Die Sonne näherte sich merklich dem Winterhorn. Weich lag der Neuschnee auf dem Dach des Sonnleitnerhauses. Aber die Felswand, die zugleich die Rückwand der Wohnstube war, glänzte feucht vom niederrieselnden Schmelzwasser, sooft die Sonne die Schneemassen auf den Bändern und in den Rissen der Südwand taute; der lehmige Boden wurde weich. Und wieder nahm Peter die Bauarbeit auf. Eine dicke Mörtelschicht, die das Wasser von der Felswand zum Dach ableiten sollte, trug er dort auf, wo das Dach den Felsen berührte. Die Felswand selbst verkleidete er auf der Stubenseite mit senkrecht verspreizten, flach behackten Fichtenständern. Dann zimmerte er Wandbretter, auf die Eva ihre Koch- und Eßgeschirre stellen konnte. Und da es ihr mißfiel, daß seine Schmiedewerkzeuge und sein Allerlei in der Wohnküche lagen, richtete sich Peter die verlassene Bärenhöhle als Werkstatt ein.

Nach einem erfolgreichen Jagdgang baute er den Rauchabzug zur Räucherkammer um und fügte zwischen ihre Wände eiserne Querstäbe ein, an denen er alle bisher gesammelten Fleischvorräte an Haken aufhängte.

Es war am Tage vor Sonnwend. Blutrot versank die Sonne dicht am Winterhorn. Am nächsten Morgen war der Boden mit lockerem Neuschnee bedeckt. Spurenschnee! Peter schliff die Stahlspitze seines Speeres nach und koppelte Schnapp und Einäugel an die Riemen. Er wollte ein Wildschwein erjagen; Wildschweine waren jetzt fett von der Eichelmast. In der dämmerigen Stube sah er nicht die Angst in Evas Gesicht, als sie ihn bat, bald heimzukommen. Er versprach es leichthin. Aber draußen im Wald hatte er nur seine Beute im Sinn – Beute, die Fett gab, das im Winter nicht fehlen durfte! Erst gegen Mittag gelang es ihm, tief unten im Eichenbestand an der Triftbucht einen Keiler zu erlegen. Den Nachmittag verbrachte er damit, das schwere Tier den holprigen Waldpfad bergauf zu schleifen.

Es dämmerte schon, als er vor den Bärenhöhlen rastete. Beim Anblick des Reisighaufens, den er für das Sonnwendfeuer gerichtet hatte, holte er Stahl, Stein und Zunder aus seiner Jagdtasche und schlug Feuer. Den glimmenden Schwamm schob er mit einem harzgetränkten Wergbüschel unter das Reisig und blies mit vollen Backen die Glut an. Erst als die Flammen loderten, schleppte er seine Beute heimzu. Eva sollte von der Schwelle des Hauses aus das Sonnwendfeuer sehen.

Als er in die düstere Wohnstube trat, fiel ihm zuerst auf, daß die Herdflamme am Verlöschen war. Fröhlich rief er: »Da bin ich!« Keine Antwort, keine Bewegung in der Stille des Raumes. Bläff kroch heran und zwängte sich an dem Lauschenden vorbei ins Freie, um nach alter Gewohnheit vom Blute des Beutetieres zu lecken. Da erblickte Peter im zuckenden Licht der Ampel Evas bleiches Gesicht auf dem Kissen ihres Lagers. Warum gab sie keine Antwort? Mit klopfendem Herzen näherte er sich dem Bett. Schlief sie? Warum war sie so blaß? Lauschend neigte er sein Ohr zu ihrem Munde. Sie atmete still und regelmäßig. Sie lebte! Da rief er sie noch einmal beim Namen, leise, aber eindringlich: »Eva, Everl! So hör doch!«

Ihre Augenlider flatterten, ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, ihre Lippen öffneten sich, und wie im Traum, sprach sie: »Wie soll er heißen?«

Da erst gewahrte Peter das Köpfchen des Kindes, um das die Mutter den rechten Arm gelegt hatte. Er sank auf die Knie und dankte dem Allmächtigen, der das Wunder hatte geschehen lassen. Da erwachte das Kind und quäkte leise vor sich hin. Was die alte Ahnl einst dem Findling beim Kräutersammeln mitgeteilt hatte über die Pflege von Mutter und Kind, fiel Peter, dem Vater, wieder ein. Er machte Feuer und wärmte Wasser für ein Bad. Durch die Tierblasen der Fenster drang gedämpft ein Schimmer des Sonnwendfeuers herein. Und als er das Kind badete, gab Eva ihm den Namen: »Hans soll er heißen, wie der Ähnl, und alles können soll er, wie der Ähnl! – Gott möge unser Kind beschützen!«