Robinson Crusoe – Kapitel 6

Kapitel 6

Den 4. Juli. Am Morgen nahm ich die Bibel und fing an, aufmerksam im neuen Testamente zu lesen. Ich machte mir zur Vorschrift, von jetzt an jeden Abend und Morgen eine Weile darin zu lesen, ohne mich jedoch dabei an eine bestimmte Kapitelzahl zu binden, sondern nur so lange, als meine Gedanken dabei haften würden. Nicht lange, nachdem ich diese Thätigkeit begonnen, fühlte ich eine tiefe und aufrichtige Betrübniß über die Verworfenheit meines vergangenen Lebens. Mein Traum wurde wieder in mir lebendig und die Worte: »Alles dieses hat dich nicht zur Buße geführt«, traten mir vor die Seele. Ich hatte Gott ernstlich angefleht, daß er mir Reue ins Herz gebe, als ich zufällig an demselben Tag auf die Schriftstelle stieß: »Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden«. Ich legte das Buch fort, und Herz und Hand in einer Art freudigen Entzückens zum Himmel erhebend, rief ich laut: »Jesus, du Sohn Davids, Jesus, du erhöheter Fürst und Heiland, gib mir ein bußfertiges Herz!«

Das war das erste Mal im Leben, daß ich mit Wahrheit behaupten konnte, gebetet zu haben. Denn ich hatte aus dem tiefsten Gefühle meiner Lage und in einer Hoffnung zu Gott gerufen, die auf seine Verheißung gegründet war, und von jetzt an faßte ich auch den Glauben, daß Gott mich erhören würde.

Ich verstand jetzt die früher erwähnten Worte: »Rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten« in einem andern Sinn als damals, wo ich dabei nur an meine Erlösung aus der Gefangenschaft dachte (denn wie groß auch die Insel war, auf der ich lebte, so war sie doch für mich ein Gefängniß im schlimmsten Sinne des Wortes). Nun aber, jene Stelle anders verstehend, suchte ich, in Furcht und Schrecken über die Sünden meiner vorigen Tage, nur Befreiung von dem Gewicht der Schuld, die auf meiner Seele lag. Mein einsames Leben bekümmerte mich nun nicht mehr. Ich bat nicht um und dachte nicht an Erlösung aus demselben; es schien mir Nichts im Vergleich zu jenem Elend. Und dies sei für alle meine Leser gesagt: daß, wenn sie zur Erkenntniß der Wahrheit gekommen sind, sie die Erlösung von der Sünde als einen viel größeren Segen empfinden werden als die Befreiung aus der Trübsal.

Doch ich wende mich nun wieder zu meinem Tagebuch. Meine Lage war zwar jetzt so elend als früher, aber sie bedrückte meine Seele weit weniger. Meine Gedanken richteten sich durch Gebet und Lesen in der Schrift auf Dinge höherer Art. Ich fühlte einen Trost in mir, wie ich ihn vorher nie empfunden, und jetzt kehrte auch meine volle Kraft und Gesundheit zurück. Ich entschloß mich, mir Alles, was ich bedurfte, durch Arbeit zu verschaffen, und von nun an ein möglichst regelmäßiges Leben zu führen.

Vom 4. bis 14. Juli verwendete ich meine Zeit zu neuen ausgedehnteren Gängen mit meinem Gewehr. Es ist kaum zu glauben, wie sehr herunter und schwach ich mich anfangs dabei fühlte. Die Heilmittel, die ich gebraucht hatte, waren gewiß niemals vorher von Jemandem gegen das Fieber angewendet worden, und ich kann das Experiment auch Niemandem empfehlen. Denn wiewohl es mich von dem Fieber befreit hatte, war ich doch auch wieder dadurch sehr geschwächt worden und litt noch geraume Zeit hindurch in Folge desselben an Nervenzucken und Zittern. Ich erkannte jetzt auch, daß es meiner Gesundheit sehr nachtheilig sei, während der Regenzeit auszugehen, besonders wenn der Regen von Wind und Sturm begleitet war. Sodann bemerkte ich, daß der im September und Oktober fallende Regen bei stürmischem Wetter mir viel gefährlicher war, als Sturm und Regen, wenn sie in der trockenen Zeit auftraten.

Ich befand mich jetzt schon über zehn Monate auf meiner einsamen Insel. Eine Möglichkeit, aus meiner trostlosen Lage befreit zu werden, schien mir nicht mehr vorhanden, weil ich fest glaubte, es habe noch nie ein menschliches Wesen außer mir einen Fuß auf diese Erde gesetzt.

Da ich jetzt meine Behausung hinlänglich gesichert zu haben meinte, spürte ich lebhaftes Verlangen, die Insel genauer kennen zu lernen und zu untersuchen, was für mir noch unbekannte Erzeugnisse darauf zu finden seien.

Ich begann diese Nachforschung am 15. Juli. Zunächst begab ich mich nach der kleinen Bucht, in die ich meine Flöße gesteuert hatte. Nachdem ich von dort aus den Fluß etwa zwei Meilen stromaufwärts verfolgt hatte, bemerkte ich, daß hier die Flut nicht weiter ging, und daß die Bucht sich in einem kleinen reißenden Bach von sehr frischem und klarem Wasser fortsetzte. Da es aber gerade die trockene Jahreszeit war, fand sich an einigen Stellen fast gar kein Wasser, oder es fehlte wenigstens eine sichtbare Strömung. An den Ufern des Baches traf ich auf liebliche grasreiche Wiesen, und an den höher gelegenen Uferstellen, welche das Wasser vermutlich nie erreichte, grünten zahlreiche Tabaksblätter auf starken und hohen Stengeln. Auch andere, mir aber unbekannte Pflanzen, die vielleicht, ohne daß ich es wußte, besondere gute Eigenschaften besaßen, fanden sich dort. Ich suchte vor Allem nach der Maniokpflanze, welche den Indianern in diesen Erdgegenden überall statt des Brodes dient, aber es war keine zu sehen. Dagegen bemerkte ich große Aloëstauden und etwas wildes, aus Mangel an Pflege verkümmertes Zuckerrohr.

Für diesmal begnügte ich mich mit diesen Entdeckungen und kehrte heim, indem ich bei mir überlegte, auf welche Art es mir gelingen könnte, die etwaige Trefflichkeit einer oder der andern Pflanzenfrucht zu entdecken. Mein Nachdenken war jedoch fruchtlos. Ich hatte mich während meines Aufenthalts in Brasilien zu wenig mit der Beobachtung der Pflanzenwelt abgegeben, um aus dieser jetzt irgend welchen Nutzen ziehen zu können.

Am nächsten Tag, den 16. Juli, schlug ich wieder denselben Weg ein. Etwas weiter als früher vorgedrungen, stieß ich auf das Ende des Baches und der Wiesen und die Gegend fing an waldiger zu werden. Hier fand ich verschiedene Früchte, besonders eine Menge Melonen und Weintrauben. Die Reben rankten sich von Baum zu Baum, und die Beeren waren gerade in voller Reife. Diese überraschende Entdeckung erfreute mich sehr; doch warnte mich vor zu reichlichem Genuß die Erinnerung daran, daß während meines Aufenthalts an der Barbarenküste einige englische Sklaven in Folge übermäßigen Weintraubenessens an der Ruhr und dem Fieber gestorben waren. Gleichwohl machte ich mir die Trauben vortrefflich zu Nutze. Ich hob sie nämlich in der Sonne getrocknet als Rosinen auf, die mir für die Zeit, wenn es keine Trauben mehr geben würde, als eine angenehme Speise dienen sollten.

Da ich den ganzen Abend an jenem Platze verweilt hatte, konnte ich nicht mehr zu meiner Behausung zurückkehren. Zum ersten Mal schlief ich sozusagen außer dem Hause; das heißt ich erstieg wieder, wie in der ersten Nacht nach meiner Ankunft auf der Insel, einen Baum und ruhete dort vortrefflich. Am andern Morgen setzte ich meinen Weg fort, und zwar nach meiner Berechnung etwa vier Meilen das Thal entlang, das sich zwischen zwei Hügelreihen nordwärts erstreckte. Am Ende meiner Wanderung kam ich zu einer Lichtung, von der aus die Gegend sich westlich auszudehnen schien. Ein frischer Quell, der seitwärts von mir an einer Anhöhe entsprang, nahm seinen Weg nach Osten hin. Die Landschaft bot einen üppig blühenden, saftgrünen Anblick und erschien wie ein wohlgepflegter Garten. Ich stieg ein wenig an der Seite dieses lieblichen Thals herab und überblickte es mit einer Art wehmüthiger Freude in dem Gedanken, daß dies Alles mir gehöre, daß ich unbestreitbarer Herr und König dieses Landes sei und daß, wenn ich es in bewohnte Gegend versetzen könnte, es ein Erbe so groß, wie nur irgend ein Lord in England es besitzen mag, repräsentiren würde.

Rings umher standen Cocusnußbäume in Menge, auch Orangen-, Limonen- und Citronenbäume, aber alle wild und gegenwärtig nur mit wenigen Früchten behangen. Indeß schmeckten die grünen Limonen, die ich brach, nicht nur vortrefflich, sondern später verschaffte mir der Saft, den ich mit Wasser mischte, auch ein sehr gesundes kühles und labendes Getränke. Ich hatte nun alle Hände voll zu thun, um Früchte zu sammeln und heim zu bringen, da ich beabsichtigte, mir einen Vorrath von Trauben, Limonen und Citronen für die Regenzeit, die ich nahe wußte, zu sammeln. Zu diesem Zweck häufte ich eine große Menge von Trauben auf, sammelte eine kleinere an einem anderen Platze und einen guten Theil Limonen in einem dritten Haufen. Einige der Früchte nahm ich sogleich mit nach Hause, den Rest gedachte ich in einem Beutel oder Sack später zu holen. Nach dreitägiger Entfernung zu meiner Wohnung zurückgelangt, fand ich, daß die Trauben, die ich bei mir trug, unterwegs verdorben waren; ihre eigne Schwere hatte die Beeren zerdrückt, während die wenigen Limonen, die ich mitgenommen, sich unversehrt erhalten hatten.

Am nächsten Tage, den 19., ging ich mit zwei kleinen Säcken versehen aus, um meine Ernte zu holen. Aber wie erstaunte ich, als ich zu meinen aufgehäuften Trauben, die, während ich sie gepflückt hatte, so voll und schön gewesen waren, kam, sie zerstreut, zerrissen, zertreten und zum Theil verzehrt fand. Ich schloß daraus, daß das Unheil von wilden, mir unbekannten Thieren angerichtet sei. Da ich somit die Unmöglichkeit einsah, die Trauben hier aufgehäuft liegen zu lassen, und da ich sie auch nicht in meinen Säcken mitnehmen konnte, weil sie in jenem Fall gefressen, in diesem verdorben sein würden, verfiel ich auf ein anderes Auskunftsmittel: nachdem ich nämlich eine große Menge Trauben gesammelt hatte, hing ich sie an Baumzweigen auf, um sie in Sicherheit von der Sonne trocknen zu lassen. Von den Citronen und Limonen nahm ich dagegen so viel mit, als ich nur zu tragen vermochte.

Auf dem Heimweg betrachtete ich mit großer Freude die Fruchtbarkeit des Thals und die Lieblichkeit der Gegend, die auch vor Stürmen geschützt und mit Wasser und Holz reichlich versehen war. Jetzt machte ich mir Vorwürfe, daß ich meine Behausung thörichter Weise an einer Stelle angeschlagen hatte, die in bei weitem der ungünstigsten Gegend der Insel gelegen sei, und begann ernstlich an eine Wohnungsveränderung zu denken und mich nach einem Obdach, das gleiche Sicherheit wie mein jetziges biete, in diesem reizenden fruchtbaren Theil des Landes umzusehen.

Dieser Gedanke ging mir sehr im Kopfe herum und reizte mich eine Weile außerordentlich. Bei näherer Betrachtung aber erwog ich, daß ich jetzt auf der Seeseite wohnte, wo mindestens die Möglichkeit vorhanden war, daß sich ein erwünschtes Unheil ereignen und ein gleiches Mißgeschick wie das meinige auch andere Unglückliche dort ans Land gerathen lassen könnte. Wie unwahrscheinlich das auch bedünken mochte, so hieß doch, mich in den Hügeln und Wäldern inmitten der Insel anzusiedeln auf meine Erlösung geradezu Verzicht leisten, und so kam ich denn auch zur Einsicht, daß ich deshalb auf keinen Fall meine Wohnung verändern dürfe. Da ich aber förmlich verliebt in jene Gegend war, brachte ich einen großen Theil meiner Zeit während des Restes des Monats Juli dort zu. Ich baute mir eine Art von kleiner Laube, die ich in einiger Entfernung mit einem starken Zaun, so hoch als ich mit den Armen reichen konnte, umgab. Dort schlief ich zuweilen mehre Nächte hinter einander ganz ruhig, indem ich den Zaun wie den um meine alte Wohnung mit einer Leiter überkletterte. So konnte ich mir denn einbilden, jetzt ein Landhaus und ein Haus an der Küste zu besitzen.

Jene Arbeiten nahmen mich bis zu Anfang des August in Anspruch. Kaum hatte ich die Einfriedigung vollendet und fing an mich der Früchte meiner Arbeit zu erfreuen, als die Regenzeit mich fest in meiner zuerstgewählten Behausung einschloß. Denn wiewohl ich in der zweiten mir von einem Stück eines Segels gleichfalls ein Zelt errichtet hatte, fehlte mir dort doch der Schutz eines Hügels, um die Stürme abzuhalten, sowie auch eine Höhle, um darin bei ungewöhnlich starkem Regen Schutz zu suchen.

Am 3. August schienen mir die aufgehängten Trauben hinlänglich trocken; sie waren auch wirklich zu trefflichen Rosinen geworden. Ich fing an, sie von den Bäumen abzunehmen und das war gut, denn der Regen würde sie außerdem bald verdorben und mich um den besten Theil meines Winterunterhalts gebracht haben. Nachdem ich nämlich über zweihundert große Trauben eingeheimst und in meine Höhle geschafft hatte, begann der Regen und dauerte vom 14. August bis zur Mitte des Oktober fort. Einige Male war er so heftig, daß ich mehre Tage hindurch meine Höhle keinmal verlassen konnte.

Während dieser Zeit wurde ich durch einen Familienzuwachs sehr überrascht. Ich hatte eine Weile in Sorgen um eine meiner Katzen gelebt, die verschwunden gewesen war, so daß ich geglaubt hatte, sie sei umgekommen. Nachdem sie geraume Zeit nichts von sich hatte sehen und hören lassen, kam sie plötzlich gegen Ende des August mit drei Jungen heim. Dies befremdete mich sehr. Zwar hatte ich einmal eine wilde Katze geschossen, aber, wie mir schien, war dieselbe von der europäischen Art völlig verschieden gewesen, und ich hatte daher geglaubt, die hier einheimische Art würde sich mit jener nicht paaren. Die Kätzchen glichen aber ganz der Mutter, und da meine beiden Katzen Weibchen waren, fand ich das sehr seltsam. Durch diese drei Katzen wurde ich später so mit Katzen überschwemmt, daß ich sie wie Ungeziefer oder wilde Thiere tödten und mit aller Anstrengung von meiner Wohnung verscheuchen mußte.

Vom 14. bis zum 26. August fortwährender Regen. Ich konnte nicht ausgehen und suchte mich nur möglichst vor der Nässe zu schützen. In dieser Eingeschlossenheit ging mir die Nahrung auf die Neige; ich wagte mich daher zweimal hinaus, schoß den einen Tag eine Ziege und fand am andern eine große Schildkröte, die mir einen wahren Leckerbissen bot. Meine Mahlzeiten hatte ich jetzt folgendermaßen geregelt: zum Frühstück genoß ich einige Rosinen, als Mittagsessen ein Stück gedörrtes Ziegenfleisch oder etwas geröstete Schildkröte (denn um zu kochen mangelte mir zu meinem großen Bedauern ein taugliches Gefäß). Mein Abendessen bestand regelmäßig aus einigen Schildkröteneiern.

Während jener durch den Regen bewirkten Gefangenschaft arbeitete ich täglich mehre Stunden daran, meine Höhle zu erweitern. Ich gelangte dabei bis zur entgegengesetzten Außenseite des Hügels und legte mir auf dieser eine Thür an, durch die ich nun ein- und ausgehen konnte. Es war mir zwar nicht ganz wohl zu Muthe bei dem Gedanken, so offen und frei dazuliegen. Früher war ich vollkommen abgeschlossen gewesen, während jetzt Alles, was Lust hatte, zu mir gelangen konnte. Jedoch hatte ich bis dahin kein lebendes Wesen auf der Insel bemerkt, das ich zu fürchten brauchte; denn die größten Thiere, die ich bisher hier gesehen, waren die Ziegen gewesen.

Den 30. September. Es war jetzt ein Jahr seit meiner Ankunft vergangen, wenigstens fand ich beim Zusammenzählen der Einschnitte an meinem Pfahl, daß ich bereits 365 Tage auf der Insel gelebt hatte. Ich fastete diesen Jahrestag über und verwendete ihn zu frommen Uebungen. Ich warf mich nieder in aufrichtiger Demuth, bekannte meine Sünden vor Gott, erkannte sie an als gerechtes Gericht über mich und flehte zu ihm, er möge um Jesu Christi willen mir gnädig sein. Nachdem ich zwölf Stunden ohne die geringste Erfrischung geblieben war, verzehrte ich nach Sonnenuntergang ein Stück Zwieback und eine Traube mit getrockneten Beeren und legte mich dann zu Bett, nachdem ich den Tag mit einem Gebete, wie ich ihn begonnen, auch beschlossen hatte. Bisher war nicht ein einziger Sonntag von mir gefeiert worden, da ich anfangs aus Mangel an religiöser Stimmung unterlassen hatte, die Wochen zu bezeichnen, und daher später die Tage nicht mehr zu unterscheiden vermochte. Nun aber theilte ich bei der Berechnung der Tage nachträglich das verflossene Jahr in Wochen und zeichnete den siebenten Tag als Sonntag aus. Bald darauf nahm ich wahr, daß meine Tinte auf die Neige ging, und ich setzte mir daher vor, von nun an nur noch die bemerkenswertesten Ereignisse meines einsamen Lebens aufzuzeichnen.

Jetzt, wo ich allmählich die Regelmäßigkeit im Eintreten der trockenen und nassen Jahreszeit erkannt hatte, war ich auch im Stande, für jede die richtigen Vorkehrungen zu treffen. Wie ich jedoch all meine Erfahrungen theuer erkaufen mußte, war es auch mit derjenigen der Fall, von welcher ich jetzt berichten will, ja sie war eine der entmuthigendsten unter allen.

Wie erwähnt, hatte ich die wenigen so wunderbar aufgesprossenen Gersten- und Reisähren aufbewahrt. Es waren, wenn ich nicht irre, dreißig Reis- und etwa zwanzig Gerstenhalme. Weil ich glaubte, es sei jetzt nach dem Regen, als die Sonne sich südlich von mir entfernte, Zeit, die Körner zu säen, grub ich, so gut es mit meinem hölzernen Spaten gehen wollte, ein Stück Land um und streute das Korn in zwei Abtheilungen darauf. Wegen meiner nicht völligen Sicherheit darüber, ob es die geeignete Zeit sei, verbrauchte ich zunächst nur zwei Drittel des Korns und behielt etwa eine Handvoll von jeder Art zurück. Das gereichte mir später zu großem Trost; denn nicht ein einziges Korn ging auf, da die trockenen Monate folgten, und die Erde des Regens entbehrte, auch kein Düngmittel das Wachsthum unterstützte. Erst in der feuchten Jahreszeit entwickelte sich meine Aussaat, wie wenn sie erst kurz zuvor geschehen sei. Als ich mein Korn nicht wachsen sah, suchte ich eine feuchtere Stelle des Bodens auf, um einen weiteren Versuch zu machen. Ich grub ein Stück Landes in der Nähe meiner Laube um und säete den Rest meines Korns dort im Februar kurz vor dem Frühlingsäquinoctium aus. Da die regnerischen Monate März und April folgten, ging es denn dort auch üppig auf und gab reichlichen Ertrag. Weil ich aber nur wenig Korn gehabt hatte, betrug meine ganze Ernte auch nur eine halbe englische Metze von jeder Art. Doch war ich durch diese Erfahrung gewitzigt, kannte jetzt die zur Aussaat geeigneten Zeiten und wußte, daß ich jährlich zweimal säen und ernten konnte.

Während mein Korn wuchs, machte ich eine kleine Entdeckung, die mir später nützlich wurde. Sobald der Regen vorüber war und das Wetter sich aufheiterte, was gegen den November hin geschah, besuchte ich nämlich meine Laube nach monatelanger Anwesenheit einmal wieder. Ich fand Alles dort, wie ich es verlassen. Die von mir angelegte Doppelhecke war nicht nur fest und unversehrt, sondern es waren auch die Pfähle, die ich von benachbarten Bäumen abgehauen hatte, ausgeschlagen und hatten hohe Zweige getrieben, wie es die Weidenbäume im ersten Jahre, nachdem sie geköpft sind, zu thun pflegen. Die Baumart, von der ich die Pfähle genommen, konnte ich nicht nennen. Ich war sehr angenehm überrascht, die jungen Stämme grünen zu sehen, beschnitt sie und suchte sie zu möglichst gleichmäßiger Höhe zu gestalten. Es ist kaum glaublich, wie schön sie binnen drei Jahren heranwuchsen. Denn wiewohl der Kreis, den sie beschrieben, gegen fünfundzwanzig Ellen im Durchmesser hielt, bedeckten sie ihn doch vollständig und gewährten so viel Schatten, daß ich fast die ganze trockene Jahreszeit hindurch mich unter demselben aufzuhalten pflegte.

Dies veranlaßte mich, weitere Pfähle zu fällen und mir eine ähnliche Umfriedigung auch um meine erste Wohnung anzulegen. Ich schlug die Palissaden etwa acht Ellen entfernt von der früher angelegten Einzäunung und in einer Doppelreihe ein, sie wuchsen prächtig heran und gewährten meiner Wohnung nicht nur Schatten, sondern dienten, wie ich seiner Zeit erzählen werde, mir später auch zur Vertheidigung.

Ich beobachtete, daß das Jahr hier nicht, wie in Europa, in Sommer und Winter, sondern in regnerische und trockene Zeiten zerfiel. Das Verhältniß stellte sich so: die Hälfte des Februar, der März und der halbe April gehörten zur Regenzeit, da dann die Sonne der Tag- und Nachtgleiche nahe war. Der halbe April, der Mai, Juni, Juli und der halbe August, wenn die Sonne nördlich vom Aequator stand, waren trocken. Die zweite Hälfte des August, der September und der halbe Oktober gehörten wieder zur Regenzeit, dagegen zählte zur trockenen Periode: der Rest des Oktober, der November, December, Januar und die erste Hälfte des Februar, wenn die Sonne südlich vom Aequator stand.

Zuweilen dauerte die Regenzeit länger oder kürzer, je nachdem der Wind wehete. Nachdem ich die üblen Wirkungen meiner Ausgänge in der nassen Periode erkannt hatte, trug ich Sorge dafür, mich stets mit den nöthigen Vorräthen zu versehen, um während der regnerischen Monate zu Hause bleiben zu können. Diese Zeit verwendete ich sehr zweckmäßig, um mich mit allerlei Dingen auszurüsten, deren Herstellung nur durch schwere und langwierige Arbeit zu bewirken war. So machte ich namentlich verschiedene Versuche, einen Korb zu Stande zu bringen. Alle Zweige aber, mit denen ich es probirte, waren unbrauchbar wegen ihrer großen Sprödigkeit. Jetzt gereichte es mir sehr zum Vortheil, daß ich als Knabe in meiner Vaterstadt oft mit großem Vergnügen dem Hantieren eines Korbmachers zugeschaut hatte. Ich war damals, wie Jungen pflegen, sehr dienstfertig gewesen, dem Korbflechter zu helfen, und hatte mir daher vollkommene Kenntniß seiner Methode angeeignet, so daß mir jetzt nur das Material fehlte. Da fiel es mir ein, daß die Zweige des Baumes, von welchem ich meine Pfähle geholt, vielleicht so geschmeidig seien wie in England die Weidenruthen. Daher begab ich mich sogleich am nächsten Tag zu meinem sogenannten Landhaus, schnitt einige dünnere Zweige ab und fand sie zu meinem Zweck so geeignet, als ich es nur wünschen konnte. Ich holte mir daher am folgenden Tage, mit dem Beil versehen, eine große Menge derselben, legte sie zum Trocknen innerhalb meiner Einfriedigung nieder und brachte sie, als sie brauchbar waren, in meine Höhle. Hier fertigte ich mir während der nächsten Regenzeit eine Menge von Körben, theils um Erde oder Anderes darin zu tragen, theils um Allerlei darin aufzubewahren. Meine Arbeit gerieth zwar nicht sehr schön, aber ihre Resultate waren doch vollkommen zweckentsprechend. Später trug ich Sorge, immer einen Vorrath von Körben zu haben, und fertigte mir, sobald die früheren abgenutzt waren, eine Anzahl neue. Dabei kam es mir besonders darauf an, die Körbe möglichst stark und tief zu machen, um darin, statt in Säcken, mein Korn aufbewahren zu können, wenn ich davon einmal einen großen Vorrath haben würde.

Nachdem ich diese eine schwierige Aufgabe mit unendlichem Zeitaufwand glücklich gelöst hatte, dachte ich daran, mich mit zwei anderen nöthigen Gegenständen, wenn möglich, zu versehen. Ich besaß nämlich kein Gefäß, um Flüssigkeiten darin aufzubewahren, außer zwei, beinahe noch ganz mit Rum angefüllten Fäßchen und einigen Glasflaschen, die theils die gewöhnliche Form hatten, theils viereckig waren. Zur Benutzung beim Kochen hatte ich nichts als einen aus dem Schiff geretteten großen Kessel, der zur Bereitung von Bouillon und zum Kochen kleiner Stückchen Fleisch zu umfangreich war. Das Zweite, wonach ich großes Verlangen trug, war eine Tabakspfeife. Obschon mir anfangs die Verfertigung einer solchen ganz unmöglich schien, gelang es mir endlich doch, eine zu erfinden. Die Anlegung meiner Doppelreihe von Pfählen und die Korbmacherarbeit beschäftigten mich den ganzen Sommer, das heißt die ganze trockene Jahreszeit hindurch.

Ich sprach schon von meiner großen Lust, die ganze Insel kennen zu lernen, und daß ich schon früher an dem Bache herauf bis an die Stelle, wo ich meine Laube angelegt, und weiterhin, wo ich den Ausblick nach der See auf der anderen Seite der Insel hatte, gekommen war. Jetzt beschloß ich, einmal meinen Weg längs der Seeküste auf jener Seite hin zu nehmen, und machte mich denn auch mit meiner Flinte, einem Beil, meinem Hund und mit einer größeren Quantität von Pulver und Blei als gewöhnlich, sowie mit zwei Zwiebacken und einem großen Bündel Rosinen in meinem Beutel auf die Wanderung. Nachdem ich das Ende des Thals, in welchem sich meine Laube befand, passirt hatte, bekam ich bald das Meer in Sicht. Da es ein außerordentlich heller Tag war, entdeckte ich plötzlich in der Ferne Land, konnte aber nicht unterscheiden, ob es eine Insel oder Festland sei. Es lag hoch und streckte sich von Westen nach Westsüdwesten in langer Ausdehnung hin. Nach meiner Berechnung mußte es mindestens fünfzehn bis zwanzig Meilen von meiner Insel entfernt sein.

Es war mir unbekannt,. was für ein Stück Erde das sein mochte, nur so viel glaubte ich zu wissen, daß es zu Amerika gehöre und allen meinen Beobachtungen nach in der Nähe der spanischen Besitzungen liegen müsse. Vielleicht mochte es von Wilden bewohnt sein, und wenn ich dort ans Land gerathen wäre, hätte ich mich wohl noch in schlimmerer Lage befunden als hier. Dieser Gedanke söhnte mich noch mehr aus mit der Fügung der Vorsehung, die, wie ich jetzt einzusehen begann, Alles aufs Beste ordnet. Meine Seele wurde nun ruhiger und ich quälte mich nicht mehr mit fruchtlosen Wünschen, anderswo zu leben.

Uebrigens sagte ich mir, daß, wenn jenes Land wirklich zur spanischen Küste gehöre, sich früher oder später sicherlich in der Nähe desselben ein Schiff zeigen werde. War das Erstere aber nicht der Fall, so konnte jene Küste nur von den zwischen den spanischen Kolonien und Brasilien hausenden Wilden bewohnt sein, welche die schlimmsten von Allen, nämlich Cannibalen oder Menschenfresser sind und alle menschlichen Geschöpfe, die in ihre Hände fallen, ermorden und verzehren.

Unter solchen Gedanken schritt ich gemächlich weiter. Wie ich bemerkte, war die Inselseite, auf der ich mich jetzt befand, weit anmuthiger als die meinige. Es gab hier blumengeschmückte Savannen oder Wiesen und schönes Gehölz fand sich in Menge. – Ich erblickte eine große Anzahl von Papageien, und es überkam mich stark die Lust, mir einen zu fangen, um ihn zu zähmen und sprechen zu lehren. Nach mehren vergeblichen Versuchen gelang es mir auch, eines jungen Thieres dieser Vogelart habhaft zu werden, das ich mit einem Stock vom Baume schlug und, nachdem es sich erholt hatte, nach Hause trug. Es währte mehre Jahre, bis dieser Papagei sprechen lernte, endlich aber hatte er gelernt, mich ganz verständlich bei meinem Namen zu rufen. Ein Vorfall, der sich hieran knüpfte, soll, obwohl er an sich unbedeutend ist, später zum Ergötzen des Lesers mitgetheilt werden.

Ich war sehr befriedigt von meiner Wanderung. In den Thälern hatte ich Hasen, wenigstens hielt ich einige mir begegnende Thiere für solche, und Füchse angetroffen. Doch unterschieden sie sich wesentlich von denen, die mir anderwärts vorgekommen waren, und lieferten mir auch kein Nahrungsmittel, wiewohl ich einige davon erlegte. Uebrigens litt ich auch in Bezug auf Victualien jetzt keinen Mangel, denn ich war mit solchen von trefflicher Qualität versehen, und zwar besonders mit dreierlei Fleischarten, nämlich dem der Ziegen, Tauben und Schildkröten. Die Rosinen dazu gerechnet, hätte selbst der Markt von Leadenhall wenigstens für einen einzelnen Menschen keine bessern Tafelfreuden liefern können als diese. So hatte ich, wie traurig meine Lage auch sein mochte, doch Grund genug zur Dankbarkeit. Litt ich doch so wenig Mangel an Unterhalt, daß ich eher im Ueberfluß, und zwar sogar an nahrhaften Leckerbissen lebte.

Während meiner Entdeckungsreise machte ich nicht viel über zwei Meilen des Tags, dennoch kehrte ich stets durch viele Umwege, die ich einschlug, um Wahrnehmungen zu machen, müde genug zu dem Platze zurück, den ich ein- und für allemal zu meinem Nachtlager bestimmt hatte. Ich schlief dort entweder auf einem Baum, oder bildete mir eine Einfriedigung, indem ich rings um mich her Pfähle einsteckte, oder solche von einem Baum zum andern legte. So konnten wilde Thiere nicht in meine Nähe kommen, ohne daß ich aufwachte. Wieder an das Meeresufer gelangt, sah ich mit Erstaunen, daß ich auch in Bezug auf dieses mein Quartier auf der ungünstigsten Seite der Insel genommen hatte. Denn hier war der Strand von unzähligen Schildkröten bedeckt, während ich deren auf der anderen Seite binnen anderthalb Jahren nur drei gefunden hatte. Auch eine große Menge von Vögeln gab es hier, von denen mir einige bisher noch nicht zu Gesicht gekommen waren. Manche darunter lieferten leckere Mahlzeiten, dem Namen nach erkannte ich darunter nur die sogenannten Fettgänse. Wiewohl es eine Leichtigkeit gewesen wäre, von diesen so viel mir beliebte zu schießen, begnügte ich mich, da ich mit Pulver und Blei sehr haushälterisch umging, lieber damit, mir eine Ziege zu erlegen, die mir längern Unterhalt gewährte. Obgleich auch von diesen Thieren hier eine Menge, und zwar eine noch größere als auf meiner Inselseite vorhanden war, hielt es doch schwerer als dort, an sie heran zu kommen, da sie wegen der Ebenheit und Flachheit der Gegend mich immer sehr bald bemerkten.

Dieser ganze Theil des Eilandes behagte mir, wie gesagt, weit besser als der, in welchem ich mich niedergelassen hatte. Aber dennoch fühlte ich nicht die geringste Lust, meine Wohnung zu verlassen, denn durch die Gewohnheit war diese mir lieb geworden, und es dünkte mich die ganze Zeit meiner Wanderung hindurch, als ob ich in der Fremde sei. Ich ging an der Küste ungefähr zwölf Meilen ostwärts, pflanzte dort einen großen Pfahl zum Merkzeichen am Strande auf und beschloß dann, heimzukehren. Meinen nächsten Ausflug gedachte ich die andere Seite der Insel entlang zu machen und so in die Runde zu gehen, bis ich wieder an jenem Pfahl ankäme. Diesmal schlug ich einen andern Rückweg an, in der Ueberzeugung, daß ich leicht den Ueberblick über die Insel behalten und nach meiner ersten Wohnung nicht fehl gehen könne. Ich hatte mich jedoch getäuscht, denn nach zwei bis drei Meilen befand ich mich in einem großen, von Wald bedeckten Hügeln umkränzten Thale, so daß ich mich über den einzuschlagenden Weg nur durch die Beobachtung des Sonnenstandes zu orientiren vermochte. Um das Mißgeschick zu steigern, wurde das Wetter während der drei oder vier Tage, die ich in diesem Thale zubrachte, neblig, so daß ich die Sonne nicht zu sehen bekam und so lange mißmuthig herumirrte, bis ich mich nothgedrungener Weise wieder nach der Seeseite hinwendete, meinen Pfahl aufsuchte und dann auf demselben Wege, den ich auf dem Hinweg gekommen war, heimkehrte. Da das Wetter ungemein heiß war und ich an meiner Flinte, dem Schießbedarf und dem Beil schwer zu tragen hatte, legte ich den Weg nach Hause in nur kleinen Tagemärschen zurück.

Auf meiner Heimwanderung fing mein Hund ein Ziegenlamm, das ich, herbeigeeilt, während es noch am Leben war, ihm entriß. Es wandelte mich große Lust an, es mit nach Hause zu nehmen, da ich schon darüber nachgedacht hatte, ob es nicht gelingen könne, ein oder zwei Lämmer zu fangen und mir so für die Zeit, wenn mein Pulver und Blei verbraucht sein würde, eine Zucht von zahmen Ziegen anzulegen. So machte ich denn dem kleinen Geschöpf ein Halsband und führte es an einer Leine, die ich mir aus etwas Taugarn, wovon ich beständig ein wenig bei mir trug, verfertigte, bis zu meiner Laube, wo ich es einschloß und zurückließ. Denn ich brannte vor Ungeduld, nach mehr als einmonatlicher Abwesenheit wieder nach Hause zu kommen.

Ich kann nicht beschreiben, mit welcher Freude ich meine alte Behausung begrüßte und mich in meine Hängematte schlafen legte. Die kleine Reise, auf der ich wie ein Nomade gelebt hatte, war mir so wenig angenehm gewesen, daß mein eignes Haus, wie ich es nannte, mir jetzt als ein wohlgeordnetes Heimwesen erschien. Alles um mich muthete mich so traulich an, daß ich mir vornahm, mich, so lange ich auf der Insel verweilen müßte, nicht wieder auf eine so weite Strecke zu entfernen.

Eine Woche hindurch pflegte ich jetzt der Ruhe, um mich von den Anstrengungen meiner Wanderung zu erholen. Den größten Theil dieser Zeit nahm ein wichtiges Geschäft in Anspruch. Ich fertigte nämlich für mein Papchen, das sich schon wie zu Hause bei mir fühlte und gar gut bekannt mit mir geworden war, einen Käfig an. Dann dachte ich an das arme Ziegenlamm, das ich in meiner kleinen Umfriedigung eingesperrt hatte, und ging, es zu holen und ihm zu fressen zu geben. Zwar fand ich es noch am alten Ort, aber es war halb verhungert. Ich schnitt Zweige von Bäumen und Sträuchern ab, warf sie ihm vor, und nachdem es gefressen, wollte ich es wie früher anbinden, um es nach Hause zu leiten. Aber es war durch den Hunger so zahm geworden, daß es nicht nöthig schien, es zu fesseln, denn es folgte mir von freien Stücken wie ein Hund. Ich fütterte es dann regelmäßig, und das Thierchen wurde so anmuthig, zutraulich und zahm, daß es nun auch zu meiner Familie gehörte und nicht wieder von mir weichen wollte.

Jetzt war wiederum die Regenzeit der herbstlichen Tag- und Nachtgleiche gekommen, und ich beging den 30. September in derselben feierlichen Weise wie früher als den Jahrestag meiner Landung. Zwei Jahre waren seit dieser nun vergangen, und meine Aussicht auf Befreiung schien noch nicht größer als am ersten Tage. Ich verwendete den ganzen 30. September zu demüthiger, dankbarer Erinnerung an die vielen wunderbaren Gnadenerweisungen, die mir in meiner Einsamkeit zu Theil geworden waren und ohne die mein Elend unendlich viel größer gewesen sein würde. Aus tiefstem Herzen dankte ich Gott, daß er mir die Augen darüber geöffnet hatte, wie ich in dieser Einsamkeit sogar glücklicher als inmitten menschlicher Gesellschaft und unter allen Freuden der Welt sein könne; daß er mir die Entbehrungen meiner Lage und den Mangel an menschlichem Verkehr durch seine Gegenwart und durch seine gnädige Offenbarung reichlich ersetzt, mir Hülfe und Trost gewährt und mich ermuthigt hatte, auf seine Vorsehung zu bauen und zu hoffen, daß er allezeit bei mir sein werde.

Allmählich kam mir zum Bewußtsein, um wie viel glücklicher mein jetziges Leben trotz aller seiner betrübsamen Umstände sei als das nichtswürdige verworfene Dasein, das ich in früheren Tagen geführt hatte. Meine Sorgen und Freuden gestalteten sich von Grund aus um, sogar meine Wünsche änderten ihre Natur, meine Neigungen waren wie vertauscht, und ich fand jetzt mein Vergnügen in ganz anderen Dingen als denen, in welchen ich es nach meiner ersten Ankunft, oder wenigstens noch vor zwei Jahren gesucht hatte.

Sonst, wenn ich umher gewandert war, auf der Jagd, oder um das Land kennen zu lernen, hatte oft eine plötzliche Angst meine Seele überfallen und mir das Herz beklemmt. Der Gedanke an die Wälder, die Berge, die Einöde, die mich umgab, und wie ich eingeschlossen sei durch die ewigen Riegel und Schlösser des Oceans, in einer öden Wildniß, ohne Hoffnung auf Erlösung, hatte mich da oft niedergebeugt. Mitten in der ruhigsten Stimmung war es oft wie ein Sturmwind über mein Gemüth gekommen, und mit gerungenen Händen hatte ich oft wie ein Kind weinen müssen. Zuweilen hatte mich’s mitten in der Arbeit überfallen, dann hatte ich mich sofort niedergesetzt und stundenlang seufzend auf die Erde geblickt. Und gerade dieser Zustand war der schlimmste, denn wenn mein Kummer sich in Thränen oder Worten Luft machen konnte, pflegte er sich bald zu mildern.

Jetzt aber fing ich an, mich in anderen Stimmungen zu ergehen. Ich las täglich in Gottes Wort und wendete seine Tröstungen auf meine gegenwärtige Lage an. Eines Morgens, da ich sehr traurig war, fiel mir die Bibelstelle in die Augen: »Ich will dich nicht verlassen noch versäumen«. Sofort fiel mir auf, daß diese Worte wie für mich geschrieben seien. Weshalb wären sie auch sonst wohl gerade in dem Augenblick mir aufgestoßen, als ich mich über meine Lage grämte und klagte, daß ich ein von Gott und Menschen Verlassener sei? »Nun denn«, sagte ich mir jetzt, »wenn Gott dich nicht verlassen will, was kann dir dann geschehen, und was liegt daran, wenn auch die ganze Welt dich verläßt, da du doch siehst, daß, wenn du die ganze Welt gewännest und solltest Gottes Gnade und Segen dafür entbehren, dein Schade unvergleichlich größer sein würde!«

Von diesem Augenblick an kam ich zu der Erkenntniß, daß ich in dieser Einsamkeit seliger zu sein vermochte, als ich vermuthlich in irgend einer andern Lebenslage gewesen wäre. Nun dankte ich Gott sogar dafür, daß er mich hierher gebracht hatte. Aber ich weiß nicht, wie es kam, daß ich bei diesem Gedanken erschrak und ihm nicht Worte zu geben wagte. »Wie kannst du so heucheln«, sagte ich laut vor mich hin, »und dich stellen, als ob du Gott für eine Lage dankbar seiest, in der zufrieden zu sein du zwar dir Mühe gibst, aus der du aber doch mit herzlichem Dank dich befreien lassen würdest.« Wenn ich nun auch in solcher Weise mit meinem Danke inne hielt, so sprach ich ihn doch um so aufrichtiger dafür aus, daß mir Gott die Augen geöffnet und mich mein früheres Leben im richtigen Lichte hatte sehen, betrauern und bereuen lassen. Niemals öffnete oder schloß ich die Bibel, ohne Gott für die segensreiche Fügung zu danken, der meinen Freund in England. ohne daß ich ihm Auftrag dazu gegeben, veranlaßt hatte, sie unter meine Habe zu packen, und der mir beigestanden, daß ich sie später aus dem Schiffswrack hatte retten können.

In solcher Gemüthsstimmung begann ich mein drittes Jahr. Wenn ich aus dem Verlaufe des zweiten bezüglich meiner Arbeiten den Leser auch nicht mit dem Bericht über so viel Einzelnheiten ermüdet habe wie in der Erzählung von dem ersten, so wird man doch im Allgemeinen bemerkt haben, daß ich selten müßig gewesen war. Ich hatte meine Zeit regelmäßig eingetheilt und für gewisse tägliche Beschäftigungen fest bestimmt. Dazu gehörten vor Allem mein Gottesdienst und das Bibellesen, das ich eine Zeitlang täglich dreimal vornahm; zweitens, mein Ausgang mit dem Gewehr nach Lebensmitteln, der mich gewöhnlich drei Morgenstunden in Anspruch nahm, wenn es nicht gerade regnete; drittens die Eintheilung und Zubereitung dessen, was ich erlegt oder gefangen hatte. Auch darüber ging ein großer Theil des Tages hin. Es ist dabei übrigens nicht zu vergessen, daß um Mittag, wenn die Sonne im Zenith stand, das Uebermaß der Hitze mich am Ausgehen hinderte, so daß ich nur etwa vier Abendstunden für jene Arbeit verwenden konnte. Zuweilen vertauschte ich auch die Zeit der verschiedenen Geschäfte, arbeitete am Morgen und ging dafür am Nachmittag auf die Jagd.

Neben der Kürze der Zeit, die ich auf die Arbeit verwenden konnte, muß man die ungemeine Mühseligkeit der letzteren in Anschlag bringen und bedenken, wie viele Stunden durch Mangel an Werkzeug, an Hülfe, an Geschick bei Allem, was ich in Angriff nahm, verloren ging. So brachte ich zum Beispiel volle zweiundvierzig Tage damit zu, ein Brett für ein langes Gestell herzurichten, das ich für meine Höhle brauchte. Zwei Zimmerleute mit dem gehörigen Werkzeug und einem Sägebock hätten in einem halben Tag aus demselben Baum sechs solcher Bretter schneiden können.

Das Verfahren, was ich bei jener Arbeit einschlug, war folgendes: Zunächst war ich genöthigt einen großen Baum zu fällen, da mein Brett eine ansehnliche Breite haben mußte. Damit hatte ich drei Tage zu thun, und zwei weitere nahmen die Entfernung der Zweige und die Gestaltung des Stammes zu einem einzigen Block in Anspruch. Mit unglaublicher Arbeit hackte und hämmerte ich an den beiden Seiten des Baumes, bis er begann sich leicht genug bewegen zu lassen. Hierauf machte ich ihn auf der einen Seite von einem Ende bis zum andern eben und glatt und nahm dann dieselbe Arbeit auf der anderen Seite vor, bis das Brett etwa drei Zoll dick war. Jedermann kann sich vorstellen, wie viel Mühe diese Thätigkeit erforderte, aber Fleiß und Geduld ließen mich dieses, wie viele andere Dinge, endlich doch fertig bringen.

Es waren jetzt die Monate November und December herangekommen, und ich hoffte bald eine Ernte von meinem Reis und Korn zu gewinnen. Das Feld, das ich damit besäet, war nicht groß, da, wie bemerkt, meine Aussaat von jeder Kornart, weil ich die frühere ganze Ernte eingebüßt, nicht mehr als eine halbe englische Metze betragen hatte. Diesmal aber versprach der Ertrag reichlich zu werden. Da aber sah ich plötzlich mein Getreidefeld von allerlei Feinden bedroht, die ich nur mit Mühe von ihm fern halten konnte. Vor Allem durch die Ziegen und die hasenähnlichen Thiere, welche Geschmack an den Halmen gefunden hatten und Tag und Nacht daran fraßen, so daß viele Halme nicht zu Aehren aufgehen konnten.

Hierfür sah ich kein anderes Mittel der Abhülfe, als daß ich mit großer Arbeit und Eile eine Einfriedigung um das Stück Land zog. Innerhalb drei Wochen war das kleine Feldstück vollkommen eingehegt, und da ich bei Tage mehrmals einige von den Thieren schoß, und des Nachts meinen Hund, den ich an einen der Pfähle band, wo er die ganze Nacht hindurch bellte, zum Wächter setzte, so zogen sich die Feinde binnen kurzer Zeit weg, und das Korn wuchs hoch heran, stand gut und begann zusehends zu reifen.

Wie mir aber früher die vierfüßigen Thiere Schaden gethan hatten, so lange das Korn grün war, so drohten ihm jetzt, als es Aehren trug, die Vögel. Als ich das Feld besuchte, um zu wissen, wie es gedeihe, fand ich eine Menge gefiedertes Volk ringsherum, das nur auf den Augenblick zu warten schien, bis ich mich entfernt habe. Sofort gab ich, da ich mein Gewehr bei mir trug, Feuer unter den Schwarm, und alsbald erhob sich mitten aus dem Korn eine Wolke von Vögeln, die ich vorher gar nicht gesehen hatte.

Dies verdroß mich sehr, denn ich sah voraus, daß binnen wenigen Tagen meine ganze Hoffnung zu nichte sein, sowie daß ich es niemals bis zu einer ordentlichen Ernte bringen und später in Mangel gerathen würde. Daher beschloß ich mein Korn, wenn möglich, zu retten, und wenn ich es auch Tag und Nacht bewachen sollte. Zuerst untersuchte ich den schon angerichteten Schaden und fand, daß die Vögel eine Menge Körner bereits gefressen hatten. Da diese aber noch zu grün waren, belief sich der Verlust nicht sehr hoch, und wenn ich den Rest rettete, so konnte die Ernte wohl immer noch eine gute werden.

Während ich bei dieser Gelegenheit, neben dem Feld stehend, mein Gewehr lud, sah ich die Diebe rings auf allen Bäumen sitzen, als ob sie nur auf mein Weggehen warteten. Deshalb that ich, als ob ich mich entfernen wollte, und kaum war ich ihnen aus dem Gesicht gekommen, als sie auch schon, einer nach dem andern, wieder ins Korn fielen. Das reizte mich so, daß ich nicht Geduld hatte zu warten, bis sich noch mehre eingefunden haben würden. Ich wußte, daß jedes Korn, das sie jetzt fraßen, mich sozusagen um eine zukünftige Metze bringe. Daher schlich ich mich an die Hecke und tödtete diesmal drei. Das war auch für meinen Zweck vorläufig genug. Ich machte es mit den Erlegten, wie man es in England mit ausgezeichneten Dieben macht: ich hing sie nämlich, zum abschreckenden Exempel für die anderen, auf. Man sollte kaum denken, daß dies eine solche Wirkung hätte haben können, wie es in der That der Fall war. Denn die Vögel blieben von nun an nicht nur von meinem Korn weg, sondern zogen sich auch sehr bald ganz aus dieser Gegend der Insel weg, und ich habe, so lange die Vogelscheuchen hingen, niemals wieder einen der gefiederten Diebe in der Nähe meines Feldes bemerkt. Wie man denken kann, war ich sehr erfreut darüber; gegen Ende des December, in der zweiten Herbstzeit des Jahres, heimste ich dann mein Korn ein.

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Robinson Crusoe – Kapitel 5

Kapitel 5

Bei der Ordnung meines Hauswesens fühlte ich aufs Neue, daß mir verschiedene Dinge doch noch sehr abgingen. Einige darunter glaubte ich niemals machen zu können, und bezüglich mehrer ist das auch in der That der Fall gewesen. Zum Beispiel brachte ich es durchaus nicht fertig, eine Tonne zu bauen. Ich hatte mehre kleine Fässer, wie schon oben erwähnt ist, aber es gelang mir nicht, wiewohl ich viele Wochen darauf verwendete, nach dem Modell derselben ein neues zu machen. Weder vermochte ich den Boden gehörig einzulassen, noch konnte ich die Dauben so nahe an einander fügen, daß sie wasserdicht wurden. Ich gab daher die ganze Sache auf. Ferner vermißte ich sehr Lichter. Sobald es dunkel wurde, was gewöhnlich um sieben Uhr geschah, mußte ich zu Bette gehen. Jetzt wünschte ich mir oft den Klumpen Bienenwachs, aus dem ich bei meiner Flucht von Afrika mir Kerzen verfertigt hatte, zurück, aber der war längst nicht mehr vorhanden.

Um jenem Mangel abzuhelfen, fand ich kein anderes Auskunftsmittel, als daß ich, so oft ich eine Ziege erlegt hatte, das Fett sammelte und mir mittels eines kleinen Gefäßes von Lehm, das ich in der Sonne trocknete und mit einem Docht aus Taugarn versah, eine Lampe verfertigte. Sie leuchtete, wenn auch nicht ganz, doch fast so hell wie eine gewöhnliche Kerze. Während dieser Beschäftigung fiel mir, als ich einmal unter meinen Sachen kramte, ein Säckchen wieder in die Hand, das, wie früher bemerkt wurde, mit Korn zum Futter des Geflügels gefüllt gewesen war. Der geringe Rest des Korns war von den Ratten im Schiff gefressen worden, und ich hatte nur Hülsen und Staub in dem Säckchen bemerkt; da ich dieses zu einem andern Zweck benutzen wollte (ich glaube bei der Vertheilung des Pulvers), so hatte ich die Kornhülsen an die Seite meiner kleinen Festung unter dem Felsen ausgeschüttet.

Es war kurz vor dem großen Regen, dessen ich gedachte, geschehen, daß ich diesen Kehricht weggeworfen. Ich hatte mit keinem Gedanken mehr daran gedacht, als ich etwa einen Monat später einige grüne Halme aus dem Boden ragen sah, die ich anfangs für eine früher nicht bemerkte Pflanze hielt. Aber wie war ich erstaunt, als ich kurze Zeit darauf sich zehn bis zwölf Aehren daraus entwickeln sah, die ich als vollkommen gute grüne Gerste der europäischen oder vielmehr der englischen Art erkannte.

Ich vermag meine Empfindungen bei dieser Entdeckung nicht zu beschreiben. Bisher hatte ich überhaupt keine religiöse Weltanschauung gehabt; nur wenige Ideen dieser Art waren in meinem Kopf vorhanden gewesen, Alles, was mir widerfahren, hatte ich als Zufall oder, wie man so obenhin spricht, als Gottes Fügung angesehn. Um die Zwecke der Vorsehung und ihre Anordnung der Dinge dieser Welt war ich gänzlich unbekümmert gewesen. Als ich jedoch nun in einem Klima, von dem ich wußte, daß es sich nicht für Getreide eigne, Gerste wachsen sah, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie dahin gekommen sei, wurde ich höchlichst betroffen, und ich begann zu glauben, Gott habe durch ein Wunder diese Aehren sprießen lassen, ohne daß ein Samenkorn vorhanden gewesen sei, und zwar lediglich, damit sie in dieser trostlosen Einöde mir zur Nahrung dienten.

Dieser Gedanke bewegte mir das Herz zu Thränen, und ich fing an mich selig zu preisen, daß um meinetwillen solch ein Naturwunder geschehen sei. Noch mehr stieg meine Ueberraschung, als ich in der Nähe, dem Fels entlang, auch noch andere Halme erblickte, die ich von meinem Aufenthalt in Afrika her als Reisähren kannte. Da ich nicht zu glauben wagte, diese seien auch nur zu meiner Erhaltung von der Vorsehung hierhergebracht, indem ich vielmehr überzeugt war, daß dergleichen noch mehr sich hier befinde, suchte ich auf dem ganzen mir bekannten Theil der Insel, in allen Ecken und unter jedem Felsen nach weiteren Aehren, aber ich entdeckte keine. Endlich fiel mir ein, daß ich ja den Sack mit dem Hühnerfutter an jener Stelle ausgeschüttet hatte, und nun begann die Sache ihr Wunderbares zu verlieren. Ich muß bekennen, auch meine Dankbarkeit für die göttliche Fügung fing an, durch die Entdeckung, daß das Ganze ein gewöhnliches Ereigniß sei, sich zu mindern; wiewohl ich für ein Ereigniß, das ja gerade so seltsam und unerwartet wie ein Wunder war, nicht minder hätte dankbar sein sollen. War es denn nicht wirklich ein Werk der Vorsehung, daß zehn oder zwölf Getreidekörner unversehrt blieben, als die Ratten alles Uebrige vernichteten; wie auch das, daß ich diese Körner gerade an der bestimmten Stelle ausschütten mußte, wo sie in dem Schatten des Felsens sofort aufgingen, während sie, hätte ich sie irgend anderswo ausgestreut, in dieser heißen Jahreszeit hätten verdorren und umkommen müssen?

Wie man sich denken kann, bewahrte ich die Aehren, sobald sie reif geworden (es geschah gegen Ende des Juni), sorgfältig auf. Ich beschloß, die darin enthaltenen Körner wieder auszusäen, und hoffte dadurch bald eine hinreichende Menge Frucht zu erhalten, um Brod daraus bereiten zu können. Jedoch durfte ich erst im vierten Jahre mir erlauben, von diesem Korn zu essen, und selbst dann nur sparsam, wie ich seiner Zeit berichten werde. Ich verlor nämlich die ganze erste Aussaat, weil ich nicht die geeignete Zeit beobachtet und sie unmittelbar vor den trockenen Monaten ausgestreut hatte, so daß sie nicht aufkam, oder wenigstens nicht in erwünschter Menge Frucht trug.

Außer der Gerste fand ich, wie erwähnt, auch zwanzig bis dreißig Reishalme, die ich mit gleicher Sorgfalt aufhob und in gleicher Weise benutzte. Ich entdeckte nämlich eine Methode, die Körner zu kochen, statt das Mehl davon zu backen, wiewohl mir auch das Letztere später gelang. – Doch ich will jetzt wieder zu meinem Tagebuch zurückkehren.

Diese drei oder vier Monate hindurch arbeitete ich überaus angestrengt, um meine Einzäunung fertig zu bekommen. Am 14. April vollendete ich sie. Um in dieselbe zu gelangen, bediente ich mich nicht einer Thüre, sondern stieg mittels einer Leiter über die Einfriedigung, damit man von der Außenseite meiner Behausung Nichts von dieser gewahr werden sollte.

Den 16. April. Heute wurde ich mit der Leiter fertig. So oft ich diese benutzt hatte, zog ich sie mir nach und legte sie im Innern der Umfriedigung nieder, so daß ich, wenn ich mich in meiner Wohnung befand, gegen Außen gänzlich abgeschlossen war.

Schon am nächsten Tage aber, nachdem ich die Einfriedigung vollendet, wäre fast meine ganze Arbeit über den Haufen geworfen worden und ich selbst beinahe umgekommen. Die Sache verhielt sich so. Ich war hinter meinem Zelte gerade am Eingang in die Höhle beschäftigt, als mich ein unerwartetes Ereigniß furchtbar erschreckte. Ich sah nämlich die Erde, welche die Decke meiner Höhle bildete, mit Einem Mal sich loslösen und von dem Gipfel des Hügels über mir herabstürzen. Zwei der Pfähle, mit denen ich die Wölbung meiner Höhle gestützt hatte, krachten mit fürchterlichem Lärm zusammen. Ich war aufs Aeußerste bestürzt, hatte jedoch keine Ahnung von der wirklichen Ursache, indem ich glaubte, meine Höhlendecke stürze wieder in derselben Weise ein, wie es mit einem Theil derselben schon einmal geschehen war. Aus Furcht, lebendig begraben zu werden, rannte ich nach meiner Leiter und glaubte mich nicht eher im Sichern und vor den herabstürzenden Felsen geschützt, als bis ich über meine Palissadirung geklettert war.

Kaum hatte ich den Fuß auf den Boden gesetzt, als ich erkannte, daß ein schreckliches Erdbeben die Ursache der Erschütterung war. Der Erdboden, auf dem ich stand, wurde nämlich dreimal in Zwischenräumen von je etwa acht Minuten durch solche Stöße erschüttert, daß sie das festeste Gebäude umgeworfen haben würden. Ein großes Stück der Felsspitze, die ungefähr eine halbe Meile von mir entfernt über das Ufer ragte, stürzte mit einem so entsetzlichen Getöse, wie ich es im Leben nicht gehört, in das Meer. Auch dieses befand sich in heftiger Bewegung, und wie mir schien, waren die Stöße unter dem Wasser noch stärker als die auf der Insel.

Ich erschrak so sehr, denn ich hatte dergleichen nie erlebt und auch niemals nur davon erzählen gehört, daß ich wie todt vor Bestürzung war. Die Erderschütterung machte mir übel, als ob ich seekrank sei. Erst der Lärm des herabstürzenden Felsens erweckte mich wieder aus meiner Betäubung und ich glaubte jetzt nichts Anderes, als der Hügel werde zusammensinken und mein Zelt nebst meiner ganzen Habe begraben, ein Gedanke, der mir abermals das Herz erbeben machte.

Nachdem aber der dritte Stoß vorüber war und ich einige Zeit hindurch Nichts verspürte, begann ich wieder Muth zu schöpfen. Dennoch wagte ich noch nicht wieder über meine Einzäunung zu steigen, aus Furcht verschüttet zu werden. Ich saß still und trostlos auf der Erde, ohne zu wissen, was ich anfangen sollte. Diese ganze Zeit über kam mir nicht der geringste religiöse Gedanke in den Sinn. Nur das gewöhnliche »Gott sei mir gnädig« ging über meine Lippen, und auch das wiederholte ich nicht mehr, sobald das Ereigniß vorüber war.

Während ich so saß, sah ich, wie der Himmel sich mit Wolken überzog, als ob ein Regen drohe. Nach und nach erhob sich der Wind, und in weniger als einer halben Stunde tobte ein fürchterlicher Sturm. Die See war plötzlich mit Schaum bedeckt, die Braudung tobte am Ufer, starke Bäume wurden entwurzelt. Erst nach drei Stunden begann der Sturm sich zu mildern, und nach weiteren zwei Stunden wurde es dann vollkommen windstill und fing an stark zu regnen. Diese ganze Zeit über saß ich niedergeschlagen und furchtsam auf der Erde. Plötzlich aber fiel mir ein, daß dieser Wind und Regen wohl die gewöhnlichen Folgen des Erdbebens sein möchten, und daß dieses daher aufgehört habe. Jetzt erst erwachten meine Lebensgeister wieder. Der Regen trieb mich in meine Behausung zurück, wo ich mich im Zelt niedersetzte, bis mich der heftige Regen in die Höhle zu gehen zwang, obgleich ich noch immer nicht von der Furcht befreit war, sie werde mir über dem Kopfe zusammenstürzen.

Dort zwangen mich die Regengüsse, rasch eine Arbeit in Angriff zu nehmen. Ich erkannte nämlich die Notwendigkeit, eine Rinne zu machen, damit das Wasser einen Ausweg aus der Höhle nehmen könne. Als ich nach einiger Zeit bemerkte, daß keine weiteren Erderschütterungen eintraten, fing ich an ruhiger zu werden. Um mich, was mir sehr noth that, einigermaßen wieder zu Kräften zu bringen, ging ich an mein kleines Proviantmagazin und nahm einen Schluck Rum, wobei ich jedoch wie immer sparsam verfuhr, da ich, wie mir wohl bewußt war, außer diesem Vorrath keinen weiteren hatte. Es regnete die ganze Nacht und einen großen Theil des nächsten Tages hindurch, so daß ich nicht ausgehen konnte. Als ich wieder einige Fassung gewonnen, dachte ich darüber nach, was ich jetzt anfangen solle. Ich erwog, daß ich, wenn die Insel solchen Erderschütternden öfters ausgesetzt sei, in der Höhle nicht wohnen bleiben könne, sondern darauf sinnen müsse, mir auf einem freien Platze ein Hüttchen zu bauen und es wiederum, um mich vor wilden Thieren und Menschen zu sichern, mit einer Einfriedigung zu versehen. Denn ich glaubte, wenn ich hier wohnen bliebe, würde ich früher oder später sicher lebendig begraben werden.

Ans diesen Gründen beschloß ich denn, mein Zelt von seinem jetzigen Platze unter dem Felsvorsprung, von dem ich fürchtete, er werde bei der nächsten Erschütterung sicherlich auf jenes stürzen, zu entfernen. Die beiden nächsten Tage, den 19. und 20. April, verwendete ich auf die Nachforschung nach einem Platz, wohin ich meine Wohnung verlegen sollte. Die Furcht, verschüttet zu werden, ließ mich nicht ruhig schlafen. Fast ebenso stark aber war auch die Angst davor, im Freien, ohne irgend eine Schutzwehr, zu schlafen, und als ich mich umschaute und bemerkte, wie Alles um mich wieder in bester Ordnung war, und wie wohl verborgen und sicher ich jetzt wohnte, kam mich doch eine große Abneigung an, meinen Aufenthalt zu wechseln.

Ich bedachte daneben auch, wie viel Zeit mich dieser Wechsel kosten würde, und daß ich einstweilen, bis ich mir einen neuen Zufluchtsort verschafft hätte, ja doch auf gut Glück bleiben müsse, wo ich war. Mit dieser Erwägung suchte ich mich vorläufig zu beruhigen und beschloß nur, mit möglichster Eile mir eine neue Umhegung anzulegen und dann mein Zelt dahineinzubringen, vorläufig aber zu bleiben, wo ich mich befand.

Den 22. April. Am nächsten Morgen überlegte ich, wie ich meinen Vorsatz ausführen sollte. Es mangelte mir jetzt sehr am nöthigen Werkzeug. Ich hatte zwar drei große Aexte und eine Menge kleiner Beile (die wir an Bord gehabt hatten, um sie den Wilden zu verkaufen), aber durch das Behauen des vielen harten Holzes waren diese voll Scharten und stumpf geworden. Nun besaß ich wohl auch den Schleifstein, aber ich vermochte ihn nicht ordentlich in Bewegung zu setzen. Diese Sache kostete mich so viel Nachdenken, als ein Staatsmann nur auf eine wichtige politische Angelegenheit oder ein Richter auf Abfassung eines Urtheils über Leben und Tod verwenden kann. Endlich brachte ich denn auch ein Schleifrad fertig, das ich vermittels einer Schnur durch Treten bewegen und dabei die Hände frei behalten konnte.

Anmerkung. Ich hatte in England nie ein solches Ding gesehen oder mich wenigstens nicht darum gekümmert, wie es gemacht wird; wiewohl ich später sah, daß man dergleichen dort sehr häufig benutzt. Meine Maschine nahm daher bis zu ihrer Vollendung eine volle Woche Arbeitszeit in Anspruch.

Den 28. und 29. April. Diese beiden Tage verwendete ich gänzlich dazu, meine Werkzeuge zu schärfen, wobei sich meine Schleifmaschine bestens bewährte.

Den 30. April. Da ich schon seit einiger Zeit bemerkt hatte, daß mein Brod stark auf die Neige gehe, schränkte ich mich, wennschon mit sehr schwerem Herzen, von jetzt an auf ein einziges Stück Zwieback für jeden Tag ein.

Den 1. Mai. Als ich Morgens während der Ebbe das Meer überschaute, sah ich am Strande etwas ungewöhnlich Hervorragendes, das wie eine Tonne aussah. Als ich näher kam, fand ich ein Fäßchen und einige Stücke von dem Schiffswrack, die während des letzten Sturms an das Land getrieben waren. Indem ich nach dem Schiffsrumpf selbst hinüberblickte, schien mir dieser höher aus dem Wasser hervorzuragen als früher. Bei der Untersuchung des Fäßchens fand ich, daß es Pulver enthielt, das aber naß gewesen und dann steinhart zusammengebacken war. Ich rollte das Faß vorläufig höher ans Ufer und ging dann auf dem Sande so nah als möglich an das Wrack, um zu untersuchen, ob etwa von demselben noch mehr zu holen sei.

Hier sah ich nun, daß das Schiff auffallend seine Lage verändert hatte. Das Vordertheil, das früher vom Sand verschüttet gewesen war, hatte sich sechs Fuß in die Höhe gehoben, und der Stern, der bald nachdem ich ihn das letzte Mal durchstöbert, durch die Gewalt der Wellen zertrümmert und von dem übrigen losgerissen war, lag nun umgestürzt auf der Seite. Da jetzt ein Sandhügel an der Stelle aufgethürmt war, wo ich früher eine Viertelmeile zu schwimmen gehabt hatte, um an das Wrack zu kommen, vermochte ich nun während der Ebbe trockenen Fußes bis zu demselben zu gelangen. Anfangs befremdete mich diese Wahrnehmung, bald aber erkannte ich, daß die Veränderung durch das Erdbeben bewirkt sein müsse. Durch dessen Gewalt war auch das Schiff noch mehr als früher zertrümmert worden, so daß täglich allerlei Dinge von der See abgelöst und, durch Wind und Wellen allmählich fortgeschwemmt, ans Land getrieben wurden.

Diese Dinge zogen meine Gedanken von dem Plane, meine Wohnung zu verändern, wieder ab, und ich beschäftigte mich eifrig, besonders an diesem Tage, mit der Erwägung, auf welche Weise ich in das Schiff einzudringen vermöchte. Ich fand jedoch anfangs kein Mittel, da die ganze Innenseite desselben von Sand bedeckt war. Da ich aber schon gelernt hatte, an Nichts zu verzweifelt, beschloß ich, was ich nur vom Schiffe lostrennen könne, mir zu holen, weil ich überzeugt war, es in der einen oder andern Weise verwerthen zu können.

Den 3. Mai. Zunächst durchschnitt ich mit meiner Säge einen Balken, der, wie es mir schien, einen Theil des Quarterdecks zusammenhielt. Als ich ihn in Stücke gesägt, beseitigte ich von dem höchstgelegenen Theil, so gut es gehen wollte, den Sand, wurde aber durch die steigende Flut genöthigt, meine Arbeit für diesmal zu unterbrechen.

Den 4. Mai. Ich fischte heute mit der Angel, erbeutete aber keinen eßbaren Fisch. Schon war ich der Beschäftigung müde und stand im Begriff heimzukehren, als ich einen jungen Delphin fing. Ich hatte mir nämlich aus Taugarn eine lange Schnur gemacht und damit, wiewohl ich keinen Angelhaken besaß, zu andern Zeiten Fische genug gefangen, wenigstens so viel für meine Mahlzeit nöthig waren. Um sie verspeisen zu können, pflegte ich sie an der Sonne zu trocknen.

Den 5. Mai. Am Wrack gearbeitet. Ich sägte noch einen andern Balken ab, machte drei große Fichtenbretter vom Deck los, band sie zusammen und ließ sie durch die Flut an den Strand treiben.

Den 6. Mai. Ich arbeitete abermals am Schiffsrumpf, zog mehre eiserne Bolzen und anderes Eisenwerk heraus, kam aber so ermüdet von der schweren Arbeit zurück, daß ich beschloß die Sache aufzugeben.

Den 7. Mai. Wiederum war ich zum Wrack gegangen, doch nicht in der Absicht, daran zu arbeiten. Ich fand, daß es durch sein eignes Gewicht auseinandergebrochen war, nachdem ich die Querbalken herausgesägt hatte. Es lagen jetzt mehre Stücke des Rumpfes abgerissen umher, und ich vermochte nun in das Innere des Schiffs zu sehen, das aber fast ganz mit Wasser und Sand angefüllt war.

Den 8. Mai. Ich ging wiederum zu dem Schiffe und nahm diesmal ein Brecheisen mit, um das Deck aufzubrechen, das jetzt ganz frei von Wasser und Sand dalag. Zwei Planken, die ich losgerissen, wurden durch die Flut gleichfalls ans Ufer geschwemmt. Das Brecheisen ließ ich für den nächsten Tag im Wrack zurück.

Den 9. Mai. Auch heute begab ich mich zu dem Schiffsrumpf und brach nun mit dem Eisen einen Weg in denselben, wobei ich auf mehre Tonnen stieß, die ich frei machte, ohne sie jedoch öffnen zu können. Auch fand ich eine Rolle englischen Blei’s, die aber zu schwer war, als daß ich vermocht hätte, sie fortzuschaffen.

Den 10. bis 14. Mai. An allen diesen Tagen ging ich zu dem Wrack und holte mir nach und nach eine große Menge Bretter und Balkenwerk sowie etwa zwei Centner Eisen.

Den 15. Mai. Ich hatte zwei Beile mitgenommen, um zu versuchen, ob ich nicht ein Stück von der Bleirolle abtrennen könne, indem ich die Schneide des einen auf dieselbe setzte und sie mit dem Gewicht des andern hineintrieb. Da das Blei jedoch anderthalb Fuß tief im Wasser lag, gelang es mir nicht.

Den 16. Mai. Während der Nacht hatte es stark gewindet, und das Wrack schien am Morgen durch die Gewalt der Wellen noch mehr zertrümmert als vorher. Ich hatte mich an diesem Tage lange in den Wäldern herumgetrieben, um mir eine Taubenmahlzeit zu verschaffen, da die steigende Flut mich hinderte, an das Wrack zu gehen.

Den 17. Mai. Heute gewahrte ich einige Schiffstrümmer, welche die Wellen etwa zwei Meilen von mir entfernt ans Land getrieben hatten. Ich begab mich dahin und erkannte sie als ein Stück des Vordertheils, doch waren sie zu schwer, und ich konnte sie deshalb nicht fortbringen.

Den 24. Mai. An jedem der letztvergangenen Tage arbeitete ich am Schiff und löste mit schwerer Mühe mittels des Brecheisens so viel davon ab, daß bei der ersten starken Flut einige Tonnen und zwei Matrosenkisten fortgeschwemmt wurden. Aber der Wind wehte vom Lande her und so gelangte diesen Tag Nichts ans Ufer, außer einigem Stücken Holz und einem Faß mit brasilianischem Schweinefleisch, das aber durch Salzwasser und Sand verdorben war.

Ich trieb dieselbe Arbeit bis zum 15. Juni an jedem Tag, wenn ich nicht gerade für meinen Lebensunterhalt zu sorgen hatte, was ich aber stets zur Zeit der Flut that, um beim Beginn der Ebbe frei zu sein. Ich hatte mir nach und nach Bretter, Planken und Eisenwerk genug verschafft, um damit ein stattliches Boot erbauen zu können, wenn ich es nur verstanden hätte. Auch von der Bleirolle hatte ich allmählich in einzelnen Stücken beinahe einen Centner schwer herübergebracht.

Den 16. Juni. Ich fand heute am Strande eine große Schildkröte. Es war die erste, die ich seit meiner Anwesenheit auf der Insel sah, was nur an zufälligem Mißgeschick lag. Denn wenn ich von ungefähr einmal auf die andere Seite des Ufers gekommen wäre, hätte ich täglich, wie ich später sah, Schildkröten zu Hunderten bekommen können. Jedoch wäre mir das vielleicht theuer zu stehen gekommen.

Den 17. Juni. Als ich die Schildkröte zu kochen versuchte, fand ich in ihrem Leibe etwa sechzig Eier; das Fleisch schien mir das saftigste und wohlschmeckendste, das ich im Leben genossen, nachdem ich aus diesem trostlosen Eiland seit meiner Ankunft nur Ziegen- und Vogelfleisch gegessen hatte.

Den 18. Juni. Es regnete den ganzen Tag, und ich blieb daher zu Hause. Der Regen schien mir diesmal eine ungewöhnliche Kälte zu verbreiten, und es überkam mich ein unter diesem Breitengrad ungewöhnliches Frösteln.

Den 19. Juni. Ich fühlte mich sehr unwohl und fror so, als ob es ganz kaltes Wetter gewesen wäre.

Den 20. Juni. Die ganze letzte Nacht that ich kein Auge zu und litt an heftigen Kopfschmerzen und Fieberhitze.

Den 21. Juni. Ich war sehr krank. Der Gedanke an meine traurige Lage und an meine gänzliche Hülflosigkeit machte mich bis zum Tode betrübt. Zum ersten Mal seit dem Sturm von Hull betete ich zu Gott, freilich ohne zu wissen, was und warum ich es sagte, denn meine Gedanken waren in vollständiger Verwirrung.

Den 22. Juni. Heute fühlte ich mich ein wenig besser, war aber immer noch in schrecklicher Furcht vor einer schweren Krankheit.

Den 23. Juni. Es ging wir wieder sehr schlecht. Kälte und Fieberschauer quälten mich, und dann trat heftiges Kopfweh ein.

Den 24. Juni. Mein Zustand schien sich heute bedeutend der Besserung zu nähern.

Den 25. Juni. Wiederum suchte mich ein heftiger Anfall heim. Der Fieberschauer hielt sieben Stunden an. Frost und Hitze wechselten, dann trat ein gelinder Schweiß ein.

Den 26. Juni. Ich befand mich heute wohler. Um mir etwas Eßbares zu verschaffen, nahm ich das Gewehr und erlegte auch, wiewohl ich mich sehr schwach fühlte, eine Geis, brachte sie mit vieler Mühe nach Hause, röstete mir ein Stückchen Fleisch und verzehrte es. Gern hätte ich mir Bouillon gekocht, aber es mangelte mir an einem Gefäß dazu.

Den 27. Juni. Der Fieberanfall war wieder so heftig, daß ich den ganzen Tag über, ohne zu essen oder zu trinken, im Bette bleiben mußte. Fast wäre ich vor Durst verkommen, aber ich war zu schwach aufzustehen und mir einen Trunk Wassers zu holen. Ich betete wieder zu Gott, aber ich war zu schwach im Kopfe und wußte auch überdies nicht recht, was ich sagen sollte. Ich rief nur immer: »Herr sieh mich an! Gott sei mir gnädig und erbarme dich meiner!« Das trieb ich, glaub‘ ich, gegen drei Stunden lang, bis der Fieberanfall nachließ und ich in einen festen Schlaf verfiel, aus dem ich erst tief in der Nacht erwachte. Danach fühlte ich mich weit kräftiger, aber doch noch immer schwach genug, und besonders litt ich entsetzlichen Durst. Gleichwohl, da ich kein Wasser in der Nähe hatte, mußte ich still liegen bleiben bis zum Morgen, wo ich denn auch wieder einschlief.

Während dieses letzten Schlafes hatte ich folgenden schrecklichen Traum. Ich glaubte außerhalb meiner Einfriedigung auf dem Platze zu sitzen, wo ich während des Sturms nach dem Erdbeben gesessen hatte. Dort sah ich aus einer großen schwarzen Wolke einen Mann von hellen Flammen umgeben, welche die Erde erleuchteten, herabsteigen. Der Glanz, der ihn umstrahlte, war so stark, daß ihn meine Augen kaum ertrugen. Sein Gesicht war unaussprechlich schreckenerregend. Als er den Boden betrat, schien mir die Erde wie bei dem Erdbeben zu zittern, und Blitze durchzuckten rings die Luft. Auf der Erde angekommen, trat er auf mich zu, einen langen Speer in der Hand, als ob er mich tödten wolle. Er redete mich in einiger Entfernung von dem Gipfel einer kleinen Erhöhung aus mit fürchterlicher Stimme an, doch verstand ich nur das Folgende: »Alles dies hast du geschaut, ohne dich zur Buße bewegen zu lassen, darum sollst du sterben.« Dabei erhob er die Lanze, um mich zu durchbohren.

Niemand wird erwarten, daß ich das Entsetzen, welches meine Seele bei dieser Vision erfüllte, schildere. Ich meinte im Traume, das Entsetzliche könne selbst nur ein Traum sein, aber auch nachdem ich erwacht war und erkannte, daß ich nur geträumt hatte, war meine Angst über alle Beschreibung groß.

Leider fehlte es mir an aller Religion. Was ich durch die vortreffliche Unterweisung meines Vaters davon gelernt hatte, war in dem ununterbrochenen achtjährigen Seeleben und dem beständigen Verkehr mit ebenso gottlosen Menschen, wie ich war, mir abhanden gekommen. Ich erinnere mich nicht, daß ich während dieser ganzen Zeit meine Gedanken ein einziges Mal zu Gott erhoben oder über meinen Wandel nachgedacht hätte. Eine gewisse Stumpfheit des Herzens, eine Gleichgültigkeit gegen alles Bessere und eine völlige Bewußtlosigkeit von der Sünde hatte ganz und gar Besitz von meiner Seele genommen. Ich war ein so verhärtetes gedankenloses elendes Geschöpf, als nur eines unter Seeleuten je zu finden war. Weder von der Furcht Gottes in Gefahren, noch vom Dankgefühl gegen Gott nach der Errettung hatte ich die geringste Ahnung.

Man wird dies nach dem, was ich von meiner Geschichte berichtet habe, um so eher glauben, wenn ich hinzufüge, daß während jener wechselvollen Reihe von Unglücksfällen, die ich bis dahin erlebt hatte, mir nicht ein einziges Mal der Gedanke gekommen war, daß das die Hand Gottes herbeigeführt und daß es die gerechte Strafe meiner Sünden sei. Die Strafe nämlich entweder wegen des Ungehorsams gegen meinen Vater, oder wegen meiner gegenwärtigen Sünden, die groß genug waren, oder endlich die Züchtigung für den gesammten Verlauf meines nichtswürdigen Lebens.

Auch während ich mich noch auf der unheilvollen Reise an den öden Küsten von Afrika befand, war es mir keinmal eingefallen, Gott um einen Fingerzeig zu bitten, wohin ich mich wenden solle, oder seinen Schutz gegen gefräßige Thiere und grausame Menschen anzuflehen. Ich hatte weder an Gott, noch an eine Vorsehung gedacht, sondern nur wie ein rohes Thier nach meinen natürlichen Eingebungen gehandelt, indem ich nur dem Folge leistete, was mich der gesunde Menschenverstand lehrte, und auch dem kaum. Ebenso war mir, nachdem der portugiesische Kapitän mich gerettet, in sein Schiff aufgenommen, gut behandelt und sich barmherzig und gerecht gegen mich bezeigt hatte, dennoch nicht das geringste Dankgefühl in die Seele gekommen. Als ich dann wieder Schiffbruch gelitten und an dieser Insel die Gefahr des Ertrinkens ausgestanden hatte, war ich abermals weit davon entfernt gewesen, Gewissensbisse zu fühlen oder mein Unglück als ein gerechtes Gericht anzusehen. Nur das wiederholte ich oft bei mir, daß ich ein Unglücksvogel und zu einem ununterbrochenen Elend geboren sei.

Freilich das muß ich mir nachsagen, daß ich, als ich zuerst ans Land gekommen war und alle meine Schiffsgefährten ertrunken, mich selbst aber gerettet sah, eine Art von Entzücken und einige Regungen der Seele empfunden hatte, die unter Gottes gnädigem Beistand zu wirklicher Dankbarkeit sich hätten entwickeln können. Aber das hatte geendet, wie es angefangen, nämlich in einer flüchtigen Freude gewöhnlicher Art. Ich war nur voll Freude gewesen, daß ich am Leben geblieben, und hatte nicht im Geringsten die große Güte der Hand, die mich erhalten und vor allen Andern ausgezeichnet hatte, bedacht. Es war eben bloß die gemeine Art von Wohlempfinden gewesen, welche Seeleute regelmäßig fühlen, wenn sie aus einem Schiffbruch glücklich ans Land gekommen sind, und die sie in der nächsten Bowle Punsch für immer ertränken. So war es auch während der ganzen bisherigen Zeit meines einsamen Lebens in mir geblieben. Sogar als ich später aufmerksamer darüber nachgedacht hatte, wie ich auf diese schreckliche Insel verschlagen sei und außer dem Bereiche der Menschheit ohne Hoffnung auf Rettung lebe, war doch, sobald sich mir nur die Aussicht am Leben zu bleiben und nicht vor Hunger umzukommen zeigte, all meine Betrübniß verschwunden; ich fing an ganz ruhig zu sein, machte mich sofort an die Arbeit, um mir das Dasein zu fristen, und war weit entfernt von dem Gedanken, daß Gott sein Gericht an mir vollzogen und seine Hand über mich ausgereckt habe.

Erst das Aufgehen des Korns hatte, wie ich in meinem Tagebuch erwähnte, einen kleinen Eindruck auf mich bewirkt und mich nachdenklich gemacht, so lang ich es für etwas Wunderbares hielt. Aber sobald dies aufhörte, war auch jene Wirkung wieder vollkommen verraucht. Sogar das Erdbeben, wiewohl es keine furchtbarere Naturerscheinung und Nichts, das die unsichtbare Macht, die Alles lenkt, augenscheinlicher zeigt, geben kann, hatte, als der erste Schreck vorüber war, keine dauernde Einwirkung bei mir hinterlassen. Ich dachte jetzt nicht mehr an Gott und daran, daß mein gegenwärtiges Elend von ihm geschickt sei, als in der glücklichsten Zeit meines Lebens. Nun aber, nachdem ich erkrankt war und sich die Aussicht auf langsame Todesqual mir vor Augen stellte, als mein Lebensmuth unter der Last der schweren Leiden anfing zu sinken und meine Natur durch das heftige Fieber erschöpft war, begann mein Gewissen, das so lange geschlafen hatte, aufzuwachen und Vorwürfe über meine Vergangenheit, in der ich so offenbar Gottes Gericht über mich herauf beschworen, wurden in mir laut. Diese Gedanken lagen besonders am zweiten oder dritten Tag meiner Krankheit schwer auf mir. Die Gewalt des Fiebers und die Gewissensbisse preßten mir einige Worte aus, die wie ein Gebet zu Gott lauteten, wiewohl sie weder Wünsche, noch Hoffnungen aussprachen. Sie waren vielmehr der bloße Ausdruck meiner Furcht und Verzweiflung. Meine Gedankenverwirrung und die Angst, in so elender Lage umkommen zu müssen, veranlaßten Empfindungen in meiner Seele, die sich in allerlei Worten Luft machten, wie etwa: »Gott, welch ein erbärmliches Geschöpf bin ich! Wenn ich krank werde, muß ich sicherlich hülflos verschmachten«. Thränen brachen aus meinen Augen, und die Worte meines Vaters kamen mir ins Gedächtniß, insbesondere seine Prophezeiung, daß, wenn ich seinem Rathe nicht folge, Gottes Segen mir fehlen und ich einmal Zeit haben würde, über meine Thorheit nachzudenken, wenn Niemand vorhanden sein werde, mir Beistand zu leisten »Jetzt«, rief ich laut, »haben sich diese Worte bewahrheitet und Gottes Strafe ist über mich gekommen. Ich habe der Vorsehung, die mich gnädig in eine Lebenslage versetzt hatte, in der ich glücklich und zufrieden leben konnte, Trotz geboten. Ich wollte nicht sehen, was mir verliehen war an göttlichem Segen; nun trauern meine Eltern über meine Thorheit und ich trauere über die Folgen derselben. Ich habe den Beistand Derer, die mir Alles im Leben leicht gemacht haben würden, zurückgewiesen und bin nun ohne Hülfe, ohne Trost, ohne Rath.« Dann rief ich: »Herr, hilf mir, denn ich bin in großem Elend!« Dies war, wenn ich so sagen darf, das erste Gebet, das ich seit vielen Jahren aussprach. Doch ich kehre wieder zu meinem Tagebuch zurück.

Den 28. Juni. Da ich durch den Schlaf, den ich genossen, einigermaßen gekräftigt und der Fieberanfall gänzlich vorüber war, stand ich auf. Trotz des Entsetzens, das mir mein Traum eingeflößt, dachte ich doch daran, daß mein Fieber am nächsten Tage wiederkehren werde, und daß es Zeit sei, mich für eine etwaige Krankheit mit Erfrischungen zu versehen. Ich füllte daher vor Allem eine große Flasche mit Wasser und stellte sie auf meinen Tisch, so daß ich sie vom Bett aus erreichen konnte. Um die Kälte des Wassers etwas zu vermindern, mischte ich etwa ein Viertelquart Rum hinein; dann holte ich mir ein Stück Ziegenfleisch und röstete es auf Kohlen, konnte aber nur wenig davon essen. Ich machte einen Gang, fühlte mich aber sehr schwach, und das Herz war mir schwer in der Furcht vor der Wiederkehr des Fiebers. Mein Nachtessen bereitete ich mir aus drei Schildkröteneiern, die ich in der Asche röstete, und dies war der erste Bissen, den ich, so lange ich mich erinnern konnte, unter Anrufung des göttlichen Segens verzehrte.

Nach der Mahlzeit versuchte ich abermals einen Spaziergang zu machen, war aber so kraftlos, daß ich kaum meine Flinte zu tragen vermochte, ohne die ich nie ausging. Ich setzte mich daher nach wenigen Schritten auf die Erde nieder und blickte nach der See hinaus, die in völliger Stille vor mir lag. Jetzt stiegen allerlei Gedanken in mir auf, z. B. »Wie wunderbar ist doch diese Erde und dies Meer! Wer hat sie geschaffen? Wer bin ich, und wer sind alle die anderen Geschöpfe auf Erden und von wannen sind sie gekommen? Gewiß gibt es eine verborgene Macht, die Wasser und Land, Himmel und Erde gebildet hat, aber wo ist sie?« Und nun ergab sich die natürliche Antwort: »Gott hat Alles dies hervorgebracht!« – »Nun denn«, so dachte ich weiter, »wenn Gott Alles dies geschaffen hat, so regiert er auch Alles, und Nichts in dem weiten Umfang seiner Werke kann seiner Allwissenheit entgehen. Und weiter, wenn Nichts ohne sein Wissen geschieht, so weiß er auch, daß ich hier in dieser schrecklichen Lage bin, und wenn Alles auf seine Anordnung eintritt, so hat er auch Alles dies über mich verhängt.« Daran reihte sich unmittelbar die Frage: »Warum hat Gott dies so gefügt? Womit habe ich ein solches Geschick verdient?« Da aber schrak mein Gewissen alsbald wie vor einer Gotteslästerung zurück, und ich glaubte eine Stimme zu hören, die mir zurief: »Elender! Fragst du noch, was du verschuldet hast? Schau zurück auf dein schändlich vergeudetes Leben und frage dich lieber, was du nicht verbrochen hast! Frage, warum du nicht längst vernichtet bist! Warum du nicht auf der Rhede von Yarmouth ertrunken, nicht in dem Seegefecht mit dem Mann von Saleh getödtet, nicht von den Bestien an der afrikanischen Küste gefressen oder hier ertrunken bist, als alle deine Reisegefährten untergingen. Willst du noch fragen, was du gesündigt hast?«

Diese Gedanken überfielen mich mit einer solchen Gewalt, daß ich wie niedergedonnert in düsterem Sinnen nach meiner Behausung zurückschlich. Ich hatte keine Lust zu schlafen, sondern saß in meinem Stuhl, nachdem ich beim Dunkelwerden meine Lampe angezündet hatte.

Jetzt fiel mir ein, daß die Brasilianer sich als eines Heilmittels in fast allen Krankheiten des Tabaks bedienen, und daß ich in einer meiner Kisten ein Stück einer Tabaksrolle, das völlig zubereitet war, sowie ein anderes noch in grünem und unfertigem Zustand befindliches aufbewahrte.

Die Erinnerung hieran, die mir ohne Zweifel der Himmel selbst eingegeben, trieb mich zu jener Kiste, in der ich ein Labsal für Leib und Seele fand. Ich öffnete sie, nahm den Tabak und, da die wenigen Bücher, die ich gerettet, auch dort lagen, auch eine der erwähnten Bibeln heraus, in welcher zu lesen ich früher weder Zeit noch Lust gehabt hatte. Beides legte ich auf meinen Tisch.

Da ich nicht wußte, wie der Tabak anzuwenden sei, machte ich verschiedene Versuche, um zu sehen, ob er mir auf eine oder die andere Weise helfen könne. Zunächst kaute ich ein Stück eines Blattes, fühlte mich aber davon, da der Tabak noch grün und kräftig und ich nicht daran gewöhnt war, wie betäubt. Außerdem weichte ich einige Stückchen etliche Stunden in Rum auf, in der Absicht, davon einen Schluck beim Schlafengehen zu nehmen. Endlich verbrannte ich eine Portion auf Kohlen und hielt meine Nase in den Dampf, so lange ich es aushalten konnte.

In den Pausen dieser Beschäftigung griff ich nach der Bibel und fing an, darin zu lesen. Doch war mir der Kopf von dem Tabaksrauch zu verwirrt, um lange dabei zu bleiben. Als ich das Buch aufs Gerathewohl geöffnet, fiel mir die Stelle zuerst ins Auge: »Rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen«.

Diese Worte paßten so sehr für meine Lage, daß sie einen gewissen Eindruck auf mich hervorbrachten, jedoch war dieser für jetzt noch nicht so tief als der, den dieselben Worte später in mir hervorriefen. Denn das Wort Errettung schien mir noch, sozusagen, ohne Sinn für mich; die Erlösung aus meiner Einsamkeit dünkte mich so fern und so unmöglich, daß ich, gleich den Kindern Israel, die, als ihnen Fleisch verheißen wurde, sprachen: »Kann Gott uns einen Tisch in der Wüste decken?« sagte: »Vermag auch Gott selbst mich wohl zu erretten aus dieser Oede?« Da die folgenden Jahre hindurch sich auch wirklich kein Hoffnungsschimmer in dieser Hinsicht zeigte, so kehrte jener Gedanke noch oft in mir wieder. Gleichwohl aber gaben mir jene Worte von jetzt an Veranlassung zu häufigem Nachdenken.

Weil es inzwischen spät geworden war und die Betäubung durch den Tabak mich schläfrig gemacht hatte, ging ich, nachdem ich meine Lampe hatte brennen lassen, zu Bett. Ehe ich mich aber niederlegte, that ich, was ich in meinem ganzen Leben nicht gethan hatte. Ich kniete nieder und betete zu Gott, daß er seine Verheißung an mir erfüllen und mich erretten möge, wenn ich ihn anriefe in der Noth.

Hierauf trank ich den Rum, in den ich den Tabak getaucht hatte, der Trank war jedoch so scharf und bitter, daß ich ihn fast nicht hinunterzubringen vermochte. Kaum zu Bette gestiegen, fiel ich in einen tiefen Schlaf und erwachte erst gegen drei Uhr des folgenden Nachmittags. Ja, zuweilen bilde ich mir noch bis auf den heutigen Tag ein, damals auch den ganzen andern Tag und die nächste Nacht hindurch geschlafen zu haben. Denn, wie sich einige Jahre später zeigte, fehlte mir ein Tag in meiner Zeitrechnung, ohne daß ich wußte, wohin er gekommen war. Sei dem aber wie ihm wolle, ich fühlte mich beim Erwachen ungemein erfrischt und meinen Lebensmuth heiter gekräftigt. Als ich aufgestanden war, konnte ich besser gehen als früher und spürte Hunger. Auch blieb ich am nächsten Tag (den 29. Juni) vom Fieber frei und erholte mich von da an allmählich ganz.

Den 30. Juni hatte ich gleichfalls einen fieberfreien Tag und ging daher mit dem Gewehr aus, entfernte mich jedoch absichtlich nicht weit. Ich schoß einige Seevögel von der Art der Baumgänse und brachte sie heim. Da ich jedoch keine große Lust verspürte, sie zu verzehren, begnügte ich mich wieder mit einigen Schildkröteneiern, die mir trefflich mundeten. Am Abend wiederholte ich das Mittel, das mir am vorigen Tage gut bekommen zu sein schien. Ich nahm wieder etwas von dem Rum, in welchem ich Tabak erweicht hatte, jedoch weniger als daß erste Mal, und unterließ auch, den Tabak zu kauen und den Rauch einzuathmen. Doch fühlte ich mich am andern Morgen (es war der 1. Juli) nicht so wohl, als ich gehofft, hatte auch einen neuen Fieberanfall, doch war er nicht stark.

Den 2. Juli. An diesem Tage wandte ich den Tabak wieder auf die drei erwähnten verschiedenen Arten an und betäubte mich wie früher, indem ich diesmal die Menge des Aufgusses verdoppelte.

Den 3. Juli. Das Fieber kehrte von jetzt an nicht wieder, obwohl ich erst nach mehren Wochen ganz wieder zu Kräften kam. Während ich mich erholte, kehrten meine Gedanken immer wieder zu den Worten der Schrift zurück: »So will ich dich erretten«. Die Unmöglichkeit meiner Befreiung bedrückte mir das Gemüth schwer, wiewohl ich doch immer wieder auf eine solche harrte. Da aber fiel mir plötzlich ein, daß ich ja über diese große Betrübniß die mir wirklich schon zu Theil gewordene Rettung vergessen hätte. Ich fragte mich: Bist du nicht wie durch ein Wunder von deiner Krankheit erlöst, aus der trostlosesten Lage, in der Jemand sein kann? Und hast du dafür deinen schuldigen Dank gezollt? Gott hat dich gerettet, und du hast ihn nicht dafür gepriesen. Wie darfst du auf eine größere Errettung hoffen? Dies bewegte mir das Herz so sehr, daß ich alsbald niederkniete und Gott laut für meine Genesung dankte.

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Robinson Crusoe – Kapitel 4

Kapitel 4

Jetzt vertiefte ich mich gänzlich in die Ueberlegung, wie ich mich gegen die Wilden, wenn solche sich etwa zeigen sollten, oder gegen die Bestien, wenn deren auf der Insel wären, zu schützen hätte. Ich war anfangs unschlüssig, ob ich mir eine Höhle in die Erde graben oder ein Zelt über derselben errichten solle. Endlich entschloß ich mich Beides zu thun. Die Art und Weise, wie ich es bewerkstelligte, wird dem Leser nicht uninteressant sein.

Ich erkannte bald, daß die Gegend der Insel, in der ich mich damals aufhielt, zu einer Niederlassung nicht geeignet sei, theils weil der Boden dort tief gelegen, sumpfig, dem Meere zu nah und auch ungesund war, und theils weil sich kein frisches Wasser in der Nähe befand. Ich beschloß daher, einen gesünderen und passenderen Platz auszusuchen.

»Vor Allem«, sagte ich mir, »werden folgende Umstände bei dieser Wahl ins Auge zu fassen sein: erstens gesunde Lage und frisches Wasser; sodann Schutz vor der Sonnenhitze; Sicherung vor wilden Menschen oder Thieren; endlich ein freier Ausblick auf die See, damit du, wenn Gott dir ein Schiff auf Sehweite nahe kommen läßt, nicht die Gelegenheit zu deiner Befreiung versäumst.« Denn ich hatte noch keineswegs aufgegeben, auf diese zu hoffen.

Bei dem Suchen nach einer geeigneten Stelle fand ich denn auch eine kleine Ebene neben einem felsigen Hügel, der wie die Fronte eines Hauses steil nach jener hinabfiel, so daß von oben her kein lebendes Wesen so leicht an mich herankommen konnte. An der Seite dieses Felsens war eine Höhlung wie der Eingang zu einem Keller, ohne daß jedoch der Felsen an dieser Stelle wirklich ausgehöhlt gewesen wäre.

Auf dieser grünen Fläche nun, gerade vor der Höhlung, beschloß ich, mein Zelt aufzuschlagen. Der ebene Platz war nicht mehr als hundert Ruthen breit und nur etwa zweimal so lang und fiel an seinem Ende unregelmäßig gegen das Meer hin ab. Er lag auf der Nordnordwestseite des Hügels, so daß ich immer vor der Höhe geschützt war, bis die Sonne, was in diesen Gegenden spät geschieht, von Ostsüdost her schien.

Ehe ich das Zelt errichtete, zog ich vor der Höhlung einen Halbkreis, zehn Ellen im Halbmesser von dem Felsen aus und zwanzig Ellen im Durchmesser von seinem einen Endpunkt bis zum andern gerechnet.

In diesem Halbkreis pflanzte ich zwei Reihen Palissaden, die ich in den Boden schlug, bis sie fest wie Pfeiler standen. Sie ragten fünf und einen halben Fuß von der Erde empor und waren oben zugespitzt. Beide Reihen standen nur sechs Zoll von einander entfernt.

Dann legte ich die aus dem Schiffe abgeschnittenen Tauenden reihenweise zwischen die Pfähle und schlug andere Palissaden, die sich wie Strebepfeiler gegen jene stützten, etwa drittehalb Schuh hoch auf der Innenseite gleich in die Erde. Der so errichtete Zaun war dermaßen stark, daß weder Menschen, noch Thiere ihn hätten durchbrechen oder übersteigen können. Am meisten Mühe bei der ganzen Arbeit kostete es mich, die Pfähle in dem Wald zu fällen, sie an Ort und Stelle zu schaffen und in den Boden einzutreiben.

Zum Eingang in diesen Platz bestimmte ich nicht eine Thür, sondern ich überstieg den Zaun stets mit Hülfe einer kurzen Leiter. Befand ich mich in der Einfriedigung, so zog ich die Leiter hinter mir her und war so, wie ich glaubte, gegen alle Welt sicher verschanzt. Indeß sah ich später ein, daß all diese Vorsichtsmaßregeln unnöthig gewesen waren.

In meine neue Festung brachte ich nun mit unsäglicher Mühe all meine Reichthümer, die Lebensmittel, die Munition, das Werkzeug, und was ich sonst oben erwähnt habe. Sodann errichtete ich mir ein großes Zelt, und zwar um vor dem Regen, der zu gewisser Jahreszeit hier sehr heftig ist, geschützt zu sein, ein doppeltes, d. h. ich spannte über ein kleineres Zelt ein größeres, das ich oben mit einem Stück getheerter Leinwand bedeckte, welche ich unter den Schiffssegeln gefunden hatte.

Statt in dem Bett, das ich ans Land gebracht, zu schlafen, nahm ich von jetzt an mein Nachtlager in einer sehr guten Hängematte, die früher dem Steuermann gehört hatte. In das Zelt brachte ich alle meine Vorräthe, die keine Nässe vertragen konnten; nachdem ich nun meine Güter solchergestalt sämmtlich hereingeschafft, verschloß ich den bis dahin offen gelassenen Eingang und stieg von nun an, wie gesagt, mittels der Leiter aus und ein.

Hierauf machte ich mich daran, ein Loch in den Felsen zu graben, trug alle Erde und Steine, die ich dabei losarbeitete, durch das Zelt und legte sie terrassenförmig um den Zaun, so daß der Erdboden auf dessen Innenseite etwa anderthalb Fuß höher wurde als der äußere. Zugleich gewann ich dabei just hinter meinem Zelt eine Höhlung, die mir für meine Behausung als Keller diente.

Schwere Arbeit und manchen Tag kostete es, bis ich alle diese Dinge zu Stande brachte. Aus der Zwischenzeit sind einige Umstände, die mein Nachdenken in Anspruch nahmen, nachträglich zu erwähnen. Einmal, während ich an meinem Zelt und an der Höhlung arbeitete, erhob sich ein starkes Gewitter. Aus dunklem dicken Gewölk zuckte plötzlich ein Blitz und ein gewaltiger Donnerschlag folgte. Rascher noch wie dieser Blitz überkam mich der Gedanke: O weh, mein Pulver! Das Herz bebte mir bei der Ueberlegung, daß ein einziger Blitzstrahl meinen ganzen Vorrath vernichten könne, von dem, so meinte ich, nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Ernährung meines Lebens gänzlich abhängig sei. Wegen der Gefahr, in der ich selbst dabei schwebte, ängstigte ich mich nicht so sehr, obwohl ein Funke, ins Pulver gerathen, mich ja gleichfalls augenblicklich vernichtet haben würde.

Ich war von jenem Gedanken so betroffen, daß ich, sobald der Sturm vorüber war, alles Andere stehen und liegen ließ, um nur Beutel und Kästen anzufertigen, in denen ich das Pulver vertheilen und in kleinen Partien aufheben wollte; denn ich hoffte, es würde dann wenigstens nicht Alles zu gleicher Zeit vom Feuer verzehrt werden. Diese Arbeit brachte ich in etwa vierzehn Tagen fertig. Ich theilte mein Pulver, das etwa drittehalb Centner wog, in wenigstens hundert Häuflein. Von dem Fäßchen, das Wasser gezogen hatte, fürchtete ich keine Gefahr und hob es daher in meiner neuen Höhle auf, die ich meine Küche nannte. Das Uebrige verbarg ich in Löchern unter dem Felsen, damit es nicht naß werden sollte, und merkte mir aufs Genaueste die Orte, wo ich es aufbewahrt hatte.

Diese Beschäftigung zur Sicherung meines Schießbedarfs unterbrach ich jeden Tag durch Pausen, in denen ich wenigstens einmal mit dem Gewehre ausging, sowohl zum Vergnügen, als auch um zu sehen, ob ich irgend etwas Eßbares erlegen könne. Zu gleicher Zeit beabsichtigte ich hierbei mich möglichst mit dem, was die Insel hervorbrachte, bekannt zu machen. Gleich auf dem ersten dieser Streifzüge entdeckte ich zu meiner großen Befriedigung, daß es hier Ziegen gab; sie zeigten jedoch so viel Schlauheit, Vorsicht und Flinkheit, daß ihnen nur mit der allergrößten Schwierigkeit beizukommen war. Dennoch gab ich die Hoffnung nicht auf, hin und wieder eine davon zu schießen. Bei der Verfolgung ihrer Fährten beobachtete ich, daß sie, wenn sie sich auf dem Felsen befanden und mich im Thale erblickten, in größtem Schreck davon eilten, während sie dagegen im Thale weidend, wenn ich auf dem Felsen stand, mich gar nicht beachteten. Da ich hieraus schloß, daß sie durch die Stellung ihrer Augen genöthigt seien, den Blick zur Erde zu richten und dem zufolge nicht leicht Gegenstände über ihnen wahrnehmen könnten, wendete ich später den Kunstgriff an, ihnen immer von den Felsen aus beizukommen, von wo aus ich dann auch oft Gelegenheit hatte, Beute zu machen.

Bei der ersten Jagd auf diese Thiere erlegte ich eine Geis, die ein Junges säugte. Das that mir nun sehr leid. Als die Alte todt hingefallen war, stand das Lamm ganz still neben ihr, bis ich kam und sie aufhob, worauf das Junge mir nach meiner Einfriedigung folgte. Ich legte die Ziege von den Schultern ab und hob das Lamm über die Einpfählung. Meine Hoffnung, es aufziehen zu können, erfüllte sich nicht, denn da es nicht fressen wollte, mußte ich es gleichfalls tödten und zu meinem Unterhalt verwenden. Die beiden Thiere versahen mich auf lange Zeit mit Fleisch, da ich nur wenig aß und mit meinen Vorräten überhaupt (besonders aber mit dem Brod) so sparsam als möglich umging.

Nachdem ich mich nun fest angesiedelt hatte, fand ich es unumgänglich nöthig, mir einen Platz zur Feuerung und Brennmaterial zu verschaffen. Ehe ich berichte, wie ich dies bewerkstelligte, muß ich zunächst angeben, welche sehr verschiedenartigen Gedanken mir, seit ich die Insel bewohnte, durch den Kopf gingen.

Die Aussicht, die sich vor meinem innern Auge eröffnete, war sehr düster. Ich war an dies Eiland nur durch einen heftigen Sturm, der mich gänzlich von dem beabsichtigten Cours und Hunderte von Meilen weit von den gewöhnlichen Handelswegen verschlagen hatte, getrieben. Daher hatte ich guten Grund anzunehmen, daß ich nach dem Rathschluß des Himmels auf diesem öden Fleckchen Erde in trostloser Weise mein Leben endigen solle.

So oft ich bei diesem Gedanken verweilte, rannen mir die Thränen reichlich über das Gesicht. Zuweilen haderte ich mit der Vorsehung darüber, daß sie ihre Geschöpfe so ins Verderben führe und so ganz und gar unglücklich und hülflos verlassen mache, daß man für die Erhaltung eines solchen Daseins ihr kaum Dank zollen könne.

Immer aber wurden diese Gedanken durch irgend eine andere Betrachtung rasch in eine abweichende Richtung geleitet. Besonders einmal, als ich, das Gewehr in der Hand, am Strande handelnd über meine Lage nachdachte und mir jene vermessene Frage wieder aufstieß, drängte sich mir die Erwägung auf: Ja, es ist wahr, du bist in einer trostlosen Lage, aber gib dir doch Antwort auf dies: Wo sind deine Gefährten? Waret ihr nicht zu Elfen in dem Boot? Wo sind die anderen Zehn? Warum sind denn nicht sie gerettet, und warum bist nicht du untergegangen? Warum hast du allein diese Auszeichnung erfahren? Ist es besser hier zu sein oder dort in den Fluten? Hat man nicht die Pflicht alles Uebel zugleich mit dem, was es Gutes bietet, zu betrachten und mit dem zu vergleichen, was schlimmer sein könnte?

Dann fiel mir ein, wie gut für meinen Unterhalt hier gesorgt sei und in einer wie viel schlimmern Lage ich mich befinden würde, wenn nicht zufällig das Schiff von dem Platz aus, an dem es gescheitert war, so nahe ans Land getrieben worden war, daß ich alle jene Dinge daraus zu holen vermochte; und ferner wie traurig meine Existenz sein würde, wenn sie so geblieben wäre, wie da ich zuerst ans Ufer kam, ohne alle Nothwendigkeiten des Lebens. »Vor Allem aber« (rief ich in lautem Selbstgespräch aus), »was würde ich ohne ein Gewehr, ohne Munition, ohne jedes Arbeitswerkzeug, ohne Kleider und Betten, ohne Zelt oder sonstiges Obdach angefangen haben?« Dann erinnerte ich mich, daß ich jetzt alle diese Dinge reichlich besitze und mich auf dem Wege befinde, mir meinen Unterhalt auch ohne die Gewehre verschaffen zu können, wenn meine Munition einmal verbraucht sein würde. Denn von Anfang an hatte ich darauf gedacht, wie ich für die Zeit, in der nicht nur mein Schießbedarf zu Ende sein, sondern auch meine Kraft und Gesundheit in Verfall gerathen sein werde, für mich sorgen wolle.

Ich bemerke hierzu, daß die Furcht vor der Vernichtung meines Pulvers durch den Blitz damals noch gar nicht in mir aufgetaucht war, daher auch der Gedanke hieran mich bei dem ersten Gewitter um so jäher überfiel.

Nun aber will ich den traurigen Bericht von einem einsamen Dasein, wie es vielleicht nie ein anderer Mensch auf Erden geführt hat, von seinem Beginne an erzählen und in aller Ordnung fortführen.

Wir hatten nach meiner Berechnung den 30. September, als ich den Fuß zuerst auf das fürchterliche Eiland setzte, es war also die Jahreszeit, in welcher bei uns die Sonne in der herbstlichen Tag- und Nachtgleiche steht. Dort dagegen glühete sie senkrecht über meinem Scheitel. Wie ich durch eine Berechnung, die ich angestellt, zu wissen glaubte, lag meine Insel 9 Grad 22 Minuten nördlich von der Linie.

Nach etwa zwölf Tagen fiel mir ein, daß, wenn ich keine Vorkehrungen träfe, ich aus Mangel an Büchern, Feder und Tinte in der Zeitrechnung irre werden müsse und bald sogar den Sonntag nicht mehr von den Wochentagen würde unterscheiden können. Um dies zu verhindern, erfand ich folgendes Auskunftsmittel: ich schnitt mit meinem Messer auf eine große Tafel, die ich kreuzförmig an einen Pfahl befestigte, den ich da, wo ich gelandet war, in die Erde getrieben hatte, die Worte ein:

»Hier bin ich am 30. September 1659 gelandet.«

An den Seiten dieses viereckigen Pfahls machte ich täglich mit dem Messer einen Einschnitt, an jedem siebenten Tage einen doppelt so langen als an den übrigen und wiederum am ersten Tage jedes Monats eine doppelt so große Einkerbung, als diejenigen für die Sonntage waren. Auf diese Weise führte ich meinen Kalender, meine Wochen-, Monats- und Jahresrechnung.

Ich habe hier noch zu bemerken, daß unter den Gegenständen, die ich vom Schiffe gebracht, sich einige an sich ziemlich werthlose, mir aber sehr nützliche, befanden, die ich oben zu erwähnen unterlassen habe: hierzu gehörten unter Anderem Federn, Tinte, Papier, die ich zum Theil aus den Vorräthen des Kapitäns, des Steuermanns, des Stückmeisters und des Zimmermanns entnommen hatte; ferner mehre Kompasse, einige mathematische Instrumente, Quadranten, Ferngläser, Karten und Schifffahrtsbücher. Das Alles hatte ich zusammengerafft, ohne viel darüber nachzudenken, ob ich es jemals brauchen könne oder nicht. Auch drei gute Bibeln waren mir in die Hände gefallen, die mit meinen Sachen von London gekommen waren, und die ich unter meine Reiseeffekten gepackt hatte. Sodann hatte ich einige portugiesische Bücher, darunter drei katholische Gebetbücher und verschiedene andere Schriften, aus dem Wrack mitgenommen und sorgfältig aufbewahrt. Ferner darf ich nicht vergessen, daß an Bord unseres Schiffes ein Hund und zwei Katzen gewesen waren, von denen ich im Verlauf meiner Geschichte noch zu reden haben werde. Denn die beiden Katzen hatte ich mitgenommen; der Hund aber war an dem Tage, nachdem ich die erste Floßfahrt gemacht hatte, von selbst aus dem Schiffe gesprungen und ans Land geschwommen. Er war mir manches Jahr hindurch ein treuer Gefährte, trug und apportirte mir alles Mögliche und leistete mir Gesellschaft, so gut er vermochte. Ihn aber sprechen zu lehren, wollte nicht gelingen, wie große Mühe ich mir auch darum gab.

Wie schon bemerkt, hatte ich auch Federn, Tinte und Papier gefunden. Ich ging damit sehr haushälterisch um, zeichnete aber dennoch, so lange der Vorrath reichte, alle meine Erlebnisse auf das Genaueste auf. Später wurde mir dies unmöglich, da es mir durchaus nicht gelang, Tinte zu bereiten.

Ueberhaupt gebrach es mir, so viel Gegenstände ich auch um mich aufgehäuft hatte, doch an einer Menge sehr wesentlicher Dinge, so zum Beispiel außer der Tinte an einer Hacke und einem Spaten, oder einer Schaufel, um die Erde damit umzugraben; ferner an Nähnadeln, Stecknadeln und Zwirn. Was die Wäsche angeht, so gewöhnte ich mich schnell daran, sie zu entbehren.

Dieser Mangel an Gerätschaften erschwerte natürlich alle meine Arbeiten, und so dauerte es zum Beispiel fast ein Jahr, bis ich die Einzäunung meiner Wohnung beendigt hatte. Die Pfähle, die ich so schwer wählte, als ich sie nur tragen konnte, nahmen viel Zeit zum Fällen, Vorbereiten und Heimschaffen in Anspruch. Zuweilen brauchte ich zwei Tage, um eine von diesen Palissaden fertig an Ort und Stelle zu bringen, und einen dritten Tag, um sie in die Erde zu treiben. Hierzu bediente ich mich anfangs eines schweren Holzstückes, später aber nahm ich dazu eine der eisernen Brechstangen. Trotzdem war es ein mühsames und zeitraubendes Werk, diese Pfähle festzumachen. Aber was lag daran, daß irgend Etwas, das ich verrichtete, Zeit kostete, da ich ja deren in Ueberfluß hatte? Denn so viel ich vorläufig übersah, blieb mir nach Vollendung jener Arbeit nur noch die übrig, die Insel nach Lebensmitteln zu durchsuchen, was ich ohnehin schon jetzt fast an jedem Tage that.

Ich faßte nun meine Lage ernsthaft ins Auge und setzte das Ergebniß schriftlich auf, nicht sowohl um den Bericht Denen zu hinterlassen, die etwa nach mir einmal auf die Insel kommen würden (denn ich hatte wenig Aussicht auf Erben), als um mich dadurch von den Gedanken, die täglich auf mich einstürmten und mir die Seele verdüsterten, zu befreien. Meine Vernunft begann allmählich Herr zu werden über meine verzweifelte Stimmung; ich tröstete mich dadurch, daß ich das Gute meiner Lage dem Schlimmen derselben gegenüberstellte und unparteiisch, gleichwie der Kaufmann sein Soll und Haben, die Freuden gegenüber den Leiden, die ich erfuhr, folgendermaßen verzeichnete:

Das Böse: Das Gute:

Ich bin auf ein wüstes, trostloses Eiland ohne alle Hoffnung auf Befreiung verschlagen.

Aber ich lebe und bin nicht, wie alle meine Gefährten, ertrunken.

Ich bin vereinsamt und von aller Welt geschieden, dazu verurtheilt ein elendes Dasein zu führen.

Jedoch bin ich auch erlesen aus der ganzen Schiffsmannschaft, vom Tode verschont zu bleiben, und der, welcher mir das Leben wunderbar erhalten hat, kann mich auch aus dieser elenden Lage wieder erlösen.

Ich bin von der Menschheit getrennt, ein Einsiedler, verbannt vom Menschengeschlechte.

Trotzdem bin ich auf diesem öden Orte nicht Hungers gestorben.

Ich habe keine Kleider, um meine Blöße zu bedecken.

Aber ich befinde mich in einem heißen Klima, wo ich Kleider, hätte ich sie, schwerlich tragen könnte.

Ich bin ohne Vertheidigungsmittel gegen irgend einen gewaltsamen Angriff von Menschen oder Thieren.

Allein ich bin an eine Insel verschlagen, wo ich keine wilden Thiere zu sehen bekomme, wie ich sie an der afrikanischen Küste sah. Was wäre aus mir geworden, hätte ich dort Schiffbruch gelitten?

Ich habe keine Seele, um mit ihr zu reden, oder mich von ihr trösten zu lassen.

Aber Gott schickte durch wunderbare Fügung das Schiff so nahe ans Land, daß ich so viele Dinge daraus holen konnte, die zur Befriedigung meiner Nothdurft selbst dienen oder mir die Mittel zur Befriedigung derselben an die Hand geben werden, so lange ich lebe.

Alles in Allem ergab diese Uebersicht, daß es zwar kaum eine unglücklichere Lage als die meinige in der Welt gab, daß aber doch negative und positive Umstände darin vorhanden waren, um derentwillen ich dankbar sein mußte. Daraus mag man lernen, daß kein Zustand existirt, der nicht etwas Tröstliches darbietet, und bei dem wir nicht bei der Verzeichnung des Guten und Schlimmen immer dem Debet gegenüber auch Etwas auf die Seite des Credit zu setzen haben.

Nachdem ich mich auf solche Weise mit meinem Zustand einigermaßen ausgesöhnt, dagegen aber die Hoffnung, auf der See ein Schiff zu erspähen, aufgegeben hatte, begann ich, mir das Leben so angenehm einrichten, als es nur möglich war.

Meine Wohnung habe ich bereits beschrieben. Sie bestand, wie erwähnt, aus einem Zelt zu Füßen eines Felsens, das mit eigner starken Einzäunung von Pfählen und Tauen umgeben war. Ich durfte diese wohl eine Mauer nennen, besonders nachdem ich eine Art Wall von Erdstücken, etwa zwei Fuß hoch, an der Außenseite auf derselben aufgeführt und nach Ablauf von etwa anderthalb Jahren von diesem Wall aus Holzstücke gegen den Felsen gestemmt und sie mit Baumzweigen und Aehnlichem bedeckt hatte, um den Regen abzuhalten, welcher während gewisser Jahreszeiten sehr heftig war.

Meine Güter hatte ich sämmtlich in diese Einhegung und die im Hintergrund derselben befindliche Höhlung gebracht. Anfangs hatten sie dort einen unordentlichen Haufen gebildet und mir allen Platz weggenommen, so daß ich kaum mich hatte rühren können. Daher hatte ich mich daran gemacht, die Höhlung zu erweitern und tiefer in den Felsen einzudringen. Dieser bestand aus lockerem Sandstein und gab leicht nach. Da ich mich gegen wilde Thiere doch hinlänglich geschützt glaubte, arbeitete ich mich ganz durch den Felsen durch und bekam so eine Thür nach Außen hin, durch die ich meine Festung verlassen konnte. So hatte ich nicht nur einen Aus- und Eingang, sondern auch einen größern Behälter für meine Besitztümer bekommen.

Ich begann sodann mir diejenigen Gegenstände anzufertigen, die mir die notwendigsten schienen, nämlich vor Allem einen Tisch und einen Stuhl, da ich ohne diese nicht einmal die geringe Behaglichkeit, die mir auf der Welt geboten war, zu genießen vermocht haben würde. Denn ohne Tisch hätte ich weder schreiben, noch essen, noch andere dergleichen Geschäfte mit einiger Bequemlichkeit vornehmen können.

Hierbei kann ich nicht umhin zu bemerken, daß, da die Vernunft die Wurzel und der Ursprung der Mathematik ist, Jedermann durch vernünftige Berechnung und Ausmessung der Dinge binnen kurzer Zeit ein Meister in allen mechanischen Künsten zu werden vermag. Ich hatte in meinem früheren Leben niemals Handwerkszeug zwischen den Fingern gehabt, und trotzdem erkannte ich jetzt bald, daß es mir durch Arbeit, Ausdauer und Eifer möglich sein würde, Alles, was ich brauchte, wenn ich nur das nöthige Geräthe gehabt hätte, selbst anzufertigen. Indeß machte ich eine Menge Dinge auch ohne Handwerkszeug. Einige lediglich mit Hobel und Hackbeil, und zwar waren das Gegenstände, die wohl nie früher auf solche Art verfertigt waren. Zum Beispiel, wenn ich ein Brett nöthig hatte, blieb mir Nichts übrig, als einen Baum zu fällen und ihn mit der Axt von beiden Seiten so lange zu behauen, bis er dünn wie ein Brett war, worauf ich ihn dann mit dem Hobel glättete. Freilich konnte ich auf diese Weise aus einem ganzen Baum nur ein einziges Brett erhalten; doch da half Nichts weiter als die Geduld, und wenn auch die Anfertigung eines einzigen solchen Gegenstandes mich eine enorme Menge Zeit und Arbeit kostete, so war ja Arbeit und Zeit für mich von geringem Werth, und es kam Nichts darauf an, ob ich sie so oder so verwendete.

Zunächst machte ich mir aus den kurzen Latten, die ich auf meinem Floße aus dem Schiffe geholt hatte, Tisch und Stuhl. Ferner brachte ich, nachdem einige Bretter in der oben angegebenen Weise fertig geworden waren, große Fächer von anderthalb Fuß Breite übereinander an der Seitenwand meiner Höhle an, um alle meine Werkzeuge, Nägel und eiserne Geräthe darauf zu legen und Alles zur größeren Bequemlichkeit an einer bestimmten Stelle zu haben. Hierauf schlug ich Pflöcke in die Felswand, um mein Gewehr und Anderes dergleichen daran zu hängen. Meine Höhle sah jetzt aus wie ein großes Magazin von allen unentbehrlichen Dingen, und ich hatte Jegliches so zur Hand, daß diese Ordnung mir ein großes Vergnügen gewährte.

Von nun an begann ich auch ein Tagebuch zu führen und darin meine täglichen Beschäftigungen zu verzeichnen. Früher hatte es mir zu sehr an Ruhe, besonders an Gemüthsruhe gefehlt, und mein Journal würde in dieser Zeit mit vielen unbedeutenden Dingen angefüllt worden sein. Da hätte ich zum Beispiel vom 30. September Nichts zu berichten gehabt, als etwa: Nachdem ich gelandet und dem Tod des Ertrinkens entronnen war, bin ich, nachdem ich zuvor eine ganze Menge Salzwasser, das ich verschluckt, gebrochen hatte und wieder ein wenig zu mir gekommen war, statt Gott für meine Errettung zu danken, mit dem Ausruf: »Ich bin verloren! ich bin verloren!« händeringend am Strand auf- und abgelaufen, bis ich müde und matt mich auf die Erde zur Ruhe legen mußte, wo ich aber nicht schlafen konnte, aus Furcht gefressen zu werden.

Einige Tage nachdem ich schon Alles vom Schiff geholt hatte, konnte ich es nicht unterlassen, doch wieder einmal die Spitze des kleinen Berges zu ersteigen und auf die See hinauszuschauen, in der Hoffnung, ein Schiff zu erblicken. Wirklich bildete ich mir auch ein, in großer Entfernung ein Segel zu erspähen. Ich täuschte mich lange mit dieser Hoffnung und blickte starr auf das Meer, bis ich fast erblindete. Dann gab ich es auf, setzte mich nieder, weinte wie ein Kind und vergrößerte so durch eigne Thorheit mein Elend.

Erst nachdem ich diesen Kummer einigermaßen überwunden, meine Niederlassung beendigt und mein Hauswesen eingerichtet hatte, und Alles um mich so hübsch wie möglich geordnet war, begann ich mein Tagebuch. Ich will den kärglichen Inhalt desselben (ich konnte es nämlich nur so lange fortsetzen, bis mir die Tinte ausging) hier mittheilen, obwohl dasselbe viele Dinge wiederholt, die schon berichtet sind.

Tagebuch.

Den 30. September 1659. Ich armer unglückseliger Robinson Crusoe habe bei einem fürchterlichen Sturm Schiffbruch gelitten und bin auf diese traurige Insel gerathen, der ich den Namen »das Eiland der Verzweiflung« gegeben habe. Alle meine Schiffsgefährten sind ertrunken, und ich selbst bin nur mit Noth dem Tode entronnen.

Nachdem ich gelandet war, habe ich den Rest des Tages dazu verwendet, meine trostlose Lage zu erwägen und darüber nachzudenken, daß ich weder Nahrung, Wohnung, Kleidung, Waffen, noch irgend einen Zufluchtsort habe. Es gebrach mir an jedem Trost und ich sah Nichts als Verderben um mich her. Ich erwartete, entweder von den wilden Thieren gefressen, oder von wilden Menschen ermordet zu werden, oder Hungers sterben zu müssen. Als die Nacht kam, erstieg ich einen Baum, aus Furcht vor den Bestien. Es regnete die ganze Nacht hindurch, dennoch aber erfreute ich mich eines gesunden Schlafes.

Den 1. Oktober. Am Morgen sah ich mit großer Verwunderung, daß das Schiff von der Flut dem Ufer weit näher getrieben war, als es am vorigen Tage gelegen hatte. Es war mir ein Trost, es aufrecht stehen und unzertrümmert zu sehen. Denn ich hoffte, wenn sich der Wind lege, könnte ich an Bord gehen, um Lebensmittel und sonstige nothwendige Gegenstände holen zu können. Andererseits erneuete aber der Anblick auch meinen Schmerz um den Verlust der Kameraden, die, so schien es mir, wenn sie an Bord geblieben wären, das Schiff hätten retten können, oder wenigstens nicht ertrunken sein würden. Wäre die Mannschaft gerettet worden, so hätten wir vielleicht aus den Trümmern des Schiffes uns ein Boot bauen und in demselben irgend ein anderes Fleckchen Erde erreichen können. Ich verbrachte einen großen Theil des Tages damit, mich durch solche Gedanken zu quälen. Endlich aber, als ich das Schiff beinahe auf dem Trockenen liegen sah, ging ich am Strande so nahe wie möglich an es heran, schwamm dann bis zu demselben und begab mich an Bord. Auch an diesem Tage regnete es unaufhörlich, dabei war es jedoch gänzlich windstill.

Vom 1. bis zum 24. Oktober. Alle diese Tage wendete ich nur zu verschiedenen Fahrten nach dem Schiff an, aus welchem ich, jedesmal die Zeit der Flut benutzend, auf Flößen ans Land brachte, was ich nur vermochte. Auch in dieser Zeit währte der Regen, wiewohl zuweilen von schönem Wetter unterbrochen, fort. Es scheint dies die regnerische Jahreszeit zu sein.

Den 24. Oktober. Mein Floß schlug um und mit ihm meine ganze Ladung. Doch geschah es in seichtem Wasser, und da die Gegenstände schwer waren, bekam ich viele von ihnen während der Ebbe wieder.

Den 25. Oktober. Es regnete die ganze Nacht und den ganzen Tag über; einige Male traten auch starke Windstöße ein. Während eines solchen brach das Schiff in Stücke und es war Nichts mehr davon zu sehen außer dem Rumpf, und auch den erblickte ich nur bei niedrigem Wasser. Ich verbrachte den Tag damit, meine Habe in Sicherheit zu bringen, damit sie der Regen nicht verderbe.

Den 26. Oktober. Ich wanderte heute fast den ganzen Tag am Strande umher, um einen Platz für meine Niederlassung zu finden. Besonders war ich darauf bedacht, mich für die Nacht vor den Angriffen der wilden Thiere und Menschen zu sichern. Gegen Abend traf ich auf einen geeigneten Platz unter einem Felsen. Ich markirte einen Halbkreis für meine Wohnung, die ich mit einem Wall, gleichsam einer Festungsmauer, aus einer doppelten Reihe von Palissaden zu umgeben beschloß, welche letztere ich mit Taustücken zu verbinden gedachte.

Vom 26. bis zum 30. Oktober. Ich plagte mich sehr ab, indem ich all meine Habseligkeiten in die neue Wohnung brachte. Unterdessen regnete es eine Zeitlang heftig.

Den 31. Oktober ging ich des Morgens mit meinem Gewehr auf der Insel umher, um zu jagen und das Land auszukundschaften. Ich erlegte eine Ziegengeis und das Junge folgte mir nach meiner Wohnung, wo ich es später schlachten mußte, da es nicht fressen wollte.

Den 1. November. Ich schlug mein Zelt unter dem Felsen auf und schlief dort die Nacht zum ersten Mal. Ich habe es so groß als möglich gemacht, um meine Hängematte darin an Pfählen aufhängen zu können.

Den 2. November trug ich alle meine Kisten und Bretter und die Holzstücke, aus denen ich die Flöße verfertigt hatte, zusammen und bildete aus ihnen, etwas nach Innen zurück von der für die Umzäunung bezeichneten Linie, eine Art Zaun um mich her.

Den 3. November. Ich ging mit dem Gewehr aus und schoß zwei entenartige Vögel, die mir eine vortreffliche Mahlzeit lieferten. Am Nachmittag machte ich mich daran, mir einen Tisch zu verfertigen.

Den 4. November. Die Frühstunden verwendete ich dazu, meine Arbeitszeit regelmäßig einzutheilen. Die Morgenzeit bestimmte ich zu einem zwei- bis dreistündigen Ausgang mit dem Gewehr, vorausgesetzt, daß es nicht regnet. Hierauf will ich bis etwa eilf Uhr arbeiten und dann verzehren, was ich gerade Eßbares habe. Von zwölf bis zwei Uhr gedenke ich mich zum Schlafe niederzulegen, da das Wetter ungemein heiß ist, der Abend soll dann wieder für die Arbeit bestimmt sein. (Die Arbeitszeit an diesem und den nächsten Tagen verwendete ich gänzlich auf die Anfertigung meines Tisches, denn es ging mir anfangs noch langsam mit der Arbeit. Zeit und Nothwendigkeit machten mich jedoch bald darauf zu einem perfekten Naturhandwerker, wie es in gleicher Lage wohl mit jedem Andern geschehen würde.)

Den 5. November. Heute ging ich mit der Flinte und meinem Hunde aus und erlegte eine wilde Katze. Ihr Fell war sehr schön, aber das Fleisch ungenießbar. Ich zog ihr, wie ich es mit allen erlegten Thieren zu thun pflege, das Fell ab und bewahrte es auf. Als ich am Strande zurück ging, sah ich mancherlei Seevögel, die ich nicht kannte. Erstaunt und fast erschrocken war ich über den Anblick mehrer Robben, die, während ich sie anstarrte, ohne gleich zu wissen, was es für Thiere seien, ins Meer eilten und mir für diesmal entrannen.

Den 6. November. Nach meinem Morgenspaziergang beendigte ich den Tisch, doch nicht zu meiner Zufriedenheit; bald jedoch lernte ich so Etwas besser machen.

Den 7. November. Es hat sich jetzt schönes Wetter eingestellt. Den 7. 8. 9. und 10. und einen Theil des 12. (denn der 11. war ein Sonntag) verwendete ich dazu, um mir einen Stuhl zu verfertigen. Mit großer Mühe brachte ich auch ein leidliches Gestell zu Stande; doch gefiel es mir nicht, obwohl ich es schon während der Arbeit mehre Male wieder in Stücken zerschlagen und aufs Neue begonnen hatte.

Anmerkung. Nach kurzer Zeit versäumte ich die Sonntage einzuhalten, da ich vergessen hatte, die Einschnitte an meinen Pfosten zu machen, und daher bald nicht mehr die Tage unterscheiden konnte.

Den 13. November. Heute regnete es, was mich ungemein erfrischte und auch die Erde abkühlte. Ein Gewitter aber, von dem der Regen begleitet war, erschreckte mich furchtbar, indem es mich um mein Pulver besorgt machte. Sobald das Unwetter vorüber war, beschloß ich, meinen Pulvervorrath in möglichst viele und kleine Partien zu vertheilen und ihn so außer Gefahr zu bringen.

Den 14. 15. und 16. November. Diese drei Tage verwendete ich dazu, kleine viereckige Schachteln oder Kästen zu machen, deren jede ein bis zwei Pfund Pulver faßte. In diesen hob ich meinen Pulvervorrath, und zwar jeden Behälter möglichst entfernt von dem andern, auf. An einem dieser Tage schoß ich einen großen Vogel, der mir vortreffliche Speise lieferte, mir aber unbekannt war.

Den 17. November. Heute begann ich hinter meinem Zelt in den Felsen zu graben, um mir größere Bequemlichkeit zu verschaffen.

Anmerkung. Dreierlei entbehrte ich sehr bei dieser Arbeit, nämlich eine Hacke, eine Schaufel und einen Schiebkarren oder Korb. Daher unterbrach ich meine Arbeit und überlegte, wie ich diesem Mangel abhelfen könnte. Statt der Hacke bediente ich mich der eisernen Brechstangen, die sich, obwohl sie schwer waren, doch dazu eigneten. Eine Schaufel oder ein Spaten war mir dagegen so unerläßlich nöthig, daß ich ohne sie Nichts anfangen konnte. Doch sah ich vorläufig durchaus nicht ab, wie ich mir solch ein Ding verschaffen sollte.

Den 18. November. Am nächsten Tag fand ich beim Durchstreifen des Waldes einen Baum von der Art, die in Brasilien wegen der Härte ihres Holzes Eisenbäume genannt werden. Von diesem hieb ich, wobei ich aber beinahe meine Art verdorben hätte, mit großer Mühe ein Stück ab und brachte es gleichfalls unter großer Anstrengung, da es sehr schwer war, heim. Die ungemeine Härte des Holzes machte lange Zeit erforderlich, bis ich es endlich in Spatenform gestaltet hatte. Der Handgriff war genau geformt wie der der unsrigen in England, die breite Seite am Fuß entbehrte jedoch der eisernen Bekleidung. Trotzdem leistete es mir gute Dienste.

Ich vermißte nun noch einen Korb oder einen Schiebkarren. Einen Korb vermochte ich durchaus nicht zu Stande zu bringen, da es mir an Zweigen fehlte, die sich zu Flechtarbeit eigneten; wenigstens hatte ich bis jetzt noch keine solchen gefunden. Was dagegen den Schiebkarren angeht, so glaubte ich wohl alle Theile eines solchen herausbringen zu können, bis auf das Rad. Wie ich aber damit zu Stande kommen sollte, davon hatte ich nicht den mindesten Begriff. Ebenso unmöglich war mir aber auch die eiserne Hülse, in welcher die Axe laufen mußte, anzufertigen. Ich gab daher das ganze Unternehmen auf und machte mir, um die Erde aus meiner Höhle zu schaffen, eine Art von Lehmkübel, wie ihn die Maurer zum Fortschaffen des Mörtels benutzen. Dies war minder schwierig als die Anfertigung des Spatens, und dennoch nahmen mich beide Arbeiten und der vergebliche Versuch, einen Schiebkarren zu verfertigen, vier volle Tage in Anspruch, natürlich abgerechnet meine Morgenspaziergänge mit dem Gewehr, die ich nur ausnahmsweise unterließ und von denen ich selten heimkehrte, ohne etwas Eßbares erbeutet zu haben.

Den 23. November. Nach Anfertigung dieser Werkzeuge nahm ich meine frühere Arbeit wieder auf und verwendete achtzehn Tage gänzlich auf Ausweitung und Vertiefung meiner Höhle, damit diese meine Habe bequemer fassen könne.

Anmerkung. Mein Hauptzweck bei diesem Unternehmen war, einen Raum zu bekommen, der mir als Magazin, Küche, Eßzimmer und Keller diene. Ich wohnte nämlich für gewöhnlich in meinem Zelt; nur während der feuchten Jahreszeit nöthigte mich der heftige Regen, da ich sonst völlig durchnäßt worden wäre, dasselbe zu verlassen. Dies bewog mich später, den ganzen Platz vor der Felswand mit Pfählen, in der Form von Dachsparren, zu bedecken. Diese stützten sich gegen den Felsen und ich bedeckte sie mit Zweigen und breiten Baumblättern wie mit einem Strohdach.

Den 10. December. Ich glaubte schon meine Höhle vollendet zu haben, als plötzlich eine große Menge Erde von der Decke an der einen Seite herabstürzte, was mich nicht wenig erschreckte. Und zwar mit Recht, denn wäre ich gerade unter jener Stelle gewesen, so hätte ich keinen Todtengräber nöthig gehabt. Dies Mißgeschick verursachte mir wieder eine große Menge Arbeit, da ich die abgefallene Erde zu entfernen und, was wichtiger war, die Höhlendecke zu stützen hatte, damit ich ein Herunterfallen derselben nicht mehr zu besorgen brauchte.

Den 11. December. Ich machte mich heute gleich an diese Aufgabe und richtete unter dem Gewölbe zwei Pfeiler, die ich mit zwei Querbrettern kreuzte, auf. Am nächsten Tag war ich hiermit zu Ende, fügte dann aber noch weitere Pfeiler und Bretter dazu und hatte so binnen einer Woche das Dach befestigt, und die reihenweise eingeschlagenen Pfosten dienten mir zugleich dazu, meine Wohnung in einzelne Räume abzutheilen.

Den 17. December. Von diesem Tag bis zum 20. gab ich mich damit ab, Gefächer aufzurichten und Nägel in die Pfosten zu schlagen, um Alles daran aufzuhängen, was sich dazu eignete. Jetzt fing ich endlich an, in meiner Behausung einigermaßen Ordnung zu haben.

Den 20. December. Ich trug Alles, was dahin gehörte, in den Keller und schlug kleine Bretter, wie ein Gesims, auf, um meine Lebensmittel darauf zu legen. Als jedoch meine Bretter auf die Neige gingen, machte ich mir noch einen zweiten Tisch, um allerlei auf denselben stellen zu können.

Den 24. December. Es regnete die ganze Nacht, sowie den ganzen Tag, und ich konnte daher nicht ausgehen.

Den 25. December. Unaufhörlicher Regen.

Den 26. December. Der Regen hatte aufgehört. Die Erde war stark abgekühlt und die Temperatur sehr angenehm.

Den 27. December. Ich erlegte eine junge Geis und lähmte eine andere, die ich fing und an einem Strick nach Hause führte; hier verband und schiente ich ihr das zerbrochene Bein.

Nota bene. Ich sorgte für das Thier so, damit es am Leben bleibe. Das Bein heilte und wurde so gerade wie vorher. Durch mein Füttern machte ich das Thier zahm, es weidete auf dem kleinen grünen Platz vor meiner Thür und lief niemals fort. Jetzt kam mir zum ersten Mal der Gedanke, Thiere aufzuziehen und zu zähmen, um davon zu leben, wenn ich einmal meinen Schießbedarf verbraucht haben würde.

Den 28. bis 31. December. Große Hitze und völlige Windstille, so daß ich nur am Abend zur Jagd ausgehen konnte. Die Tage verbrachte ich damit, alle meine Sachen zu ordnen.

Den 1. Januar. Immer noch große Hitze, doch ging ich in der Frühe und Abends mit meinem Gewehr aus; die Zwischenzeit über lag ich still zu Hause. An diesem Abend ging ich tiefer hinein in die Thäler, die nach dem Mittelpunkt der Insel hin liegen, und fand dort eine Menge Ziegen, denen ich aber, weil sie so scheu waren, nicht beikommen konnte. Ich beschloß daher, zu versuchen, ob es nicht gelingen werde, sie mit dem Hunde zu jagen.

Den 2. Januar. Sogleich am nächsten Tag stellte ich diesen Versuch an. Ich hatte mich jedoch verrechnet, denn die Ziegen kehrten sich alle mit dem Gehörn gegen den Hund, und er hütete sich wohl, ihnen zu nahe zu kommen.

Den 3. Januar. Heute begann ich mein Gebiet einzuzäunen und machte, da ich noch immer in der Furcht lebte, von Jemandem angegriffen zu werden, die Umhegung so dick, fest und stark, wie nur möglich.

Anmerkung. Da ich die Einzäunung früher beschrieben habe, so übergehe ich, was darüber in dem Tagebuch gesagt ist. Es genügt, zu bemerken, daß ich nicht weniger als vom 3. Januar bis zum 14. April mit der Vollendung derselben beschäftigt war, wiewohl sie nur vierundzwanzig Ellen in der Länge (von einem Ende des Felsens bis zum andern gemessen) und acht Ellen in der Tiefe (von der Thür der Höhle, als dem Mittelpunkt, aus gerechnet) maß.

Diese ganze Zeit über arbeitete ich sehr angestrengt, wobei mir jedoch der Regen viele Tage, ja einigemal ganze Wochen hindurch hinderlich war. Doch hielt ich mich nicht vollkommen sicher, bis ich die Einhegung vollendet. Man glaubt kaum, was für eine unbeschreibliche Arbeit sie mir machte; besonders war dies der Fall mit dem Herbeischaffen der Pfähle aus dem Walde und dem Einschlagen derselben in die Erde.

Als der Wall beendigt war, hielt ich ihn für so dicht, daß, wenn Besucher auf die Insel kommen sollten, sie Nichts einer menschlichen Wohnung Aehnliches dort entdecken würden. Daß ich mit dieser Ansicht Recht hatte, wird sich später bei einer merkwürdigen Gelegenheit zeigen.

Auch während dieser Beschäftigung machte ich täglich meinen Jagdausflug in die Wälder, das heißt, so oft es der Regen zuließ. Hierbei entdeckte ich häufig erfreuliche Dinge. Besonders gehört dahin, daß ich eine Art wilder Tauben fand, die nicht wie die Waldtauben auf Bäumen, sondern wie die Haustauben in Felslöcher bauten. Ich nahm einige Junge mit mir und bemühte mich sie aufzuziehen. Als sie jedoch älter wurden, flogen sie sämmtlich fort, da ich ihnen nicht ausreichendes Futter geben konnte. Indeß fand ich oft solche Nester und holte mir dann die Jungen heraus, die ich mir sehr wohl schmecken ließ.

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Robinson Crusoe – Kapitel 3

Kapitel 3

Ich werde jetzt den Faden meiner Geschichte wieder im Zusammenhang verfolgen. Wie man denken kann, hatte ich nach vierjährigem Aufenthalt in Brasilien und nachdem meine Pflanzung in guten Zug gekommen war, nicht nur die Landessprache gelernt, sondern auch Bekannte und Freunde unter meinen Pflanzerkollegen und den Kaufleuten zu St. Salvador gewonnen. Bei meinen Gesprächen mit ihnen war auch oft von meinen beiden Reisen an die Küste von Guinea, von der Art und Weise des Handels mit den Negern und auch davon die Rede gewesen, wie leicht es sei, dort für Kleinigkeiten, wie Spielwaaren, Glasperlen, Messer, Scheeren, Beile und dergleichen, nicht nur Goldstaub, Guineakorn, Elephantenzähne &c., sondern auch Neger zur Sklavenarbeit in Brasilien zu erhandeln.

Man lauschte auf diese Mittheilungen mit gespannter Aufmerksamkeit, vorzüglich aber auf das, was den Ankauf von Negern anging. Damals wurde der Handel mit diesen noch nicht stark betrieben. Er stand unter der Oberaufsicht der Könige von Spanien und Portugal, und die Einkünfte flossen in die königlichen Kassen, daher wurden nur wenig Neger nach Brasilien gebracht und diese kosteten schweres Geld.

Einmal, nachdem ich mit einigen Pflanzern und Kaufleuten über diese Dinge mich angelegentlich unterhalten hatte, kamen am nächsten Morgen drei von ihnen zu mir und sagten, sie hätten sich jene Angelegenheit reiflich überlegt und wollten mir einen Vorschlag machen. Ich mußte Verschwiegenheit geloben und hierauf theilten sie mir mit, daß sie Lust hätten ein Schiff nach Guinea zu schicken, da es ihnen auf ihren Pflanzungen an Nichts so sehr fehle als an Arbeitern. Weil sie jedoch keinen öffentlichen Handel mit Sklaven treiben dürften, so beabsichtigten sie nur eine einzige Reise zu machen, die erkauften Neger heimlich ans Land zu bringen und dann unter sich zu theilen. Es frage sich nun, ob ich als ihr Supercargo die Expedition zu Schiffe leiten wolle. Als Vergütung sollte ich einen gleichen Antheil wie sie von den Negern bekommen, ohne zu dem Ankaufskapital beizusteuern.

Dies wäre ein lockendes Anerbieten für Einen gewesen, der nicht eine eigne Pflanzung, die auf dem besten Wege sich zu vergrößern war, zu überwachen gehabt hätte. Für mich aber, der ich einen guten Anfang gemacht hatte und nur so fort zu fahren brauchte, um mit Hülfe meiner andern hundert Pfund aus England binnen drei oder vier Jahren sicherlich mir ein Vermögen von drei- bis viertausend Pfund Sterling erworben zu haben, war der bloße Gedanke an eine solche Reise das Unsinnigste, dessen ich mich schuldig machen konnte.

Jedoch ich hatte nun einmal die Bestimmung, mich zu Grunde zu richten, und deshalb konnte ich dem Anerbieten ebensowenig widerstehen, als ich einst dem guten Rath meines Vaters zu folgen vermocht hatte. Kurz, ich sagte jenen Leuten, daß ich von Herzen gern die Reise machen wolle, wenn sie versprächen, während meiner Abwesenheit für meine Pflanzung zu sorgen und sie, wenn ich umkommen sollte, an die von mir bestimmten Personen zu überliefern. Sie gingen hierauf ein und stellten mir ein urkundliches Versprechen darüber aus. Ich faßte dann ein förmliches Testament ab, verfügte darin über meine Pflanzung und über meine sonstige Habe für den Fall meines Todes und ernannte den Kapitän, meinen Lebensretter, zum Universalerben, mit der Bestimmung, daß er die Hälfte meines Besitztums für sich behalten, die andere Hälfte verkaufen und den Ertrag nach England schicken solle.

So traf ich allerdings die besten Maßregeln, um die Zukunft meines Vermögens zu sichern. Hätte ich nur halb so viel Nachdenken auf das verwandt, was mein wahres Interesse forderte und was ich thun und lassen sollte, so würde ich sicherlich nicht meine günstige Lage aufgegeben und eine Seereise angetreten haben, auf der mich die gewöhnlichen Gefahren einer solchen und obendrein noch, wie ich nach meiner Erfahrung Grund hatte anzunehmen, ganz besondere Fährlichkeiten erwarteten.

Ich aber folgte blindlings den Lockungen meiner Einbildungskraft und hörte nicht auf die Stimme der Vernunft. Das Schiff wurde ausgerüstet, die Ladung geliefert und Alles der Verabredung gemäß von meinen Compagnons ins Werk gesetzt. In schlimmer Stunde ging ich an Bord, am 1. September 1659, just an dem Tage, an welchem ich acht Jahre zuvor meinen Eltern zu Hull entflohen war, ihren Geboten trotzend und mein eignes Glück thöricht verscherzend.

Unser Schiff war etwa 120 Tonnen schwer, führte sechs Kanonen und eine Mannschaft von vierzehn Leuten außer dem Kapitän, dem Schiffsjungen und mir. Wir hatten keine schwere Ladung, sondern nur solche Waaren. die sich zum Handel mit den Negern eigneten: Perlen, Muscheln und allerlei Kleinigkeiten, wie kleine Spiegel, Messer, Scheeren, Beile und dergleichen.

Noch an dem Tage, an dem ich an Bord gegangen, lichteten wir die Anker. Wir hielten uns zunächst nordwärts an der brasilianischen Küste entlang, um dann vom 10. oder 12. Grad nördlicher Breite aus hinüber nach Afrika zu steuern, welches der gewöhnliche Cours dorthin in dieser Jahreszeit war. Wir hatten bis auf die große Hitze bei der Küstenfahrt sehr gutes Wetter. Von der Höhe von St. Augustin aus nahmen wir, das Land aus dem Gesicht verlierend, den Weg seewärts, als ob wir nach der Insel Fernando de Noronha wollten, die wir jedoch östlich liegen ließen. Nach zwölftägiger Fahrt passirten wir die Linie und hatten gerade, nach unserer Berechnung, 7°22′ nördlicher Breite erreicht, als ein heftiger Orkan uns gänzlich desorientirte. Er erhob sich von Südost, drehte sich dann nach Nordwest und blieb hierauf in Nordost stehen. Von dort blies er in so furchtbarer Weise zwölf Tage hindurch, daß wir weiter Nichts thun konnten, als uns von der Wuth der Windsbraut forttreiben lassen. Ich brauche kaum zu sagen, daß ich während dieser ganzen Zeit jeden Tag meinen Untergang erwartete, und daß Niemand im Schiffe hoffte, mit dem Leben davon zu kommen.

Zur Steigerung dieser Noth verloren wir drei unserer Leute. Einer davon starb am hitzigen Fieber, ein Anderer nebst dem Schiffsjungen wurde über Bord gespült. Ungefähr am zwölften Tag legte sich der Sturm ein wenig und der Kapitän begann, so gut es gehen wollte, zu observiren. Er brachte heraus, daß wir etwa unter dem 11. Grad nördlicher Breite, aber 22 Längengrade westwärts vom Kap St. Augustin verschlagen wären. Demnach befanden wir uns in der Nähe der Küste von Guyana oberhalb des Amazonenstroms und nahe beim Orinoko, der gewöhnlich der große Fluß genannt wird. Der Kapitän berieth mit mir, welchen Cours er jetzt nehmen sollte, und war gewillt, da unser Schiff leck und arg zugerichtet war, direkt nach der brasilianischen Küste zurückzukehren; wogegen ich mich jedoch entschieden erklärte. Wir studirten hierauf die Seekarte und fanden, daß wir kein bewohntes Land antreffen würden, bis wir in den Bereich der karaibischen Inseln kämen. Deshalb beschlossen wir nach Barbados hinzusteuern, das wir, wenn wir uns seewärts hielten, um den Golfstrom der Bai von Mexiko zu vermeiden, binnen etwa fünfzehn Tagen zu erreichen hoffen konnten. Denn ohne unser Schiff auszubessern und für uns selbst Lebensmittel einzunehmen, wären wir in keinem Falle im Stande gewesen die afrikanische Küste zu erreichen.

In der erwähnten Absicht änderten wir nun den Cours und steuerten nach Westnordwest, um auf irgend einer der englischen Inseln Station zu machen. Aber es sollte anders kommen. Als wir uns unter 12°18′ nördlicher Breite befanden, überfiel uns ein neuer Sturm und trieb uns mit solcher Gewalt nach Westen, daß wir aus dem Bereich aller civilisirten Bevölkerung und in die Gefahr geriethen, selbst wenn uns die See verschonte, wahrscheinlich eher von Wilden gefressen zu werden, als wieder heim zu kommen.

In dieser traurigen Lage, während der Wind noch sehr heftig ging, erscholl eines Morgens von einem unserer Leute der Ruf »Land!« – Kaum aber waren wir aufs Deck geeilt, um zu schauen, wo wir uns befänden, so saß auch schon unser Schiff auf einer Sandbank. Sobald es fest lag, wurde es von den Wogen dergestalt überflutet, daß wir uns sämmtlich verloren glaubten und uns so rasch als möglich in die Kajüten zurückzogen, um vor den schäumenden Wellen Schutz zu suchen.

Niemand, der nicht Aehnliches durchgemacht hat, kann sich die menschliche Rathlosigkeit in solcher Lage vorstellen. Wir wußten nicht, wo wir uns befanden, ob das Land, an das wir getrieben waren, eine Insel oder ein Theil des Festlandes, ob es bewohnt sei oder nicht. Auch mußten wir, da der Wind zwar ein wenig gemäßigt, aber immer noch sehr heftig war, jeden Augenblick fürchten, das Schiff werde in Trümmern gehen, wenn nicht wie durch eine Art Wunder der Wind plötzlich umschlage. Wir schauten Einer den Andern in Todeserwartung an, und Jeder von uns machte sich zum Eintritt in eine andere Welt bereit. Ganz gegen unser Erwarten jedoch zerbarst das Schiff nicht, und, wie der Kapitän versicherte, begann der Wind sich plötzlich zu legen.

Trotzdem aber, da wir auf dem Strande saßen und keine Hoffnung hatten, das Schiff flott zu machen, blieb uns in unserer traurigen Lage Nichts übrig, als darauf zu denken, wie wir das nackte Leben retten könnten. Vor dem Sturm hatten wir am Stern unseres Schiffes ein Boot gehabt, das aber während des Unwetters ans Steuerruder geschleudert, dann los geworden und entweder versunken oder fortgetrieben war. Wir hatten zwar noch ein anderes Boot an Bord, aber es schien unmöglich, dasselbe in See zu bringen. Zu langem Besinnen jedoch fehlte die Zeit, da wir jede Minute das Schiff in Stücken zu sehen meinten, und Einige riefen, es sei bereits geborsten.

Trotz dieser schlimmen Lage gelang es dem Steuermann, mit Hülfe der übrigen Mannschaft jenes Boot über Bord zu lassen. Wir sprangen alle, elf an der Zahl, hinein, uns der Barmherzigkeit Gottes und dem wilden Meere gänzlich überlassend. Denn wiewohl der Sturm sich bedeutend gemindert hatte, gingen die Wogen doch noch furchtbar hoch, und man konnte hier mit den Holländern die stürmische See in Wahrheit » den wild Zee« nennen.

Unsere Noth war immer noch groß genug. Wir sahen klar voraus, daß das Boot sich in den hohen Wellen nicht halten könne, sondern untergehen müsse. Segel hatten wir nicht, hätten auch Nichts damit anfangen können. Daher arbeiteten wir uns mit den Rudern nach dem Lande hin, aber schweren Herzens, wie Leute, an denen ein Todesurtheil vollzogen werden soll. Denn es war uns bewußt, daß das Boot, näher zur Küste gelangt, von der Brandung in tausend Stücke zerschmettert werden müsse. Gleichwohl, indem wir unsere Seelen Gott befahlen, ruderten wir mit allen Kräften nach dem Land hin, mit eigenen Händen unserem Verderben entgegen.

Ob die Küste aus Fels oder Sand bestehe, ob sie flach oder steil sei, wußten wir nicht. Der einzige Hoffnungsschimmer, der uns noch geblieben, bestand in der Aussicht, daß wir vielleicht das Boot in irgend eine Bai oder Flußmündung einlaufen lassen oder uns unter einem Vorsprung der Küste bis zum Eintritt der Ebbe bergen könnten. Von diesen Dingen ließ sich aber Nichts sehen, vielmehr bot das Land, als wir dem Ufer näher kamen, einen noch schrecklicheren Anblick als das Meer selbst.

Wir waren nach unserer Berechnung ungefähr anderthalb Meilen gerudert oder vielmehr vom Wasser getrieben, als eine berghohe wüthende Welle gerade auf uns gerollt kam und uns den Gnadenstoß erwarten ließ. Sie traf das Boot mit solcher Gewalt, daß sie es alsbald umwarf und uns nicht nur aus demselben schleuderte, sondern auch von einander trennte. Ehe wir nur ein Stoßgebet hatten thun können, waren wir sämmtlich von den Wogen verschlungen.

Die Verwirrung meiner Gedanken beim Untersinken ins Wasser ist unbeschreiblich. Obwohl ich sehr gut schwamm, hatte mich die Welle, noch ehe ich Athem zu schöpfen vermochte, eine ungeheure Strecke nach der Küste hingetragen, und als sie dann erschöpft zurückkehrte, sah ich mich halbtodt in Folge des verschluckten Wassers auf dem fast trockenen Lande zurückgeblieben.

Ich besaß noch so viel Geistesgegenwart, daß ich, da ich mich unerwartet so nahe dem Festland sah, mich aufrichtete und versuchte, so weit als möglich nach dem Ufer hin zu gelangen, ehe eine andere Welle kommen und mich mitnehmen würde. Dieser Versuch mißlang jedoch. Eine Woge wie ein großer Hügel, gleich einem wüthenden Feinde, mit dem zu kämpfen ich mir nicht einfallen lassen konnte, stürzte hinter mir her. Es blieb mir Nichts übrig, als den Athem einzuhalten und mich, so gut es ging, über dem Wasser zu halten. Dabei war mein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, daß die See mich nicht, wie sie mich eine gute Strecke landeinwärts getrieben, auch ebenso weit wieder zurücktrage.

Die neue Woge begrub mich sofort wieder zwanzig bis dreißig Fuß in die Tiefe. Ich konnte fühlen, wie sie mich mit großer Gewalt und Schnelligkeit eine geraume Strecke nach der Küste hintrug. Wiederum hielt ich den Athem an und bemühete mich, mit aller Kraft vorwärts zu schwimmen. Fast wäre mir der Athem ausgegangen, als ich plötzlich auftauchte und Hand und Kopf über dem Wasser sah. Obwohl dies nur zwei Sekunden dauerte, reichte es doch aus, mir neue Luft und neuen Muth zu verschaffen. Abermals war ich eine gute Weile mit Wasser bedeckt, dann aber, als sich die Woge erschöpft hatte und zurückkehrte, fühlte ich Grund unter den Füßen. Ich stand einige Augenblicke still, schöpfte Luft und eilte sofort mit allen Kräften dem Ufer zu. Aber auch diesmal entrann ich nicht der wüthenden See, die mich aufs Neue überflutete. Zweimal noch erfaßten mich die Wellen und trieben mich, da die Küste sehr flach war, vorwärts wie vorher.

Das letzte dieser beiden Male hätte leicht verhängnißvoll für mich werden können. Das Meer warf mich nämlich dabei gegen ein Felsstück, und zwar mit solcher Gewalt, daß ich die Besinnung verlor und ganz hülflos dalag. Der Schlag traf mich in die Seite und gegen die Brust und benahm mir dadurch den Athem, so daß ich, wäre alsbald wieder eine Welle gekommen, ertrunken sein würde. Jedoch kam ich kurz vor der Rückkehr der Wogen wieder zu mir und beschloß diesmal, mich fest an dem Fels zu fassen und wenn möglich den Athem bis zur Rückkehr der Welle einzuhalten. Dies gelang denn auch, da die Wogen nicht mehr so hoch wie vorher gingen. Ein weiterer Lauf brachte mich dann so nahe dem Strand, daß die nächste Welle, obwohl sie mich übergoß, mich nicht mehr fortzutragen vermochte. Abermals rannte ich weiter und diesmal gelangte ich zum festen Lande, wo ich in großer Freude die Anhöhe der Küste erkletterte und mich da frei von Gefahr und außerhalb des Bereichs der See ins Gras niedersetzte.

Jetzt, da ich mich gerettet sah, hob ich meine Augen empor und dankte Gott für das Leben, auf dessen Erhaltung ich vor einigen Minuten noch nicht hatte hoffen können. Ich glaube, es ist unmöglich, das Entzücken und die Wonne eines Menschen, der sozusagen unmittelbar dem Grabe entronnen ist, zu schildern. Ich begreife jetzt, daß, wenn man einem armen Schächer, der schon den Strick um den Hals hat, Begnadigung schenkt, man zu gleicher Zeit einen Wundarzt schickt, der ihm zur Ader läßt, damit die Ueberraschung ihm nicht das Herz abdrücke:

»Denn rasche Freud‘ gleicht jähem Leid«.

Mit emporgehobenen Händen, ganz versunken in das Gefühl meiner Errettung, ging ich am Strande auf und ab. Ich dachte an meine ertrunkenen Gefährten und daß ich die einzige gerettete Seele unter Allen sei; denn ich sah Keinen wieder, habe auch kein Zeichen von ihnen mehr wahrgenommen, außer drei Hüten, einer Mütze und zwei nicht zusammengehörigen Schuhen.

Als ich nach dem gestrandeten Fahrzeug, das durch die Stärke der Brandung meinem Anblick fast entzogen worden war, blickte, rief ich unwillkürlich aus: »Gott, wie ist es möglich gewesen, daß ich das Land erreichen konnte!«

Nachdem ich nun meine Seele in solcher Weise an der tröstlichen Seite meiner Lage erhoben hatte, begann ich umherzublicken und auszuschauen, auf was für einem Lande ich mich eigentlich befinde und was zunächst zu thun sei. Da sank nun bald wieder mein Muth und ich erkannte, daß meine Errettung eine furchtbare Begünstigung sei. Ich war durchnäßt und konnte die Kleider nicht wechseln; hatte weder etwas zu essen, noch etwas zu meiner Stärkung zu trinken; keine andere Aussicht bot sich mir, als Hungers zu sterben oder von den wilden Thieren gefressen zu werden; und, was mich besonders bekümmerte, ich besaß keine Waffen, um irgend ein Thier zu meiner Nahrung zu tödten, oder mich gegen andere, die mich zu der ihrigen zu verwenden Lust hätten, zu wehren. Nichts trug ich bei mir als ein Messer, eine Tabakspfeife und ein wenig Tabak in einem Beutel. Dies war meine ganze Habe, und ich gerieth darob in solche Verzweiflung, daß ich wie wahnsinnig hin und her lief. Die Nacht kam, und ich begann schweren Herzens zu überlegen, was mein Loos sein würde, wenn es hier wilde Thiere gäbe, von denen ich wußte, daß sie stets des Nachts auf Beute auszugehen pflegen.

Die einzige Auskunft, die mir einfiel, war, einen dicken buschigen Baum, eine Art dorniger Fichte, die in meiner Nähe stand, zu erklettern. Ich beschloß, dort die ganze Nacht sitzen zu bleiben und am nächsten Tag die Art, wie ich meinen Tod finden wolle, zu wählen, denn auf das Leben selbst hoffte ich nicht mehr. Ich ging einige Schritte am Strande her, um nach frischem Wasser zu suchen: das fand ich denn auch zu meiner großen Freude. Nachdem ich getrunken und etwas Tabak in den Mund gesteckt hatte, um den Hunger abzuwehren, erstieg ich den Baum und versuchte mich in demselben so zu lagern, daß ich im Schlafe nicht herunter fallen könnte. Vorher hatte ich mir einen kurzen Stock, eine Art von Prügel zu meiner Vertheidigung abgeschnitten, und dann verfiel ich in Folge meiner großen Müdigkeit auf dem Baum in einen tiefen Schlaf und schlief so erquickend, wie es wohl Wenige in meiner Lage vermocht hätten. Nie im Leben hat mir, glaube ich, der Schlummer so wohl gethan wie damals.

Als ich erwachte, war es heller Tag. Das Wetter hatte sich aufgeklärt und der Sturm sich gelegt, so daß die See ruhig ging. Am meisten überraschte mich, daß das Schiff in der Nacht durch die Flut von der Sandbank, auf der es gestrandet, fast bis zu dem früher erwähnten Felsen, an welchen mich die Woge so heftig geschleudert hatte, getrieben war. Es befand sich etwa eine Meile von der Küste, und da es noch aufrecht stand, wünschte ich sehr an Bord zu sein, um wenigstens einige nöthige Gegenstände für mich retten zu können.

Als ich von meiner Schlafstätte auf dem Baum heruntergestiegen, schaute ich umher, und das Erste, worauf meine Augen fielen, war das Boot. Der Wind und die Wellen hatten es etwa zwei Meilen zu meiner Rechten entfernt auf den Strand geschleudert. Ich ging die Küste entlang danach hin, aber ein kleiner, etwa eine halbe Meile breiter Meeresarm hinderte mich zu ihm zu gelangen. Da ich nun für den Augenblick mein Augenmerk mehr auf das Schiff gerichtet hatte, wo ich Etwas zu meiner nächsten Lebensfristung zu finden hoffte, kehrte ich für diesmal wieder um.

Kurz nach Mittag ward die See sehr ruhig und die Ebbe so stark, daß ich bis auf eine Viertelmeile dem Schiffe nahe kommen konnte. Hier wurde mir ein neuer Schmerz bereitet. Ich sah nämlich klar, daß wir, wären wir Alle an Bord geblieben, sämmtlich gerettet sein würden. Wir würden dann Alle ans Land gelangt und ich nicht so jammervoll von allem Trost und aller menschlichen Gesellschaft verlassen gewesen sein wie jetzt. Die Thränen traten mir bei diesem Gedanken in die Augen. Da ich aber wenigstens einige Erleichterung meines Aufenthalts auf dem Schiffe zu finden hoffte, beschloß ich den Versuch zu machen, ob ich es erreichen könne. Ich zog wegen der großen Hitze die Kleider aus und begab mich ins Wasser. Als ich zu dem Schiff gelangt war, zeigte sich eine neue besonders große Schwierigkeit, in der Frage nämlich, wie ich an Bord gelangen sollte. Das auf dem Grunde aufliegende Fahrzeug ragte hoch aus dem Wasser, und ich konnte nirgends eine Handhabe finden, um mich daran in die Höhe zu heben. Erst nachdem ich es zweimal umschwommen, erspähete ich beim letzten Male ein kleines Tauende, das an dem Vordertheil so tief herunter hing, daß ich, wenn auch nur mit großer Mühe, es fassen und mit Hülfe desselben in den Vordertheil des Schiffes gelangen konnte.

Hier sah ich, daß das Schiff leck und schon eine große Masse Wasser eingedrungen war. Es lag auf der Seite einer Sandbank und das Hintertheil ragte hoch in die Luft. Das Vordertheil lag gänzlich im Wasser. Dennoch war das Deck frei und was sich auf diesem befand trocken. Wie man denken kann, untersuchte ich vor allen Dingen, was verdorben sei und was nicht. Zunächst fand ich, daß der sämmtliche Schiffsproviant trocken und vom Wasser verschont geblieben war. Da ich starken Appetit verspürte, eilte ich sofort nach dem Brodkasten, füllte mir die Taschen mit Zwieback und aß davon, während ich zugleich noch die andern Sachen durchmusterte, da ich keine Zeit zu verlieren hatte. Auch etwas Rum fand ich in der großen Kajüte und trank davon einen gehörigen Schluck, was zur Ermunterung meiner Lebensgeister nöthig genug war. Jetzt hätte ich vor allen Dingen ein Boot brauchen können, um mich mit mancherlei Dingen zu versehen, die mir voraussichtlich sehr nöthig sein würden. Aber was hätte es geholfen, die Hände in den Schooß zu legen und Unerreichbares zu wünschen. Meine große Noth spornte meinen Eifer an. Wir hatten an Bord einige Raaen und zwei oder drei dicke hölzerne Sparren, auch einige große Masten. Ich beschloß, dies Alles zu benutzen und warf davon so viel über Bord, als ich, der Schwere halber, bewältigen konnte, indem ich jeden Balken mit einem Seil befestigte, daß er nicht fortschwimmen konnte. Hierauf verließ ich das Schiff und zog die Hölzer an mich heran, band vier davon an beiden Enden, floßartig, möglichst fest zusammen und legte zwei bis drei Stücke quer darüber. Da ich bemerkte, daß ich zwar ganz gut auf den so verbundenen Hölzern herumgehen konnte, daß sie aber kein großes Gewicht zu tragen vermochten, machte ich mich an eine neue Arbeit. Ich sägte mit der Zimmermannssäge einen langen Topmast der Länge nach in drei Theile und brachte diese mit großer Mühe und Arbeit an meinem Floß an. Die Hoffnung, mich mit dem Notwendigsten zu versehen, feuerte mich an, so daß ich vollbrachte, was mir wohl bei keiner andern Gelegenheit möglich gewesen wäre.

Das Floß war nun stark genug, um ein ansehnliches Gewicht aushalten zu können. Es fragte sich zunächst, womit ich es belasten und wie ich die Ladung vor dem Seewasser schützen solle. Zuerst beschloß ich alle Planken und Dielen, deren ich habhaft werden konnte, darauf zu legen. Nachdem dies geschehen, nahm ich, in richtiger Erwägung dessen, was ich am nöthigsten brauchte, drei den Matrosen gehörige Kisten, brach sie auf und ließ sie, nachdem ich sie leer gemacht, auf das Floß herunter. In die erste that ich Lebensmittel, nämlich Brod, Reis, drei holländische Käse, fünf Stücke Ziegenfleisch (das auf dem Schiff unsere Hauptkost ausgemacht hatte) und einen kleinen Rest europäischen Getreides, welches wir für Geflügel mitgenommen hatten, das unterwegs geschlachtet worden war. Es bestand aus Gerste mit Weizen untermischt, was aber, wie ich später mit großem Bedauern bemerkte, theils von den Ratten angefressen, theils durch die Länge der Zeit verdorben war. Auch einige Flaschen Liqueur entdeckte ich, die der Kapitän für sich bestimmt hatte, sowie fünf bis sechs Gallonen Arrak. Die letzteren Gegenstände stellte ich frei auf das Floß, da in den Kisten kein Raum mehr für sie war.

Inzwischen begann die Flut sehr allmählich zu steigen. Mit Betrübniß sah ich sie meinen Rock, mein Hemd und die Weste wegschwemmen, die ich am Ufer auf dem Sand zurückgelassen hatte, während ich meine leinenen, nur bis ans Knie reichenden Hosen, sowie die Strümpfe beim Schwimmen anbehalten hatte. Der Verlust jener Sachen veranlaßte mich, nach Kleidern umherzustöberu und ich fand deren auch in Menge. Doch nahm ich nur das für den Augenblick Nöthigste, denn ich hatte mein Augenmerk noch mehr auf andere Dinge gerichtet, und zwar vor Allem auf Handwerkszeug, mit dem ich auf dem Lande hantieren könnte. Nach langem Suchen fand ich denn auch den Zimmermannskasten, der mir eine sehr kostbare Beute und in diesem Augenblick mehr werth war als eine ganze Schiffsladung von Goldbarren. Ich brachte ihn, wie er war, aufs Floß, ohne seinen Inhalt vorher zu untersuchen, da mir dieser ungefähr bekannt war.

Meine nächste Sorge ging nun auf Munition und auf Waffen. Es befanden sich zwei sehr gute Vogelflinten und zwei Pistolen in der großen Kajüte, und dieser sowie einiger Pulverhörner, eines kleinen Schrotbeutels und zweier alter verrosteter Säbel bemächtigte ich mich zuerst. Wie ich wußte, waren auch drei Fäßchen mit Pulver im Schiff, doch hatte ich keine Ahnung davon, wo sie der Stückmeister aufgehoben hatte. Erst nach langem Suchen fand ich sie, zwei davon waren noch gut und trocken, das dritte aber hatte Wasser gezogen. Die beiden ersteren schaffte ich nebst den Waffen aufs Floß und dachte nun darüber nach, wie ich dieses aus Ufer bringen solle. Ich hatte nämlich weder Segel, noch Steuer, noch Ruder. Eine Hand voll Windes aber würde ausgereicht haben, mein ganzes Fahrzeug umzuwerfen.

Dreierlei jedoch ermuthigte mich: erstens die ruhige See, zweitens das Steigen der Flut, die landwärts ging, und drittens der Umstand, daß das Bischen Wind, das wehte, nach der Küste hin blies. So nun, nachdem ich noch mehre zerbrochene Ruder, die zum Boot des Schiffs gehört hatten, sowie außer dem Werkzeug im Kasten zwei Sägen, eine Axt und einen Hammer aufgefunden, begab ich mich auf die Fahrt.

Etwa eine Meile weit ging es ganz gut mit meinem Floß, nur bemerkte ich, daß es ein wenig von meinem früheren Landungsplatz abgetrieben wurde. Darauf hin vermuthete ich, es möge da wohl eine Wasserströmung und dem zufolge vielleicht eine Bucht oder eine Flußmündung sein, die ich als Hafen für meine Landung benutzen könnte.

Wie ich gedacht, so war’s in der That. Vor mir zeigte sich eine kleine Landöffnung, und die Flut strömte, wie ich merkte, stark nach derselben hin. In dieser Strömung suchte ich denn mein Floß so gut als möglich zu halten.

Jetzt aber hätte ich fast zum zweiten Mal Schiffbruch gelitten, und diesmal würde ich schwerlich den Kummer überstanden haben. Weil ich nämlich die Beschaffenheit der Küste nicht kannte, gerieth mein Floß mit dem einen Ende auf eine Untiefe, und da das andere Ende nicht auch auf den Grund stieß, fehlte nicht viel, daß meine ganze Ladung abgerutscht und ins Wasser gefallen wäre.

Ich that mein Möglichstes, um dies zu verhüten, indem ich mich hinten auf die Kisten setzte, um sie an ihrem Platz festzuhalten. Leider aber konnte ich nun das Floß mit aller Gewalt nicht los bringen, besonders deshalb, weil ich meinen Posten bei den Kisten nicht verlassen durfte. In dieser Situation verharrte ich beinahe eine halbe Stunde, dann aber brachte mich das steigende Wasser ein wenig mehr ins Gleichgewicht, kurz darauf wurde mein Floß wieder flott, ich stieß mit dem Ruder ab und gelangte endlich in die Mündung eines kleinen Flusses, zwischen dessen engen Ufern die Flut sich in heftigem Strome bewegte. Jetzt sah ich mich nach einem geeigneten Landungsplatze um, indem ich besonders wünschte, einen solchen nicht allzu weit flußaufwärts zu finden. Denn in der Hoffnung, bald ein Schiff auf dem Meere zu erspähen, hatte ich beschlossen, dem Ufer so nahe als möglich zu bleiben.

Endlich ersah ich denn auch zur rechten Seite der Bucht eine kleine Einbiegung; nach dieser trieb ich mit großer Mühe das Floß, bis ich ihr so nahe kam, daß ich mit meinem Ruder Grund fand und gerades Weges einlaufen konnte. Hier aber wäre beinahe abermals meine ganze Ladung zu Grunde gegangen. Die Küste fiel nämlich dort ziemlich steil ab, und wenn ich landen wollte, mußte das eine Ende meines Fahrzeugs, sobald es auf den Strand stieß, wieder hoch, das andere wieder so tief zu liegen kommen, daß meine Beute dadurch gefährdet wurde. Da blieb mir denn Nichts weiter zu thun, als den höchsten Grad der Flut abzuwarten, indem ich mit meinem Ruder wie mit einem Anker das Floß fest hielt und das letztere möglichst dicht an eine flache Uferstelle drängte, welche voraussichtlich vom Wasser überflutet werden mußte. Sobald dies geschehen war (meine Flöße ging etwa einen Fuß tief im Wasser) trieb ich sie auf jene flache Stelle und befestigte sie da, indem ich an jedem Ende eines meiner zerbrochenen Ruder in den Grund stieß. So blieb ich liegen, bis die Ebbe das Floß und meine ganze Beute unversehrt auf dem Lande zurückließ.

Meine nächste Aufgabe war jetzt, die Gegend auszukundschaften, einen geeigneten Platz für meine Niederlassung auszusuchen und mich umzusehen, wo ich meine Güter am sichersten unterbringen könnte. Ich wußte nämlich nicht, ob ich mich auf dem Festlande oder auf einer Insel befinde; ob die Gegend unbewohnt sei oder nicht; ob es hier wilde Thiere gebe oder keine.

Etwa eine Meile von mir entfernt stieg ein Hügel steil empor, welcher den sich ihm nach Norden hin anreihenden Höhenzug überragte. Ich nahm eine von den Vogelflinten, eine Pistole und ein Pulverhorn zu mir, und so bewaffnet trat ich meine Entdeckungsreise nach jenem Punkte an. Von dort erkannte ich zu meiner großen Betrübniß, daß ich mich auf einer rings vom Meer umgebenen Insel befand. Kein Land war zu sehen, ausgenommen einige Felsen in ziemlicher Entfernung und zwei kleinere Inseln, die etwa drei Meilen westwärts ablagen.

Ich bemerkte ferner, daß meine Insel unangebaut und, wie deshalb mit gutem Grunde anzunehmen, unbewohnt war, wenn es nicht etwa wilde Bestien dort gab, deren ich jedoch bis dahin keine wahrnahm. Nur eine große Menge mir unbekannter Vögel sah ich, von denen ich jedoch, auch nachdem ich einige getödtet, nicht zu sagen vermochte, ob sie eßbar seien. Bei meiner Rückkehr schoß ich einen großen Vogel, der neben einem ansehnlichen Gehölz auf einem Baum saß. Das mochte wohl der erste Schuß sein, der hier seit Erschaffung der Welt vernommen wurde. Kaum war er gefallen, so erhob sich aus allen Gegenden des Waldes eine Unzahl von Vögeln verschiedenster Art, die alle durcheinander krächzten und schrieen. Keine mir bekannte Art war darunter. Der von mir erlegte schien, nach der Farbe und dem Schnabel zu schließen, dem Habichtgeschlecht anzugehören, doch waren seine Klauen nicht wie die bei dieser Vogelgattung gewöhnlichen beschaffen. Mit dem Fleische ließ sich Nichts anfangen.

Indem ich mit diesen Ergebnissen meiner Entdeckungswanderung mich vorläufig begnügte, ging ich nach meinem Floß zurück und beschäftigte mich den Rest des Tages über damit, die Ladung aus Land zu bringen. Da ich mich fürchtete, auf bloßer Erde zu schlafen, wegen der etwa vorhandenen wilden Thiere (später zeigte sich, daß diese Furcht ungegründet gewesen), verbarrikadirte ich mich, so gut es ging, mit den Kisten und Brettern, die ich ans Ufer gebracht hatte, und baute mir daraus für mein nächstes Nachtlager eine Art von Hütte. In Bezug auf meine Nahrung hatte ich vorläufig nichts Brauchbares bemerkt außer einigen hasenähnlichen Thieren, die aus dem Walde gelaufen kamen, in welchem ich den Vogel geschossen hatte.

Ich bedachte nun, daß ich noch sehr mannigfache nützliche Gegenstände und vor Allem das Tau- und Segelwerk aus dem Schiffe holen konnte. Daher beschloß ich eine weitere Reise an Bord des gestrandeten Fahrzeugs zu unternehmen, und da ich einsah, daß der nächsterfolgende Sturm dieses nothwendig zertrümmern mußte, nahm ich mir vor, mit Beiseitesetzung alles andern, sofort zu retten, was möglich sei. Meine Flöße wiederum zu der Fahrt zu benutzen, erschien mir nach reiflicher Erwägung nicht gerathen, und so entschloß ich mich, den Weg zum Schiffe wieder ganz in der früheren Weise zu machen.

Sobald die Flut vorüber war, entkleidete ich mich in meiner Hütte und behielt Nichts an als mein leinenes Hemd, meine leinenen Hosen und die Strümpfe, schwamm an das Wrack heran und begann, an Bord gelangt, sogleich mir ein zweites Floß herzurichten. Diesmal baute ich es, durch die Erfahrung genöthigt, weniger schwerfällig und belud es auch nicht so sehr als das erste Mal. Unter den nützlichen Dingen, die ich diesmal mitnahm, befanden sich zunächst einige Beutel mit Nägeln, ein großer Bohrer, etliche Dutzend Handbeile und ein mir ganz besonders dienlich erscheinender Schleifstein. Außer diesen Gegenständen versicherte ich mich einiger dem Stückmeister anvertraut gewesenen Sachen, nämlich mehrer Stücke Eisen, zweier Fäßchen mit Musketenkugeln, sieben Musketen, noch einer Vogelflinte und einer weiteren kleineren Quantität von Pulver; ferner fand ich einen großen Sack mit kleinem Schrot und eine dicke Rolle Blei. Die letztere war jedoch so schwer, daß ich nicht wagte sie über Bord zu bringen. Weiterhin eignete ich mir zu, was ich an Kleidungsstücken finden konnte, sodann ein Bramsegel, eine Hängematte und etwas Bettwerk. Auch diese zweite Ladung brachte ich zu meiner großen Freude auf dem Floß unversehrt und vollständig ans Ufer.

Mit einiger Furcht hatte ich daran gedacht, während meiner Abwesenheit vom Lande könnten meine dort befindlichen Lebensmittel geraubt sein, doch fand ich bei meiner Rückkehr keinerlei Spuren eines Gastes. Nur sah ich ein Thier, ähnlich einer wilden Katze, auf einer der Kisten sitzen, das, als ich näher kam, eine Strecke fortlief und dann stehen blieb. Es saß ganz ruhig da und sah mir ins Gesicht, als ob es Lust habe, meine Bekanntschaft zu machen. Ich zielte mit dem Gewehr nach ihm, aber das verstand es nicht, wenigstens machte es keine Miene wegzulaufen. Hierauf warf ich ihm ein Stück Zwieback zu, wiewohl ich nicht sehr freigebig mit diesem Artikel sein durfte, da mein Vorrath nicht weit reichte. Das Thier lief darauf zu, beschnüffelte es, fraß es auf und sah mich dann vergnügt an, als ob es noch mehr verlange. Ich dankte jedoch für Weiteres, und da es sah, daß Nichts mehr zu erwarten sei, lief es fort.

Nachdem ich meine zweite Ladung ans Land gebracht, hätte ich am liebsten vor allen Dingen die Pulverfässer geöffnet, um den Inhalt nach und nach (denn es waren große, schwere Behälter) fortzuschaffen. Doch hielt ich es für gerathener, mir zunächst aus Segeltuch und einigen Pfählen, die ich zu diesem Zwecke gefällt hatte, ein Zelt zu errichten. Sobald dies fertig war, brachte ich Alles hinein, was durch Regen oder Sonne beschädigt werden konnte. Rund um das Zelt thürmte ich sämmtliche leere Kisten und Fässer auf, um mich gegen plötzliche Angriffe von Menschen oder Thieren zu sichern. Sodann verschloß ich den Eingang mit einigen Brettern von Innen und mit einem leeren Kasten von Außen, breitete ein Bett auf den Boden, legte meine zwei Pistolen mir zu Häupten und meine Flinte neben mich, ging dann zum ersten Male wieder zu Bett und schlief die ganze Nacht sehr ruhig. Meine Müdigkeit war begreiflich genug, da ich die vorige Nacht nur wenig geschlafen und den letzten Tag über tüchtig gearbeitet hatte.

Wiewohl ich jetzt das größte Magazin von Gegenständen besaß, das wohl jemals ein einzelner Mensch um sich her aufgehäuft hat, gab ich mich dennoch nicht damit zufrieden. Denn da das zertrümmerte Schiff noch in seiner früheren Stellung verharrte, glaubte ich mich verpflichtet daraus zu holen, was ich nur bekommen konnte. So ging ich denn jeden Tag bei niedrigem Wasser an Bord und schaffte diesen und jenen Gegenstand herüber. Das dritte Mal holte ich mir, so viel ich vermochte, vom Takelwerk, alle dünnen Seile und Stricke, ein Stück Leinwand, das zum Ausbessern der Segel bestimmt war, und das Faß mit dem nassen Pulver. In der Folge bemächtigte ich mich nach und nach des sämmtlichen Segeltuchs, ließ es jedoch nicht ganz, sondern schnitt es kurzer Hand in Stücke, da es nur noch als bloße Leinwand zu verwenden war.

Wie groß aber war meine Freude, als ich nach fünf oder sechs solcher Fahrten, während ich schon glaubte, das Schiff enthalte nichts Brauchbares mehr für mich, noch eine große Tonne mit Brod, drei ansehnliche Behälter mit Rum und Spiritus, eine Schachtel mit Zucker und ein Fäßchen mit feinem Mehl entdeckte. Ich leerte die Brodtonne aus, wickelte die Brode einzeln in Segelstücke und brachte Alles wohlbehalten aus Ufer.

Am nächsten Tag unternahm ich eine weitere Fahrt. Da jetzt das Schiff alles Beweglichen entledigt war, machte ich mich an die Taue, schnitt das große Kabel in Stücke, um es fortschaffen zu können, und nahm auch noch zwei andere Taue und eine Helse, sowie alles Eisenwerk mit ans Land. Dann fällte ich den Fock- und den Brammast, verfertigte aus diesen und allen anderen dazu brauchbaren Dingen wiederum ein großes Floß, belud es mit jenen schweren Gütern und trat dann die Rückfahrt an. Jetzt aber begann mein gutes Glück mich zu verlassen. Die Flöße war nämlich so schwerfällig, daß ich sie, nachdem ich in die kleine Bucht, wo ich sonst immer gelandet war, gebracht hatte, nicht so gut zu dirigiren vermochte wie die früheren. Sie schlug um, und ich fiel mit meiner ganzen Beute ins Wasser. In Bezug auf meine Person hatte das Nichts zu sagen, da das Ufer nahe war. Jedoch von meiner Ladung ging der größte Theil, besonders des Eisens, von dem ich große Dienste erwartet hatte, verloren. Indeß bekam ich während der Ebbe die meisten Taustücke und auch ein wenig von dem Eisen wieder, das letztere aber nur mit unendlicher Mühe, da ich es durch Tauchen aus dem Wasser holen mußte, und das war eine ungemein anstrengende Arbeit.

Von jetzt an begab ich mich täglich nach dem Wrack, um was nur möglich war zu holen. Am dreizehnten Tage meines Aufenthalts auf der Insel war ich bereits elfmal auf dem Schiffe gewesen und hatte in dieser Zeit alles, was zwei Menschenhände fortzuschleppen vermochten, herübergeschafft. Wäre das Wetter ruhig geblieben, so würde ich mich nach und nach des ganzen Schiffes bemächtigt haben, aber schon als ich mich anschickte, zum zwölften Mal an Bord zu gehen, fühlte ich, daß sich der Wind erhob. Dennoch trat ich während der Ebbe die Fahrt an. Ich entdeckte denn auch, wiewohl ich geglaubt hatte, die Kajüte schon völlig ausgeräumt zu haben, darin noch eine Kommode, in der sich mehre Rasirmesser, ein paar große Scheeren und zehn bis zwölf gute Messer und Gabeln befanden; in einem anderen Behälter aber lag ein Häuflein Geld, etwa sechsunddreißig Pfund werth, in europäischen und brasilianischen Gold- und Silbermünzen.

Bei diesem letzteren Anblick konnte ich mich eines ironischen Lächelns nicht erwehren. »O elender Plunder«, rief ich, »wozu taugst du mir nun? Du bist hier nicht werth der Mühe, dich im Wege aufzulesen. Eines jener Messer nützt mehr als dein ganzer Haufe! Bleib wo du bist und ertrinke wie ein Thier, um das es sich nicht verlohnt, ihm das Leben zu retten.«

Nach besserer Ueberlegung nahm ich jedoch trotzdem das Geld mit. Ich wickelte meine sämmtliche Beute in ein Stück Leinwand und schickte mich an, eine neue Flöße herzustellen. Während ich eben daran gehen wollte, sah ich, daß der Himmel sich umzog. Zugleich steigerte sich der Wind, und nach einer Viertelstunde wehete eine ganz frische Brise vom Lande her. Sofort überlegte ich, daß ich mit einem Floß nicht dem Wind entgegen landen könne, und daß ich vor Beginn der Flut hinüber sein müsse, wenn ich überhaupt ans Ufer gelangen wolle. Da sprang ich denn ohne Weiteres ins Wasser und schwamm nach der Küste, allerdings nicht ohne erhebliche Anstrengung, theils wegen des Gewichts, das ich zutragen hatte, theils wegen der Strömung des Wassers. Denn der Wind war heftig geworden, und bis die volle Flut eintrat, hatte sich ein förmlicher Sturm erhoben. Da aber war ich schon wohlbehalten zu meinem kleinen Zelt gelangt, wo ich, meinen ganzen Reichthum um mich her gebreitet, sicher lag. Es stürmte die ganze Nacht hindurch, und als ich am Morgen mich umsah, war das Schiff verschwunden. Nun gereichte es mir zum großen Trost, daß ich keine Zeit und Mühe versäumt hatte, was mir nützlich sein konnte, aus demselben herüber zu schaffen. Ich konnte jetzt von dem Fahrzeug und dem, was es etwa noch enthielt, Nichts mehr hoffen und höchstens darauf bedacht sein zu retten, was von dem Winde an den Strand getrieben werden würde. In der That geschah das später mit mehren Stücken, die ich jedoch wenig zu nützen vermochte.

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Robinson Crusoe – Kapitel 2

Kapitel 2

Ungefähr nach Ablauf dieser Zeit rief mir ein seltsamer Umstand meine Fluchtpläne wieder ins Gedächtniß. Eine geraume Weile hindurch blieb nämlich mein Herr, wie ich hörte aus Geldmangel, gegen seine Gewohnheit zu Hause liegen. Während dieser Zeit fuhr er jede Woche ein oder mehre Mal in seinem kleinen Schiffsboot auf die Rhede zum Fischen, wobei er stets mich und einen kleinen Moresken zum Rudern mitnahm. Wir machten ihm auf diesen Fahrten allerlei Späße vor, und da ich mich zum Fischfang anstellig zeigte, erlaubte er, daß ich nebst einem seiner Verwandten und dem Mohrenjungen auch bisweilen allein hinausfuhr und ihm ein Gericht Fische holte.

Als wir einst an einem sehr windstillen Morgen solch eine Fahrt machten, entstand ein so dicker Nebel, daß wir die Küste, von der wir kaum eine Stunde entfernt waren, aus dem Gesicht verloren. Wir ruderten unablässig, ohne zu wissen, ob wir vorwärts oder zurück kämen, den ganzen Tag und die folgende Nacht hindurch und wurden erst am nächsten Morgen gewahr, daß wir, statt uns dem Lande zu nähern, nach der offenen See hin gerathen und mindestens zwei deutsche Meilen vom Ufer entfernt waren. Dennoch erreichten wir dieses, völlig ausgehungert, unter nicht geringer Mühe und Gefahr wieder, nachdem sich des Morgens ein scharfer Wind landwärts erhoben hatte.

Unser Gebieter, durch dies Ereigniß gewarnt, beschloß, künftig für seine Person größere Vorsicht anzuwenden und nicht mehr ohne Kompaß und Proviant auf den Fischfang zu gehen. Da er das Langboot unseres von ihm genommenen Schiffes zu seiner Verfügung hatte, trug er seinem Schiffszimmermann, der wie ich Sklave und geborener Engländer war, auf, in diesem Boot eine kleine Kajüte zu errichten, ähnlich der in einer Barke, und zwar so, daß hinter derselben Jemand Platz habe, um zu steuern und das große Segel zu regieren, davor aber zwei Personen Raum fänden, um die andern Segel zu handhaben.

Das Langboot führte ein sogenanntes Gieksegel und die Raa ragte über die Kajüte hinaus, welche schmal und niedrig war und höchstens für den Kapitän und ein Paar Sklaven, sowie einen Tisch und ein Schränkchen zur Aufbewahrung von Brod, Reis, Kaffee und dergleichen Raum bot. In diesem Fahrzeug fuhren wir dann fleißig zum Fischen aus, und da ich mich gut auf das Geschäft verstand, ließ mein Herr mich nie zu Hause.

Eines Tages wollte dieser mit ein paar vornehmen Mohren zum Vergnügen oder zum Fischfang eine Fahrt machen und ließ dazu ungewöhnliche Anstalten treffen. Schon Abends zuvor hatte er Mundvorrath an Bord geschickt und mir aufgetragen, drei Flinten mit dem im Boot befindlichen Pulver und Blei bereit zu halten, damit er und seine Freunde sich auch durch die Vogeljagd vergnügen könnten. Ich that wie mir befohlen, und wartete in dem sauber geputzten Boot, darauf Flagge und Wimpel lustig weheten, auf die Ankunft meines Gebieters und seiner Gäste. Bald nachher aber kam jener allein, sagte mir, die letzteren seien durch Geschäfte verhindert, ich solle daher mit dem Mohren und dem kleinen Jungen wie gewöhnlich allein hinausfahren und für seine Freunde zum Abendessen ein Gericht Fische fangen.

In diesem Augenblick kamen mir meine Fluchtgedanken wieder in den Sinn. Ich sah jetzt ein kleines Schiff ganz zu meiner Verfügung gestellt und bereitete, als mein Herr fort war, sogleich Alles statt für den Fischfang zu einer langen Fahrt vor. Freilich wußte ich nicht, wohin diese gehen sollte, aber das kümmerte mich nicht, da ich nur von dort wegzukommen bedacht war.

Zunächst sann ich auf einen Vorwand, um den Mohren nach Proviant auszuschicken. Ich sagte ihm, es zieme sich nicht für uns, von dem Mundvorrath unsers Gebieters zu nehmen. Dies leuchtete ihm ein, und er brachte denn auch bald einen großen Korb mit geröstetem Zwieback, wie solcher dort zu Lande bereitet wurde, nebst drei Krügen mit frischem Wasser herbei. Ich wußte, wo mein Herr seinen Flaschenkorb hatte, der, nach der Façon zu schließen, auch von einem englischen Schiffe erbeutet sein mußte. Diesen stellte ich in das Boot, wie wenn er dort für unsern Herrn schon gestanden habe. Dann trug ich einen etwa fünfzig Pfund schweren Wachsklumpen hinein, sowie einen Knäuel Bindfaden, ein Beil, eine Säge und einen Hammer, lauter nützliche Dinge, besonders das Wachs, aus dem ich Lichter machen wollte. Dann drehete ich dem Mohren, welcher Ismael hieß, aber Muley genannt wurde, eine weitere Nase. »Muley«, sagte ich zu ihm, »die Gewehre unsers Herrn sind an Bord. Könnten wir nicht auch ein wenig Pulver und Schrot bekommen? Es wäre doch hübsch, wenn wir für uns einige Alkamies (eine Art Seevögel) schießen könnten. Ich weiß, der Schießbedarf liegt im großen Schiff.« – »Gut«, erwiederte er, »ich will’s holen.« Bald darauf kam er wirklich mit einem großen Lederbeutel, in welchem sich etwa anderthalb Pfund Pulver, fünf bis sechs Pfund Schrot und etliche Kugeln befanden, und trug dies Alles zusammen ins Boot. Unterdeß hatte ich auch in meines Herrn Kajüte etwas Pulver gefunden, das ich in eine der großen Flaschen im Flaschenkorb, die beinahe leer war und deren Inhalt ich in eine andere goß, füllte. So, mit dem Nötigsten versehen, segelten wir aus dem Hafen zum Fischfang. Der Wind ging leider aus Nordnordost; wäre er von Süden gekommen, hätte ich leicht die spanische Küste, oder wenigstens die Bai von Cadix erreichen können. Trotz dem aber, mochte der Wind auch noch so ungünstig wehen, blieb mein Entschluß fest, von diesem schrecklichen Orte zu entrinnen, das Uebrige aber dem Geschick anheim zu stellen.

Nachdem wir einige Zeit gefischt hatten, ohne Etwas zu fangen (denn wenn ich auch einen Fisch an der Angel spürte, zog ich ihn nicht heraus), sagte ich zu dem Mohren: »Hier hat’s keine Art; wir werden von hier unserm Herrn Nichts heimbringen, wir müssen es weiter draußen versuchen«. Er, sich nichts Arges versehend, willigte ein und zog, da er am Stern des Schiffes stand, die Segel auf. Ich steuerte dann das Boot beinahe eine deutsche Meile auf die offene See hinaus. Hierauf brachte ich es in die Stellung, als ob ich fischen wolle, gab dem Jungen das Steuerruder, ging nach vorn, wo der Mohr stand, that, wie wenn ich beabsichtigte, hinter ihm Etwas aufzuheben, faßte ihn rücklings an und warf ihn kurzer Hand über Bord. Sofort tauchte er wieder auf, denn er schwamm wie Kork, und bat mich, ihn wieder herein zu heben. Er wolle ja, sagte er, mit mir in die weite weite Welt gehen. Da er rasch hinter dem Boot her schwamm, würde er mich bei dem schwachen Wind bald erreicht haben. Ich aber eilte in die Kajüte, ergriff eine der Vogelflinten und rief ihm zu: »Wenn du dich ruhig verhältst, werde ich dir Nichts zu Leide thun. Du schwimmst gut genug, um das Land erreichen zu können, und die See ist ruhig. Mach, daß du fortkommst, so will ich dich verschonen; wagst du dich aber an das Boot heran, so brenne ich dir Eins vor den Kopf, denn ich bin entschlossen, mich zu befreien.« Hierauf wandte er sich um, schwamm nach der Küste und hat diese auch jedenfalls mit Leichtigkeit erreicht; denn er war ein ausgezeichneter Schwimmer.

Ebenso gut freilich hätte ich auch den Mohren mit mir nehmen und den Jungen statt seiner ersäufen können, aber es war Jenem nicht zu trauen. Als er sich fort gemacht, sagte ich zu dem kleinen Burschen, welcher Xury hieß: »Höre, wenn du mir treu bleibst, will ich etwas Großes aus dir machen; willst du mir aber nicht beim Barte Mahomeds und seines Vaters Treue schwören, so muß ich dich ins Wasser werfen.« Der Junge lächelte mir ins Gesicht und antwortete mir so treuherzig, daß ich ihm nicht mißtrauen konnte: er verspreche mir treu zu sein und mit mir zu gehen, wohin ich wolle.

So lange mich der schwimmende Mohr im Auge zu behalten vermochte, steuerte ich das Boot dem hohen Meer zu, und zwar so, daß man meinen sollte. wir hätten uns der Meerenge von Gibraltar zugewandt. Jeder vernünftige Mensch mußte an Stelle der Neger dies auch annehmen. Denn wer hätte denken sollen, daß wir südwärts gesegelt wären, recht eigentlich nach der Barbarenküste hin, an der ganze Völkerschaften von Negern wohnten, die uns mit ihren Kähnen umzingeln und uns umbringen konnten; wo wir auch nirgends zu landen vermochten, ohne Gefahr zu laufen, von wilden Bestien oder noch unbarmherzigern wilden Menschen zerrissen zu werden. Dennoch aber änderte ich, sobald die Abenddämmerung kam, die Richtung unseres Bootes und steuerte direkt nach Südost. Diesen Cours schlug ich ein, um in der Nähe der Küste zu bleiben. Da wir guten frischen Wind hatten. kamen wir so schnell vorwärts, daß wir am nächsten Nachmittag gegen drei Uhr uns schon beinahe 150 Meilen südlich von Saleh, weit entfernt von dem Reich des Kaisers von Marokko und irgend eines andern Herrschers (wir sahen wenigstens keinen Menschen am Lande) befanden.

Meine Furcht vor den Mohren war so groß, und ich bangte so sehr davor, ihnen in die Hände zu fallen, daß ich mich nicht entschließen konnte, an Land oder auch nur vor Anker zu gehen. Der Wind wehte noch volle fünf Tage hindurch uns günstig. Nachdem er sich dann südwärts gedreht hatte, durfte ich glauben, daß, wenn man auch zu Schiffe auf uns Jagd gemacht haben sollte, diese doch nun aufgegeben sein würde. Daher wagte ich mich jetzt an die Küste und warf Anker an der Mündung eines kleinen Flusses. Ich wußte weder, unter welchem Breitengrade, noch in welchem Land, noch bei welchem Volk ich mich befinde. Keine Menschenseele ließ sich sehen; auch hatte ich kein Verlangen danach, denn das Einzige, wonach ich mich sehnte, war frisches Wasser.

Wir gelangten Abends in die Flußmündung und beschlossen, sobald es dunkel sei, an Land zu schwimmen und die Gegend auszukundschaften. Jedoch vernahmen wir, als es Nacht geworden, einen so fürchterlichen Lärm, ein solches Bellen, Brüllen und Heulen wilder Thiere, Gott weiß welcher Art, daß mein armer Junge vor Angst sterben wollte und mich flehentlich bat, nicht vor Tagesanbruch an das Ufer zu gehen. »Gut, Xury«, sagte ich, »dann wollen wir es lassen; aber vielleicht bekommen wir bei Tage Menschen zu sehen, die es gerade so schlecht mit uns meinen als diese Löwen.« –»Ei, dann wir schicken ihnen einige Kugeln aufs Fell«, erwiederte Xury lachend, »die ihnen machen Beine.« – Ein wenig Englisch nämlich hatte der Junge durch den Verkehr mit uns Sklaven gelernt.

Ich war froh, den Jungen so lustig zu sehen, und ließ ihn zur Ermuthigung einen Schluck Rum aus einer der Flaschen meines Patrons thun. Uebrigens war Xury’s Rath gut, daher ich ihn auch befolgte. Wir warfen unsern kleinen Anker aus und lagen die Nacht über still. An Schlafen war jedoch kein Gedanke. Denn nach einigen Stunden sahen wir gewaltig große Bestien verschiedener Art, die wir nicht zu nennen wußten, an den Strand kommen und sich ins Wasser stürzen. Sie machten sich das Vergnügen einer Abkühlung und heulten und brüllten dabei in einer Art, wie ich es mein Lebtag nicht wieder gehört habe.

Xury war furchtbar erschrocken und ich nicht minder. Aber wie entsetzten wir uns erst, als eines der Unthiere auf unser Boot zugeschwommen kam. Wir konnten es nicht sehen, doch an seinem Schnauben war zu hören, daß es eine ungeheuer große und grimmige Bestie sein mußte. Xury behauptete, es sei ein Löwe, und es mochte wohl auch einer sein. Der arme Junge schrie, ich sollte den Anker lichten und wegrudern. »Nein«, erwiederte ich, »wir wollen nur das Kabeltau verlängern und nach der See hinsteuern, dann können die Thiere uns nicht folgen.« Kaum hatte ich diese Worte gesprochen, als ich das Ungeheuer zu meiner großen Ueberraschung schon bis auf zwei Ruderlängen uns nahe erblickte. Sofort eilte ich nach der Kajüte, ergriff ein Gewehr und gab Feuer, worauf die Bestie sich alsbald umwandte und wieder nach dem Lande schwamm.

Es ist unmöglich, den fürchterlichen Lärm, das Geschrei und Geheul zu beschreiben, das unmittelbar an der Küste und weiter ins Land hinein nach meinem Schusse entstand. So Etwas hatten diese Kreaturen wahrscheinlich früher nie gehört. Ich zog daraus den Schluß, daß wir während der Nacht nicht hier ans Land gehen dürften, und es schien sogar fraglich, ob wir es bei Tage wagen dürften; denn den wilden Menschen in die Hände zu gerathen, war um Nichts besser, als in die Gewalt der wilden Thiere zu kommen, zum wenigsten hatten wir vor beiden gleich große Angst. Trotzdem aber gebot uns die Notwendigkeit, irgendwo zu landen, um Wasser zu holen, wovon wir keine Pinte mehr im Boote hatten. Es fragte sich nur, wo wir es wagen sollten. Xury sagte mir, wenn er mit einem der Krüge ans Ufer gehen dürfe und es da überhaupt Wasser gäbe, wolle er es schon bekommen. Ich fragte ihn, warum denn er gehen wolle und er nicht lieber sehe, wenn ich es thäte. Er antwortete mir darauf mit solcher Treuherzigkeit, daß ich ihn dadurch für immer lieb gewann. »Wenn kommen wilde Männer«, sagte er, »sie essen mich, du weggehen.« »Nun, Xury«, erwiederte ich, »dann wollen wir alle beide gehen, und wenn die wilden Männer kommen, schießen wir sie nieder, dann können sie keinen von uns fressen.« Hierauf gab ich ihm ein Stück Zwieback und ließ ihn einen Schluck Rum aus dem Flaschenkorb thun. Dann ruderten wir das Boot möglichst nahe ans Ufer und wateten, nur mit unsern Gewehren und zwei Wasserkrügen ausgerüstet, ans Land.

Ich wagte nicht das Boot aus den Augen zu verlieren, weil ich fürchtete, die Wilden möchten in Kähnen den Fluß herunter kommen. Der Junge aber, welcher etwa eine Meile landeinwärts eine Niederung gewahrte, eilte danach hin, und gleich darauf sah ich ihn wieder zurückkehren. Ich glaubte, er sei von Wilden verfolgt oder durch ein Thier erschreckt, und rannte, um ihm zu helfen, ihm entgegen. Als ich jedoch näher kam, sah ich, daß er Etwas über die Schultern hängen hatte, das ich als ein von ihm getödtetes Thier erkannte. Es glich einem Hasen, war aber von anderer Farbe und länger von Beinen. Wir hatten große Freude darüber, da es uns eine herrliche Mahlzeit lieferte. Das Beste aber, was Xury mitbrachte, war die Nachricht, daß er gutes Wasser gefunden und keine Wilden gesehen hatte.

Bald darauf wurden wir gewahr, daß wir uns um Wasser nicht so große Sorgen hätten zu machen brauchen. Denn ein wenig höher in der Bucht hinauf, in der wir lagen, fanden wir, sobald die Flut, die nicht tief den Fluß hinein ging, verlaufen war, das Wasser süß und frisch. So füllten wir denn unsere Krüge, verschmausten unser Wildpret und machten uns wieder reisefertig. Spuren eines menschlichen Wesens hatten wir in dieser Gegend nicht wahrgenommen.

Weil ich schon früher einmal an dieser Küste gewesen war, wußte ich, daß die kanarischen Inseln, sowie die des grünen Vorgebirgs von hier nicht weit abliegen konnten. Da mir’s aber an Instrumenten zur Untersuchung des Breitengrads, unter dem wir uns befanden, gebrach, und ich auch leider nicht genau die Lage jener Inseln kannte, war ich im Zweifel über die Richtung, die ich nach ihnen einzuschlagen hätte. Außerdem wäre es eine Leichtigkeit gewesen, sie zu erreichen.

Ich hatte meine Hoffnung darauf gesetzt, daß mir, wenn ich mich immer längs der Küste hielte, bis ich in die Region käme, wo die Engländer ihren Handel trieben, eins von ihren Schiffen aufstoßen und uns aufnehmen werde. Soviel ich nach meiner Berechnung herausgebracht, mußte ich damals in der Gegend sein, die zwischen dem Kaiserreich Marokko und den Negerstaaten liegt und wo die Küste nur von Bestien bewohnt ist. Die Neger haben diesen Landstrich verlassen und sich aus Furcht vor den Mohren nach Süden zurückgezogen, während die Mohren die Gegend wegen ihrer Unfruchtbarkeit nicht des Anbaus werth halten. Beide Völkerschaften haben auch deshalb jene Strecke aufgegeben, weil so erstaunlich viel Tiger, Löwen, Leoparden und andere wilde Thiere dort hausen. Die Mohren benutzen die Gegend daher nur zum Jagen, indem sie armeenweis zu zwei- bis dreitausend Mann dorthin ziehen. Beinahe hundert Meilen lang sahen wir an der Küste nur wüstes Land, bei Tage wie ausgestorben, des Nachts erfüllt vom Geheul und Gebrüll der Bestien.

Ein- oder zweimal glaubte ich den Pik von Teneriffa zu erblicken und hatte große Lust, nach ihm hin zu steuern; nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen aber, durch widrigen Wind genöthigt und auch weil die See für mein kleines Fahrzeug zu hoch ging, beschloß ich, nach meinem früheren Plane mich längs der Küste zu halten.

Mehrmals war ich genöthigt, ans Land zu gehen, um frisches Wasser zu holen. Eines Tages warfen wir früh am Morgen unter einem ziemlich hoch gelegenen Küstenpunkt Anker. Die Flut begann und wir wollten sie abwarten, um mit ihr weiter zu gehen. Xury, der seine Augen flinker als ich überall hatte, rief mir leise zu, es sei besser, wenn wir von der Küste uns abwendeten, »denn«, sagte er, »dort liegt ein schreckliches Ungeheuer neben dem Hügel und schläft«.

Ich sah nach der angedeuteten Richtung und erblickte wirklich ein scheußliches Unthier. Es war ein sehr großer Löwe, der am Ufer im Schatten eines Hügelvorsprungs lag. »Xury«, sagte ich, »du mußt ans Land und ihn abmucksen.« Xury schauderte und erwiederte: »Ich mucksen? Er mich essen auf einen Bissen.« Da ließ ich den Jungen sich still verhalten, nahm unsre größte Flinte, lud sie stark mit Pulver und mit zwei Kugeln und legte sie neben mich. In ein anderes Gewehr that ich zwei Kugeln, in ein drittes (denn wir hatten drei) fünf Kugeln von kleinerem Kaliber. Beim ersten Schuß hielt ich der Bestie scharf nach dem Kopf, allein sie hatte die Tatze ein wenig über die Schnauze gelegt, so daß die Kugeln sie über dem Knie trafen und ihr nur den Gelenkknochen zerschmetterten. Der Löwe sprang auf, knurrte anfangs leise, fühlte aber sein Bein entzwei, sank nieder und stellte sich dann auf drei Beine, indem er das schrecklichste Gebrüll los ließ, das ich je vernommen. Ich war erschrocken, daß ich den Kopf verfehlt, griff aber sofort nach dem zweiten Gewehr und gab abermals Feuer; wiewohl der Feind ausreißen wollte, traf ich ihn diesmal doch in den Kopf und sah mit Vergnügen, wie er zusammenbrach und ohne großen Lärm seinen Todeskampf kämpfte. Jetzt bekam Xury Courage und wollte ans Land. »Gut«, sagte ich, »geh.« Darauf sprang er ins Wasser, nahm in die eine Hand eine kleine Flinte, schwamm mit der andern ans Ufer, begab sich dicht an das Thier heran, hielt ihm das Gewehr nahe vor’s Ohr und machte ihm mit einem neuen Schuß durch den Kopf vollends den Garaus.

Dies Wildpret lieferte uns aber Nichts zu essen, und es that mir leid, drei Schüsse an ein Thier verschwendet zu haben, mit dem wir Nichts anfangen konnten. Xury aber sagte, Etwas wolle er doch davontragen, und bat mich um das Beil. »Wozu, Xury?« fragte ich. »Kopf abhauen«, antwortete er. Jedoch gelang ihm das nicht, und er brachte nur eine ungeheure Tatze mit sich zurück.

Ich hatte unterdessen überlegt, daß uns vielleicht das Fell von einigem Werth sein könnte, und beschloß es abzuziehen. So machte ich mich denn mit Xury ans Werk; der Junge aber leistete dabei viel mehr als ich, denn ich verstand mich schlecht auf die Sache. Die Arbeit nahm einen ganzen Tag in Anspruch, bis wir zuletzt das Fell davontrugen. Wir spannten es über das Dach unserer Kajüte aus, wo es die Sonne rasch trocknete; dann benutzte ich es als Decke für mein Lager.

Nach diesem Aufenthalt segelten wir zehn bis zwölf Tage in Einem fort südwärts. Jetzt gingen wir mit unserm Proviant, der stark ins Abnehmen gerathen war, sehr sparsam um. Ans Land wagten wir uns nur, um Wasser zu nehmen.

Mein Plan war, zu versuchen, ob wir den Gambia oder Senegal, das heißt die Gegend des grünen Vorgebirgs zu erreichen vermöchten, wo ich hoffen durfte, einem europäischen Schiffe zu begegnen. Geschah dies nicht, so blieb mir Nichts übrig, als nach den kapverdischen Inseln zu steuern oder unter den Negern umzukommen. Ich wußte, daß alle europäischen Schiffe, die nach der Küste von Guinea oder nach Brasilien oder Ostindien gehen, auf dem grünen Vorgebirg oder jenen Inseln Station machen. So setzte ich denn mein ganzes Geschick auf die Eine Nummer: entweder begegnete ich einem Schiff, oder ich war verloren.

Als ich in dieser Ungewißheit etwa zehn Tage hindurch geregelt war, begann ich wahrzunehmen, daß die Küste bewohnt sei. An mehren Stellen sahen wir im Vorbeifahren Leute an dem Ufer stehen, die uns beobachteten. Wir konnten auch erkennen, daß sie ganz schwarz und völlig nackt waren. Einmal wandelte mich die Lust an, ans Land zu ihnen zu gehen, aber Xury rieth mir ab und sagte: »Nicht gehen, ja nicht gehen.«

Dennoch näherte ich mich der Küste so weit, daß ich mit den Leuten sprechen konnte. Sie liefen eine geraume Strecke neben dem Schiffe die Küste entlang. Waffen hatten sie nicht, außer einem Einzigen, der einen langen dünnen Stab trug, den Xury als eine Lanze bezeichnete, mit der diese Leute auf weite Entfernung mit großer Sicherheit werfen könnten. Deshalb hielt ich mich in gehöriger Ferne, redete aber, so gut es ging, durch Zeichen mit ihnen und gab ihnen insbesondere zu verstehen, daß ich Etwas zu essen haben möchte. Sie forderten mich durch Winke auf, das Boot anzuhalten, und deuteten an, sie würden dann Speisen für mich herbeischaffen. Hierauf zog ich die Segel ein und legte bei, während zwei der Neger landeinwärts liefen. Nach kaum einer halben Stunde kamen sie mit zwei Stücken geröstetem Brod und etwas Korn zurück. Ohne zu wissen, was es sei, waren wir doch entschlossen es anzunehmen, nur fragte es sich, wie wir’s bekommen könnten. Denn ans Land zu gehen wagte ich nicht. Die guten Leute aber schienen sich ebenso sehr vor uns zu fürchten wie wir vor ihnen. Endlich fanden sie einen guten Ausweg. Sie legten die Sachen auf die Erde nieder und zogen sich eine weite Strecke zurück, bis wir ihre Gaben an Bord gebracht hatten; dann kamen sie wieder ans Ufer heran.

Wir machten ihnen Zeichen des Danks, da wir sonst Nichts zu bieten hatten. Gleich darauf aber ward uns die Gelegenheit, ihnen einen großen Dienst zu leisten. Es kamen nämlich zwei gewaltige Thiere, eins das andere verfolgend, von den Bergen herab nach dem Meere gelaufen. Wir konnten nicht erkennen, ob Brunst das Männchen das Weibchen jagen hieß, oder ob die Bestien wüthend auf einander waren; ebensowenig ob eine solche Sache hier zu Lande alltäglich oder ungewöhnlich sei. Doch glaube ich das Letztere. Einmal weil solche wilde Thiere regelmäßig sich nur des Nachts zeigen, und dann weil die Leute am Ufer, besonders die Weiber, sehr erschrocken schienen. Alle, außer dem Mann mit der Lanze, entflohen. Die Bestien dachten jedoch nicht daran, die Neger zu verfolgen, sie stürzten sich vielmehr ohne Weiteres ins Wasser und schwammen darin umher, als ob sie sich ein Plaisir machen wollten.

Endlich kam eins der Thiere dem Boote näher. Ich legte mich auf die Lauer, ein Gewehr schußfertig in der Hand. Zuvor hatte ich Xury befohlen, die andern beiden Flinten zu laden. Sobald mir das Thier in Schußweite kam, gab ich Feuer und traf es gerade vor den Kopf. Alsbald sank es unter, kam aber gleich wieder in die Höhe und tauchte im Todeskampf auf und nieder. Es hatte sich unverzüglich nach dem Lande hin gewendet, allein noch ehe es das Ufer erreichte, gaben ihm die tödliche Wunde und das verschluckte Wasser den Tod.

Es ist unmöglich, das Erstaunen der armen Leute über den Knall und das Feuer meines Gewehrs zu schildern. Einige von ihnen wollten vor Furcht sterben und fielen wie todt vor Schrecken um. Als sie aber die Bestie leblos und ins Wasser versunken sahen und ich ihnen zugewinkt hatte, ans Ufer zu kommen, faßten sie Muth, näherten sich und fingen an das Thier zu suchen. Es schwamm in seinem Blute, von dem das Wasser sich gefärbt hatte. Ich schlang ihm ein Seil um den Leib, das ich den Negern zuwarf, welche das todte Thier damit an den Strand zogen. Es war ein ungemein schöner und wundervoll gefleckter Leopard. Die Neger schlugen vor Verwunderung über das Ding, womit ich ihn getödtet hatte, die Hände über dem Kopfe zusammen.

Die andere Bestie, erschreckt durch Blitz und Knall des Schusses, schwamm ans Land und rannte nach dem Berg zurück, woher es gekommen. Wegen der Entfernung vermochte ich nicht zu erkennen, was es für ein Thier war. Ich merkte, daß die Neger Lust hatten, den todten Leoparden zu verzehren, und war auch gern bereit, ihnen denselben zu überlassen. Daher gab ich ihnen das durch Zeichen zu verstehen, und sie schienen sehr dankbar dafür. Sofort machten sie sich an die Arbeit und zogen ihm mit einem scharfen Stück Holz das Fell rascher ab, als wir es mit unseren Messern gekonnt hätten.

Sie boten mir Etwas von dem Fleisch an, was ich jedoch ablehnte, dagegen winkte ich ihnen, sie sollten mir das Fell geben, was sie denn auch sehr bereitwillig thaten. Sie brachten mir ferner noch eine große Menge von Lebensmitteln, die ich zwar nicht kannte, aber dennoch annahm. Ich machte ihnen dann durch Zeichen begreiflich, daß ich Wasser nöthig habe, indem ich einen von meinen Krügen umgekehrt ihnen vorzeigte, um damit anzudeuten, daß er leer sei. Sofort kamen auf ihren Ruf zwei Weiber und trugen ein großes irdenes Gefäß, das, wie ich vermuthe, in der Sonne gebrannt war. Sie setzten es in der früher erwähnten Weise nieder, und ich schickte Xury ans Ufer und ließ meine drei Krüge sämmtlich füllen. Die Weiber waren ganz und gar nackt, wie auch die Männer.

Jetzt hatte ich eßbare Wurzeln, Korn und Wasser in Menge. Nachdem ich diese freundlichen Neger verlassen, segelte ich etwa elf Tage weiter, ohne der Küste nahe zu kommen, bis ich ungefähr fünf Meilen vor mir eine weit in die See ragende Landspitze bemerkte. Da das Meer sehr ruhig war, steuerte ich vom Land ab, um diese Spitze zu umsegeln. Endlich, nachdem ich etwa zwei deutsche Meilen an dem gedachten Punkt vorüber war, erblickte ich vollkommen deutlich auch auf der andern Seite seewärts Land, woraus ich den gegründeten Schluß zog, jenes sei das grüne Vorgebirge und dies Land seien die nach demselben benannten kapverdischen Inseln. Jedoch lagen sie mir noch zu fern, und ich wußte nicht, nach welcher Seite ich mich wenden sollte, denn wenn sich ein frischer Wind erhob, war es leicht möglich, daß ich keine von beiden erreichte.

In dieser zweifelhaften Lage ging ich gedankenvoll in die Kajüte und setzte mich, nachdem ich Xury das Ruder übergeben, dort nieder. Plötzlich rief der Junge: »Herr, ein Schiff, ein Segelschiff!« Der arme Teufel war vor Schreck ganz außer sich, weil er meinte, es müsse nothwendig eines von den uns verfolgenden Schiffen unseres Patrons sein, während ich wußte, daß wir uns längst außer dessen Bereich befanden.

Ich sprang aus der Kajüte und sah nicht nur das Schiff, sondern erkannte es auch sofort als ein portugiesisches. Anfangs glaubte ich, es sei nach der guineischen Küste zum Negerhandel bestimmt, jedoch wurde mir bei genauerer Betrachtung seines Courses klar, daß es anderswohin gehe und nicht nach dem Lande hin steuere. Ich wendete mich deshalb mit vollen Segeln nach der offenen See, entschlossen, wenn es möglich sei, mit den Leuten im Schiffe zu unterhandeln.

Aller Anstrengung ungeachtet erkannte ich aber bald, daß ich sie nicht einholen würde und daß sie mir aus den Augen kommen müßten, ehe ich ein Zeichen zu geben vermöchte. Schon fing ich an zu verzweifeln, als sie, wie es schien, mit Hülfe ihrer Perspektive mich bemerkt und wahrgenommen hatten, daß mein Boot ein europäisches sei, das vermuthlich zu einem verlorenen Schiffe gehöre. Sie zogen die Segel ein und ließen mich herankommen. Hierdurch ermuthigt, hißte ich die Flagge meines ehemaligen Patrons auf und feuerte als weiteres Nothsignal einen Schuß ab. Sofort legten sie das Schiff bei und nach ungefähr drei Stunden hatte ich sie erreicht.

Sie fragten mich nacheinander auf portugiesisch, spanisch und französisch, was ich für ein Landsmann sei. Ich verstand aber keine dieser Sprachen. Endlich rief mich ein schottischer Matrose, der an Bord war, an, und ich erwiederte, daß ich ein Engländer und aus der Mohrensklaverei von Saleh entflohen sei. Hierauf luden sie mich ein, an Bord zu kommen, und nahmen mich mit all meiner Habe freundlich auf.

Ich war, wie Jedermann glauben wird, unbeschreiblich froh, auf diese Art aus einer so elenden und fast hoffnungslosen Lage befreit zu sein. Sofort bot ich Alles, was ich hatte, dem Schiffskapitän als Lohn für meine Befreiung an. Er aber erwiederte mir großmüthig, er werde Nichts annehmen, es solle vielmehr alle meine Habe mir wieder zugestellt werden, sobald wir nach Brasilien kämen. »Denn«, sagte er, »ich habe Euch das Leben nur aus dem Grunde gerettet, aus dem ich mir selber in ähnlicher Lage Rettung wünschen würde. Vielleicht werde ich früher oder später einmal in gleicher Weise von Jemandem aufgenommen werden müssen. Obendrein«, fuhr er fort, »wenn ich Euch so weit von der Heimat, wie Brasilien entfernt ist, brächte und Euch dann Eure Habe abnähme, so müßtet Ihr doch Hungers sterben und ich hätte Euch dann ja das wieder genommen, was ich Euch kaum gegeben habe. Nein, nein, Sennor Inglese, ich will Euch umsonst mitnehmen, und Eure Sachen werden Euch dort Unterhalt verschaffen und die Heimreise ermöglichen«.

So liebreich, wie er gesprochen, so liebreich handelte er auch. Er untersagte den Matrosen, das Geringste unter meinen Sachen anzurühren; dann nahm er diese in eigenes Gewahrsam und händigte mir ein genaues Verzeichniß derselben ein, damit ich sie sämmtlich, sogar meine drei irdenen Krüge, wiederbekomme.

Mein Boot war ein treffliches Fahrzeug. Der Kapitän bemerkte das und fragte mich, ob ich es wohl an sein Schiff verkaufen und was ich dafür haben wolle. Ich antwortete, er sei so edelmüthig in jeder Hinsicht gegen mich, daß ich für das Boot gar Nichts nehmen könne, sondern es ihm gänzlich überlasse. Er aber erwiederte, er wolle mir einen Handschein auf achtzig Goldstücke für Brasilien geben, und wenn mir dort Jemand mehr biete, so werde er auch das zahlen.

Dann bot er mir sechzig Goldstücke für meinen Jungen, den Xury. Hierzu aber hatte ich keine Lust, nicht weil ich den Buben dem Kapitän nicht gern überlassen hätte, sondern weil es mir leid that, seine Freiheit zu verkaufen, nachdem er mir so treulichen Beistand geleistet hatte. Als ich dies dem Kapitän vorstellte, fand er es gerechtfertigt und schlug die Auskunft vor, daß er dem Jungen durch eine Urkunde versprechen wolle, ihn nach zehn Jahren, wenn er Christ geworden sei, wieder frei zu geben. Hierauf, und da Xury auch einwilligte, überließ ich ihn dem Kapitän.

Wir hatten eine sehr gute Reise nach Brasilien und warfen schon nach etwa drei Wochen in der Allerheiligenbucht Anker. Nun war ich auf einmal aus der jämmerlichsten Lebenslage befreit, und es galt zu überlegen, was ich in Zukunft anfangen wolle.

Das edelmüthige Benehmen des Kapitäns gegen mich werde ich nie vergessen. Er nahm für die Ueberfahrt Nichts von mir und gab mir obendrein zwanzig Ducaten für das Leopardenfell und vierzig für das Löwenfell, auch ließ er mir pünktlich Alles, was im Schiffe mir gehörte, ausliefern. Was ich zu verkaufen Lust hatte, z. B. den Flaschenkorb, zwei meiner Gewehre und den Rest des Wachses, kaufte er mir ab. Kurz, ich löste aus meiner Habe gegen zweihundert spanische Speciesthaler. Mit diesem Kapital ging ich in Brasilien an Land.

Kurze Zeit darauf empfahl mich der Kapitän an einen Mann von gleicher Redlichkeit, wie er selbst war. Dieser besaß ein Ingenio, das heißt eine Zuckerplantage. Auf derselben hielt ich mich eine Zeitlang auf und wurde dadurch mit der Kultur und Bereitung des Zuckers bekannt. Da ich sah, welch angenehmes Leben die Pflanzer führten und wie rasch sie reich wurden, entschloß ich mich, wenn mir die Niederlassung gestattet würde, gleichfalls Pflanzer zu werden und mir zu diesem Zweck mein in London hinterlassenes Geld schicken zu lassen. Ich ließ mich deshalb durch eine Urkunde naturalisiren, kaufte so viel Land, als mit meinem Kapital möglich war, und machte einen Plan zu einer Pflanzung, wie sie mein in England befindliches Geld mir anzulegen gestatten würde.

Ich hatte einen Portugiesen, der aus Lissabon, aber von englischen Eltern stammte, mit Namen Wells zum Nachbar, der sich ungefähr in gleichen Umständen befand wie ich. Wir wurden mit einander gut bekannt. Sein Betriebskapital war wie das meinige nur gering, und unsre Pflanzung verschaffte uns etwa zwei Jahre hindurch wenig mehr als den Lebensunterhalt. Indessen begannen wir uns zu vergrößern und unser Land zu verbessern, so daß wir im dritten Jahr schon etwas Tabak anpflanzen und Jeder von uns ein großes Stück Land zum Zuckeranbau für das folgende Jahr vorbereiten konnte. Beide aber hatten wir Hülfe nöthig, und jetzt wurde es mir fühlbar, daß es eine Thorheit von mir gewesen war, mich von Xury zu trennen.

Aber ach! es ist kein Wunder, daß ich, der ich’s nie vernünftig angefangen hatte, auch diesmal verkehrt gehandelt hatte. Das war nun nicht wieder gut zu machen. Ich hatte mich jetzt auf ein Leben eingelassen, das meiner ganzen Natur entgegen und völlig verschieden von dem war, an dem ich Gefallen fand, dessentwillen ich das Vaterhaus verlassen und den väterlichen Rath in den Wind geschlagen hatte. Jetzt befand ich mich auf der Mittelstraße des Lebens, die ich zu Hause auch hätte wandern können, ohne mich in der Welt so abzuplagen, wie ich es nun that. Oft sagte ich zu mir selbst: diese Art Leben konntest du auch in England unter deiner Sippschaft führen und brauchtest nicht deswegen fünftausend englische Meilen unter Fremde und unter die Wilden in eine Wüstenei zu gehen, wo man von dem Fleckchen Erde, das deine Heimat ist, niemals ein Wort vernommen hat.

So sah ich meine Lage mit immer größerem Mißvergnügen an. Ich hatte Niemanden zum Umgange als jenen Nachbar, mit dem ich zuweilen verkehrte. Was zu arbeiten war, mußte ich mit eigenen Händen thun, und ich kam mir vor wie Jemand, der auf eine einsame Insel verschlagen ist. Aber das sollte erst noch kommen. Jedermann möge bedenken, daß, wenn er seine gegenwärtige Lage ungerecht beurtheilt, die Vorsehung ihn leicht zu einem Tausche zwingen kann, damit er durch die Erfahrung lerne, wie glücklich er früher gewesen. Jenes einsame Leben auf einem öden Eilande, an das ich damals dachte, sollte mir noch dereinst beschieden sein, weil ich so oft ungerechter Weise damit mein damaliges Leben verglichen hatte, welches, wenn es länger gedauert, mich sehr wahrscheinlich zu einem begüterten und reichen Mann gemacht hätte.

Ich hatte meine Plantage schon einigermaßen in Stand gebracht, als der Schiffskapitän, der mich auf der See eingenommen, die Rückreise antrat. Das Schiff hatte nämlich, bis die Ladung und die Reisevorbereitungen beendet waren, beinahe drei Monate dort verweilt. Als ich meinem Freunde sagte, daß ich ein kleines Kapital in London hinterlassen, erwiederte er in seiner freundlichen und aufrichtigen Art: »Sennor Inglese (denn so nannte er mich immer), wenn Ihr mir Briefe und eine Vollmacht mitgeben wollt, mit dem Auftrag an die Person, die Euer Geld in London hat, dieses nach Lissabon zu schicken, und zwar in solcher Münze, wie sie hierzu Lande gilt, so werde ich’s Euch, will’s Gott, bei meiner Rückkehr mitbringen. Doch weil menschliche Dinge dem Wechsel und Mißgeschick so sehr unterworfen sind, rathe ich Euch, nur die Hälfte Eures Kapitals, hundert Pfund Sterling, kommen zu lassen und dem Glück anzuvertrauen. Kommt dies Geld richtig hier an, dann könnt Ihr ja den Rest in gleicher Weise beziehen. Geht’s verloren, so habt Ihr wenigstens die Hälfte gerettet.«

Dies war ein so vernünftiger Rath, daß ich ihn nicht ausschlagen durfte. Ich faßte daher Briefe an die Frau in London, welche mein Geld besaß, und eine Vollmacht für den portugiesischen Kapitän ab, wie mein Freund es mir gerathen hatte. Der Kapitänswittwe gab ich einen ausführlichen Bericht über meine Abenteuer, erzählte ihr von meiner Sklaverei und Flucht, von der Begegnung mit dem portugiesischen Kapitän und seinem menschenfreundlichen Benehmen, von meiner gegenwärtigen Lage und ertheilte ihr die nöthige Anweisung zur Uebersendung des Geldes. Als mein Freund nach Lissabon gekommen, gelang es ihm, durch einen englischen Kaufmann sowohl die Anweisung, als auch einen mündlichen Bericht über meine Erlebnisse nach London zu übermachen. Die Wittwe sandte hierauf außer dem Geld noch aus eigner Tasche an den portugiesische Kapitän ein sehr schönes Geschenk für sein liebreiches Benehmen gegen mich.

Der londoner Kaufmann legte die hundert Pfund in englischen Waaren an, wie es der Kapitän vorgeschrieben, schickte sie sofort nach Lissabon und letzterer brachte sie wohlbehalten nach Brasilien. Es befanden sich darunter (der Anordnung des Kapitäns gemäß, denn ich verstand zu wenig von der Sache) alle Arten Werkzeuge, Eisenwaaren und andere Dinge, die ich auf meiner Pflanzung gut benutzen konnte.

Als die Sendung angekommen war, dachte ich, mein Glück sei gemacht, so voll freudiger Zuversicht war ich. Mein guter Kapitän hatte die fünf Pfund Sterling, die ihm meine Freundin zum Geschenk gemacht, dazu verwandt, für mich auf sechs Jahre einen Diener zu miethen. Er nahm Nichts dafür zur Vergeltung an als ein wenig Tabak, den ich selbst gezogen hatte.

Meine Waaren bestanden in lauter englischen Manufaktursachen, in Tüchern, Stoffen, und solchen Dingen, die in Brasilien besonders gesucht waren, daher ich sie mit Vortheil verkaufen konnte. So löste ich denn das Vierfache des Einkaufspreises aus meiner ersten Ladung und war nun meinem armen Nachbar weit an Mitteln überlegen. Das Erste, was ich nun that, war, daß ich mir einen Negersklaven kaufte und außer dem europäischen Diener, welchen der Kapitän mitgebracht hatte, noch einen weitern miethete.

Wie aber der Mißbrauch des Glücks oftmals unser größtes Unglück herbeiführt, so war’s auch bei mir. Meine Pflanzung nahm im nächsten Jahr einen großen Aufschwung. Ich erntete fünfzig schwere Rollen Tabak, außerdem, was ich an meine Nachbarn überlassen hatte. Diese fünfzig Rollen, deren jede über hundert Centner wog, wurden wohl verwahrt aufgespeichert bis zur Rückkehr der lissaboner Schiffe.

Jetzt aber füllte mir mein wachsender Reichthum den Kopf mit allerlei Anschlägen, die über meine Mittel gingen, wie das schon oft die gescheitesten Geschäftsleute ruinirt hat.

Wäre ich in meiner damaligen Lage geblieben, so hätte ich wohl noch alles Glückes theilhaftig werden können, um dessentwillen mein Vater mir so eindringlich ein ruhiges stilles Leben empfohlen hatte. Allein es harreten andere Dinge auf mich. Ich sollte noch der willfährige Schmied meines eigenen Unglücks werden. Ich sollte das Maß meiner Thorheit vollmachen und mir für Selbstbetrachtungen, zu denen ich später Zeit genug haben sollte, noch mehr Stoff sammeln. All mein Mißgeschick aber ward herbeigeführt durch meine thörichte Neigung zu einem unstäten Leben, dem ich, entgegen den klarsten Beweisen, daß mir das Beharren in meinem jetzigen Leben am besten bekomme, unablässig nachstrebte.

Wie ich einst meinen Eltern entlaufen war, so konnte ich auch jetzt nicht in zufriedener Ruhe leben. Ich mußte auf und davon und der glücklichen Aussicht, ein reicher Mann auf meiner neuen Pflanzung zu werden, den Rücken kehren. Nur das unmäßige Verlangen, höher zu steigen, als es meiner Natur angemessen war, trieb mich dazu, und so stürzte ich mich denn in die tiefste Tiefe menschlichen Elends, in die je Einer gerathen ist, und in der nicht leicht ein Anderer sein Leben und seine Gesundheit behalten haben würde.

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Robinson Crusoe – Kapitel 1

Daniel Defoe

Robinson Crusoe

Aus dem Englischen von Karl Altmüller

Ich bin geboren zu York im Jahre 1632, als Kind angesehener Leute, die ursprünglich nicht aus jener Gegend stammten. Mein Vater, ein Ausländer, aus Bremen gebürtig, hatte sich zuerst in Hull niedergelassen, war dort als Kaufmann zu hübschem Vermögen gekommen und dann, nachdem er sein Geschäft aufgegeben hatte, nach York gezogen. Hier heirathete er meine Mutter, eine geborene Robinson. Nach der geachteten Familie, welcher sie angehörte, wurde ich Robinson Kreuznaer genannt. In England aber ist es Mode, die Worte zu verunstalten, und so heißen wir jetzt Crusoe, nennen und schreiben uns sogar selbst so, und diesen Namen habe auch ich von jeher unter meinen Bekannten geführt.

Ich hatte zwei ältere Brüder. Der eine von ihnen, welcher als Oberstlieutenant bei einem englischen, früher von dem berühmten Oberst Lockhart befehligten Infanterieregiment in Flandern diente, fiel in der Schlacht bei Dünkirchen. Was aus dem jüngeren geworden ist, habe ich ebensowenig in Erfahrung bringen können, als meine Eltern je Kenntniß von meinen eignen Schicksalen erhalten haben.

Schon in meiner frühen Jugend steckte mir der Kopf voll von Plänen zu einem umherschweifenden Leben. Mein bereits bejahrter Vater hatte mich so viel lernen lassen, als durch die Erziehung im Hause und den Besuch einer Freischule auf dem Lande möglich ist. Ich war für das Studium der Rechtsgelehrsamkeit bestimmt. Kein anderer Gedanke aber in Bezug auf meinen künftigen Beruf wollte mir behagen als der, Seemann zu werden. Dieses Vorhaben brachte mich in schroffen Gegensatz zu den Wünschen und Befehlen meines Vaters und dem Zureden meiner Mutter, wie auch sonstiger mir freundlich gesinnter Menschen. Es schien, als habe das Schicksal in meine Natur einen unwiderstehlichen Drang gelegt, der mich gerades Wegs in künftiges Elend treiben sollte.

Mein Vater, der ein verständiger und ernster Mann war, durchschaute meine Pläne und suchte mich durch eindringliche Gegenvorstellungen von denselben abzubringen. Eines Morgens ließ er mich in sein Zimmer, das er wegen der Gicht hüten mußte, kommen und sprach sich über jene Angelegenheit mit großer Wärme gegen mich aus. »Was für andere Gründe«, sagte er, »als die bloße Vorliebe für ein unstetes Leben, können dich bewegen, Vaterhaus und Heimat verlassen zu wollen, wo du dein gutes Unterkommen hast und bei Fleiß und Ausdauer in ruhigem und behaglichem Leben dein Glück machen kannst. Nur Leute in verzweifelter Lage, oder solche, die nach großen Dingen streben, gehen außer Landes auf Abenteuer aus, um sich durch Unternehmungen empor zu bringen und berühmt zu machen, die außerhalb der gewöhnlichen Bahn liegen. Solche Unternehmungen aber sind für dich entweder zu hoch oder zu gering. Du gehörst in den Mittelstand, in die Sphäre, welche man die höhere Region des gemeinen Lebens nennen könnte. Die aber ist, wie mich lange Erfahrung gelehrt hat, die beste in der Welt; in ihr gelangt man am sichersten zu irdischem Glück. Sie ist weder dem Elend und der Mühsal der nur von Händearbeit lebenden Menschenklasse ausgesetzt, noch wird sie von dem Hochmuth, der Ueppigkeit, dem Ehrgeiz und dem Neid, die in den höheren Sphären der Menschenwelt zu Hause sind, heimgesucht.«

»Am besten«, fügte er hinzu, »kannst du die Glückseligkeit des Mittelstandes daraus erkennen, daß er von Allen, die ihm nicht angehören, beneidet wird. Selbst Könige haben oft über die Mißlichkeiten, die ihre hohe Geburt mit sich bringt, geklagt und gewünscht, in die Mitte der Extreme zwischen Hohe und Niedrige gestellt zu sein. Auch der Weise bezeugt, daß jener Stand der des wahren Glückes ist, indem er betet: »Armuth und Reichthum gib mir nicht«.

»Habe nur darauf Acht«, fuhr mein Vater fort, »so wirst du finden, daß das Elend der Menschheit zumeist an die höheren und niederen Schichten der Gesellschaft vertheilt ist. Die, welche in der mittleren leben, werden am seltensten vom Mißgeschick getroffen, sie sind minder den Wechselfällen des Glücks ausgesetzt, sie leiden bei weitem weniger an Mißvergnügen und Unbehagen des Leibes und der Seele wie jene, die durch ausschweifend üppiges Leben auf der einen, durch harte Arbeit, Mangel am Notwendigen oder schlechten und unzulänglichen Lebensunterhalt auf der anderen Seite, in Folge ihrer natürlichen Lebensstellung geplagt sind. Der Mittelstand ist dazu angethan, alle Arten von Tugenden und Freuden gedeihen zu lassen. Friede und Genügsamkeit sind im Gefolge eines mäßigen Vermögens. Gemüthsruhe, Geselligkeit, Gesundheit, Mäßigkeit, alle wirklich angenehmen Vergnügungen und wünschenswerten Erheiterungen sind die segensreichen Gefährten einer mittleren Lebensstellung. Auf der Mittelstraße kommt man still und gemächlich durch die Welt und sanft wieder heraus, ungeplagt von allzu schwerer Hand- oder Kopfarbeit, frei vom Sklavendienst ums tägliche Brod, unbeirrt durch verwickelte Verhältnisse, die der Seele die Ruhe, dem Leib die Rast entziehen, ohne Aufregung durch Neid, oder die im Herzen heimlich glühende Ehrbegierde nach großen Dingen. Dieser Weg führt vielmehr in gelassener Behaglichkeit durch das Dasein, gibt nur dessen Süßigkeiten, nicht aber auch seine Bitternisse zu kosten, er läßt die auf ihm wandeln mit jedem Tage mehr erfahren, wie gut es ihnen geworden ist.«

Hierauf drang mein Vater ernstlich und inständigst in mich, ich solle mich nicht gewaltsam in eine elende Lage stürzen, vor welcher die Natur, indem sie mich in meine jetzige Lebensstellung gebracht, mich sichtbarlich habe behüten wollen. Ich sei ja nicht gezwungen, meinen Unterhalt zu suchen. Er habe es gut mit mir vor und werde sich bemühen, mich in bequemer Weise in die Lebensbahn zu bringen, die er mir soeben gerühmt habe. Wenn es mir nicht wohl ergehe in der Welt, so sei das lediglich meine Schuld. Er habe keine Verantwortung dafür, nachdem er mich vor Unternehmungen gewarnt habe, die, wie er bestimmt wisse, zu meinem Verderben gereichen müßten. Er wolle alles Mögliche für mich thun, wenn ich daheim bleibe und seiner Anweisung gemäß meine Existenz begründe. Dagegen werde er sich dadurch nicht zum Mitschuldigen an meinem Mißgeschick machen, daß er mein Vorhaben, in die Fremde zu gehen, irgendwie unterstütze. Schließlich hielt er mir das Beispiel meines älteren Bruders vor. Den habe er auch durch ernstliches Zureden abhalten wollen, in den niederländischen Krieg zu gehen. Dennoch sei derselbe seinen Gelüsten gefolgt und habe darum einen frühen Tod gefunden. »Ich werde zwar«, so endete mein Vater, »nicht aufhören, für dich zu beten, aber das sage ich dir im Voraus: wenn du deine thörichten Pläne verfolgst, wird Gott seinen Segen nicht dazu geben, und du wirst vielleicht einmal Muße genug haben, darüber nachzudenken, daß du meinen Rath in den Wind geschlagen hast. Dann aber möchte wohl Niemand da sein, der dir zur Umkehr behülflich sein kann.«

Bei diesen letzten Worten, die, was mein Vater wohl selbst kaum ahnte, wahrhaft prophetisch waren, strömten ihm, besonders als er meinen gefallenen Bruder erwähnte, die Thränen reichlich über das Gesicht. Als er von der Zeit der zu späten Reue sprach, gerieth er in eine solche Bewegung, daß er nicht weiter reden konnte.

Ich war durch seine Worte in innerster Seele ergriffen, und wie hätte das anders sein können! Mein Entschluß stand fest, den Gedanken an die Fremde aufzugeben und mich, den Wünschen meines Vaters gemäß, zu Hause niederzulassen. Aber ach, schon nach wenigen Tagen waren diese guten Vorsätze verflogen, und um dem peinlichen Zureden meines Vaters zu entgehen, beschloß ich einige Wochen später, mich heimlich davon zu machen. Indeß führte ich diese Absicht nicht in der Hitze des ersten Entschlusses aus, sondern nahm eines Tages meine Mutter, als sie ungewöhnlich guter Laune schien, bei Seite und erklärte ihr, mein Verlangen die Welt zu sehen gehe mir Tag und Nacht so sehr im Kopfe herum, daß ich Nichts zu Hause anfangen könnte, wobei ich Ausdauer genug zur Durchführung haben würde. »Mein Vater«, sagte ich, »thäte besser, mich mit seiner Einwilligung gehen zu lassen als ohne sie. Ich bin im neunzehnten Jahre und zu alt, um noch die Kaufmannschaft zu erlernen oder mich auf eine Advokatur vorzubereiten. Wollte ich’s doch versuchen, so würde ich sicherlich nicht die gehörige Zeit aushalten, sondern meinem Principal entlaufen und dann doch zur See gehen.« Ich bat die Mutter bei dem Vater zu befürworten, daß er mich eine Seereise zum Versuch machen lasse. Käme ich dann wieder und die Sache hätte mir nicht gefallen, so wollte ich nimmer fort und verspräche für diesen Fall, durch doppelten Fleiß das Versäumte wieder einzuholen.

Meine Mutter gerieth über diese Mittheilung in große Bestürzung. Es würde vergebens sein, erwiederte sie, mit meinem Vater darüber zu sprechen, der wisse zu gut, was zu meinem Besten diene, um mir seine Einwilligung zu so gefährlichen Unternehmungen zu geben. »Ich wundere mich«, setzte sie hinzu, »daß du nach der Unterredung mit deinem Vater und nach seinen liebreichen Ermahnungen noch an so Etwas denken kannst. Wenn du dich absolut ins Verderben stürzen willst, so ist dir eben nicht zu helfen. Darauf aber darfst du dich verlassen, daß ich meine Einwilligung dir nie gebe und an deinem Unglück nicht irgend welchen Theil haben will. Auch werde ich niemals in Etwas einwilligen, was nicht die Zustimmung deines Vaters hat.«

Wie ich später erfuhr, war diese Unterredung von meiner Mutter, trotz ihrer Versicherung, dem Vater davon Nichts mittheilen zu wollen, ihm doch von Anfang bis zu Ende erzählt worden. Er war davon sehr betroffen gewesen und hatte seufzend geäußert: »Der Junge könnte nun zu Hause sein Glück machen, geht er aber in die Fremde, wird er der unglücklichste Mensch von der Welt werden; meine Zustimmung bekommt er nicht.«

Es währte beinahe noch ein volles Jahr, bis ich dennoch meinen Vorsatz ausführte. In dieser ganzen Zeit aber blieb ich taub gegen alle Vorschläge, ein Geschäft anzufangen, und machte meinen Eltern oftmals Vorwürfe darüber, daß sie sich dem, worauf meine ganze Neigung ging, so entschieden widersetzten.

Eines Tages befand ich mich zu Hull, wohin ich jedoch zufällig und ohne etwa Fluchtgedanken zu hegen, mich begeben hatte. Ich traf dort einen meiner Kameraden, der im Begriff stand, mit seines Vaters Schiff zur See nach London zu gehen. Er drang in mich, ihn zu begleiten, indem er nur die gewöhnliche Lockspeise der Seeleute, nämlich freie Fahrt, anbot. So geschah es, daß ich, ohne Vater oder Mutter um Rath zu fragen, ja ohne ihnen auch nur ein Wort zu sagen, unbegleitet von ihrem und Gottes Segen und ohne Rücksicht auf die Umstände und Folgen meiner Handlung, in böser Stunde (das weiß Gott!) am ersten September 1651 an Bord des nach London bestimmten Schiffes ging.

Niemals, glaube ich, haben die Mißgeschicke eines jungen Abenteurers rascher ihren Anfang genommen und länger angehalten als die meinigen. Unser Schiff war kaum aus dem Humberfluß, als der Wind sich erhob und die See anfing fürchterlich hoch zu gehen. Ich war früher nie auf dem Meere gewesen und wurde daher leiblich unaussprechlich elend und im Gemüth von furchtbarem Schrecken erfüllt. Jetzt begann ich ernstlich darüber nachzudenken, was ich unternommen, und wie die gerechte Strafe des Himmels meiner böswilligen Entfernung vom Vaterhaus und meiner Pflichtvergessenheit alsbald auf dem Fuße gefolgt sei. Alle guten Rathschläge meiner Eltern, die Thränen des Vaters und der Mutter Bitten traten mir wieder vor die Seele, und mein damals noch nicht wie später abgehärtetes Gewissen machte mir bittere Vorwürfe über meine Pflichtwidrigkeit gegen Gott und die Eltern.

Inzwischen steigerte sich der Sturm, und das Meer schwoll stark, wenn auch bei weitem nicht so hoch, wie ich es später oft erlebt und schon einige Tage nachher gesehen habe. Doch reichte es hin, mich, als einen Neuling zur See und da ich völlig unerfahren in solchen Dingen war, zu entsetzen. Von jeder Woge meinte ich, sie würde uns verschlingen, und so oft das Schiff sich in einem Wellenthal befand war mir, als kämen wir nimmer wieder auf die Höhe. In dieser Seelenangst that ich Gelübde in Menge und faßte die besten Entschlüsse. Wenn es Gott gefalle, mir das Leben auf dieser Reise zu erhalten, wenn ich jemals wieder den Fuß auf festes Land setzen dürfe, so wollte ich alsbald heim zu meinem Vater gehen und nie im Leben wieder ein Schiff betreten. Dann wollte ich den väterlichen Rath befolgen und mich nicht wieder in ein ähnliches Elend begeben. Jetzt erkannte ich klar die Richtigkeit der Bemerkungen über die goldene Mittelstraße des Lebens. Wie ruhig und behaglich hatte mein Vater sein Leben lang sich befunden, der sich nie den Stürmen des Meeres und den Kümmernissen zu Lande ausgesetzt hatte. Kurz, ich beschloß fest, mich aufzumachen gleich dem verlorenen Sohne und reuig zu meinem Vater zurückzukehren.

Diese weisen und verständigen Gedanken hielten jedoch nur Stand, so lange der Sturm währte und noch ein Weniges darüber. Am nächsten Tage legte sich der Wind, die See ging ruhiger, und ich ward die Sache ein wenig gewohnt. Doch blieb ich den ganzen Tag still und ernst und litt noch immer etwas an der Seekrankheit. Am Nachmittag aber klärte sich das Wetter auf, der Wind legte sich völlig, und es folgte ein köstlicher Abend. Die Sonne ging leuchtend unter und am nächsten Morgen ebenso schön auf. Wir hatten wenig oder gar keinen Wind, die See war glatt, die Sonne strahlte darauf, und ich hatte einen Anblick so herrlich wie nie zuvor.

Nach einem gesunden Schlaf, frei von der Seekrankheit, in bester Laune betrachtete ich voll Bewunderung das Meer, das gestern so wild und fürchterlich gewesen und nun so friedlich und anmuthig war. Und gerade jetzt, damit meine guten Vorsätze ja nicht Stand halten sollten, trat mein Kamerad, der mich verführt hatte, zu mir. »Nun, mein Junge«, sagte er, mich mit der Hand auf die Schulter klopfend, »wie ist’s bekommen? Ich wette, du hast Angst ausgestanden, bei der Hand voll Wind, die wir gestern hatten, wie?« – »Eine Hand voll Wind nennst du das?« erwiederte ich; »es war ein gräßlicher Sturm.« – »Ein Sturm? Narr, der du bist; hältst du das für einen Sturm? Gib uns ein gutes Schiff und offene See, so fragen wir den Teufel was nach einer solchen elenden Brise. Aber du bist nur ein Süßwassersegler; komm, laß uns eine Bowle Punsch machen, und du wirst bald nicht mehr an die Affaire denken. Schau, was ein prächtiges Wetter wir haben!«

Um es kurz zu machen, wir thaten nach Seemannsbrauch. Der Punsch wurde gebraut und ich gehörig angetrunken. Der Leichtsinn dieses einen Abends ersäufte alle meine Reue, all meine Gedanken über das Vergangene, alle meine Vorsätze für die Zukunft. Wie die See, als der Sturm sich gelegt, wieder ihre glatte Miene und friedliche Stille angenommen hatte, so war auch der Aufruhr in meiner Seele vorüber. Meine Befürchtungen, von den Wogen verschlungen zu werden, hatte ich vergessen, meine alten Wünsche kehrten zurück, und die Gelübde und Verheißungen, die ich in meinem Jammer gethan, waren mir aus dem Sinn. Hin und wieder stellten sich indessen meine Bedenken wiederum ein, und ernsthafte Besorgnisse kehrten von Zeit zu Zeit in meine Seele zurück. Jedoch ich schüttelte sie ab und machte mich davon los gleich als von einer Krankheit, hielt mich ans Trinken und an die lustige Gesellschaft und wurde so Herr über diese »Anfälle«, wie ich sie nannte. Nach fünf oder sechs Tagen war ich so vollkommen Sieger über mein Gewissen, wie es ein junger Mensch, der entschlossen ist, sich nicht davon beunruhigen zu lassen, nur sein kann.

Aber ich sollte noch eine neue Probe bestehen. Die Vorsehung hatte, wie in solchen Fällen gewöhnlich, es so geordnet, daß mir keine Entschuldigung bleiben konnte. Denn wenn ich das erste Mal mich nicht für gerettet ansehen wollte, so war die nächste Gelegenheit so beschaffen, daß der gottloseste und verhärtetste Bösewicht sowohl die Größe der Gefahr, als die der göttlichen Barmherzigkeit dabei hätte anerkennen müssen.

Am sechsten Tage unserer Fahrt gelangten wir auf die Rhede von Yarmouth. Der Wind war uns entgegen und das Wetter ruhig gewesen, und so hatten wir nach dem Sturm nur eine geringe Strecke zurückgelegt. Dort sahen wir uns genöthigt, vor Anker zu gehen, und lagen, weil der Wind ungünstig, nämlich aus Südwest blies, sieben oder acht Tage daselbst, während welcher Zeit viele andere Schiffe von New-Castle her aus eben dieser Rhede, welche den gemeinsamen Hafen für die guten Wind die Themse hinauf erwartenden Schiffe abgab, vor Anker gingen.

Wir wären jedoch nicht so lange hier geblieben, sondern mit der Flut allmählich stromaufwärts gegangen, hätte der Wind nicht zu heftig geweht. Nach dem vierten oder fünften Tag blies er besonders scharf. Da aber die Rhede für einen guten Hafen galt, der Ankergrund gut und unser Ankertau sehr stark war, machten unsre Leute sich Nichts daraus, sondern verbrachten ohne die geringste Furcht die Zeit nach Seemannsart mit Schlafen und Zechen. Den achten Tag aber ward des Morgens der Wind stärker, und wir hatten alle Hände voll zu thun, die Topmasten einzuziehn und Alles zu dichten und festzumachen, daß das Schiff so ruhig wie möglich vor Anker liegen könnte. Um Mittag ging die See sehr hoch. Es schlugen große Wellen über das Deck, und ein- oder zweimal meinten wir, der Anker sei losgewichen, worauf unser Kapitän sogleich den Nothanker loszumachen befahl, so daß wir nun von zwei Ankern gehalten wurden.

Unterdessen erhob sich ein wahrhaft fürchterlicher Sturm, und jetzt sah ich zum ersten Mal Angst und Bestürzung auch in den Mienen unsrer Seeleute. Ich hörte den Kapitän, der mit aller Aufmerksamkeit auf die Erhaltung des Schiffes bedacht war, mehrmals, während er neben mir zu seiner Kajüte hinein- und herausging, leise vor sich hinsagen: »Gott sei uns gnädig, wir sind Alle verloren« und dergleichen Aeußerungen mehr.

Während der ersten Verwirrung lag ich ganz still in meiner Koje, die sich im Zwischendeck befand, und war in einer unbeschreiblichen Stimmung. Es war mir nicht möglich, die vorigen reuigen Gedanken, die ich so offenbar von mir gestoßen hatte, wieder aufzunehmen. Ich hatte geglaubt die Todesgefahr überstanden zu haben, und gemeint, es würde jetzt nicht so schlimm werden wie das erste Mal. Jedoch als der Kapitän in meine Nähe kam und die erwähnten Worte sprach, erschrak ich fürchterlich. Ich ging aus meiner Kajüte und sah mich um. Niemals hatte ich einen so furchtbaren Anblick gehabt. Das Meer ging bergehoch und überschüttete uns alle drei bis vier Minuten. Wenn ich überhaupt Etwas sehen konnte, nahm ich Nichts als Jammer und Noth ringsum wahr. Zwei Schiffe, die nahe vor uns vor Anker lagen, hatten, weil sie zu schwer beladen waren, ihre Mastbäume kappen und über Bord werfen müssen, und unsre Leute riefen einander zu, daß ein Schiff, welches etwa eine halbe Stunde von uns ankerte, gesunken sei. Zwei andere Schiffe, deren Anker nachgegeben hatten, waren von der Rhede auf die See getrieben und, aller Masten beraubt, jeder Gefahr preisgegeben. Die leichten Fahrzeuge waren am besten daran, da sie der See nicht so vielen Widerstand entgegensetzen konnten; aber zwei oder drei trieben auch von ihnen hinter uns her und wurden vom Winde, dem sie nur das Sprietsegel boten, hin und her gejagt.

Gegen Abend fragten der Steuermann und der Hochbootsmann den Kapitän, ob sie den Fockmast kappen dürften. Er wollte anfangs nicht daran, als aber der Hochbootsmann ihm entgegen hielt, daß, wenn es nicht geschähe, das Schiff sinken würde, willigte er ein. Als man den vorderen Mast beseitigt hatte, stand der Hauptmast so lose und erschütterte das Schiff dermaßen, daß die Mannschaft genöthigt war, auch ihn zu kappen und das Deck frei zu machen.

Jedermann kann sich denken, in welchem Zustand bei diesem Allen ich, als Neuling zur See, und nachdem ich so kurz vorher eine solche Angst ausgestanden, mich befand. Doch wenn ich jetzt die Gedanken, die ich damals hatte, noch richtig anzugeben vermag, so war mein Gemüth zehnmal mehr in Trauer darüber, daß ich meine früheren Absichten aufgegeben und wieder zu den vorhergefaßten Plänen zurückgekehrt war, als über den Gedanken an den Tod selbst. Diese Gefühle, im Verein mit dem Schreck vor dem Sturm, versetzten mich in eine Gemüthslage, die ich mit Worten nicht beschreiben kann. Das Schlimmste aber sollte noch kommen!

Der Sturm wüthete dermaßen fort, daß die Matrosen selbst bekannten, sie hätten niemals einen schlimmern erlebt. Unser Schiff war zwar gut, doch hatte es zu schwer geladen und schwankte so stark, daß die Matrosen wiederholt riefen, es werde umschlagen. In gewisser Hinsicht war es gut für mich, daß ich die Bedeutung dieses Worts nicht kannte, bis ich später danach fragte.

Mittlerweile wurde der Sturm so heftig, daß ich sah, was man nicht oft zu sehen bekommt, nämlich wie der Kapitän, der Hochbootsmann und etliche Andere, die nicht ganz gefühllos waren, zum Gebet ihre Zuflucht nahmen. Sie erwarteten nämlich jeden Augenblick, das Schiff untergehen zu sehen. Mitten in der Nacht schrie, um unsre Noth vollzumachen, ein Matrose, dem aufgetragen war darauf ein Augenmerk zu haben, aus dem Schiffsraum, das Schiff sei leck und habe schon vier Fuß Wasser geschöpft. Alsbald wurde Jedermann an die Pumpen gerufen. Bei diesem Ruf glaubte ich das Herz in der Brust erstarren zu fühlen. Ich fiel rücklings neben mein Bett, auf dem ich in der Kajüte saß, die Bootsleute aber rüttelten mich auf und sagten, wenn ich auch sonst zu Nichts nütze sei, so tauge ich doch zum Pumpen so gut wie jeder Andere. Da raffte ich mich auf, eilte zur Pumpe und arbeitete mich rechtschaffen ab.

Inzwischen hatte der Kapitän bemerkt, wie einige leichtbeladene Kohlenschiffe, weil sie den Sturm vor Anker nicht auszuhalten vermochten, in die freie See stachen und sich uns näherten. Daher befahl er ein Geschütz zu lösen und dadurch ein Nothsignal zu geben. Ich, der ich nicht wußte, was das zu bedeuten hatte, wurde, weil ich glaubte, das Schiff sei aus den Fugen gegangen, oder es sei sonst etwas Entsetzliches geschehen, so erschreckt, daß ich in Ohnmacht fiel. Weil aber Jeder nur an Erhaltung des eignen Lebens dachte, bekümmerte sich keine Seele um mich. Ein Anderer nahm meine Stelle an der Pumpe ein, stieß mich mit dem Fuß bei Seite und ließ mich für todt liegen, bis ich nach geraumer Zeit wieder zu mir kam.

Wir arbeiteten wacker fort, aber das Wasser stieg im Schiffsraum immer höher, und das Schiff begann augenscheinlich zu sinken. Zwar legte sich jetzt der Sturm ein wenig, allein unmöglich konnte unser Fahrzeug sich so lange über Wasser halten, bis wir einen Hafen erreichten. Deshalb ließ der Kapitän fortwährend Nothschüsse abfeuern. Endlich wagte ein leichtes Schiff, das gerade vor uns vor Anker lag, ein Hülfsboot auszusenden. Mit äußerster Gefahr nahete dieses sich uns, doch schien unmöglich, daß wir hineinsteigen könnten oder daß es auch nur an unser Schiff anzulegen vermöchte. Endlich kamen die Matrosen mit Lebensgefahr durch mächtiges Rudern so nahe, daß unsre Leute ihnen vom Hintertheil des Schiffes ein Tau mit einer Boje zuwerfen konnten. Als sie unter großer Mühe und Noth des Seils habhaft geworden, zogen sie sich damit dicht an den Stern unseres Fahrzeugs heran, worauf wir denn sämmtlich uns in das ihrige begaben. Aber nun war gar kein Gedanke daran, daß wir mit dem Boote das Schiff, zu dem es gehörte, erreichen könnten. Daher beschlossen wir einmüthig, das Boot vom Wind treiben zu lassen und es nur so viel wie möglich nach der Küste zu steuern. Der Kapitän versprach den fremden Leuten, ihr Fahrzeug. wenn es am Strande scheitern sollte, zu bezahlen. So gelangten wir denn, theils durch Rudern, theils vom Winde getrieben, nordwärts etwa in der Gegend von Winterton-Neß nahe an die Küste heran.

Kaum eine Viertelstunde hatten wir unser Schiff verlassen, als wir es schon untergehen sahen. Jetzt begriff ich, was es heißt, wenn ein Schiff in See leck wird. Ich gestehe, daß ich kaum den Muth hatte hinzusehen, als die Matrosen mir sagten, das Schiff sei im Sinken. Denn seit dem Augenblick, wo ich in das Boot mehr geworfen als gestiegen war, stand mir das Herz vor Schrecken und Gemüthsbewegung und vor den Gedanken an die Zukunft, so zu sagen, stille.

Während die Bootsleute sich müheten uns an Land zu bringen, bemerkten wir (denn sobald uns die Woge in die Höhe trug, vermochten wir die Küste zu sehen), wie eine Menge Menschen am Strande hin- und herliefen, um uns, wenn wir herankämen, Hülfe zu leisten. Doch gelangten wir nur langsam vorwärts und konnten das Land nicht eher erreichen, bis wir den Leuchtthurm von Winterton passirt hatten. Hier flacht sich die Küste von Cromer westwärts ab, und so vermochte das Land die Heftigkeit des Windes ein wenig zu brechen. Dort legten wir an, gelangten sämmtlich, wiewohl nicht ohne große Anstrengungen ans Ufer und gingen hierauf zu Fuße nach Yarmouth. Als Schiffbrüchige wurden wir in dieser Stadt, sowohl von den Behörden, welche uns gute Quartiere anwiesen, als auch von Privatleuten und Schiffseignern, mit großer Humanität behandelt und mit so viel Geld versehen, daß es hingereicht hätte, uns, je nachdem wir Lust hatten, die Reise nach London oder nach Hull zu ermöglichen.

Hätte ich nun Vernunft genug gehabt, in meine Heimat zurückzukehren, so wäre das mein Glück gewesen, und mein Vater würde, um mit dem Gleichniß unseres Heilandes zu reden, das fetteste Kalb zur Feier meiner Heimkehr geschlachtet haben. Nachdem er gehört, das Schiff, mit dem ich von Hull abgegangen war, sei auf der Rhede von Yarmouth untergegangen, hat er lange in der Meinung gelebt, ich sei ertrunken.

Jedoch mein böses Schicksal trieb mich mit unwiderstehlicher Hartnäckigkeit vorwärts. Zuweilen zwar sprach mir meine Vernunft und mein besonnenes Urtheil laut zu, heimzukehren, aber ich hatte nicht die Kraft dazu. Ich weiß nicht, ob es eine geheimnißvolle zwingende Macht, oder wie ich es sonst nennen soll, gibt, die uns treibt, Werkzeuge unseres eigenen Verderbens zu werden, wenn es auch unmittelbar vor uns liegt und wir mit offenen Augen ihm uns nähern. Gewiß ist aber, daß nur ein unabwendbar über mich beschlossenes Verhängniß, dem ich in keiner Weise entrinnen konnte, mich, trotz den ruhigen Gründen und dem Zureden meiner Ueberlegung, und ungeachtet zweier so deutlichen Lehren, wie ich sie bei meinem ersten Versuch erhalten hatte, vorwärts drängte.

Mein Kamerad, der mich früher in meiner Gewissensverhärtung bestärkt hatte (er war, wie ich schon sagte, der Sohn des Eigenthümers unseres untergegangenen Schiffs), war nun verzagter als ich. Als wir uns das erste Mal in Yarmouth sprachen, zwei oder drei Tage nach unserer Ankunft, – wir lagen in verschiedenen Quartieren, – schien der Ton seiner Stimme verändert, und mit melancholischer Miene fragte er mich, wie es mir gehe. Nachdem er seinem Vater mitgetheilt hatte, wer ich sei und daß ich diese Reise nur zum Versuche gemacht habe, und zwar in der Absicht, später in die Fremde zu gehen, wandte sich dieser zu mir und sagte in einem sehr ernsten feierlichen Ton: »Junger Mann, Ihr dürft niemals wieder zur See gehen; Ihr müßt dies Erlebniß für ein sichtbares und deutliches Zeichen ansehen, daß Ihr nicht zum Seemann bestimmt seid«. – »Wie, Herr«, erwiederte ich, »wollt Ihr selbst denn nie wieder auf das Meer?« – »Das ist etwas Anderes«, antwortete er. »Es ist mein Beruf und daher meine Pflicht; allein Ihr habt bei Dieser Versuchsreise vom Himmel eine Probe von dem erhalten, was Euch zu erwarten steht, wenn Ihr auf Eurem Sinne beharret. Vielleicht hat uns dies Alles nur Euretwegen betroffen, wie es mit Jona in dem Schiffe von Tarsis ging. Sagt mir«, fuhr er fort, »was in aller Welt hat Euch bewegen können, diese Reise mitzumachen?«

Hierauf erzählte ich ihm einen Theil meiner Lebensgeschichte. Als ich geendet, brach er leidenschaftlich in die Worte aus: »Was habe ich nun verbrochen, daß solch ein Unglücksmensch in mein Schiff gerathen mußte! Ich würde nicht um tausend Pfund meinen Fuß wieder mit Euch in dasselbe Fahrzeug setzen.«

Dieser Ausbruch war durch die Erinnerung an den von ihm erlittenen Verlust hervorgerufen, und der Mann hatte eigentlich kein Recht dazu, sich mir gegenüber so stark zu äußern. Doch redete er mir auch später noch sehr ernst zu und ermahnte mich, zu meinem Vater zurückzukehren und nicht noch einmal die Vorsehung zu versuchen. Ich würde sehen, sagte er, daß die Hand des Himmels sichtbar mir entgegenarbeite. »Verlaßt Euch darauf, junger Mann«, fügte er hinzu, »wenn Ihr nicht nach Hause geht, werdet Ihr, wohin Ihr Euch auch wendet, nur mit Mißgeschick und Noth zu ringen haben, bis die Worte Eures Vaters sich an Euch erfüllt haben.«

Bald darauf trennten wir uns. Ich hatte ihm nur kurz geantwortet und sah ihn nachher nicht wieder, weiß auch nicht, was aus ihm geworden ist.

Ich meinestheils begab mich, da ich jetzt etwas Geld in der Tasche hatte, zu Lande nach London. Sowohl dort wie schon unterwegs hatte ich manchen inneren Kampf zu bestehen durch den Zweifel, ob ich heimkehren oder zur See gehen sollte. Was die erstere Absicht betraf, so stellte sich den bessern Regungen meiner Seele alsbald die Scham entgegen. Es fiel mir ein, wie ich von den Nachbarn ausgelacht werden und wie beschämt ich nicht nur vor Vater und Mutter, sondern auch vor allen anderen Leuten stehen würde. Seit jener Zeit habe ich oft beobachtet, wie ungereimt und thöricht die Artung des Menschenherzens, besonders in der Jugend, gegenüber der Vernunft, die es in solchen Fällen allein leiten sollte, sich zeigt: daß wir nämlich uns nicht schämen zu sündigen, aber wohl zu bereuen; daß wir keine Bedenken haben vor der Handlung, derentwegen wir für einen Narren angesehen werden müssen, aber wohl vor der Buße, die allein uns wieder die Achtung vernünftiger Menschen verschaffen könnte.

In jener Unentschlossenheit darüber, was ich ergreifen und welchen Lebensweg ich einschlagen sollte, verharrte ich geraume Zeit. Ein unwiderstehlicher Widerwille hielt mich auch ferner ab heimzukehren. Nach einer Weile aber verblaßte die Erinnerung an das Mißgeschick, das ich erlebt, und als diese sich erst gemildert hatte, war mit ihr auch der letzte Rest des Verlangens nach Hause geschwunden. Und kaum hatte ich alle Gedanken an die Rückkehr aufgegeben, so sah ich mich auch schon nach der Gelegenheit zu einer neuen Reise um.

Das Unheil, welches mich zuerst aus meines Vaters Hause getrieben; das mich in dem unreifen und tollen Gedanken verstrickt hatte, in der Ferne mein Glück zu suchen; das diesen Plan in mir so fest hatte einwurzeln lassen, daß ich für allen guten Rath, für Bitten und Befehle meines Vaters taub gewesen war, dasselbe Unheil veranstaltete jetzt auch, daß ich mich auf die allerunglückseligste Unternehmung von der Welt einließ. Ich begab mich nämlich an Bord eines nach der afrikanischen Küste bestimmten Schiffes, oder, wie unsre Seeleute zu sagen pflegen, eines Guineafahrers. Jedoch, und dies war ein besonders schlimmer Umstand, verdingte ich mich nicht etwa als ordentlicher Seemann auf das Schiff. Dadurch, ob ich gleich ein wenig härter hätte arbeiten müssen, würde ich doch den seemännischen Dienst gründlich erlernt und mich allmählich zum Matrosen oder Lieutenant, wenn nicht gar zum Kapitän hinaufgearbeitet haben. Nein, wie es immer mein Schicksal war, daß ich das Schlimmste wählte, so that ich es auch diesmal. Denn da ich Geld in der Tasche und gute Kleider auf dem Leibe hatte, wollte ich nur wie ein großer Herr an Bord gehen, und hatte somit auf dem Schiffe weder etwas Ordentliches zu thun, noch lernte ich den Seemannsdienst vollständig kennen.

In London hatte ich gleich anfangs das Glück, in gute Gesellschaft zu gerathen, was einem so unbesonnenen und unbändigen Gesellen nicht oft zu Theil wird. Denn ob zwar der Teufel gern bei Zeiten nach solchen seine Netze auswirft, hatte er’s bei mir doch unterlassen. Ich machte die Bekanntschaft eines Schiffskapitäns, der eben von der guineischen Küste zurückgekehrt war und, da er dort gute Geschäfte gemacht hatte, im Begriffe stand, eine neue Reise dahin zu unternehmen. Er fand Gefallen an meiner damals nicht ganz reizlosen Unterhaltung, und als er vernommen, daß ich Lust hatte, die Welt zu sehen, bot er mir an, kostenfrei mit ihm zu reisen. Ich könne mit ihm den Tisch und den Schlafraum theilen, und wenn ich etwa einige Waaren mitnehmen wolle, sie auf eigene Rechnung in Afrika verkaufen und vielleicht dadurch zu weiteren Unternehmungen ermuthigt werden.

Dies Anerbieten nahm ich an und schloß mit dem Kapitän, einem redlichen und aufrichtigen Manne, innige Freundschaft. Durch seine Uneigennützigkeit trug mir ein kleiner Kram, den ich mitgenommen, bedeutenden Gewinn ein. Ich hatte nämlich für ungefähr 40 Pfund Sterling Spielwaaren und dergleichen Kleinigkeiten auf den Rath des Kapitäns eingekauft, wofür ich das Geld mit Hülfe einiger Verwandten, an die ich mich brieflich gewendet, zusammenbrachte, welche, wie ich vermuthe, auch meine Eltern oder wenigstens meine Mutter vermocht hatten, etwas zu meiner ersten Unternehmung beizusteuern.

Dies war die einzige unter meinen Reisen, die ich eine glückliche nennen kann. Ich verdanke das nur der Rechtschaffenheit meines Freundes, durch dessen Anleitung ich auch eine ziemliche Kenntniß in der Mathematik und dem Schifffahrtswesen erlangte. Er lehrte mich, den Cours des Schiffs zu verzeichnen, Beobachtungen anzustellen, überhaupt alles Nothwendigste, was ein Seemann wissen muß. Da es ihm Freude machte, mich zu belehren, hatte ich auch Freude, von ihm zu lernen, und so wurde ich auf dieser Reise zugleich Kaufmann und Seemann. Ich brachte für meine Waaren fünf Pfund und neun Unzen Goldstaub zurück, wofür ich in London dreihundert Guineen löste; aber leider füllte mir gerade dieser Gewinn den Kopf mit ehrgeizigen Plänen, die mich ins Verderben bringen sollten.

Uebrigens war jedoch auch diese Reise nicht ganz ohne Mißgeschick für mich abgelaufen. Insbesondere rechne ich dahin, daß ich während der ganzen Dauer derselben mich unwohl fühlte und in Folge der übermäßigen afrikanischen Hitze (wir trieben nämlich unsern Handel hauptsächlich an der Küste vom 15. Grad nördlicher Breite bis zum Aequator hin) von einem hitzigen Fieber befallen wurde.

Nunmehr galt ich für einen ordentlichen Guineahändler. Nachdem mein Freund zu meinem großen Unheil bald nach der Rückkehr gestorben war, beschloß ich, dieselbe Reise zu wiederholen, und schiffte mich auf dem früheren Schiffe, das jetzt der ehemalige Steuermann führte, ein. Nie hat ein Mensch eine unglücklichere Fahrt erlebt. Ich nahm zwar nur für hundert Pfund Sterling Waaren mit und ließ den Rest meines Gewinns in den Händen der Wittwe meines Freundes, die sehr rechtschaffen gegen mich handelte; dennoch aber erlitt ich furchtbares Mißgeschick.

Das Erste war, daß uns, als wir zwischen den kanarischen Inseln und der afrikanischen Küste segelten, in der Morgendämmerung ein türkischer Korsar aus Saleh überraschte und mit allen Segeln Jagd auf uns machte. Wir spannten, um zu entrinnen, unsere Segel gleichfalls sämmtlich aus, soviel nur die Masten halten wollten. Da wir aber sahen, daß der Pirat uns überhole und uns in wenigen Stunden erreicht haben würde, blieb uns Nichts übrig, als uns kampfbereit zu machen.

Wir hatten zwölf Kanonen, der türkische Schuft aber führte deren achtzehn an Bord. Gegen drei Uhr Nachmittags hatte er uns eingeholt. Da er uns jedoch aus Versehen in der Flanke angriff, statt am Vordertheil, wie er wohl ursprünglich beabsichtigt hatte, schafften wir acht von unsern Kanonen auf die angegriffene Seite und gaben ihm eine Salve. Nachdem der Feind unser Feuer erwiedert und dazu eine Musketensalve von 200 Mann, die er an Bord führte, gefügt hatte (ohne daß jedoch ein einziger unserer Leute, die sich gut gedeckt hielten, getroffen wurde), wich er zurück. Alsbald aber bereitete er einen neuen Angriff vor, und auch wir machten uns abermals zur Verteidigung fertig. Diesmal jedoch griff er uns auf der andern Seite an, legte sich dicht an unsern Bord, und sofort sprangen sechzig Mann von den Türken auf unser Deck und begannen unser Segelwerk zu zerhauen.

Wir empfingen sie zwar mit Musketen, Enterhaken und andern Waffen, machten auch zweimal unser Deck frei; trotzdem aber, um sogleich das traurige Ende des Kampfes zu berichten, mußten wir, nachdem unser Schiff seeuntüchtig gemacht und drei unsrer Leute getödtet waren, uns ergeben und wurden als Gefangene nach Saleh, einer Hafenstadt der Neger, gebracht.

Dort ging es mir nicht so schlecht, als ich anfangs befürchtet hatte. Ich wurde nicht wie die Andern ins Innere nach der kaiserlichen Residenz gebracht, sondern der Kapitän der Seeräuber behielt mich unter seiner eignen Beute, da ich als junger Bursch ihm brauchbar schien. Die furchtbare Verwandlung meines Standes, durch welche ich aus einem stolzen Kaufmann zu einem armen Sklaven geworden war, beugte mich tief. Jetzt gedachte ich der prophetischen Worte meines Vaters, daß ich ins Elend gerathen und ganz hülflos werden würde. Ich wähnte, diese Vorhersagung habe sich nun bereits erfüllt und es könne nichts Schlimmeres mehr für mich kommen. Schon habe mich, dachte ich, die Hand des Himmels erreicht, und ich sei rettungslos verloren. Aber ach, es war nur der Vorschmack der Leiden, die ich noch, wie der Verlauf dieser Geschichte lehren wird, durchmachen sollte.

Als mein neuer Herr mich für sein eigenes Hans zurückbehielt, tauchte die Hoffnung in mir auf, er werde mich demnächst mit zur See nehmen und ich könne dann, wenn ihn etwa ein spanisches oder portugiesisches Kriegsschiff kapern würde, wieder meine Freiheit erlangen. Dieser schöne Wahn entschwand bald. Denn so oft sich mein Patron einschiffte, ließ er mich zurück, um die Arbeit im Garten und den gewöhnlichen Sklavendienst im Hause zu verrichten, und wenn er dann von seinen Streifzügen heimkam, mußte ich in der Kajüte seines Schiffes schlafen und dieses überwachen.

Während ich hier auf Nichts als meine Flucht dachte, wollte sich doch nicht die mindeste Möglichkeit zur Ausführung derselben zeigen. Auch war Niemand da, dem ich meine Pläne hätte mittheilen, und der mich hätte begleiten können. Denn unter meinen Mitsklaven befand sich kein Europäer. So bot sich mir denn zwei Jahre hindurch, so oft ich mich auch in der Einbildung damit beschäftigte, nicht die mindeste hoffnungerweckende Aussicht auf ein Entrinnen dar.

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