Die Rose der Chrysis.

Es war ein Festzug in allen Farben: weiß, blau, gelb, rosig und grün.

Dreißig Hetären kamen heran, Blumenkörbe, schneeweiße Tauben mit rothen Füßen, leichte hellblaue Schleier und kostbaren Schmuck tragend.

Ein alter, weißbärtiger Priester, bis über den Kopf in einen steifen, rauhen Stoff gehüllt, schritt an der Spitze des Zuges und führte die Reihe der andächtig Gebeugten zum steinernen Altar.

Sie sangen und ihr Gesang zog sich wie das Meer in die Länge, seufzte wie der Südwind, keuchte wie ein verliebter Mund. Die zwei Ersten trugen Harfen, welche sie mit ihrer flachen linken Hand stützten, daß sie wie dünne Holzsicheln sich vorwärts neigten.

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Eine der beiden trat vor und sprach:

»Tryphaera, oh geliebte Kypris, bietet Dir diesen blauen Schleier an, den sie selbst gesponnen hat, auf daß Du fortfahren mögest, ihr hold zu sein.«

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Eine Andere:

»Mousarion legt zu Deinen Füßen, oh Göttin mit dem schönen Kranze, diesen Levkojenkranz und diesen Strauß von Narzissen nieder. Sie hat sie im Gelage getragen und Deinen Namen in der Trunkenheit ihres Duftes angerufen. Oh Siegreiche, nimm diese Liebesbeute an.«

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Wieder eine Andere:

»Dir, oh goldene Kytherea, weiht Timo dieses Spiralen-Armband. Mögest Du die Rache um die Brust deren, die Du kennst, winden, wie sich diese Silberschlangen um ihre nackten Arme gewunden haben.«

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Myrtocleia und Rhodis traten, sich bei der Hand haltend, vor.

»Hier sind zwei Tauben aus Smyrna. Ihre Flügel sind weiß wie Liebkosungen, ihre Füße roth wie Küsse. Oh, zweifache Göttin aus Anathont, nimm sie aus unseren vereinten Händen an, wenn es wahr ist, daß der weichliche Adonis Dir nicht immer genügt und daß eine noch süßere Umschlingung manchmal Deinen Schlaf verzögert.«

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Dann kam eine ganz junge Hetäre:

»Aphrodite Peribasia, empfange meine Jungferschaft mit diesem mit Blut befleckten Kleide. Ich bin Pannychis von Pharos; seit der letzten Nacht habe ich mich Dir geweiht.«

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Eine Andere:

»Dorothea beschwört Dich, oh mildthätige Epistrophia, aus ihrem Geiste das Verlangen, das Eros hineingelegt hat, zu entfernen, oder endlich für sie die Augen dessen zu entflammen, der sich noch immer weigert. Sie bietet Dir diesen Myrthenzweig an, weil es Dein Lieblingsbaum ist.«

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Eine Andere:

»Auf Deinen Altar, oh Paphia, legt Callistion, sechzig Drachmen Silber nieder; es ist der Rest von vier Minen, die sie von Cleomenes erhalten hat. Gieb ihr einen noch freigebigeren Geliebten, wenn Dir die Spende willkommen.«

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Vor dem Götterbilde stand nur noch ein erröthendes Kind, das sich zuletzt aufgestellt hatte. Sie hielt nur einen kleinen Krokuskranz in der Hand und wegen dieser geringen Gabe verachtete sie der Priester.

Sie sprach:

»Ich bin nicht reich genug, um Dir Silberstücke zu geben, oh herrliche Olympierin. Übrigens, was könnte ich Dir geben, das Du nicht schon hattest? Hier sind gelbe und grüne Blumen, die ich für Deine Füße in einen Kranz geflochten habe. Und nun …«

Sie löste die zwei Schnallen ihres Kleides und als der Stoff zur Erde gefallen war, blieb sie nackt da stehen.

»… Hier bin ich ganz Dein, geliebte Göttin. Ich möchte in Deine Gärten eintreten und als Hetäre des Tempels sterben. Ich schwöre nur die Liebe zu verlangen, ich schwöre nur die Liebe zu lieben und ich entsage der Welt und gebe mich Dir hin.«

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Nun bedeckte der Priester sie mit Wohlgerüchen und hüllte ihre Nacktheit in den von Tryphaera gewirkten Schleier. Durch die Gartenthür verliehen sie zusammen den Tempel.

Der Festzug schien beendet zu sein, und die anderen Hetären waren im Begriffe umzukehren, als man eine letzte Frau verspätet auf der Schwelle erscheinen sah.

Diese hatte nichts in der Hand und man konnte glauben, daß auch sie nur ihre Schönheit anbieten wollte. Ihre Haare schienen zwei Goldmassen zu sein, zwei tiefe, schattige Wogen, unter welchen die Ohren verschwanden und die in Windungen auf dem Nacken lagen. Die Nase war fein und die ausdrucksvollen Nasenlöcher zuckten manchmal über einem vollen, bemalten Munde mit abgerundeten und beweglichen Ecken. Die weiche Linie ihres Körpers wiegte sich bei jedem Schritte und wurde durch das Schaukeln der Hüften und die Schwingungen der freien Brüste unter der biegsamen Taille belebt.

Ihre Augen waren außerordentlich, blau aber dunkel und glänzend zugleich, schillernd wie Mondsteine, halbgeschlossen unter den liegenden Augenwimpern.

Diese Augen blickten wie die Sirenen singen …

Der Priester wandte sich zu ihr und harrte ihrer Worte.

Sie sagte:

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»Chrysis, oh Chryseia, fleht Dich an. Nimm die geringen Gaben an, die sie Dir zu Füßen legt. Höre, erhöre, liebe und tröste die, welche nach Deinem Beispiele lebt, und zur Heiligung Deines Namens.«

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Sie hielt ihre mit Ringen geschmückten Hände vor und beugte sich mit festgeschlossenen Beinen.

Der Gesang begann von Neuem. Das Gemurmel der Harfen stieg mit dem Dampfe des Weihrauchs empor, den der Priester in einer zitternden Räucherpfanne angezündet hatte.

Langsam richtete sie sich auf und überreichte einen Bronze-Spiegel, der an ihrem Gürtel hing.

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»Dir, sagte sie, Astarte der Nacht, die Du Hände und Lippen mengst, und deren Sinnbild der Spur des Rehes in der bleichen Erde Syriens gleicht, Dir weiht Chrysis ihren Spiegel. Er hat die Ringe der Augenlider gesehen, den Glanz der Augen nach der Liebe, die durch den Schweiß des Kampfes an die Schläfen geklebten Haare, oh Kämpferin mit den gierigen Händen, welche Körper und Lippen menget.«

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Der Priester legte den Spiegel zu Füßen der Statue nieder. Chrysis zog aus ihrem goldenen Haarknoten einen langen Kamm aus rothem Kupfer, dem geweihten Metall der Göttin.

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»Dir, Anadyomene, sagte sie, die Du aus der blutigen Morgenröthe und aus dem schäumigen Lächeln des Meeres geboren wurdest. Dir, perlentriefende Nacktheit, die ihr nasses Haar mit grünen Algen zusammen band. Dir weiht Chrysis ihren Kamm. Er hat in ihrem, durch Deine Bewegungen zerstreuten Haare gesteckt, oh wüthende, keuchende Adonierin, die Du die Krümmung der Lenden höhlst und die steifen Kniee zusammenziehst.«

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Sie gab dem Greise den Kamm und neigte den Kopf nach rechts, um ihr Smaragd-Halsband loszumachen.

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»Dir, sagte sie. Dir oh Hetäre, die Du die Röthe der schamhaften Jungfrauen zerstreust und das unkeusche Lachen räthst. Dir, der zu Liebe wir die strömende Liebe unseres Schoßes feilbieten, Dir weiht Chrysis ihr Halsband. Es wurde ihr von einem Manne, dessen Namen sie nicht kennt, als Entlohnung gegeben und jeder Smaragdstein ist ein Kuß, in dem Du einen Augenblick gelebt hast.«

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Sie beugte sich zum letzten Male und noch länger, legte das Halsband in die Hand des Priesters und machte einen Schritt, um sich zu entfernen.

Der Priester hielt sie zurück.

»Was verlangst Du von der Göttin für Dein kostbares Geschenk?«

»Ich verlange nichts.«

Dann ging sie den Zug entlang, stahl eine Rose aus einem Korbe und nahm sie, während sie hinausging, in den Mund.

Alle Frauen folgten, eine nach der anderen. Die Thüre des nunmehr leeren Tempels wurde geschlossen.

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Demetrios blieb allein im Bronzesockel der Statue verborgen.

Er hatte keine Bewegung, kein Wort dieser ganzen Szene verloren und, als Alles zu Ende war, verharrte er lange, ohne sich zu rühren, von Neuem gequält, leidenschaftlich erregt, unschlüssig.

Er glaubte sich von seiner gestrigen Tollheit völlig geheilt und er hatte nicht gedacht, daß ihn fortan Etwas zum zweiten Male in den glühenden Schatten dieser Unbekannten schleudern könnte.

Aber er hatte ohne sie gerechnet.

Frauen! oh ihr Frauen! wenn ihr geliebt werden wollt, zeigt euch, kommt zurück, seiet da! Die Erregung, die er beim Eintritt der Hetäre gefühlt hatte, war so vollständig und so gewaltig, daß nicht mehr daran zu denken war, sie durch eine Willens-Anstrengung zu bekämpfen. Demetrios war gebunden, wie ein Barbarer-Sklave an einen Triumphwagen. Es wäre ein Wahn gewesen entrinnen zu wollen. Ohne es zu wissen und in ganz natürlicher Weise hatte sie ihn in Besitz genommen.

Er hatte sie schon aus einer großen Entfernung kommen sehen, denn sie trug denselben gelben Stoff, den sie am Strande getragen hatte. Sie ging langsamen Schrittes, sich weich in den Hüften wiegend. Sie war gerade auf ihn zugekommen, als ob sie seine Gegenwart hinter dem Steine errathen hätte.

Vom ersten Augenblicke an begriff er, daß er ihr wieder zu Füßen fiel. Als sie den Bronzespiegel aus ihrem Gürtel zog, betrachtete sie sich, bevor sie ihn dem Priester gab, einige Augenblicke darin, und der Glanz ihrer Augen wurde verblüffend. Als sie, um ihren kupfernen Kamm zu nehmen, die Hand auf den Kopf legte und dabei nach der Bewegung der Charitinen, ihren gebogenen Arm emporhob, entwickelte sich unter dem Stoffe die ganze schöne Linie ihres Körpers, und die Sonne beleuchtete in der Achselhöhle einen Thau glänzenden und kleintröpfigen Schweißes. Und als sie endlich, um ihr Halsband aus schweren Smaragdsteinen loszumachen, die gefältelte Seide, welche ihre Brust verhüllte, bis zu dem süßen, schattigen Zwischenraume, wo man nur einen Blumenstrauß verbergen kann, entfernte, fühlte sich Demetrios von einem solchen Wahnsinn ergriffen, die Lippen an jene Stelle zu pressen und das ganze Kleid herunter zu reißen … Doch schon begann Chrysis zu sprechen.

Sie sprach und jedes ihrer Worte war für ihn ein Leid. Mit Vergnügen schien sie bei der Prostitution dieses Gefäßes der Schönheit, das sie war, zu verweilen, weiß wie die Statue selbst und voll des Goldes, das von ihrem Haare rieselte. Sie sprach von ihrer dem Zeitvertreib der Vorbeigehenden geöffneten Thür, von der Betrachtung ihres den Unwürdigen preisgegebenen Körpers, von der feilen Müdigkeit ihrer Augen, von ihren für eine Nacht vermietheten Lippen, von ihrem Haar, das sie brutalen Händen anvertraute, von ihrer der rohen Plackerei ausgesetzten göttlichen Schönheit.

Die außerordentliche Leichtigkeit, mit welcher man ihr nahen konnte, neigte Demetrios noch mehr zu ihr, entschlossen wie er war, sie für sich allein zu gewinnen, und die Thür hinter sich zu schließen. So sehr ist es wahr, daß eine Frau nur dann voll und ganz bezaubernd ist, wenn man Ursache hat ihrethalben eifersüchtig zu sein.

Als Chrysis nun zur Stadt zurückkehrte, nachdem sie der Göttin ihr grünes Halsband im Tausch für das erhoffte gegeben hatte, – nahm sie einen menschlichen Willen in ihrem Munde mit, wie die kleine gestohlene Rose, an deren Stengel sie nagte.

Demetrios wartete, bis er im Raume allein war, dann trat er aus seinem Versteck hervor.

Zögernd blickte er auf die Statue, eines inneren Kampfes gewärtig. Aber da es ihm nicht möglich war, nach so kurzer Zwischenzeit eine sehr starke Gemüthsbewegung zu erneuern, ward er merkwürdig ruhig, frei von vorzeitigen Gewissensbissen.

Sorglos stieg er die Stufen zu dem Standbilds hinan, nahm von dem gebeugten Nacken das Halsband aus den wahren Perlen Anadyomenes und ließ es in sein Gewand gleiten.