Der Hochlandsadvokat

Mr. Charles Stuart, der Anwalt, wohnte am Ende der längsten Treppenflucht, die Maurer je gebaut; fünfzehn verschiedene Stiegen, nicht eine weniger; und als ich seine Tür erreichte, die ein Schreiber mir öffnete, um mir zu sagen, daß sein Herr zu Hause sei, besaß ich kaum noch Atem genug, meinen Dienstmann zum Teufel zu schicken.

»Fort mit Euch nach Ost und West!« sagte ich, nahm ihm den Geldsack ab und folgte dem Schreiber.

Der äußere Raum war ein Bureau mit einem Tisch voller Papiere, vor dem des Schreibers Stuhl stand. Im inneren Zimmer, das in das äußere mündete, saß ein energischer kleiner Mann brütend über einem Schriftsatz, von dem er bei meinem Eintritt kaum aufsah: ja, sein Finger blieb an der richtigen Stelle liegen, als habe der Mann die Absicht, mich sofort wieder hinauszuwerfen und zu seinen Studien zurückzukehren. Das behagte mir schon wenig genug; aber schlimmer noch war, daß der Schreiber, meiner Ansicht nach, alles, was zwischen uns vorging, deutlich hören konnte. Ich fragte den kleinen Mann, ob er Mr. Charles Stuart, der Anwalt, sei. »Der nämliche,« sagte er, »und wer seid Ihr, falls die Frage ebenso angebracht erscheint?«

»Ihr werdet weder meinen Namen kennen von mir selber gehört haben,« sagte ich, »aber ich bringe Euch einen Ausweis von einem Freunde, der Euch wohl bekannt ist. Der Euch wohl bekannt ist,« wiederholte ich und senkte die Stimme, »von dem zu hören Ihr aber gegenwärtig vielleicht nicht gerade erbaut sein werdet. Das kleine Geschäft, das ich Euch heute vorzuschlagen habe, ist mehr privater Natur. Kurz, mir wäre lieb, zu wissen, daß wir ganz unter uns sind.« Er erhob sich ohne weitere Worte, warf seine Papiere mit der Miene eines Mannes hin, der sehr schlechter Laune ist, und schickte den Schreiber auf einen Botengang, indem er hinter ihm die Tür schloß.

»Jetzt, Sir,« sagte er zurückkehrend, »sprecht frei von der Leber weg und fürchtet nichts mehr«; und plötzlich fuhr er fort – »obwohl mir Schlimmes schwant, noch ehe Ihr angefangen habt! Ich erkläre Euch von vorneherein, Ihr seid entweder ein Stuart oder von einem Stuart geschickt. ‚S ist ein guter Name und obendrein einer, den zu schmähen meines Vaters Sohn schlecht ansteht. Doch mich gruselt’s schon, wenn ich ihn nennen höre.«

»Mein Name ist Balfour,« sagte ich, »David Balfour von Shaw. Und was den, der mich sandte, betrifft, so will ich seinen Ausweis für mich reden lassen.« Und ich zeigte ihm den silbernen Knopf.

»Steckt ihn in die Tasche, Sir!« rief er. »Ihr braucht keinen Namen zu nennen. Der Satanskerl von einem Querkopf, ich kenne seinen Knopf! Der Teufel hol ihn! Wo steckt er jetzt?«

Ich sagte ihm, ich wüßte nicht, wo Alan sich aufhielte, aber er hätte irgendwo am Nordufer ein Versteck, in dem er sicher wäre (oder sicher zu sein glaube), und wo er bleiben wolle, bis man ihm ein Schiff ausfindig gemacht hätte. Und dann wiederholte ich seine Anweisungen, wo und wie man mit ihm sprechen könnte. »Ich war immer schon überzeugt, daß ich für meine Familie einmal baumeln würde,« rief Mr. Stuart, »und bei Gott, ich glaube, jetzt sind wir so weit! Ihm ein Schiff ausfindig machen, sagt er? Und wer soll dafür bezahlen? Der Bursche ist toll!«

»Das ist meine Sache, Mr. Stuart«, antwortete ich. »Hier ist ein Beutel Geld, und wenn mehr gebraucht wird, ist dort, wo dieses herkommt, mehr zu haben.«

»Nach Eurer Partei brauche ich nicht erst zu fragen«, meinte er. »Das braucht Ihr nicht,« sagte ich lächelnd, »denn ich bin ein so guter Whig, wie Ihr nur einen finden könnt.«

»Sachte, sachte«, versetzte Mr. Stuart. »Was soll das heißen? Ein Whig? Weshalb seid Ihr dann mit Alans Knopf zu mir gekommen? Und was für einen Teufelshandel treibt Ihr hier, Mr. Whig? Da ist ein landflüchtiger Rebell und angeklagter Mörder mit einem Preis von 200 Pfund auf seinen Kopf, und Ihr verlangt von mir, daß ich mich in seine Angelegenheiten mische, und erzählt mir dann, Ihr wäret ein Whig? Ich will nichts wissen von solchen Whigs, obwohl mir schon genug dergleichen über den Weg gelaufen sind.« »Der Mann ist zwar ein landflüchtiger Rebell, – leider –,« sagte ich, »aber er ist mein Freund. Ich wünsche nur, daß er besser beraten wäre. Und auch des Mordes ist er zu seinem Unglück angeklagt; aber zu Unrecht angeklagt.« »Ihr behauptet es wenigstens«, war Stuarts Entgegnung.

»Ihr werdet mich gleich noch mehr behaupten hören«, rief ich. »Alan Breck ist unschuldig und James gleichfalls.« »Ah!« sagte er, »die beiden Fälle hängen zusammen. Steckt Alan drin, kann James nicht draußen sein.« Hierauf erzählte ich ihm in aller Kürze von meiner Bekanntschaft mit Alan und von dem unglücklichen Zufall, der mich zum Zeugen des Appiner Mordes machte, von den verschiedenen Stationen unserer Flucht durch die Heide und von der Rückgewinnung meines Vermögens. »Und nun, Sir, wißt Ihr die ganze Folge der Ereignisse«, schloß ich, »und könnt selber sehen, wie es kommt, daß ich so tief in Eurer Verwandten und Freunde Angelegenheiten verstrickt bin, von denen ich (zu unser aller Wohl) wünschte, sie wären einfacher und weniger blutig. Ihr seht selbst, daß ich gewisse Dinge zu erledigen habe, die ich kaum dem ersten besten Anwalt vorlegen konnte. Nun bleibt nur noch übrig, Euch zu fragen, ob Ihr Euch meiner Sache annehmen wollt?« »Ich habe nicht sonderlich viel Luft dazu; da Ihr aber mit Alans Knopf zu mir kommt, bleibt mir wohl keine Wahl«, sagte er. »Welches sind Eure Instruktionen?« fügte er, nach der Feder greifend, hinzu. »Das Wichtigste ist, Alan aus dem Lande zu schmuggeln,« sagte ich, »aber das brauche ich wohl nicht zu wiederholen.«

»Ich werde es schwerlich vergessen«, meinte Stuart. »Das Nächste betrifft das bißchen Geld, das ich Cluny schulde«, fuhr ich fort. »Es würde mir schwerfallen, Mittel und Wege zu finden, es ihm zu übermitteln, doch Euch müßte es ein leichtes sein. Es waren zwei Pfund, fünf Shilling und anderthalb Pence Sterling.« Er notierte sich die Summe. »Dann«, sagte ich, »ist da ein Mr. Henderland, ein konzessionierter Prediger und Missionar in Ardgour, dem ich recht gerne ein wenig Schnupftabak zuwenden würde; und da ich vermute, daß Ihr mit Euren Freunden in Appin in Verbindung steht und Appin doch dicht dabei liegt, ist das ein Geschäft, das Ihr zweifellos mit dem anderen übernehmen könnt.« »Wieviel Tabak soll es sein?« fragte er.

»So an die zwei Pfund, dachte ich.«

»Zwei«, wiederholte er. »Dann ist da noch ein Mädel, Alison Hastie zu Limekilnes,« sagte ich, »dieselbe, die mir und Alan den Übergang über den Forth ermöglichte. Ich hatte gedacht, ihr ein gutes Sonntagsgewand zu kaufen, wie sie es in ihrem Stande in Ehren tragen könnte. Das würde mein Gewissen erleichtern, denn, um die Wahrheit zu sagen, schulden wir ihr unser Leben.« »Ich freue mich, zu sehen, daß Ihr sparsam seid, Mr. Balfour«, sagte er, es sich notierend.

»Ich würde mich schämen, es am ersten Tage meines Wohlstandes nicht zu sein«, entgegnete ich. »Und wenn Ihr mir jetzt die Auslagen samt Euren eigenen Gebühren zusammenrechnen wolltet, würde ich mich freuen, zu erfahren, ob ich noch ein wenig Geld zum Leben zurückerhalte. Nicht daß ich ungern das Ganze dransetzen würde, um Alan frei zu bekommen, oder daß es mir etwa an mehr gebricht; aber nun ich an einem Tage so viel abgehoben habe, möchte es meines Erachtens einen recht mißlichen Eindruck machen, wenn ich mich am drauffolgenden gleich wieder meldete. Aber seht ja zu, daß es reicht,« setzte ich hinzu, »denn ich habe wenig Lust, Euch wiederzutreffen.« »Nun, es freut mich, daß Ihr auch vorsichtig seid«, sagte der Anwalt. »Aber ich meine, es ist doch ein wenig riskant, mir eine so große Summe anzuvertrauen.« Dies wurde mit verschleiertem Hohn gesagt. »Ich muß das Risiko tragen«, antwortete ich. »Ja, da ist doch noch ein weiterer Dienst, den ich von Euch erbitten möchte, und zwar, daß Ihr mir den Weg zu einem Logis weist, denn ich habe kein Dach über meinem Kopf. Aber es muß ein Logis sein, auf das ich auch zufällig gestoßen sein könnte; denn es geht ganz und gar nicht, daß der Lord Staatsanwalt von unserer Bekanntschaft erfährt.«

»Darüber könnt Ihr völlig beruhigt sein«, erklärte er. »Ich werde ihm Euren Namen niemals nennen, Sir; und meine Meinung ist, man kann dem Lord Staatsanwalt immerhin noch gratulieren, daß er von Eurer Existenz nichts weiß.«

Ich sah, ich hatte den Mann falsch angefaßt.

»Dann steht ihm noch ein guter Tag bevor,« sagte ich, »denn nicht später als morgen, wenn ich ihn besuchen werde, muß er davon erfahren, und wäre er taub.« »Wenn Ihr ihn besucht!« wiederholte Mr. Stuart. »Bin ich toll oder seid Ihr’s? Was wollt Ihr beim Staatsanwalt?« »Oh, nichts Besonderes, nur mich ihm stellen«, lautete meine Antwort. »Mr. Balfour,« rief er, »haltet Ihr mich zum Narren?«

»Nein, Sir,« erwiderte ich, »obwohl ich der Ansicht bin, daß Ihr Euch mir gegenüber einige Freiheiten erlaubt habt. Aber ich gebe Euch ein für allemal zu verstehen, daß ich nicht zum Scherzen aufgelegt bin.« »Ich auch nicht«, erwiderte Stuart. »Und ich gebe Euch zu verstehen (wenn es wirklich in diesem Tone weitergehen soll), daß mir Euer Benehmen immer weniger gefällt. Ihr kommt hierher mit den verschiedensten Ansinnen, die mich zu höchst zweifelhaften Handlungen veranlassen und mich auf lange Zeit hinaus mit einigen sehr wenig wünschenswerten Personen zusammenführen werden. Und dann erklärt Ihr mir, Ihr ginget von meinem Bureau aus schnurstracks zum Staatsanwalt, um mit ihm Euren Frieden zu machen. Alans Knopf hin und her, Alans Haxen und Hände werden mich nicht dazu bringen, mich weiter mit Euch einzulassen.« »Ich würde an Eurer Stelle die Sache mit etwas mehr Gleichmut hinnehmen«, sagte ich; »vielleicht können wir das vermeiden, wogegen Ihr Euch sträubt, obwohl ich keinen anderen Ausweg sehe, als mich freiwillig zu stellen. Vielleicht wißt Ihr indes einen besseren. Wenn Ihr’s könntet, will ich gar nicht bestreiten, daß mir viel wohler zumute wäre. Denn ich vermute, mein Handel mit Seiner Lordschaft dürfte meiner Gesundheit wenig zuträglich sein. Das eine ist klar: ich muß mein Zeugnis ablegen, denn ich hoffe, es wird Alans Ruf (wenigstens was davon übriggeblieben ist), und was wichtiger ist, James‘ Hals retten.«

Er schwieg eine kleine Weile, dann: »Mein guter Bursche, man wird Euch niemals gestatten, derartiges auszusagen.«

»Das werden wir noch sehen«, entgegnete ich, »ich bin ziemlich steifnackig, wenn’s mir drauf ankommt.«

»Esel, Riesenesel!« rief Stuart. »’S ist doch der James, den sie wollen; James muß hängen – Alan auch, wenn sie ihn erwischen können – doch James unter allen Umständen. Kommt dem Staatsanwalt nur mit irgendwelchen derartigen Sachen, und Ihr werdet sehen, er findet einen Weg, Euch einen Maulkorb anzulegen.«

»Ich habe eine bessere Meinung von dem Staatsanwalt als Ihr«, antwortete ich.

»Zum Henker mit dem Staatsanwalt!« rief er. »Es sind die Campbells, Mann! Ihr werdet die ganze Meute auf den Fersen haben, und der Staatsanwalt auch, armer Teufel! Es ist erstaunlich, daß Ihr nicht begreift, wo Ihr steht! Finden sie keinen geraden Weg, Euch das Maul zu stopfen, so haben sie einen krummen bei der Hand. Sie können Euch auf die Anklagebank bringen, seht Ihr denn das nicht ein?« rief er und bohrte mir seinen Finger ins Bein.

»Freilich,« erwiderte ich, »das Gleiche wurde mir erst heute morgen von einem anderen Anwalt gesagt.«

»Und wer war das?« forschte Stuart. »Zum mindesten hat er vernünftig gesprochen.«

Ich sagte ihm, er müsse es mir schon erlassen, einen Namen zu nennen, denn es wäre ein angesehener, überzeugter, alter Whig, der wenig Lust hätte, in derartige Angelegenheiten hineingezerrt zu werden. »Ich glaube, die ganze Welt ist darin verwickelt!« rief Stuart. »Und was habt Ihr darauf erwidert?«

Ich erzählte ihm, was sich vor dem Hause Shaw zwischen Rankeillor und mir zugetragen hatte.

»Nun, dann werdet Ihr hängen«, meinte er. »Ihr werdet neben James Stuart hängen. Da habt Ihr Euer Schicksal vorausgesagt!«

»Ich hoffe immer noch, daß es besser abgehen wird,« entgegnete ich, »doch habe ich niemals bestritten, daß ein Risiko damit verknüpft ist.«

»Ein Risiko!« wiederholte er und saß dann wieder schweigend da. »Ich müßte Euch von Rechts wegen für Eure Treue gegen meine Freunde, denen gegenüber Ihr eine so feste Gesinnung zeigt, danken,« sagte er. »Wenn Ihr nur die Kraft habt, bei der Stange zu bleiben. Aber ich warne Euch, Ihr watet in tiefem Wasser. Ich (ein geborener Stuart) würde mich für alle Stuarts seit Noah nicht an Eure Stelle setzen. Risiko? Ich laufe deren mehr als genug: doch vor einem Gerichtshof, zusammengesetzt aus Campbell-Geschworenen und Campbell-Richtern und obendrein in einer Campbell-Gegend und in einem Campbell-Streit – denkt von mir, was Ihr wollt, Balfour, es geht über meine Kraft.« »’S ist wohl ein Unterschied in der Denkungsart«, antwortete ich. »Ich wurde von klein auf in der meinigen von meinem Vater erzogen.«

»Ehre seiner Asche! Er hat seinen Namen einem braven Sohn hinterlassen«, erklärte er. »Und doch möchte ich nicht, daß Ihr allzu schlecht von mir denkt. Mein Fall ist verdammt verzwickt. Seht, Sir, Ihr sagt, Ihr seid ein Whig; ich frage mich, was ich eigentlich bin. Sicherlich kein Whig, das ist klar; justament ein Whig könnte ich nicht sein. Jedoch – lacht nur über mich – ich stehe vielleicht auch nicht ganz so scharf auf der anderen Seite.«

»Ist das wirklich wahr?« rief ich. »Genau das hätte ich bei einem Mann von Eurem Verstande angenommen.«

»Bah! Nichts von Euren Schmeicheleien!« rief er. »Verstand ist auf beiden Seiten. Aber ich privatim trage kein sonderliches Verlangen, König Georg eins auszuwischen; und was König Jakob – Gott segne ihn! – betrifft, so finde ich ihn für meinen Teil jenseits des Kanals ganz gut aufgehoben. Seht Ihr, ich bin ein Anwalt und liebe meine Bücher und einen guten Tropfen, ein rechtschaffenes Plädoyer, einen säuberlich aufgesetzten Schriftsatz, einen gelegentlichen Strauß mit den Herren Kollegen im Parlamentshaus und dann und wann an Samstagabenden ein Spielchen Golf. Nun frag ich Euch: Wo ist da Platz für Eure Hochlandsplaids und Schwerter?«

»Ja,« entgegnete ich, »’s ist wirklich wahr, Ihr habt wenig von einem wilden Hochländer an Euch.«

»Wenig?« echote er. »Gar nichts, Mann! Und doch bin ich dort geboren, und wenn der Clan pfeift – was hilft’s – da muß ich tanzen. ‚S ist, wie Ihr selber sagt: mein Vater hat’s mich so gelehrt, und ’ne nette Tätigkeit hat er mir zugeschanzt! Hochverrat und das Herein- und Herausschmuggeln von Hochverrätern; und die französischen Werbungen – hol sie der Henker! – Und das Durchschmuggeln der Rekruten; und erst die Prozesse! Der Teufel hole sie! Gerade hab ich wieder einen anhängig gemacht, für meinen Vetter, den jungen Ardshiel: Klage auf Rückgabe seiner Ländereien auf Grund eines Ehekontraktes – verpfändeter Ländereien! Ich sagte ihnen, es wäre ein Unsinn; was fragten sie schon danach! Und dann mußt ich mich hinter einen Gerichtsadvokaten stecken, dem die Sache genau so wenig gefiel wie mir, denn sie hat uns beide glatt ruiniert – gleich steht man auf der schwarzen Liste und bekommt einen Stempel ›Mißvergnügt‹ aufgebrannt, wie das liebe Vieh den Namen des Besitzers! Was soll ich dagegen tun? Ich bin ein Stuart, seht Ihr, und muß für meinen Clan und meine Familie einstehen! Erst gestern wurde wieder einer von unseren Burschen nach der Burg gebracht. Weswegen? Ich weiß es genau: Gesetz von 1736 – Rekrutierung für König Louis. Und Ihr werdet sehen – er wird nach mir pfeifen, damit ich seine Sache übernehme, und meine Reputation hat einen neuen schwarzen Fleck! Ich sag es Euch rundheraus: könnt ich den Kopf eines hebräischen Worts vom Schwanz unterscheiden, der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht die ganze Sache an den Nagel hinge, um Geistlicher zu werden!«

»Es ist wirklich eine ziemlich schwierige Lage«, bemerkte ich.

»Verdammt schwierig!« rief er. »Und gerade deshalb denk ich so hoch von Euch – der Ihr kein Stuart seid, – daß Ihr Euren Kopf so tief in eine Stuartsache steckt. Weshalb, weiß ich nicht: es sei denn, Ihr tätet’s aus Pflichtgefühl.«

»Ich hoffe, das ist der Grund«, sagte ich.

»Nun,« meinte er, »’s ist eine großartige Eigenschaft. Doch da kehrt mein Schreiber zurück, und wir wollen, mit Eurer Erlaubnis, alle drei einen Bissen essen gehen. Danach werde ich Euch die Adresse eines sehr ordentlichen Mannes geben, der Euch recht gern als Mieter aufnehmen wird. Und Eure Taschen werd ich Euch auch füllen, und zwar aus Eurem eigenen Beutel. Denn dies Geschäft hier wird lange nicht so kostspielig sein, als Ihr es Euch denkt – nicht einmal die Schiffsangelegenheit.«

Ich bedeutete ihm, daß der Schreiber in Hörweite wäre.

»Bah, Ihr braucht auf Robbie keine Rücksicht zu nehmen«, rief er. »Er ist auch ein Stuart, armer Teufel! und hat mehr französische Rekruten und rührige Papisten ‚rübergeschmuggelt, als er Haare im Gesicht hat. Robin selbst ist derjenige, der diesen Teil meiner Geschäfte besorgt. Wen haben wir zur Zeit bei der Hand, Robbie, um jemanden überzusetzen?« »Nun, da wäre Andie Scougal auf der ›Thristle‹«, entgegnete Robin. »Hoseason sprach ich erst vor kurzem, aber er scheint noch immer kein Schiff zu haben. Dann ist da auch noch Tam Stobo; aber ich bin mir Tams nicht so ganz sicher. Ich hab gesehen, wie er sich mit einigen recht zweifelhaften Bekanntschaften anbiederte; und wenn sich’s um jemand von Bedeutung handelt, würde ich den Tam übergehen.« »Der Kopf ist zweihundert Pfund wert, Robin«, sagte Stuart. »Potz Donner, ’s ist doch nicht etwa Alan Breck?« rief der Schreiber. »Niemand anders«, versetzte sein Herr. »Liebe Zeit! Das ist ’n ernster Fall«, rief Robin. »Ich will’s dann mal mit Andie versuchen; Andie ist schon der Richtige.« »Das scheint ja eine ganz schwierige Sache zu sein«, bemerkte ich. »Überhaupt nicht abzusehen, Mr. Balfour«, sagte Stuart. »Euer Schreiber nannte da vorhin einen Namen,« fuhr ich fort, »Hoseason, von der Brigg ›Covenant‹. Würdet Ihr dem vertrauen?« »Er hat nicht gut gegen Euch und Alan gehandelt,« meinte Mr. Stuart, »aber ich bin über den Mann im allgemeinen anderer Ansicht. Hätte er Alan auf einen Vertrag hin an Bord genommen, er hätte sich meiner Meinung nach als zuverlässiger Kontrahent gezeigt. Was meinst du, Robbie?« »Es gibt keinen Ehrlicheren im ganzen Schiffergewerbe«, erwiderte der Schreiber. »Ich würde auf Elis Wort schwören, und handelte es sich um den Chevalier2 und um Appin selbst«, fügte er hinzu.

»Er war’s doch auch, der den Doktor3 ‚rüberbrachte?« fragte sein Herr.

»Der nämliche«, war des Schreibers Antwort.

»Und ich glaube, er brachte ihn auch wieder zurück?« forschte Stuart.

»Jawohl, und zwar mit vollen Taschen«, rief Robin.

»Und Eli wußte davon.«

»Nun, es scheint, daß man sich in den Leuten nur schwer auskennt«, sagte ich.

»Das gerade hatte ich vergessen, als Ihr bei mir eintratet, Mr. Balfour«, schloß der Anwalt.

  1. Name für Prinz Charlie, den letzten Stuart.
  2. Dr. Cameron, der die Sekte der Cameronier gründete.