Peter wollte die Bewässerungsrinnen zu allen Beeten führen, Eva aber wehrte sich dagegen. Ihre Pfade und der breite Mittelweg sollten trocken bleiben. Sie half ihm, als er in der linken, unteren Ecke des Gartens ein zweites Sammelbecken anlegte, zu dem das Wasser vom oberen Teich in einer stufenförmig angelegten Steinrinne niederrieseln sollte. Daß die Leitung offen mitten durch den Ziegengarten führte, machte das Wasser zum Trinken unbrauchbar. Der Sonne preisgegeben, kam es beim Haus lau und schal an. Das mußte anders werden! Peter überließ die Gartenarbeiten wieder seiner Frau und deckte im Verlauf einer Woche die Wasserrinne mit Glimmerschiefer und Rasenflözen zu. Für die Geißen, die bisher aus der offenen Rinne getrunken hatten, mauerte er in der Nähe der Futterraufe ein Becken aus, das aus einem Spalt der Leitung gespeist wurde. Munter plätschernd rann das Wasser von Stufe zu Stufe und belebte die Stille des Gartens. Sogar nach regenlosen Wochen, als Gras und Kräuter der Halden gelb wurden, stand in Evas Garten das Gemüse üppig. Der Moorbach wurde ja von den Schmelzwassern hochgelegener Firne und Gletscher gespeist, und so tat die Wasserleitung in der Zeit der Dürre ihren Dienst.

An einem sonnigen Mittag stand Peter mit seiner Frau am unteren Teich und bewunderte die schwimmenden, üppigen Blattsterne der Wassernüsse, die Eva dort angesiedelt hatte, und das auf derselben Bodenstufe hüfthoch stehende Schwadengras. Plötzlich drang vom Hausteich her ein heftiges Plätschern herüber und gleichzeitig ein durchdringender Schrei! Peter raste zurück, Eva mit flatternden Haaren ihm nach. Sie fanden Hansl zappelnd im seichten Wasser, Kopf unten, Beine oben. Nach dem ersten Schrecken erschien ihnen der Unfall als großes Glück. Wieder hatten sie den Trost: »Gut, daß es jetzt geschehen ist und nicht ein andermal, es hätte schlimmer ausgehen können.« Nun, da Hansl ins Wasser gefallen war, wurde es höchste Zeit, einen Schutz um die beiden Teiche zu schaffen. Noch in derselben Woche pflanzte Peter ringsherum daumenstarke Weidenruten, deren Seitenzweige er untereinander verband; als Zugang setzte er Gittertüren ein.

Noch war Hansls unfreiwilliges Bad nicht vergessen, als ein anderes Ereignis seine Eltern erschreckte. Eva kniete vor ihrem Maßliebchenbeet und schnitt von den starken Mutterstöcken die zarten Jungstauden aus, die sie mit Blättern der Wegwarte, des Spitzwegerichs und mit Schwadenkorn zu einem Mus kochen wollte, als Hansl, den sie auf dem Mittelweg in die Sonne gesetzt hatte, durch sein lautes »Nini, nini!« ihre Aufmerksamkeit erregte. Den Blicken des Kindes folgend, gewahrte sie mitten unter den blühenden Möhrenstauden eine grüne Eidechse, während von einem Baumstrunk aus eine Sandotter auf das schreckgelähmte Tierchen starrte. Da schleuderte Eva ihr Grabmesser blitzschnell nach dem zusammengerollten Leib der Schlange und heftete ihn am Holze fest; dann hob sie ihr Kind auf, ihr Herz pochte zum Zerspringen. Mein Gott, wenn’s da oben Schlangen gibt!

Hastig suchte sie Peter in der Höhle auf und berichtete von der neuen Gefahr. Er legte den Hammer weg, nahm Eva das Kind ab und schritt mit ihm nachdenklich dem Heim zu. Den Schlangenleib bedeckte er mit trockenem Fichtenreisig und zündete es an. In der nächsten Woche stöberte er mit Einäugels und Schnapps Hilfe in den hohlen Weiden am Moorbach zwei Igelfamilien auf, die er am Waldrand ansiedelte, wo noch viel angebranntes Holz lag. Nachts aber strolchten sie durch die ganze Sonnleiten. Das war ihr eine große Beruhigung; jetzt konnte Hansl, dem der kleine Hof allmählich zu eng wurde, ungefährdet auch im Garten spielen. Die Igel rotteten die Schlangenbrut aus. Eva nahm ihren Buben auch in den Geißengarten mit und bis zum Moorbach, wo sie noch spätblühende Dotterblumen und Vergißmeinnicht aushob, die sie am Rinnsal in ihrem Garten einpflanzte.

Indes war die Zeit der zweiten Heuernte gekommen. Peter hatte drei Heuhaufen geschichtet, als ein Wetter aufzog. Mitten in der Nacht entlud es sich mit solcher Heftigkeit, daß die Schläfer vom blauen Feuer der Blitze, vom Krachen, Knattern und Grollen naher und ferner Donnerschläge erwachten. Die Welt stand wie in Flammen, die Erde bebte. Hansl schrie, seine Eltern bangten, ob der Blitz ihre Hausfichte und ihr neues Heim verschonen werde. Eva zog den Docht ihrer Ampel vor den Ahnenbildern höher und begann in ihrer Angst laut zu beten. Dies beruhigte alle, und als der Regen auf das Dach trommelte, schliefen sie wieder ein. Am frühen Morgen entdeckte Peter, daß das abströmende Wasser einen Graben unter dem Gartenzaun gerissen hatte; aber dringlicher als die Ausbesserung des Schadens war ihm das Sammeln von Pilzen und Beerenfrüchten. Hansl mußte es sich gefallen lassen, daß er mit Bläff und den jungen Hunden in der Stube eingeschlossen wurde.

Ungesehen zog eine Bache mit sechs Frischlingen durch den Kastanienwald. Im Abflußgraben des unteren Teiches wühlend, entdeckte die Wildsau das Loch unter dem Zaun. Sie zwängte sich durch, und ihre Frischlinge folgten ihr; dann nahmen alle im unteren Teich ein Schlammbad, fraßen von den Wassernüssen die Blattsterne samt den Früchten, zerwühlten die Gemüsebeete und gelangten durch die offene Tür des oberen Zaunes in den Hof. Ein paar verstreute Kastanien vor der Türschwelle des Hauses entlockten der Bache ein behagliches Grunzen. Im Hause schlug Bläff an, die hohen Stimmen der Jungfüchse heulten dazwischen – es war ein ohrenzerreißendes Gezeter.

Vom Lärm gereizt, versuchte die Wildsau, mit ihren Hauern die Tür auszuheben. Da stürzte Peter in langen Sätzen herbei. Der Türrahmen ächzte, die Tür bog sich: die Bache zwängte ihren keilförmigen Kopf zwischen Schwelle und Tür. In die Stube eindringend, traf sie zunächst auf Bläff, die, sinnlos vor Angst, sich mit heiserem Gekläff ihr entgegenstellte. Ein Hauerstoß traf die Hündin, und im nächsten Augenblick starb sie unter den Füßen des gereizten Eindringlings. Da bohrte Peter der Wildsau die blanke Spitze seines Speeres hinter dem Schulterblatt tief in die Brust. Hellrotes Blut spritzte hochauf, und röchelnd blieb das Tier liegen. Nun drängte sich Eva an Peter vorbei in die Stube, riß ihren schreienden Buben vom Boden hoch und barg ihn an ihrer Brust. Peter stand wie angewurzelt vor dem gefällten Wild und starrte auf die tote Hündin. Was wäre aus dem Kinde geworden, wenn der Haushund sich der Bache nicht entgegengestellt hätte? Eva verließ mit Hansl die Stube und stand schluchzend im verwüsteten Garten; sie weinte der guten Bläff nach, und Hansl weinte, weil er die Mutter weinen sah. Als Peter ihr nachkam, küßte sie ihn, dann fragte sie: »Was tun wir mit den Frischlingen?« – »Aufziehen!« sagte er nur. Da führte Eva die zwei Milchziegen in den Geißengarten im Alten Steinschlag, und Peter brachte die Frischlinge einstweilen im Ziegenstall unter. Dann verrammelte er das Loch unter dem Gartenzaun mit Steinen. Beim ersten Fütterungsversuch drängten sich die jungen Schweinchen ängstlich in eine Ecke des Stalles und steckten die Köpfe zusammen. Aber schon am nächsten Morgen nahmen sie die Kastanien vom Boden auf, und bald fraßen sie aus der Hand.

Peter mußte jetzt unter dem Garten, wo der Teich seinen Abfluß hatte, einen »Saugarten« mit einem Unterschlupf anlegen und eine hüfthohe Mauer hochziehen. Ja, er wollte den ganzen Gemüsegarten mit einer solchen Mauer umhegen. Die Herbstfruchternte dehnte sich nun bis zum ersten Schneefall aus, denn die Schweine brauchten auch Winterfutter. Knapp bevor der Winter Ernst machte, war der Saugarten eingehegt. Die rechte obere Ecke der Mauerung war mit angekohlten Baumstämmen, Rasen und Steinen gedeckt, so daß ein dreieckiger Unterschlupf entstand, in den Eva eine dicke Laubschicht streute. Die Schweinchen wurden aus dem Ziegenstall in den geräumigen Saugarten geschafft, in dem die jungen Tiere vergnügt hin und her jagten. Dann aber begannen sie zu wühlen. Kein Wurm, keine Schnecke, keine Käferlarve, keine Kastanie unter dem Laub entging ihren Rüsseln, mit denen sie geräuschvoll alles durchschnupperten.

Nachdem noch Laubstreu und Brennholz eingebracht waren, sahen die Sonnleitnerleute ohne Sorgen dem Winter entgegen. Was sie brauchten, hatten sie beisammen. Der armen Bläff aber, die Eva im Garten begraben hatte, stellte Peter eine Sandsteinplatte aufs Grab. Darauf hatte er den Tod des Hundes eingeritzt zum immerwährenden Gedächtnis.