chrysis zu sprechen.

Sie sprach und jedes ihrer Worte war für ihn ein Leid. Mit Vergnügen schien sie bei der Prostitution dieses Gefäßes der Schönheit, das sie war, zu verweilen, weiß wie die Statue selbst und voll des Goldes, das von ihrem Haare rieselte. Sie sprach von ihrer dem Zeitvertreib der Vorbeigehenden geöffneten Thür, von der Betrachtung ihres den Unwürdigen preisgegebenen Körpers, von der feilen Müdigkeit ihrer Augen, von ihren für eine Nacht vermietheten Lippen, von ihrem Haar, das sie brutalen Händen anvertraute, von ihrer der rohen Plackerei ausgesetzten göttlichen Schönheit.

Die außerordentliche Leichtigkeit, mit welcher man ihr nahen konnte, neigte Demetrios noch mehr zu ihr, entschlossen wie er war, sie für sich allein zu gewinnen, und die Thür hinter sich zu schließen. So sehr ist es wahr, daß eine Frau nur dann voll und ganz bezaubernd ist, wenn man Ursache hat ihrethalben eifersüchtig zu sein.

Als Chrysis nun zur Stadt zurückkehrte, nachdem sie der Göttin ihr grünes Halsband im Tausch für das erhoffte gegeben hatte, – nahm sie einen menschlichen Willen in ihrem Munde mit, wie die kleine gestohlene Rose, an deren Stengel sie nagte.

Demetrios wartete, bis er im Raume allein war, dann trat er aus seinem Versteck hervor.

Zögernd blickte er auf die Statue, eines inneren Kampfes gewärtig. Aber da es ihm nicht möglich war, nach so kurzer Zwischenzeit eine sehr starke Gemüthsbewegung zu erneuern, ward er merkwürdig ruhig, frei von vorzeitigen Gewissensbissen.

Sorglos stieg er die Stufen zu dem Standbilds hinan, nahm von dem gebeugten Nacken das Halsband aus den wahren Perlen Anadyomenes und ließ es in sein Gewand gleiten.