Kapitel 30

 

30

 

Reef ging kopflos auf Muswell Hill zu. Dann fiel ihm ein, daß Guelder auf das Ergebnis seines Besuchs bei Ursula wartete. Er trat in eine Telefonzelle und rief die Nummer der kleinen Teestube an, in der Guelder gewöhnlich zu dieser Zeit seinen Tee trank. Guelder war fast sofort am Apparat und erzählte ihm in wenigen gehetzten Worten von dem Besuch der Polizei.

 

»Nein, nein, fahr nicht nach Greenwich, sondern sei heute abend um elf an der Channey-Treppe im Bezirk Limehouse. Dort werde ich dich vom Fluß aus abholen. Bis dahin versteck dich, mein Freund! Also vergiß nicht … Channey-Treppe!«

 

*

 

Wie sollte sich mitten am Tag ein Mann verstecken – ein rothaariger Mann, hinter dem die Polizei her war? Er kehrte in die Hampstead-Heide zurück, fand ein kleines Gebüsch, kroch hinein, breitete seinen Regenmantel aus und schlief sofort auf dem durchtränkten Boden ein. Als er erwachte, war er hungrig; der Körper schmerzte ihn vom Kopf bis zu den Füßen. Er blickte auf die Uhr. Es war dunkel und regnerisch. Die großen Tropfen, die auf sein Gesicht prallten, hatten ihn aus einem Schlaf geweckt, der das gnadenvollste Geschenk dieses unseligen Tages war und bleiben sollte. Es war fünf Minuten vor zehn. Mit einem schmerzvollen Stöhnen richtete er sich auf, zog den Regenmantel an und ging quer über die Heide auf Swiss Cottage zu. Der Anblick eines Polizisten, der die Hauptstraße entlangkam, scheuchte ihn in eine Nebenstraße. Nachdem er zweimal Hals über Kopf vor einer Uniform geflohen war, stand er durch eine seltsame Fügung plötzlich wieder vor Ursulas Haus.

 

Sein Herz war von einer erbitterten Wut auf sie erfüllt. Er hätte ihr zu gern etwas Böses angetan, ihr Schmerz bereitet. Der Holländer, ein Mann, den er hatte verraten wollen, war in der Stunde der Gefahr für ihn eingetreten! Sie aber, die sein Weib geworden wäre, wenn er nur beizeiten den Wert dieser verfluchten Lulangas erkannt hätte – sie hatte ihn wie einen Hund behandelt, hatte ihn seinen Verfolgern in den Rachen getrieben! Er knirschte mit den Zähnen bei dem Gedanken an das Unrecht, das sie ihm zugefügt hatte. Sie haßte ihn fast so unversöhnlich, wie sie den Holländer haßte – Guelder haßte sie fanatischer, aber ihn verachtete sie.

 

Da hörte er eine Frau lachen. Es war nicht Ursula. Es war ihr Dienstmädchen. Doch er glaubte, es wäre Ursula und bildete sich hysterisch ein, sie lache über sein Unheil.

 

Gleich darauf hörte er das Geräusch eines Wagens und versteckte sich hinter einem triefenden Rhododendron an der Auffahrt.

 

Es war der Chauffeur, der mit dem Wagen vorfuhr. Dann hörte er Ursulas Stimme deutlich durch den stillen Abend. Sie telefonierte, die Fenster waren offen und die Worte hallten in die Dunkelheit hinaus.

 

»… aber nein, machen Sie sich doch keine Sorge, ich kann sehr gut allein fahren. Nein, ich denke nicht daran, den Chauffeur mitzunehmen, ich bin in sieben Minuten bei Ihnen … Tony, haben Sie etwas Neues über Julian gehört? … Ja, es ist entsetzlich. Und doch habe ich kein Mitleid mit ihm … diese Unmenschlichkeit kann ich nicht begreifen.«

 

So, sie konnte kein Mitleid mit ihm haben! Seine Unmenschlichkeit konnte sie nicht begreifen! Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut. Sie fuhr jetzt zu ihrem Geliebten und konnte kein Mitleid mit ihm fühlen! Sie fuhr jetzt zu dem gerissenen Kerl und konnte kein Mitleid fühlen mit dem armen Julian Reef, der wie ein Hund gehetzt wurde und fast vor Hunger starb. Er erschauerte bis ins Mark vor Verlorenheit. Jeder war gegen ihn – Ursula, Braid, Elk; alle versuchten ihn in die Mörderzelle zu schleifen.

 

Er hörte wieder ihre Stimme, sah den Chauffeur zur Garteneinfahrt gehen, das Tor öffnen und zur Garage zurückkehren. Das Verdeck des Zweisitzers war hochgeschlagen. Hinter dem Verdeck war Platz für einen Mann. Doch es schien viel leichter, wenn niemand in Sicht war, auf das Trittbrett zu springen, während der Wagen auf die Straße hinausfuhr. Er entschloß sich hierzu, um so mehr, als er hinter dem Rhododendronstrauch in sehr günstiger Stellung war. Er hörte sie den Motor anlassen, hörte sie anfahren, dann fiel das Licht der Scheinwerfer auf sein Versteck.

 

Sie fuhr ganz langsam der schmalen Öffnung des Gartentors zu. Da trat er aus dem Gebüsch hervor. Eine Sekunde darauf stand er schon auf dem Trittbrett und schwang sich auf den Sitz neben sie.

 

In ihrem Schreck riß sie das Steuer herum und fuhr beinahe gegen den Torpfosten.

 

»Fahr weiter!« drohte er. »Wenn du schreist, erwürge ich dich!«

 

Eine seiner Hände packte das Steuer. Weniger Ursula als er steuerte den Wagen auf die Straße.

 

»Fahr zu!« befahl er und hob die Hand. »Ich muß fortkommen. Man ist mir auf der Spur. Du weißt wohl nicht, was das heißt? Wie ein Hund gehetzt, während du mit deinem Galan Orgien feierst …«

 

Sie antwortete nichts. Ihr Herz schlug so laut, daß sie glaubte, er müsse es durch das Brummen des Motors hindurchhören. Als sie die Gestalt plötzlich neben sich hatte auftauchen sehen, war ihr das Blut fast geronnen. Doch, als sie Julian erkannt hatte, wandelte sich der erste Schrecken in eine ausgesprochene körperliche Angst.

 

»Ich werde dich bis Regent’s Park fahren und nicht einen Schritt weiter«, sagte sie bestimmt.

 

»Du wirst mich dorthin fahren, wohin ich befehle. Und wenn ich dir befehle, mich in die Hölle zu fahren, fährst du dorthin!«

 

Sein Ton und seine verzweifelte Entschlossenheit waren nicht mißzuverstehen.

 

»Man verfolgt mich wegen Mordes – wegen des Mordes an meinem lieben Onkel. Wenn dein Leben zwischen mir und der Freiheit steht, wird dir wohl nicht fraglich sein, was mit deinem Leben geschieht. Es tut dir um mich nicht leid? Wie hast du eben so schön gesagt? So zwischendurch beim Gekose mit deinem Geliebten sprichst du über mein Leben, meinen Todeskampf, als ob ich eine Figur in einem Theaterstück wäre. Diese Unmenschlichkeit kann ich nun wieder nicht verstehen!«

 

Seine linke Hand, die auf dem Kissen des Sitzes lag, berührte plötzlich etwas Kaltes. Es war ein großer Radschlüssel, den der Chauffeur beim Radauswechseln offenbar dort vergessen hatte. Er packte ihn mit einem dumpfen Lachen.

 

»Und nun höre mal aufmerksam zu. Ich habe hier einen Schraubenschlüssel in der Hand – du weißt doch, was ein Schraubenschlüssel ist? Ein böses Stück Stahl. Es ist die einzige Waffe, die ich habe, aber sie genügt mir. Damit du’s nur weißt – ich habe Frensham erschossen, und es hat meinen Schlaf nicht weiter gestört. Kalten Blutes würde ich auch dich umbringen und dich mit zerschmettertem Schädel liegenlassen, wenn du Lärm schlägst. Auch das würde meinen Schlaf nicht sonderlich beeinträchtigen. Fahr die nächste Straße links! Wenn der Schutzmann dich an der Straßenkreuzung anhält, stopp in einiger Entfernung von ihm ab. Wenn du versuchen solltest, ihn anzurufen …«

 

»Weißt du überhaupt, was du sprichst?« Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Mühsam zwang sie die Worte hervor. »Entweder bist du von allen guten Geistern verlassen, oder du bist wahnsinnig.«

 

»Damit werde ich mich ganz bestimmt verteidigen, und wenn ich mir den richtigen Verteidiger nehme, werde ich damit freikommen«, höhnte er. »Jetzt geradeaus!«

 

Sie mieden die hellerleuchteten Straßen. Sie glaubte, er habe kein bestimmtes Ziel, wolle nur aus London herauskommen.

 

Channey-Treppe, Limehouse? Er überlegte angespannt, wo das war. Er kannte Limehouse; denn er hatte einst mit einem Schiffahrtsbüro zu tun gehabt, das dort ein Lager hielt. Jetzt erinnerte er sich an die Treppe: eine enge Passage zwischen sehr hohen Lagerhäusern, mit einer Steintreppe am Ende, die hinab zur Themse führte. Eine Frau war hier einmal ertrunken – er hatte gesehen, wie man den Leichnam die Treppe hinaufschleppte.

 

»Wohin fahren wir eigentlich?« fragte sie nach einer Weile. Und dann, als ihr eine erschreckende Möglichkeit aufdämmerte: »Ich fahre nicht aus London heraus! Und wenn du mich umbringst, ich fahre nicht aufs Land!«

 

Ihm war nicht recht geheuer, wenn er an das Ende der Fahrt dachte. Er kannte die Straßen, in die die Treppe mündete. In den Tagen seines früheren Verkehrs in dieser Gegend war der Ort sehr einsam gewesen. Man begegnete keinem, außer dann und wann einem patrouillierenden Schutzmann. Doch das war immerhin acht Jahre her. Straßen veränderten sich. Und wenn dort ein Schutzmann stand und sie schrie …

 

Er suchte und fand eine Ausrede.

 

»Ich will London zu Wasser verlassen. Heute nacht geht ein Dampfer, der mich mitnimmt, damit du’s nur genau weißt. Ich fahre nach Limehouse – Channey-Treppe. Dort wartet ein Motorboot auf mich. Jetzt weißt du genausoviel wie ich.«

 

Sie war sichtlich erleichtert. An die Stelle des Grauens vor dem Unbekannten war eine verhältnismäßig kleine, übersehbare Unannehmlichkeit getreten.

 

»Ich kenne Limehouse nicht«, sagte sie. »Du brauchst es auch nicht zu kennen«, erwiderte er schroff. »Du hast nur nach meinen Anweisungen zu fahren. Wenn ich in Sicherheit bin, kannst du abschieben.«

 

Nach und nach mußte er sie auf die weiteren Peinlichkeiten dieser Fahrt vorbereiten. »Natürlich werde ich dich nicht in dem Wagen allein lassen, damit du zu dem nächsten Schutzmann saust, während ich an der Treppe auf mein Boot warte. Du wirst mit zur Treppe kommen und dort bleiben, bis man mich abholt.«

 

Das Wort Treppe, das sie sofort mit dem Wasser in Verbindung brachte, jagte ihr Entsetzen durch die Adern.

 

»Ich werde im Wagen warten, bis du mir sagst, daß ich abfahren darf. Ich schwöre dir, daß ich mich nicht von der Stelle rühren werde …!«

 

»Du wirst tun, was ich dir befehle. Ich denke nicht daran, mich irgendeiner Gefahr auszusetzen. Ich bin schon genug in der Tinte.«

 

Dann fuhr er schlau fort:

 

»Wenn ich mich ohne deinen Wagen durch London hätte hindurchschleichen können, hätte ich’s getan. Aber ich war in Verzweiflung; die Polizei sucht mich überall.«

 

Das schien ihr plausibel. Sie wurde jetzt ganz ruhig, ihr Herz schlug wieder normal. Sie begann sogar ein gewisses Interesse an diesem seltsamen Teil Londons zu nehmen, durch den sie jetzt fuhren.

 

»Das ist Limehouse«, erläuterte er.

 

Die Gegend war sehr schmutzig, öde und unromantisch. Sie hatte erwartet, in jedem zweiten Passanten einen Chinesen zu finden. Sie waren aber alle erschütternd europäisch.

 

Auf seine Anweisung ließ sie den Wagen längs der hohen Mauer eines Docks entlanggleiten. Aufatmend sah er zweihundert Schritte vor der Treppe einen Polizisten vorübergehen. Der würde sobald nicht zurückkehren. Autos waren in dieser Gegend keine Seltenheit; denn eine Schiffahrtsgesellschaft hatte ihren Kai am Eingang der Straße, und heute nacht ging ein großer Überseedampfer hinaus.

 

Er blickte durch das regenfeuchte Fenster, erkannte ein Gebäude und dann die Laternen, die an der Treppe brannten.

 

»Halte hier rechts«, befahl er.

 

Er stieg aus, blickte die Straße hinauf und hinunter. Niemand war zu sehen. Die Gasse hatte sich nicht verändert. Sie bildete zwischen hohen, blinden Mauern eine tiefe Schlucht. Am Ende der engen Passage sah er das Wasser glitzern und das Licht einer Barke.

 

»Los, aussteigen!« rief er barsch. Die alte Furcht packte sie wieder, jenes lähmende Entsetzen, das sie beim Anblick von Guelden Haus ergriffen hatte.

 

»Ich kann nicht! Ich schwöre dir, ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich …«

 

»Aussteigen!« zischte er und riß sie von dem Sitz.

 

Wenn er auch niemanden auf der Straße gesehen hatte, so hatten dennoch zwei Augenpaare ihn aus der dunklen Verborgenheit eines Kaigitters erblickt. Zwei umherstrolchende Diebe, die Gelegenheit suchten, sahen den Wagen. Und sahen den Mann mit dem sich sträubenden Mädchen in dem engen Gang verschwinden.

 

»Wer ist das?« flüsterte der eine, worauf der andere erwiderte: »Der Motor läuft. – Den klauen wir!«

 

Sie blickten dem Mann und dem Mädchen nach. Sie wehrte sich, sprach schnell, fiebernd, beschwörend …

 

»Die zanken sich … warten wir noch ein bißchen, bis sie ganz unten sind.«

 

»Ich gehe nicht weiter!« schrie sie. Ihre Stimme versagte plötzlich vor Angst.

 

Dann drehte sie sich um und entlief. Doch im Nu hatte er sie wieder gepackt, preßte ihr mit der einen Hand den Arm, daß er schmerzte, und erstickte mit der anderen ihre Schreie. Sie wehrte sich verzweifelt und kämpfte um ihr Leben. Die beiden Nachtgeier hörten den Kampf und hielten den Augenblick für günstig.

 

Weder Reef noch das Mädchen bemerkten das Davonfahren des Wagens. Seine Hand umklammerte ihre Kehle. Da sah er die Lichter eines Motorboots. Eine große, weiße Jacht fuhr im Bogen an die Treppe heran. Mit der Kraft der Verzweiflung hob er das Mädchen empor.

 

»Wenn du schreist, schmeiße ich dich ins Wasser«, flüsterte er. Doch Ursula Frensham war schon jenseits allen Widerstandes. »Guelder!« rief Julian leise.

 

Eine unterdrückte Stimme antwortete. Das Boot wetzte seine Planke gegen die vom Wasser umspülten Stufen.

 

»Wer ist das? Ein Mädchen? Nein, das geht nicht.«

 

»Still, du Narr! Es ist Ursula Frensham!«

 

Er hörte einen gedämpften Schrei. Ein Bootshaken scharrte durch einen eisernen Ring. Reef schob Ursula dem Holländer in die Arme und sprang auf Deck.

 

»Wir müssen vorsichtig sein«, mahnte Guelder leise. »Sie wird doch nicht schreien! Ein Wachtboot der Polizei ist ganz nahe. Wir wollen uns hinter der Barke verstecken, bis es vorüber ist.«

 

Der Mann zog die große Jacht in den Schatten, den das leere Schiff ihnen bot.

 

»Die herrliche Ursula!«

 

Reef hörte Guelder schwer atmen und sah, wie er sich über die ohnmächtige Gestalt beugte und ihre Hände betastete.

 

»Wenn du sie getötet hast, lieber Freund, sind wir geschiedene Leute.«

 

»Sie ist nicht tot, sie ist nur ohnmächtig.«

 

»Sprich leise«, warnte der Holländer.

 

Er lehnte sich über die Seite der Barke und blickte hinüber. Etwas Graues, Schmales sauste vorbei, stromauf mit der Flut.

 

»Sie werden gleich vorüber sein. Dann fahren wir«, flüsterte Guelder.

 

Er vernahm ein Stöhnen aus der Richtung, wo Ursula lag, zog ein großes Tuch aus der Tasche, faltete es rasch zusammen und band es ihr um den Mund.

 

»Du mußt ihr die Hände halten, lieber Freund. Zu unserem Glück ist Freda nach Holland gefahren. Ich werde sie wohl nie wiedersehen.«

 

Das Boot glitt ruhig aus dem Schatten heraus und warf sich der Flut entgegen. Julian kniete neben Ursula und lobte die Schnelligkeit der Jacht und den leisen Gang ihrer Maschine. Guelder stimmte dem bei. Er hatte die Gewohnheit, Lob, das man seinem Eigentum zollte, für sich persönlich in Anspruch zu nehmen.

 

»Es ist die stärkste Jacht auf der Themse«, meinte er. »Sie hat auch genügend Proviant an Bord, mich überall hinzutragen. Ich habe dieses Schiffchen mit Vorbedacht gewählt.«

 

»Könntest du damit auch in See gehen?« fragte Julian mit steigender Hoffnung.

 

»Aber ja! Du siehst also, mein Jungchen, wie glücklich du in der Wahl deines Freundes warst.«

 

Die Hände, die Julian hielt, suchten sich ihm zu entziehen.

 

»Beweg dich nicht! Bleib ganz ruhig! Kein Mensch tut dir was. Wir fahren zu Guelders Haus.«

 

Er hörte einen erstickten Laut des Entsetzens und begriff, daß er ungefähr das letzte gesagt hatte, das sie beruhigen konnte. Sie versuchte verzweifelt, das Tuch von ihrem Mund zu reißen.

 

»Sie müssen lieb sein, meine kleine Freundin«, mahnte Guelders verhaßte Stimme. »Sonst müssen wir Sie ins Wasser werfen, und das wäre für Sie ein bißchen peinlich.«

 

Sie verstummte, doch nicht auf diese Drohung. Die Freude machte sie stumm. Denn sie wußte, Guelders Haus würde der erste Ort sein, an dem Tony sie suchte, sobald er ihr Verschwinden entdeckte. Doch auch Guelder war derselbe Gedanke gekommen.

 

Wenn Braid allein käme … doch das schien ihm unwahrscheinlich. Der gräßliche Elk würde sicher auch irgendwo umherspuken. Und Guelder dachte an Elk immer nur mit äußerstem Unbehagen. Denn auch die kühnsten und gelassensten Männer haben ihren schwachen Punkt.

 

Kapitel 31

 

31

 

Sie näherten sich jetzt Greenwich, fuhren an den tiefliegenden Gebäuden des Lebensmittelmarktes vorüber. Ein großer Überseer glitt aus der Dunkelheit hervor – sie umfuhren ihn in weitem Bogen. Er brauste heran, ein hochgetürmter Koloß, mit viel Licht und Getöse.

 

Sobald er vorüber war, richtete Guelder die Spitze des Bootes auf das Ufer zu. Sie fuhren am Bug zweier ankernder Schiffe vorbei und glitten langsam an einen der krummen, grünen Pfähle des faulenden Stegs heran, ehe er die Maschine stoppte. Mit einem Bootshaken zog er sich geschickt von einem Pfahl zum anderen, bis er in dem Bootshaus eine Tür erreichte, deren untere Hälfte unter dem Spiegel der Flut lag.

 

Guelder manövrierte das Boot hin und her, bis die Spitze gegen das schwere Tor drückte. Dann ließ er die Maschine laufen, die Jacht stieß dagegen und zwang ihren Weg vorwärts, öffnete die Tür und fuhr ein. Sie waren in Guelders Bootshaus und Garage. In Wirklichkeit bildete das Ende der Garage bei Hochflut nur einen schmalen Landungssteg.

 

Er hatte ein Licht brennen lassen. Eine seiner weißen Katzen kauerte lauernd am Boden. Das erste, was Ursula sah, waren die grauenvollen, grünen, starren Augen, die sie aus dem Halbdunkel anglotzten.

 

Guelder half ihr aus dem Boot und stieß sie zu der engen Treppe hin.

 

»Gehen Sie hinauf, junge Dame«, befahl er. Sie gehorchte willenlos, bis sie am Kopf der Treppe an einen Vorplatz kam, auf den ein breiter Gang mündete.

 

»Gehen Sie in das Zimmer geradeaus – dort ist die Tür. Warten Sie.« Er drehte einen Schalter, sie sah eine große eichene Tür und öffnete sie.

 

»Jetzt müssen Sie warten, bis ich die Vorhänge herabgelassen habe. Wegen unseres lieben Julian darf man uns nicht sehen. Nun, meine junge Freundin, ist es nicht ganz hübsch hier?«

 

Das Knipsen eines Schalters – dann lag das Wohnzimmer in hellem Licht. Seine Sauberkeit und Gemütlichkeit bildeten einen so starken Gegensatz zu dem, was sie erwartet hatte, daß es ihr den Atem benahm.

 

»Niedlich, mein Häuschen, wie?« schnurrte Guelder und strahlte durch seine Brillengläser. »Sie haben sicher noch nie etwas so Schönes gesehen – etwas so Herzerfreuendes, nicht wahr?«

 

Sie war jetzt ruhiger geworden. Obwohl sie diesen Mann haßte, fühlte sie sich hier bei der Aussicht auf baldige Rettung fast geborgen.

 

»Ich bitte Sie, lassen Sie mich gehen, Mr. Guelder! Wir sind doch hier in Greenwich, nicht wahr? Ich finde mich von hier sehr gut nach Haus.«

 

»Sicher«, antwortete Guelder, »aber Sie werden begreifen, meine schöne junge Dame, daß unser Freund Julian Reef – unser armer Freund – in großer Verlegenheit ist. Ich weiß nicht, was geschehen ist, und habe keine Ahnung, wie Sie hergekommen sind; aber mir genügt schon die Tatsache, daß Sie hier sind und unter meinem Schutz stehen.«

 

Guelder war durch die Gegenwart des Mädchens verwirrt. Er hatte kaum seinen Augen und Ohren getraut, als Julian ihm zugeflüstert hatte, wer seine Begleiterin war. Er blickte verwundert auf den zusammengebrochenen Mann. Es schien ihm, als sei Reef zusammengeschrumpft, seitdem er ihn zum letztenmal gesehen hatte. Er stand an der Tür, rieb sich wie geistesabwesend die Hände und hatte in den Augen einen ängstlichen, argwöhnischen Blick. Guelder schienen diese Symptome bekannt.

 

»Lieber Freund, du bist entweder betrunken oder hungrig. Wenn du betrunken bist, werde ich dir etwas geben, was dich ernüchtern wird. Wenn du hungrig bist – die Tür dort führt in die Küche. Aber ich rate dir Vorsicht! Laß den Wein stehen! Nüchternheit bedeutet Rettung, Trinken Untergang!«

 

Ohne ein Wort zu entgegnen, wandte Julian sich um und verschwand.

 

»Jetzt müssen Sie mir alle diese aufregenden Ereignisse berichten, süße junge Dame. Aber beeilen Sie sich; denn ich fürchte, das Telefon wird bald Alarm schlagen, es sei denn, daß Sie freiwillig gekommen sind … Sie sind nicht freiwillig gekommen? Das hatte ich beinahe vermutet! Das ist schlimm. Der arme Julian muß verrückt geworden sein!«

 

Sie erzählte ihm kurz, wie sich alles zugetragen hatte. Guelder hörte ihr mit unbewegtem Gericht zu. Ihre Gegenwart hatte die Gefahr, in der er stand, verzehnfacht. Ihm blieb jetzt nur die Hoffnung, daß man ihre Entführung nicht so bald bemerkte.

 

»Und Ihren Wagen – wo haben Sie den gelassen?« fragte er plötzlich.

 

»Am Eingang der engen Gasse«, antwortete sie.

 

Er schnitt eine Grimasse.

 

»Ein Geniestreich von Julian! Damit ein Polizist daherkommt, den Wagen und die Nummer sieht. Er telefoniert, und in zwei Minuten weiß ganz London, daß Ursula Frenshams Auto in einer einsamen Gasse an der Channey-Treppe steht! Ein Intelligenzrekord!«

 

Er blickte sie nachdenklich an und erriet fast genau die Stimmung, in der Julian sie ihm gebracht hatte. Wortlos starrte er sie an, völlig im Bann ihrer Schönheit, und vergaß dabei die Gefahr, in der er schwebte. Er hatte jetzt nur noch den einen Gedanken, den Nachforschungen zu entrinnen und dieses berückende Geschöpf, das schon lange seine Gedanken Tag und Nacht beschäftigte und das nun hier in seinem Haus war, für immer zu behalten.

 

Er ging zu einem tiefen Schrank, der in die Wand eingebaut war, und entnahm ihm ein Glas und eine Flasche.

 

»Ich trinke nicht!« rief Ursula hastig und entschlossen. »Ich ersuche Sie, mich sofort gehen zu lassen, Mr. Guelder! Sonst wird die Sache sehr ernste Folgen für Sie haben.« Und sich plötzlich erinnernd, fügte sie hinzu: »Sie haben allen Grund, nicht mit der Polizei in Konflikt zu geraten. Wenn Julian mir die Wahrheit gesagt hat, haben Sie ein Paar höchst verdächtige Handschuhe …«

 

Vor Schreck ließ er die Flasche fallen.

 

»Das hat er Ihnen gesagt? Ich hätte Handschuhe mit Blutflecken, wie? Das ist wahr. Und er hat Ihnen vorgeschwindelt, daß ich …? So, so! Das müssen Sie mir ein bißchen ausführlicher erzählen. Jetzt begreife ich! Der liebe Julian! Sehr raffiniert! Hat er auch von dem Mantel gesprochen? So, so, den habe ich auch getragen? Und Ihren guten Vater habe ich auch ermordet? Das also hat er Ihnen aufgebunden? Ich sehe es Ihrem Gesicht an, meine süße junge Dame, ich habe richtig geraten! Hören Sie mal, das ist ja eine schöne Neuigkeit! Solch niedliche Romane erfindet also unser Julian! Schau, schau! Und Sie sind natürlich hingelaufen und haben alles gleich brühwarm der Polizei ausgeplaudert. Oder hat er Ihnen das erst im Auto erzählt?«

 

»Er hat es mir heute nachmittag erzählt«, erklärte sie.

 

Er nickte verstehend.

 

»Und natürlich haben Sie es dem ›gerissenen Kerl‹ gesagt? Und der ›gerissene Kerl‹ hat es dem Elk erzählt, und jetzt weiß es alle Welt.« Er zog die Schultern hoch. »Solch ein Wahnsinn. Aber jene Handschuhe können vielleicht doch gefährlich werden. Ich muß Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit danken. Und nun trinken Sie mal den Wein. Sehen Sie, ich öffne extra für Sie die Flasche. Es ist kostbarer Bordeaux, er wird Ihnen Mut machen. Warum weichen Sie denn zurück? Sie glauben, ich hätte ihn vergiftet? Ach so! Sie haben doch gesehen, daß ich ihn eben aus dem Schrank genommen habe. Da gießen Sie selbst ein.«

 

»Ich mag keinen Wein«, lehnte sie ab.

 

»Er wird Ihnen guttun. Sie sehen ganz grün aus. Ich bin doch kein Unmensch, Lady Frensham, wenn Sie mich auch nicht gerade schätzen. Wenn Sie mich näher kennen würden, wüßten Sie, daß ich voller Ränke und Listen bin; aber das Herz habe ich auf dem rechten Fleck!«

 

Wie unter einem Bann goß sie etwas Wein in das Glas.

 

»Sie haben es wirklich dringend nötig, nach allem, was Sie durchgemacht haben«, redete Guelder ihr zu.

 

Sie spürte selbst, daß sie eine Stärkung brauchte. Sie fühlte sich schwach und zerschlagen. Bei jedem Schritt auf der Treppe waren ihr die Knie eingesunken. Sie setzte das Glas an die Lippen und tat erst einen kleinen Schluck, dann leerte sie das Glas. An seinem süffigen Geschmack erkannte sie, daß es wirklich kostbarer alter Wein war.

 

»So, und nun setzen Sie sich ein bißchen hin«, ermunterte Guelder.

 

Er führte sie sanft zu der großen Couch am Fenster. Ein seltsames Gefühl der Lässigkeit überkam sie, ein überwältigendes Verlangen nach Schlaf, gegen das sie vergeblich anzukämpfen suchte. Von Sekunde zu Sekunde wurden ihr Wille und ihr Widerstand schwächer. Guelder sah, wie sie wankte, stützte sie und ließ sie sacht auf das Lager niedergleiten. Mit einem Gefühl des Behagens streckte sie sich aus. Er bettete ihren Kopf auf ein Kissen und betrachtete sie zufrieden.

 

»Was tust du da?«

 

Er drehte sich um und sah in Julians argwöhnische, zornige Augen.

 

»Sie ist müde – will schlafen.«

 

»Du hast sie betäubt!«

 

Julian blickte auf die Flasche. »Ja – hat sie denn nicht gesehen …!«

 

Guelder lächelte tückisch. Er konnte ihm nicht gut erklären, daß diese Flasche Wein mit Vorbedacht vorbereitet worden war – nicht für Ursula Frensham – sondern in erster Linie für diesen unwillkommenen Gast. Unwillkommen? Nein, im höchsten Grade gefährlich – für Rex Guelder der gefährlichste Mann auf der Welt. Er hatte innerlich über die Geschichte gelacht, die Reef dem Mädchen vorgelogen hatte. Nur einen Augenblick hatte ihn jähe Angst geschüttelt. Doch jetzt hatte er längst das Urteil über Julian Reef gefällt. Der Mensch war zu allem fähig! Aber unten in der Garage lag eine schwere Kette … sogar zwei… und eine Spule feiner Draht – für alle Fälle. Er überlegte scharf. Es genügte Julian nicht zu entkommen. Er neigte zu dem Wahnwitz so vieler Verbrecher, in einer unmöglichen Stellung letzten Widerstand zu wagen. Und Rex Guelder sollte die Verteidigungswaffe werden. Aber er hatte seine Rechnung ohne ihn gemacht. Der holländische Dampfer, auf dem er für Reef einen Platz belegt hatte, würde ohne ihn in See stechen. Diese neue, gefährliche Lage forderte neue, kluge Maßnahmen. Eine Pest … Rex Guelder dachte den Gedanken nicht zu Ende. Er ging ins Laboratorium und blieb dort etwa zehn Minuten. Julian war in die Küche zurückgekehrt, um seinen Hunger zu stillen.

 

Was geschehen sollte, mußte schnell geschehen. Der Holländer kam in das Wohnzimmer zurück und blickte auf das schlafende Mädchen nieder. Seine Augen weideten sich an ihrer Schönheit. Er beugte sich gerade über sie nieder, als Julian mit einem großen Stück Kuchen in der Hand hereinkam.

 

»Was willst du von ihr, Guelder?« rief er drohend.

 

Der Holländer richtete sich auf und wandte sich ihm mit einem Lächeln zu.

 

»Das wissen nur Gott und ich allein«, schmunzelte er.

 

Julians Augen waren getrübt. Er hatte in der Küche den Weinschrank gefunden.

 

»Ich möcht’s auch wissen, alter Herr«, lallte er. »Ich bin sozusagen der Schutzengel dieser jungen Dame.«

 

Guelder antwortete nicht.

 

»Du hörst wohl schwer?«

 

Reef torkelte auf ihn zu. Er hatte offenbar sehr hastig getrunken, oder der Wein war besonders schwer gewesen. Plötzlich spürte Guelder einen Schnapsgeruch. Aha. Es war leichtsinnig von ihm, die Flasche offen stehen zu lassen und den Weinschrank nicht zu verschließen.

 

»Ich hab‘ mich entschlossen, sie laufen zu lassen«, sagte Reef mit schwerer Zunge. »Ich bin kein Schuft. Ich spiele einem Mädchen, das meine Cousine ist, keinen so gemeinen Streich.«

 

Noch immer sagte Guelder nichts.

 

»Hör mal, alter Gauner …« Julian kam noch näher an Guelder heran und schlug ihm derb auf die Schulter. »Laß deine Hände von dem Mädel. Wir sitzen beide in der Patsche. Wir sollten zusammenhalten. Das beste ist, wir schicken sie dem ›gerissenen Kerl‹ zurück.«

 

Er lachte trunken. »Im Grunde sind wir die Gerissenen – die wahren Gerissenen. Also los, laß sie zurück; und dann wollen wir beide uns dünnemachen!«

 

»Komm«, befahl Guelder kurz. Er ging voran in das Laboratorium. Nur eine Lampe brannte, jene starke, blendende, über der Diamantenmaschine. Am Ende des Raumes war eine Tür, die mit einer stählernen Querstange verschlossen war. Guelder zeigte auf die Tür.

 

»Wenn die Not drängt, und ich warne dich, dann flieh durch die Tür da hinten. Jenseits der Tür ist eine Treppe, die zur Themse führt. Dort liegt ein Boot.«

 

»Ausgezeichnet!« Reef betrachtete die Tür mit dem Ernst eines Betrunkenen.

 

»Ich nehme an, Mr. Elk wird bald da sein. Ich werde ihn eine Weile aufhalten. Es ist gut, wenn du dann den Weg kennst. Sieh ihn dir schon jetzt mal an.«

 

Reef ging auf die Tür zu und faßte die Stahlstange an. Der Holländer beobachtete ihn voll gieriger Erwartung und sah, wie Reefs Körper sich in entsetzlichen Zuckungen wand, hörte ihn röcheln, streckte die Hand nach dem Schalter aus und drehte ihn herum. Reef fiel in sich zusammen. Er hatte kaum den Schlag gefühlt, der ihn getötet hatte.

 

Ohne Anstrengung hob Guelder die Leiche auf die Schulter und trug die stille Gestalt die Treppe hinunter ins Bootshaus. Hier warf er ihn wie ein Mehlsack in das Motorboot und holte eine von den schweren Ketten. Er betrachtete sie kurz. Vielleicht würde er die zweite auch noch brauchen. Mit einem langen Stück Draht wand er die Kette um die Fußgelenke des Toten, dann stieß er die Jacht gegen die Flügeltür und sprang auf das Boot. Die Türen öffneten sich weit.

 

In wenigen Minuten war er mitten im Strom. Nirgends war ein Wachtschiff zu sehen. Langsam ließ er die Leiche über die Seite des Bootes ins Wasser gleiten. Unter dem Gewicht neigte es sich so weit zur Seite, daß Wasser eindrang …

 

Guelder kam ins Bootshaus zurück mit einer Gelassenheit und einer Ruhe, als wäre er nur hinausgegangen, um nach dem Wetter zu sehen.

 

Er zog die Kette dicht an das Boot heran. Dann ging er hinauf und machte nur halt, um sich zu vergewissern, daß die Türen gut verschlossen waren.

 

Ursula schlief noch. Er beugte sich über sie und berührte ihre Wangen mit den Lippen. Dann zog er die Schuhe aus.

 

Kapitel 32

 

32

 

Der Verkehrspolizist in der Commercial Road hob die Hand, um einen Zweisitzer anzuhalten, der an ihm vorbeifahren wollte. Der Fahrer achtete nicht auf das Polizeisignal und wäre auch zweifellos entkommen, wenn nicht im kritischen Augenblick ein großer Lastwagen mit Anhänger ihm den Weg versperrt hätte. Der Polizist ging gemächlich auf das Auto zu, ohne seiner Würde etwas zu vergeben. Da machte der Fahrer einen Fehler. Er sprang hinaus und wollte fortlaufen. Doch unglücklicherweise kam gerade aus dieser Richtung ein zweiter Schutzmann zur Ablösung.

 

»Zeigen Sie doch mal Ihren Führerschein«, befahl der erste Polizist, als der Kollege ihm seinen Fang zugeführt hatte. Der Führerschein war nicht da. Der Kumpan des Fahrers duckte sich ängstlich im Sitz zurück. »Steigen Sie ein«, gebot der erste Schutzmann, »und fahren Sie mich zur Polizeiwache. Wenn Sie Dummheiten machen, dann …« Damit sprang er auf das Trittbrett.

 

Was der Osten von London um zehn Uhr weiß, weiß Scotland Yard eine Minute später. Der Mann, der in Scotland Yard am Fernsprecher saß, nahm eine alltägliche Meldung auf, schrieb die Nummer des Autos nieder und schaltete in das Zimmer des Inspektors Elk um.

 

»Man hat den Wagen gefunden – den von Lady Frensham. Wurde im Osten Londons angehalten mit zwei bekannten Autodieben.«

 

»Hat man die Dame?« fragte Elk besorgt.

 

»Nein, Herr Inspektor, von der Dame weiß man noch nichts.«

 

Der Telefonist schaltete nach Süd-London um und gab die genaue Beschreibung des Schirms mit goldenem Griff durch, der im Parlament gestohlen worden war und, wie man annahm …

 

Tony saß neben Elk in bewundernswerter Ruhe, mit der er seine innere Erregung zu verbergen suchte.

 

»Das bestätigt die Aussage des Polizisten, der behauptet, er habe den Wagen in Limehouse gesehen«, bemerk« Elk. »Verbinden Sie doch mal mit dem Haus von Lady Frensham und fragen Sie, ob sie zurück ist.«

 

Ursula war nicht heimgekehrt. Das weinende Mädchen gab die traurige Auskunft.

 

»Habe ich auch nicht erwartet«, nickte Elk. »In wenigen Minuten werden wir mehr wissen.«

 

Er wartete auf den Anruf der Polizeiwache in Ost-London, der jeden Augenblick kommen mußte. Endlich kam er – von dem wachthabenden Sergeanten. Er hatte die Gefangenen verhört, die alles gestanden hatten. Es waren vernünftige Diebe, die der Polizei niemals unnötige Arbeit machten. Sie hatten das Auto an der Channey-Brücke aus Versehen mitgenommen. Sie hatten auch einen Mann und eine Frau die Gasse hinuntergehen sehen, dem Wasser zu.

 

»Limehouse … Channey-Brücke … ausgezeichnet!« sagte Elk. Er tippte ungeduldig auf den Apparat. Die Zentrale meldete sich.

 

»Verbinden Sie schleunigst mit dem Hauptquartier der Themsepolizei. Sagen Sie Ihnen, sie sollen ein Motorboot an der Channey-Treppe bereithalten!«

 

»Können Sie nicht nach Greenwich telefonieren?« fragte Braid, der schon ziemlich angegriffen war.

 

Elk schüttelte den Kopf.

 

»Wenn sie dort sind, ist die Landseite so verrammelt, daß Sie einen Rammbock brauchten, um in das Haus zu kommen Er hat an seinem Grundstück ein herrliches Hintergebäude, dieser Holländer – es reicht bis zum Nord- und Südpol. Auf diesem Weg wird er türmen. Ich bin dafür, Fallen vor die Ausfalltore zu legen.« »Wer war der Mann, der mit ihr war?« fragte Braid, obwohl er es ahnte.

 

Elk wiegte den Kopf.

 

»Die Autodiebe haben keine nähere Beschreibung gegeben. Sie sahen nur einen Mann, der sich mit einem Mädchen zankte. Da sie nichts von einem ausländischen Akzent sagten, nehme ich an, daß es Reef gewesen ist. Übrigens hat Guelder für ihn Vorkehrungen getroffen. Er sollte heute nacht London auf dem Wasserweg verlassen. Es paßt alles genau. Er wollte ihn an Bord der ›Van Zeeman‹ bringen, die heute nach Südamerika ausläuft. Der Obersteward war mit im Bunde, aber der Zahlmeister schöpfte Verdacht und meldete es der Polizei.«

 

Er zog einen schweren Regenmantel an und schloß den Gürtel. Dann öffnete er die Schreibtischschublade, nahm einen sehr handlichen Browning heraus und ließ ihn in die Tasche gleiten. Dabei sagte er entschuldigend: »Ich gebrauche sehr ungern Schießeisen. Es sieht so nach Theater aus. Aber ich habe eine Vorahnung, daß der liebe, alte Rex Fisimatenten machen wird. Und das Leben ist gerade jetzt für mich sehr kostbar – ich komme in die Jahre. Und wenn man in mein Alter kommt, wird man immer skeptischer, wie die Welt eigentlich ohne einen auskommen soll.«

 

Der Wagen wartete vor der Tür. Daneben standen zwei Männer, die sich ohne ein Wort auf den Sitz neben den Führer zwängten.

 

»Die einzige Freude des höheren Beamten auf dieser Erde besteht darin«, grinste Elk, »daß er die besten Plätze kriegt. Ich werde die beiden Leute gar nicht brauchen, denn diese Themsepolizisten haben’s in sich.«

 

Eine Viertelstunde später hielten sie an der Channey-Brücke und fanden dort einen Flußpolizeisergeanten vor. Am Fuß der Brücke lag ein langes Boot mit schwachbrennenden Lichtern.

 

»Sie werden die Lichter da ausmachen müssen, wenn Sie an das Haus herankommen, Inspektor«, meinte der Sergeant.

 

»Von welchem Haus reden Sie denn?« tat Elk unschuldig.

 

»Guelders doch wohl. Man hat es mir nicht gesagt, aber ich errate es. Wir hatten Befehl, Guelders Haus zu bewachen und Reef zu verhaften.«

 

»Wir werden diesen Reef verhaften«, sagte Elk. »Ich bin überzeugt, wir werden ihn ausheben.«

 

Das war ein prophetischer Ausspruch.

 

Die Gezeiten wechselten gerade, und das Boot trieb in rasender Geschwindigkeit ostwärts.

 

»Ich halte mich dicht an die Küste von Middlesex«, erklärte der Sergeant. »Es ist besser, quer über den Fluß hinüberzustoßen und das Haus zu überraschen, als mitten im Fluß daraufloszusteuern. Er würde uns vermutlich sehen – der Lichtschein von London liegt über dem Strom.«

 

Elk erklärte sich mit allem einverstanden. Er kannte die Technik der Flußarbeit nicht.

 

»Im Laboratorium ist Licht.« Der Sergeant blickte durch die Nachtgläser. »Guelder ist zu Hause.«

 

»Er hat ein Boot, nicht wahr?«

 

»Ja, eine sehr starke Jacht. Am besten kommen wir durch das Bootshaus hinein. Das ist nicht zu verschließen. Vor drei Monaten hat eine ›Flußratte‹ dort drei oder vier Kanister Benzin gestohlen und wurde von Guelders Katzen fast in Stücke zerfetzt.«

 

Sie waren jetzt dem Haus gegenüber. »Los!« befahl Elk.

 

Der Sergeant drehte die Spitze des Bootes auf das Haus zu. Plötzlich wurde die Jacht erschüttert.

 

»Es ist nichts«, erklärte der Polizeibeamte. Dann rief er: »Ihr da vorn, was gibt’s da im Wasser?«

 

»Sieht aus wie ’ne Leiche«, antwortete eine Stimme.

 

»Holt sie ‚raus«, befahl der Sergeant lakonisch.

 

Ein Bootshaken fuhr über die Bordwand hinaus und zog das dunkle Bündel auf Deck.

 

»Bedauere den Aufenthalt, Inspektor, aber ich darf nicht daran vorbeifahren. Ist nicht angenehm, muß aber sein. Wir dürfen an keiner Leiche vorbeifahren, wenn wir nicht auf Verfolgung sind.«

 

Zwei Mann hatten nun das Bündel auf die Planken niedergelegt.

 

»Ein Toter«, rief eine Stimme, »war noch nicht lange im Wasser.«

 

Elk trat mit dem Sergeanten dazu. Jemand hielt eine Laterne und leuchtete der Leiche ins Gesicht. Tony blickte dem Inspektor über die Schulter und sah voll Entsetzen in die toten Augen Julian Reefs. Mr. Guelders Kette war sehr schlecht befestigt gewesen.

 

Kapitel 22

 

22

 

Julian hatte an diesem Abend seinen Sozius nach Greenwich begleitet. Sie fuhren mit der Elektrischen, einem Beförderungsmittel, das der rothaarige junge Mann über alle Maßen verabscheute.

 

»Sparsamkeit in kleinen Dingen, mein Freund«, belehrte Guelder, »ist die Grundlage allen Reichtums. Das nächste Mal, wenn du mich besuchst, wirst du in einem vergoldeten Wagen fahren, und vier Schimmel mit goldenen Hufen werden ihn ziehen. Doch heute tut’s die Elektrische auch.«

 

»Hoffentlich finden die Leute den Weg zu dir«, sorgte sich Julian. »Sicher kennt keiner von ihnen Greenwich.«

 

Guelder hatte keine Bedenken.

 

»Ich habe ihnen Pläne mit genauer Einzeichnung gegeben. Das wird ja eine feine Gesellschaft heute abend in meinem Haus, wie? Freda wird vor Wut platzen. Sie hat mir schon angekündigt, daß sie nach Holland zurückkehrt, wenn ich ihr Gäste ins Haus schleppe. Das würde mir leid tun, denn ich mag sie ganz gern.«

 

»Warum wohnst du bloß so weit draußen?« zürnte Julian, nicht zum erstenmal.

 

»Weil ich die Seeluft liebe, mein Jungchen, die den Fluß heraufweht. Ich bin am Wasser geboren. In meiner Heimat in Holland kann man nicht fünf Minuten gehen, ohne daß man in einen Kanal oder ein Fleet plumpst. Ich liebe den Geruch des Wassers, die großen Schiffe, die hinauf und hinunter fahren, und die kleinen Boote des Nachts! Manches Mal beobachte ich sie die ganze Nacht hindurch von meinem Fenster. Ich sehe sie dahinschwimmen, am Ufer entlang, wie Ratten – wie Wasserratten. Und ich habe in jenen dunklen Stunden Dinge gehört und gesehen, mein guter Freund, die dir das Blut in Eis verwandeln würden.«

 

Auf Mr. Rex Guelder hatten diese Dinge anscheinend keine solche Wirkung geübt, wenn sein entzücktes Lächeln nicht trügte.

 

»Du siehst also, Greenwich hat für mich seine sehr guten Seiten. Bedenke auch, mein Freund, wie leicht es für einen armen gehetzten Holländer wäre, den die Polizei sucht, in einer nebligen Nacht auf dieser großen Wasserstraße, die in die weite Welt hinausführt, zu entkommen. Kein Hafen, kein Zoll, keine forschenden Polizisten, die den Passagieren ins Gesicht starren, wenn sie aufs Schiff gehen, kein Paß – nichts, nur du, das Boot, die See und der Nebel!«

 

Julian schüttelte sich.

 

»Scheint mir ’ne verflucht unbequeme Geschichte.«

 

Guelder grinste.

 

»Mir macht so etwas Vergnügen«, behauptete er.

 

»Du würdest wahrscheinlich nach Holland verduften, wenn es hier schiefginge?«

 

Der Mann grunzte.

 

»Das ist nicht mehr mein Vaterland.«

 

*

 

Freda zeigte durchaus keine schlechte Laune, begrüßte Julian vielmehr fast begeistert. Es haperte sehr mit ihrem Englisch. Sie fing einen Satz ganz richtig an, verlor dann aber den Mut und verhedderte sich in ein unzusammenhängendes Gebabbel, das selbst Guelder nicht verstehen konnte. Eine wundervolle Frau nannte er sie in ihrer Abwesenheit.

 

Julian, der noch nie die Wohnräume Guelders gesehen hatte, war über die peinliche Ordnung und Sauberkeit nicht wenig erstaunt. Jedes Stück Kupfer und Messing strahlte und legte Zeugnis ab für den Fleiß der alten Frau. Er schloß auch Bekanntschaft mit den drei Schutzengeln des Hauses. Sie saßen nebeneinander, als wären sie auf diese Stellung abgerichtet worden, die drei großen Katzen mit den grünen Augen, die größten, denen Julian jemals begegnet war.

 

Eine halbe Stunde, während das Essen bereitet wurde, saßen sie auf dem Fensterplatz und beobachteten die Fahrzeuge, die die Themse durch die Abenddämmerung hinauf und hinab glitten. Als Guelder sich eine neue und noch schlechtere Zigarre anzündete, brach er das Schweigen.

 

»Ich möchte Braid zu gern unschädlich machen«, begann er. »Es gab einmal eine Zeit, mein Freund, in der du viel mehr Initiative hattest. Da hättest du längst einen klugen kleinen Spion in sein Haus eingeschmuggelt. Ich denke noch an deinen Krach mit Crostuck, und wie nützlich dir die Nachricht seines Dienstmädchens über seine Auslandsreise war, he?«

 

Julian warf den Zigarettenstummel zum Fenster hinaus und sah ihm nach, wie er durch die faulenden Planken der Werft in den Schlamm fiel und zischend erlosch.

 

»Bei Braid würde das ganz zwecklos sein«, sagte er. »Ich habe vor einem Monat einen Mann zu ihm gebracht – den Kammerdiener. Es hat mich einen Zehner gekostet, ihn einzuschmuggeln – er war ihn nicht wert. Leider nimmt Braid ihn nicht nach Ascot mir, und das vermindert natürlich sehr seinen Nutzen. Bis jetzt hat er mir sehr wenig berichtet. Und was schlimmer ist, Braid hat anscheinend Verdacht geschöpft.«

 

Der andere blickte ihn voller Bewunderung an.

 

»Bist ein kluges Bübchen!« brummte er.

 

»Dabei ist der Kerl gar nicht dumm und hat ausgezeichnete Fähigkeiten«, fuhr Julian fort. »In London arbeitet er nicht schlecht. Braid hat einer Nebenanschluß in seinem Schlafzimmer. Man kann dort sehr bequem alles hören, was er in seinem Arbeits- und Speisezimmer am Telefon spricht.«

 

Er blickte ungeduldig auf die Uhr, doch da kam Freda auch schon mit dem Essen herein.

 

Als der erste Gast ankam, war es schon ganz dunkel geworden. Sie empfingen ihn in dem großen Wohnzimmer. Gleich hinter ihm kamen der zweite und dritte, doch auf den vierten und fünften mußten sie noch eine Weile warten. Es war ein kleiner skeptischer Kreis nüchterner Geschäftsleute. Und doch hielt jeder von ihnen das Experiment, dessen Zeugen sie werden sollten, für durchaus glaubhaft und möglich.

 

»Ich habe mir sehr oft gedacht, man müsse das doch machen können«, rief Sleser, der dicke, stiernackige Millionär. »Ich weiß, daß man weiße Diamanten durch die Verwendung von X-Strahlen rosa färben kann, und hab‘ mir immer gesagt, daß man genauso doch auch einen gelben Diamanten, der nicht den zehnten Wert eines bläulich-weißen hat, nehmen und die Farbe aus ihm herausziehen könnte.«

 

Guelder strahlte den Sprecher an.

 

»Es ist nicht nur möglich«, sagte er »es ist sogar schon gelungen«.

 

»Was würde das für Sie bedeuten, ganz abgesehen von dem Gewinn an der Börse?« fragte ein anderer Julian.

 

»Ich habe für fünf zehntausend Pfund bunte Steine im Safe, die aus allen Teilen Europas gesammelt sind«, erwiderte Reef. »Wir haben wahrscheinlich für manche mehr gezahlt, als sie wert sind, aber nicht den vierten Teil des Wertes, den sie nach dem chemischen Prozeß haben werden.«

 

»Und das können Sie tun?« fragte Sleser, die trüben Augen dem Holländer zugewandt.

 

»Ich habe es getan«, lächelte Guelder. »Heute noch werden Sie das Verfahren kennenlernen.«

 

Sleser grunzte etwas vor sich hin und wälzte sich in seinem bequemen Sessel.

 

»Dieses Verfahren wird auf dem Markt eine Revolution hervorrufen«, rief er. »Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß Tausende von Steinen, die bisher für einen Pappenstiel geschliffen und verkauft worden sind, mit den weißen in Konkurrenz treten werden. Ihre fünfzehntausend Pfund Steine werden hunderttausend wert sein. Viel wichtiger aber ist, daß Tausende und aber Tausende von Steinen, die man jetzt wegwirft oder als Fehlfarben verschleudert, für den Markt in Betracht kommen. Und wie wir alle wissen, haben gerade die größten Diamanten, die je gefunden wurden, einen Farbfehler.«

 

Er tat einen langen Zug aus seiner Zigarre und starrte auf den Teppich.

 

»Sobald dies bekannt wird, muß den Markt eine Panik ergreifen. Es gibt in der Welt Hunderte und Tausende von gelben Diamanten, die plötzlich soviel wert sein werden wie die besten bläulichweißen, die man in Kimberley findet. Ich habe es ausgerechnet und bin dahingekommen, daß wir mindestens einen fünfzigprozentigen Sturz aller Diamantenaktien zu erwarten haben. – Machen Sie doch die Tür zu und sagen Sie der alten Frau, sie soll nicht immerzu hereinkommen, sondern hübsch draußen bleiben, bis wir unsere Besprechung beendigt haben!«

 

»Sie wird nicht mehr hereinkommen«, beruhigte Guelder, »sie versteht auch kein Wort Englisch.«

 

»Ich schlage also folgendes vor«, fuhr Sleser fort. »Wenn das Experiment uns alle befriedigt, wollen wir sofort an die Arbeit gehen und eine kleine Gesellschaft gründen, die wir ›Farbiges Diamanten-Syndikat‹ nennen. Vor allen Dingen muß die Presse erfahren, daß wir Vertrauen zu dem neuen Verfahren haben. Ich nehme an, daß jeder von uns Anteile an der Gesellschaft erwerben wird. Das Kapital braucht nicht sehr groß zu sein. Wir übernehmen das Verfahren, errichten irgendwo an der Südküste eine Fabrik und nehmen ein paar vornehme Direktoren hinein, um der Sache einen vertrauenswürdigen Anstrich zu geben. Unterdessen, vielleicht schon morgen, gehen wir den de Mesne-Aktien zuleibe und stampfen sie in, Grund und Boden. Morgen nachmittag bringen wir einen Bericht mit Einzelheiten über die Erfindung in der Presse. Lassen Sie gleich Ihre Steine fotografieren, damit wir Abbildungen veröffentlichen können. Am Tag darauf werden wir Einzelheiten über die neue Gesellschaft bringen. Doch bis dahin werden Diamantenaktien, wenn mich nicht alles täuscht, einen Kurs haben, bei dem wir uns eindecken und einen gewaltigen Gewinn einheimsen können.«

 

Er stand auf und fegte die Zigarrenasche von seinem Knie.

 

»So, und jetzt wollen wir uns Ihren geheimnisvollen Apparat mal etwas näher ansehen. Ich fange allmählich an, ihn für faulen Zauber zu halten oder zu glauben, daß ich träume.«

 

Kapitel 23

 

23

 

Guelder ging durch die Eisentür voran zu der Bank am Ende des Laboratoriums. Dort standen sechs Stühle für die Zuschauer. Er reichte einen würfelförmigen Diamanten von Hand zu Hand, einen Stein von so tiefem Gelb, daß er fast braun aussah.

 

»Dies, meine Herren, ist der Stein, mit dem ich experimentieren werde. Er ist sehr wertvoll und der größte, den ich bisher bearbeitet habe. Ich habe ihn mit Vorbedacht gewählt wegen seiner Form, und weil ich glaube, daß ich wegen seiner großen Lichtempfänglichkeit ein besonders günstiges Ergebnis erzielen werde.«

 

Er drehte seine Schalter an und legte den Stein in die Mulde im Achat. Die Männer drängten heran, beobachteten, starrten, bis ein blendender Blitz mit sprühenden blauen Funken aus der Maschine gerade in der Richtung der Zuschauer hervorschoß.

 

»Bitte, es ist nichts«, beruhigte Guelder, während sie zurücktaumelten.

 

Er entnahm einer Teetasse einen Löffel weißes Pulver und schüttete es über den Diamanten, bis er auf dem Achat unsichtbar wurde. Dann setzte er das weiße Häufchen dem elektrischen Bombardement aus.

 

»Was bedeutet das blaue Licht?« fragte jemand und wurde von Guelder mit einer Lawine technischer Erklärungen überschüttet, die für die meisten unverständlich waren.

 

An dem Apparat befand sich eine Skala mit einem Zeiger, der sich drehte, sobald Guelder den Strom einschaltete.

 

»Vorläufig fehlt noch die automatische Genauigkeit«, entschuldigte er sich; »aber bald werde ich einen Meßapparat herstellen, der mir genau anzeigt, wann mein kleiner Stein gargekocht ist. Sie begreifen, daß die Weiße und der Glanz des Steins von der Höhe der Temperatur abhängen.«

 

Er führte ihnen ein Experiment mit einem weißen Saphir vor, den er auf einer kleinen Platte in Sand verscharrte und dann elektrisch erhitzte. Am Schluß des Versuchs hob er den Stein mit einer Pinzette heraus. Der Saphir funkelte jetzt rein und hell wie ein Diamant.

 

»Ich wette«, meinte Guelder, »kein Sachverständiger kann diesen Stein von einem echten unterscheiden.«

 

Die Herren wurden inzwischen des Sitzens müde, schlenderten im Laboratorium umher und ließen sich von Guelder die verschiedenen Apparate erklären, die schließlich zu der großen Erfindung geführt hatten.

 

»Es ist Ihnen doch wohl klar, daß die großen Gesellschaften uns ein Angebot auf Ihren Apparat machen werden?« fragte Sleser. »Sie werden selber die Entfärbung ausführen wollen. Nach meiner Schätzung dürfte das allein uns zwei Millionen einbringen.«

 

Guelder antwortete nicht.

 

Es bereitete ihm heimlich Vergnügen, daß kein Mensch über die Entschädigung sprach, die ihm zu zahlen war. Sie behandelten seine Maschine schon als ihr Eigentum.

 

Dieser Umstand fiel allmählich dem geschäftstüchtigen Sleser auf. Er zog die Herren beiseite und raunte:

 

»Wir werden diesem Burschen eine fette Akontozahlung leisten müssen«, riet er, »und natürlich muß er einen großen Anteil an der Gesellschaft haben.«

 

Guelder wurde hinzugezogen, er zeigte sich sehr nachgiebig, fast demütig, und nahm die garantierte Zahlung von zwanzigtausend Pfund mit allen Zeichen höchster Dankbarkeit entgegen. Auch wurden ihm ein großer Teil der Aktien und ein wichtiger Posten in dem »Farbigen Diamanten-Syndikat« in Aussicht gestellt.

 

Aber er hatte andere Pläne und Ziele und hatte seinen Partnern schon die Treue gebrochen, ehe noch die Gesellschaft gegründet worden war. Julian war mit ihm im Bunde. Reef war nicht der Mann, der sich mit einigen Zehntausenden zufrieden gab. Er trachtete nach Millionen und wollte mit allen Mitteln sein Ziel erreichen.

 

Von Zeit zu Zeit gingen sie zu dem summenden Apparat zurück und betrachteten voll Neugier den kleinen Haufen dieses weißen kristallinischen Pulvers, unter dem ein enormes Vermögen im Entstehen war. Einer der Herren, der am Fenster stand und auf den Strom hinausblickte, machte die Bemerkung, wie leicht hier ein Mord verübt und das Opfer beseitigt werden könnte. Er öffnete das Fenster, und der Regen strömte ununterbrochen nieder.

 

»Zum Donnerwetter, schließen Sie das Fenster!« wetterte Sleser gereizt, »und reden Sie nicht von Mord. Man kriegt ja geradezu ’ne Gänsehaut. – Mein Gott, was ist denn das?«

 

In der Dunkelheit des Zimmers glühten zwei grüne Kreise auf. »Sie – was ist das?«

 

»Mein Kätzchen«, lächelte Guelder und pfiff.

 

Das weiße, gespenstische, riesige Tier kam langsam näher. Es rieb sich gegen Guelders Bein und ließ sich gnädig von ihm das Ohr krauen.

 

»Hat mir einen schönen Schrecken eingejagt!«

 

Sleser trocknete die feuchte Stirn mit einem großen Taschentuch und blickte ängstlich umher.

 

»Warum zum Henker haben Sie Ihr Laboratorium nicht irgendwo im Westen eingerichtet? Dieser Ort hat etwas Unheimliches. Hier ist sicher schon mal einer abgemurkst worden.«

 

Während er sprach, sah er die große Katze ganz steif dastehen, steil sträubten sich ihre Haare, er vernahm ein tiefes, wütendes Schnurren, dann sprang sie rasch wie ein zuckender Blitz quer durch den Raum und verschwand.

 

»Das hat nichts zu sagen«, beruhigte Guelder mit einer leichten Handbewegung. »Ihre Freunde im Bootshaus brauchen Hilfe.« Er zeigte nach unten. »Ratten … die sind augenblicklich etwas zahlreich. Hunderte und aber Hunderte. Und wenn eins der Kätzchen in Bedrängnis ist, dann ruft es seine Brüder – weiter nichts.«

 

Mr. Sleser wischte sich den Hals unter dem Kragen und blickte unbehaglich in den dunklen Teil des Zimmers.

 

»Unheimlich«, brummte er mit rauher Stimme. »Los, los, wir wollen zu Ende kommen! Wie lange soll das denn noch dauern?«

 

»Gar nicht mehr lange. Kommen Sie.«

 

Er blickte auf den Zeiger des Meßapparats und schaute dann auf die Uhr.

 

»Ich weiß nicht …« Er zögerte. »Entweder ist es fertig oder es gelingt nie. Wenn dieses Experiment mißlingt, meine Herren, müssen wir es noch einmal versuchen. In der Wissenschaft kann man nichts erzwingen.«

 

Er nahm eine kleine Porzellanschale und füllte sie mit einer weißen, durchsichtigen Flüssigkeit, die er sehr sorgfältig aus einer großen Flasche mit der Aufschrift »Gift« ausgoß. Dann hob er den Stein heraus, schabte mit einer Pinzette das Pulver, das den Diamanten bedeckte, ab, und ließ ihn in das milchige Bad fallen.

 

»Noch eine Minute …«, flüsterte er mit belegter Stimme.

 

Diese Minute schien wie Stunden. In dem großen Raum war nur der Atem der Männer zu vernehmen. Guelder hatte den Strom abgestellt. Die Maschine war jählings verstummt. Ein lastendes Schweigen hallte nach.

 

Jetzt griff er mit der Pinzette in die Flüssigkeit.

 

»Nehmen Sie bitte das Tuch …«

 

Er zeigte auf ein kleines, gelbes Staubtuch.

 

Sleser befolgte den Befehl.

 

»Jetzt!«

 

Er griff mit der Pinzette zu, faßte den Diamanten und legte ihn hastig in das bereitgehaltene Tuch.

 

»Wischen Sie ihn schnell ab.« Sleser gehorchte.

 

»Jetzt sehen Sie nach!«

 

Der Millionär starrte auf den Stein in seiner Hand. Das war kein dunkelgelber Diamant mehr. Es strahlte ein weißes und blaues Feuer, wundervoll anzusehen.

 

»Mein Gott«, ächzte er und trug den Stein unter das Licht.

 

»Bleibt das auch so?«

 

Guelder lächelte.

 

»Ewig«, rief er emphatisch.

 

Der Versuch war beendet. Sie trugen den Stein in das Wohnzimmer, das hell erleuchtet war. An seinem Schreibtisch hatte Guelder eine besonders helle Lampe. Unter dieser drängten sie sich zusammen, um dieses wunderbare Kleinod zu prüfen.

 

»Das ist ein weißer Diamant – so wahr ich lebe! Darf ich ihn vierundzwanzig Stunden behalten?«

 

Guelder breitete gönnerhaft beide Arme aus.

 

»Vierundzwanzig Jahre, mein Freund«, rief er vergnügt, »als gelber Diamant war er hundert Pfund wert.«

 

»Als weißer ist er tausend wert«, stammelte Sleser erregt. »Ich übernehme jede Garantie, daß ich ihn jedem Händler für tausend verkaufe. Es ist ein Wunder.«

 

Es klopfte. Guelder öffnete die Tür.

 

»Was wollen Sie?« fuhr er ungeduldig die alte Frau an.

 

»Das dumme Telefon klingelt seit Stunden«, sagte Freda phlegmatisch. »Ich verstehe nicht recht, was sie wollen, aber ich glaube, sie fragen nach Mr. Reef.«

 

Guelder fing Julians Blick auf und winkte ihm.

 

»Telefon«, sagte er, und dann leiser: »Was sagst du nun? Bin ich ein großer Erfinder oder nicht? Wird Rex Guelder bald in aller Munde sein, he?«

 

»Du bist ein fabelhafter Bursche! Wer will mich denn eigentlich sprechen?«

 

»Ach«, klagte Guelder enttäuscht, »daran kannst du jetzt denken! Geh mit Freda. Zu der paßt du!«

 

Reef blieb fünf Minuten fort. Aber er kam nicht zurück, sondern ließ Guelder durch Freda holen.

 

Sie hatten eine leise Beratung am Fuß der Treppe, und gleich darauf verließ Julian das Haus.

 

»Wo ist Reef geblieben?« fragte einer der Herren, als Guelder allein zurückkehrte.

 

Der Holländer erklärte, daß Julian in einer sehr dringenden Angelegenheit abgerufen worden sei, ließ sich aber auf eine weitere Erklärung nicht ein. Es schien ihm nicht ratsam noch vorteilhaft, mitzuteilen, daß Julian Reef in diesem Augenblick in Mr. Guelders Sportwagen hinter einem Rolls-Royce herjagte. Welche Folgen diese Jagd haben könnte, mochte er sich selbst gar nicht vorstellen.

 

Kapitel 24

 

24

 

Nachdem Tony Ursula nach Hause gebracht hatte, kehrte er ziemlich beunruhigt heim. Elk hatte ihn nach Hampstead begleitet und ihn gebeten, ihn unterwegs abzusetzen.

 

»Etwas Seltsames, Mr. Elk«, sagte Tony, »ich habe bisher noch nicht darüber gesprochen, daß man mich seit einigen Tagen verfolgt. Einmal ging ich zurück und versuchte, den Mann zu erwischen. Hätte ich ihn gefaßt, dann wäre ihm der Mut wohl vergangen!«

 

»In welchem Fall Sie eingelocht worden wären«, bemerkte Elk kühl. »Nicht einmal Millionäre dürfen Mitglieder des CID verprügeln.«

 

»Was sagen Sie da?« fragte Tony überrascht und traute seinen Ohren nicht.

 

»Einer meiner Leute, der Sie überwacht, Mr. Braid. Jetzt kann ich’s Ihnen ja sagen. Ich hatte Angst, Sie könnten eines schönen Tages Selbstmord begehen, und da Sie ein so netter Mensch sind, wollte ich das Risiko nicht tragen.«

 

»Wollen Sie im Ernst sagen, daß ich überwacht worden bin von einem –?«

 

»Detektiv«, ergänzte Elk. »Und, bitte, tun Sie in Zukunft, als ob Sie’s nicht merkten. Er kam hinter uns, als wir von Kirro herauskamen. Das war der Mann, der die Straße hinunterjagte und einen Wagen suchte, um den Schützenkönig zu verfolgen. Etwas anderes wollte ich noch fragen, Mr. Braid: wer könnte wissen, daß Sie heute abend nach Woolwich fuhren oder warum Sie dahin fuhren?«

 

Tony schüttelte verständnislos den Kopf.

 

»Sie haben es niemandem gesagt – auch mit niemandem telefoniert?«

 

»Außer mit Lady Frensham …«

 

»Haben Sie es vielleicht zufällig Ihren Bedienten gesagt?«

 

»Ich habe überhaupt nur einen Diener – meinen Kammerdiener, namens Lein. Er ist keine Leuchte … ihn hätte ich sicher nicht ins Vertrauen gezogen, zumal ich ihm gekündigt habe. Er ist mir ein bißchen zu neugierig.«

 

»Lein?« wiederholte Elk nachdenklich. »Ich erinnere mich an den jungen Mann von meinem Besuch am Abend vor dem Steward-Pokal. Seit wann ist er bei Ihnen?«

 

»Seit einem Monat«, erwiderte Tony. »Er hatte sehr gute Empfehlungen.«

 

»Kann jemand bei Ihnen mithören, wenn Sie telefonieren?«

 

Tony lächelte. »Wenn er vor der Tür steht und angestrengt lauscht, kann er mich wohl hören; aber ich bezweifle sehr, daß er auch Sie hören kann. – Herr Gott, der Nebenanschluß!«

 

Er erzählte Elk von dem Apparat im Schlafzimmer.

 

»Wer dort horcht, kann natürlich hören, was ich sage und was Sie antworten. Daran hab‘ ich nicht gedacht. Aber es scheint mir doch sehr unwahrscheinlich.«

 

»Nichts ist unwahrscheinlich. Ich komme mir ‚rein und nehme mir den Mr. Lein mal vor.«

 

»Aber der Mann kann doch auch völlig unschuldig sein –«, wandte Tony ein.

 

»Kein Mensch ist unschuldig«, dozierte Elk. »Ich nicht, Sie nicht. Und ich wette, Lein hat mindestens schon seine achtundzwanzig Vorstrafen weg.«

 

Als Mr. Elk dem auffallend nervösen jungen Mann gegenüberstand, der auf Tonys Klingeln hereinkam, konnte er in ihm keinen ausgesprochenen Verbrecher erkennen. Sonst hätte er ihn ja auch schon das erstemal schärfer aufs Korn genommen. Er war dem Polizisten auch nicht bekannt. Doch das besagte nichts. Denn wie Elk später erklärte, sind die meisten Verbrecher bei der Polizei nicht bekannt, und die Polizei kennt nur eine geringe Anzahl Pechvögel mit ihren Spitznamen.

 

»Wo waren Sie früher, mein Sohn?« fragte Elk.

 

Der Mann zögerte gerade um den Bruchteil einer Sekunde zu lange.

 

»Bei Lord Ryslip.«

 

Er nannte einen bekannten Übersee-Gouverneur, der, wie Elk wußte, seit fünf Jahren nicht mehr in England war.

 

Er stellte eine andere Frage. Der Mann wurde verlegen. Dann wurde er ausfallend und frech.

 

»Wenn du hier unverschämt wirst«, warnte Elk sanft, »schmeiße ich dich durch das Fenster direkt auf die Spitzen des Eisengitters. Kennst du mich, mein Sohn?«

 

»Ja, Sie sind Sergeant Elk.«

 

»Inspektor! Du rückständiger Hering!« brüllte Elk.

 

Da beging der Mann einen Fehler und platzte heraus: »Die nennen Sie immer Sergeant.«

 

Elk sah ihn fest an.

 

»Aha, ein Diebskumpan! Wer hat dich hierhergeschickt? Warum hast du Mr. Braids Gespräch mit mir heute abend belauscht? Mit wem hast du nachher telefoniert? Gestehe sofort, sonst stecke ich dich in den Eisschrank und mache aus dir eine Fürst-Pückler-Bombe!«

 

Der Mann schimpfte und verließ schließlich kurzerhand das Zimmer.

 

»Schuldig«, rief Elk, »aber ich weiß nicht, wie man ihn zur Strecke bringt. In den alten Tagen, als wir noch Folterkammern im Tower, dem alten Scotland Yard, hatten, hätten wir allerhand Interessantes aus ihm herausgequetscht, aber heute erlauben sie den ›dritten Grad‹ nicht mehr in England. Vielleicht kann mir die Telefonaufsicht etwas verraten –« Er sprang empor, als er die Haustür zuschlagen hörte. Auf halbem Weg zur Tür blieb er stehen.

 

»Ich werde impulsiv auf meine alten Tage«, tadelte er sich. »Dabei kann ich den Vogel gar nicht verhaften. Aber ich hab‘ ein Gefühl, daß ich ihn finden werde, wenn ich ihn brauche. Wenn Sie gestatten, Mr. Braid, werde ich jetzt Ihr Telefon benutzen.«

 

Er sprach zehn Minuten mit der Aufsicht.

 

»Also nach Greenwich …«

 

»Nach Greenwich?« fragte Tony, der das Gespräch mit angehört hatte.

 

»Ja, Guelders Haus. Natürlich weiß das Fräulein nicht, was gesprochen wurde. Ihr feiner junger Mann arbeitet offenbar mit den Reef-Leuten Hand in Hand. Erinnern Sie sich noch, was ich am Telefon sagte? Hab‘ ich blöderweise den Mantel erwähnt?«

 

Tony nickte.

 

»Zu dämlich! Womöglich auch den ehrenwerten Mr. Julian Reef? Sicher! Ich wette, dieser Bursche hat ihn in ganz London gesucht. Er hat vier Gespräche geführt, seit Sie nach Woolwich gefahren sind. Dieses Spioniersystem ist ein alter Trick Reefs – o ja, hat er schon früher angewandt.«

 

Dann erzählte er Tony eine Menge Geschichten über Julian Reef, daß ihm die Augen übergingen. Es waren keine schönen Geschichten. Eine war sogar sehr häßlich.

 

»Dieses Detektivspiel ist ein komisches Geschäft«, erklärte Elk. »Wir wissen viel mehr von den Leuten, als sie glauben oder als sie wünschen, daß wir wissen. Es gibt Männer im Westen Londons, die heute nacht plötzlich weiße Haare bekämen, wenn sie ahnten, was Scotland Yard von ihnen weiß. Sie werden vielleicht nie gefaßt werden, weil sie eben nichts tun, wofür man gefaßt wird. Die Hälfte aller Sünden der Welt kann man gesetzmäßig begehen, und ich versichere Ihnen: es ist die schlimmere Hälfte.«

 

Er ging, und Anthony Braid hatte eine schlaflose Nacht.

 

*

 

Um vier Uhr früh stand Tony auf und trat an das Schlafzimmerfenster. Es regnete noch immer. Unten in der bleichen Dämmerung sah er eine kräftige Gestalt im Schatten eines Torwegs stehen. Tony erriet, daß es sein Beschützer war und winkte ihm einen fröhlichen Gruß zu. Der Unbekannte, der genießerisch seine Pfeife rauchte, erwiderte lebhaft.

 

In seinem Ankleidezimmer stand ein elektrischer Kocher und in einem Schrank alles Erforderliche zum Kaffeekochen. Aus einem unverständlichen Grund wanderten seine Gedanken immer wieder zu Ursula Frensham. Der Mordversuch der vergangenen Nacht hatte sein Gefühl, daß ihr Gefahr drohe, verstärkt.

 

Er trank den Kaffee und zog sich an. Fünf Minuten später war er auf der Straße. Der diensttuende Detektiv kam auf ihn zu und grüßte ihn.

 

»Ziemlich früh heute morgen, Mr. Braid.«

 

»Ich will eine kleine Fahrt nach Hampstead machen. Wollen Sie mich begleiten?«

 

»Ich muß«, antwortete der andere gutmütig, »und freue mich, daß Mr. Elk Sie aufgeklärt hat. Wenn Sie es mir nicht übelnehmen, möchte ich Ihnen sagen, daß es gerade kein Vergnügen ist, Ihnen nachzujagen. Es ist verdammt schwer, Ihnen auf den Hacken zu bleiben.«

 

Er begleitete Tony zur Garage, und sie zogen gemeinsam den Zweisitzer heraus.

 

»Führt Sie ein besonderer Grund nach Hampstead?« forschte der Detektiv, als sie unterwegs waren.

 

»Durchaus nicht«, antwortete Tony und fühlte sich nicht ganz aufrichtig.

 

Er kam sich reichlich närrisch vor und wagte nicht, dem Mann neben sich zu verraten, welches ziellose Unternehmen sie verfolgten.

 

Sie fuhren in den Regent’s Park hinein, dessen Tore gerade geöffnet wurden, und zwar den breiten äußeren Weg entlang. Als sie über die Brücke kamen, die den Kanal am Ende der Avenue Road überspannt, sah Tony einen Mann sich über das Eisengeländer lehnen und aufmerksam ins Wasser blicken. Er hätte einen Eid darauf geleistet, daß er die Gestalt kenne. Ein schwerer Regenmantel, dessen Kragen bis zu den Ohren aufgeschlagen war, verwischte die Konturen. Der Mann war gar nicht neugierig auf den Insassen des Wagens, der schon so früh unterwegs war. Im Gegenteil – und das schien Tony verdächtig –, er wandte absichtlich den Kopf ab, damit man sein Gesicht nicht sehen könne.

 

Auf der anderen Seite der Brücke stand ein Sportwagen mit langgestreckter Karosserie, der so am Straßenrand aufgestellt war, daß Braid, ohne seinen Wagen anzuhalten und auszusteigen, die Autonummer nicht erkennen konnte.

 

»Der sah aus wie Mr. Guelder«, meinte der Detektiv.

 

»Schien mir auch so. Kennen Sie ihn?«

 

»Ich habe ihn schon gesehen. Das war sein Wagen – da am Straßenrand, nicht wahr? Haben Sie gestern abend den Wagen gesehen?«

 

Tony schüttelte den Kopf.

 

»Ich auch nicht. Aber nach der Höhe zu urteilen, aus der der Mann schoß, möchte ich schwören, es war ein Sportmodell, genau wie jener Wagen dort. Doch Guelder kann es unmöglich gewesen sein. Er war in seinem Haus, als der Schuß fiel.«

 

»Woher wissen Sie das?« fragte Tony überrascht.

 

»Auf dem Präsidium schwören wir auf Inspektor Elks Parole. Die lautet: nachforschen«, sagte er trocken. »Und wir hatten nachgeforscht, längst ehe Sie schlafen gegangen waren, Mr. Braid.«

 

Sie fuhren die Avenue hinauf bis zur Heide und bogen in die Straße ein, in der Ursulas Haus an einer Ecke lag. Tony stieg aus und ging um die beiden Seiten des Hauses herum. Er kannte Ursulas Schlafzimmerfenster. Es war oben geöffnet. Zu seinem Erstaunen sah er Licht brennen, und als er seinen Kontrollgang fortsetzte und zur Vordertür kam, sah er auch die Diele erleuchtet. Es war ein Viertel sechs. Die Mädchen standen doch sicher nicht vor sieben Uhr auf.

 

Er überlegte, was er tun solle, als er Ursulas helle Stimme rufen hörte. Er wandte sich rasch um und sah sie völlig angekleidet auf sich zukommen.

 

»Deshalb also haben Sie meinen Anruf nicht beantwortet«, rief sie.

 

»Wie kommen Sie zu dieser nachtschlafenden Zeit hierher?« fragte er.

 

Sie lachte.

 

»Ich wurde um zwei Uhr angerufen, um einen Heiratsantrag entgegenzunehmen«, berichtete sie, »und ich konnte dann natürlich nicht wieder einschlafen. Ich bin darüber auch ganz froh; denn der Herr, der mir telefonisch den Antrag machte, ist seit Tagesanbruch vor meinem Haus auf und ab patrouilliert.«

 

Braid starrte sie ungläubig an.

 

»Doch nicht – doch nicht etwa Guelder? Um Gottes willen, das wäre ungeheuerlich!«

 

Sie nickte.

 

»Es war Mr. Guelder«, sagte sie. Dann brach ihre Stimme und ihre Beherrschung.

 

Im nächsten Augenblick lag sie schluchzend in Tonys Armen.

 

»O Tony«, schluchzte sie, »es war schrecklich – schrecklich!«

 

Kapitel 25

 

25

 

Es dauerte einige Zeit, bis Ursula sich so weit gefaßt hatte, daß sie erzählen konnte, was sich zugetragen hatte. Sie hatte das Telefon läuten hören und geglaubt, der Anruf hänge mit ihrem Besuch in Woolwich zusammen. Dann hörte sie Guelders Stimme.

 

»Er entschuldigte sich vielmals und war außerordentlich liebenswürdig, so daß ich nicht gleich wieder einhängen konnte. Ich wollte auch wissen, warum er mich anrief. Ich dachte, es könnte mit Julian zusammenhängen. Und dann, Tony, begann er mir merkwürdige Eröffnungen zu machen. Er sagte, er besitze eine Million – oder zwei, ich weiß nicht mehr genau –, er würde in einem Jahr der reichste Mann in England sein und wollte einen Palast bauen, wo die Dame seines Herzens als Königin herrschen solle. Ich konnte nicht alles verstehen. Manchmal verfiel er ins Holländische, und es wurde ein ganz unverständliches Kauderwelsch. Plötzlich, ehe ich noch wußte, was er wollte, bat er mich, ihn zu heiraten. Ich stand völlig versteinert da, konnte kein Wort hervorbringen. Er sagte, er hätte mich seit unserer ersten Begegnung geliebt – es war entsetzlich … die schrecklichen Dinge, die er in den Apparat schrie!«

 

Sie verzog vor Ekel das Gesicht. »Schließlich faßte ich mich wieder und hängte den Hörer ein. Aber natürlich konnte ich nicht wieder einschlafen. Der Tag brach an, als ich aus dem Fenster blickte. Da sah ich ihn zu meinem Entsetzen langsam vor dem Haus auf und ab gehen. Er sah mich auch und warf mir Kußhände zu – er muß betrunken gewesen sein.«

 

Tony erinnerte sich an den Mann auf der Brücke.

 

»Dann war es doch Guelder«, rief er.

 

»Haben Sie ihn gesehen?« stieß sie hervor.

 

Tony erzählte von dem Mann auf der Brücke.

 

»Ich werde zurückgehen und ihn zur Rede stellen«, beschloß er. Doch sie hielt ihn zurück.

 

»Das werden Sie nicht! Unter keinen Umständen! Sie sollen ihm fernbleiben. Sie sollen sich in keinen Streit mit ihm einlassen. Dieser Mensch hat etwas Teuflisches. Heute nacht in Greenwich habe ich sein böses Fluidum gefühlt. Es war nicht die Straße, es waren die Ausstrahlungen dieses schrecklichen Mannes. Ich glaube, wenn er mich berührte, würde ich vor Grauen sterben.«

 

»Wenn er Sie anrührt«, flüsterte Tony grimmig zwischen den Zähnen, »glaube ich, wird er sterben!«

 

Eins der Mädchen brachte ihnen Kaffee und Keks, und während sie in der hübschen kleinen Bibliothek saßen, suchte Tony sie zu bewegen, ihm alles zu berichten, was Guelder gesagt hatte. Doch sie weigerte sich energisch, darüber zu sprechen.

 

»Ich erinnere mich nur, daß er sagte, er wäre ein Millionär, und dann sagte er etwas von Diamanten, und daß er der größte Erfinder unserer Zeit sei. Und, Tony, Sie dürfen nicht mit ihm sprechen – ich bitte Sie darum.«

 

»Ich fürchte, ich muß mit ihm sprechen, Ursula. Dieser Auftritt darf sich nicht wiederholen.«

 

»Er muß verrückt sein – ich bin auch überzeugt, daß er gestern abend auf Sie geschossen hat.«

 

Tony, der aber überzeugt war, daß Guelder mit dem Schuß nichts zu tun hatte, schwieg. Das konnte er ihr nicht erklären.

 

Als er nach Hause fuhr, überlegte er, ob Guelder wirklich verrückt sei. Daß er sich in Ursula verliebt hatte, war nicht verwunderlich. Zwar ziemlich widerlich, doch ganz normal. Auch galt dieser Mann als eine Art Don Juan. Wenn die Gerüchte nicht logen, hatte er bisher seine Vergnügungen und Liebschaften in niedrigeren Kreisen gesucht und gefunden. Das Mädel in Holland war eine Kellnerin, die Frau in Batavia ein Halbblut gewesen. Er war ein Mann von niedrigem Geschmack und gemeiner Gesinnung. Doch jetzt blieb nichts übrig, als ihn aufzusuchen. Und Tony hoffte nur, daß es ihm gelingen würde, bei diesem Gespräch die Hände in den Taschen zu behalten.

 

Julian … ob er die Wahl seines Partners kannte? Tony hatte jedenfalls mit dieser Möglichkeit zu rechnen. Doch obwohl er eine sehr geringe Meinung von Julian hatte, traute er ihm nicht zu, daß er etwas von der Verblendung Guelders ahnte. Julian hatte einst selbst sehr bestimmte Hoffnungen gehegt. Es war unwahrscheinlich, ja, es schien ihm völlig unmöglich, daß er die Ereignisse dieser Nacht billigte.

 

Er kam nach Hause, badete, rasierte sich und frühstückte, als Mr. Sleser gemeldet wurde.

 

Der Millionär war kein intimer Freund Tonys. Sie hatten miteinander geschäftlich zu tun gehabt, und einmal hatte Tony dem dicken Selfmade-Mann einen Dienst erwiesen. Doch das hatte Braid längst vergessen. Er achtete den tüchtigen Kaufmann hoch.

 

»Haben Sie schon gefrühstückt?« fragte Tony.

 

Mr. Sleser nickte und zog sich einen Stuhl an den Tisch. »Ich bin der letzte, den Sie erwartet haben, Braid«, lächelte er liebenswürdig. »Seit sechs zerbreche ich mir den Kopf, ob ich Sie mit hineinnehmen soll oder nicht. Aber Sie haben mir einmal aus der Patsche geholfen, und ich vergesse niemals einen Liebesdienst. Sie sind doch mit Reef befreundet?«

 

»Ganz im Gegenteil!« beteuerte Tony heftig. »Ich bin froh, daß Sie mich gefragt haben; denn ich habe eine dunkle Ahnung, daß Sie mit ihm irgendwie geschäftlich verbunden sind.«

 

Sleser nickte und strich geistesabwesend über den kleinen, ergrauenden Schnurrbart.

 

»Er ist nicht jedermanns Fall,« gab er zu. »Doch in mancher Hinsicht kann er ganz nützlich sein. Er kann sogar außerordentlich nützlich werden – darüber bin ich mir noch nicht ganz klar. Kennen Sie seinen Sozius – oder was er sonst ist?«

 

»Guelder?«

 

»Ja, den Holländer. Kluger Kopf, was?«

 

»Ich glaube, ja«, gab Tony zu, »als Gelehrter. In der City geht ein Gerücht um, er habe ein Verfahren zur Herstellung von Diamanten erfunden.«

 

Hierzu schmunzelte Sleser.

 

»Nicht ganz! Das ginge mir auch sehr wider den Strich.«

 

Er schwieg, überlegte offenbar scharf und sagte dann endlich: »Ich bin kein Kirchenlicht in Geschichte, aber gab’s da nicht vor langer Zeit mal so einen Kerl, der hinging und Guy Fawkes und die Pulververschwörung verriet, indem er seine Freunde warnte, ins Parlament zu gehen?«

 

»So einen Mann gab es«, lächelte Tony.

 

»Der bin ich«, lachte Sleser. »Sie taten mir einen Dienst – ich tue Ihnen einen. Bleiben Sie fort vom Diamantenmarkt. Wenn Sie Aktien haben, fort damit! Verkaufen Sie, verkaufen Sie sofort! Der Sturz gestern war ein Kinderspiel gegen das, was heute kommen wird. Ich sage Ihnen das in Ihren vier Wänden, und obwohl ich von Ihnen nicht verlangen kann, daß Sie es geheimhalten, kenne ich Sie doch gut genug, um zu glauben, daß Sie nicht darüber reden werden. Man nennt Sie in der City den ›gerissenen Kerl‹.«

 

Seine Augen blinzelten schalkhaft.

 

»Na, ich habe jedenfalls noch nichts Arglistiges von Ihnen gesehen und erwarte nicht, daß Sie gerade bei mir anfangen werden.«

 

Tony blickte ihn nachdenklich an.

 

»Ich möchte gern ein bißchen mehr über diesen Kurssturz erfahren. Was steckt dahinter, Sleser? Vielleicht kann ich Ihnen wieder einen Dienst erweisen.«

 

»Leicht möglich«, nickte Sleser und zog eine dicke Brieftasche hervor. »Jetzt werde ich Ihnen etwas zeigen, was bisher nur wir Verschwörer gesehen haben.«

 

Er entnahm der Tasche ein blaues Päckchen, das wie eine Brausepulverpackung aussah, und öffnete es vorsichtig. Darin lag ein Stückchen Watte, die er behutsam entfaltete.

 

»Was halten Sie davon?«

 

Tony nahm den Diamanten und hielt ihn gegen seinen Ärmel.

 

»Eine Schönheit! Haben Sie eine neue Mine entdeckt?« fragte er mit einem schwachen Lächeln.

 

Sleser verneinte.

 

»Was ist der wert? Sie verstehen doch was davon.« Tony überlegte.

 

»Ungefähr eintausendundfünfzig Pfund«, schätzte er.

 

»Bis auf fünf Pfund richtig getroffen. Jetzt sagen Sie mir: was wäre dieser Stein wert, wenn er gelb wäre oder häßliche Flecken hätte?«

 

In dieser Frage war Tony eine Autorität.

 

»Er würde ungefähr hundertfünfzig Pfund wert sein – und – Herr Gott!« Er starrte seinen Gast an. »Gelbe Diamanten! Guelder hat welche seit Monaten aufgekauft, und ich begriff nicht, was im Spiel war. Das ist doch kein entfärbter Diamant! … Ist das etwa die Entdeckung?«

 

Sleser nickte begeistert.

 

»Gestern abend noch«, erzählte er eindringlich, »war der Stein gelb. Ich sah ihn mit meinen eigenen Augen erbleichen. Darüber kann absolut kein Zweifel bestehen, lieber Braid. Der Mann hat eine Entdeckung gemacht, die den Diamantenmarkt umwälzen wird. Die gegenwärtigen Werte werden um fünfzig Prozent fallen. Begreifen Sie nicht, was das heißt? Nur ein Diamant unter sieben ist vollkommen weiß. Diese Erfindung macht alle Nieten zu Volltreffern. Sie erhöht die Ausbeute der Welt um das Sechs- oder Siebenfache.«

 

Tony drehte den Stein in seiner Hand um und um. Plötzlich legte er ihn nieder und holte ein Vergrößerungsglas. Belustigt beobachtete ihn Sleser.

 

»Den Mumpitz habe ich schon hinter mir. Ich hab‘ ihn unterm Mikroskop gehabt. Um zwei Uhr nachts habe ich die klügsten Leute von London aus den Betten geholt und mit ihnen eine gründliche Untersuchung vorgenommen. Er ist durch und durch weiß. Sie werden keinen Fehler daran entdecken. Übrigens hat man so etwas Ähnliches schon vorher gemacht. Sie wissen vielleicht, daß Gelehrte weiße Diamanten in rosa verwandelt haben. Warum sollte man nicht gelbe in weiße verwandeln können? Also, was werden Sie tun? Wenn Sie klug sind, verkaufen Sie Ihre letzte Diamantenaktie. Ich bitte Sie nur, das Geheimnis der Farbentziehung bis Mittag zu wahren. Bis dahin wird mein Bericht an die Presse fertig sein.«

 

Er wickelte den Stein wieder in seine Wattehülle und barg ihn in der Tasche.

 

»Das ist wohl alles«, meinte er, stand auf und reichte Braid die Hand.

 

»Jetzt sind wir quitt wegen der afrikanischen Transportaktien, die Sie mir abgenommen haben. Wenn Sie nicht vernünftig sind, werden Sie bares Geld für mich sein. Wenn Sie klug sind, werden Sie Geld aus mir herausschlagen. Ich werde dem Kimberley-Pack den heftigsten Tritt in den Hintern versetzen, den es je bekommen hat. Addio.«

 

Tony saß vor den Resten seines Frühstücks und dachte schneller und logischer, als er je in seinem Leben gedacht hatte. Sein Vermögen war zum größten Teil in der Diamantenindustrie angelegt. Ohne Frage bedeutete diese Erfindung Guelders die größte Gefahr, die je die Diamantenbörse bedroht hatte.

 

Er hatte seinen Freunden das halbe Versprechen gegeben, nicht zu verkaufen. Und ein halbes Versprechen Tony Braids war so gut wie die notarielle Erklärung eines anderen Mannes. Er wußte genau, wie der Markt auf die Nachricht reagieren würde, unvorbereitet, wie die Diamantenfinanzleute auf diese Enthüllung waren. Die Aktien würden eine Rekordtiefe erreichen. Er brauchte nur seinen Makler anzurufen und ihm den Auftrag zu geben, zu verkaufen, nicht nur die Papiere, die er wirklich besaß, sondern auch die, die er erst am Lieferungstermin kaufen würde, mit denen er im Handumdrehen eine halbe Million verdienen konnte. Er überlegte scharf und sah dabei doch im Unterbewußtsein immer den würfelförmigen Diamanten blinken und schimmern.

 

Der Kaffee wurde kalt. Er bestellte eine neue Kanne. Ehe sie serviert wurde, rief er den ersten Diamantenmann an.

 

»Mir scheint, Sie müssen sich auf einen großen Sturz heute morgen gefaßt machen. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«

 

»Können Sie mir einen Grund angeben?« fragte der Mann am anderen Ende des Drahtes.

 

»Nein. Ich bin zum Schweigen verpflichtet. Ich persönlich verkaufe nicht, sondern kaufe. Wahrscheinlich ist es eine Wahnsinnstat, aber ich will den Markt stützen und brauche Ihre Hilfe. Vielleicht fehlt mir eine halbe Million. Ich habe unerschlossene Platinfelder im Norden Transvaals, die soviel wert sind. Wollen Sie mir die mit einer halben Million beleihen?«

 

»Um den Markt zu stützen, ja. Sagen Sie Ihrem Bankier, er soll sich mit meinem in Verbindung setzen. Ich kenne Ihr Platin – Sie brauchen mir keine Unterlagen zu schicken. Wenn Sie heil durchkommen, möchte ich mich an Ihrem Platin mit fünfundzwanzig Prozent beteiligen.«

 

Tony nannte den Preis, und in zwei Minuten war der Handel abgeschlossen.

 

Und jetzt, ohne Rücksicht auf Aktien und Papiere oder den tragischen Sturz der Diamanten, forderte eine persönliche Angelegenheit den ganzen Mann.

 

*

 

Ehe das Geschäft an der Börse begann, betrat Braid das Büro Julian Reefs. Er bemerkte auf den ersten Blick, daß das Personal vermehrt worden war. Er fühlte die Atmosphäre fieberhafter Tätigkeit. Ein Funken der elektrischen Spannung jener Riesenschlacht, die heute an der Börse ausgefochten werden sollte, war auf den letzten Buchhalter übergesprungen.

 

Kapitel 26

 

26

 

»Mr. Reef ist da, Sir. Aber ich glaube nicht, daß er Sie empfangen wird, wenn er Sie nicht herbestellt hat.«

 

Tony mußte über die aufgeblasene Wichtigtuerei dieser Auskunft lächeln.

 

»Tragen Sie ihm meine Karte hinein«, befahl er und wußte sehr genau, daß der Angestellte ihn erkannt hatte und ihn nur mit der gewohnten Frechheit seines Brotherrn behandelte.

 

Man ließ Braid zehn Minuten warten. Das wurde Julian zum Verhängnis. Denn als die Hälfte dieser Zeit verstrichen war, kam in den Warteraum ein dünner, kleiner Mann mit einem altmodischen, steifen Hut und mit sehr großen, breiten Schuhen.

 

»Ich möchte Mr …« – er blickte auf eine Karte – »Mr. Rex Guelder sprechen. Es ist sehr wichtig. Wollen Sie ihm bitte sagen, daß Mr. Samer aus Troubridge ihn sofort sprechen möchte. Und sagen Sie ihm bitte, daß es ungemein dringend ist. Ich komme extra aus Troubridge, um ihn zu sprechen.«

 

»Ich weiß nicht, ob Mr. Guelder im Haus ist«, erwiderte der Angestellte. »Setzen Sie sich, bitte.«

 

Der alte Mann ließ sich atemlos nieder und trocknete sich die Stirn. Er war mitteilsam, wie es schüchterne Menschen oft unter Fremden sind.

 

»Heute früh um fünf bin ich aufgebrochen«, erzählte er. »Ich hatte auch gleich Anschluß. Seit siebenunddreißig Jahren bin ich nicht in London gewesen. Der Ort hat sich sehr verändert.«

 

»Ohne Zweifel«, stimmte Tony zu. »Sie wohnen in Troubridge?«

 

»Ja, Sir«, nickte der alte Mann stolz. »Unsere Firma besteht in Troubridge seit zweihundertfünfunddreißig Jahren. Ich glaube, wir sind das älteste Haus am Platz. Das Geschäft hat sich immer vom Vater auf den Sohn vererbt und wird, so Gott will, auf meinen Jungen übergehen, der zweiundfünfzig ist, und dann, mit dem Segen des Allmächtigen, auf meinen Enkel, der auch schon im Geschäft ist.«

 

Tony wollte den Herrn aus Troubridge gerade nach seinem Geschäftszweig fragen, als er vor das erhabene Antlitz Julians zitiert wurde.

 

Reef hatte sich verändert. Um ihn wehte ein Hauch von Erhabenheit, ja, fast von Größenwahn, wie es Tony schien.

 

Schon der Empfang des Besuchs bewies die veränderten Umstände. Doch hinter dieser neuen Herrlichkeit entdeckte Tony – der ja nicht dumm war – eine leise Unsicherheit. Es schien fast, als müsse Reef sich zwingen, seinem Gast in die Augen zu schauen.

 

»Tut mir leid, daß ich Sie warten ließ, Braid, aber ich bin gerade furchtbar beschäftigt. Hoffentlich halten Sie mich nicht lange auf. Ich habe tatsächlich die letzte Woche Tag und Nacht gearbeitet.«

 

»Sie sollten sich aber doch Zeit nehmen, ab und zu eine Schießbude zu besuchen«, riet Tony. »Ihre Treffsicherheit läßt viel zu wünschen übrig.«

 

Julian zwang sich zu einem matten Lachen.

 

»Ich habe aus den Zeitungen gelesen, daß es da irgendwo eine Schießerei gegeben hat. Jemand hat mehrere Salven auf einen berühmten Detektiv gefeuert. Ich tippe auf Elk.«

 

»Die Zeitungen haben nicht von mehreren Salven gesprochen, sondern von zwei Schüssen«, bemerkte Tony kühl. »Und dann stand der Bericht nur in einer Zeitung – aber offenbar sind Sie besser informiert.« Julian unterdrückte eine Erwiderung, er hatte schon zuviel gesagt.

 

»Was wünschen Sie noch?«

 

»Ich wünsche Mr. Guelder zu sprechen. Ich habe mit ihm ein Hühnchen zu rupfen.«

 

Julian blickte gelangweilt drein.

 

»Mein guter Mann«, sagte er verdrießlich, »was scheren mich Ihre Privatfehden? Aber Guelder ist nicht hier. Er ist für einen Tag aufs Land gefahren. Ich erwarte ihn erst morgen zurück. Wenn Sie weiter keine Wünsche haben …«

 

Er stand auf und blickte eindeutig auf die Tür.

 

»Ich bin noch nicht fertig«, wehrte Tony ab. »Wissen Sie eigentlich, daß Ihr Holländer Lady Frensham lästig fällt?«

 

Offenbar wußte Julian es nicht, denn sein Ausdruck wechselte rasch.

 

»Was meinen Sie damit?«

 

»Ich meine damit, daß er heute nacht Lady Frensham anrief und ihr einen Heiratsantrag machte. Vielleicht war er betrunken oder von seiner neuen Entdeckung berauscht …« Es entging ihm nicht, daß Julian erschreckt auffuhr. »Ich weiß davon. Jawohl. Sleser besuchte mich heute früh. Ich werde von der Mitteilung aber erst nach der Veröffentlichung in den Zeitungen Gebrauch machen.«

 

»Er hat Ursula angerufen?«

 

»Sie meinen Lady Frensham? Ja, und ihr einen Heiratsantrag gemacht. Wußten Sie etwas über seine zärtlichen Gefühle?«

 

Julian schlug die Augen nieder.

 

»Nein«, sagte er verbissen. »Jedenfalls können Sie mir nicht zumuten, Guelder außerhalb des Geschäfts zu überwachen.«

 

Tony war Menschenkenner genug, zu erkennen, daß die Nachricht Reef in die Glieder gefahren war.

 

»Was sagt Ursula dazu?« fragte Reef, ohne den Blick zu heben.

 

»Lady Frensham fühlt sich natürlich nicht gerade geschmeichelt. Ich wollte Guelder sprechen und ihm sagen, daß ich ihn braun und blau schlage, wenn das noch einmal vorkommt. Dasselbe, Julian Reef, gilt für fahrende Schützen, die mich in frühen Morgenstunden als Zielscheibe benutzen.«

 

Julian wollte etwas entgegnen, doch Tony fuhr fort:

 

»Es wird Sie auch interessieren, das Ihr Freund, mein Kammerdiener, geflogen ist. Doch das wissen Sie sicher schon. Er wird Ihnen seine Meldung erstattet haben. Wenn Sie sich so lebhaft für die Vorgänge in meinem Haus interessieren, werde ich täglich zweimal ein Bulletin herausgeben und Ihnen zustellen lassen.«

 

»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, entgegnete Julian patzig. »Ich glaube, Sie sind nicht ganz normal. Also Guelder ist nicht da. Kommen Sie wieder, und zanken Sie sich mit ihm, wenn er da ist … Sie verkaufen wohl heftig Diamanten. Sie müßten nicht Sie sein, wenn Sie es nicht täten. Es war eine große Dummheit von Sleser, Ihnen die Erfindung zu verraten.«

 

»Ich werde nicht verfehlen, ihm das auszurichten«, versicherte Tony.

 

Julians entsetzter Blick verriet ihm den großen Respekt, den er vor dem mächtigen Börsenmann hatte.

 

Als er hinausging, kam der Angestellte herein, und Braid hörte Julian äußern:

 

»Sagen Sie ihm, er soll morgen wiederkommen – ich wünsche heute niemanden zu sprechen.«

 

Die Botschaft wurde dem Mann im Wartezimmer übermittelt.

 

»Mein Gott! Mein Gott!« stöhnte er und raffte seinen Schirm und seine braune Reisetasche auf. »Was soll ich bloß anfangen! – Ihre Durchlaucht wird es mir nie verzeihen!«

 

Tony hatte Mitleid mit dem Alten. Er öffnete ihm die Tür und ging mit ihm die Treppe hinunter.

 

»Ein Unglück!« stammelte der Herr aus Troubridge. Er mußte jemandem sein Herz ausschütten. »All die langen Jahre, die ich im Geschäft bin, ist mir noch nie so etwas passiert. Wenn ich Mr. Guelder nur fünf Minuten sprechen könnte …«

 

»Ich müßte Mr. Guelder auch nur fünf Minuten sprechen«, sagte Tony grimmig. Der Kummer des alten Mannes rührte Tony, und er fragte: »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

 

Mr. Samer schüttelte den Kopf.

 

»Ich fürchte, nein. Sehen Sie, als ich Mr. Guelder den Diamanten verkaufte, handelte ich im besten Glauben. Ich hatte den schrecklichen Irrtum, den mein Gehilfe beging, nicht bemerkt.«

 

Tony war im Nu lebendigste Aufmerksamkeit.

 

»Kommen Sie mit in meinen Klub! Vielleicht kann ich Ihnen doch helfen.«

 

Mr. Samer stammelte unzusammenhängende Dankesworte und trottete neben Braid her.

 

Im Rauchzimmer des Klubs, das zu dieser Morgenstunde fast leer war, erzählte er seine Geschichte.

 

In der Nähe von Troubridge wohnte die Herzogin von Hanfield. Er, Samer, hatte ein großes Juwelengeschäft und führte ganz auserlesene Ware. Er und seine Vorfahren hatten für die Familie Ihrer Durchlaucht seit Hunderten von Jahren gearbeitet. Als sie ihm den Diamantring zum Umfassen schickte, hatte er den Stein sehr sorgfältig herausgelöst und ihn in seinen Tresor eingeschlossen. Dort lagen andere Steine zum Verkauf, und während er abwesend war, war sein Gehilfe (er sagte nicht: sein Sohn, doch Tony erriet, daß er das nur aus Familienstolz unterdrückte) von einem Herrn aus London besucht worden, der unbedingt einen würfelförmigen Diamanten kaufen wollte.

 

»Hallo!« unterbrach Tony heftig. »Können Sie mir das Gewicht sagen?«

 

»Zehn Karat«, gab der Juwelier erstaunt Bescheid, »und eine Kleinigkeit darüber.«

 

»Weiter«, trieb Tony den Alten an.

 

Der Gehilfe habe sich natürlich sehr geschmeichelt gefühlt, als Mr. Guelder sagte, er hätte von der herrlichen Kollektion gehört, die der Juwelier führe, und wolle einen großen Stein für einen Verlobungsring kaufen. Der Gehilfe öffnete den Tresor, nahm eine Anzahl Steine heraus, fand dabei unglücklicherweise auch den Diamanten der Herzogin und bot ihn in dem Glauben, er sei verkäuflich, dem Herrn an. Auf dem Papier, in das er eingewickelt war, stand in Mr. Samers Handschrift »elfhundert Pfund«. Das war die Höhe der kurzfristigen Prämie, mit der er den Stein gegen Einbruchsdiebstahl versichert hatte. Und so war der Stein um elfhundert Pfund verkauft worden. Herr Guelder hatte in Scheinen bezahlt und seinen Erwerb sofort mitgenommen. Und jetzt hatte die Herzogin, die verreist war, ihm mitgeteilt, sie käme heim und hoffe den Ring fertig vorzufinden.

 

»Und, Mr. – wie war doch Ihr Name – Mr. Braid! – doch nicht der Rennstallbesitzer Braid? Doch? Ich wette bisweilen selbst ein wenig, aber nur ganz niedrig. Ich bin nur ein ganz kleiner Zaungast bei dem, was ich den Sport der Könige nennen möchte – also, Mr. Braid, so liegt die Sache. Ich muß Mr. Guelder bewegen, mir den Stein zurückzugeben, und will ihm gern noch hundert Pfund draufzahlen auf den Preis, den er mir gezahlt hat.«

 

»Können Sie mir den Diamanten vielleicht etwas näher beschreiben?«

 

»Ich kann Ihnen die Fotografie zeigen«, erbot sich Mr. Samer eifrig.

 

Er trug sie in seiner Westentasche. Er pflege, und schon sein Vater hätte das getan, alle wichtigen Steine zu fotografieren, die durch seine Hände gingen. Sein Großvater habe sie von einem Künstler malen lassen. Damals steckte die Lichtbildkunst noch in den Kinderschuhen. Tony betrachtete die Fotografie – einen kleinen Streifen, der auf dickes Papier geklebt war –, und sein Herz tat einen Freudensprung.

 

»Mir scheint, ich kann Ihnen den Stein wiederbeschaffen«, rief er, worauf Mr. Samer ihm vor Dankbarkeit fast um den Hals fiel.

 

Während sie hinausgingen, blieb Braid in der Halle stehen und sah sich die Nachrichten an, die über den Fernschreiber hereinkamen.

 

»Sie suchen die Diamanten, Mr. Braid?« fragte der Portier und zeigte auf einen Streifen an einem grünen Brett.

 

Diamanten fielen stürmisch. Papiere, die am Tag zuvor zwölf Pfund gestanden hatten, notierten jetzt neun und acht dreiviertel.

 

»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, ich muß telefonieren«, bat Braid seinen neuen Freund.

 

Er ging in eine Zelle, rief seinen Makler an und gab ihm eingehende Instruktionen. Er nannte ihm drei Papiere. »Kaufen Sie«, sagte er, »und hören Sie nicht eher zu kaufen auf, bis Ihnen der Atem ausgeht.«

 

»Aber der Markt fällt, Mr. Braid«, rief der überraschte Makler, »Sie glauben doch nicht etwa, daß …«

 

»Kaufen Sie, bis Sie nicht mehr können«, beharrte Tony. »Kaufen Sie für eine Million. Nein, Sie können bis anderthalb Millionen gehen.«

 

Tony kam heraus, nahm den aufgeregten Juwelier unter den Arm und rief ein Taxi. Sie fuhren nach Lombard Street, in der das Gebäude der Sleser-Gesellschaft sich hoch über alle anderen erhob, fuhren mit dem Fahrstuhl zum ersten Stock hinauf, wo Tony das Glück hatte, Slesers Privatsekretär abzupassen, mit dem er bekannt war.

 

»Tut mir furchtbar leid, Mr. Braid, aber Mr. Sleser kann Sie unmöglich empfangen. Er steckt bis zur Nase in dem Diamantengeschäft.«

 

»Leute, die bis zur Nase in irgend etwas stecken«, gab Tony zu bedenken, »ersticken. Sagen Sie ihm nur, ich sei hier und wolle mich an ihm als Lebensretter betätigen.«

 

Der Sekretär lächelte.

 

»Wollen Sie verkaufen?« fragte er vertraulich. »Das sollten Sie tun, Mr. Braid. Sleser beauftragte mich, Sie vor einer halben Stunde anzurufen, aber Sie waren nicht zu erreichen. Ich werde fragen, ob er Sie empfangen will.«

 

»Und meinen Freund, Mr. Sanier, auch«, rief Tony ihm nach.

 

Der Sekretär blickte sich fragend um, eilte dann aber davon. Einige Augenblicke später kam er zurück und führte Tony und Mr. Samer durch sein Büro in das Privatkontor des großen Spekulanten.

 

Kapitel 27

 

27

 

Mr. Sleser saß an einem gewaltigen Schreibtisch, eine unscheinbare Tonpfeife im Mund. Das Zimmer roch kräftig nach Shag-Tabak.

 

»Tag, Braid.«

 

»Darf ich Ihnen Mr. Samer vorstellen?« sagte Tony.

 

»Freut mich. Habe genau zwei Minuten für Sie Zeit.«

 

»Das genügt nicht«, erwiderte Tony ruhig, während er Mr. Sleser vergnügt zublinzelte. »Hören Sie mich erst an, dann können Sie uns ja immer noch hinauswerfen. Haben Sie den Diamanten bei sich?«

 

Slesers Gesicht verzog sich unmutig.

 

»Ja«, nickte er langsam. »Was wollen Sie damit?«

 

»Unser Freund hier ist Juwelier.«

 

Sleser lehnte sich in den Stuhl zurück und lachte laut und herzlich.

 

»Sie sind ein ungläubiger Thomas! Trauen Ihren eigenen Augen nicht, wie? Schade um die zwei Minuten! Aber ich werde Ihnen den Stein zeigen.«

 

Er schloß den Safe auf, entnahm ihm ein kleines blaues Ringetui und öffnete es. Der viereckige Diamant glitzerte auf seinem blauen Samtlager.

 

»Das ist er!« schrie Samer bebend. »Gott sei Dank, daß ich ihn gefunden habe! Sie haben meine Ehre gerettet, Mr. Braid!«

 

Sleser starrte ihn verdutzt an.

 

»Was ist los?« fragte er und wandte sich brüsk an Tony.

 

»Das kann ich Ihnen in wenigen Worten sagen. Dieser Diamant ist vor zwei oder drei Tagen diesem Herrn von Rex Guelder abgekauft worden«, berichtete Tony gelassen. »Er wurde aus Versehen verkauft. Er gehört nämlich der Herzogin von Hanfield, die ihn umfassen lassen wollte. Mr. Samer verkaufte …«

 

»Mein Gehilfe«, flocht Mr. Samer sanft ein.

 

Sleser stieß seinen Stuhl vom Tisch zurück.

 

»Augenblick! Das muß ich erst mal verdauen! – Sie erkennen diesen Stein mit Bestimmtheit als den, den Sie vor zwei, drei Tagen an Mr. Guelder verkauft haben?«

 

»Mein Gehilfe«, berichtigte Samer wieder. »Der Herr kam herein und sagte, er suche einen Diamanten von ganz besonderer Form. Er suche ganz England danach ab; denn er solle genau zu einem gelben Diamanten passen, den er besitze.«

 

»Kennen Sie das Gewicht von diesem hier?« Mr. Samer zog wieder die kleine Fotografie hervor, auf deren Rückseite Zahlen standen, die nur er zu deuten verstand.

 

Sleser ging zum Fenster, wo unter einem Glassturz eine Goldwaage stand. Er legte den Diamanten auf die eine Schale, einige kleine flache Gewichte auf die andere.

 

Mr. Samer las jetzt das Gewicht von der Fotografie ab. »Genau«, rief Sleser und prustete vor Zorn.

 

Eine Zeitlang – es schien eine Ewigkeit – war es im Zimmer totenstill. Dann drückte Sleser auf einen Knopf. Der Sekretär erschien und machte eine Bewegung, den Besuch hinauszulassen.

 

»Machen Sie die Tür zu«, schnaubte Sleser. »Rufen Sie die Bank an. Der Scheck von zwanzigtausend Pfund, den ich Guelder gegeben habe, soll sofort gesperrt werden. Telefonieren Sie jedem Makler, den Sie kennen, er soll sofort aufhören zu verkaufen und soll dieselben Aktien zurückkaufen. Sagen Sie ihnen, sie sollen bis zur Bewußtlosigkeit kaufen. Danke sehr, weiter nichts.« Er nahm die Tonpfeife wieder auf, die er auf den Tisch gelegt hatte, zündete sie an und paffte dicke Wolken.

 

»Vielleicht wird Ihre Achtung vor der Aristokratie einige Punkte sinken, Mr. Samer. Aber trotzdem bin ich ein intimer Freund der Herzogin von Hanfield. Ich werde schon dafür sorgen, daß Sie durch diesen Stein keine Ungelegenheiten haben. Ich brauche ihn noch ein, zwei Tage, dann kriegen Sie ihn zurück. Ihre Durchlaucht ist in Paris. Ich habe heute morgen zufällig von ihr einen Brief bekommen. Ich werden sie anrufen und erfahren, wie lange sie noch bleibt. Wenn sie sehr bald eintrifft, werde ich ihr die Wahrheit sagen. Sonst – na, bis dahin haben Sie ja den Stein zurück. Ich danke Ihnen.«

 

Er streckte die Hand aus und preßte die zarten Juwelenfinger des kleinen Mannes mit solchem Nachdruck, daß der Alte vor Schmerz auf einem Bein hüpfte.

 

»Sie finden wohl allein hinaus. Ich muß noch mit Mr. Braid sprechen.«

 

Als der kleine Juwelier gegangen war, sagte Sleser: »Jetzt bin ich wieder in Ihrer Schuld, Braid. Dieser Schweinehund hat uns gestern abend ‚reingelegt! Nicht zu glauben: vier ausgewachsene Männer von diesem Federfuchser übertölpelt. Wir sollten uns schämen! Natürlich hat er den Stein ausgetauscht. Hat blaue Funken stieben lassen, um uns zu blenden und um schnell und heimlich die Steine auszutauschen. Die Sache ist mir ganz klar – leider zehn Stunden zu spät. Kommen Sie. Wir wollen diesem Mr. Guelder mal ein bißchen auf die Hühneraugen treten.«

 

»Er ist nicht im Büro«, belehrte ihn Tony.

 

»Quatsch«, polterte Sleser. »Er hat mich heute vormittag zweimal angerufen.

 

Kein Angestellter wagte, dem Eindringen des mächtigen Sleser zu wehren, als er durch die Vorzimmer stapfte und die Tür zu Reefs Privatkontor aufriß, hineinmarschierte und Tony hereinwinkte.

 

Julian war nicht allein. Guelder saß bequem in einem tiefen Klubsessel, die unvermeidliche Zigarre zwischen den Zähnen. Sein Gesicht leuchtete auf bei Slesers Anblick, doch das Lächeln wurde sehr schwach, als Braid in Sicht kam.

 

»Machen Sie die Tür zu, Braid«, bat Sleser, zog eine Schachtel heraus und zeigte den Diamanten.

 

»Den haben Sie doch gestern abend fabriziert, Guelder, nicht wahr?«

 

»Ja, das ist der Stein«, sagte Guelder verbindlich. Sleser blickte zu Julian hinüber.

 

»Hängen Sie mit in dem Schwindel?«

 

»Schwindel?« schnappte Julian Reef und erbleichte. »Was wollen Sie damit sagen? Das war kein Schwindel – Sie haben es mit Ihren eigenen Augen gesehen. Natürlich, wenn Sie dem Burschen da –« sein Zeigefinger wies anklagend auf Braid – »Glauben schenken, dann glauben Sie an Schwindel, aber Sie haben doch selbst gesehen …«

 

»Ich glaube nicht Mr. Braid, ich glaube meinen Augen und Ohren«, erwiderte Sleser gelassen. »Dieser Stein ist vor einigen Tagen bei einem Juwelier namens Samer in Troubridge gekauft worden. Ich begreife durchaus, daß Ihr holländischer Freund zu diesem besonderen Experiment auch einen besonderen Stein brauchte. Er besaß den gelben und suchte einen dazu passenden weißen. Er hat diesen Diamanten für elfhundert Pfund gekauft.«

 

»Das ist eine infame Lüge!« schrie Guelder. »Ich habe ihn mit meiner Wissenschaft gezeugt … Sie haben’s gesehen. Sie können Ihre eigenen Beobachtungen nicht Lügen strafen!«

 

»Sie haben den Stein ausgetauscht, Sie schmieriger Schuft!« brüllte Sleser. »Sie haben mich zum Popanz der City gemacht! Und wenn ich nicht fürchten müßte, zum Gelächter der Welt zu werden, würde ich Sie beide ins Gefängnis bringen!«

 

»Ich bin daran nicht beteiligt!«

 

Julian Reefs Blässe, seine Erschütterung, die an Verzweiflung grenzte, machten seinen Protest glaubhaft. »Wenn das wahr ist … nein, nein, das kann nicht wahr sein! Guelder, das hast du nicht getan!«

 

»Wenn Sie alle das glauben …« Er zog die Schultern hoch. »Ich bin Gelehrter, Chemiker, nicht Psychologe. Sie haben’s mit eigenen Augen gesehen, Sie glauben es nicht, Sie hören auf diesen gerissenen Kerl …«

 

Er sprang blitzschnell hinter seinen Schreibtisch.

 

»Ich denke nicht daran, Sie zu schlagen«, sagte Tony verächtlich.

 

»Aber wenn Sie noch einmal Lady Frensham belästigen, drehe ich Ihnen das Genick um.«

 

Julian aber dachte nicht an Ursula. Er dachte an seine ungeheuren Aufträge, an die gigantischen Aktienkäufe, die er hatte tätigen wollen. Er dachte an die Freunde, die ihm nur zögernd die Mittel zu diesen gewaltigen Transaktionen zur Verfügung gestellt hatten. Er starrte den Holländer an, dann stürzte er sich auf ihn.

 

Sleser trennte die beiden und schleuderte den rothaarigen jungen Mann gegen die Wand.

 

»Verüben Sie Ihre Morde, wenn ich nicht dabei bin!« wetterte er. »Kommen Sie, Braid. Wollen sehen, was auf der Börse los ist. Wenn ich mit einer Million Verlust herauskomme, werde ich mich glücklich schätzen.«

 

Während sie hinunterfuhren, fragte er:

 

»Sie haben Ihren Freunden wohl schon mitgeteilt, daß es fauler Zauber war?«

 

»Nein«, entgegnete Tony. Er schämte sich ein wenig, daß er seine Parteinahme völlig vergessen hatte. »Aber ich glaube, das macht nicht viel. Sie verkaufen sowieso nicht.«

 

»Dann habe ich noch Hoffnung«, rief Sleser. Es war eine sehr berechtigte Hoffnung, wie er erkannte, als sie zur Börse kamen. Diamantenaktien sausten mit derselben Geschwindigkeit hinauf, mit der sie gefallen waren.

 

Er nahm den Diamanten aus der Tasche und reichte ihn Tony.

 

»Lebt wohl, Millionen«, lachte er, »ich nehme von euch Abschied. Behalten Sie den Stein. Ich werde das mit der Herzogin schon ins reine bringen.«

 

»Sie sind sehr zuversichtlich«, lächelte Tony.

 

»Lassen Sie uns darüber schweigen«, sagte der große Mann traurig. »Ich habe ihn ihr einst geschenkt – und ich Narr habe ihn gestern nicht sofort wiedererkannt!«

 

»Mr. Sleser, bitte ans Telefon«, rief ein Bedienter. Als der Millionär nach einigen Augenblicken zurückkam, spielte ein sarkastisches Lächeln um seinen Mund.

 

»Es war mein Büro«, berichtete er. »Ich gab Guelder einen Barscheck – natürlich hat er ihn, sobald die Bank geöffnet wurde, einkassiert. Glauben Sie, daß der Sheriff mich zugucken lassen wird, wenn er baumelt? Ich möchte zu gern mal wieder tüchtig lachen.«

 

Kapitel 2

 

2

 

Nach Tony Braids Abschied lastete über dem Zimmer ein langes, besonders für den einen der beiden Männer sehr peinliches Schweigen. Frensham stand am Tisch, die Augen müde auf die Schreibmappe geheftet, und spielte zerstreut mit dem Brieföffner. Er war ein armer Mann. Sein Ausflug in die City war in gewissem Sinn ein Akt der Verzweiflung gewesen. Einem Mann seines Namens boten sich Präsidentenstellen in Hülle und Fülle. Zuerst hatte er jedes Angebot angenommen, doch schmerzliche Erfahrung lehrte ihn sehr bald die Notwendigkeit einer vorsichtigen Wahl.

 

Lulanga-Öl war sein Steckenpferd. Er hatte ein großes Aktienpaket davon gekauft, hatte seinen gesamten übrigen Besitz verpfändet und weigerte sich zu verkaufen. Er glaubte an diese Aktien, glaubte vor allem an seinen klugen Neffen, der mehrere Jahre vor ihm in die City gegangen war.

 

Ja, gerade der Erfolg Julian Reefs, der fast ohne einen Penny begonnen hatte und jetzt in bestimmten Kreisen als großer Finanzexperte galt, war der leuchtende Stern gewesen, der den älteren Mann in die Netze der Börsengeschäfte gelockt hatte. Auf Julians Rat hatte er die Lulanga-Aktien gekauft und den Vorsitz im Aufsichtsrat der Gesellschaft übernommen. Als eine Tante Ursula sechzigtausend Pfund hinterließ, hatte Julian ihn bewogen, ihm die Verwaltung dieses Vermögens zu übertragen. Er hatte das Geld sehr glücklich angelegt. Die Aktien, die er zuerst gekauft hatte, waren pures Gold.

 

»Was hat er mit den gelben Diamanten gemeint?« brach Lord Frensham das Schweigen.

 

»Ach, das!« lachte Julian. »Der Lümmel hat mein Steckenpferd entdeckt. Ich bin wild auf Diamanten, aber unglücklicherweise kann ich sie mir nicht leisten. So habe ich mich auf gefleckte Steine eingestellt, besonders gelbe, die nur ein Zehntel des Wertes der weißen haben.«

 

Frensheim erinnerte sich plötzlich, daß er dem Neffen ein gewisses Mitgefühl schulde.

 

»Aber nein!« rief Julian wegwerfend, »nein, er hat mir nicht weh getan!« Er rieb sich die schmerzlich pochende Backe. »Der Schlag kam nur so plötzlich, daß ich ganz unvorbereitet war. Natürlich konnte ich in deinem Haus nicht Vergeltung üben.«

 

»Er hat es zum letztenmal betreten«, versicherte Frensham. Dabei blickte er finster zur Tür, durch die Ursula gerade hereintrat.

 

»Verzeiht, wenn ich störe – doch, wo ist Anthony?« Sie blickte sich verwundert um.

 

Lord Frensham räusperte sich. »Braid ist gegangen und wird nie wieder seinen Fuß in mein Haus setzen. Er hat ohne jeden Anlaß Julian brutal überfallen. Ich finde das einfach unerhört!«

 

Sie starrte ihn verblüfft an.

 

»Er hat Julian geschlagen? Weshalb?«

 

»Es war meine Schuld«, warf Julian ein. »Ich nannte ihn einen Lügner. Das ist nach dem Ehrenkodex eine Todsünde. An seiner Stelle hätte ich genauso gehandelt.«

 

Diese Auskunft betrübte und verwirrte sie. »Das tut mir furchtbar leid … Ich habe Tony sehr gern. Vater, ist das wirklich dein Ernst, daß er dich nicht mehr besuchen darf?«

 

»Bitterster Ernst«, entgegnete Frensham kurz.

 

Sie sah Julian an, wollte etwas sagen, unterdrückte es aber und verließ das Zimmer.

 

Reefs tückische Augen blickten ihr nach.

 

»Unbegreiflich«, sagte er, als spräche er in Gedanken.

 

»Was?« Frensham blickte rasch auf. »An dieser Freundschaft ist durchaus nichts unbegreiflich. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß dieser Mann auf ein Mädchen einen bezwingenden Zauber ausübt.«

 

Julian nickte sehr bedächtig. »Ursula hat ein sehr empfängliches Gemüt«, sagte er. Ein Unterton in seiner Stimme machte den alten Mann stutzig.

 

»Du glaubst doch nicht etwa, daß er ihr den Kopf verdreht oder … Dummheiten …?«

 

Julian Reef war auf gefährlichem Boden. Doch im Hintergrund lauerten ernstere Gefahren. Als Ablenkungsmanöver schien ihm dieses Thema gerade recht.

 

»Ich will nicht behaupten, daß er ihr den Kopf verdreht oder ihr Liebeserklärungen gemacht hat. So was tut man heutzutage nicht mehr. Man treibt in ein gegenseitiges Verstehen hinein und gleitet dann unversehens in die Ehe. Ich glaube, du hast ihn gerade noch im letzten Moment an die Luft gesetzt.«

 

Er nahm seinen Hut.

 

»Jetzt muß ich schleunigst in mein Büro. Mein Professor Guelder ist ein grimmiger Sklavenhalter.«

 

»Wo hast du diesen Holländer eigentlich aufgegabelt?«

 

»Ich habe ihn vor zwölf Jahren in Leyden kennengelernt«, gab Julian geduldig Bescheid. Frenshams Gedächtnis wurde immer schlechter. Immer wieder stellte er dieselben Fragen. »Ich hörte an der Universität Chemie; er war dort einer der jüngeren Professoren. Ein außerordentlich kluger Bursche.«

 

Lord Frensham kaute nachdenklich an seiner Unterlippe. »Ein Chemiker …? Was versteht der von Finanzgeschäften? Ja«, bedachte er langsam, »ich erinnere mich, du hast mir erzählt, daß er Chemiker ist und nichts von Finanzgeschäften versteht. Ich begreife nicht, wozu du ihn in deinem Büro in einer Vertrauensstellung hältst.«

 

»Gerade, weil er etwas von Chemie versteht«, lächelte Reef. »Bei meinen Minengeschäften werden mir oft die abenteuerlichsten Pläne unterbreitet. Da ist mir ein Mann sehr wertvoll, der mir genau die geologischen Formationen angeben kann, aus denen ein Mineral stammt.«

 

Er hatte die Hand auf der Türklinke, als Frensham ihm nachrief: »Einen Augenblick, Julian! So eilig hast du’s wohl nicht. Natürlich berührt mich nicht im geringsten, was dieser Mensch von Ursulas Geld angedeutet hat. Aber – es ist doch wohl alles in Ordnung, wie? Ich habe neulich die Liste der Papiere überprüft. Sie scheinen ziemlich gut und sicher.«

 

Julian hatte einen sehr ausdrucksvollen Mund. Jetzt verriet er gutmütigen Ärger.

 

»Soviel ich weiß, hat Ursula ihre Halbjahresdividenden pünktlich erhalten«, grollte er. »Aber natürlich, wenn du dem Rat des ›gerissenen Kerls‹ folgen willst – dieser Bursche wird auf seine alten Tage schrecklich ehrlich und bedenklich! –, dann schicke ruhig deinen Buchhalter zu mir, mein lieber Onkel, und laß ihn die Papiere mitnehmen oder gib sie einer Bank –«

 

»Red keinen Unsinn!« unterbrach Frensham hastig. »Kein Mensch hat behauptet, daß du das Vermögen nicht genauso verwalten kannst wie irgendeine Bank. Du hast doch keins der Papiere ausgetauscht?«

 

»Natürlich habe ich sie ausgetauscht!« rief Julian heftig. »Wenn ich sehe, daß eine Aktie unrentabel wird, stoße ich sie ab und kaufe eine günstigere. Ich habe mir über Ursulas Geld in diesem letzten Jahr mehr den Kopf zerbrochen als über alle meine eigenen Geschäfte. Als ich zum Beispiel die erste Nachricht von der Baisse in Brasilien erhielt, verkaufte ich die Brasilianischen Eisenbahn-Aktien, ehe der Markt flau wurde. Damit habe ich ihr über tausend Pfund gerettet. Du wirst dich auch erinnern, daß ich dir mitteilte, daß ich die Spanischen Straßenbahn-Aktien –«

 

»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach Frensham ihn eilig.

 

»Es liegt mir fern zu behaupten, daß du das nicht glänzend gemacht hast. Nur, sieh mal, Julian, ich bin ein armer Mensch und nicht sehr vorsichtig. Aber ich muß an Ursulas Zukunft denken.«

 

Damit verließ ihn Mr. Julian Reef. Auf dem Weg zu seinem Büro überlegte er, was wohl geschehen wäre, wenn der Onkel seinen Vorschlag angenommen und Ursulas Vermögen in die Hände eines tüchtigen Bankiers gelegt hätte. Denn die Aktien im Wert von sechzigtausend Pfund, die er für sie verwaltete, waren durchaus kein pures Gold mehr.