Poesie & Aufführungen

William Shakespeare – Macbeth

William Shakespeare: Macbeth

Übersetzt von Dorothea Tieck

PERSONEN

DUNCAN, König von Schottland

MALCOLM

DONALBAIN, seine Söhne

MACBETH

BANQUO, Anführer des königlichen Heeres

MACDUFF

LENOX

ROSSE

MENTETH

ANGUS

CATHNESS, schottische Edelleute

FLEANCE, Banquos Sohn

SIWARD, Graf von Northumberland, Führer der englischen Truppen

Der JUNGE SIWARD, sein Sohn

SEYTON, ein Offizier in Macbeths Gefolge

Macduffs kleiner SOHN

Ein englischer ARZT

Ein schottischer ARZT

Ein KRIEGER

Ein PFÖRTNER

Ein ALTER MANN

Ein LORD

Drei MÖRDER

Verschiedene DIENER und BOTEN

LADY MACBETH

LADY MACDUFF

KAMMERFRAU der Lady Macbeth

HEKATE und drei HEXEN

Lords und Ladies, Edelleute, Anführer und Soldaten, Mörder, Gefolge und Boten.

BANQUOS GEIST und andere ERSCHEINUNGEN

(Szene: Schottland, hauptsächlich in Macbeths Schloß. Zu Ende des vierten Aktes: England)

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

(Ein freier Platz, Donner und Blitz)

(Drei Hexen treten auf.)

ERSTE HEXE Wann treffen wir drei uns das nächstemal Bei Regen, Donner, Wetterstrahl?

ZWEITE HEXE Wenn der Wirrwarr ist zerronnen, Schlacht verloren und gewonnen.

DRITTE HEXE Noch vor Untergang der Sonnen.

ERSTE HEXE Wo der Ort

ZWEITE HEXE Die Heide dort!

DRITTE HEXE Da zu treffen Macbeth. Fort!

ERSTE HEXE Ich komme, Graupelz.

ALLE Kröte ruft;–sogleich! Schön ist wüst, und wüst ist schön. Wirbelt durch Nebel und Wolkenhöhn!

(Sie verschwinden.)

ZWEITE SZENE

([Freies Feld] Ein Lager bei Fores)

(Kriegsgeschrei hinter der Bühne. Es treten auf der König Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge; ein blutender Krieger kommt ihnen entgegen.)

DUNCAN Wer ist der blutige Mann? Er kann berichten, Nach seinem Ansehn scheints, den neusten Stand Des Aufruhrs.

MALCOLM Dies ist ja der Kämpfer, Der mich als kecker, mutiger Soldat Aus meinen Feinden hieb.–Heil, tapfrer Freund! Dem König gib Bericht vom Handgemenge, Wie du’s verließest.

KRIEGER Es stand zweifelhaft; So wie zwei Schwimmer ringend sich umklammern, Erdrückend ihre Kunst. Der grause Macdonwald– Wert ein Rebell zu sein; ihn so zu stempeln, Umschwärmen, stets sich mehrend, der Natur Bosheiten ihn–ward aus den Westeilanden Von Kernen unterstützt und Galloglassen; Fortuna, scheußlichem Gemetzel lächelnd, Schien des Rebellen Hure; doch umsonst, Denn Held Macbeth–wohl ziemt ihm dieser Name–, Das Glück verachtend mit geschwungnem Stahl, Der heiß von seiner blutigen Arbeit dampfte, Er, wie des Krieges Liebling, haut sich Bahn, Bis er dem Schurken gegenüber steht, Und nicht eh schied noch sagt‘ er Lebewohl, Bis er vom Nabel auf zum Kinn ihn schlitzte Und seinen Kopf gepflanzt auf unsre Zinnen.

DUNCAN O tapfrer Vetter! Würdger Edelmann!

KRIEGER Wie dorther, wo der Sonne Lauf beginnt, Wohl schiffzertrümmernd Sturm und Wetter losbricht, So schwillt aus jenem Quell, der Trost verhieß, Trostlosigkeit. Merk, Schottlands König, merk: Kaum schlug Gerechtigkeit, mit Mut gestählt, In schmähliche Flucht die leichtgefüßten Kernen, Als Norwegs Fürst, den Vorteil auserspähend, Mit noch unblutiger Wehr und frischen Truppen Von neuem uns bestürmt.

DUNCAN Entmutigte Das unsre Feldherrn nicht, Macbeth und Banquo?

KRIEGER Jawohl: wie Spatzen Adler, Hasen Löwen. Gradaus gesagt, muß ich von ihnen melden, Sie waren wie Kanonen, überladen Mit doppeltem Gekrach; so stürzten sie, Die Doppelstreiche doppelnd, auf den Feind. Ob sie in heißem Blute baden wollten, Ob auferbaun ein zweites Golgatha, Ich weiß es nicht. Doch ich bin matt, die Wunden schrein nach Hülfe.

DUNCAN Wie deine Worte zieren dich die Wunden; Und Ehre strömt aus beiden.–Schafft ihm Ärzte!

(Der Krieger wird fortgeführt. [Rosse tritt auf.])

Wer nahet hier?

MALCOLM Der würdge Than von Rosse.

LENOX Welch Eilen deutet uns sein Blick! So müßte Der blicken, der von Wundern melden will.

(Rosse tritt auf.)

ROSSE Gott schütz den König!

DUNCAN Von wannen, edler Than?

ROSSE Von Fife, mein König, Wo Norwegs Banner schlägt die Luft und fächelt Kalt unser Volk. Norwegen selbst, mit fürchterlichen Scharen, Verstärkt durch den abtrünnigen Verräter, Den Than von Cawdor, begann den grausen Kampf, Bis ihm Bellonas Bräutigam, kampfgefeit, Entgegenstürmt mit gleicher Überkraft, Schwert gegen Schwert, Arm gegen drohnden Arm, Und beugt den wilden Trotz: mit einem Wort, Der Sieg blieb unser–

DUNCAN Großes Glück!

ROSSE –so daß Nun Sweno, Norwegs König, Frieden fleht; Doch wir gestatteten ihm nicht Begräbnis Der Seinen, bis er auf Sankt Columban Zehntausend Taler in den Schatz gezahlt.

DUNCAN Nicht frevle länger dieser Than von Cawdor An unsrer Krone Heil.–Port, künde Tod ihm an; Mit seiner Würde grüße Macbeth dann.

ROSSE Ich eile, Herr, von hinnen.

DUNCAN Held Macbeth soll, was der verliert, gewinnen.

(Alle ab.)

DRITTE SZENE

(Die Heide; Gewitter)

(Die drei Hexen treten auf.)

ERSTE HEXE Wo warst du, Schwester?

ZWEITE HEXE Schweine gewürgt.

DRITTE HEXE Schwester, wo du?

ERSTE HEXE Ein Schifferweib, Kastanien hatt’s im Schoß, Und schmatzt‘, und schmatzt‘, und schmatzt‘–Gib mir, sagt ich; Pack dich, du Hexe! schreit das fette Weibsstück. Ihr Mann ist nach Aleppo, führt den „Tiger“; Doch segl ich nach im Sieb, ich kanns, Wie eine Ratte ohne Schwanz; Ich tu’s, ich tu’s, und ich tu’s.

ZWEITE HEXE ’nen Wind kriegst von mir.

ERSTE HEXE Schön von dir!

DRITTE HEXE Von mir ’nen andern.

ERSTE HEXE Ich hab selber all die andern. In alle Häfen blasen die, Jede Ecke kennen sie Auf des Seemanns Karte. Dörr wie Heu ihm jedes Glied! Nie komm auf sein Augenlid Schlaf bei Tage oder Nacht! Leben soll er fluchbedacht! Schwere Wochen, neunmal neun, Siech er, schwind er, schrumpf er ein! Wird auch nicht sein Schiff zerschmettert, Solls doch bleiben sturmumwettert!– Schau, was ich hab!

ZWEITE HEXE Zeig her, zeig her!

ERSTE HEXE ’nes Seemanns Daumen hab ich da, Schiffbruch litt er der Heimat nah!

(Trommeln hinter der Szene.)

DRITTE HEXE Trommeln–Ha, Macbeth ist da!

ALLE DREI Unheilsschwestern, Hand in Hand Schwärmend über Meer und Land, Ziehen so rundum, rundum. Dreimal dein und dreimal mein, Und dreimal noch, so macht es neun! Still!–Der Zauber ist geknüpft.

(Macbeth und Banquo treten auf.)

MACBETH So wüst und schön sah ich noch keinen Tag.

BANQUO Wie weit ists noch nach Fores?–Wer sind diese? So eingeschrumpft, so wild in ihrer Tracht? Die nicht Bewohnern unsrer Erde gleichen, Und doch drauf stehn? Lebt ihr? Wie? Seid ihr was, Das man darf fragen? Ihr scheint mich zu verstehn, Denn jede legt zugleich den rissigen Finger Auf ihren faltgen Mund–ihr solltet Weiber sein, Und doch verbieten eure Bärte mir, Euch so zu deuten.

MACBETH Sprecht, wenn ihr könnt: Wer seid ihr?

ERSTE HEXE Heil dir, Macbeth, Heil! Heil dir, Than von Glamis!

ZWEITE HEXE Heil dir, Macbeth, Heil! Heil dir, Than von Cawdor!

DRITTE HEXE Heil dir, Macbeth, dir, künftgem König, Heil!

BANQUO Was schreckst du, Mann? Erregt dir Furcht, was doch So lieblich lautet?–In der Wahrheit Namen, Seid ihr Wahnbilder oder wirklich das, Was körperlich ihr scheint? Den edeln Kampffreund Grüßt ihr mit neuem Erb und Prophezeiung Von hoher Würd und königlicher Hoffnung, Daß er verzückt da steht; mir sagt ihr nichts! Wenn ihr durchschauen könnt die Saat der Zeit Und sagen: dies Korn sproßt und jenes nicht, So sprecht zu mir, der nicht erfleht noch fürchtet Gunst oder Haß von euch.

ERSTE HEXE Heil!

ZWEITE HEXE Heil!

DRITTE HEXE Heil!

ERSTE HEXE Kleiner als Macbeth, und größer.

ZWEITE HEXE Nicht so beglückt, und doch weit glücklicher.

DRITTE HEXE Könge erzeugst du, bist du selbst auch keiner. So, Heil, Macbeth und Banquo!

ERSTE HEXE Banquo und Macbeth Heil!

MACBETH Bleibt, ihr einsilbgen Sprecher, sagt mir mehr: Mich macht, so hör ich, Sinels Tod zum Glamis; Doch wie zum Cawdor? Der Than von Cawdor lebt Als ein gesunder Mann; und König sein, Das steht so wenig im Bereich des Glaubens, Als Than von Cawdor. Sagt, von wannen euch Die wunderbare Kund ward? Weshalb Auf dürrer Heid ihr unsre Schritte hemmt Mit so prophetschem Gruß?–Sprecht, ich beschwör euch.

(Die Hexen verschwinden.)

BANQUO Die Erd hat Blasen, wie das Wasser hat, So waren diese–wohin schwanden sie?

MACBETH In Luft, und was uns Körper schien, zerschmolz Wie Hauch im Wind. O wären sie noch da!

BANQUO War so was wirklich hier, wovon wir sprechen? Oder aßen wir von jener giftgen Wurzel, Die die Vernunft bewältigt?

MACBETH Eure Kinder, Sie werden Könige.

BANQUO Ihr sollt König werden.

MACBETH Und Than von Cawdor auch; hieß es nicht so?

BANQUO Ganz so in Weis‘ und Worten. Wer kommt da?

(Rosse und Angus treten auf.)

ROSSE Der König hörte hoch erfreut, Macbeth, Die Kunde deines Siegs, und wenn er liest, Wie im Rebellenkampf du selbst dich preisgabst, So streiten in ihm Staunen und Bewundrung, Was dir, was ihm gehört. Doch überschauend, Was noch am selbigen Tag geschehn, verstummt er: In Norwegs kühnen Schlachtreihn sieht er dich, Vor dem nicht bebend, was du selber schufest, Abbilder grausen Tods. Wie Wort auf Wort In schneller Rede, so kam Bot auf Bote, Und jeder trug dein Lob, im großen Kampf Für seinen Thron, und schüttets vor ihm aus.

ANGUS Wir sind gesandt vom königlichen Herrn, Dir Dank zu bringen; vor sein Angesicht Dich zu geleiten nur, nicht dir zu lohnen.

ROSSE Und als das Handgeld einer größern Ehre Hieß er, als Than von Cawdor dich zu grüßen: Heil dir in diesem Titel, würdger Than, Denn er ist dein.

BANQUO Wie, spricht der Teufel wahr?

MACBETH Der Than von Cawdor lebt; was kleidet Ihr Mich in erborgten Schmuck?

ANGUS Der Than war, lebt noch; Doch unter schwerem Urteil schwebt das Leben, Das er verwirkt. Ob er im Bund mit Norweg, Ob, Rückhalt der Rebellen, er geheim Sie unterstützte, ob vielleicht mit beiden Er half zu seines Lands Verderb, ich weiß nicht; Doch Hochverrat, gestanden und erwiesen, Hat ihn gestürzt.

MACBETH (beiseit.) Glamis und Than von Cawdor: Das Höchst ist noch zurück.–Dank Eurer Müh!– Hofft Ihr nicht Euren Stamm gekrönt zu sehen, Da jene, die mich Than von Cawdor nannten, Nichts Mindres prophezeit?

BANQUO Darauf gefußt, Möcht es wohl auch zur Krone Euch entflammen, Jenseits dem Than von Cawdor. Aber seltsam! Oft, uns in eignes Elend zu verlocken, Erzählen Wahrheit uns des Dunkels Schergen, Verlocken erst durch schuldlos Spielwerk, um Vernichtend uns im Letzten zu betrügen.

([Zu Rosse und Angus.])

Vettern, ein Wort!

MACBETH (beiseit.) Zweimal gesprochne Wahrheit, Als Glücksprologe zum erhabnen Schauspiel Von königlichem Inhalt.–Freund‘, ich dank Euch!

(beiseit.)

Die Anmahnung von jenseits der Natur Kann schlimm nicht sein–kann gut nicht sein. Wenn schlimm, Was gibt sie mir ein Handgeld des Erfolgs, Wahrhaft beginnend? Ich bin Than von Cawdor. Wenn gut, warum befängt mich die Versuchung? Deren entsetzlich Bild aufsträubt mein Haar, So daß mein festes Herz ganz unnatürlich An meine Rippen schlägt. Erlebte Greuel Sind schwächer als das Graun der Einbildung. Mein Traum, des Mord nur noch ein Hirngespinst, Erschüttert meine schwache Menschheit so, Daß jede Lebenskraft in Ahnung schwindet, Und nichts ist, als was nicht ist.

BANQUO Seht den Freund, Wie er verzückt ist!

MACBETH (beiseit.) Will das Schicksal mich Als König, nun, mag mich das Schicksal krönen, Tu ich auch nichts.

BANQUO Die neue Würde engt ihn, Wie fremd Gewand sich auch nur durch Gewohnheit Dem Körper fügt.

MACBETH (beiseit.) Komme, was kommen mag; Die Stund und Zeit durchläuft den rauhsten Tag.

BANQUO Edler Macbeth, wir harren Eurer Muße.

MACBETH Habt Nachsicht–in vergeßnen Dingen wühlte Mein dumpfes Hirn. Ihr gütigen Herrn, Eur Mühn Ist eingeschrieben, wo das Blatt ich täglich Umschlag und lese.–Laßt uns nun zum König!–

([Beiseit zu Banquo.])

Denkt dessen, was geschah, und bei mehr Muße, Wenn einige Zeit es reifte, laßt uns frei Aus offner Seele reden!

BANQUO Herzlich gern.

MACBETH Bis dahin still.–Kommt, Freunde!

(Alle ab.)

VIERTE SZENE

(Fores, im Palast)

(Trompeten. Es treten auf Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge.)

DUNCAN Ist Cawdor hingerichtet? Oder jene, Die wir beauftragt, noch nicht wieder da?

MALCOLM Sie sind noch nicht zurück, mein Oberherr; Doch sprach ich einen, der ihn sterben sah, Der sagte mir, er habe den Verrat Freimütig eingestanden, um Eur Hoheit Verzeihn gefleht und tiefe Reu gezeigt. Nichts stand in seinem Leben ihm so gut, Als wie er es verlassen hat; er starb Wie einer, der sich auf den Tod geübt, Und wart das Liebste, was er hatte, von sich, Als wärs unnützer Tand.

DUNCAN Kein Wissen gibts, Der Seele Bildung im Gesicht zu lesen; Es war ein Mann, auf den ich gründete Ein unbedingt Vertraun.–

(Es treten auf Macbeth, Banquo, Rosse und Angus.)

Würdigster Vetter!

([Es treten auf Macbeth, Banquo, Rosse und Angus.])

Die Sünde meines Undanks drückte schwer Mich eben jetzt. Du bist so weit voraus, Daß der Belohnung schnellste Schwing erlahmt, Dich einzuholen. Hättst du wenger doch verdient, Daß ich ausgleichen könnte das Verhältnis Von Dank und Lohn! Nimm das Geständnis an: Mehr schuld ich, als mein Alles zahlen kann.

MACBETH Dienst sowie Lehnspflicht lohnt sich selbst im Tun. Genug, wenn Eure Hoheit unsre Pflichten Annehmen will; und unsre Pflichten sind Die Söhn und Diener Eures Throns und Staates Und tun nur, was sie müssen, tun sie alles, Was Lieb und Ehrfurcht heischt.

DUNCAN Willkommen hier! Ich habe dich gepflanzt und will dich pflegen, Um dein Gedeihn zu fördern.–Edler Banquo, Nicht minder ist dein Wert, und wird von Uns Nicht minder anerkannt. Laß dich umschließen Und an mein Herz dich drücken.

BANQUO Wachs‘ ich da, So ist die Ernte Euer.

DUNCAN Meine Wonne, Üppig im Übermaß, will sich verbergen In Schmerzenstropfen.–Söhne, Vettern, Thans Und ihr, die nächsten Unserm Thron, vernehmt: An Malcolm, Unsern Ältsten, übertragen Wir Unser Thronrecht; Prinz von Cumberland Heißt er demnach, und solche Ehre soll Nicht unbegleitet ihm verliehen sein, Denn Adelszeichen sollen, Sternen gleich, Auf jeden Würdigen strahlen.–Fort von hier Nach Inverness, und sei uns näher stets.

MACBETH Mühsal ist jede Ruh, die Euch nicht dient. Ich selbst bin Euer Bote und beglücke Durch Eures Nahens Kunde meine Hausfrau: So scheid ich demutsvoll.

DUNCAN Mein würdger Cawdor!

MACBETH (für sich.) Ha! Prinz von Cumberland!–Das ist ein Stein, Der muß, sonst fall ich, übersprungen sein, Weil er mich hemmt. Verbirg dich. Sternenlicht! Schau meine schwarzen, tiefen Wünsche nicht! Sieh, Auge, nicht die Hand, doch laß geschehen, Was, wenns geschah, das Auge scheut zu sehen.

(Er geht ab.)

DUNCAN Ja, teurer Banquo, er ist ganz so edel, Und ihn zu preisen, ist mir eine Labung; Es ist ein Fest für mich. Laßt uns ihm nach, Des Lieb uns vorgeeilt, uns zu begrüßen. Wer gleicht dem teuren Vetter?

(Trompeten. Alle gehn ab.)

FÜNFTE SZENE

(Inverness; Zimmer in Macbeths Schloß)

(Lady Macbeth tritt auf mit einem Brief.)

LADY MACBETH (liest.) Sie begegneten mir am Tage des Sieges; und ich erfuhr aus den sichersten Proben, daß sie mehr als menschliches Wissen besitzen. Als ich vor Verlangen brannte, sie weiter zu befragen, verschwanden sie und zerflossen in Luft. Indem ich noch, von Erstaunen betäubt, da stand, kamen die Abgesandten des Königs, die mich als Than von Cawdor begrüßten, mit welchem Titel mich kurz vorher diese Zauberschwestern angeredet und mich durch den Gruß: Heil dir, dem künftigen König, auf die Zukunft verwiesen hatten. Ich habe es für gut gehalten. Dir dies zu vertrauen, meine geliebteste Teilnehmerin der Hoheit, auf daß Dein Mitgenuß an der Freude Dir nicht entzogen werde, wenn Du nicht erfahren hättest, welche Hoheit Dir verheißen ist. Leg es an Dein Herz und lebe wohl.– Glamis bist du, und Cawdor; und sollst werden, Was dir verheißen!–Doch fürcht ich dein Gemüt; Es ist zu voll von Milch der Menschenliebe, Den nächsten Weg zu gehn. Groß möchtst du sein, Bist ohne Ehrgeiz nicht; doch fehlt die Bosheit, Die ihn begleiten muß. Was recht du möchtest, Das möchtst du rechtlich; möchtest falsch nicht spielen, Und unrecht doch gewinnen; möchtest gern Das haben, großer Glamis, was dir zuruft: Dies mußt du tun, wenn du es haben willst!– Und was du mehr dich scheust zu tun, als daß Du ungetan es wünschest. Eil hieher, Auf daß ich meinen Mut ins Ohr dir gieße, Und alles weg mit tapfrer Zunge geißle, Was von dem goldnen Zirkel dich zurückdrängt, Womit das Schicksal dich und Zaubermacht Im voraus schon gekrönt zu haben scheint.–

(Ein Diener tritt auf.)

Was gibt es Neues?

DIENER Noch vor Abend kommt Hieher der König.

LADY MACBETH Tolle Rede sprichst du; Ist nicht dein Herr bei ihm, der, wär es so, Der Anstalt wegen es gemeldet hätte?

DIENER Verzeiht; es ist doch wahr. Der Than kommt gleich, Denn ein Kamrad von mir ritt ihm voraus; Fast tot von großer Eil hatt er kaum Atem, Die Botschaft zu bestellen.

LADY MACBETH Sorg für ihn, Er bringt uns große Zeitung.

(Der Diener geht ab.)

Selbst der Rabe, Der Duncans schicksalsvollen Eingang krächzt Unter mein Dach, ist heiser.–Kommt, ihr Geister, Die ihr auf Mordgedanken lauscht, entweiht mich, Füllt mich vom Wirbel bis zur Zeh, randvoll, Mit wilder Grausamkeit! Verdickt mein Blut, Sperrt jeden Weg und Eingang dem Erbarmen, Daß kein anklopfend Mahnen der Natur Den grimmen Vorsatz lähmt, noch friedlich hemmt Vom Mord die Hand! Kommt an die Weibesbrust, Trinkt Galle statt der Milch, ihr Morddämonen, Wo ihr auch harrt in unsichtbarem Wesen Auf Unheil der Natur! Komm, schwarze Nacht, Umwölk dich mit dem dicksten Dampf der Hölle, Daß nicht mein scharfes Messer sieht die Wunde, Die es geschlagen, noch der Himmel, Durchschauend aus des Dunkels Vorhang, rufe: Halt, halt!–

(Macbeth tritt auf.)

O großer Glamis! Edler Cawdor! Größer als beides durch den künftgen Heilruf! Dein Brief hat über das armselge Heut Mich weit verzückt, und ich empfinde nun Das Künftige im Jetzt.

MACBETH Mein teures Leben, Duncan kommt heut noch.

LADY MACBETH Und wann geht er wieder?

MACBETH Morgen, so denkt er.

LADY MACBETH Oh, nie soll die Sonne Den Morgen sehn! Dein Angesicht, mein Than, Ist wie ein Buch, wo wunderbare Dinge Geschrieben stehn.–Die Zeit zu täuschen, scheine So wie die Zeit: den Willkomm trag im Auge, In Zung und Hand; blick harmlos wie die Blume, Doch sei die Schlange drunter. Wohl versorgt Muß der sein, der uns naht; und meiner Hand Vertrau das große Werk der Nacht zu enden, Daß alle künftgen Tag und Nächt uns lohne Alleinge Königsmacht und Herrscherkrone.

MACBETH Wir sprechen noch davon.

LADY MACBETH Blick hell und licht; Mißtraun erregt verändert Angesicht. Laß alles andre mir!

(Sie gehen ab.)

SECHSTE SZENE

(Daselbst, vor dem Schloß)

(Oboen. Macbeths Dienstboten warten auf. Es treten auf Duncan, Malcolm, Donalbain, Banquo, Lenox, Macduff, Rosse, Angus, Gefolge.)

DUNCAN Dies Schloß hat eine angenehme Lage; Gastlich umfängt die lichte, milde Luft Die heitern Sinne.

BANQUO Dieser Sommergast, Die Schwalbe, die an Tempeln nistet, zeigt Durch ihren fleißgen Bau, daß Himmelsatem Hier lieblich haucht; kein Vorsprung, Fries noch Pfeiler, Kein Winkel, wo der Vogel nicht gebaut Sein hängend Bett und Wiege für die Brut: Wo er am liebsten heckt und wohnt, da fand ich Am reinsten stets die Luft.

(Lady Macbeth tritt auf.)

DUNCAN Seht, unsre edle Wirtin! Die Liebe, die uns folgt, wird oft uns lästig; Doch dankt man ihr als Liebe. Lernt daraus, Noch „Gottes Lohn“ und Dank zu sagen uns Für Eure Last und Müh!

LADY MACBETH All unsre Dienste Zwiefach in jedem Punkt, und dann verdoppelt, Wär nur ein arm und schwaches Tun, verglichen Der hohen Gunst, womit Eur Majestät Verherrlicht unser Haus. Für frühre Würden, Wie für die letzte, Kron der andern, bleiben Wir im Gebet für Euch.

DUNCAN Wo ist denn Cawdor? Wir folgten auf dem Fuß ihm, denn wir wünschten Ihn anzumelden; doch er reitet schnell, Und seine Liebe, schärfer als sein Sporn, Bracht ihn vor uns hierher. Höchst edle Wirtin, Wir sind zu Nacht Eur Gast.

LADY MACBETH Für allezeit Besitzen Eure Diener nur das Ihre, Sich selbst und was sie haben, als Verwalter, Und legen Rechnung ab, nach Eurer Hoheit Befehl, und geben Euch zurück, was Euer.

DUNCAN Reicht mir die Hand; führt mich zu meinem Wirt. Wir lieben herzlich ihn, und Unsre Huld Wird seiner stets gedenken. Teure Wirtin, Erlaubt!

([Er nimmt ihre Hand und führt sie in das Schloß, die übrigen folgen.] Alle ab.)

SIEBENTE SZENE

(Daselbst, [Schloßhof] eine Vorhalle im Schloß)

(Oboen und Fackeln. Ein Vorschneider und mehrere Diener mit Schüsseln gehn über die Bühne; dann kommt Macbeth.)

MACBETH Wärs abgetan, so wie’s getan, wärs gut, ’s wär schnell getan. Wenn nur der Meuchelmord Aussperren könnt aus seinem Netz die Folgen Und bloß Gelingen aus der Tiefe zöge, Daß mit dem Stoß, einmal für immer, alles Sich abgeschlossen hätte, hier, nur hier, Auf dieser Sandbank unsrer Zeitlichkeit, So setzt ich weg mich übers künftge Leben.– Doch immer wird bei solcher Tat uns schon Vergeltung hier: daß, wie wir ihn gegeben, Den blutgen Unterricht, er, kaum gelernt, Zurückschlägt, zu bestrafen den Erfinder. Dies Recht, mit unabweislich fester Hand, Setzt unsern selbstgemischten, giftgen Kelch An unsre eignen Lippen. Er kommt hieher, zwiefach geschirmt: Zuerst Weil ich sein Vetter bin und Untertan; Beides hemmt stark die Tat; dann, ich–sein Wirt, Der gegen seinen Mörder schließen müßte Die Tore und nicht selbst das Messer führen. Dann hat auch dieser Duncan seine Würde So mild getragen, blieb im großen Amt So rein, daß seine Tugenden wie Engel, Posaunenzüngig, werden Rache schrein Dem tiefen Höllengreuel seines Mords Und Mitleid, nackt, ein neugebornes Kind, Reitend auf Sturm, oder Himmels Cherubim Auf unsichtbaren, luftigen Rennern blasen Die Schreckenstat in jedes Aug, bis Tränen Den Wind ertränken. Keinen Sporn hab ich, Die Flanken meines Plans zu stacheln, nur den Kunstreiter Ehrgeiz, der sich überspringt Und auf den andern fällt.

(Lady Macbeth tritt auf.)

Nun, was denn gibts?

LADY MACBETH Er hat fast abgespeist. Warum hast du den Saal verlassen?

MACBETH Hat er Nach mir gefragt?

LADY MACBETH Weißt du nicht, daß ers tat?

MACBETH Wir wolln nicht weiter gehn in dieser Sache; Er hat mich jüngst belohnt, und goldne Achtung Hab ich von Leuten aller Art gekauft, Die will getragen sein im neusten Glanz, Und nicht so plötzlich weggeworfen.

LADY MACBETH War Die Hoffnung trunken, worin du dich hülltest? Schlief sie seitdem, und ist sie nun erwacht, So bleich und krank das anzuschaun, was sie So fröhlich tat? Von jetzt an denke ich Von deiner Liebe so. Bist du zu feige, Derselbe Mann zu sein in Tat und Mut, Der du in Wünschen bist? Möchtst du erlangen, Was du den Schmuck des Lebens schätzen mußt, Und Memme sein in deiner eignen Schätzung? Muß dir „Ich fürchte“ folgen dem „Ich möchte“, Der armen Katz im Sprichwort gleich?

MACBETH Sei ruhig! Ich wage alles, was dem Menschen ziemt; Wer mehr wagt, der ist keiner.

LADY MACBETH Welch ein Tier Hieß dich von deinem Vorsatz mit mir reden? Als du es wagtest, da warst du ein Mann; Und mehr sein, als du warst, das machte dich Nur um so mehr zum Mann. Nicht Zeit, nicht Ort Traf damals zu, du wolltest beide machen; Sie machen selbst sich, und ihr hurtger Dienst Macht dich zu nichts. Ich hab gesäugt und weiß, Süß ists, das Kind zu lieben, das ich tränke; Ich hätt, indem es mir entgegenlächelt‘, Die Brust gerissen aus den weichen Kiefern Und ihm den Kopf geschmettert an die Wand, Hätt ichs geschworen, wie du dieses schwurst.

MACBETH Wenns uns mißlänge–

LADY MACBETH Uns mißlingen!– Schraub deinen Mut nur bis zum höchsten Grad, Und es mißlingt uns nicht. Wenn Duncan schläft, Wozu so mehr des Tages starke Reise Ihn einlädt–seine beiden Kämmerlinge Will ich mit würzgem Weine so betäuben, Daß des Gehirnes Wächter, das Gedächtnis, Ein Dunst sein wird, und der Vernunft Behältnis Ein Dampfhelm nur–wenn nun im viehischen Schlaf Ertränkt ihr Dasein liegt, so wie im Tode, Was können du und ich dann nicht vollbringen Am unbewachten Duncan? Was nicht schieben Auf die berauschten Diener, die die Schuld trifft Des großen Mords?

MACBETH Gebär mir Söhne nur! Aus deinem unbezwungenen Stoffe können Nur Männer sprossen. Wird man es nicht glauben, Wenn wir mit Blut die zwei Schlaftrunknen färben, Die Kämmerling, und ihre Dolche brauchen, Daß sie’s getan?

LADY MACBETH Wer darf was anders glauben, Wenn unsers Grames lauter Schrei ertönt Bei seinem Tode?

MACBETH Ich bin fest; gespannt Zu dieser Schreckenstat ist jeder Nerv. Komm, täuschen wir mit heiterm Blick die Stunde: Birg, falscher Schein, des falschen Herzens Kunde!

(Sie gehn ab.)

ZWEITER AKT

ERSTE SZENE

(Daselbst, Schloßhof)

(Es treten auf Banquo, Fleance, [ein Diener] mit einer Fackel voran.)

BANQUO Wie spät, mein Sohn?

FLEANCE Der Mond ging unter, schlagen hört ichs nicht.

BANQUO Um zwölf Uhr geht er unter.

FLEANCE ’s ist wohl später.

BANQUO Da, nimm mein Schwert!–’s ist Sparsamkeit im Himmel, Aus taten sie die Kerzen.–Nimm das auch! Ein schwerer Schlaftrieb liegt wie Blei auf mir, Und doch möcht ich nicht schlafen. Gnädge Mächte! Hemmt in mir böses Denken, dem Natur Im Schlummer Raum gibt.–Gib mein Schwert!

([Macbeth tritt auf und ein Diener mit einer Fackel.])

Wer da?

(Macbeth tritt auf und ein Diener mit einer Fackel.)

MACBETH Ein Freund.

BANQUO Wie, Herr, noch auf? Der König ist zu Bett. Er war ausnehmend froh und sandte noch All Euren Hausbedienten reiche Gaben; Doch Eure Frau soll dieser Demant grüßen Als seine gütge Wirtin. Höchst zufrieden Begab er sich zur Ruh.

MACBETH Unvorbereitet, Ward nur des Mangels Diener unser Wille, Der sonst sich frei enthüllt‘.

BANQUO Alles war gut.– Mir träumte jüngst von den drei Zauberschwestern: Euch haben sie was Wahres doch gesagt.

MACBETH Ich denke nicht an sie; Doch ließe sich gelegne Stunde finden, So sprächen wir wohl einiges in der Sache, Gewährtet Ihr die Zeit.

BANQUO Wie’s Euch beliebt.

MACBETH Schließt Ihr Euch meinem Sinn an–wenn es ist, Wirds Ehr Euch bringen.

BANQUO Büß ich sie nicht ein, Indem ich sie zu mehren streb, und bleibt Mein Busen frei und meine Lehnspflicht rein, Gern nehm ich Rat an.

MACBETH Gute Nacht indes!

BANQUO Dank, Herr, Euch ebenfalls!

(Banquo, Fleance [und Diener] ab.)

MACBETH Sag deiner Herrin, wenn mein Trank bereit, Soll sie die Glocke ziehn. Geh du zu Bett!

(Der Diener geht ab.)

Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke, Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen!– Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer. Bist du, Unglücksgebild, so fühlbar nicht Der Hand, gleich wie dem Aug? Oder bist du nur Ein Dolch der Einbildung, ein nichtig Blendwerk, Das aus dem heiß gequälten Hirn erwächst? Ich seh dich noch, so greifbar von Gestalt Wie der, den jetzt ich zücke. Du gehst mir vor den Weg, den ich will schreiten, Und eben solche Waffe wollt ich brauchen. Mein Auge ward der Narr der andern Sinne, Oder mehr als alle wert.–Ich seh dich stets, Und dir an Griff und Klinge Tropfen Bluts, Was erst nicht war.–Es ist nicht wirklich da: Es ist die blutige Arbeit, die mein Auge So in die Lehr nimmt.–Auf der halben Erde Scheint tot Natur jetzt, den verhangnen Schlaf Quälen Versucherträume; Hexenkunst Begeht den Dienst der bleichen Hekate, Und dürrer Mord schreitet gespenstisch nun, Durch seine Schildwacht aufgeschreckt, den Wolf, Der ihm das Wachtwort heult, so diebschen Schrittes, Wie wild entbrannt Tarquin, dem Ziel entgegen. Du sichere und festgefugte Erde, Hör meine Schritte nicht, wo sie auch wandeln, Daß nicht ausschwatzen selber deine Steine Mein Wohinaus, und von der Stunde nehmen Den jetzgen stummen Graus, der so ihr ziemt. Hier droh ich, er lebt dort; Für heiße Tat zu kalt das müßge Wort!

(Die Glocke wird angeschlagen.)

Ich geh, und ’s ist getan; die Glocke mahnt. Hör sie nicht, Duncan, ’s ist ein Grabgeläut, Das dich zu Himmel oder Höll entbeut.

(Ab. [Er steigt hinauf.)

ZWEITE SZENE

(Daselbst])

(Lady Macbeth tritt unten auf.)

LADY MACBETH Was sie betäubte, hat mich stark gemacht, Und was sie dämpft‘, hat mich entflammt.–Still, horch!– Die Eule wars, die schrie, der Unheilsbote, Der gräßlich gute Nacht wünscht.–Er ist dran: Die Türen sind geöffnet, schnarchend spotten Die überladnen Diener ihres Amts; Ich würzte ihren Schlaftrunk, daß Natur Und Tod sich streiten, wem sie angehören.

MACBETH (hinter der Bühne. [der oben erscheint.]) Wer ist da? He!

([Er geht wieder hinein.])

LADY MACBETH O weh, ich fürchte, sie sind aufgewacht Und nichts geschehn. Der Anschlag, nicht die Tat Verdirbt uns–Horch! Ich legt ihm ihre Dolche Bereit, die mußt er finden.–Hätt er nicht Geglichen meinem Vater, wie er schlief, So hätt ichs selbst getan.–Oh, mein Gemahl!

(Macbeth tritt auf.)

MACBETH Ich hab die Tat getan.–Hörtst du nicht was?

LADY MACBETH Die Eule hört ich schrein, und Heimchen zirpen. Sprachst du nichts?

MACBETH Wann?

LADY MACBETH Jetzt.

MACBETH Wie ich ‚runter kam?

LADY MACBETH Ja.

MACBETH Horch! Wer schläft im zweiten Zimmer?

LADY MACBETH Donalbain.

MACBETH Erbärmlich sieht das aus!

(Betrachtet seine Hände.)

LADY MACBETH Wie wunderlich, Erbärmlich das zu nennen!

MACBETH Der eine lacht‘ im Schlaf–und Mord! schrie einer, Daß sie einander weckten; ich stand und hört es: Sie aber sprachen ihr Gebet und legten Zum Schlaf sich wieder.

LADY MACBETH Dort wohnen zwei beisammen.

MACBETH Der schrie: Gott sei uns gnädig!, jener: Amen! Als sähn sie mich mit diesen Henkershänden. Behorchend ihre Angst konnt ich nicht sagen Amen, als jener sprach: Gott sei uns gnädig!

LADY MACBETH Denk nicht so tief darüber!

MACBETH Doch warum Könnt ich nicht Amen sprechen? War mir doch Die Gnad am meisten not, und Amen stockte Mir in der Kehle.

LADY MACBETH Dieser Taten muß Man so nicht denken; so macht es uns toll.

MACBETH Mir war, als rief es: Schlaft nicht mehr, Macbeth Mordet den Schlaf!–Ihn, den unschuldgen Schlaf; Schlaf, der des Grams verworrn Gespinst entwirrt, Den Tod von jedem Lebenstag, das Bad Der wunden Müh, den Balsam kranker Seelen, Den zweiten Gang im Gastmahl der Natur, Das nährendste Gericht beim Fest des Lebens.

LADY MACBETH Was meinst du?

MACBETH Stets rief es: Schlaft nicht mehr! durchs ganze Haus, Glamis erschlug den Schlaf, und drum wird Cawdor Nicht schlafen mehr, Macbeth nicht schlafen mehr!

LADY MACBETH Wer war es, der so rief? Mein würdger Than, Du läßt den edeln Mut erschlaffen, denkst du So hirnkrank drüber nach. Nimm etwas Wasser Und wasch von deiner Hand das garstge Zeugnis.– Was brachtest du die Dolche mit herunter? Dort liegen müssen sie; geh, bring sie hin Und färb mit Blut die Kämmrer, wie sie schlafen.

MACBETH Ich gehe nicht mehr hin, ich bin entsetzt, Denk ich, was ich getan! Es wieder schaun– Ich wag es nicht!

LADY MACBETH O schwache Willenskraft! Gib mir die Dolche! Schlafende und Tote Sind Bilder nur; der Kindheit Aug allein Scheut den gemalten Teufel. Wenn er blutet, Färb ich damit den Dienern die Gesichter, Denn ihre Schuld solls scheinen.

(Sie geht ab. Man hört klopfen.)

MACBETH Woher klopft es? Wie ists mit mir, daß jeder Ton mich schreckt? Was sind das hier für Hände? Ha, sie reißen Mir meine Augen aus. Kann wohl des großen Meergotts Ozean Dies Blut von meiner Hand rein waschen? Nein; Weit ehr kann diese meine Hand mit Purpur Die unermeßlichen Gewässer färben Und Grün in Rot verwandeln.

(Lady Macbeth kommt zurück.)

LADY MACBETH Meine Hände Sind blutig wie die deinen; doch ich schäme Mich, daß mein Herz so weiß ist.

(Es wird geklopft.)

Klopfen hör ich Am Südtor.–Eilen wir in unsre Kammer; Ein wenig Wasser spült von uns die Tat; Wie leicht dann ist sie!–Deine Festigkeit Verließ dich ganz und gar.

(Es wird geklopft.)

Horch, wieder Klopfen! Tu an dein Nachtkleid; müssen wir uns zeigen, Daß man nicht sieht, wir wachten!–Verlier dich nicht So ärmlich in Gedanken.

MACBETH Meine Tat Zu wissen! Besser von mir selbst nichts wissen!

(Es wird geklopft.)

Klopf Duncan aus dem Schlaf! O könntest du’s!

(Sie gehn ab.)

DRITTE SZENE

(Daselbst)

(Der Pförtner kommt; es wird geklopft.)

PFÖRTNER Das ist ein Klopfen! Wahrhaftig, wenn einer Höllenpförtner wäre, da hätte er was zu schließen.

(Klopfen.)

Poch, poch, poch: Wer da, in Beelzebubs Namen? Ein Pachter, der sich in Erwartung einer reichen Ernte aufhängte. Zur rechten Zeit gekommen; habt ihr auch Schnupftücher genug bei euch? Denn hier werdet ihr dafür schwitzen müssen!–

(Klopfen.)

Poch, poch: Wer da, in des andern Teufels Namen? Mein Treu, ein Zweideutler, der in beide Schalen gegen jede Schale schwören konnte, der um Gottes willen Verrätereien genug beging und sich doch nicht zum Himmel hinein zweideuteln konnte. Herein, Zweideutler!–

(Klopfen.)

Poch, poch, poch: Wer da? Mein Treu, ein englischer Schneider, hier angekommen, weil er etwas aus einer französischen Hose gestohlen. Herein, Schneider; hier kannst du deine Bügelgans braten.

(Klopfen.)

Poch, poch–Keine Ruhe! Wer seid ihr? Aber hier ist es zu kalt für die Hölle; ich mag nicht länger Teufelspförtner sein. Ich dachte, ich wollte von jedem Gewerbe einige hereinlassen, die den breiten Rosenpfad zum ewigen Freudenfeuer wandeln.–

(Klopfen.)

Gleich, gleich! Ich bitt euch, bedenkt doch, daß der Pförtner auch ein Mensch ist.

(Er öffnet das Tor: Macduff und Lenox kommen herein.)

MACDUFF Kamst du so spät zu Bett, Freund, daß du nun so spät aufstehst?

PFÖRTNER Mein Seel, Herr, wir zechten, bis der zweite Hahn krähte; und der Trunk ist ein großer Beförderer von drei Dingen.

MACDUFF Was sind denn das für drei Dinge, die der Trunk vorzüglich befördert?

PFÖRTNER Ei, Herr, rote Nasen, Schlaf und Urin. Buhlerei befördert und dämpft er zugleich; er befördert das Verlangen und dämpft das Tun. Darum kann man sagen, daß vieles Trinken ein Zweideutler gegen die Buhlerei ist: es schafft sie und vernichtet sie, treibt sie an und hält sie zurück, macht ihr Mut und schreckt sie ab, heißt sie sich brav halten und nicht brav halten, zweideutelt sie zuletzt in Schlaf, straft sie Lügen und geht davon.

MACDUFF Ich glaube, der Trunk strafte dich die Nacht Lügen.

PFÖRTNER Ja, Herr, das tat er, in meinen Hals hinein; aber ich vergalt ihm seine Lügen, und ich denke, ich war ihm doch zu stark: denn obgleich er mir die Beine ein paarmal unten wegzog, so fand ich doch einen Kniff, ihn hinauszuschmeißen.

MACDUFF Ist dein Herr schon aufgestanden? Geweckt hat unser Klopfen ihn; hier kommt er.

(Macbeth tritt auf.)

LENOX Guten Morgen, edler Herr!

MACBETH Guten Morgen, beide!

MACDUFF Wacht schon der König, würdger Than?

MACBETH Noch nicht.

MACDUFF Mir gab er den Befehl, ihn früh zu wecken; Die Zeit versäumt ich fast.

MACBETH Ich führ Euch hin.

MACDUFF Ich weiß, es ist ’ne Müh, die Euch erfreut; Doch es ist eine Müh.

MACBETH Die Arbeit, die uns freut, wird zum Ergötzen. Hier ist die Tür.

MACDUFF Ich wag es, ihn zu wecken, Denn das ward mir befohlen.

(Er geht ab.)

LENOX Reist der König Heut ab?

MACBETH So ists, er hat es so bestimmt.

LENOX Die Nacht war stürmisch; wo wir schliefen, riß es Den Schlot herab, und wie man sagt, erscholl Ein Wimmern in der Luft, ein Todesstöhnen, Ein Prophezein in fürchterlichem Laut Von wildem Brand und gräßlichen Geschichten, Neu ausgebrütet einer Zeit des Leidens. Der dunkle Vogel schrie die ganze Nacht. Man sagt, die Erde bebte fieberkrank.

MACBETH Es war ’ne rauhe Nacht.

LENOX Mein jugendlich Gedächtnis sucht umsonst Nach ihresgleichen.

(Macduff kommt [von oben herunter] zurück.)

MACDUFF O Grausen, Grausen, Grausen! Zung und Herz Faßt es nicht, nennt es nicht!

MACBETH und LENOX Was ist geschehn?

MACDUFF Jetzt hat die Höll ihr Meisterstück gemacht! Der kirchenräuberische Mord brach auf Des Herrn geweihten Tempel und stahl weg Das Leben aus dem Heiligtum.

MACBETH Was sagt Ihr? Das Leben?

LENOX Meint Ihr Seine Majestät?

MACDUFF Geht ein zur Kammer und zerstört die Sehkraft Durch eine neue Gorgo! Laßt mich schweigen; Seht, und dann redet selbst!

(Macbeth und Lenox gehen ab.)

Erwacht, erwacht!

([Macbeth und Lenox gehen ab.])

Die Sturmglock angeschlagen! Mord! Verrat! Banquo und Donalbain! Malcolm! Erwacht! Werft ab den flaumgen Schlaf, des Todes Abbild, Und seht ihn selbst, den Tod! Auf, auf, und schaut Des Weltgerichtes Vorspiel! Malcolm! Banquo! Steigt wie aus eurem Grab, wie Geister schreitet, Als Graungefolge diesen Mord zu schaun!

[Die Glocken stürmt!]

(Die Lärmglocke läutet. Lady Macbeth tritt auf.)

LADY MACBETH Was ist denn vorgefallen, Daß solche schreckliche Trompete ruft Zum Rat die Schläfer dieses Hauses? Sprecht!

MACDUFF O zarte Frau, Ihr dürft nicht hören, was ich sagen könnte. Vor eines Weibes Ohr es nennen, wäre Ein Mord, wie Ihrs vernähmt.

(Banquo tritt auf.)

O Banquo, Banquo! Der König, unser Herr, ermordet!

LADY MACBETH Wehe! In unserm Haus?

BANQUO Zu grausam, wo auch immer!– O lieber Macduff, widersprich dir selber Und sag, es sei nicht so.

(Macbeth und Lenox kommen mit Rosse zurück.)

MACBETH War ich gestorben, eine Stunde nur, Eh dies geschah, gesegnet war mein Dasein! Von jetzt gibt es nichts Ernstes mehr im Leben; Alles ist Tand, gestorben Ruhm und Gnade! Der Lebenswein ist ausgeschenkt, nur Hefe Blieb noch zu prahlen dem Gewölbe.

(Malcolm und Donalbain treten auf.)

DONALBAIN Wem Geschah ein Leid?

MACBETH Euch selbst, und wißt es nicht: Der Born, der Ursprung Eures Blutes ist Versiegt, die Lebensquelle selbst versiegt.

MACDUFF Eur königlicher Vater ist ermordet.

MALCOLM Ha! Von wem?

LENOX Die Kämmerlinge, scheint es, sind die Täter; Denn Händ und Antlitz trugen blutge Zeichen, Auch ihre Dolche, die unabgewischt Auf ihren Polstern lagen. Wie im Wahnsinn, So starrt‘ ihr Auge, und es war gefährlich, Nur ihnen nah zu kommen.

MACBETH Oh, jetzt bereu ich meine Wut, daß ich Sie niederstieß.

MACDUFF Warum habt Ihrs getan?

MACBETH Wer ist weis‘ und entsetzt, gefaßt und wütig, Pflichttreu und kalt in einem Augenblick? Kein Mensch. Die Raschheit meiner heftgen Liebe Lief schneller als die zögernde Vernunft. Duncan lag hier, die Silberhaut verbrämt Mit seinem goldnen Blut; die offnen Wunden, Sie waren wie ein Riß in der Natur, Eingang verheernden Unheils; dort die Mörder, Getaucht in ihres Handwerks Farb, die Dolche Abscheulich von geronnenem Blute schwarz. Wer konnte sich da zügeln, der ein Herz Voll Liebe hatt und in dem Herzen Mut, Die Liebe zu beweisen?

LADY MACBETH Helft mir fort!

MACDUFF Seht nach der Lady!

MALCOLM Weshalb schweigen wir, Da unser Anspruch an dies Weh der nächste?

DONALBAIN Was solln wir sprechen, hier, wo unser Schicksal Herstürzen kann aus irgendeinem Winkel, Uns zu ergreifen? Fort, denn unsre Tränen Sind noch nicht reif.

MALCOLM Noch unser heftger Gram Zu handeln schon bereit.

BANQUO Seht nach der Lady!

(Lady Macbeth wird fortgeführt.)

Und haben wir verhüllt erst unsre Blößen, Die so zu zeigen unschicklich, so treffen Wir uns, der blutgen Untat nachzuforschen Bis auf den Grund. Uns schütteln Furcht und Zweifel; Ich steh in Gottes großer Hand, und so Kämpf ich der ungesprochnen Anmutung Bösen Verrats entgegen.

MACDUFF So auch ich.

ALLE Wir alle.

MACBETH Wir wolln uns vollends anziehn und bald wieder Uns in der Halle treffen.

ALLE Wohl, so sei’s!

(Malcolm und Donalbain bleiben; die übrigen gehn ab.)

MALCOLM Was tust du? Laß uns nicht zu ihnen halten. Erlognen Schmerz zu zeigen, ist ’ne Kunst, Die leicht dem Falschen wird. Ich geh nach England.

DONALBAIN Nach Irland ich; unser getrenntes Glück Verwahrt uns besser. Wo wir sind, drohn Dolche In jedes Lächeln, und je blutsverwandter, So mehr verwandt dem Tode.

MALCOLM Der mörderische Pfeil ist abgeschossen Und fliegt noch; Sicherheit ist nur für uns, Vermeiden wir das Ziel. Drum schnell zu Pferde, Und zaudern wir nicht, jene noch zu grüßen, Nein, heimlich fort! Nicht strafbar ist der Dieb, Der selbst sich stiehlt, wo keine Gnad ihm blieb.

(Sie gehn ab.)

VIERTE SZENE

(Daselbst. Vor dem Schloß)

(Rosse tritt auf mit einem alten Mann.)

ALTER Auf siebzig Jahr kann ich mich gut erinnern; In diesem Zeitraum sah ich Schreckenstage Und wunderbare Ding; doch diese böse Nacht Macht alles Vorge klein.

ROSSE O guter Vater, Der Himmel, sieh, als zürn er Menschentaten, Droht dieser blutgen Bühn. Die Uhr zeigt Tag, Doch dunkle Nacht erstickt die Wanderlampe. Ists Sieg der Nacht, ist es die Scham des Tages, Daß Finsternis der Erd Antlitz begräbt, Wenn lebend Licht es küssen sollte?

ALTER Unnatürlich, Wie die geschehne Tat. Am letzten Dienstag Sah ich, wie stolzen Flugs ein Falke schwebte Und eine Eul ihm nachjagt‘ und ihn würgte.

ROSSE Und Duncans Rosse, seltsam ists, doch sicher, So rasch und schön, die Kleinod‘ ihres Bluts, Brachen, verwildert ganz, aus ihren Ställen Und stürzten fort, sich sträubend dem Gehorsam, Als wollten Krieg sie mit den Menschen führen.

ALTER Man sagt, daß sie einander fraßen.

ROSSE Ja; Entsetzlich wars, ich hab es selbst gesehn. Da kommt der edle Macduff–

(Macduff tritt auf.)

Nun, Herr, wie geht die Welt?

MACDUFF Ei, seht Ihrs nicht?

ROSSE Weiß man, wer tat die mehr als blutge Tat?

MACDUFF Jene, die Macbeth tötete.

ROSSE O Jammer! Was hofften sie davon?

MACDUFF Sie warn gedungen. Malcolm und Donalbain, des Königs Söhne, Sind heimlich fort, entflohn; dies wälzt auf sie Der Tat Verdacht.

ROSSE Stets gegen die Natur! Verschwenderischer Ehrgeiz, so verschlingst du Des eignen Lebens Unterhalt!–So wird Die Königswürde wohl an Macbeth fallen?

MACDUFF Er ist ernannt schon und zu seiner Krönung Nach Scone gegangen.

ROSSE Wo ist Duncans Leichnam?

MACDUFF Nach Colmes-Kill führt man ihn zur heilgen Gruft, Wo die Gebeine seiner Ahnen alle Versammelt ruhn.

ROSSE Geht Ihr nach Scone?

MACDUFF Nein, Vetter, Ich geh nach Fife.

ROSSE So will ich hin.

MACDUFF Lebt wohl! Mag alles so geschehn, daß wir nicht sagen: Bequemer war der alte Rock zu tragen!

([Er geht ab.])

ROSSE Vater, lebt wohl!

ALTER Gott segne Euch und den, der redlich denkt; Unheil zum Heil, Zwietracht zum Frieden lenkt!

(Sie gehen ab.)

DRITTER AKT

ERSTE SZENE

(Fores, Saal im Schlosse)

(Banquo tritt auf.)

BANQUO Du hasts nun, König, Cawdor, Glamis, alles, Wie’s angezeigt die Zauberfraun–ich fürchte, Du spieltest schändlich drum. Doch ward gesagt, Es solle nicht bei deinem Stamme bleiben; Ich aber sollte Wurzel sein und Vater Von vielen Köngen. Kommt von ihnen Wahrheit, Wie, Macbeth, ihre Wort an dich bestätgen, Warum, bei der Erfüllung, die dir ward, Solln sie nicht mein Orakel gleichfalls sein Und meine Hoffnung kräftgen? Still, nichts weiter.

(Trompeten, es treten auf Macbeth als König und Lady Macbeth als Königin; Lenox, Rosse, Lords, Ladies und Gefolge.)

MACBETH Hier unser höchster Gast.

LADY MACBETH Ward er vergessen, Wars wie ein Riß in unserm großen Fest Und alles ungeziemend.

MACBETH Herr, wir halten Ein feierliches Mahl heut abend, und Ich bitt um Eure Gegenwart.

BANQUO Eur Hoheit Hat zu befehlen; unauflöslich bleibt Für immer meine Pflicht an Euch gebunden.

MACBETH Verreist Ihr noch den Nachmittag?

BANQUO Ja, Herr.

MACBETH So hätten wir wohl Euren Rat gewünscht, Der stets voll Einsicht und ersprießlich war, Im Staatsrat heut; doch gönnt ihn morgen uns. Geht Eure Reise weit?

BANQUO So weit, mein König, Daß sie die Zeit von jetzt bis Abend ausfüllt; Hält nicht mein Pferd sich gut, so muß ich wohl Noch von der Nacht ’ne dunkle Stunde borgen.

MACBETH Fehlt nicht bei unserm Fest!

BANQUO Mein Fürst, ich komme.

MACBETH Wir hören, unsre blutgen Vettern weilen In England und in Irland; nicht bekennend Den grausen Vatermord, mit seltnen Märchen Die Hörer täuschend. Doch das sei für morgen, Da außerdem das Staatsgeschäft uns alle Zusammenruft. Säumt länger nicht: lebt wohl, Bis wir zu Nacht uns sehn. Geht Fleance mit Euch?

BANQUO Ja, teurer Herr; die Zeit mahnt uns zur Eil.

MACBETH Den Rossen wünsch ich schnellen, sichern Lauf; Besteigt sie alsobald und reiset glücklich!–

(Banquo geht ab.)

Ein jeder sei nun Herr von seinen Stunden Bis sieben Uhr; uns die Geselligkeit Zu würzen, sind wir bis zum Abendessen Mit uns allein. Bis dahin Gott befohlen!

([Alle gehen ab; Macbeth bleibt.] Lady Macbeth, Lords, Ladies und Gefolge ab.)

Du da, ein Wort: sind jene Männer hier?

([Der Diener tritt ein.])

DIENER Sie harren vor dem Schloßtor, mein Gebieter.

MACBETH Führ sie Uns vor!–

(Diener geht ab.)

Das so zu sein, ist nichts, Doch sicher so zu sein.–In Banquo wurzelt Tief Unsre Furcht; in seinem Königssinn Herrscht was, das will gefürchtet sein. Viel wagt er, Und außer diesem unerschrocknen Geist Hat Weisheit er, die Führerin des Muts, Zum sichern Wirken. Außer ihm ist keiner, Vor dem ich zittern muß; und unter ihm Beugt sich mein Genius scheu, wie, so erzählt man, Vor Cäsar Mark Anton. Er schalt die Schwestern Gleich, als sie mir den Namen König gaben, Und hieß sie zu ihm sprechen; dann prophetisch Begrüßten sie ihn Vater vieler Könge. Mein Haupt empfing die unfruchtbare Krone; Das dürre Zepter reichten sie der Faust, Daß eine fremde Hand es mir entwinde, Kein Sohn von mir es erbe. Ist es so? Hab ich für Banquos Stamm mein Herz befleckt, Für sie erwürgt den gnadenreichen Duncan, In meinen Friedensbecher Gift gegossen Einzig für sie und mein unsterblich Kleinod Dem Erzfeind aller Menschen preisgegeben, Zu krönen sie, zu krönen Banquos Brut! Eh das geschieht, komm, Schicksal, in die Schranken Und fordre mich auf Tod und Leben!–Holla!

(Der Diener kommt mit zwei Mördern.)

Geh vor die Tür und warte, bis Wir rufen.–

(Der Diener geht ab.)

Wars gestern nicht, da wir einander sprachen?

ERSTER MÖRDER So war es, Majestät.

MACBETH Gut denn, habt ihr Nun meinen Reden nachgedacht? So wißt, Daß er es ehmals war, der euch so schwer Gedrückt, was, wie ihr wähntet, ich getan, Der völlig schuldlos. Dies bewies ich euch In unsrer Unterredung, macht‘ euch klar, Wie man euch hinterging und hemmte; nannt euch Die Werkzeug auch und wer mit ihnen wirkte, Und alles sonst, was selbst ’ner halben Seele Und blödstem Sinne zurief: Das tat Banquo!

ERSTER MÖRDER So habt Ihrs uns erklärt.

MACBETH Ich tat es und ging weiter; deshalb nun Hab ich euch wieder her beschieden. Fühlt ihr Geduld vorherrschend so in eurem Wesen, Daß ihr dies hingehn laßt? Seid ihr so fromm, Zu beten für den guten Mann und sein Geschlecht, des schwere Hand zum Grab euch beugte, Zu Bettlern machte euch und eure Kinder?

ERSTER MÖRDER Mein König, wir sind Männer.

MACBETH Ja, im Verzeichnis lauft ihr mit als Männer, Wie Jagd- und Windhund, Blendling, Wachtelhund, Spitz, Pudel, Schäferhund und Wolfshund, alle Der Name Hund benennt. Das Rangregister Scheidet dann erst den schnellen, trägen, klugen, Den Hausbewacher und den Jäger, jeden Nach seiner Eigenschaft, die ihm Natur Liebreich geschenkt, wodurch ihm wird besondre Bezeichnung aus der Schar, die alle gleich Benamt, und so ists mit dem Menschen auch. Habt ihr nun einen Platz im Rangregister, Und nicht den schlechtsten in der Mannheit, sprecht; Und solches Werk vertrau ich eurem Busen, Dessen Vollstreckung euren Feind entrafft, Herzinnig fest an Unsre Lieb euch schmiedet; Da Unser Wohlsein kränkelt, wenn er lebt, Und nur in seinem Tod gesundet.

ZWEITER MÖRDER Herr, Mit hartem Stoß und Schlag hat mich die Welt So aufgereizt, daß michs nicht kümmert, was Der Welt zum Trotz ich tu.

ERSTER MÖRDER Und ich bin einer, So matt von Elend, so zerzaust vom Unglück, Daß ich mein Leben setz auf jeden Wurf, Es zu verbessern oder loszuwerden.

MACBETH Ihr wißt es beide, Banquo war eur Feind.

[ZWEITER] BEIDE MÖRDER Gewiß, mein Fürst.

MACBETH So ist er meiner auch, Und in so blutger Näh, daß jeder Pulsschlag Von ihm nach meinem Herzensleben zielt. Und wenngleich meine Macht mit offnem Antlitz Ihn löschen könnt aus meinem Blick und frei Mein Wort die Tat gestehn; doch darf ichs nicht, Um manchen, der mir Freund ist so wie ihm, Des Lieb ich nicht kann missen; seinen Fall Muß ich beklagen, den ich selbst erschlug; Und darum sprech ich euch um Beistand an, Dem Pöbelauge das Geschäft verlarvend Aus manchen wichtgen Gründen.

ZWEITER MÖRDER Wir vollziehn, Was Ihr befehlt.

ERSTER MÖRDER Wenn unser Leben auch–

MACBETH Aus euren Augen leuchtet euer Mut. In dieser Stunde spätstens meld ich euch, Wo ihr euch stellt, bericht euch aufs genauste Den Augenblick; denn heut nacht muß es sein, Und etwas ab vom Schloß–stets dran gedacht, Daß ich muß rein erscheinen! Und mit ihm, Um nichts nur halb und obenhin zu tun, Muß Fleance, sein Sohn, der ihm Gesellschaft leistet, Des Wegsein mir nicht minder wichtig ist Als seines Vaters, das Geschick mit ihm Der dunkeln Stunde teilen. Entschließt euch nun für euch; gleich komm ich wieder.

[ZWEITER] BEIDE MÖRDER Wir sind entschlossen, Herr.

MACBETH So ruf ich euch Alsbald; verweilt da drin!

(Die Mörder ab.)

Es ist entschieden. Denkst, Banquo, du den Himmel zu gewinnen, Muß deine Seel heut nacht den Flug beginnen.

(Alle ab.)

ZWEITE SZENE

(Daselbst, ein anderes Zimmer)

(Lady Macbeth tritt auf mit einem Diener.)

LADY MACBETH Ist Banquo fort vom Hof?

DIENER Ja, Herrin, doch er kommt zurück heut abend.

LADY MACBETH Dem König meld, ich lasse ihn ersuchen Um wenge Augenblicke.

DIENER Ich gehorche.

(Er geht ab.)

LADY MACBETH Nichts ist gewonnen, alles ist dahin, Stehn wir am Ziel mit unzufriednem Sinn: Viel sichrer, das zu sein, was wir zerstört, Als daß Zerstörung schwankend Glück gewährt.

(Macbeth tritt auf.)

Nun, teurer Freund, was bist du so allein Und wählst nur trübe Bilder zu Gefährten? Gedanken hegend, die doch tot sein sollten, Wie jen‘, an die sie denken. Was unheilbar, Vergessen sei’s! Geschehn ist, was geschehn.

MACBETH Verwundet ward die Schlange, nicht getötet; Sie heilt und bleibt dieselb, indes ihr Zahn Wie sonst gefährdet unsre arme Bosheit. Doch ehe soll der Dinge Bau zertrümmern, Die beiden Welten schaudern, eh wir länger In Angst verzehren unser Mahl und schlafen In der Bedrängnis solcher grausen Träume, Die uns allnächtlich schütteln. Lieber bei Dem Toten sein, den, Frieden uns zu schaffen, Zum Frieden wir gesandt, als auf der Folter Der Seel in ruheloser Qual zu zucken. Duncan ging in sein Grab, Sanft schläft er nach des Lebens Fieberschauern. Sein Ärgstes tat Verrat: nicht Gift noch Dolch, Einheimsche Bosheit, fremder Anfall, nichts Kann ferner ihn berühren.

LADY MACBETH O laß gut sein, Mein liebster Mann, nun glätte deine Miene, Sei froh und munter heut mit deinen Gästen!

MACBETH Das will ich, Liebe, und sei’s bitte auch! Vor allem wend auf Banquo deine Sorgfalt Und schenk ihm Auszeichnung mit Wort und Blick. Unsicher noch sind wir genötigt, so Zu baden unsre Würd in Schmeichelströmen; Daß unser Antlitz Larve wird des Herzens, Verbergend, was es ist.

LADY MACBETH Du mußt das lassen!

MACBETH Oh, von Skorpionen voll ist mein Gemüt! Du weißt, Geliebte, Banquo lebt und Fleance.

LADY MACBETH Doch gilt nicht ewig ihres Lebens Lehnsbrief.

MACBETH Ja, das ist Trost: man kann noch an sie kommen; Drum sei du fröhlich! Eh die Fledermaus Geendet ihren klösterlichen Flug, Eh, auf den Ruf der dunkeln Hekate, Der hornbeschwingte Käfer, schläfrig summend, Die nächtge Schlummerglocke hat geläutet, Ist eine Tat geschehn furchtbarer Art.

LADY MACBETH Was hast du vor?

MACBETH Unschuldig bleibe, Kind, und wisse nichts, Bis du der Tat kannst Beifall rufen. Komm Mit deiner dunklen Binde, Nacht, verschließe Des mitleidvollen Tages zartes Auge, Streich durch mit unsichtbarer, blutger Hand Und reiß in Stücke jenen großen Lehnsbrief, Der meine Wangen bleicht!–Das Licht wird trübe, Die Kräh erhebt den Flug zum dunstigen Wald; Zum Schlaf duckt sich des Tages gute Welt, Indes schwarz Nachtzeug seine Beut anfällt. Du staunst mich an? Still!–Sündentsproßne Werke Erlangen nur durch Sünden Kraft und Stärke. So bitte, geh mit mir!

(Sie gehn ab.)

DRITTE SZENE

(Daselbst, ein Park oder Rasen mit einem Tor, das zum [beim] Schloß führt)

(Drei Mörder treten auf.)

ERSTER MÖRDER Wer aber hieß dich zu uns stoßen?

DRITTER MÖRDER Macbeth.

ZWEITER MÖRDER Man braucht ihm nicht zu mißtraun; denn er kennt Unser Geschäft, das man uns aufgetragen, Und weiß genau Bescheid.

ERSTER MÖRDER So bleib bei uns. Der West glimmt noch von schwachen Tagesstreifen, Der Reiter spornt nun eilger durch die Dämmrung, Zur Schenke noch zu kommen, und schon naht Der, den wir hier erwarten.

DRITTER MÖRDER Pferde!–Horcht!

BANQUO (hinter der Szene.) Heda, bringt Licht!

ZWEITER MÖRDER Er muß es sein; die andern, Die noch erwartet wurden, sind schon alle Im Schloß.

ERSTER MÖRDER Die Pferde machen einen Umweg.

DRITTER MÖRDER Fast eine Meile; und er geht gewöhnlich, Wie jeder tut, von hier bis an das Schloßtor Zu Fuß.

([Banquo und Fleance treten auf, ein Diener mit einer Fackel voran.])

ZWEITER MÖRDER Ein Licht!

DRITTER MÖRDER Er ist es.

ERSTER MÖRDER Macht euch dran!

(Banquo und Fleance treten mit einer Fackel auf.)

BANQUO ’s kommt Regen noch zu Nacht.

ERSTER MÖRDER So mag er fallen!

(Ersticht Banquo.)

BANQUO Weh mir! Verrat! Flieh, guter Fleance, flieh, flieh! Du kannst mein Rächer sein.–O Schurke!

(Banquo stirbt. Fleance entkommt [und der Diener fliehn].)

DRITTER MÖRDER Wer schlug das Licht aus?

ERSTER MÖRDER Wars nicht wohl getan?

DRITTER MÖRDER Nur einer liegt; der Sohn entfloh.

ZWEITER MÖRDER So ist Die beste Hälfte unsrer Müh verloren.

ERSTER MÖRDER Gut, gehn wir denn und melden, was getan.

(Sie gehn ab.)

VIERTE SZENE

(Daselbst. Prunksaal im Schloß, gedeckte Tafel)

(Es treten auf Macbeth, Lady Macbeth, Rosse, Lenox, Lords, Gefolge.)

MACBETH Ihr kennt selbst euren Rang: nehmt Platz! Willkommen Seid ein für allemal!

LORDS Dank Euer Hoheit!

MACBETH Wir wollen Uns in die Gesellschaft mischen Als aufmerksamer Wirt. Die Wirtin nahm Schon ihren Sitz; doch mit Vergünstigung Ersuchen Wir um ihren Gruß und Willkomm.

LADY MACBETH Sprich ihn für mich zu allen unsern Freunden; Denn herzlich heiß ich alle sie willkommen.

([Der erste Mörder tritt zur Seitentür ein.])

MACBETH Sieh, ihres Herzens Dank kommt dir entgegen. Gleich voll sind beide Seiten. Hier will ich Mich in die Mitte setzen.

(Der erste Mörder tritt zur Tür ein.)

Ungehemmt Sei nun die Lust; gleich soll der Becher kreisen.–

([Geht zur Tür.])

Auf deiner Stirn ist Blut.

MÖRDER So ist es Banquos.

MACBETH Viel besser draußen an dir, als in ihm drinnen! So ist er abgetan?

MÖRDER Herr, seine Kehle Ist durchgeschnitten. Das tat ich für ihn.

MACBETH Du bist der beste Kehlabschneider; doch Auch der ist gut, der das für Fleance getan; Warst du’s, so hast du deinesgleichen nicht.

MÖRDER Mein königlicher Herr, Fleance ist entwischt.

MACBETH So bin ich wieder krank; sonst wär gesund ich Und stark wie Marmor, fest wie Fels gegründet, Weit, allgemein, wie Luft und Windeshauch; Doch jetzt bin ich umschränkt, gepfercht, umpfählt, Geklemmt von niederträchtger Furcht und Zweifeln. Doch Banquo ist uns sicher?

MÖRDER Ja, teurer Herr, im Graben liegt er sicher: In seinem Kopfe zwanzig tiefe Wunden, Die kleinst ein Lebenstod.

MACBETH Nun, Dank! Da liegt Die ausgewachsne Schlange; das entflohne Gewürm ist giftig einst, nach seiner Art; Doch zahnlos jetzt.–Nun mach dich fort; auf morgen Vernehm ich mehr.

(Mörder geht ab.)

LADY MACBETH Mein königlicher Herr, Ihr seid kein heitrer Wirt. Das Fest ist feil, Wird nicht das Mahl durch Freundlichkeit gewürzt, Durch Willkomm erst geschenkt. Man speist am besten Daheim; doch auswärts macht die Höflichkeit Den Wohlgeschmack der Speisen; nüchtern wäre Gesellschaft sonst.

MACBETH Du holde Mahnerin!– Nun, auf die Eßlust folg ein gut Verdauen, Gesundheit beiden!

LENOX Gefällt es Eurer Hoheit, sich zu setzen?

(Banquos Geist kommt und setzt sich auf Macbeths Platz.)

MACBETH Beisammen wär uns hier des Landes Adel, Wenn unser Freund nicht, unser Banquo, fehlte; Doch möcht ich lieber ihn unfreundlich schelten, Als eines Unfalls wegen ihn bedauern.

LENOX Da er nicht kommt, verletzt er sein Versprechen. Gefällts Eur Majestät, uns zu beglücken, Indem Ihr Platz in unsrer Mitte nehmt?

MACBETH Die Tafel ist voll.

LENOX Hier ist ein Platz noch.

MACBETH Wo?

LENOX Hier, teurer König. Was erschreckt Eur Hoheit?

MACBETH Wer von euch tat das?

LORDS Was, mein guter Herr?

MACBETH Du kannst nicht sagen, daß ichs tat! O schüttle Nicht deine blutgen Locken gegen mich!

ROSSE Steht auf, Ihr Herrn, dem König ist nicht wohl.

LADY MACBETH Bleibt sitzen, Herrn, der König ist oft so Und wars von Jugend an–o steht nicht auf! Schnell geht vorbei der Anfall, augenblicks Ist er dann wohl. Beachtet Ihr ihn viel, So reizt Ihr ihn, und länger währt das Übel. Eßt, seht ihn gar nicht an.–Bist du ein Mann?

MACBETH Ja, und ein kühner, der das wagt zu schauen, Wovor der Teufel blaß wird.

LADY MACBETH Schönes Zeug! Das sind die wahren Bilder deiner Furcht; Das ist der luftge Dolch, der, wie du sagtest, Zu Duncan dich geführt!–Ha, dieses Zucken, Dies Starrn, Nachäffung wahren Schrecks, sie paßten Zu einem Weibermärchen am Kamin, Bestätigt von Großmütterchen.–O schäm dich! Was machst du für Gesichter, denn am Ende Schaust du nur auf ’nen Stuhl.

MACBETH Ich bitt dich, sieh, blick auf, schau an!–Was sagst du? Ha, meinethalb! Wenn du kannst nicken, sprich auch! Wenn Grab und Beingewölb uns wiederschickt, Die wir begruben, sei der Schlund der Geier Uns Totengruft!

(Der Geist geht fort.)

LADY MACBETH Was! Ganz entmannt von Torheit!

MACBETH So wahr ich leb, ich sah ihn!

LADY MACBETH O der Schmach!

MACBETH Blut ward auch sonst vergossen, schon vor alters, Eh menschlich Recht den frommen Staat verklärte, Ja, auch seitdem geschah so mancher Mord, Zu schrecklich für das Ohr: da wars doch so, Daß, war das Hirn heraus, der Mann auch starb, Und damit gut. Doch heute stehn sie auf, Mit zwanzig Todeswunden an den Köpfen, Und stoßen uns von unsern Stühlen: Das Ist wohl seltsamer noch als solch ein Mord.

LADY MACBETH Mein König, Ihr entzieht Euch Euren Freunden.

MACBETH Ha, ich vergaß! Staunt über mich nicht, meine würdgen Freunde; Ich hab ein seltsam Übel, das nichts ist Für jene, die mich kennen. Allen Wohlsein Und Lieb! Ich will mich setzen. Wein! Füllt voll!

([Der Geist kommt.])

So trink ich auf das Wohl der ganzen Tafel, Und Banquos, unsers Freunds, den wir vermissen. Wär er doch hier! Sein Wohlergehen wie aller Trink ich: Ihm, Euch!

LORDS Wir danken pflichtergeben.

(Der Geist erscheint wieder.)

MACBETH Aus meinen Augen!–Weg!–Die Erd verberg dich! Marklos ist dein Gebein, dein Blut ist kalt, Du hast kein Anschaun mehr in diesen Augen, Mit denen du so stierst.

LADY MACBETH Nehmt dies, Ihr Herrn, Als was Alltägliches, nichts weiter ists; Nur daß es uns des Abends Lust verdirbt.

MACBETH Was einer wagt, wag ich! Komm du mir nah als zottger russischer Bär, Geharnischt Nashorn, Tiger aus Hyrkanien, Nimm jegliche Gestalt, nur diese nicht– Nie werden meine festen Nerven beben. Oder sei lebend wieder, fordre mich In eine Wüst aufs Schwert; verkriech ich mich Dann zitternd, ruf mich aus als Dirnenpuppe! Hinweg, gräßlicher Schatten, Unkörperliches Blendwerk, fort!

(Geist entweicht.)

Ha, so! Du nicht mehr da, nun bin ich wieder Mann.– Ich bitte, steht nicht auf!

LADY MACBETH Ihr habt die Lust Verscheucht und die Geselligkeit gestört Durch höchst fremdartge Grillen.

MACBETH Kann solch Wesen An uns vorüberziehn wie Sommerwolken, Ohn unser mächtig Staunen? Ihr entfremdet Mich meinem eignen Selbst, bedenk ich jetzt, Daß ihr anschaut Gesichte solcher Art, Und doch die Röte eurer Wangen bleibt, Wenn Schreck die meinen bleicht.

ROSSE Was für Gesichte?

LADY MACBETH Ich bitt Euch, sprecht nicht; er wird schlimm und schlimmer; Fragen bringt ihn in Wut. Gut Nacht mit eins! Beim Weggehn haltet nicht auf Euern Rang, Geht all zugleich!

LENOX Wir wünschen Eurer Hoheit Gut Nacht und beßres Wohl.

LADY MACBETH Gut Nacht Euch allen!

(Alle Lords nebst Gefolge gehn ab.)

MACBETH Es fordert Blut, sagt man; Blut fordert Blut. Man sah, daß Fels sich regt‘ und Bäume sprachen, Auguren haben durch Geheimnis-Deutung Von Elstern, Krähn und Dohlen ausgefunden Den tief verborgnen Mörder.–Wie weit ist die Nacht?

LADY MACBETH Im Kampf fast mit dem Tag, ob Nacht, ob Tag.

MACBETH Was sagst du, daß Macduff zu kommen weigert Auf unsre Ladung?

LADY MACBETH Sandtest du nach ihm?

MACBETH Ich hörts von ungefähr; doch will ich senden. Kein einzger, in des Haus mir nicht bezahlt Ein Diener lebte. Morgen will ich hin Und in der Frühe zu den Zauberschwestern; Sie sollen mehr mir sagen, denn gespannt Bin ich, das Schlimmst auf schlimmstem Weg zu wissen. Zu meinem Vorteil muß sich alles fügen; Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen, Daß, wollt ich nun im Waten stillestehn, Rückkehr so schwierig war als durchzugehn. Seltsames glüht im Kopf, es will zur Hand Und muß getan sein, eh noch recht erkannt.

LADY MACBETH Dir fehlt die Würze aller Wesen, Schlaf.

MACBETH Zu Bett!–Daß selbstgeschaffnes Graun mich quält, Ist Furcht des Neulings, dem die Übung fehlt. Wahrlich, wir sind zu jung nur.

(Sie gehen ab.)

FÜNFTE SZENE

(Die Heide, Donner)

(Hekate kommt, die drei Hexen ihr entgegen.)

ERSTE HEXE Was gibt es, Hekate, warum so zornig?

HEKATE Ihr garstgen Vetteln, hab ich denn nicht recht? Da ihr euch, dreist und unverschämt, erfrecht Und treibt mit Macbeth euren Spuk, In Rätselkram, in Mord und Trug? Und ich, die Meistrin eurer Kraft, Die alles Unheil wirkt und schafft, Mich bat man nicht um meine Gunst, Zu Ehr und Vorteil unsrer Kunst? Und, schlimmer noch: was ihr getan, Nützt nur dem eigensinnigen Mann, Voll Tück und Grimm. Wie alle Welt Ers nur mit sich, mit euch nicht hält. Das bessert nun! Macht euch davon, Und an dem Pfuhl des Acheron Trefft morgen früh mich! Er kommt hin, Zu hören seines Schicksals Sinn. Mit Hexenspuk und Sprüchen seid Und jedem Zauberkram bereit. Ich muß zur Luft hinauf; die Nacht Wird auf ein Unheilswerk verbracht; Groß Werk vor Mittag werden soll. Ein Tropfen, giftger Dünste voll, An einem Horn des Mondes blinkt, Den fang ich, eh er niedersinkt; Der, destilliert mit Zauberflüchen, Ruft Geister, die mit listgen Sprüchen Ihn mächtig täuschen, daß Betörung Ihn treibt zu eigener Zerstörung. Schicksal und Tod soll er verachten, Nicht kennen Furcht, nach Gnad nicht trachten. Ihr wißt es ja, daß Sicherheit Des Menschen Erbfeind jederzeit. (Musik hinter der Szene. Gesang: „Komm hinfort, komm hinfort“ etc.) [Fort jetzt] Hört zu! Dort sitzt mein kleiner Geist, o schaut, In einer dunkeln Wolk und ruft mich laut.

(Gesang hinter der Szene:)

Komm herbei, komm herbei! Hekate, o komm herbei!

HEKATE Ich komm, ich komm, ich komme! So schnell ich immer kann! So schnell ich immer kann!]] (Ab.)

ERSTE HEXE Fort, laßt uns eilen; bald kommt sie zurück.

(Ab.)

SECHSTE SZENE

(Fores, im Schloß)

(Lenox und ein Lord treten auf.)

LENOX Mein Wort berührt nur leicht, was Ihr gedacht; Sinnt ferner drüber nach. Ich sage nur, Seltsam gings zu: der gnadenreiche Duncan Ward von Macbeth beklagt. Nun, er war tot! Der wackre Banquo ging zu spät noch aus. Wollt Ihr, so könnt Ihr sagen: Fleance erschlug ihn, Denn Fleance entfloh. Man muß so spät nicht ausgehn. Wer kann wohl anders, als es schändlich finden, Daß Donalbain und Malcolm töteten Den gnadenreichen Vater? Höllsche Untat! Wie grämte Macbeth sich! Erschlug er nicht In frommer Wut die beiden Täter gleich, Die weinbetäubt und schlaf versunken waren? Wars edel nicht getan? Ja, klüglich auch; Denn jedes Menschen Seel hätt es empört, Ihr Leugnen anzuhören. Also sag ich, Alles verfügt‘ er wohl. So denk ich auch, Hätt Duncans Söhn er hinter Schloß und Riegel –Was, mit des Himmels Hülfe, nie geschehn soll–, Sie würden fühlen, was es sagen will, Den Vater zu ermorden; so auch Fleance. Doch still, für dreiste Wort, und weil er ausblieb Beim Feste des Tyrannen, fiel Macduff In Ungunst, wie ich hör. Wißt Ihr, wo Malcolm Sich aufhält?

LORD Duncans Sohn, durch den Tyrannen Beraubt des Erbrechts, lebt an Englands Hof, Wo ihn der fromme Eduard aufgenommen, So huldreich, daß des Glückes Bosheit nichts Ihm raubt an Achtung. Dorthin will Macduff, Des heilgen Königs Hülfe zu erbitten, Daß er Northumberland und Siward sende, Damit durch ihren Beistand, nächst dem Schutz Des Himmels, wir von neuem schaffen mögen Den Tafeln Speis und unsern Nächten Schlaf, Fest und Bankett befrein von blutgen Messern, Mit Treuen huldgen, freie Ehr empfangen, Was alles uns jetzt fehlt; und diese Nachricht Hat so den König aufgeregt, daß er Zum Kriege rüstet.

LENOX Sandte er zu Macduff?

LORD Ja; doch mit einem kurzen „Herr, nicht ich“ Schickt er den finstern Boten heim; der murmelt, Als wollt er sagen: Ihr bereut die Stunde, Die mich beschwert mit dieser Antwort.

LENOX Dien ihm Als Warnung das, so fern zu bleiben, wie Ihm seine Weisheit rät. Ein heilger Engel Flieg zu dem Hof von England und verkünde Die Botschaft, eh er kommt, daß Segen schnell Dies Land erfreue, von verfluchter Hand So hart gedrückt!

LORD Auch mein Gebet sei mit ihm!

(Sie gehn ab.)

VIERTER AKT

ERSTE SZENE

(Eine finstre Höhle, in der Mitte ein brodelnder Kessel)

(Donner; die drei Hexen kommen.)

ERSTE HEXE Die gelbe Katz hat dreimal miaut.

ZWEITE HEXE Drei- und einmal der Igel gequiekt.

DRITTE HEXE Harpyie schreit:–’s ist Zeit, ’s ist Zeit!

ERSTE HEXE Um den Kessel dreht euch rund! Giftgekrös in seinen Schlund! Kröt, die unterm kalten Stein Tag‘ und Nächte, dreißig und ein, Giftschleim schlafend ausgegoren, Sollst zuerst im Kessel schmoren!

ALLE Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt.

ZWEITE HEXE Sumpfger Schlange Schwanz und Kopf Brat und koch im Zaubertopf: Molchesaug und Unkenzehe, Hundezung und Hirn der Krähe; Zäher Saft des Bilsenkrauts, Eidechsbein und Flaum vom Kauz: Starken Zauber eingemischt! Höllenbrei im Kessel zischt.

ALLE Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt.

DRITTE HEXE Wolfeszahn und Kamm des Drachen, Hexenmumie, Gaum und Rachen Aus des Haifischs scharfem Schlund; Schierlingswurz aus finsterm Grund; Auch des Lästerjuden Lunge, Türkennase, Tatarzunge; Eibenreis, vom Stamm gerissen In des Mondes Finsternissen; Hand des gleich erwürgten Knaben, Den die Metz gebar im Graben, Dich soll nun der Kessel haben. Tigereingeweid hinein, Und der Brei wird fertig sein.

ALLE Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt.

ZWEITE HEXE Kühlt es nun mit Paviansblut, Zauber wird dann stark und gut!

(Hekate kommt.)

HEKATE Recht so! Ich lobe euer Walten; Und jede soll auch Lohn erhalten. Nun um den Kessel reiht euch, singt Kobolden gleich in einem Ring, Verhexend alles, was darin!

(Gesang)

Geister weiß [und grau, Geister rot und blau, Rührt, rührt, rührt, Rührt aus aller Kraft!]

(Hekate ab.)

ZWEITE HEXE Ha, mir juckt der Daumen sehr, Etwas Böses kommt hieher!

([Klopfen.])

Laßt ihn ein, wers mag sein.

(Macbeth tritt auf.)

MACBETH Nun, ihr geheimen, schwarzen Nachtunholde! Was macht ihr da?

ALLE Ein namenloses Werk.

MACBETH Bei dem, was ihr da treibt, beschwör ich euch –Wie ihr zur Kund auch kommt–, antwortet mir: Entfesselt ihr den Sturm gleich, daß er kämpft Gegen die Kirchen, und die schäumgen Wogen Vernichten und verschlingen alle Schiffahrt, Daß reifes Korn sich legt und Wälder brechen, Daß Burgen auf den Schloßwart niederprasseln, Daß Pyramiden und Paläste beugen Bis zu dem Grund die Häupter; müßte selbst Der ganze Schatz der zeugenden Natur Zusammentaumeln, bis Vernichtung selbst Vergeht: Gebt Antwort mir auf meine Fragen!

ERSTE HEXE Sprich!

ZWEITE HEXE Frag!

DRITTE HEXE Wir geben Antwort.

ERSTE HEXE Hörst du’s aus unserm Munde lieber oder Von unsern Meistern?

MACBETH Ruft sie, ich will sie sehn!

ERSTE HEXE Gießt der Sau Blut, die neun Jungen Fraß, noch zu; werft Fett, gedrungen Aus des Mörders Rabenstein, In die Glut!

ALLE Kommt, groß und klein! Seid dienstbehend und stellt euch ein!

(Donner. Ein bewaffnetes Haupt steigt aus dem Kessel.)

MACBETH Sprich, unbekannte Macht–

ERSTE HEXE Er weiß dein Fragen: Hören mußt du, selbst nichts sagen.

DIE ERSCHEINUNG Macbeth! Macbeth! Macbeth! Scheu den Macduff, Scheue den Than von Fife.–Laßt mich–genug!

(Versinkt.)

MACBETH Wer du auch seist, für deine Warnung Dank! Du trafst den wunden Fleck.–Doch noch ein Wort–

ERSTE HEXE Er läßt sich nicht befehlen. Hier ein andrer, Mächtger als jener.

(Donner. Ein blutiges Kind steigt aus dem Kessel.)

DIE ERSCHEINUNG Macbeth! Macbeth! Macbeth!

MACBETH Hätt ich drei Ohren, hört ich dich.

DIE ERSCHEINUNG Sei blutig, kühn und fest, lach aller Toren: Dir schadet keiner, den ein Weib geboren; Kein solcher kränkt Macbeth.

(Versinkt.)

MACBETH Dann leb, Macduff, was brauch ich dich zu fürchten? Doch mach ich doppelt sicher Sicherheit Und nehm ein Pfand vom Schicksal. Du sollst sterben! Dann sag ich zu der bleichen Furcht: du lügst!– Und schlafe trotz dem Donner.

([Donner. Ein gekröntes Kind steigt aus dem Kessel, mit einem Baum in der Hand.])

Was ist das,

(Donner. Die Erscheinung eines gekrönten Kindes mit einem Baum in der Hand steigt auf.)

Das aufsteigt wie der Sprößling eines Königs Und um die Kindesstirn geflochten hat Den Kranz der Majestät?

ALLE Horch; sprichs nicht an!

DIE ERSCHEINUNG Sei löwenkühn und stolz; nichts darfst du scheuen, Wer tobt, wer knirscht, und ob Verräter dräuen: Macbeth wird nie besiegt, bis einst hinan Der große Birnams-Wald zum Dunsinan Feindlich emporsteigt.

(Versinkt.)

MACBETH Das kann nimmer werden! Wer wirbt den Wald, heißt Bäume von der Erden Die Wurzel lösen? Wie der Spruch entzückt! Aufruhr ist tot, bis Birnams Waldung rückt Bergan, und Macbeth lebt in seiner Hoheit Bis an das Ziel der Tage, zahlt Tribut Nur der Natur und Zeit. Doch klopft mein Herz, nur eins noch zu erfahren; Sprecht, kann mir eure Kunst dies offenbaren: Wird Banquos Same je dies Reich regieren?

ALLE Frag weiter nichts!

MACBETH Ich will befriedigt sein! Versagt mir das, Und seid verflucht auf ewig! Laßt mich wissen–

([Oboen.])

Warum versinkt der Kessel? Welch Getön?

(Oboen.)

ERSTE HEXE Erscheint!

ZWEITE HEXE Erscheint!

DRITTE HEXE Erscheint!

ALLE Erscheint dem Aug und quält den Sinn, Wie Schatten kommt und fahrt dahin!

(Acht Könige erscheinen und gehen über die Bühne, der letzte trägt einen Spiegel; Banquo folgt.)

MACBETH Du bist zu ähnlich Banquos Geist! Hinab! Dein Diadem brennt mir die Augen.–Und du Mit goldumwundner Stirne gleichst dem ersten– Ein dritter wie der zweite! Garstge Hexen, Was zeigt ihr das? Ein vierter! Blick, erstarre! Wie, dehnt die Reih sich bis zum Jüngsten Tag? Und noch?–Ein siebter!–Ich will nichts mehr sehn.– Da kommt der achte noch und hält ’nen Spiegel, Der mir viel andre zeigt, und manche seh ich, Die zwei Reichsäpfel und drei Zepter tragen– Furchtbarer Anblick! Ja, ich seh, ’s ist wahr; Denn blutbesudelt lächelt Banquo her Und deutet auf sie als die Seinen.–Ists so?

ERSTE HEXE Ja, alles ist so.–Doch warum Steht Macbeth da so starr und stumm? Auf, zu ermuntern seinen Geist, Ihm unsre schönsten Künste weist! Durch Zauber schaff ich luftge Weisen, Auf, tanzt in vielverschlungnen Kreisen! Der König soll uns Lob gewähren, Sein Kommen wußten wir zu ehren.

(Musik; die Hexen tanzen und verschwinden.)

MACBETH Wo sind sie? Fort? Mag diese Unglücksstunde Verflucht auf ewig im Kalender stehn!– Herein, du draußen!

(Lenox tritt auf.)

LENOX Was befiehlt Eur Hoheit?

MACBETH Sahst du die Zauberschwestern?

LENOX Nein, mein König.

MACBETH Sie kamen nicht vorbei?

LENOX Gewiß nicht, Herr.

MACBETH Verpestet sei die Luft, auf der sie fahren, Und alle die verdammt, so ihnen trauen! Ich hörte Pferdgalopp–wer kam vorbei?

LENOX Zwei oder drei, Herr, die Euch Nachricht brachten, Daß Macduff floh nach England.

MACBETH Floh nach England?

LENOX Ja, gnädger Herr.

MACBETH O Zeit, vor eilst du meinem grausen Tun! Nie wird der flüchtge Vorsatz eingeholt, Geht nicht die Tat gleich mit. Von Stund an nun Sei immer meines Herzens Erstling auch Erstling der Hand. Und den Gedanken gleich Zu krönen, sei’s getan, so wie gedacht. Die Burg Macdufis will ich jetzt überfallen; Fife wird erobert, und dem Schwert geopfert Sein Weib und Kind und alle armen Seelen Aus seinem Stamm. Das ist nicht Torenwut; Es ist getan, eh sich erkühlt mein Blut. Nur keine Geister mehr!–Wo sind die Herrn? Komm, führ mich hin zu ihnen.

(Sie gehn ab.)

ZWEITE SZENE

(Fife, Zimmer in Macduffs Schloß)

(Es treten auf Lady Macduff, ihr kleiner Sohn und Rosse.)

LADY MACDUFF Was tat er denn, landflüchtig so zu werden?

ROSSE Geduldig müßt Ihr sein.

LADY MACDUFF Er war es nicht! Die Flucht ist Wahnsinn. Wenn nicht unsre Taten, Macht Furcht uns zu Verrätern.

ROSSE Wenig wißt Ihr, Ob er der Weisheit oder Furcht gehorchte.

LADY MACDUFF Weisheit! Sein Weib, die kleinen Kinder lassen, Haushalt wie seine Würden, an dem Ort, Von dem er selbst entflieht? Er liebt uns nicht, Ihm fehlt natürliches Gefühl. Bekämpft Der schwache Zaunkönig, das kleinste Vöglein, Die Eule doch für seine Brut im Nest. Bei ihm ist alles Furcht und Liebe nichts; Nicht größer ist die Weisheit, wo die Flucht So gegen die Vernunft rennt.

ROSSE Teure Muhme, Ich bitte, mäßigt Euch, denn Euer Gatte Ist edel, klug, vorsichtig, kennt am besten Der Tage Sturm. Nicht viel mehr darf ich sagen. Doch harte Zeit ist, wenn Verräter wir Sind unbewußt, wenn uns Gerüchte ängsten, Aus Furcht nur, doch nicht wissend, was wir fürchten, Getrieben auf empörtem, wildem Meer, Nach allen Seiten hin.–So lebt denn wohl! Nicht lang, und wieder frag ich vor bei Euch. Was so tief sank, geht unter oder klimmt Zur alten Höh empor. Mein Vetterchen, Gott segne dich!

LADY MACDUFF Hat einen Vater und ist vaterlos!

ROSSE Ich bin so kindisch, daß ein längres Bleiben Mich nur beschämen würd und Euch entmutgen: Lebt wohl mit eins!

(Er geht ab.)

LADY MACDUFF Nun, Freund, tot ist dein Vater! Und was fängst du nun an? Wie willst du leben?

SOHN Wie Vögel, Mutter.

LADY MACDUFF Wie, von Würmern? Fliegen?

SOHN Nein, was ich kriegen kann; so machen sie’s.

LADY MACDUFF Du armer Vogel würdest nicht das Netz, Leimrute, Schling und Falle fürchten.

SOHN Wie doch? Für arme Vögel stellt man die nicht auf.– Mein Vater ist nicht tot, was du auch sagst.

LADY MACDUFF Ja, doch; wo kriegst du nun ’nen Vater her?

SOHN Nun, wo kriegst du ’nen Mann her?

LADY MACDUFF Ei, zwanzig kauf ich mir auf jedem Markt.

SOHN So kaufst du sie, sie wieder zu verkaufen.

LADY MACDUFF Du sprichst so klug du kannst, und für dein Alter Doch wahrlich klug genug.

SOHN War mein Vater ein Verräter, Mutter?

LADY MACDUFF Ja, das war er.

SOHN Was ist ein Verräter?

LADY MACDUFF Nun, einer, der schwört und es nicht hält.

SOHN Und sind alle Verräter, die das tun?

LADY MACDUFF Jeder, der das tut, ist ein Verräter und muß aufgehängt werden.

SOHN Müssen denn alle aufgehängt werden, die schwören und es nicht halten?

LADY MACDUFF Jawohl.

SOHN Wer muß sie denn aufhängen?

LADY MACDUFF Nun, die ehrlichen Leute.

SOHN Dann sind die, welche schwören und es nicht halten, rechte Narren; denn ihrer sind so viele, daß sie die ehrlichen Leute schlagen könnten und aufhängen dazu.

LADY MACDUFF Nun, Gott stehe dir bei, armes Äffchen! Aber was willst du nun anfangen, um einen Vater zu bekommen?

SOHN Wenn er tot wäre, so würdest du um ihn weinen, und tätest du das nicht, so wäre es ein gutes Zeichen, daß ich bald einen neuen Vater bekomme.

LADY MACDUFF Armes Närrchen, wie du plauderst!

(Ein Bote tritt auf.)

BOTE Gott mit Euch, schöne Frau! Ihr kennt mich nicht, Doch weiß ich Euren Stand und edeln Namen. Ich fürchte, daß Gefahr Euch nah bedroht; Verschmäht Ihr nicht den Rat ’nes schlichten Mannes, So bleibt nicht hier; schnell fort mit Euren Kleinen! Euch so zu schrecken bin ich grausam zwar, Doch wärs Unmenschlichkeit, es nicht zu tun, Da die Gefahr so nah. Der Himmel schütz Euch! Ich darf nicht weilen.

(Er geht ab.)

LADY MACDUFF Wohin sollt ich fliehn? Ich tat nichts Böses. Doch jetzt denk ich dran: Dies ist die irdsche Welt, wo Böses tun Oft löblich ist und Gutes tun zuweilen Schädliche Torheit heißt. Warum denn, ach, Verlaß ich mich auf diese Frauenwaffe Und sag, ich tat nichts Böses?

([Die Mörder kommen.])

Was für Gesichter?

(Mörder treten auf.)

ERSTER MÖRDER Wo ist Euer Mann?

LADY MACDUFF Nicht, hoff ich, an so unheiligem Ort, Wo deinesgleichen ihn findet.

ERSTER MÖRDER Der Verräter!

SOHN Du lügst, struppköpfiger Schurke!

ERSTER MÖRDER Was, du Ei!

(Ersticht ihn.)

Verräterbrut!

([Ersticht das Kind.])

SOHN Er hat mich umgebracht! Mutter, ich bitte dich, lauf fort!

(Stirbt. Lady Macduff geht ab, „Mord“ schreiend und von den Mördern verfolgt.)

LADY MACDUFF (entflieht und schreit:) Mord!

(Die Mörder verfolgen sie.)]

DRITTE SZENE

(England. [Park beim] Vor dem königlichen Schloß)

(Malcolm und Macduff treten auf.)

MALCOLM Laßt uns einsamen Schatten suchen und Durch Tränen unser Herz erleichtern.

MACDUFF Lieber Laßt uns, das Todesschwert ergreifend, wacker Aufstehn für unser hingestürztes Recht. An jedem Morgen heulen neue Witwen, Und neue Waisen schreien; neuer Jammer Schlägt an des Himmels Wölbung, daß er tönt, Als fühlt‘ er Schottlands Schmerz und hallte gellend Den Klagelaut zurück.

MALCOLM Das, was ich glaube, Will ich betrauern, glauben, was ich weiß, Und helfen will ich, wo ich kann, wenn Zeit Und Freund‘ ich finde. Was Ihr mir erzählt, Kann wohl sich so verhalten. Der Tyrann, Des Name schon die Zung uns schwären macht, Galt einst für ehrlich. Ihr habt ihn geliebt; Noch kränkt‘ er Euch nicht. Ich bin jung, doch etwas Könnt Ihr durch mich von ihm verdienen. Klug ists, Ein arm, unschuldig, schwaches Lamm zu opfern, Um einen zorngen Gott zu sühnen.

MACDUFF Ich bin kein Verräter.

MALCOLM Aber Macbeth ists. Auch strenge Tugend kann sich schrecken lassen Durch königliches Machtwort.–Doch verzeiht! Mein Denken kann das, was Ihr seid, nicht wandeln. Stets sind die Engel hell, fiel auch der hellste; Borgt alles Schlechte auch den Schein der Tugend, Doch müßte Tugend wie sie selbst erscheinen.

MACDUFF So hab ich meine Hoffnung denn verloren!

MALCOLM Vielleicht da, wo ich meinen Zweifel fand. Wie, in der Hast verließt Ihr Weib und Kind, So teure Pfänder, mächtge Liebesknoten, Selbst ohne Abschiednehmen? Ich ersuch Euch– Mein Mißtraun spricht nicht so. Euch zu entehren, Nur, mich zu sichern. Ihr könnt rein und treu sein, Was ich von Euch auch denke.

MACDUFF Blute, blute, Du armes Vaterland! So lege festen Grund denn, Tyrannei, Rechtmäßigkeit wagt nicht, dich anzugreifen! Trage dein Leid, dein echter Herrscher zittert! Prinz, lebe wohl! Nicht möcht ich sein der Schurke, Den du mich achtest, für den weiten Raum, Den der Tyrann in seinen Klauen hält, Zusamt dem reichen Ost.

MALCOLM Sei nicht beleidigt! Nicht unbedingter Argwohn sprach aus mir. Ich glaub es, unser Land erliegt dem Joch. Es weint und blutet; jeder neue Tag Schlägt neue Wunden ihm. Auch glaub ich wohl, Daß Hände sich erhöben für mein Recht. So bietet der huldreiche England mir Manch wackres Tausend. Doch, bei alledem, Wenn ich nun tret auf des Tyrannen Haupt, Es trag auf meinem Schwert, wird größre Laster Mein armes Land noch tragen als zuvor, Mehr dulden und auf schlimmre Art als je, Durch den, der folgen wird.

MACDUFF Wer wäre dieser?

MALCOLM Mich selber mein ich, in dem, wie ich weiß, Die Keime aller Laster so geimpft sind, Daß, brechen sie nun auf, der schwarze Macbeth Rein scheint wie Schnee und er dem armen Staat Lammartig dünkt, vergleicht er ihn mit meiner Maßlosen Sündlichkeit.

MACDUFF Nicht in Legionen Der grausen Höll ist ein verruchtrer Teufel, Der Macbeth überragt.

MALCOLM Wohl ist er blutig, Wollüstig, geizig, falsch, betrügerisch, Jähzornig, tückisch; schmeckt nach jeder Sünde, Die Namen hat. Doch völlig unstillbar Treibt mich Begierde; eure Weiber, Töchter, Jungfraun, Matronen könnten nicht ausfüllen Den Abgrund meiner Lust; und mein Verlangen Würd überspringen jede feste Schranke, Die meine Willkür hemmte. Besser Macbeth, Als daß ein solcher herrscht.

MACDUFF Unmäßigkeit Ist wohl auch Tyrannei und hat schon oft Manchen beglückten Thron zu früh verwaist, Viel Könige gestürzt. Allein deshalb Zagt nicht, zu nehmen, was Eur Eigen ist! Ihr mögt der Lust ein weites Feld gewähren Und kalt erscheinen, mögt die Welt verblenden. Der willgen Frauen gibts genug; unmöglich Kann solch ein Geier in Euch sein, der alle Verschlänge, die der Hoheit gern sich opfern, Zeigt sie ein solch Gelüst.

MALCOLM Daneben wuchert In meinem tief verderbten Sinn der Geiz, So unersättlich, daß, wär ich der König, Räumt ich die Edeln weg um ihre Güter; Dem raubt ich die Juwelen, dem das Haus; Mehr haben wäre mir die Würzung nur, Den Hunger mehr zu reizen; Netze strickt ich, Mit bösem Streit den Redlichen zu fangen, Um Reichtum ihn vernichtend.

MACDUFF Dieser Geiz Steckt tiefer, schlingt verderblicher die Wurzeln, Als sommerliche Lust; er war das Schwert, Das unsre Könige schlug. Doch fürchtet nichts; Schottland hat Reichtum gnug. Euch zu befriedgen, Der Euch mit Recht gehört. Dies alles ist Erträglich, ausgesöhnt durch Tugenden.

MALCOLM Die hab ich nicht–die Königstugenden, Wahrheit, Gerechtigkeit, Starkmut, Geduld, Ausdauer, Milde, Andacht, Gnade, Kraft, Mäßigkeit, Demut, Tapferkeit; von allen Ist keine Spur in mir–nein, Überfluß An jeglichem Verbrechen, ausgeübt In jeder Art. Ja, hätt ich Macht, ich würde Der Eintracht süße Milch zur Hölle gießen, Verwandeln allen Frieden in Empörung, Vernichten alle Einigkeit auf Erden.

MACDUFF O Schottland! Schottland!

MALCOLM Darf nun ein solcher wohl regieren? Sprich! Ich bin, wie ich gesagt.

MACDUFF Regieren? Nein, Nicht leben darf er! Oh, unselges Volk, Beherrscht mit blutigem Tyrannenzepter, Wann doch erlebst du wieder frohe Tage? Nie, denn der echtste Erbe deines Throns Hat sich durch selbstgesprochnen Bann verflucht Und brandmarkt seinen Stamm. Dein hoher Vater War ein höchst heilger Fürst; die dich gebar, Weit öfter auf den Knien als auf den Füßen, Starb jeden Tag des Lebens. Fahre wohl! Die Sünden, die du selbst dir zugesprochen, Verbannen mich aus Schottland.–O mein Herz, Dein Hoffen endet hier!

MALCOLM Macduff, dein edler Zorn, Das Kind der Redlichkeit, tilgt aus der Seele Mir jeden schwarzen Argwohn und versöhnt Mit deiner Treu und Ehre mein Gemüt. Der teuflische Macbeth hat oft versucht, Durch solche Künste mich ins Garn zu locken, Drum schirmt vor allzu gläubiger Hast mich Vorsicht. Doch Gott mag richten zwischen dir und mir, Denn jetzt geb ich mich ganz in deine Hände. Die Selbstverleumdung widerruf ich, schwöre Die Laster ab, durch die ich mich geschmäht, Als meinem Wesen fremd. Noch weiß ich nichts Vom Weibe, habe nimmer falsch geschworen, Verlangte kaum nach dem, was mir gehört! Stets hielt ich treu mein Wort, verriete selbst Den Satan nicht den Teufeln; Wahrheit gilt Mir mehr als Leben, meine erste Lüge War diese gegen mich. Mein wahres Selbst Ist dir und meinem armen Land geweiht, Wohin auch schon, noch eh du hergekommen, Der alte Siward mit zehntausend Kriegern Bereit stand aufzubrechen, und wir gehn Mitsammen nun. Sei uns das Glück gewogen, Wie unser Streit gerecht ist!–Warum schweigst du?

MACDUFF Schwer läßt sich so Willkommnes und zugleich So Unwillkommenes vereinen.

(Ein Arzt tritt auf.)

MALCOLM Gut! Mehr nachher.–

([Ein Arzt tritt auf.])

Geht heut der König aus?

ARZT Ja, Prinz, denn viele Arme sind versammelt, Die seine Hülf erwarten; ihre Krankheit Trotzt jeder Heilkunst, doch rührt er sie an, Hat so der Himmel seine Hand gesegnet, Daß sie sogleich genesen.

MALCOLM Dank Euch, Doktor!

(Der Arzt geht ab.)

MACDUFF Was für ’ne Krankheit ists?

MALCOLM Sie heißt das Übel; Ein wundertätig Werk vom guten König, Das ich ihn oft, seit ich in England bin, Vollbringen sah. Wie er zum Himmel fleht, Weiß er am besten. Seltsam Heimgesuchte, Voll Schwulst und Aussatz, kläglich anzuschauen, An denen alle Kunst verzweifelt, heilt er, Um ihren Nacken eine Goldmünz hängend, Mit heiligem Gebet. Und nach Verheißung Wird er vererben auf die künftgen Herrscher Die Wundergabe. Zu der heilgen Kraft Hat er auch himmlischen Prophetengeist; So steht um seinen Thron vielfacher Segen, Ihn gottbegabt verkündend.

([Rosse tritt auf.])

MACDUFF Wer kommt da?

MALCOLM Ein Landsmann, ob ich gleich ihn noch nicht kenne.

(Rosse tritt auf.)

MACDUFF Mein hochgeliebter Vetter, sei willkommen!

MALCOLM Jetzt kenn ich ihn.–O Gott, entferne bald, Was uns einander fremd macht.

ROSSE Amen, Herr!

MACDUFF Stehts noch um Schottland so?

ROSSE Ach, armes Land, Das fast vor sich erschrickt! Nicht unsre Mutter Kann es mehr heißen, sondern unser Grab, Wo nur, wer von nichts weiß, noch etwa lächelt, Wo Seufzen, Stöhnen, Schrein die Luft zerreißt, Und keiner achtets, wo Verzweiflung gilt Als ganz gewohnte Regung; keiner fragt: Um wen? beim Grabgeläut; der Wackern Leben Welkt schneller als der Strauß auf ihrem Hut, Sie sterben, eh sie krank sind.

MACDUFF O Erzählung, Zu herb und doch zu wahr!

MALCOLM Was ist die neuste Kränkung?

ROSSE Wer die erzählt, die eine Stunde alt, Wird ausgezischt; jedweder Augenblick Zeugt eine neue.

MACDUFF Wie stehts um mein Weib?

ROSSE Nun–wohl.

MACDUFF Und meine Kinder alle?

ROSSE Auch wohl.

MACDUFF Nicht stürmte der Tyrann in ihren Frieden?

ROSSE Sie waren all in Frieden, als ich schied.

MACDUFF Sei nicht mit Worten geizig; sprich, wie stehts?

ROSSE Als ich fortging, die Nachricht herzubringen, An der ich schwer trug, lief dort ein Gerücht, Daß manche wackren Leute ausgezogen, Und diesen Glauben fand ich auch bestätigt, Weil ich im Feld sah des Tyrannen Truppen. Nun ist zu helfen Zeit; Eur Aug in Schottland Erschüfe Krieger, trieb in Kampf die Frauen, Ihr Elend abzuschütteln.

MALCOLM Sei’s ihr Trost, Daß wir schon nahn. Der gütge England leiht uns Den wackern Siward und zehntausend Mann; Ein alter Krieger, keinen bessern gibts In aller Christenheit.

ROSSE Könnt ich den Trost Mit Trost vergelten! Doch ich habe Worte– O würden sie in leere Luft geheult, Wo nie ein Ohr sie faßte!

MACDUFF Wen betriffts? Ists allgemeines Weh? Ists eigner Schmerz, Der einem nur gehört?

ROSSE Kein redlich Herz, Das nicht mit leidet; doch der größre Teil Ist nur für dich allein.

MACDUFF Gehört es mir, Enthalte mirs nicht vor; schnell laß michs haben!

ROSSE Dein Ohr wird meine Zunge ewig hassen, Die’s mit dem jammervollsten Ton betäubt, Den jemals du gehört.

MACDUFF Ha, ich errat es!

ROSSE Dein Schloß ist überfallen; Weib und Kinder Grausam erschlagen! Zu erzählen wie, Das hieß‘, auf diesen Berg von Opfern noch Als letztes häufen deinen Tod.

MALCOLM O Himmel!– Nein, Mann, drück nicht den Hut so in die Augen, Gib Worte deinem Schmerz. Gram, der nicht spricht, Preßt das beladne Herz, bis daß es bricht.

MACDUFF Auch meine Kinder?

ROSSE Gattin, Kinder, Diener, Was man nur fand.

MACDUFF Und ich muß ferne sein! Mein Weib gemordet auch?

ROSSE Ich sagt es.

MALCOLM Faßt Euch! Laßt uns Arznei aus mächtger Rache mischen, Dies Todesweh zu heilen.

MACDUFF Er hat nicht Kinder! All die süßen Kleinen? Alle sagst du?–O Höllengeier!–Alle! Was! All die holden Küchlein, samt der Mutter, Mit einem wilden Griff?

MALCOLM Ertragt es wie ein Mann!

MACDUFF Das will ich auch; Doch ebenso muß wie ein Mann ichs fühlen: Vergessen kann ich nicht, daß das gewesen, Was mir das Liebste war. Konnte der Himmel Es anschaun und nicht helfen? Sündger Macduff, Für dich sind sie erschlagen! Ich Verworfner! Für ihre Sünden nicht, nein, für die meinen Sind sie gewürgt.–Schenk ihnen Frieden, Gott!

MALCOLM Dies wetze scharf dein Schwert, verwandle Gram In Zorn, erschlaffe nicht dein Herz, entflamm es!

MACDUFF Ich will das Weib nicht mit den Augen spielen Und prahlen mit der Zung!–Doch, gütger Himmel, Verkürze jeden Aufschub! Stirn an Stirn Führ diesen Teufel Schottlands mir entgegen! Stell ihn in meines Schwerts Bereich; entrinnt er, Himmel, vergib ihm auch!

MALCOLM So klingt es männlich! Jetzt kommt zum König, fertig steht das Heer, Es mangelt nur noch, daß wir Abschied nehmen. Macbeth ist reif zur Ernte, und dort oben Bereiten ewge Mächte schon das Messer. Faßt frischen Mut; so lang ist keine Nacht, Daß endlich nicht der helle Morgen lacht.

(Sie gehen ab.)

FÜNFTER AKT

ERSTE SZENE

(Dunsinan, Zimmer im Schloß)

(Es treten auf ein Arzt und eine Kammerfrau.)

ARZT Zwei Nächte habe ich nun mit Euch gewacht, aber keine Bestätigung Eurer Aussage gesehen. Wann ist sie zuletzt umhergewandelt?

KAMMERFRAU Seitdem Seine Majestät in den Krieg zog, habe ich gesehen, wie sie aus ihrem Bett aufstand, ihr Nachtgewand umwarf, ihren Schreibtisch aufschloß, Papier nahm, es zusammenlegte, schrieb, das Geschriebene las, es versiegelte und dann wieder zu Bett ging: und die ganze Zeit im tiefsten Schlafe.

ARZT Eine große Zerrüttung der Natur, die Wohltat des Schlafes zu genießen und zugleich die Geschäfte des Wachens zu verrichten. In dieser schlafenden Aufregung, außer dem Umherwandeln und anderem Tun, was, irgend einmal, habt Ihr sie sprechen hören?

KAMMERFRAU Dinge, die ich ihr nicht nachsprechen werde.

ARZT Mir könnt Ihrs vertrauen; und es ist notwendig, daß Ihr es tut.

KAMMERFRAU Weder Euch noch irgend jemand, da ich keine Zeugen habe, meine Aussage zu bekräftigen.

([Lady Macbeth kommt, eine Kerze in der Hand.])

Seht, da kommt sie!

(Lady Macbeth kommt mit einer Kerze.)

So ist ihre Art und Weise! Und, bei meinem Leben, fest im Schlaf. Beobachtet sie, versteckt Euch!

ARZT Wie kam sie zu dem Licht?

KAMMERFRAU Das brennt neben ihrem Bett. Sie hat immer Licht; es ist ihr Befehl.

ARZT Seht, ihre Augen sind offen!

KAMMERFRAU Ja, aber ihre Sinne geschlossen.

ARZT Was macht sie nun? Schaut, wie sie sich die Hände reibt!

KAMMERFRAU Das ist ihre gewöhnliche Gebärde, daß sie tut, als wüsche sie sich die Hände; ich habe wohl gesehen, daß sie es eine Viertelstunde hintereinander tat.

LADY MACBETH Da ist noch ein Fleck.

ARZT Horch, sie spricht! Ich will aufschreiben, was sie sagt, um hernach meine Erinnerung daraus zu ergänzen.

LADY MACBETH Fort, verdammter Fleck, fort, sag ich!–Eins, zwei! Nun, dann ist es Zeit, es zu tun.–Die Hölle ist finster!– Pfui, mein Gemahl, pfui, ein Soldat und furchtsam! Was haben wir zu fürchten, wer es weiß, da niemand unsre Gewalt zur Rechenschaft ziehen darf?–Aber wer hätte gedacht, daß der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte?

ARZT Hört Ihr wohl?

LADY MACBETH Der Than von Fife hatte ein Weib: Wo ist sie nun? –Wie, wollen diese Hände denn nie rein werden?– Nichts mehr davon, mein Gemahl, nichts mehr davon; du verdirbst alles mit diesem Auffahren.

ARZT Ei, ei! Ihr habt erfahren, was Ihr nicht solltet!

KAMMERFRAU Gesprochen hat sie, was sie nicht sollte, das ist gewiß. Gott weiß, was sie erfahren hat.

LADY MACBETH Noch immer riecht es hier nach Blut; alle Wohlgerüche Arabiens würden diese kleine Hand nicht wohlriechend machen. Oh, oh, oh!

ARZT Was das für ein Seufzer war! Ihr Herz ist schmerzlich beladen.

KAMMERFRAU Ich möchte nicht ein solches Herz im Busen tragen, nicht für den Königsschmuck des ganzen Leibes.

ARZT Gut, gut!

KAMMERFRAU Gebe Gott, daß es gut sei!

ARZT Diese Krankheit liegt außer dem Gebiete meiner Kunst; aber ich habe Menschen gekannt, die im Schlaf umherwandelten und doch fromm in ihrem Bett starben.

LADY MACBETH Wasch deine Hände, leg dein Nachtkleid an, sieh doch nicht so blaß aus!–Ich sage es dir noch einmal, Banquo ist begraben, er kann aus seiner Gruft nicht herauskommen.

ARZT Wirklich?

LADY MACBETH Zu Bett, zu Bett! Es wird ans Tor geklopft. Komm, komm, komm, komm, gib mir die Hand!–Was geschehen ist, kann man nicht ungeschehn machen. –Zu Bett, zu Bett, zu Bett!

(Sie geht ab.)

ARZT Geht sie nun zu Bett?

KAMMERFRAU Unverzüglich.

ARZT Man flüstert Schlimmes. Taten unnatürlich Erzeugen unnatürliche Zerrüttung; Die kranke Seele will ins taube Kissen Entladen ihr Geheimnis. Sie bedarf Des Beichtgers mehr noch als des Arztes.–Gott, Vergib uns allen! Seht nach ihr; entfernt, Womit sie sich verletzen könnt, und habt Ein Auge stets auf sie!–So, gute Nacht! Der Anblick hat mir Schreck und Graun gemacht. Ich denk und darf nichts sagen.

KAMMERFRAU Nun, schlaft wohl!

(Sie gehn ab.)

ZWEITE SZENE

(Feld, in der Nähe von Dunsinan)

(Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Menteth, Cathness, Angus, Lenox, Soldaten.)

MENTETH Das Heer von England naht, geführt von Malcolm, Seinem Ohm Siward und dem guten Macduff: Von Rache glühn sie; denn ihr herbes Leid Erregte wohl den abgestorbnen Greis Zu blutig grimmem Kampf.

ANGUS Bei Birnams Wald, Von dorther nahn sie, treffen wir sie wohl.

CATHNESS Ob Donalbain bei seinem Bruder ist?

LENOX Gewiß nicht, Herr; denn eine Liste hab ich Vom ganzen Adel. Dort ist Siwards Sohn, Und mancher glatte Jüngling, der zuerst Die Mannheit prüft.

MENTETH Und was tut der Tyrann?

CATHNESS Das mächtge Dunsinan befestigt er. Toll heißt ihn mancher; wer ihn minder haßt, Nennts tapfre Wut; doch ists gewiß, er kann Den wild empörten Zustand nicht mehr schnallen In den Gurt der Ordnung.

ANGUS Jetzt empfindet er Geheimen Mord, an seinen Händen klebend; Jetzt straft Empörung stündlich seinen Treubruch. Die er befehligt, handeln auf Befehl, Aus Liebe nicht. Jetzt fühlt er seine Würde Zu weit und lose, wie des Riesen Rock Hängt um den diebschen Zwerg.

MENTETH Ist es ein Wunder, Wenn sein gequälter Sinn auffährt und schaudert? Muß all sein Fühlen sich doch selbst verdammen, Weils seiner Seele eignet.

CATHNESS Ziehn wir weiter, Da Dienst zu weihen, wo es Lehnspflicht fordert; Suchen wir auf das Heil des kranken Staates! Mit ihm vergießen wir, zum Wohl des Landes, All unser Blut.

LENOX So viel, daß es betaut Die Herrscherblum, ertränkt das giftge Kraut. So geh der Zug nach Birnam.

(Sie marschieren vorüber.)

DRITTE SZENE

(Dunsinan, ein Zimmer im Schloß)

(Macbeth tritt auf; der Arzt, Gefolge.)

MACBETH Bringt keine Nachricht mehr! Laßt alle fliehn; Bis Birnams Wald anrückt auf Dunsinan, Ist Furcht mir nichts. Was ist der Knabe Malcolm? Gebar ihn nicht ein Weib? Die Geister, kundig All irdischen Waltens, prophezeiten so: Sei kühn, Macbeth, kein Mann, vom Weib geboren, Soll je dir was anhaben. Flieht denn immer, Ihr falschen Thans, zu Englands Weichlingen! Dies Herz und meinen Herrschergeist verwegen, Dämpft Zweifel nicht und soll die Furcht nie regen.

(Ein Diener tritt auf.)

Der Teufel brenn dich schwarz, milchbleicher Lump! Wie kommst du an den Gänseblick?

DIENER Da sind zehntausend–

MACBETH Gäns, Schuft?

DIENER Krieger, Herr.

MACBETH Reib dein Gesicht, die Furcht zu überröten, Weißlebriger Hund. Was denn für Krieger, Hansnarr? Hol dich der Teufel! Deine Kreidewangen Verführen all zur Furcht. Was denn für Krieger, Molkengesicht?

DIENER Erlaubt, das Heer von England!

MACBETH Weg dein Gesicht!

(Diener ab.)

Seyton!–Mir wird ganz übel, Seh ich so–Seyton! Heda!–Dieser Ruck Kuriert auf immer oder liefert jetzt mich. Ich lebte lang genug; mein Lebensweg Geriet ins Dürre, ins verwelkte Laub; Und was das hohe Alter soll begleiten, Gehorsam, Liebe, Ehre, Freundestrost, Danach darf ich nicht aussehn; doch, statt dessen Flüche, nicht laut, doch tief. Munddienst und Hauch, Was gern das arme Herz mir weigern möchte, Und wagts nicht.–Seyton!

(Seyton kommt.)

SEYTON Was befiehlt mein Herrscher?

MACBETH Was gibt es Neues?

SEYTON Alles wird bestätigt, Was das Gerücht verkündet.

MACBETH Ich will fechten, Bis mir das Fleisch gehackt ist von den Knochen. Gebt meine Rüstung mir!

SEYTON Noch tuts nicht not.

MACBETH Ich leg sie an. Mehr Reiter sendet aus, durchstreift das Land; Wer Furcht nennt, wird gehängt.–Bringt mir die Rüstung! Was macht die Kranke, Arzt?

ARZT Nicht krank sowohl, Als durch gedrängte Phantasiegebilde Gestört, der Ruh beraubt.

MACBETH Heil sie davon! Kannst nichts ersinnen für ein krank Gemüt? Tief wurzelnd Leid aus dem Gedächtnis reuten? Die Qualen löschen, die ins Hirn geschrieben? Und mit Vergessens süßem Gegengift Die Brust entledigen jener giftgen Last, Die schwer das Herz bedrückt?

ARZT Hier muß der Kranke selbst das Mittel finden.

MACBETH Den Hunden deine Kunst, ich mag sie nicht.– Legt mir die Rüstung an; den Stab her!–Seyton, Schick aus!–Doktor, die Thans verlassen mich.– Nun, mach geschwind!–Arzt, könntst du meinem Land Beschaun das Wasser, seine Krankheit finden, Und es zum kräftgen frühern Wohlsein reingen, Wollt ich mit deinem Lob das Echo wecken, Daß es dein Lob weit hallte. –Weg den Riemen!– Welche Purganz, Rhabarber, Senna führte Wohl ab die Englischen?–Hörst du von ihnen?

ARZT Ja, hoher König, Eure Kriegesrüstung Macht, daß wir davon hören.

MACBETH Bringts mir nach!– Nicht Tod und nicht Verderben ficht mich an, Kommt Birnams Wald nicht her nach Dunsinan!

([Er geht ab.] Alle außer dem Arzt gehen ab.)

ARZT War ich von Dunsinan mit Heil und Glück, So brächte mich kein Vorteil je zurück.

([Alle] ab.)

VIERTE SZENE

(Feld in der Nähe von Dunsinan, ein Wald in [der Ferne] Sichtweite)

(Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, der alte Siward, sein Sohn, Macduff, Menteth, Cathness, Angus, Lenox, Rosse, Soldaten.)

MALCOLM Vettern, die Tage, hoff ich, sind uns nah, Wo Kammern sicher sind.

MENTETH Wir zweifeln nicht.

SIWARD Wie heißt der Wald da vor uns?

MENTETH Birnams Wald.

MALCOLM Ein jeder Krieger hau sich ab ’nen Zweig Und trag ihn vor sich; so verbergen wir Die Truppenzahl, und irrig wird der Feind In seiner Schätzung.

[EIN SOLDAT] SOLDATEN Es soll gleich geschehn.

([Die Soldaten gehn ab.])

SIWARD Wir hören nichts, als daß mit Zuversicht Sich der Tyrann auf Dunsinan befestigt Und die Belagrung ausstehn will.

MALCOLM Darauf Vertraut er einzig. Wo’s nur möglich ist, Empört sich hoch und niedrig gegen ihn, Und niemand folgt ihm, als erzwungnes Volk, Das nicht von Herzen dient.

MACDUFF Laßt bis zum Siege Gerechtes Urteil ausstehn; lenkt den Eifer Auf unsern Kriegszug!

SIWARD Ja, es naht die Zeit, Wo richtiges Unterscheiden läßt erkennen, Das, was wir schulden, was wir unser nennen. Grübeln und Träumen hofft ohn Sicherheit; Echten Erfolg entscheidet erst der Streit, Und ihm entgegen führt den Kriegeszug!

(Alle gehen marschierend ab.)

FÜNFTE SZENE

(Dunsinan, im Schloß)

(Mit Trommeln und Fahnen treten auf Macbeth, Seyton, Soldaten.)

MACBETH Pflanzt unsre Banner auf die äußre Mauer; Stets heißts: sie kommen! Unser festes Schloß Lacht der Belagrung; mögen sie hier liegen, Bis Hunger sie und Krankheit aufgezehrt. Verstärken die sie nicht, die uns gehören, Wir hätten, Bart an Bart, sie kühn getroffen Und sie nach Haus gegeißelt.

(Ein Schrei von Frauen hinter der Szene.)

Was für Lärm?

([Weibergeschrei hinter der Szene.])

SEYTON Es ist Geschrei von Weibern, gnädger Herr.

(Geht ab.)

MACBETH Verloren hab ich fast den Sinn der Furcht. Es gab ’ne Zeit, wo kalter Schaur mich faßte, Wenn der Nachtvogel schrie, das ganze Haupthaar Bei einer schrecklichen Geschicht empor Sich richtete, als wäre Leben drin. Ich hab mich vollgeschluckt mit so viel Grauen: Entsetzen, meinem Mordsinn eng vertraut, Schreckt nun mich nimmermehr.–

(Seyton kommt zurück.)

Weshalb das Wehschrein?

SEYTON Die Königin, Herr, ist tot.

MACBETH Sie hätte später sterben können; es hätte Die Zeit sich für ein solches Wort gefunden.– Morgen, und morgen, und dann wieder morgen, Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag, Zur letzten Silb auf unserm Lebensblatt; Und alle unsre Gestern führten Narren Den Pfad zum staubigen Tod. Aus, kleines Licht! Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild, Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht Sein Stündchen auf der Bühn und dann nicht mehr Vernommen wird; ein Märchen ists, erzählt Von einem Blödling, voller Klang und Wut, Das nichts bedeutet.

(Ein Bote kommt.)

Du hast was auf der Zunge: schnell heraus!

BOTE Mein königlicher Herr, Ich sollte melden das, was, wie ich glaube, Ich sah; doch wie ichs tun soll, weiß ich nicht.

MACBETH Nun, sags nur, Mensch!

BOTE Als ich den Wachtdienst auf dem Hügel tat– Ich schau nach Birnam zu, und sieh, mir deucht, Der Wald fängt an zu gehn.

MACBETH Lügner und Sklav!

(Schlägt ihn.)

BOTE Laßt Euren Zorn mich fühlen, ists nicht so: Drei Meilen weit könnt Ihr ihn kommen sehn; Ein gehnder Wald–wahrhaftig!

MACBETH Sprichst du falsch, Sollst du am nächsten Baum lebendig hangen, Bis Hunger dich verschrumpft hat; sprichst du wahr, Magst du mir meinethalb dasselbe tun.– Einzieh ich die Entschlossenheit, beginne Den Doppelsinn des bösen Feinds zu merken, Der Lüge spricht wie Wahrheit: Fürchte nichts, Bis Birnams Wald anrückt auf Dunsinan!– Und nunmehr kommt ein Wald nach Dunsinan! Waffen nun, Waffen, und hinaus!– Ist Wahrheit das, was seine Meldung spricht, So ist kein Fliehn von hier, ist Bleiben nicht. Das Sonnenlicht will schon verhaßt mir werden; O fiel in Trümmer jetzt der Bau der Erden! Auf, läutet Sturm! Wind, blas! Heran, Verderben! Den Harnisch auf dem Rücken will ich sterben.

(Alle ab.)

SECHSTE SZENE

(Daselbst. Feld vor dem Schloß)

(Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, der alte Siward, Macduff, die übrigen Anführer, das Heer mit Zweigen.)

MALCOLM Jetzt nah genug! Werft ab die laubigen Schirme Und zeigt euch, wie ihr seid! Ihr, würdger Oheim, Führt mit dem Vetter, Eurem edlen Sohn, Die erste Schar; ich und der würdge Macduff Besorgen, was noch übrig ist zu tun, Wie wir es angeordnet.

SIWARD Lebt denn wohl! Zieht uns nur heut entgegen der Tyrann, Mag er den schlagen, der nicht fechten kann!

MACDUFF Trompeten, blast, beteuert kühnen Mut, Herolde ruft ihr uns in Tod und Blut!

(Alle ab. [Schlachtgetümmel hinter der Szene.])

SIEBENTE SZENE

(Daselbst. Ein andrer Teil des Feldes)

(Kriegsgeschrei. Macbeth tritt auf.)

MACBETH Sie banden mich an den Pfahl, fliehn kann ich nicht, Muß wie der Bär der Hatz entgegenkämpfen: Wo ist er, der nicht ward vom Weib geboren? Den fürcht ich, keinen sonst.

(Der junge Siward kommt.)

DER JUNGE SIWARD Wie ist dein Name?

MACBETH Du wirst erschrecken, ihn zu hören.

DER JUNGE SIWARD Nein! Nennst du dich auch mit einem grimmren Namen Als einer in der Höll.

MACBETH Mein Nam ist Macbeth.

DER JUNGE SIWARD Der Teufel selber könnte nichts verkünden, Verhaßter meinem Ohr.

MACBETH Und nichts so furchtbar.

DER JUNGE SIWARD Abscheulicher Tyrann, du lügst! Das soll Mein Schwert dir zeigen.

(Gefecht, der junge Siward fällt.)

MACBETH Wardst vom Weib geboren.– Der Schwerter lach ich, spotte der Gefahr, Womit ein Mann droht, den ein Weib gebar.

(Er geht ab. Getümmel, Macduff kommt.)

MACDUFF Dort ist der Lärm.–Zeig dein Gesicht, Tyrann! Fällst du, und nicht von meinem Schwert, so werden Mich meines Weibs, der Kinder Geister quälen; Ich kann auf armes Kernenvolk nicht schlagen, Die in gedungner Hand die Lanze führen. Nur du, Macbeth! Wo nicht, kehrt schartenlos Und ohne Tat mein Schwert zurück zur Scheide. Dort mußt du sein; dies mächtge Tosen kündet, Daß dort vom ersten Range einer kämpft. O Glück, eins bitt ich nur: laß mich ihn finden!

(Er geht ab. Getümmel. Malcolm und der alte Siward kommen.)

SIWARD Hieher, mein Prinz!–Das Schloß ergab sich willig; Auf beiden Seiten kämpft des Wütrichs Volk. Die edlen Thans tun wackre Kriegesdienste; Der Tag hat sich fast schon für Euch entschieden, Nur wenig ist zu tun.

MALCOLM Wir trafen Feinde, Die uns vorbei haun.

SIWARD Kommt, Prinz, in die Festung!

(Sie gehen ab. Getümmel,)

ACHTE SZENE

(Daselbst. Ein anderer Teil des Feldes)

(Macbeth kommt.)

MACBETH Weshalb sollt ich den römschen Narren spielen, Sterbend durchs eigne Schwert? So lange Leben Noch vor mir sind, stehn denen Wunden besser.

(Macduff kommt zurück.)

MACDUFF Zu mir, du Höllenhund, zu mir!

MACBETH Von allen Menschen mied ich dich allein; Du, mach dich nur zurück, mit Blut der Deinen Ist meine Seele schon zu sehr beladen.

MACDUFF Ich habe keine Worte, meine Stimme Ist nur in meinem Schwert. Du Schurke! Blutger, Als Sprache Worte hat!

(Sie fechten.)

MACBETH Verlorne Müh! So leicht magst du die unteilbare Luft Mit scharfem Schwert durchhaun, als mich verletzen. Auf Schädel, die verwundbar, schwing den Stahl; Mein Leben ist gefeit, kann nicht erliegen Einem vom Weib Gebornen.

MACDUFF So verzweifle An deiner Kunst, und sage dir der Engel, Dem du von je gedient, daß vor der Zeit Macduff geschnitten ward aus Mutterleib.

MACBETH Verflucht die Zunge, die mir dies verkündet, Denn meine beste Mannheit schlägt sie nieder! Und keiner trau dem Gaukelspiel der Hölle, Die uns mit doppelsinnger Rede äfft, Die Wort dem Ohr nur hält mit Glückverheißung Und es der Wahrheit bricht.–Mit dir nicht kämpf ich.

MACDUFF Nun, so ergib dich, Memme! Und leb als Wunderschauspiel für die Welt. Wir wollen dich als seltnes Ungeheuer Im Bild auf Stangen führen, mit der Schrift: Hier zeigt man den Tyrannen.

MACBETH Ich will mich nicht ergeben, um zu küssen Den Boden vor des Knaben Malcolm Fuß, Gehetzt zu werden von des Pöbels Flüchen. Ob Birnams Wald auch kam nach Dunsinan, Ob meinen Gegner auch kein Weib gebar, Doch wag ich noch das Letzte: vor die Brust Werf ich den mächtgen Schild. Nun magst dich wahren, Wer Halt! zuerst ruft, soll zur Hölle fahren!

(Sie gehen kämpfend ab. Rückzug. Trompeten. Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, der alte Siward, Rosse, Lenox, Angus, Cathness, Menteth und Soldaten.)

MALCOLM O wären lebend die vermißten Freunde!

SIWARD Mancher muß draufgehn; doch soviel ich sehe, Ist dieser große Tag wohlfeil erkauft.

MALCOLM Vermißt wird Macduff und Eur edler Sohn.

ROSSE Eur Sohn, Mylord, hat Kriegerschuld gezahlt. Er lebte nur, bis er ein Mann geworden; In seiner Kühnheit war dies kaum bewährt Durch unverzagten Kampf in blutger Schlacht, Als er starb wie ein Mann.

SIWARD So ist er tot?

ROSSE Ja, und getragen aus dem Feld. Eur Schmerz Muß nicht nach seinem Wert gemessen werden, Sonst wär er endlos.

SIWARD Hat er vorn die Wunden?

ROSSE Ja, auf der Stirn.

SIWARD Wohl: sei er Gottes Kriegsmann! Hätt ich so viele Söhn‘, als Haar‘ ich habe, Ich wünschte keinem einen schönern Tod: Das ist sein Grabgeläut.

MALCOLM Mehr Trauer ist er Noch wert; ich weih sie ihm.

SIWARD Mehr tun ist Schwäche. Er schied geehrt und zahlte seine Zeche. So, Gott sei mit ihm!–Seht, ein neuer Trost!

(Macduff kommt mit Macbeths Kopf.)

MACDUFF Heil, König! Denn das bist du. Schau, hier steht Des Usurpators Haupt; nun sind wir frei! Ich seh umringt dich von des Reiches Perlen, Die meinen Gruß im Herzen mit mir sprechen, Und deren lautes Wort ich jetzt erheische: Dem König Schottlands Heil!

ALLE Heil, Schottlands König!

(Trompetenstoß.)

MALCOLM Wir wollen nicht vergeblich Zeit verschwenden, Mit Eurer Liebe einzeln abzurechnen, Und quitt mit Euch zu werden. Thans und Vettern, Hinfort seid Grafen, die zuerst in Schottland Mit dieser Ehre prangen. Was zu tun noch, Was nun gepflanzt muß werden mit der Zeit, Als Rückberufung der verbannten Freunde, Die des Tyrannen listger Schling entflohn, Einziehn der blutgen Schergen dieses toten Bluthunds und seiner höllischen Königin, Die, wie man glaubt, gewaltsam selbst ihr Leben Geendet.–Alles, was Uns sonst noch obliegt, Das, mit der ewgen Gnade Gnadenhort, Vollenden Wir nach Maß und Zeit und Ort. Euch allen werd und jedem Dank und Lohn, Und jetzt zur Krönung lad ich Euch nach Scone. (Trompetenstoß. Alle ab.)

William Shakespeare – Julius Cäsar

William Shakespeare: Julius Cäsar

Erster Aufzug

Erste Szene

Rom. Eine Straße

Flavius, Marullus und ein Haufe von Bürgern

Flavius.

Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe! fort!

Ist dies ein Feiertag! Was? wißt ihr nicht,

Daß ihr als Handwerksleut an Werkeltagen

Nicht ohn ein Zeichen der Hantierung dürft

Umhergehn? – Welch‘ Gewerbe treibst du? sprich!

Erster Bürger.

Nun, Herr, ich bin ein Zimmermann.

Marullus.

Wo ist dein ledern Schurzfell und dein Maß?

Was machst du hier in deinen Sonntagskleidern? –

Ihr, Freund, was treibt Ihr?

Zweiter Bürger.

Die Wahrheit zu gestehn, Herr, gegen einen feinen Arbeiter gehalten, mache ich nur, sozusagen, Flickwerk.

Marullus.

Doch welch Gewerb? Antworte gradezu.

Zweiter Bürger.

Ein Gewerbe, Herr, das ich mit gutem Gewissen treiben kann, wie ich hoffe. Es besteht darin, einen schlechten Wandel zu verbessern.

Marullus.

Welch ein Gewerb, du Schuft? welch ein Gewerb?

Zweiter Bürger.

Nein, ich bitte Euch, Herr, laßt Euch die Geduld nicht reißen. Wenn aber ja was reißt, so gebt Euch nur in meine Hand.

Marullus.

Was meinst du damit? Mich in deine Hand geben, du naseweiser Bursch?

Zweiter Bürger.

Nun ja, Herr, damit ich Euch flicken kann.

Flavius.

Du bist ein Schuhflicker, nicht wahr?

Zweiter Bürger.

Im Ernst, Herr, ich bin ein Wundarzt für alte Schuhe: wenn’s gefährlich mit ihnen steht, so mache ich sie wieder heil. So hübsche Leute, als jemals auf Rindsleder getreten, sind auf meiner Hände Werk einhergegangen.

Flavius.

Doch warum bist du in der Werkstatt nicht?

Was führst du diese Leute durch die Gassen?

Zweiter Bürger.

Meiner Treu, Herr, um ihre Schuhe abzunutzen, damit ich wieder Arbeit kriege. Doch im Ernst, Herr, wir machen Feiertag, um den Cäsar zu sehen und uns über seinen Triumph zu freuen.

Marullus.

Warum euch freun? Was hat er wohl erobert?

Was für Besiegte führt er heim nach Rom

Und fesselt sie zur Zier an seinen Wagen?

Ihr Blöck‘! ihr Steine! schlimmer als gefühllos!

O harte Herzen! arge Männer Roms!

Habt ihr Pompejus nicht gekannt? Wie oft

Stiegt ihr hinan auf Mauern und auf Zinnen,

Auf Türme, Fenster, ja auf Feueressen,

Die Kinder auf dem Arm, und saßet da

Den lieben langen Tag, geduldig wartend,

Bis durch die Straßen Roms Pompejus zöge?

Und saht ihr seinen Wagen nur von fern,

Erhobt ihr nicht ein allgemeines Jauchzen,

So daß die Tiber bebt‘ in ihrem Bett,

Wenn sie des Lärmes Widerhall vernahm

An ihren hohlen Ufern?

Und legt ihr nun die Feierkleider an?

Und spart ihr nun euch einen Festtag aus?

Und streut ihr nun ihm Blumen auf den Weg,

Der siegprangt über des Pompejus Blut?

Hinweg!

In eure Häuser lauft, fallt auf die Knie

Und fleht die Götter an, die Not zu wenden,

Die über diesen Undank kommen muß!

Flavius.

Geht, geht, ihr guten Bürger! und versammelt

Für dies Vergehen eure armen Brüder;

Führt sie zur Tiber, weinet eure Tränen

Ins Flußbett, bis ihr Strom, wo er am flachsten,

Die höchsten ihrer Uferhöhen küßt.

(Die Bürger ab.)

Sieh, wie die Schlacken ihres Innern schmelzen!

Sie schwinden weg, verstummt in ihrer Schuld.

Geht Ihr den Weg, hinab zum Kapitol;

Hierhin will ich. Entkleidet dort die Bilder,

Seht Ihr mit Ehrenzeichen sie geschmückt.

Marullus.

Ist das erlaubt?

Ihr wißt, es ist das Luperkalienfest.

Flavius.

Es tut nichts: laßt mit den Trophäen Cäsars

Kein Bild behängt sein. Ich will nun umher

Und will den Pöbel von den Gassen treiben.

Das tut auch Ihr, wo Ihr gedrängt sie seht.

Dies wachsende Gefieder, ausgerupft

Der Schwinge Cäsars, wird den Flug ihm hemmen,

Der, über Menschenblicke hoch hinaus,

Uns alle sonst in knechtscher Furcht erhielte. (Beide ab.)

Zweite Szene

Ein öffentlicher Platz In einem feierlichen Aufzuge mit Musik kommen Cäsar, Antonius, zum Wettlauf gerüstet, Calpurnia, Portia, Decius, Cicero, Brutus, Cassius und Casca; hinter ihnen ein großes Gedränge, darunter ein Wahrsager

Cäsar.

Calpurnia!

Casca.

Still da! Cäsar spricht. (Die Musik hält inne.)

Cäsar.

Calpurnia!

Calpurnia.

Hier, mein Gemahl!

Cäsar.

Stellt dem Antonius grad Euch in den Weg

Wenn er zur Wette läuft. – Antonius!

Antonius.

Erlauchter Cäsar?

Cäsar.

Vergeßt, Antonius, nicht, in Eurer Eil

Calpurnia zu berühren; denn es ist

Ein alter Glaube, unfruchtbare Weiber,

Berührt bei diesem heilgen Wettelauf,

Entladen sich des Fluchs.

Antonius.

Ich werd es merken.

Wenn Cäsar sagt: «Tu das», so ist’s vollbracht.

Cäsar.

Beginnt; laßt nichts von den Gebräuchen aus. (Musik.)

Wahrsager.

Cäsar!

Cäsar.

He, wer ruft?

Casca.

Es schweige jeder Lärm: noch einmal, still! (Die Musik hält inne.)

Cäsar.

Wer ist es im Gedräng, der mich begehrt?

Durch die Musik dringt gellend eine Stimme,

Die «Cäsar!» ruft. Spricht Cäsar neigt sein Ohr.

Wahrsager.

Nimm, vor des Märzen Idus dich in acht.

Cäsar.

Wer ist der Mann?

Brutus.

Ein Wahrsager; er warnt Euch vor des Märzen Idus.

Cäsar.

Führt ihn mir vor, laßt sein Gesicht mich sehn.

Casca.

Komm aus dem Haufen, Mensch; tritt vor den Cäsar.

Cäsar.

Was sagst du nun zu mir? Sprich noch einmal.

Wahrsager.

Nimm vor des Märzen Idus dich in acht.

Cäsar.

Er ist ein Träumer; laßt ihn gehn, und kommt. (Ein Marsch. Alle bis auf Brutus und Cassius gehn ab.)

Cassius.

Wollt Ihr den Hergang bei dem Wettlauf sehn?

Brutus.

Ich nicht.

Cassius.

Ich bitt Euch, tut’s.

Brutus.

Ich hab am Spiel nicht Lust, mir fehlt ein Teil

Vom muntern Geiste des Antonius;

Doch muß ich Euch in Eurem Wunsch nicht hindern.

Ich laß Euch, Cassius.

Cassius.

Brutus, seit kurzem geb ich acht auf Euch;

Ich find in Eurem Blick die Freundlichkeit,

Die Liebe nicht, an die Ihr mich gewöhnt.

Zu unwirsch und zu fremd begegnet Ihr

Dem Freunde, der Euch liebt.

Brutus.

Mein Cassius,

Betrügt Euch nicht. Hab ich den Blick verschleiert,

So kehrt die Unruh meiner Mienen sich

Nur gegen mich allein. Seit kurzem quälen

Mich Regungen von streitender Natur,

Gedanken, einzig für mich selbst geschickt,

Die Schatten wohl auf mein Betragen werfen.

Doch laßt dies meine Freunde nicht betrüben

(Wovon Ihr einer sein müßt, Cassius),

Noch mein achtloses Wesen anders deuten,

Als daß, mit sich im Krieg, der arme Brutus

Den andern Liebe kund zu tun vergißt.

Cassius.

Darin, Brutus, mißverstand ich Euren Unmut.

Deshalb begrub hier diese Brust Entwürfe

Von großem Werte, würdige Gedanken.

Sagt, Brutus, könnt Ihr Euer Antlitz sehn?

Brutus.

Nein, Cassius, denn das Auge sieht sich nicht,

Als nur im Widerschein, durch andre Dinge.

Cassius.

So ist’s;

Und man beklagt sich sehr darüber, Brutus,

Daß Ihr nicht solche Spiegel habt, die Euren

Verborgnen Wert Euch in die Augen rückten,

Auf daß Ihr Euren Schatten säht. Ich hörte,

Wie viele von den ersten Männern Roms

(Nur Cäsarn nehm ich aus), von Brutus redend,

Und seufzend unter dieser Zeiten Joch,

Dem edlen Brutus offne Augen wünschten.

Brutus.

Auf welche Wege, Cassius, lockt Ihr mich,

Daß Ihr mich heißt in meinem Innern suchen,

Was doch nicht in mir ist?

Cassius.

Drum, lieber Brutus, schickt Euch an zu hören.

Und weil Ihr wißt, Ihr könnt Euch selbst so gut

Nicht sehn als durch den Widerschein, so will

Ich, Euer Spiegel, Euch bescheidentlich

Von Euch entdecken, was Ihr noch nicht wißt.

Und denkt von mir kein Arges, werter Brutus.

Wär ich ein Lacher aus der Menge; pflegt ich

Mein Herz durch Alltagsschwüre jedem neuen

Beteurer auszubieten; wenn Ihr wißt,

Daß ich die Menschen streichle, fest sie herze

Und dann sie lästre; oder wenn Ihr wißt,

Daß ich beim Schmaus mich mit der ganzen Schar

Verbrüdern mag, dann hütet Euch vor mir. (Trompeten und Freudengeschrei.)

Brutus.

Was heißt dies Jauchzen? Wie ich fürchte, wählt

Das Volk zum König Cäsarn.

Cassius.

Fürchtet Ihr’s?

Das hieße ja, Ihr möchtet es nicht gern.

Brutus.

Nein, Cassius, nicht gern; doch lieb ich ihn.

Doch warum haltet Ihr mich hier so lange?

Was ist es, das Ihr mir vertrauen möchtet?

Ist’s etwas, dienlich zum gemeinen Wohl,

Stellt Ehre vor ein Auge, Tod vors andre,

Und beide seh ich gleiches Mutes an.

Die Götter sein mir günstig, wie ich mehr

Die Ehre lieb, als vor dem Tod mich scheue.

Cassius.

Ich weiß, daß diese Tugend in Euch wohnt,

Sogut ich Euer äußres Ansehn kenne.

Wohl! Ehre ist der Inhalt meiner Rede.

Ich weiß es nicht, wie Ihr und andre Menschen

Von diesem Leben denkt; mir, für mich selbst,

Wär es so lieb, nicht da sein, als zu leben

In Furcht vor einem Wesen wie ich selbst.

Ich kam wie Cäsar frei zur Welt, so Ihr;

Wir nährten uns sogut, wir können beide

Sogut wie er des Winters Frost ertragen.

Denn einst, an einem rauhen stürmschen Tage,

Als wild die Tiber an ihr Ufer tobte,

Sprach Cäsar zu mir: «Wagst du, Cassius, nun

Mit mir zu springen in die zornge Flut

Und bis dorthin zu schwimmen?» – Auf dies Wort,

Bekleidet, wie ich war, stürzt ich hinein

Und hieß ihn folgen; wirklich tat er’s auch.

Der Strom brüllt‘ auf uns ein; wir schlugen ihn

Mit wackern Sehnen, warfen ihn beiseit

Und hemmten ihn mit einer Brust des Trotzes.

Doch eh wir das gewählte Ziel erreicht,

Rief Cäsar: «Hilf mir, Cassius! ich sinke.»

Ich, wie Äneas, unser großer Ahn,

Aus Trojas Flammen einst auf seinen Schultern

Den alten Vater trug, so aus den Wellen

Zog ich den müden Cäsar. – Und der Mann

Ist nun zum Gott erhöht, und Cassius ist

Ein arm Geschöpf und muß den Rücken beugen,

Nickt Cäsar nur nachlässig gegen ihn.

Als er in Spanien war, hatt er ein Fieber,

Und wenn der Schaur ihn ankam, merkt ich wohl

Sein Beben: ja, er bebte, dieser Gott!

Das feige Blut der Lippen nahm die Flucht,

Sein Auge, dessen Blick die Welt bedräut,

Verlor den Glanz, und ächzen hört ich ihn.

Ja, dieser Mund, der horchen hieß die Römer

Und in ihr Buch einzeichnen seine Reden,

Ach, rief: «Titinius! gib mir zu trinken!»

Wie’n krankes Mädchen. Götter! ich erstaune,

Wie nur ein Mann so schwächlicher Natur

Der stolzen Welt den Vorsprung abgewann,

Und nahm die Palm allein. (Jubelgeschrei. Trompeten.)

Brutus.

Ein neues Jauchzen!

Ich glaube, dieser Beifall gilt die Ehren,

Die man auf Cäsars Haupt von neuem häuft.

Cassius.

Ja, er beschreitet, Freund, die enge Welt

Wie ein Colossus, und wir kleinen Leute,

Wir wandeln unter seinen Riesenbeinen,

Und schaun umher nach einem schnöden Grab.

Der Mensch ist manchmal seines Schicksals Meister:

Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus,

Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.

Brutus und Cäsar – was steckt doch in dem Cäsar,

Daß man den Namen mehr als Euren spräche?

Schreibt sie zusammen: ganz so schön ist Eurer;

Sprecht sie: er steht den Lippen ganz so wohl;

Wägt sie: er ist so schwer; beschwört mit ihnen:

Brutus ruft Geister auf so schnell wie Cäsar.

(Jubelgeschrei.)

Nun denn, im Namen der gesamten Götter,

Mit was für Speise nährt der Cäsar sich,

Daß er so groß ward? Zeit, du bist entehrt.

Rom, du verlorst die Kraft des Heldenstamms.

Welch Alter schwand wohl seit der großen Flut,

Das nicht geglänzt durch mehr als einen Mann?

Wer sagte jemals, wenn er sprach von Rom,

Es faß ihr weiter Kreis nur einen Mann?

Nun ist in Rom fürwahr des Raums genug:

Find’t man darin nur einen einzgen Mann.

O, beide hörten wir von unsern Vätern:

«Einst gab es einen Brutus, der so gern

Des alten Teufels Hof als einen König

Geduldet hätt in Rom.»

Brutus.

Daß Ihr mich liebt, bezweifl‘ ich keineswegs;

Worauf Ihr bei mir dringt, das ahn ich wohl;

Was ich davon gedacht und von den Zeiten,

Erklär ich Euch in Zukunft. Doch für jetzt

Möcht ich, wenn ich Euch freundlich bitten darf,

Nicht mehr getrieben sein. Was ihr gesagt,

Will ich erwägen; was Ihr habt zu sagen,

Mit Ruhe hören und gelegne Zeit,

So hohe Dinge zu besprechen, finden.

Bis dahin, edler Freund, beherzigt dies:

Brutus wär lieber eines Dorfs Bewohner,

Als sich zu zählen zu den Söhnen Roms

In solchem harten Stand, wie diese Zeit

Uns aufzulegen droht.

Cassius.

Ich bin erfreut, daß meine schwachen Worte

Dem Brutus so viel Funken nur entlockt. Cäsar und sein Zug kommen zurück.

Brutus.

Das Spiel ist aus, und Cäsar kehrt zurück.

Cassius.

Wenn sie uns nahn, zupft Casca nur am Ärmel,

Er wird nach seiner mürr’schen Art Euch sagen,

Was von Belang sich heut ereignet hat.

Brutus.

Ich will es tun. Doch seht nur, Cassius,

Auf Cäsars Stirne glüht der zornge Fleck,

Die andern sehn gescholtnen Dienern gleich.

Calpurnias Wang ist blaß, und Cicero

Blickt mit so feurigen und roten Augen,

Wie wir ihn wohl im Kapitol gesehn,

Wenn Senatoren ihn im Rat bestritten.

Cassius.

Casca wird uns berichten, was es gibt.

Cäsar.

Antonius!

Antonius.

Cäsar?

Cäsar.

Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,

Mit glatten Köpfen, und die nachts gut schlafen.

Der Cassius dort hat einen hohlen Blick;

Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich.

Antonius.

O fürchtet den nicht; er ist nicht gefährlich,

Er ist ein edler Mann und wohlgesinnt.

Cäsar.

Wär er nur fetter! – Zwar ich fürcht ihn nicht;

Doch wäre Furcht nicht meinem Namen fremd,

Ich kenne niemand, den ich eher miede

Als diesen hagern Cassius. Er liest viel;

Er ist ein großer Prüfer und durchschaut

Das Tun der Menschen ganz; er liebt kein Spiel,

Wie du, Antonius, hört nicht Musik;

Er lächelt selten, und auf solche Weise,

Als spott er sein, verachte seinen Geist,

Den irgend was zum Lächeln bringen konnte.

Und solche Männer haben nimmer Ruh,

Solang die jemand größer sehn als sich;

Das ist es, was sie so gefährlich macht.

Ich sag dir eher, was zu fürchten stände,

Als was ich fürchte; ich bin stets doch Cäsar.

Komm mir zur Rechten, denn dies Ohr ist taub,

Und sag mir wahrhaft, was du von ihm denkst. (Cäsar und sein Gefolge ab; Casca bleibt zurück.)

Casca.

Ihr zogt am Mantel mich; wollt Ihr mich sprechen?

Brutus.

Ja, Casca, sag uns, was sich heut begeben,

Daß Cäsar finster sieht.

Casca.

Ihr wart ja bei ihm; wart Ihr nicht?

Brutus.

Dann fragt ich Casca nicht, was sich begeben.

Casca.

Nun, man bot ihm eine Krone an, und als man sie ihm anbot, schob er sie mit dem Rücken der Hand zurück: so -; und da erhob das Volk ein Jauchzen.

Brutus.

Worüber jauchzten sie zum andern Mal?

Casca.

Nun, auch darüber.

Cassius.

Sie jauchzten dreimal ja; warum zuletzt?

Casca.

Nun, auch darüber.

Brutus.

Wurd ihm die Krone dreimal angeboten?

Casca.

Ei, meiner Treu, wurde sie’s, und er schob sie dreimal zurück; jedesmal sachter als das vorige Mal; und bei jedem Zurückschieben jauchzten meine ehrlichen alten Freunde.

Cassius.

Wer bot ihm die Krone an?

Casca.

Je nun, Antonius.

Brutus.

Sagt uns die Art und Weise, lieber Casca.

Casca.

Ich kann mich ebensogut hängen lassen, als euch die Art und Weise erzählen: es waren nichts als Possen, ich gab nicht acht darauf. Ich sah den Mark Anton ihm eine Krone anbieten – doch eigentlich war’s keine rechte Krone, es war so ’ne Art von Stirnband – und wie ich euch sagte, er schob sie einmal beiseite; aber bei alledem hätte er sie nach meinem Bedünken gern gehabt. Dann bot er sie ihm nochmals an, und dann schob er sie nochmals zurück; aber nach meinem Bedünken kam es ihm hart an, die Finger wieder davonzutun. Und dann bot er sie ihm zum dritten Male an; er schob sie zum dritten Male zurück; und jedesmal, daß er sie ausschlug, kreischte das Gesindel und klatscht in die rauhen Fäuste und warfen die schweißigen Nachtmützen in die Höhe und gaben eine solche Last stinkenden Atems von sich, weil Cäsar die Krone ausschlug, daß Cäsar fast daran erstickt wäre; denn er ward ohnmächtig und fiel nieder, und ich für mein Teil wagte nicht zu lachen, aus Furcht, ich möchte den Mund auftun und die böse Luft einatmen.

Cassius.

Still doch! ich bitt Euch. Wie? er fiel in Ohnmacht?

Casca.

Er fiel auf dem Marktplatze nieder, hatte Schaum vor dem Munde und war sprachlos.

Brutus.

Das mag wohl sein; er hat die fallende Sucht.

Cassius.

Nein, Cäsar hat sie nicht. Doch Ihr und ich

Und unsrer wackrer Casca, wir haben sie.

Casca.

Ich weiß nicht, was Ihr damit meint; aber ich bin gewiß, Cäsar fiel nieder. Wenn das Lumpenvolk ihn nicht beklatschte und auszischte, je nachdem er ihnen gefiel oder mißfiel, wie sie es mit den Komödianten auf dem Theater machen, so bin ich kein ehrlicher Kerl.

Brutus.

Was sagt‘ er, als er zu sich selber kam?

Casca.

Ei nun, eh er hinfiel, als er merkte, daß der gemeine Haufe sich freute, daß er die Krone ausschlug, so riß er euch sein Wams auf und bot ihnen seinen Hals zum Abschneiden – triebe ich irgend ’ne Hantierung, so will ich mit den Schuften zur Hölle fahren, wo ich ihn nicht beim Wort genommen hätte – und damit fiel er hin. Als er wieder zu sich selbst kam, sagte er, wenn er irgendwas Unrechtes getan oder gesagt hätte, so bäte er Ihre Edeln, es seinem Übel beizumessen. Drei oder vier Weibsbilder, die bei mir standen, riefen – «Ach, die gute Seele!» und vergaben ihm von ganzem Herzen. Doch das gilt freilich nicht viel; wenn er ihre Mütter totgeschlagen hätte, sie hätten’s ebensogut getan.

Brutus.

Und darauf ging er so verdrießlich weg?

Casca.

Ja.

Cassius.

Hat Cicero etwas gesagt?

Casca.

Ja, er sprach griechisch.

Cassius.

Was wollt er denn?

Casca.

Ja, wenn ich Euch das sage, so will ich Euch niemals wieder vor die Augen kommen. Aber die ihn verstanden, lächelten einander zu und schüttelten die Köpfe. Doch was mich anlangt, mir war es griechisch. Ich kann Euch noch mehr Neues erzählen: dem Marullus und Flavius ist das Maul gestopft, weil sie Binden von Cäsars Bildsäulen gerissen haben. Lebt wohl. Es gab noch mehr Possen, wenn ich mich nur darauf besinnen könnte.

Cassius.

Wollt Ihr heute abend bei mir speisen, Casca?

Casca.

Nein, ich bin schon versagt.

Cassius.

Wollt Ihr morgen bei mir zu Mittag speisen?

Casca.

Ja, wenn ich lebe und Ihr bei Eurem Sinne bleibt und Eure Mahlzeit das Essen verlohnt.

Cassius.

Gut, ich erwart Euch.

Casca.

Tut das; lebt beide wohl! (Ab.)

Brutus.

Was für ein plumper Bursch ist dies geworden?

Er war voll Feuer als mein Schulgenoß.

Cassius.

Das ist er jetzt noch bei der Ausführung

Von jedem kühnen, edlen Unternehmen,

Stellt er sich schon so unbeholfen an.

Dies rauhe Wesen dient gesundem Witz

Bei ihm zur Brüh; es stärkt der Leute Magen,

Eßlustig seine Reden zu verdaun.

Brutus.

So ist es auch. Für jetzt verlaß ich Euch,

Und morgen, wenn Ihr wünscht mit mir zu sprechen,

Komm ich zu Euch ins Haus; doch wenn Ihr wollt,

So kommt zu mir, und ich will Euch erwarten.

Cassius.

Das will ich; bis dahin gedenkt der Welt.

(Brutus ab.)

Gut, Brutus, du bist edel; doch ich sehe,

Dein löbliches Gemüt kann seiner Art

Entwendet werden. Darum ziemt es sich,

Daß Edle sich zu Edlen immer halten.

Wer ist so fest, den nichts verführen kann?

Cäsar ist feind mir, und er liebt den Brutus,

Doch wär ich Brutus nun, er Cassius,

Er sollte mich nicht lenken. Diese Nacht

Werf ich ihm Zettel von verschiednen Händen,

Als ob sie von verschiednen Bürgern kämen,

Durchs Fenster, alle voll der großen Meinung,

Die Rom von seinem Namen hegt, wo dunkel

Auf Cäsars Ehrsucht soll gedeutet sein.

Dann denke Cäsar seines nahen Falles;

Wir stürzen bald ihn, oder dulden alles. (Ab.)

Dritte Szene

Eine Straße. Ungewitter

Casca, mit gezognem Schwert, und Cicero kommen von verschiednen Seiten

Cicero.

Guten Abend, Casca! Kommt Ihr her von Cäsar?

Warum so atemlos und so verstört?

Casca.

Bewegt’s Euch nicht, wenn dieses Erdballs Feste

Wankt wie ein schwaches Rohr? O Cicero!

Ich sah wohl Stürme, wo der Winde Schelten

Den knotgen Stamm gespaltet, und ich sah

Das stolze Meer anschwellen, wüten, schäumen,

Als wollt es an die drohnden Wolken reichen;

Doch nie bis heute nacht, noch nie bis jetzt

Ging ich durch einen Feuerregen hin.

Entweder ist im Himmel innrer Krieg,

Wo nicht, so reizt die Welt durch Übermut

Die Götter, uns Zerstörung herzusenden.

Cicero.

Ja, saht Ihr jemals wundervollre Dinge?

Casca.

Ein Sklave, den Ihr wohl von Ansehn kennt,

Hob seine linke Hand empor; sie flammte

Wie zwanzig Fackeln auf einmal, und doch,

Die Glut nicht fühlend, blieb sie unversengt.

Auch kam (seitdem steckt ich mein Schwert nicht ein)

Beim Kapitol ein Löwe mir entgegen;

Er gaffte stark mich an, ging mürrisch weiter

Und tat mir nichts. Auf einen Haufen hatten

Wohl hundert bleiche Weiber sich gedrängt,

Entstellt von Furcht; die schwuren, daß sie Männer

Mit feurgen Leibern wandern auf und ab

Die Straßen sahn. Und gestern saß der Vogel

Der Nacht sogar am Mittag auf dem Markte

Und kreischt‘ und schrie. Wenn dieser Wunderzeichen

So viel zusammentreffen, sage niemand:

«Dies ist der Grund davon, sie sind natürlich»;

Denn Dinge schlimmer Deutung, glaub ich, sind’s

Dem Himmelstrich, auf welchen sie sich richten.

Cicero.

Gewiß, die Zeit ist wunderbar gelaunt;

Doch Menschen deuten oft nach ihrer Weise

Die Dinge, weit entfernt vom wahren Sinn.

Kommt Cäsar morgen auf das Kapitol?

Casca.

Ja, denn er trug es dem Antonius auf,

Euch kund zu tun, er werde morgen kommen.

Cicero.

Schlaft wohl denn, Casca! Dieser Aufruhr läßt

Nicht draußen weilen.

Casca.

Cicero, lebt wohl! (Cicero ab.) Cassius tritt auf.

Cassius.

Wer da?

Casca.

Ein Römer.

Cassius.

Casca, nach der Stimme.

Casca.

Eur Ohr ist gut. Cassius, welch eine Nacht?

Cassius.

Die angenehmste Nacht für wackre Männer.

Casca.

Wer sah den Himmel je so zornig drohn?

Cassius.

Die, welche so voll Schuld die Erde sahn.

Ich, für mein Teil, bin durch die Stadt gewandert,

Mich unterwerfend dieser grausen Nacht,

Und so entgürtet, Casca, wie Ihr seht,

Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt.

Und wenn des Blitzes schlängelnd Blau zu öffnen

Des Himmels Busen schien, bot ich mich selbst

Dem Strahl des Wetters recht zum Ziele dar.

Casca.

Warum versucht Ihr den Himmel so?

Es steht dem Menschen Furcht und Zittern an,

Wenn die gewaltgen Götter solche Boten

Furchtbarer Warnung, uns zu schrecken, senden.

Cassius.

O Casca! Ihr seid stumpf; der Lebensfunke,

Der glühen sollt in Römern, fehlt Euch, oder

Ihr braucht ihn nicht. Ihr sehet bleich und starrt,

Von Furcht ergriffen und versenkt in Staunen,

Des Himmels ungewohnten Grimm zu schauen.

Doch wolltet Ihr den wahren Grund erwägen,

Warum die Feur, die irren Geister alle,

Was Tier‘ und Vögel macht vom Stamm entarten

Und Greise faseln, Kinder prophezein;

Warum all diese Dinge ihr Gesetz,

Natur und angeschaffne Gaben wandeln

In Mißbeschaffenheit: nun so erkennt Ihr,

Der Himmel hauchte diesen Geist in sie,

Daß sie der Furcht und Warnung Werkzeug würden

Für irgendeinen mißbeschaffnen Zustand.

Nun könnt ich, Casca, einen Mann dir nennen,

Ganz ähnlich dieser schreckenvollen Nacht,

Der donnert, blitzt, die Gräber öffnet, brüllt,

So wie der Löwe dort im Kapitol;

Ein Mann, nicht mächtiger als ich und du

An Leibeskraft, doch drohend angewachsen,

Und furchtbar, wie der Ausbruch dieser Gärung.

Casca.

’s ist Cäsar, den Ihr meint. Nicht, Cassius?

Cassius.

Es sei auch, wer es sei: die Römer haben

Jetzt Mark und Bein, wie ihre Ahnen hatten.

Doch weh uns! unsrer Väter Geist ist tot,

Und das Gemüt der Mütter lenket uns,

Denn unser Joch und Dulden zeigt uns weibisch.

Casca.

Ja freilich heißt’s, gewillt sei der Senat,

Zum König morgen Cäsarn einzusetzen;

Er soll zur See, zu Land die Krone tragen

An jedem Ort, nur in Italien nicht.

Cassius.

Ich weiß, wohin ich diesen Dolch dann kehre;

Den Cassius soll von Knechtschaft Cassius lösen.

Darin, ihr Götter, macht ihr Schwache stark,

Darin, ihr Götter, bändigt ihr Tyrannen;

Noch felsenfeste Burg, noch ehrne Mauern,

Noch dumpfe Keller, noch der Ketten Last

Sind Hindernisse für des Geistes Stärke.

Das Leben, dieser Erdenschranken satt,

Hat stets die Macht, sich selber zu entlassen.

Und weiß ich dies, so wiß auch alle Welt:

Den Teil der Tyrannei, der auf mit liegt,

Werf ich nach Willkür ab.

Casca.

Das kann auch ich.

So trägt ein jeder Sklav in eigner Hand

Gewalt, zu brechen die Gefangenschaft.

Cassius.

Warum denn wäre Cäsar ein Tyrann?

Der arme Mann! Ich weiß, er wär kein Wolf,

Wenn er nicht säh, die Römer sind nur Schafe;

Er wär kein Leu, wenn sie nicht Rehe wären.

Wer eilig will ein mächtig Feuer machen,

Nimmt schwaches Stroh zuerst; was für Gestrüpp

Ist Rom, und was für Plunder, wenn es dient

Zum schlechten Stoff, der einem schnöden Dinge

Wie Cäsar Licht verleiht? Doch, o mein Gram!

Wo führtest du mich hin? Ich spreche dies

Vielleicht vor einem willgen Knecht; dann weiß ich,

Daß ich muß Rede stehn; doch führ ich Waffen,

Und mich bekümmern die Gefahren nicht.

Casca.

Ihr sprecht mit Casca, einem Mann, der nie

Ein Ohrenbläser war. Hier, meine Hand!

Werbt nur Partei zur Abstellung der Übel,

Und dieser Fuß soll Schritt mit jedem halten,

Der noch soweit geht.

Cassius.

Ein geschloßner Handel!

Nun, Casca, wißt: ich habe manche schon

Der Edelmütigsten von Rom beredet,

Mit mir ein Unternehmen zu bestehn

Von ehrenvoll-gefährlichem Erfolg.

Ich weiß, sie warten in Pompejus‘ Halle

Jetzt eben mein; denn in der furchtbarn Nacht

Kann niemand unter freiem Himmel dauern.

Des Elementes Antlitz und Gestalt

Ist wie das Werk beschaffen, das wir treiben:

Höchst blutig, feurig und höchst fürchterlich. Cinna tritt auf.

Casca.

Seid still ein Weilchen, jemand kommt in Eil.

Cassius.

Ich hör am Gange, daß es Cinna ist;

Er ist ein Freund. – Cinna, wohin so eilig?

Cinna.

Euch sucht ich. Wer ist das? Metellus Cimber?

Cassius.

Nein, es ist Casca, ein Verbündeter

Zu unsrer Tat. Werd ich erwartet, Cinna?

Cinna.

Das ist mir lieb. Welch eine grause Nacht!

Ein paar von uns sahn seltsame Gesichte.

Cassius.

Werd ich erwartet, sagt mir?

Cinna.

Ja,

Ihr werdet es. O Cassius! könntet Ihr

In unsern Bund den edlen Brutus ziehn –

Cassius.

Seid ruhig! Guter Cinna, diesen Zettel,

Seht, wie Ihr in des Prätors Stuhl ihn legt,

Daß Brutus nur ihn finde; diesen werft

Ihm in das Fenster; diesen klebt mit Wachs

Ans Bild des alten Brutus. Dies getan,

Kommt zu Pompejus‘ Hall und trefft uns dort.

Ist Decius Brutus und Trebonius da?

Cinna.

Ja, alle, bis auf Cimber, und der sucht

In Eurem Haus Euch auf. Gut, ich will eilen

Die Zettel anzubringen, wie Ihr wünscht.

Cassius.

Dann stellt Euch ein bei des Pompejus‘ Bühne.

(Cinna ab.)

Kommt, Casca, laßt uns beide noch vor Tag

In seinem Hause Brutus sehn. Drei Viertel

Von ihm sind unser schon; der ganze Mann

Ergibt sich bei dem nächsten Angriff uns.

Casca.

O, er sitzt hoch in alles Volkes Herzen,

Und was in uns als Frevel nur erschiene,

Sein Ansehn wird es, wie der Stein der Weisen,

In Tugend wandeln und in Würdigkeit.

Cassius.

Ihn, seinen Wert, wie sehr wir ihn bedürfen,

Gabt Ihr recht wohl getroffen. Laßt uns gehn,

Es ist nach Mitternacht; wir wollen ihn

Vor Tage wecken und uns sein versichern. (Ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Rom. Der Garten des Brutus

Brutus tritt auf

Brutus.

He, Lucius! auf! –

Ich kann nicht aus der Höh der Sterne raten,

Wie nah der Tag ist. – Lucius, hörst du nicht? –

Ich wollt, es wär mein Fehler, so zu schlafen. –

Nun, Lucius, nun! Ich sag: erwach! Auf, Lucius! Lucius kommt.

Lucius.

Herr, riefet Ihr?

Brutus.

Bring eine Kerze mir ins Lesezimmer,

Und wenn sie brennt, so komm und ruf mich hier.

Lucius.

Ich will es tun, Herr. (Ab.)

Brutus.

Es muß durch seinen Tod geschehn. Ich habe

Für mein Teil keinen Grund, ihn wegzustoßen,

Als fürs gemeine Wohl. Er wünscht, gekrönt zu sein;

Wie seinen Sinn das ändern möchte, fragt sich.

Der warme Tag ist’s, der die Natter zeugt;

Das heischt mit Vorsicht gehn. Ihn krönen? – Ja –

Und dann ist’s wahr, wir leihn ihm einen Stachel,

Womit er kann nach Willkür Schaden tun.

Der Größe Mißbrauch ist, wenn von der Macht

Sie das Gewissen trennt; und, um von Cäsarn

Die Wahrheit zu gestehn, ich sah noch nie,

Daß ihn die Leidenschaften mehr beherrscht

Als die Vernunft. Doch oft bestätigt sich’s,

Die Demut ist der jungen Ehrfurcht Leiter;

Wer sie hinanklimmt, kehrt den Blick ihr zu;

Doch hat er erst die höchste Spross‘ erreicht,

Dann kehret er der Leiter seinen Rücken,

Schaut himmelan, verschmäht die niedern Tritte,

Die ihn hinaufgebracht. Das kann auch Cäsar:

Drum, eh er kann, beugt vor. Und weil der Streit

Nicht Schein gewinnt durch das, was Cäsar ist,

Legt so ihn aus: das, was er ist, vergrößert,

Kann dies und jenes Übermaß erreichen.

Drum achtet ihn gleich einem Schlangenei,

Das, ausgebrütet, giftig würde werden

Wie sein Geschlecht, und würgt ihn in der Schale. Lucius kommt zurück.

Lucius.

Die Kerze brennt in Eurem Zimmer, Herr.

Als ich nach Feuerstein im Fenster suchte,

Fand ich dies Blatt, versiegelt; und ich weiß,

Es war nicht da, als ich zu Bette ging.

Brutus.

Geh wieder in dein Bett; es ist noch Nacht.

Ist morgen nicht des Märzen Idus, Knabe?

Lucius.

Ich weiß nicht, Herr.

Brutus.

Such im Kalender denn, und sag es mir.

Lucius.

Das will ich, Herr. (Ab.)

Brutus.

Die Ausdünstungen, schwirrend in der Luft,

Gewähren Licht genug, dabei zu lesen.

(Er öffnet den Brief und liest.)

«Brutus, du schläfst. Erwach und sieh dich selbst!

Soll Rom? – Sprich, schlage, stelle her!

Brutus, du schläfst. Erwache! -»

Oft hat man schon dergleichen Aufgebote

Mir in den Weg gestreut.

«Soll Rom?» – So muß ich es ergänzen:

«Soll Rom vor einem Manne beben?» Wie?

Mein Ahnherr trieb einst von den Straßen Roms

Tarquin hinweg, als er ein König hieß.

«Sprich, schlage, stelle her!» Werd ich zu sprechen,

Zu schlagen angemahnt? O Rom, ich schwöre,

Wenn nur die Herstellung erfolgt, empfängst du

Dein ganz Begehren von der Hand des Brutus! Lucius kommt zurück.

Lucius.

Herr, vierzehn Tage sind vom März verstrichen. (Man klopft draußen.)

Brutus.

’s ist gut. Geh an die Pforte; jemand klopft. (Lucius ab.)

Seit Cassius mich spornte gegen Cäsar,

Schlief ich nicht mehr.

Bis zur Vollführung einer furchtbarn Tat,

Vom ersten Antrieb, ist die Zwischenzeit

Wie ein Phantom, ein grauenvoller Traum.

Der Genius und die sterblichen Organe

Sind dann im Rat vereint; und die Verfassung

Des Menschen, wie ein kleines Königreich,

Erleidet dann den Zustand der Empörung. Lucius kommt zurück.

Lucius.

Herr, Euer Bruder Cassius wartet draußen;

Er wünschet Euch zu sehn.

Brutus.

Ist er allein?

Lucius.

Nein, es sind mehr noch bei ihm.

Brutus.

Kennst du sie?

Lucius.

Nein, Herr, sie tragen eingedrückt die Hüte

Und das Gesicht im Mantel halb begraben,

Daß ich durchaus sie nicht erkennen kann

An irgendeinem Zuge.

Brutus.

Laß sie sein. (Lucius ab.)

Es sind die Bundesbrüder. O Verschwörung!

Du schämst dich, die verdächtge Stirn bei Nacht

Zu zeigen, wann das Bös‘ am freisten ist?

O denn, bei Tag, wo willst du eine Höhle

Entdecken, dunkel gnug es zu verlarven,

Dein schnödes Antlitz? – Verschwörung, suche keine!

In Lächeln hüll es und in Freundlichkeit!

Denn trätst du auf in angeborner Bildung,

So wär der Erebus nicht finster gnug,

Vor Argwohn dich zu schützen. Cassius, Casca, Decius, Metellus Cimber und Trebonius treten auf.

Cassius.

Sind wir gelegen? Guten Morgen, Brutus!

Ich fürchte, daß wie Eure Ruhe stören.

Brutus.

Längst war ich auf und wach die ganze Nacht.

Kenn ich die Männer, welche mit Euch kommen?

Cassius.

Ja, jeden aus der Zahl; und keiner hier,

Der Euch nicht hoch hält, und ein jeder wünscht,

Ihr hättet nur die Meinung von Euch selbst,

Die jeder edle Römer von Euch hegt.

Dies ist Trebonius.

Brutus.

Er ist willkommen.

Cassius.

Dies Decius Brutus.

Brutus.

Er ist auch willkommen.

Cassius.

Dies Casca, dies Cinna, und dies Metellus Cimber.

Brutus.

Willkommen alle!

Was stellen sich für wache Sorgen zwischen

Die Nacht und eure Augen?

Cassius.

Auf ein Wort,

Wenn’s Euch beliebt. (Sie reden leise miteinander.)

Decius.

Hier liegt der Ost: bricht da der Tag nicht an?

Casca.

Nein.

Cinna.

Doch, um Verzeihung! und die grauen Streifen,

Die das Gewölk durchziehn, sind Tagesboten.

Casca.

Ihr sollt gestehn, daß ihr euch beide trügt.

Die Sonn erscheint hier, wo mein Degen hinweist;

Das ist ein gut Teil weiter hin nach Süden,

Wenn ihr die junge Jahreszeit erwägt.

Zwei Monde noch, und höher gegen Norden

Steigt ihre Flamm empor, und grade hier

Steht hinterm Kapitol der hohe Ost.

Brutus.

Gebt eure Hand mir, einer nach dem andern.

Cassius.

Und lasset uns beschwören den Entschluß.

Brutus.

Nein, keinen Eid! Wenn nicht der Menschen Antlitz,

Das innre Seelenleid, der Zeit Verfall –

Sind diese Gründe schwach, so brecht nur auf,

Und jeder fort zu seinem trägen Bett!

Laßt frechgesinnte Tyrannei dann schalten,

Bis jeder nach dem Lose fällt. Doch tragen

Sie Feuer gnug in sich, wie offenbar,

Um Feige zu entflammen und mit Mut

Des Weibes schmelzendes Gemüt zu stählen:

O dann, Mitbürger! welchen andern Sporn

Als unsre Sache braucht es, uns zu stacheln

Zur Herstellung? Was für Gewähr, als diese:

Verschwiegne Römer, die das Wort gesprochen,

Und nicht zurückziehn? Welchen andern Eid,

Als Redlichkeit mit Redlichkeit im Bund,

Daß dies gescheh, wo nicht, dafür zu sterben?

Laßt Priester, Memmen, listge Männer schwören,

Verdorrte Greis und solche Jammerseelen,

Die für das Unrecht danken; schwören laßt

Bei bösen Händeln Volk, dem man nicht traut.

Entehrt nicht so den Gleichmut unsrer Handlung

Und unsern unbezwinglich festen Sinn,

Zu denken, unsre Sache, unsre Tat

Brauch einen Eid; da jeder Tropfe Bluts,

Der edel fließt in jedes Römers Adern,

Sich seines echten Stamms verlustig macht,

Wenn er das kleinste Teilchen nur verletzt

Von irgendeinem Worte, das er gab.

Cassius.

Doch wie mit Cicero? Forscht man ihn aus?

Ich denk, er wird sehr eifrig für uns sein.

Casca.

Laßt uns ihn nicht vorübergehn.

Cinna.

Nein, ja nicht.

Metellus.

Gewinnt ihn ja für uns. Sein Silberhaar

Wird eine gute Meinung uns erkaufen

Und Stimmen werben, unser Werk zu preisen.

Sein Urteil habe unsre Hand gelenkt:

So wird es heißen; unsre Hastigkeit

Und Jugend wird im mindsten nicht erscheinen,

Von seinem würdgen Ansehn ganz bedeckt.

Brutus.

O nennt ihn nicht! Laßt uns ihm nichts eröffnen,

Denn niemals tritt er einer Sache bei,

Wenn andre sie erdacht.

Cassius.

So laßt ihn weg.

Casca.

’s ist wahr; er paßt auch nicht.

Decius.

Wird niemand sonst, als Cäsar, angetastet?

Cassius.

Ja, gut bedacht! Mich dünkt, daß Mark Anton,

Der so beliebt beim Cäsar ist, den Cäsar

Nicht überleben darf. Er wird sich uns

Gewandt in Ränken zeigen, und ihr wißt,

Daß seine Macht, wenn er sie nutzt, wohl hinreicht,

Uns allen Not zu schaffen. Dem zu wehren,

Fall Cäsar und Antonius zugleich.

Brutus.

Zu blutge Weise, Cajus Cassius, wär’s,

Das Haupt abschlagen und zerhaun die Glieder,

Wie Grimm beim Tod und Tücke hinterher.

Antonius ist ja nur ein Glied des Cäsar.

Laßt Opferer uns sein, nicht Schlächter, Cajus.

Wir alle stehen gegen Cäsars Geist,

Und in dem Geist des Menschen ist kein Blut.

O könnten wir doch Cäsars Geist erreichen

Und Cäsarn nicht zerstücken! Aber ach!

Cäsar muß für ihn bluten. Edle Freunde,

Laßt kühnlich uns ihn töten, doch nicht zornig;

Zerlegen laßt uns ihn, ein Mahl für Götter,

Nicht ihn zerhauen wie ein Aas für Hunde.

Laßt unsre Herzen, schlauen Herren gleich,

Zu rascher Tat aufwiegeln ihre Diener.

Und dann zum Scheine schmälen. Dadurch wird

Notwendig unser Werk und nicht gehässig;

Und wenn es so dem Aug des Volks erscheint,

Wird man uns Reiniger, nicht Mörder nennen.

Was Mark Anton betrifft, denkt nicht an ihn,

Denn er vermag nicht mehr als Cäsars Arm,

Wenn Cäsars Haupt erst fiel.

Cassius.

Doch fürcht ich ihn,

Denn seine Liebe hängt so fest am Cäsar.

Brutus.

Ach, guter Cassius, denket nicht an ihn!

Liebt er den Cäsar, so vermag er nichts

Als gegen sich; sich härmen, für ihn sterben.

Und das wär viel von ihm, weil er der Lust,

Der Wüstheit, den Gelagen sich ergibt.

Trebonius.

Es ist kein Arg in ihm; er sterbe nicht.

Denn er wird leben und dies einst belachen. (Die Glocke schlägt.)

Brutus.

Still! zählt die Glocke.

Cassius.

Sie hat drei geschlagen.

Trebonius.

Es ist zum Scheiden Zeit.

Cassius.

Doch zweifl‘ ich noch,

Ob Cäsar heute wird erscheinen wollen;

Denn kürzlich ist er abergläubisch worden,

Ganz dem entgegen, wie er sonst gedacht

Von Träumen, Einbildung und heilgen Bräuchen.

Vielleicht, daß diese großen Wunderdinge,

Das ungewohnte Schrecken dieser Nacht

Und seiner Augurn Überredung ihn

Entfernt vom Kapitol für heute hält.

Decius.

Das fürchtet nimmer; wenn er das beschloß,

So übermeistr‘ ich ihn. Er hört es gern,

Das Einhorn lasse sich mit Bäumen fangen,

Der Löw im Netz, der Elefant in Gruben,

Der Bär mit Spiegeln und der Mensch durch Schmeichler;

Doch sag ich ihm, daß er die Schmeichler haßt,

Bejaht er es, am meisten dann geschmeichelt.

Laßt mich gewähren;

Denn ich verstehe sein Gemüt zu lenken,

Und will ihn bringen auf das Kapitol.

Cassius.

Ja, laßt uns alle gehn, um ihn zu holen.

Brutus.

Zur achten Stund aufs späteste, nicht wahr?

Cinna.

Das sei das Spätste, und dann bleibt nicht aus.

Metellus.

Cajus Ligarius ist dem Cäsar feind,

Der’s ihm verwies, daß er Pompejus lobte;

Es wundert mich, daß niemand sein gedacht.

Brutus.

Wohl, guter Cimber, geht nur vor bei ihm;

Er liebt mich herzlich, und ich gab ihm Grund;

Schickt ihn hieher, so will ich schon ihn stimmen.

Cassius.

Der Morgen übereilt uns: laßt uns gehn.

Zerstreut euch, Freunde; doch bedenket alle,

Was ihr gesagt, und zeigt euch echte Römer.

Brutus.

Seht, werte Männer, frisch und fröhlich aus;

Tragt euren Vorsatz nicht auf eurer Stirn.

Nein, führt’s hindurch, wie Helden unsrer Bühne,

mit munterm Geist und würdger Festigkeit.

Und somit insgesamt euch guten Morgen!

(Alle ab, außer Brutus.)

He, Lucius! – Fest im Schlaf? Es schadet nichts.

Genieß den honigschweren Tau des Schlummers.

Du siehst Gestalten nicht, noch Phantasien,

Womit geschäftge Sorg ein Hirn erfüllt;

Drum schläfst du so gesund. Portia tritt auf.

Portia.

Mein Gatte! Brutus!

Brutus.

Was wollt Ihr, Portia? warum steht Ihr auf?

Es dient Euch nicht, die zärtliche Natur

Dem rauhen kalten Morgen zu vertraun.

Portia.

Euch gleichfalls nicht. Unfreundlich stahlt Ihr, Brutus,

Von meinem Bett Euch; und beim Nachtmahl gestern

Erhobt Ihr plötzlich Euch und gingt umher,

Sinnend und seufzend mit verschränkten Armen.

Und wenn ich Euch befragte, was es sei,

So starrtet Ihr mich an mit finstern Blicken.

Ich drang in Euch, da riebt Ihr Euch die Stirn

Und stampftet ungeduldig mit dem Fuß;

Doch hielt ich an, doch gabt Ihr keine Rede

Und winktet mit der Hand unwillig weg,

Damit ich Euch verließ. Ich tat es auch,

Besorgt, die Ungeduld noch zu verstärken,

Die schon zu sehr entflammt schien, und zugleich

Mir schmeichelnd, nur von Laune rühr es her,

Die ihre Stunden hat bei jedem Mann.

Nicht essen, reden, schlafen läßt es Euch;

Und könnt es Eure Bildung so entstellen,

Als es sich Eurer Fassung hat bemeistert,

So kennt ich Euch nicht mehr. Mein teurer Gatte,

Teilt mir die Ursach Eures Kummers mit.

Brutus.

Ich bin nicht recht gesund, und das ist alles.

Portia.

Brutus ist weise; wär er nicht gesund,

Er nähm die Mittel wahr, um es zu werden.

Brutus.

Das tu ich, gute Portia; geh zu Bett.

Portia.

Ist Brutus krank? und ist es heilsam, so

Entblößt umherzugehn und einzusaugen

Den Dunst des Morgens? Wie, ist Brutus krank,

Und schleicht er vom gesunden Bett sich weg,

Der schnöden Ansteckung der Nacht zu trotzen?

Und reizet er die böse Fieberluft,

Sein Übel noch zu mehren? – Nein, mein Brutus,

Ihr tragt ein krankes Übel im Gemüt,

Wovon, nach meiner Stelle Recht und Würde,

Ich wissen sollte; und auf meinen Knien

Fleh ich bei meiner einst gepriesnen Schönheit,

Bei allen Euren Liebesschwüren, ja,

Bei jenem großen Schwur, durch welchen wir

Einander einverleibt und eins nur sind:

Enthüllt mir, Eurer Hälfte, Eurem Selbst,

Was Euch bekümmert, was zu Nacht für Männer

Euch zugesprochen; denn es waren hier

Sechs oder sieben, die ihr Antlitz selbst

Der Finsternis verbargen.

Brutus.

O kniet nicht, liebe Portia.

Portia.

Ich braucht es nicht, wärt Ihr mein lieber Brutus.

Ist’s im Vertrag der Ehe, sagt mir, Brutus,

Bedungen, kein Geheimnis sollt ich wissen,

Das Euch gehört? Und bin ich Euer Selbst

Nur gleichsam, mit gewissen Einschränkungen?

Beim Mahl um Euch zu sein, Eur Bett zu teilen,

Auch wohl mit Euch zu sprechen? Wohn ich denn

Nur in der Vorstadt Eurer Zuneigung?

Ist es nur das, so ist ja Portia

Des Brutus Buhle nur und nicht sein Weib.

Brutus.

Ihr seid mein echtes, ehrenwertes Weib,

So teuer mir als wie die Purpurtropfen,

Die um mein trauernd Herz sich drängen.

Portia.

Wenn dem so wär, so wüßt ich dies Geheimnis.

Ich bin ein Weib, gesteh ich, aber doch

Ein Weib, das Brutus zur Gemahlin nahm.

Ich bin ein Weib, gesteh ich, aber doch

Ein Weib von gutem Rufe, Catos Tochter.

Denkt Ihr, ich sei so schwach wie mein Geschlecht,

Aus solchem Stamm erzeugt und so vermählt?

Sagt das Geheimnis mir: ich will’s bewahren,

Ich habe meine Stärke hart erprüft,

Freiwillig eine Wunde mir versetzend

Am Schenkel hier; ertrüg ich das geduldig

Und ein Geheimnis meines Gatten nicht?

Brutus.

Ihr Götter, macht mich wert des edlen Weibes!

(Man klopft draußen.)

Horch! horch! man klopft; geh eine Weil hinein,

Und unverzüglich soll dein Busen teilen,

Was noch mein Herz verschließt.

Mein ganzes Bündnis will ich dir enthüllen

Und meiner finstern Stirne Zeichenschrift.

Verlaß mich schnell. (Portia ab.) Lucius und Ligarius kommen.

Brutus.

Wer klopft denn, Lucius?

Lucius.

Hier ist ein Kranker, der Euch sprechen will.

Brutus.

Ligarius ist’s, von dem Metellus sprach.

Du, tritt beiseit. – Cajus Ligarius, wie?

Ligarius.

Nehmt einen Morgengruß von matter Zunge.

Brutus.

O welche Zeit erwählt Ihr, wackrer Cajus,

Ein Tuch zu tragen! Wärt Ihr doch nicht krank!

Ligarius.

Ich bin nicht krank, hat irgendeine Tat,

Des Namens Ehre würdig, Brutus vor.

Brutus.

Solch eine Tat, Ligarius, hab ich vor,

Wär Euer Ohr gesund, davon zu hören.

Ligarius.

Bei jedem Gott, vor dem sich Römer beugen,

Hier sag ich ab der Krankheit. Seele Roms!

Du wackrer Sohn, aus edlem Blut entsprossen!

Wie ein Beschwörer riefst du auf in mir

Den abgestorbnen Geist. Nun heiß mich laufen,

So will ich an Unmögliches mich wagen,

Ja Herr darüber werden. Was zu tun?

Brutus.

Ein Wagestück, das Kranke heilen wird.

Ligarius.

Doch gibt’s nicht auch Gesunde krank zu machen?

Brutus.

Die gibt es freilich. Was es ist, mein Cajus,

Eröffn ich dir auf unserm Weg zu ihm,

An dem es muß geschehn.

Ligarius.

Macht Euch nur auf

Mit neu entflammtem Herzen folg ich Euch,

Zu tun, was ich nicht weiß. Doch es genügt,

Daß Brutus mir vorangeht.

Brutus.

Folgt mir denn. (Beide ab.)

Zweite Szene

Ein Zimmer in Cäsars Palaste

Donner und Blitz. Cäsar im Nachtkleide

Cäsar.

Zu Nacht hat Erd und Himmel Krieg geführt.

Calpurnia rief im Schlafe dreimal laut:

«O helft! Sie morden Cäsarn!» Niemand da? Ein Diener kommt.

Diener.

Herr?

Cäsar.

Geh, heiß die Priester gleich zum Opfer schreiten,

Und bring mir ihre Meinung vom Erfolg.

Diener. Es soll geschehn. (Ab.)

Calpurnia (tritt auf).

Was meint Ihr, Cäsar? Denkt Ihr auszugehn?

Ihr müßt heut keinen Schritt vom Hause weichen.

Cäsar.

Cäsar geht aus. Mir haben stets Gefahren

Im Rücken nur gedroht; wenn sie die Stirn

Des Cäsar werden sehn, sind sie verschwunden.

Calpurnia.

Cäsar, ich hielt auf Wunderzeichen nie,

Doch schrecken sie mich nun. Im Haus ist jemand,

Der außer dem, was wir gesehn, gehört,

Von Greueln meldet, so die Wach erblickt‘.

Es warf auf offner Gasse eine Löwin,

Und Grüft erlösten gähnend ihre Toten.

Wildglühnde Krieger fochten auf den Wolken,

In Reihn, Geschwadern und nach Kriegsgebrauch,

Wovon es Blut gesprüht aufs Kapitol.

Das Schlachtgetöse klirrte in der Luft;

Da wiehern Rosse, Männer röcheln sterbend,

Und Geister wimmerten die Straßen durch.

O Cäsar! unerhört sind diese Dinge;

Ich fürchte sie.

Cäsar.

Was kann vermieden werden,

Das sich zum Ziel die mächtgen Götter setzten?

Ich gehe dennoch aus, denn diese Zeichen,

So gut wie Cäsarn, gelten sie der Welt.

Calpurnia.

Kometen sieht man nicht, wenn Bettler sterben;

Der Himmel selbst flammt Fürstentod herab.

Cäsar.

Der Feige stirbt schon vielmal, eh er stirbt,

Die Tapfern kosten einmal nur den Tod.

Von allen Wundern, die ich je gehört,

Scheint mir das größte, daß sich Menschen fürchten,

Da sie doch sehn, der Tod, das Schicksal aller,

Kommt, wann er kommen soll.

Der Diener kommt zurück.

Was dünkt den Augurn?

Diener.

Sie raten Euch, für heut nicht auszugehn.

Da sie dem Opfertier das Eingeweide

Ausnahmen, fanden sie kein Herz darin.

Cäsar.

Die Götter tun der Feigheit dies zur Schmach.

Ein Tier ja wäre Cäsar ohne Herz,

Wenn er aus Furcht sich heut zu Hause hielte.

Das wird er nicht; gar wohl weiß die Gefahr,

Cäsar sei noch gefährlicher als sie.

Wir sind zwei Leun, an einem Tag geworfen,

Und ich der ältre und der schrecklichste;

Und Cäsar wird doch ausgehn.

Calpurnia.

Ach, mein Gatte!

In Zuversicht geht Eure Weisheit unter.

Geht heute doch nicht aus; nennt’s meine Furcht,

Die Euch zu Hause hält, nicht Eure eigne.

Wir senden Mark Anton in den Senat,

Zu sagen, daß Ihr unpaß heute seid.

Laßt mich auf meinen Knien dies erbitten.

Cäsar.

Ja, Mark Anton soll sagen, ich sei unpaß,

Und dir zulieb will ich zu Hause bleiben.

Decius tritt auf.

Sieh, Decius Brutus kommt; der soll’s bestellen.

Decius.

Heil, Cäsar! Guten Morgen, würdger Cäsar!

Ich komm Euch abzuholen zum Senat.

Cäsar.

Und seid gekommen zur gelegnen Zeit,

Den Senatoren meinen Gruß zu bringen.

Sagt ihnen, daß ich heut nicht kommen will;

Nicht kann, ist falsch; daß ich’s nicht wage, falscher;

Ich will nicht kommen heut, sagt ihnen das.

Calpurnia.

Sagt, er sei krank.

Cäsar.

Hilft Cäsar sich mit Lügen?

Streckt ich so weit erobernd meinen Arm,

Graubärten scheu die Wahrheit zu verkleiden?

Geht, Decius! sagt nur: Cäsar will nicht kommen.

Decius.

Laßt einen Grund mich wissen, großer Cäsar,

Daß man mich nicht verlacht, wenn ich es sage.

Cäsar.

Der Grund ist nur mein Will‘; ich will nicht kommen,

Das gnügt zu des Senats Befriedigung.

Doch um Euch insbesondre gnug zu tun,

Weil ich Euch liebe, will ich’s Euch eröffnen:

Calpurnia hier, mein Weib, hält mich zu Haus.

Sie träumte diese Nacht, sie säh mein Bildnis,

Das wie ein Springbrunn klares Blut vergoß

Aus hundert Röhren; rüstge Römer kamen

Und tauchten lächelnd ihre Hände drein.

Dies legt sie aus als Warnungen und Zeichen

Und Unglück, das uns droht, und hat mich kniend

Gebeten, heute doch nicht auszugehn.

Decius.

Ihr habt den Traum ganz irrig ausgelegt;

Es war ein schönes, glückliches Gesicht.

Eur Bildnis, Blut aus vielen Röhren spritzend,

Worein so viele Römer lächelnd tauchten,

Bedeutet, saugen werd aus Euch das große Rom

Belebend Blut; und große Männer werden

Nach Heiligtümern und nach Ehrenpfändern

Sich drängen. Das bedeutet dieser Traum.

Cäsar.

Auf diese Art habt Ihr ihn wohl erklärt.

Decius.

Ja, wenn Ihr erst gehört, was ich Euch melde.

Wißt denn: an diesem Tag will der Senat

Dem großen Cäsar eine Krone geben.

Wenn Ihr nun sagen laßt, Ihr wollt nicht kommen,

So kann es sie gereun. Auch ließ‘ es leicht

Zum Spott sich wenden; jemand spräche wohl:

«Verschiebt die Sitzung bis auf andre Zeit,

Wenn Cäsars Gattin beßre Träume hat.»

Wenn Cäsar sich versteckt, wird man nicht flüstern:

«Seht! Cäsar fürchtet sich?»

Verzeiht mir, Cäsar; meine Herzensliebe

Heißt dieses mich zu Eurem Vorteil sagen,

Und Schicklichkeit steht meiner Liebe nach.

Cäsar.

Wie töricht scheint nun Eure Angst, Calpurnia!

Ich schäme mich, daß ich ihr nachgegeben.

Reicht mein Gewand mir her, denn ich will gehn.

Publius, Brutus, Ligarius, Metellus,

Casca, Trebonius und Cinna treten auf.

Da kommt auch Publius, um mich zu holen.

Publius.

Guten Morgen, Cäsar!

Cäsar.

Publius, willkommen! –

Wie, Brutus? seid Ihr auch so früh schon auf? –

Guten Morgen, Casca! – Cajus Ligarius,

So sehr war Cäsar niemals Euer Feind

Als dieses Fieber, das Euch abgezehrt. –

Was ist die Uhr?

Brutus.

Es hat schon acht geschlagen.

Cäsar.

Habt Dank für Eure Müh und Höflichkeit.

Antonius tritt auf.

Seht! Mark Anton, der lange schwärmt des Nachts,

Ist doch schon auf. – Antonius, seid gegrüßt!

Antonius.

Auch Ihr, erlauchter Cäsar!

Cäsar.

Befehlt, daß man im Hause fertig sei;

Es ist nicht recht, so auf sich warten lassen.

Ei, Cinna! – Ei, Metellus! – Wie, Trebonius?

Ich hab mit Euch ein Stündchen zu verplaudern;

Gedenkt daran, daß Ihr mich heut besucht,

Und bleibt mir nah, damit ich Euer denke.

Trebonius.

Das will ich, Cäsar – (beiseite) will so nah Euch sein,

Daß Eure besten Freunde wünschen sollen,

Ich wär entfernt gewesen.

Cäsar.

Lieben Freunde,

Kommt mit herein und trinkt ein wenig Weins,

Dann gehen wir gleich Freunden miteinander.

Brutus (beiseite).

Daß gleich nicht stets dasselbe ist, o Cäsar!

Das Herz des Brutus blutet, es zu denken. (Alle ab.)

Dritte Szene

Eine Straße nahe beim Kapitol

Artemidorus tritt auf und liest einen Zettel

Artemidorus.

«Cäsar, hüte dich vor Brutus; sei wachsam gegen Cassius; halte dich weit vom Casca; habe ein Auge auf Cinna; mißtraue dem Trebonius; beobachte den Metellus Cimber; Decius Brutus liebt dich nicht; beleidigt hast du den Cajus Ligarius. Nur ein Sinn lebt in allen diesen Männern, und er ist gegen Cäsar gerichtet. Wo du nicht unsterblich bist, schau um dich. Sorglosigkeit gibt der Verschwörung Raum. Mögen dich die großen Götter schützen! Der Deinige Artemidorus.» Hier will ich stehn, bis er vorübergeht,

Und will ihm dies als Bittschrift überreichen.

Mein Herz bejammert, daß die Tugend nicht

Frei von dem Zahn des Neides leben kann.

O Cäsar, lies! so bist du nicht verloren;

Sonst ist das Schicksal mit Verrat verschworen. (Ab.)

Vierte Szene

Ein andrer Teil derselben Straße vor dem Hause des Brutus

Portia und Lucius kommen

Portia.

Ich bitt dich, Knabe, lauf in den Senat.

Halt dich mit keiner Antwort auf und geh!

Was wartest du?

Lucius.

Zu hören, was ich soll.

Portia.

Ich möchte dort und wieder hier dich haben,

Eh ich dir sagen kann, was du da sollst.

O Festigkeit, steh unverrückt mir bei,

Stell einen Fels mir zwischen Herz und Zunge!

Ich habe Mannessinn, doch Weibeskraft.

Wie fällt doch ein Geheimnis Weibern schwer! –

Bist du noch hier?

Lucius.

Was sollt ich, gnädge Frau?

Nur hin zum Kapitol und weiter nichts,

Und so zurück zu Euch, und weiter nichts?

Portia.

Nein, ob dein Herr wohl aussieht, melde mir,

Denn er ging unpaß fort, und merk dir recht,

Was Cäsar macht, wer mit Gesuch ihm naht.

Still, Knabe! Welch Geräusch?

Lucius.

Ich höre keins.

Portia.

Ich bitt dich, horch genau.

Ich hörte wilden Lärm, als föchte man,

Und der Wind bringt vom Kapitol ihn her.

Lucius.

Gewißlich, gnädge Frau, ich höre nichts. Ein Wahrsager kommt.

Portia.

Komm näher, Mann! Wo führt dein Weg dich her?

Wahrsager.

Von meinem Hause, liebe gnädge Frau.

Portia.

Was ist die Uhr?

Wahrsager.

Die neunte Stund etwa.

Portia.

Ist Cäsar schon aufs Kapitol gegangen?

Wahrsager.

Nein, gnädge Frau; ich geh, mir Platz zu nehmen,

Wo er vorbeizieht auf das Kapitol.

Portia.

Du hast an Cäsar ein Gesuch, nicht wahr?

Wahrsager.

Das hab ich, gnädge Frau. Beliebt es Cäsarn,

Aus Güte gegen Cäsar mich zu hören,

So bitt ich ihn, es gut mit sich zu meinen.

Portia.

Wie? weißt du, daß man ihm ein Leid will antun?

Wahrsager.

Keins seh ich klar vorher, viel, fürcht ich, kann geschehn.

Doch guten Tag! Hier ist die Straße eng;

Die Schar, die Cäsarn auf der Ferse folgt,

Von Senatoren, Prätorn, Supplikanten,

Würd einen schwachen Mann beinah erdrücken.

Ich will an einen freiern Platz und da

Den großen Cäsar sprechen, wenn er kommt. (Ab.)

Portia.

Ich muß ins Haus. Ach, welch ein schwaches Ding

Das Herz des Weibes ist! O Brutus!

Der Himmel helfe deinem Unternehmen. –

Gewiß, der Knabe hört‘ es. – Brutus wirbt um etwas,

Das Cäsar weigert. – O, es wird mir schlimm!

Lauf, Lucius, empfiehl mich meinem Gatten,

Sag, ich sei fröhlich, komm zu mir zurück

Und melde mir, was er dir aufgetragen. (Beide ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Das Kapitol. Sitzung des Senats Ein Haufe Volks in der Straße, die zum Kapitol führt, darunter Artemidorus und der Wahrsager. Trompetenstoß. Cäsar, Brutus, Cassius, Casca, Decius, Metellus, Trebonius, Cinna, Antonius, Lepidus, Popilius, Publius und andre kommen

Cäsar.

Des Märzen Idus ist nun da.

Wahrsager.

Ja, Cäsar,

Doch nicht vorbei.

Artemidorus.

Heil, Cäsar! Lies den Zettel hier.

Decius.

Trebonius bittet Euch, bei guter Weile

Dies untertänige Gesuch zu lesen.

Artemidorus.

Lies meines erst, o Cäsar! Mein Gesuch

Betrifft den Cäsar näher; lies, großer Cäsar! (Tritt dem Cäsar näher.)

Cäsar.

Was uns betrifft, werd auf die Letzt verspart.

Artemidorus.

Verschieb nicht, Cäsar, lies im Augenblick.

Cäsar.

Wie? ist der Mensch verrückt?

Publius.

Mach Platz, Gesell!

Cassius.

Was? Drängt ihr auf der Straße mit Gesuchen?

Kommt in das Kapitol. (Cäsar geht in das Kapitol, die übrigen folgen ihm.

Alle Senatoren stehen auf.)

Popilius.

Mög euer Unternehmen heut gelingen!

Cassius.

Welch Unternehmen, Lena?

Popilius.

Geh’s euch wohl. (Er nähert sich dem Cäsar.)

Brutus.

Was sprach Popilius Lena da?

Cassius.

Er wünschte,

Daß unser Unternehmen heut gelänge;

Ich fürchte, unser Anschlag ist entdeckt.

Brutus.

Seht, wie er Cäsarn naht! Gebt acht auf ihn.

Cassius.

Sei schleunig, Casca, daß man nicht zuvorkommt.

Was ist zu tun hier, Brutus? Wenn es auskommt,

Kehrt Cassius oder Cäsar nimmer heim;

Denn ich entleibe mich.

Brutus.

Sei standhaft, Cassius.

Popilius spricht von unserm Anschlag nicht.

Er lächelt, sieh, und Cäsar bleibt in Ruh.

Cassius.

Trebonius nimmt die Zeit wahr, Brutus; sieh,

Er zieht geschickt den Mark Anton beiseite. (Antonius und Trebonius ab.

Cäsar und die Senatoren nehmen ihre Sitze ein.)

Decius.

Wo ist Metellus Cimber? Laßt ihn gehn

Und sein Gesuch sogleich dem Cäsar reichen.

Brutus.

Er ist bereit; drängt an und steht ihm bei.

Cinna.

Casca, Ihr müßt zuerst den Arm erheben.

Cäsar.

Sind alle da? Was für Beschwerden gibt’s,

Die Cäsar heben muß und sein Senat?

Metellus (niederkniend).

Glorreicher, mächtigster, erhabner Cäsar!

Metellus Cimber wirft vor deinen Sitz

Ein Herz voll Demut nieder.

Cäsar.

Cimber, hör,

Ich muß zuvor dir kommen. Dieses Kriechen,

Dies knechtische Verbeugen könnte wohl

Gemeiner Menschen Blut in Feuer setzen

Und vorbestimmte Wahl, gefaßten Schluß

Zum Kinderwillen machen. Sei nicht töricht

Und denk, so leicht empört sei Cäsars Blut,

Um aufzutaun von seiner echten Kraft

Durch das, was Narrn erweicht: durch süße Worte,

Gekrümmtes Bücken, hündisches Geschmeichel.

Dein Bruder ist verbannt durch einen Spruch;

Wenn du für ihn dich bückst und flehst und schmeichelst,

So stoß ich dich wie einen Hund hinweg.

Wiß, Cäsar tut kein Unrecht; ohne Gründe

Befriedigt man ihn nicht.

Metellus.

Gibt’s keine Stimme, würdiger als meine,

Die süßer tön im Ohr des großen Cäsar,

Für des verbannten Bruders Wiederkehr?

Brutus.

Ich küsse deine Hand, doch nicht als Schmeichler,

Und bitte, Cäsar, daß dem Publius Cimber

Die Rückberufung gleich bewilligt werde.

Cäsar.

Wie? Brutus!

Cassius.

Gnade, Cäsar! Cäsar, Gnade!

Auch Cassius fällt tief zu Füßen dir,

Begnadigung für Cimber zu erbitten.

Cäsar.

Ich ließe wohl mich rühren, glich‘ ich euch;

Mich rührten Bitten, bät ich, um zu rühren.

Doch ich bin standhaft wie des Nordens Stern,

Des unverrückte, ewig stete Art

Nicht ihresgleichen hat am Firmament.

Der Himmel prangt mit Funken ohne Zahl,

Und Feuer sind sie all‘ und jeder leuchtet;

Doch einer nur behauptet seinen Stand.

So in der Welt auch; sie ist voll von Menschen,

Und Menschen sind empfindlich, Fleisch und Blut;

Doch in der Menge weiß ich einen nur,

Der unbesiegbar seinen Platz bewahrt,

Vorn Andrang unbewegt; daß ich der bin,

Auch hierin laßt es mich ein wenig zeigen,

Daß ich auf Cimbers Banne fest bestand

Und drauf besteh, daß er im Banne bleibe.

Cinna.

O Cäsar!

Cäsar.

Fort, sag ich! Willst du den Olymp versetzen?

Decius.

Erhabner Cäsar! –

Cäsar.

Kniet nicht Brutus auch umsonst?

Casca.

Dann, Hände, sprecht für mich! (Casca sticht Cäsarn mit dem Dolch in den Nacken. Cäsar fällt ihm in den Arm. Er wird alsdann von verschiednen andern Verschwornen und zuletzt von Marcus Brutus mit Dolchen durchstochen.)

Cäsar.

Brutus, auch du? – So falle, Cäsar! (Er stirbt. Die Senatoren und das Volk fliehen bestürzt.)

Cinna.

Befreiung! Freiheit! Die Tyrannei ist tot!

Lauft fort! verkündigt! ruft es durch die Gassen!

Cassius.

Hin zu der Rednerbühne! Rufet aus:

«Befreiung! Freiheit! Wiederherstellung!»

Brutus.

Seid nicht erschrocken, Volk und Senatoren!

Flieht nicht! Steht still! Die Ehrsucht hat gebüßt.

Casca.

Geht auf die Rednerbühne, Brutus.

Decius.

Ihr, Cassius, auch.

Brutus.

Wo ist Publius?

Cinna.

Hier, ganz betroffen über diesen Aufruhr.

Metellus.

Steht dicht beisammen, wenn ein Freund des Cäsar

Etwa –

Brutus.

Sprecht nicht von Stehen! – Publius, getrost!

Wir haben nicht im Sinn, Euch Leid zu tun,

Auch keinem Römer sonst: sagt ihnen das.

Cassius.

Und geht nur, Publius, damit das Volk,

Das uns bestürmt, nicht Euer Alter kränke.

Brutus.

Tut das; und niemand steh für diese Tat

Als wir, die Täter. Trebonius kommt zurück.

Cassius.

Wo ist Mark Anton?

Trebonius.

Er floh bestürzt nach Haus, und Männer, Weiber

Und Kinder blicken starr und schrein und laufen,

Als wär der jüngste Tag.

Brutus.

Schicksal! wir wollen sehn, was dir geliebt.

Wir wissen, daß wir sterben werden; Frist

Und Zeitgewinn nur ist der Menschen Trachten.

Cassius.

Ja, wer dem Leben zwanzig Jahre raubt,

Der raubt der Todesfurcht so viele Jahre.

Brutus.

Gesteht das ein, und Wohltat ist der Tod.

So sind wir Cäsars Freunde, die wir ihm

Die Todesfurcht verkürzten. Bückt euch, Römer,

Laßt unsre Händ in Cäsars Blut uns baden

Bis an die Ellenbogen! Färbt die Schwerter!

So treten wir hinaus bis auf den Markt,

Und, überm Haupt die roten Waffen schwingend,

Ruft alle dann: «Erlösung! Friede! Freiheit!»

Cassius.

Bückt euch und taucht! In wie entfernter Zeit

Wird man dies hohe Schauspiel wiederholen,

In neuen Zungen und mit fremdem Pomp!

Brutus.

Wie oft wird Cäsar noch zum Spiele bluten,

Der jetzt am Fußgestell Pompejus‘ liegt,

Dem Staube gleich geachtet!

Cassius.

Sooft als das geschieht,

Wird man auch unsern Bund, die Männer nennen,

Die Freiheit wiedergaben ihrem Land.

Decius.

Nun, sollen wir hinaus?

Cassius.

Ja, alle fort!

Brutus voran, und seine Tritte zieren

Wir mit den kühnsten, besten Herzen Roms. Ein Diener kommt.

Brutus.

Doch stillt Wer kommt? Ein Freund des Mark Anton.

Diener.

So, Brutus, hieß mich mein Gebieter knien,

So hieß Antonius mich niederfallen,

Und tief im Staube hieß er so mich reden:

«Brutus ist edel, tapfer, weis und redlich,

Cäsar war groß, kühn, königlich und gütig.

Sprich: Brutus lieb ich, und ich ehr ihn auch.

Sprich: Cäsarn fürchtet ich, ehrt ihn und liebt ihn.

Will Brutus nur gewähren, daß Anton

Ihm sicher nahen und erforschen dürfe,

Wie Cäsar solche Todesart verdient,

So soll dem Mark Anton der tote Cäsar

So teuer nicht als Brutus lebend sein;

Er will vielmehr dem Los und der Partei

Des edlen Brutus unter den Gefahren

Der wankenden Verfassung treulich folgen.»

Dies sagte mein Gebieter, Mark Anton.

Brutus.

Und dein Gebieter ist ein wackrer Römer,

So achtet ich ihn stets.

Sag, wenn es ihm geliebt, hieher zu kommen,

So steh ich Red ihm und, bei meiner Ehre,

Entlaß ihn ungekränkt.

Diener.

Ich hol ihn gleich. (Ab.)

Brutus.

Ich weiß, wir werden ihn zum Freunde haben.

Cassius.

Ich wünsch es; doch es wohnt ein Sinn in mir,

Der sehr ihn fürchtet; und mein Unglücksahnen

Trifft immer ein aufs Haar. Antonius kommt zurück.

Brutus.

Hier kommt Antonius ja. – Willkommen, Mark Anton!

Antonius.

O großer Cäsar! liegst du so im Staube?

Sind alle deine Siege, Herrlichkeiten,

Triumphe, Beuten eingesunken nun

In diesen kleinen Raum? – Gehab dich wohl! –

Ich weiß nicht, edle Herrn, was ihr gedenkt,

Wer sonst noch bluten muß, wer reif zum Fall.

Wofern ich selbst kann keine Stunde besser

Als Cäsars Todesstunde, halb so kostbar

Kein Werkzeug sein, als diese eure Schwerter,

Geschmückt mit Blut, dem edelsten der Welt.

Ich bitt euch, wenn ihr’s feindlich mit mir meint,

Jetzt, da noch eure Purpurhände dampfen,

Büßt eure Lust. Und lebt ich tausend Jahre,

Nie werd ich so bereit zum Tod mich fühlen;

Kein Ort gefällt mir so, kein Weg zum Tode,

Als hier beim Cäsar fallen, und durch euch,

Die ersten Heldengeister unsrer Zeit.

Brutus.

O Mark Anton! begehrt nicht Euren Tod.

Wir müssen blutig zwar und grausam scheinen,

Wie unsre Händ und die geschehne Tat

Uns zeigen; doch Ihr seht die Hände nur,

Und dieses blutge Werk, so sie vollbracht;

Nicht unsre Herzen: sie sind mitleidsvoll,

Und Mitleid gegen Roms gesamte Not

(Wie Feuer Feuer löscht, so Mitleid Mitleid)

Verübt‘ an Cäsarn dies. Was Euch betrifft,

Für Euch sind unsre Schwerter stumpf, Anton.

Seht, unsre Arme, trotz verübter Tücke,

Und unsre Herzen, brüderlich gesinnt,

Empfangen Euch mit aller Innigkeit,

mit redlichen Gedanken und mit Achtung.

Cassius.

Und Eure Stimme soll soviel als jede

Bei der Verteilung neuer Würden gelten.

Brutus.

Seid nur geduldig, bis wir erst das Volk

Beruhigt, das vor Furcht sich selbst nicht kennt;

Dann legen wir den Grund Euch dar, weswegen

Ich, der den Cäsar liebt‘, als ich ihn schlug,

Also verfahren.

Antonius.

Ich bau auf eure Weisheit.

Mir reiche jeder seine blutge Hand;

Erst, Marcus Brutus, schütteln wir sie uns;

Dann, Cajus Cassius, faß ich Eure Hand;

Nun Eure, Decius Brutus; Eure, Cinna;

Metellus, Eure nun; mein tapfrer Casca,

Die Eure; reicht, Trebonius, Eure mir

Zuletzt, doch nicht der letzte meinem Herzen.

Ach, all ihr edlen Herrn, was soll ich sagen,

Mein Ansehn steht jetzt auf so glattem Boden,

Daß ich euch eines von zwei schlimmen Dingen,

Ein Feiger oder Schmeichler, scheinen muß.

Daß ich dich liebte, Cäsar, o ’s ist wahr!

Wofern dein Geist jetzt niederblickt auf uns,

Wird’s dich nicht kränken, bittrer als dein Tod,

Zu sehn, wie dein Antonius Frieden macht

Und deiner Feinde blutge Hände drückt,

Du Edelster, in deines Leichnams Nähe?

Hätt ich so manches Aug als Wunden du,

Und jedes strömte Tränen, wie sie Blut,

Das ziemte besser mir, als einen Bund

Der Freundschaft einzugehn mit deinen Feinden.

Verzeih mir, Julius! – Du edler Hirsch,

Hier wurdest du erjagt, hier fielest du;

Hier stehen deine Jäger, mit den Zeichen

Des Mordes und von deinem Blut bepurpurt.

O Welt, du warst der Wald für diesen Hirsch,

Und er, o Welt! war seines Waldes Stolz. –

Wie ähnlich einem Wild, von vielen Fürsten

Geschossen, liegst du hier!

Cassius.

Antonius –

Antonius.

Verzeiht mir, Cajus Cassius;

Dies werden selbst die Feinde Cäsars sagen,

An einem Freund ist’s kalte Mäßigung.

Cassius.

Ich tadl Euch nicht, daß Ihr den Cäsar preist;

Allein, wie denkt Ihr Euch mit uns zu stehen?

Seid Ihr von unsern Freunden? oder sollen

Wir vorwärtsdringen, ohn auf Euch zu baun?

Antonius.

Deswegen faßt ich eure Hände; nur

Vergaß ich mich, als ich auf Cäsarn blickte.

Ich bin euch allen Freund und lieb euch alle,

In Hoffnung, eure Gründe zu vernehmen,

Wie und warum gefährlich Cäsar war.

Brutus.

Jawohl, sonst wär dies ein unmenschlich Schauspiel.

Und unsre Gründe sind so wohl bedacht,

Wärt Ihr der Sohn des Cäsar, Mark Anton,

Sie gnügten Euch.

Antonius.

Das such ich einzig ja.

Auch halt ich an um die Vergünstigung,

Den Leichnam auszustellen auf dem Markt

Und auf der Bühne, wie’s dem Freunde ziemt,

Zu reden bei der Feier der Bestattung.

Brutus.

Das mögt Ihr, Mark Anton.

Cassius.

Brutus, ein Wort mit Euch.

(Beiseite.) Ihr wißt nicht, was Ihr tut; gestattet nicht,

Daß ihm Antonius die Rede halte.

Wißt Ihr, wie sehr das Volk durch seinen Vortrag

Sich kann erschüttern lassen?

Brutus.

Nein, verzeiht.

Ich selbst betrete erst die Bühn und lege

Von unsers Cäsars Tod die Gründe dar.

Was dann Antonius sagen wird, erklär ich,

Gescheh erlaubt und mit Bewilligung;

Es sei uns recht, daß Cäsar jeder Ehre

Teilhaftig werde, so die Sitte heiligt.

Dies wird uns mehr Gewinn als Schaden bringen.

Cassius.

Wer weiß, was vorfällt? Ich bin nicht dafür.

Brutus.

Hier, Mark Anton, nehmt Ihr die Leiche Cäsars.

Ihr sollt uns nicht in Eurer Rede tadeln,

Doch sprecht von Cäsarn Gutes nach Vermögen

Und sagt, daß Ihr’s mit unserm Willen tut.

Sonst sollt Ihr gar mit dem Begräbnis nichts

Zu schaffen haben. Auf derselben Bühne,

Zu der ich jetzo gehe, sollt Ihr reden,

Wenn ich zu redet, aufgehört.

Antonius.

So sei’s!

Ich wünsche weiter nichts.

Brutus.

Bereitet denn die Leich und folget uns. (Alle bis auf Antonius ab.)

Antonius.

O du, verzeih mir, blutend Stückchen Erde!

Daß ich mit diesen Schlächtern freundlich tat.

Du bist der Rest des edelsten der Männer,

Der jemals lebt, im Wechsellauf der Zeit.

Weh! weh der Hand, die dieses Blut vergoß!

Jetzt prophezei ich über deinen Wunden,

Die ihre Purpurlippen öffnen, stumm

Von meiner Zunge Stimm und Wort erflehend:

Ein Fluch wird fallen auf der Menschen Glieder,

Und innre Wut und wilder Bürgerzwist

Wird ängsten alle Teil‘ Italiens;

Verheerung, Mord wird so zur Sitte werden

Und so gemein das Furchtbarste, daß Mütter

Nur lächeln, wenn sie ihre zarten Kinder

Gevierteilt von des Krieges Händen sehn.

Die Fertigkeit in Greueln würgt das Mitleid;

Und Cäsars Geist, nach Rache jagend, wird,

Zur Seit ihm Ate, heiß der Höll entstiegen,

In diesen Grenzen mit des Herrschers Ton

Mord rufen und des Krieges Hund‘ entfesseln,

Daß diese Schandtat auf zum Himmel stinke

Von Menschenaas, das um Bestattung ächzt.

Ein Diener kommt.

Ihr dienet dem Octavius Cäsar? nicht?

Diener.

Ja, Mark Anton.

Antonius.

Cäsar beschied ihn schriftlich her nach Rom.

Diener.

Den Brief empfing er und ist unterwegs;

Und mündlich hieß er mich an Euch bestellen

(Er erblickt den Leichnam Cäsars.)

O Cäsar!

Antonius.

Dein Herz ist voll, geh auf die Seit und weine.

Ich sehe, Leid steckt an; denn meine Augen,

Da sie des Grames Perlen sahn in deinen,

Begannen sie zu fließen – Kommt dein Herr?

Diener.

Er bleibt zur Nacht von Rom nur sieben Meilen.

Antonius.

Reit schnell zurück und meld‘ ihm, was geschehn.

Hier ist ein Rom voll Trauer und Gefahr,

Kein sichres Rom noch für Octavius.

Eil hin und sag ihm das! – Nein, warte noch!

Du sollst nicht fort, bevor ich diese Leiche

Getragen auf den Markt und meine Rede

Das Volk geprüft, wie dieser blutgen Männer

Unmenschliches Beginnen ihm erscheint.

Und demgemäß sollst du dem jungen Cäsar

Berichten, wie allhier die Dinge stehn.

Leih deinen Arm mir. (Beide ab mit Cäsars Leiche.)

Zweite Szene

Das Forum

Brutus und Cassius kommen mit einem Haufen Volks

Bürger.

Wir wollen Rechenschaft! Legt Rechenschaft uns ab!

Brutus.

So folget mir und gebt Gehör mir, Freunde. –

Ihr, Cassius geht in eine andre Straße

Und teilt die Haufen –

Wer mich will reden hören, bleibe hier;

Wer Cassius folgen will, der geh mit ihm.

Wir wollen öffentlich die Gründ‘ erklären

Von Cäsars Tod.

Erster Bürger.

Ich will den Brutus hören.

Zweiter Bürger.

Den Cassius ich: so können wir die Gründe

Vergleichen, wenn wir beide angehört. (Cassius mit einigen Bürgern ab. Brutus besteigt die Rostra.)

Dritter Bürger.

Der edle Brutus steht schon oben – still!

Brutus.

Seid ruhig zum Schluß.

Römer! Mitbürger! Freunde! Hört mich meine Sache führen und seid still, damit ihr hören möget. Glaubt mir um meiner Ehre willen und hegt Achtung vor meiner Ehre, damit ihr glauben mögt. Richtet mich nach eurer Weisheit und weckt eure Sinne, um desto besser urteilen zu können. Ist jemand in dieser Versammlung, irgendein herzlicher Freund Cäsars, dem sage ich: des Brutus Liebe zum Cäsar war nicht geringer als seine. Wenn dieser Freund dann fragt, warum Brutus gegen Cäsar aufstand, ist dies meine Antwort: nicht, weil ich Cäsarn weniger liebte, sondern weil ich Rom mehr liebte. Wolltet ihr lieber, Cäsar lebte und ihr stürbet alle als Sklaven, als daß Cäsar tot ist, damit ihr alle lebet wie freie Männer? Weil Cäsar mich liebte, wein ich um ihn; weil er glücklich war, freue ich mich; weil er tapfer war, ehr ich ihn; aber weil er herrschsüchtig war, erschlug ich ihn. Also Tränen für seine Liebe, Freude für sein Glück, Ehre für seine Tapferkeit und Tod für seine Herrschsucht. Wer ist hier so niedrig gesinnt, daß er ein Knecht sein möchte? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so roh, daß er nicht wünschte, ein Römer zu sein? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so schlecht, daß er sein Vaterland nicht liebte? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Ich halte inne, um Antwort zu hören.

Bürger (verschiedene Stimmen auf einmal).

Niemand, Brutus! niemand!

Brutus.

Dann habe ich niemand beleidigt. Ich tat Cäsarn nichts, als was ihr dem Brutus tun würdet. Die Untersuchung über seinen Tod ist im Kapitol aufgezeichnet; sein Ruhm nicht geschmälert, wo er Verdienste hatte, seine Vergehen nicht übertrieben, für die er den Tod gelitten.

Antonius und andre treten auf mit Cäsars Leiche.

Hier kommt seine Leiche, von Mark Anton betrauert, der, ob er schon keinen Teil an seinem Tode hatte, die Wohltat seines Sterbens, einen Platz im gemeinen Wesen, genießen wird. Wer von euch wird es nicht? Hiermit trete ich ab. Wie ich meinen besten Freund für das Wohl Roms erschlug, so habe ich denselben Dolch für mich selbst, wenn es dem Vaterland gefällt, meinen Tod zu bedürfen.

Bürger.

Lebe, Brutus! lebe! lebe!

Erster Bürger.

Begleitet mit Triumph ihn in sein Haus.

Zweiter Bürger.

Stellt ihm ein Bildnis auf bei seinen Ahnen.

Dritter Bürger.

Er werde Cäsar!

Vierter Bürger.

Im Brutus krönt ihr Cäsars beßre Gaben.

Erster Bürger.

Wir bringen ihn zu Haus mit lautem Jubel.

Brutus. Mitbürger –

Zweiter Bürger.

Schweigt doch! Stille! Brutus spricht.

Erster Bürger.

Still da!

Brutus.

Ihr guten Bürger, laßt allein mich gehn;

Bleibt mir zuliebe hier beim Mark Anton.

Ehrt Cäsars Leiche, ehret seine Rede,

Die Cäsars Ruhm verherrlicht. Dem Antonius

Gab unser Will‘ Erlaubnis, sie zu halten.

Ich bitt euch, keiner gehe fort von hier

Als ich allein, bis Mark Anton gesprochen. (Ab.)

Erster Bürger.

He, bleibt doch! Hören wir den Mark Anton.

Dritter Bürger.

Laßt ihn hinaufgehn auf die Rednerbühne.

Ja, hört ihn! Edler Mark Anton, hinauf!

Antonius.

Um Brutus‘ willen bin ich euch verpflichtet.

Vierter Bürger.

Was sagt er da vom Brutus?

Dritter Bürger.

Er sagt, um Brutus‘ willen find er sich

Uns insgesamt verpflichtet.

Vierter Bürger.

Er täte wohl,

Dem Brutus hier nichts Übles nachzureden.

Erster Bürger.

Der Cäsar war ein Tyrann.

Dritter Bürger.

Ja, das ist sicher;

Es ist ein Glück für uns, daß Rom ihn los ward.

Vierter Bürger.

Still! Hört doch, was Antonius sagen kann!

Antonius.

Ihr edlen Römer –

Bürger.

Still da! hört ihn doch!

Antonius.

Mitbürger! Freunde! Römer! hört mich an:

Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen.

Was Menschen Übles tun, das überlebt sie,

Das Gute wird mit ihnen oft begraben.

So sei es auch mit Cäsarn! Der edle Brutus

Hat euch gesagt, daß er voll Herrschsucht war;

Und war er das, so war’s ein schwer Vergehen,

Und schwer hat Cäsar auch dafür gebüßt.

Hier, mit des Brutus Willen und der andern

(Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann,

Das sind sie alle, alle ehrenwert),

Komm ich, bei Cäsars Leichenzug zu reden.

Er war mein Freund, war mir gerecht und treu;

Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,

Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.

Er brachte viel Gefangne heim nach Rom,

Wofür das Lösegeld den Schatz gefüllt.

Sah das der Herrschsucht wohl am Cäsar gleich?

Wenn Arme zu ihm schrien, so weinte Cäsar;

Die Herrschsucht sollt aus härterm Stoff bestehn.

Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,

Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.

Ihr alle saht, wie am Lupercusfest

Ich dreimal ihm die Königskrone bot,

Die dreimal er geweigert. War das Herrschsucht?

Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,

Und ist gewiß ein ehrenwerter Mann.

Ich will, was Brutus sprach, nicht widerlegen;

Ich spreche hier von dem nur, was ich weiß.

Ihr liebtet all ihn einst nicht ohne Grund;

Was für ein Grund wehrt euch, um ihn zu trauern?

O Urteil, du entflohst zum blöden Vieh,

Der Mensch ward unvernünftig! – Habt Geduld!

Mein Herz ist in dem Sarge hier beim Cäsar,

Und ich muß schweigen, bis es mir zurückkommt.

Erster Bürger.

Mich dünkt, in seinen Reden ist viel Grund.

Zweiter Bürger.

Wenn man die Sache recht erwägt, ist Cäsarn

Groß Unrecht widerfahren.

Dritter Bürger.

Meint Ihr, Bürger?

Ich fürcht, ein Schlimmrer kommt an seine Stelle.

Vierter Bürger.

Habt ihr gehört? Er nahm die Krone nicht;

Da sieht man, daß er nicht herrschsüchtig war.

Erster Bürger.

Wenn dem so ist, so wird es manchem teuer

Zu stehen kommen.

Zweiter Bürger.

Ach, der arme Mann!

Die Augen sind ihm feuerrot vom Weinen.

Dritter Bürger.

Antonius ist der bravste Mann in Rom.

Vierter Bürger.

Gebt acht! Er fängt von neuem an zu reden.

Antonius.

Noch gestern hätt umsonst dem Worte Cäsars

Die Welt sich widersetzt; nun liegt er da,

Und der Geringste neigt sich nicht vor ihm.

O Bürger! strebt ich, Herz und Mut in euch

Zur Wut und zur Empörung zu entflammen,

So tät ich Cassius und Brutus Unrecht,

Die ihr als ehrenwerte Männer kennt.

Ich will nicht ihnen Unrecht tun, will lieber

Dem Toten Unrecht tun, mir selbst und euch,

Als ehrenwerten Männern, wie sie sind.

Doch seht dies Pergament mit Cäsars Siegel;

Ich fand’s bei ihm, es ist sein letzter Wille.

Vernähme nur das Volk dies Testament

(Das ich, verzeiht mir, nicht zu lesen denke),

Sie gingen hin und küßten Cäsars Wunden

Und tauchten Tücher in sein heilges Blut,

Ja, bäten um ein Haar zum Angedenken,

Und sterbend nennten sie’s im Testament

Und hinterließen’s ihres Leibes Erben

Zum köstlichen Vermächtnis.

Vierter Bürger.

Wir wollen’s hören: lest das Testament!

Lest, Mark Anton!

Bürger.

Ja, ja, das Testament!

Laßt Cäsars Testament uns hören.

Antonius.

Seid ruhig, lieben Freund‘! Ich darf’s nicht lesen,

Ihr müßt nicht wissen, wie euch Cäsar liebte.

Ihr seid nicht Holz, nicht Stein, ihr seid ja Menschen;

Drum, wenn ihr Cäsars Testament erführt,

Es setzt‘ in Flammen euch, es macht‘ euch rasend.

Ihr dürft nicht wissen, daß ihr ihn beerbt,

Denn wüßtet ihr’s, was würde draus entstehn?

Bürger.

Lest das Testament! Wir wollen’s hören, Mark Anton!

Ihr müßt es lesen! Cäsars Testament!

Antonius.

Wollt ihr euch wohl gedulden? wollt ihr warten?

Ich übereilte mich, da ich’s euch sagte.

Ich fürcht, ich tu den ehrenwerten Männern

Zu nah, durch deren Dolche Cäsar fiel;

Ich fürchte es.

Vierter Bürger.

Sie sind Verräter: ehrenwerte Männer!

Bürger.

Das Testament! Das Testament!

Zweiter Bürger.

Sie waren Bösewichter, Mörder! Das Testament!

Lest das Testament!

Antonius.

So zwingt ihr mich, das Testament zu lesen?

Schließt einen Kreis um Cäsars Leiche denn,

Ich zeig euch den, der euch zu Erben machte.

Erlaubt ihr mir’s? Soll ich hinuntersteigen?

Bürger.

Ja, kommt nur!

Zweiter Bürger.

Steigt herab! (Er verläßt die Rednerbühne.)

Dritter Bürger.

Es ist Euch gern erlaubt.

Vierter Bürger.

Schließt einen Kreis herum.

Erster Bürger.

Zurück vom Sarge! von der Leiche weg!

Zweiter Bürger.

Platz für Antonius! für den edlen Antonius!

Antonius.

Nein, drängt nicht so heran! Steht weiter weg!

Bürger.

Zurück! Platz da! zurück!

Antonius.

Wofern ihr Tränen habt, bereitet euch,

Sie jetzo zu vergießen. Diesen Mantel,

Ihr kennt ihn alle; doch erinnr‘ ich mich

Des ersten Males, daß ihn Cäsar trug

In seinem Zelt, an einem Sommerabend –

Er überwand den Tag die Nervier –

Hier, schauet! fuhr des Cassius Dolch herein;

Seht, welchen Riß der tücksche Casca machte!

Hier stieß der vielgeliebte Brutus durch;

Und als er den verfluchten Stahl hinwegriß,

Schaut her, wie ihm das Blut des Cäsar folgte,

Als stürzt‘ es vor die Tür, um zu erfahren,

Ob wirklich Brutus so unfreundlich klopfte.

Denn Brutus, wie ihr wißt, war Cäsars Engel.

Ihr Götter, urteilt, wie ihn Cäsar liebte!

Kein Stich von allen schmerzte so wie der.

Denn als der edle Cäsar Brutus sah,

Warf Undank, stärker als Verräterwaffen,

Ganz nieder ihn; da brach sein großes Herz,

Und in dem Mantel sein Gesicht verhüllend,

Grad am Gestell der Säule des Pompejus,

Von der das Blut rann, fiel der große Cäsar.

O meine Bürger, welch ein Fall war das!

Da fielet ihr und ich, wir alle fielen,

Und über uns frohlockte blutge Tücke.

O ja! nun weint ihr, und ich merk, ihr fühlt

Den Drang des Mitleids; dies sind milde Tropfen.

Wie? weint ihr, gute Herzen, seht ihr gleich

Nur unsers Cäsars Kleid verletzt? Schaut her!

Hier ist er selbst, geschändet von Verrätern.

Erster Bürger.

O kläglich Schauspiel!

Zweiter Bürger.

O edler Cäsar!

Dritter Bürger.

O jammervoller Tag!

Vierter Bürger.

O Buben und Verräter!

Erster Bürger.

O blutger Anblick!

Zweiter Bürger.

Wir wollen Rache! Rache! Auf und sucht!

Sengt! brennt! schlagt! mordet! laßt nicht einen leben!

Antonius.

Seid ruhig, meine Bürger!

Erster Bürger.

Still da! Hört den edlen Antonius!

Zweiter Bürger.

Wir wollen ihn hören, wir wollen ihm folgen,

wir wollen für ihn sterben!

Antonius.

Ihr guten, lieben Freund‘, ich muß euch nicht

Hinreißen zu des Aufruhrs wildem Sturm.

Die diese Tat getan, sind ehrenwert.

Was für Beschwerden sie persönlich führen,

Warum sie’s taten, ach! das weiß ich nicht;

Doch sind sie weis und ehrenwert, und werden

Euch sicherlich mit Gründen Rede stehn.

Nicht euer Herz zu stehlen, komm ich, Freunde;

Ich bin kein Redner, wie es Brutus ist,

Nur, wie ihr alle wißt, ein schlichter Mann

Dem Freund ergeben, und das wußten die

Gar wohl, die mir gestattet, hier zu reden.

Ich habe weder Witz noch Wort‘ und Würde,

Noch Kunst des Vortrags noch die Macht der Rede,

Der Menschen Blut zu reizen; nein, ich spreche

Nur gradezu und sag euch, was ihr wißt.

Ich zeig euch des geliebten Cäsars Wunden,

Die armen stummen Munde, heiße die

Statt meiner reden. Aber wär ich Brutus

Und Brutus Mark Anton, dann gäb es einen,

Der eure Geister schürt‘ und jeder Wunde

Des Cäsars eine Zunge lieh‘, die selbst

Die Steine Roms zum Aufstand würd empören.

Dritter Bürger.

Empörung!

Erster Bürger.

Steckt des Brutus Haus in Brand!

Dritter Bürger.

Hinweg denn! kommt, sucht die Verschwornen auf!

Antonius.

Noch hört mich, meine Bürger, hört mich an!

Bürger.

Still da! Hört Mark Anton! den edlen Mark Anton!

Antonius.

Nun, Freunde, wißt ihr selbst auch, was ihr tut?

Wodurch verdiente Cäsar eure Liebe?

Ach nein! ihr wißt nicht. – Hört es denn! Vergessen

Habt ihr das Testament, wovon ich sprach.

Bürger.

Wohl wahr! Das Testament! Bleibt, hört das Testament!

Antonius.

Hier ist das Testament mit Cäsars Siegel;

Darin vermacht er jedem Bürger Roms,

Auf jeden Kopf euch, fünfundsiebzig Drachmen.

Zweiter Bürger.

O edler Cäsar! – Kommt, rächt seinen Tod!

Dritter Bürger.

O königlicher Cäsar.

Antonius.

Hört mich mit Geduld!

Bürger.

Still da!

Antonius.

Auch läßt er alle seine Lustgehege,

Verschloßne Lauben, neugepflanzte Gärten

Diesseit der Tiber euch und euren Erben

Auf ewge Zeit, damit ihr euch ergehn

Und euch gemeinsam dort ergötzen könnt.

Das war ein Cäsar: wann kommt seinesgleichen?

Erster Bürger.

Nimmer! nimmer! – Kommt! hinweg! hinweg! hinweg!

Verbrennt den Leichnam auf dem heilgen Platze,

Und mit den Bränden zündet den Verrätern

Die Häuser an. Nehmt denn die Leiche auf!

Zweiter Bürger.

Geht! holt Feuer!

Dritter Bürger.

Reißt Bänke ein!

Vierter Bürger.

Reißt Sitze, Läden, alles ein! (Die Bürger mit Cäsars Leiche ab.)

Antonius.

Nun wirk es fort. Unheil, du bist im Zuge:

Nimm, welchen Lauf du willst! –

Ein Diener kommt.

Was bringst du, Bursch?

Diener.

Herr! Octavius ist schon nach Rom gekommen.

Antonius.

Wo ist er?

Diener.

Er und Lepidus sind in Cäsars Hause.

Antonius.

Ich will sofort dahin, ihn zu besuchen,

Er kommt erwünscht. Das Glück ist aufgeräumt

Und wird in dieser Laun uns nichts versagen.

Diener.

Ich hört ihn sagen, Cassius und Brutus

Sei’n durch die Tore Roms wie toll geritten.

Antonius.

Vielleicht vernahmen sie vom Volke Kundschaft,

Wie ich es aufgewiegelt. Führ indes

Mich zum Octavius. (Beide ab.)

Dritte Szene

Eine Straße

Cinna, der Poet, tritt auf

Cinna.

Mir träumte heut, daß ich mit Cäsarn schmauste,

Und Mißgeschick füllt meine Phantasie.

Ich bin unlustig, aus dem Haus zu gehn,

Doch treibt es mich heraus. Bürger kommen.

Erster Bürger.

Wie ist Euer Name?

Zweiter Bürger.

Wo geht Ihr hin?

Dritter Bürger.

Wo wohnt Ihr?

Vierter Bürger.

Seid Ihr verheiratet oder ein Junggesell?

Zweiter Bürger.

Antwortet jedem unverzüglich.

Erster Bürger.

Ja, und kürzlich.

Vierter Bürger.

Ja, und weislich.

Dritter Bürger.

Ja, und ehrlich, das raten wir Euch.

Cinna.

Wie ist mein Name? Wohin gehe ich? Wo wohne ich? Bin ich verheiratet oder ein Junggesell? Also um jedem Manne unverzüglich und kürzlich, weislich und ehrlich zu antworten, sage ich weislich: ich bin ein Junggesell.

Zweiter Bürger.

Das heißt soviel: wer heiratet, ist ein Narr. Dafür Denke ich Euch eins zu versetzen. Weiter, unverzüglich!

Cinna.

Unverzüglich gehe ich zu Cäsars Bestattung.

Erster Bürger.

Als Freund oder Feind?

Cinna.

Als Freund.

Zweiter Bürger.

Das war unverzüglich beantwortet.

Vierter Bürger.

Eure Wohnung, kürzlich!

Cinna.

Kürzlich, ich wohne beim Kapitol.

Dritter Bürger.

Euer Name, Herr! ehrlich!

Cinna.

Ehrlich, mein Name ist Cinna.

Erster Bürger.

Reißt ihn in Stücke! Er ist ein Verschworner.

Cinna.

Ich bin Cinna, der Poet! Ich bin Cinna, der Poet!

Vierter Bürger.

Zerreißt ihn für seine schlechten Verse! Zerreißt ihn für seine schlechten Verse!

Cinna.

Ich bin nicht Cinna, der Verschworne.

Vierter Bürger.

Es tut nichts! sein Name ist Cinna; reißt ihm den Namen aus dem Herzen und laßt ihn laufen.

Dritter Bürger.

Zerreißt ihn! Zerreißt ihn! Kommt, Brände! Heda, Feuerbrände! Zum Brutus! Zum Cassius! Steckt alles in Brand! Ihr zu des Decius Hause! Ihr zu des Casca! Ihr zu des Ligarius! Fort! Kommt! (Alle ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

Rom. Ein Zimmer des Antonius

Antonius, Octavius und Lepidus, an einem Tische sitzend

Antonius.

Die müssen also sterben, deren Namen

Hier angezeichnet stehn.

Octavius.

Auch Euer Bruder

Muß sterben, Lepidus. Ihr willigt drein?

Lepidus.

Ich willge drein.

Octavius.

Zeichn ihn, Antonius.

Lepidus.

Mit dem Beding, daß Publius nicht lebe,

Der Eurer Schwester Sohn ist, Mark Anton.

Antonius.

Er lebe nicht; sieh her, ein Strich verdammt ihn.

Doch Lepidus, geht Ihr zu Cäsars Haus,

Bringt uns sein Testament; wir wollen sehn,

Was an Vermächtnissen sich kürzen läßt.

Lepidus.

Wie? Soll ich hier euch finden?

Octavius.

Hier oder auf dem Kapitol. (Lepidus ab.)

Antonius.

Dies ist ein schwacher, unbrauchbarer Mensch,

Zum Botenlaufen nur geschickt. Verdient er,

Wenn man die dreibenannte Welt verteilt,

Daß er als dritter Mann sein Teil empfange?

Octavius.

Ihr glaubtet es und hörtet auf sein Wort,

Wen man im schwarzen Rate unsrer Acht

Zum Tode zeichnen sollte.

Antonius.

Octavius, ich sah mehr Tag‘ als Ihr.

Ob wir auf diesen Mann schon Ehren häufen,

Um manche Last des Leumunds abzuwälzen,

Er trägt sie doch nur wie der Esel Gold,

Der unter dem Geschäfte stöhnt und schwitzt,

Geführt, getrieben, wie den Weg wir weisen;

Und hat er unsern Schatz, wohin wir wollen,

Gebracht, dann nehmen wir die Last ihm ab

Und lassen ihn als ledgen Esel laufen,

Daß er die Ohren schütteln mög und grasen

Auf offner Weide.

Octavius.

Tut, was Euch beliebt;

Doch ist er ein geprüfter, wackrer Krieger.

Antonius.

Das ist mein Pferd ja auch, Octavius,

Dafür bestimm ich ihm sein Maß von Futter.

Ist’s ein Geschöpf nicht, das ich lehre fechten,

Umwenden, halten, grade vorwärts rennen,

Des körperliches Tun mein Geist regiert?

In manchem Sinn ist Lepidus nichts weiter:

Man muß ihn erst abrichten, lenken, mahnen;

Ein Mensch von dürftgem Geiste, der sich nährt

Von Gegenständen, Künsten, Nachahmungen,

Die, alt und schon von andern abgenutzt,

Erst seine Mode werden. Sprecht nicht anders

Von ihm als einem Werkzeug nur. – Und nun,

Octavius, vernehmet große Dinge:

Brutus und Cassius werben Völker an,

Wir müssen ihnen stracks die Spitze bieten;

Drum laßt die Bundsgenossen uns versammeln,

Die Freunde sichern, alle Macht aufbieten;

Und laßt zu Rat uns sitzen alsobald,

Wie man am besten Heimliches entdeckt

Und offnen Fährlichkeiten sicher trotzt.

Octavius.

Das laßt uns tun; denn uns wird aufgelauert,

Und viele Feinde bellen um uns her;

Und manche, so da lächeln, fürcht ich, tragen

Im Herzen tausend Unheil. (Beide ab.)

Zweite Szene

Vor Brutus‘ Zelte im Lager nahe bei Sardes Trommeln werden gerührt. Brutus, Lucilius, Lucius und Soldaten treten auf. Pindarus und Titinius kommen ihnen entgegen

Brutus.

Halt!

Lucilius.

He! Gebt das Wort und haltet.

Brutus.

Was gibt’s, Lucilius? Ist Cassius nahe?

Lucilius.

Er ist nicht weit, und hier kommt Pindarus,

Im Namen seines Herrn Euch zu begrüßen. (Pindarus überreicht dem Brutus einen Brief.)

Brutus.

Sein Gruß ist freundlich. Wißt, daß Euer Herr,

Von selbst verändert oder schlecht beraten,

Mir gültgen Grund gegeben, ungeschehn

Geschehenes zu wünschen. Aber ist er

Hier in der Näh, so wird er mir genugtun.

Pindarus.

Ich zweifle nicht, voll Ehr und Würdigkeit

Wird, wie er ist, mein edler Herr erscheinen.

Brutus.

Wir zweifeln nicht an ihm. – Ein Wort, Lucilius:

Laßt mich erfahren, wie er Euch empfing.

Lucilius.

Mit Höflichkeit und Ehrbezeugung gnug,

Doch nicht mit so vertrauter Herzlichkeit,

Nicht mit so freiem, freundlichem Gespräch,

Als er vordem wohl pflegte.

Brutus.

Du beschreibst,

Wie warme Freund‘ erkalten. Merke stets

Lucilius, wenn Lieb erkrankt und schwindet,

Nimmt sie gezwungne Höflichkeiten an.

Einfältge, schlichte Treu weiß nichts von Künsten;

Doch Gleisner sind wie Pferde, heiß im Anlauf:

Sie prangen schön mit einem Schein von Kraft;

Doch sollen sie den blutgen Sporn erdulden,

So sinkt ihr Stolz, und falschen Mähren gleich

Erliegen sie der Prüfung. – Naht sein Heer?

Lucilius.

Sie wollten Nachtquartier in Sardes halten.

Der größte Teil, die ganze Reiterei

Kommt mit dem Cassius. (Ein Marsch hinter der Szene.)

Brutus.

Horch! Er ist schon da.

Rückt langsam ihm entgegen. Cassius tritt auf mit Soldaten.

Cassius.

Halt!

Brutus.

Halt! Gebt das Befehlswort weiter. (Hinter der Szene: Halt! – Halt! – Halt!)

Cassius.

Ihr tatet mir zu nah, mein edler Brutus.

Brutus.

Ihr Götter, richtet! Tu ich meinen Feinden

Zu nah? und sollt ich’s meinem Bruder tun?

Cassius.

Brutus, dies Euer würdiges Benehmen

Deckt Unrecht zu, und wenn Ihr es begeht –

Brutus.

Seid ruhig, Cassius! bringet leise vor,

Was für Beschwerd Ihr habt. – Ich kenn Euch wohl.

Im Angesicht der beiden Heere hier,

Die nichts von uns als Liebe sehen sollten,

Laßt uns nicht hadern. Heißt hinweg sie ziehn;

Führt Eure Klagen dann in meinem Zelt;

Ich will Gehör Euch geben.

Cassius.

Pindarus,

Heißt unsre Obersten ein wenig weiter

Von diesem Platz hinweg die Scharen führen.

Brutus.

Tut Ihr das auch, Lucilius. Laßt niemand,

Solang die Unterredung dauert, ein.

Laßt Lucius und Titinius Wache stehn. (Alle ab.)

Dritte Szene

Im Zelte des Brutus Lucius und Titinius in einiger Entfernung davon. Brutus und Cassius treten auf

Cassius.

Eur Unrecht gegen mich erhellet hieraus:

Ihr habt den Lucius Pella hart verdammt,

Weil er bestochen worden von den Sardern;

Mein Brief, worin ich mich für ihn verwandt,

Weil ich ihn kenne, ward für nichts geachtet.

Brutus.

Ihr tatet Euch zu nah, in solchem Fall zu schreiben.

Cassius.

In solcher Zeit, wie diese, ziemt es nicht,

Daß jeder kleine Fehl bekrittelt werde.

Brutus.

Laßt mich Euch sagen, Cassius, daß Ihr selbst

Verschrien seid, weil Ihr hohle Hände macht,

Weil Ihr an Unverdiente Eure Ämter

Verkauft und feilschet.

Cassius.

Mach ich hohle Hände?

Ihr wißt wohl, Ihr seid Brutus, der dies sagt,

Sonst, bei den Göttern! wär dies Wort Eur letztes.

Brutus.

Des Cassius Name adelt die Bestechung,

Darum verbirgt die Züchtigung ihr Haupt.

Cassius.

Die Züchtigung!

Brutus.

Denkt an den März, denkt an des Märzen Idus!

Hat um das Recht der große Julius nicht

Geblutet? Welcher Bube legt‘ an ihn

Die Hand wohl, schwang den Stahl, und nicht ums Recht?

Wie? Soll nun einer derer, die den ersten

Von allen Männern dieser Welt erschlugen,

Bloß, weil er Räuber schützte: sollen wir

Mit schnöden Gaben unsre Hand besudeln?

Und unser Würden weiten Kreis verkaufen

Für soviel Plunders, als man etwa greift?

Ein Hund sein lieber und den Mond anbellen,

Als solch ein Römer!

Cassius.

Brutus, reizt mich nicht!

Ich will’s nicht dulden. Ihr vergeßt Euch selbst,

Wenn Ihr mich so umzäunt; ich bin ein Krieger,

Erfahrner, älter, fähiger als Ihr,

Bedingungen zu machen.

Brutus.

Redet nur, –

Ihr seid es doch nicht, Cassius.

Cassius.

Ich bin’s.

Brutus.

Ich sag, Ihr seid es nicht.

Cassius.

Drängt mich nicht mehr, ich werde mich vergessen;

Gedenkt an Euer Heil, reizt mich nicht länger.

Brutus.

Geht, leichtgesinnter Mann!

Cassius.

Ist’s möglich?

Brutus.

Hört mich an, denn ich will reden.

Muß ich mich Eurer jähen Hitze fügen?

Muß ich erschrecken, wenn ein Toller starrt?

Cassius.

Ihr Götter! Götter! muß ich all dies dulden?

Brutus.

All dies? Noch mehr! Ergrimmt, bis es Euch birst,

Das stolze Herz. Geht, zeiget Euren Sklaven,

Wie rasch zum Zorn Ihr seid, und macht sie zittern.

Muß ich beiseit mich drücken? muß den Hof

Euch machen? Muß ich dastehn und mich krümmen

Vor Eurer krausen Laune? Bei den Göttern!

Ihr sollt hinunterwürgen Euren Gift,

Und wenn Ihr börstet; denn von heute an

Dient Ihr zum Scherz, ja zum Gelächter mir,

Wenn Ihr Euch so gebärdet.

Cassius.

Dahin kam’s?

Brutus.

Ihr sagt, daß Ihr ein beßrer Krieger seid:

Beweist es denn, macht Euer Prahlen wahr.

Es soll mir lieb sein; denn, was mich betrifft,

Ich werde gern von edlen Männern lernen.

Cassius.

Ihr tut zu nah, durchaus zu nah mir, Brutus.

Ich sagt, ein ältrer Krieger, nicht ein beßrer.

Sagt ich, ein beßrer?

Brutus.

Und hättet Ihr’s gesagt, mir gilt es gleich.

Cassius.

Mir hätte Cäsar das nicht bieten dürfen.

Brutus.

O schweigt! Ihr durftet ihn auch nicht so reizen.

Cassius.

Ich durfte nicht?

Brutus.

Nein.

Cassius.

Wie? Durft ihn nicht reizen?

Brutus.

Ihr durftet es für Euer Leben nicht.

Cassius.

Wagt nicht zuviel auf meine Liebe hin,

Ich möchte tun, was mich nachher gereute.

Brutus.

Ihr habt getan, was Euch gereuen sollte.

Eur Drohn hat keine Schrecken, Cassius;

Denn ich bin so bewehrt durch Redlichkeit,

Daß es vorbeizieht wie der leere Wind,

Der nichts mir gilt. Ich sandte hin zu Euch

Um eine Summe Golds, die Ihr mir abschlugt.

Ich kann kein Geld durch schnöde Mittel heben.

Beim Himmel! lieber prägt ich ja mein Herz

Und tröpfelte mein Blut für Drachmen aus

Als daß ich aus der Bauern harten Händen

Die jämmerliche Habe winden sollte

Durch irgendeinen Schlich. – Ich sandt um Gold zu Euch,

Um meine Legionen zu bezahlen;

Ihr schlugt mir’s ab: war das, wie Cassius sollte?

Hätt ich dem Cajus Cassius so erwidert?

Wenn Marcus Brutus je so geizig wird,

Daß er so lumpge Pfennige den Freunden

Verschließt, dann rüstet eure Donnerkeile,

Zerschmettert ihn, ihr Götter!

Cassius.

Ich schlug es Euch nicht ab.

Brutus.

Ihr tatet es.

Cassius.

Ich tat’s nicht; der Euch meine Antwort brachte,

War nur ein Tor. – Brutus zerreißt mein Herz –

Es sollt ein Freund des Freundes Schwächen tragen,

Brutus macht meine größer, als sie sind.

Brutus.

Das tu ich nicht, bis Ihr damit mich quält.

Cassius.

Ihr liebt mich nicht.

Brutus.

Nicht Eure Fehler lieb ich.

Cassius.

Nie konnt ein Freundesaug dergleichen sehn.

Brutus.

Des Schmeichlers Auge säh sie nicht, erschienen

Sie auch so riesenhaft wie der Olymp.

Cassius.

Komm, Mark Anton, und komm, Octavius, nur!

Nehmt eure Rach allein am Cassius;

Denn Cassius ist des Lebens überdrüssig,

Gehaßt von einem, den er liebt; getrotzt

Von seinem Bruder; wie ein Knecht gescholten.

Man späht nach allen meinen Fehlern, zeichnet

Sie in ein Denkbuch, lernt sie aus dem Kopf,

Wirft sie mir in die Zähne. – Oh, ich könnte

Aus meinen Augen meine Seele weinen!

Da ist mein Dolch, hier meine nackte Brust;

Ein Herz drin, reicher als des Plutus Schacht,

Mehr wert als Gold; wo du ein Römer bist,

So nimm’s heraus. Ich, der dir Gold versagt,

Ich biete dir mein Herz. Stoß zu, wie einst

Auf Cäsar! Denn ich weiß, als du am ärgsten

Ihn haßtest, liebtest du ihn mehr, als je

Du Cassius geliebt.

Brutus.

Steckt Euren Dolch ein!

Seid zornig, wenn Ihr wollt: es steh Euch frei!

Tut, was Ihr wollt, Schmach soll für Laune gelten.

O Cassius! einem Lamm seid Ihr gesellt,

Das so nur Zorn hegt wie der Kiesel Feuer,

Der, viel geschlagen, flüchtge Funken zeigt

Und gleich drauf wieder kalt ist.

Cassius.

Lebt ich dazu,

Ein Scherz nur und Gelächter meinem Brutus

Zu sein, wenn Gram und böses Blut mich plagt?

Brutus.

Als ich das sprach, hatt ich auch böses Blut.

Cassius.

Gesteht Ihr soviel ein? Gebt mir die Hand.

Brutus.

Und auch mein Herz.

Cassius.

O Brutus!

Brutus.

Was verlangt Ihr?

Cassius.

Liebt Ihr mich nicht genug, Geduld zu haben,

Wenn jene rasche Laune, von der Mutter

Mir angeerbt, macht, daß ich mich vergesse?

Brutus.

Ja, Cassius; künftig, wenn Ihr allzu streng

Mit Eurem Brutus seid, so denket er,

Die Mutter schmäl aus Euch, und läßt Euch gehn. (Lärm hinter der Szene.)

Ein Poet (hinter der Szene).

Laßt mich hinein, ich muß die Feldherrn sehn.

Ein Zank ist zwischen ihnen; ’s ist nicht gut,

Daß sie allein sind.

Lucilius (hinter der Szene).

Ihr sollt nicht hinein.

Poet (hinter der Szene).

Der Tod nur hält mich ab. Der Poet tritt ein.

Cassius.

Ei nun, was gibt’s?

Poet.

Schämt ihr euch nicht, ihr Feldherrn? Was beginnt ihr?

Liebt euch, wie sich’s für solche Männer schickt;

Fürwahr, ich hab mehr Jahr‘ als ihr erblickt.

Cassius.

Ha, ha! wie toll der Zyniker nicht reimt!

Brutus.

Ihr Schlingel, packt Euch! Fort, verwegner Bursch!

Cassius.

Ertragt ihn, Brutus! seine Weis ist so.

Brutus.

Kennt er die Zeit, so kenn ich seine Laune.

Was soll der Krieg mit solchen Schellennarren?

Geh fort, Gesell!

Cassius.

Fort! fort! geh deines Wegs! (Der Poet ab.)

Lucilius und Titinius kommen.

Brutus.

Lucilius und Titinius, heißt die Obersten

Auf Nachtquartier für ihre Scharen denken.

Cassius.

Kommt selber dann und bringt mit euch Messala

Sogleich zu uns herein. (Lucilius und Titinius ab.)

Brutus.

Lucius, eine Schale Weins.

Cassius.

Ich dachte nicht, daß Ihr so zürnen könntet.

Brutus.

O Cassius, ich bin krank an manchem Gram.

Cassius.

Ihr wendet die Philosophie nicht an,

Die ihr bekennt, gebt Ihr zufällgen Übeln Raum.

Brutus.

Kein Mensch trägt Leiden besser. – Portia starb.

Cassius.

Ha! Portia!

Brutus.

Sie ist tot.

Cassius.

Lag das im Sinn Euch, wie entkam ich lebend?

O bittrer, unerträglicher Verlust!

An welcher Krankheit?

Brutus.

Die Trennung nicht erduldend;

Und Gram, daß mit Octavius Mark Anton

So mächtig worden – denn mit ihrem Tod

Kam der Bericht – das brachte sie von Sinnen,

Und wie sie sich allein sah, schlang sie Feuer.

Cassius.

Und starb so?

Brutus.

Starb so.

Cassius.

O ihr ewgen Götter! Lucius kommt mit Wein und Kerzen.

Brutus.

Sprecht nicht mehr von ihr. – Gebt eine Schale Weins!

Hierin begrab ich allen Unglimpf, Cassius. (Trinkt.)

Cassius.

Mein Herz ist durstig, Euch Bescheid zu tun.

Füllt, Lucius, bis der Wein den Becher kränzt;

Von Brutus‘ Liebe trink ich nie zuviel. (Trinkt.) Titinius und Messala kommen.

Brutus.

Herein, Titinius! Seid gegrüßt, Messala!

Nun laßt uns dicht um diese Kerze sitzen

Und, was uns frommt, in Überlegung ziehn.

Cassius.

O Portia, bist du hin!

Brutus.

Nicht mehr, ich bitt Euch!

Messala, seht, ich habe Brief‘ empfangen,

Daß Mark Anton, mit ihm Octavius,

Heranziehn gegen uns mit starker Macht

Und ihren Heerzug nach Philippi lenken.

Messala.

Ich habe Briefe von demselben Inhalt.

Brutus.

Mit welchem Zusatz?

Messala.

Daß durch Proskription und Achtserklärung

Octavius, Mark Anton und Lepidus

Auf hundert Senatoren umgebracht.

Brutus.

Darüber weichen unsre Briefe ab.

Der meine spricht von siebzig Senatoren,

Die durch die Ächtung fielen; Cicero

Sei einer aus der Zahl.

Cassius.

Auch Cicero?

Messala.

Ja, er ist tot, und durch den Achtsbefehl. –

Kam Euer Brief von Eurer Gattin, Herr?

Brutus.

Nein, Messala.

Messala.

Und meldet Euer Brief von ihr Euch nichts?

Brutus.

Gar nichts, Messala.

Messala.

Das bedünkt mich seltsam.

Brutus.

Warum? Wißt Ihr aus Eurem Brief von ihr?

Messala.

Nein, Herr.

Brutus.

Wenn Ihr ein Römer seid, sagt mir die Wahrheit.

Messala.

Tragt denn die Wahrheit, die ich sag, als Römer:

Sie starb, und zwar auf wunderbare Weise.

Brutus.

Leb wohl denn, Portia! – Wir müssen sterben,

Messala; dadurch, daß ich oft bedacht,

Sie müß einst sterben, hab ich die Geduld,

Es jetzt zu tragen.

Messala.

So trägt ein großer Mann ein großes Unglück.

Cassius.

Durch Kunst hab ich soviel hievon als ihr,

Doch die Natur ertrüg’s in mir nicht so.

Brutus.

Wohlan, zu unserm lebenden Geschäft!

Was denkt Ihr? Ziehn wir nach Philippi gleich?

Cassius.

Mir scheint’s nicht ratsam.

Brutus.

Euer Grund?

Cassius.

Hier ist er:

Weit besser ist es, wenn der Feind uns sucht;

So wird er, sich zum Schaden, seine Mittel

Erschöpfen, seine Krieger müde machen.

Wir liegen still indes, bewahren uns

In Ruh wehrhaften Stand und Munterkeit.

Brutus.

Den bessern Gründen müssen gute weichen.

Das Land von hier bis nach Philippi hin

Beweist uns nur aus Zwang Ergebenheit,

Denn murrend hat es Lasten uns gezahlt.

Der Feind, indem er durch dasselbe zieht,

Wird seine Zahl daraus ergänzen können

Und uns erfrischt, vermehrt, ermutigt nahn.

Von diesem Vorteil schneiden wir ihn ab,

Wenn zu Philippi wir die Stirn ihm bieten,

Dies Volk im Rücken.

Cassius.

Hört mich, lieber Bruder!

Brutus.

Erlaubt mir gütig! – Ferner müßt Ihr merken,

Daß wir von Freunden alles aufgeboten,

Daß unsre Legionen übervoll

Und unsre Sache reif. Der Feind nimmt täglich zu;

Wir, auf dem Gipfel, stehn schon an der Neige.

Der Strom der menschlichen Geschäfte wechselt;

Nimmt man die Flut wahr, führet sie zum Glück;

Versäumt man sie, so muß die ganze Reise

Des Lebens sich durch Not und Klippen winden.

Wir sind nun flott auf solcher hohen See

Und müssen, wenn der Strom uns hebt, ihn nutzen;

Wo nicht, geht unser schwimmend Gut verloren.

Cassius.

So zieht denn, wie Ihr wollt; wir rücken selbst

Dem Feind entgegen nach Philippi vor.

Brutus.

Die tiefe Nacht hat das Gespräch beschlichen,

Und die Natur muß frönen dem Bedürfnis,

Das mit ein wenig Ruh wir täuschen wollen.

Ist mehr zu sagen noch?

Cassius.

Nein. Gute Nacht!

Früh stehn wir also morgen auf, und fort.

Brutus.

Lucius, mein Schlafgewand! (Lucius ab.) Lebt wohl, Messala!

Gute Nacht, Titinius! Edler, edler Cassius,

Gute Nacht und sanfte Ruh!

Cassius.

O teurer Bruder,

Das war ein schlimmer Anfang dieser Nacht.

Nie trenne solcher Zwiespalt unsre Herzen,

Nie wieder, Brutus.

Brutus.

Alles steht ja wohl.

Cassius.

Nun, gute Nacht!

Brutus.

Gute Nacht, mein guter Bruder!

Titinius und Messala.

Mein Feldherr, gute Nacht!

Brutus.

Lebt alle wohl. (Cassius, Titinius und Messala ab.)

Lucius kommt zurück mit dem Nachtkleide.

Brutus.

Gib das Gewand, wo hast du deine Laute?

Lucius.

Im Zelte hier.

Brutus.

Wie? Schläfrig? Armer Schelm,

Ich tadle drum dich nicht; du hast dich überwacht.

Ruf Claudius her und andre meiner Leute,

Sie sollen hier im Zelt auf Kissen schlafen.

Lucius.

Varro und Claudius! Varro und Claudius kommen.

Varro.

Ruft mein Gebieter?

Brutus.

Ich bitt euch, liegt in meinem Zelt und schlaft;

Bald weck ich euch vielleicht, um irgendwas

Bei meinem Bruder Cassius zu bestellen.

Varro.

Wenn’s Euch beliebt, wir wollen stehn und warten.

Brutus.

Das nicht! Nein, legt euch nieder, meine Freunde. –

(Die beiden Diener legen sich nieder.)

Vielleicht verändert noch sich mein Entschluß. –

Sieh, Lucius, hier das Buch, das ich so suchte;

Ich steckt es in die Tasche des Gewandes.

Lucius.

Ich wußte wohl, daß mein Gebieter mir

Es nicht gegeben.

Brutus.

Hab Geduld mit mir,

Mein guter Junge, ich bin sehr vergeßlich.

Hältst du noch wohl die müden Augen auf

Und spielst mir ein paar Weisen auf der Laute?

Lucius.

Ja, Herr, wenn’s Euch beliebt.

Brutus.

Das tut’s, mein Junge.

Ich plage dich zuviel, doch du bist willig.

Lucius.

Es ist ja meine Pflicht.

Brutus.

Ich sollte dich

Zur Pflicht nicht über dein Vermögen treiben;

Ich weiß, daß junges Blut auf Schlafen hält.

Lucius.

Ich habe schon geschlafen, mein Gebieter.

Brutus.

Du tatest recht und sollst auch wieder schlafen.

Ich will nicht lang dich halten; wenn ich lebe,

Will ich dir Gutes tun.

(Musik und ein Lied.)

Die Weis ist schläfrig – Mörderischer Schlummer,

Legst du die blei’rne Keul auf meinen Knaben,

Der dir Musik macht? – Lieber Schelm, schlaf wohl,

Ich tu dir’s nicht zuleid, daß ich dich wecke;

Nickst du, so brichst du deine Laut entzwei;

Ich nehm sie weg, und schlaf nun, guter Knabe.

Laßt sehn! Ist, wo ich aufgehört zu lesen,

Das Blatt nicht eingelegt? Hier, denk ich, ist’s. (Er setzt sich.)

Der Geist Cäsars erscheint.

Wie dunkel brennt die Kerze! – Ha, wer kommt?

Ich glaub, es ist die Schwäche meiner Augen,

Die diese schreckliche Erscheinung schafft.

Sie kommt mir näher – Bist du irgendwas?

Bist du ein Gott, ein Engel oder Teufel,

Der starren macht mein Blut, das Haar mir sträubt?

Gib Rede, was du bist.

Geist.

Dein böser Engel, Brutus.

Brutus.

Weswegen kommst du?

Geist.

Um dir zu sagen, daß du zu Philippi

Mich sehn sollst.

Brutus.

Gut, ich soll dich wiedersehn?

Geist.

Ja, zu Philippi. (Verschwindet.)

Brutus.

Nun, zu Philippi will ich denn dich sehn.

Nun ich ein Herz gefaßt, verschwindest du;

Gern spräch ich mehr mit dir noch, böser Geist. –

Bursch! Lucius! – Varro! Claudius! wacht auf!

Claudius!

Lucius.

Die Saiten sind verstimmt.

Brutus.

Er glaubt, er sei bei seiner Laute noch.

Erwache, Lucius!

Lucius.

Herr?

Brutus.

Hast du geträumt, daß du so schrieest, Lucius?

Lucius.

Ich weiß nicht, mein Gebieter, daß ich schrie.

Brutus.

Ja doch, was tatst du; sahst du irgendwas?

Lucius.

Nichts auf der Welt.

Brutus.

Schlaf wieder, Lucius. – Heda, Claudius!

Du, Bursch, wach auf!

Varro.

Herr?

Claudius.

Herr?

Brutus.

Weswegen schriet ihr so in eurem Schlaf?

Varro und Claudius.

Wir schrieen, Herr?

Brutus.

Ja, saht ihr irgendwas?

Varro.

Ich habe nichts gesehn.

Claudius.

Ich gleichfalls nicht.

Brutus.

Geht und empfehlt mich meinem Bruder Cassius;

Er lasse früh voraufziehn seine Macht,

Wir wollen folgen.

Varro und Claudius.

Herr, es soll geschehn. (Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Die Ebene von Philippi

Octavius, Antonius und ihr Heer

Octavius.

Nun, Mark Anton, wird meine Hoffnung wahr.

Ihr spracht, der Feind werd auf den Höhn sich halten

Und nicht herab in unsre Ebene ziehn;

Es zeigt sich anders: seine Scharen nahn!

Sie wollen zu Philippi hier uns mahnen

Und Antwort geben, eh wir sie befragt.

Antonius.

Pah, steck ich doch in ihren Herzen, weiß,

Warum sie’s tun. Sie wären’s wohl zufrieden,

Nach andern Plätzen hinzuziehn, und kommen

Mit bangem Trotz, im Wahn, durch diesen Aufzug

Uns vorzuspiegeln, sie besitzen Mut.

Allein dem ist nicht so. Ein Bote tritt auf.

Bote.

Bereitet euch, ihr Feldherrn.

Der Feind rückt an in wohlgeschloßnen Reihn.

Sein blutges Schlachtpanier ist ausgehängt,

Und etwas muß im Augenblick geschehn.

Antonius.

Octavius, führet langsam Euer Heer

Zur linken Hand der Ebene weiter vor.

Octavius.

Zur rechten ich; behaupte du die linke.

Antonius.

Was kreuzt Ihr mich, da die Entscheidung drängt?

Octavius.

Ich kreuz Euch nicht, doch ich verlang es so. (Marsch.)

Trommeln werden gerührt. Brutus und Cassius kommen mit ihrem Heere; Lucilius, Titinius, Messala und andre.

Brutus.

Sie halten still und wollen ein Gespräch.

Cassius.

Titinius, steh! Wir treten vor und reden.

Octavius.

Antonius, geben wir zur Schlacht das Zeichen?

Antonius.

Nein, Cäsar, laßt uns ihres Angriffs warten.

Kommt, tretet vor! Die Feldherrn wünschen ja

Ein Wort mit uns.

Octavius.

Bleibt stehn bis zum Signal.

Brutus.

Erst Wort, dann Schlag: nicht wahr, ihr Landsgenossen?

Octavius.

Nicht, daß wir mehr als ihr nach Worten fragen.

Brutus.

Gut Wort, Octavius, gilt wohl bösen Streich.

Antonius.

Ihr, Brutus, gebt bei bösem Streich gut Wort.

Des zeuget Cäsars Herz, durchbohrt von Euch,

Indes Ihr rieft: «Lang lebe Cäsar, Heil!»

Cassius.

Die Führung Eurer Streiche, Mark Anton,

Ist uns noch unbekannt; doch Eure Worte

Begehn an Hyblas Bienen Raub und lassen

Sie ohne Honig.

Antonius.

Nicht auch stachellos?

Brutus.

O ja! auch tonlos, denn Ihr habt ihr Summen

Gestohlen, Mark Anton, und drohet weislich,

Bevor Ihr stecht.

Antonius.

Ihr tatet’s nicht, Verräter,

Als eure schnöden Dolch‘ einander stachen

In Cäsars Brust. Ihr zeigtet eure Zähne

Wie Affen, krocht wie Hunde, bücktet tief

Wie Sklaven euch und küßtet Cäsars Füße;

Derweil von hinten der verfluchte Casca

Mit tückschem Bisse Cäsars Nacken traf.

O Schmeichler!

Cassius.

Schmeichler! – Dankt Euch selbst nun, Brutus,

Denn diese Zunge würde heut nicht freveln,

Wär Cassius‘ Rat befolgt.

Octavius.

Zur Sache! kommt! Macht Widerspruch uns schwitzen,

So kostet rötre Tropfen der Erweis.

Seht! auf Verschworne zück ich dieses Schwert:

Wann, denkt ihr, geht es wieder in die Scheide?

Nie, bis des Cäsar dreiundzwanzig Wunden

Gerächt sind, oder bis ein andrer Cäsar

Mit Mord gesättigt der Verräter Schwert.

Brutus.

Cäsar, du kannst nicht durch Verräter sterben,

Du bringest denn sie mit.

Octavius.

Das hoff ich auch;

Von Brutus‘ Schwert war Tod mir nicht bestimmt.

Brutus.

O wärst du deines Stammes Edelster,

Du könntest, junger Mann, nicht schöner sterben.

Cassius.

Ein launisch Bübchen, unwert solchen Ruhms,

Gesellt zu einem Wüstling und ’nem Trinker.

Antonius.

Der alte Cassius!

Octavius.

Kommt, Antonius! fort!

Trotz in die Zähne schleudr‘ ich euch, Vertäter!

Wagt ihr zu fechten heut, so kommt ins Feld,

Wo nicht, wenn’s euch gemutet. (Octavius und Antonius mit ihrem Heere ab.)

Cassius.

Nun tobe, Wind! schwill, Woge! schwimme, Nachen!

Der Sturm ist wach und alles auf dem Spiel.

Brutus.

Lucilius, hört! ich muß ein Wort Euch sagen.

Lucilius. Herr? (Brutus und Lucilius reden beiseite miteinander.)

Cassius.

Messala!

Messala.

Was befiehlt mein Feldherr?

Cassius.

Messala, dies ist mein Geburtstag; grade

An diesem Tag kam Cassius auf die Welt.

Gib mir die Hand, Messala, sei mein Zeuge,

Daß ich gezwungen, wie Pompejus einst,

An eine Schlacht all unsre Freiheit wage.

Du weißt, ich hielt am Epicurus fest

Und seiner Lehr; nun ändr‘ ich meinen Sinn

Und glaub an Dinge, die das Künftge deuten.

Auf unserm Zug von Sardes stürzten sich

Zwei große Adler auf das vordre Banner;

Da saßen sie und fraßen gierig schlingend

Aus unsrer Krieger Hand; sie gaben uns

Hieher bis nach Philippi das Geleit;

Heut morgen sind sie auf und fortgeflohn.

Statt ihrer fliegen Raben, Geier, Krähn

Uns überm Haupt und schaun herab auf uns

Als einen siechen Raub; ihr Schatten scheint

Ein Trauerhimmel, unter dem das Heer,

Bereit, den Atem auszuhauchen, liegt.

Messala.

Nein, glaubt das nicht.

Cassius.

Ich glaub es auch nur halb,

Denn ich bin frischen Mutes und entschlossen,

Zu trotzen standhaft jeglicher Gefahr.

Brutus.

Tu das, Lucilius.

Cassius.

Nun, mein edler Brutus,

Sein uns die Götter heute hold, auf daß wir

Gesellt in Frieden unserm Alter nahn!

Doch weil das Los der Menschen niemals sicher,

Laßt uns bedacht sein auf den schlimmsten Fall.

Verlieren wir dies Treffen, so ist dies

Das allerletzte Mal, daß wir uns sprechen:

Was habt Ihr dann Euch vorgesetzt zu tun?

Brutus.

Ganz nach der Vorschrift der Philosophie,

Wonach ich Cato um den Tod getadelt,

Den er sich gab (ich weiß nicht, wie es kommt,

Allein ich find es feig und niederträchtig,

Aus Furcht, was kommen mag, des Lebens Zeit

So zu verkürzen), will ich mit Geduld

Mich waffnen und den Willen hoher Mächte

Erwarten, die das Irdische regieren.

Cassius.

Dann, geht die Schlacht verloren, laßt Ihr’s Euch

Gefallen, daß man durch die Straßen Roms

Euch im Triumphe führt?

Brutus.

Nein, Cassius, nein! Glaub mir, du edler Römer,

Brutus wird nie gebunden gehn nach Rom;

Er trägt zu hohen Sinn. Doch dieser Tag

Muß enden, was des Märzen Idus anfing;

Ob wir uns wieder treffen, weiß ich nicht:

Drum laßt ein ewig Lebewohl uns nehmen.

Gehab dich wohl, mein Cassius, für und für!

Sehn wir uns wieder, nun, so lächeln wir;

Wo nicht, so war dies Scheiden wohlgetan.

Cassius.

Gehab dich wohl, mein Brutus, für und für!

Sehn wir uns wieder, lächeln wir gewiß;

Wo nicht, ist wahrlich wohlgetan dies Scheiden.

Brutus.

Nun wohl, rückt vor! O wüßte jemand doch

Das Ende dieses Tagwerks, eh es kommt!

Allein es gnüget, enden wird der Tag,

Dann wissen wir sein Ende. – Kommt und fort! (Alle ab.)

Zweite Szene

Das Schlachtfeld Getümmel. Brutus und Messala kommen

Brutus.

Reit, reit, Messala, reit! Bring diese Zettel

Den Legionen auf der andern Seite. (Lautes Getümmel.)

Laß sie auf einmal stürmen, denn ich merke,

Octavius‘ Flügel hält nur schwachen Stand;

Ein schneller Anfall wirft ihn übern Haufen.

Reit! reit, Messala! Laß herab sie kommen! (Beide ab.)

Dritte Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes Getümmel. Cassius und Titinius kommen

Cassius.

O sieh, Titinius! sieh! die Schurken fliehn.

Ich selbst ward meiner eignen Leute Feind:

Dies unser Banner wandte sich zur Flucht;

Ich schlug den Feigen und entriß es ihm.

Titinius.

O Cassius! Brutus gab das Wort zu früh.

Im Vorteil gegen den Octavius, setzt‘ er

Zu hitzig nach; sein Heer fing an zu plündern,

Indes uns alle Mark Anton umzingelt. Pindarus kommt.

Pindarus.

Herr, flieht doch weiter! flieht doch weiter weg!

Antonius ist in Euren Zelten, Herr;

Drum, edler Cassius, flieht! Flieht weit hinweg!

Cassius.

Der Hügel hier ist weit genug. Schau, schau,

Titinius! Sind das meine Zelte nicht,

Wo ich das Feuer sehe?

Titinius.

Ja, mein Feldherr.

Cassius.

Wenn du mich hebst, Titinius, so besteig

Mein Pferd, setz ihm die Sporen in die Seite,

Bis es zu jener Mannschaft dich gebracht

Und wieder her, damit ich sicher wisse,

Ob jene Mannschaft Freund ist oder Feind.

Titinius.

Wie ein Gedanke bin ich wieder hier. (Ab.)

Cassius.

Geh, Pindarus, steig höher auf den Hügel,

Denn mein Gesicht ist kurz; acht auf Titinius

Und sag mir, was du auf dem Feld entdeckst.

(Pindarus ab.)

An diesem Tage atmet ich zuerst;

Die Zeit ist um, und enden soll ich da,

Wo ich begann; mein Leben hat den Kreislauf

Vollbracht. – Du dort, was gibt’s?

Pindarus (oben).

O Herr!

Cassius.

Was gibt’s?

Pindarus.

Titinius ist von Reitern ganz umringt;

Sie jagen auf ihn zu, doch spornt er weiter.

Nun sind sie dicht schon bei ihm – nun Titinius!

Sie steigen ab – er auch – er ist gefangen;

Und horcht! sie jubeln laut. (Freudengeschrei.)

Cassius.

Steig nur herunter, sieh nicht weiter zu.

O Memme, die ich bin, so lang zu leben,

Bis ich den besten Freund vor meinen Augen

Gefangen sehen muß!

Pindarus kommt zurück.

Komm, Bursch, hieher!

Ich macht in Parthia dich zum Gefangnen

Und ließ dich schwören, deines Lebens schonend,

Was ich nur immer tun dich hieß‘, du wollest

Es unternehmen. Komm nun, halt den Schwur!

Sei frei nun, und mit diesem guten Schwert,

Das Cäsars Leib durchbohrt, triff diesen Busen.

Erwidre nichts! Hier fasse du das Heft,

Und ist mein Angesicht verhüllt, wie jetzt,

So führ das Schwert. – Cäsar, du bist gerächt

Und mit demselben Schwert, das dich getötet. (Er stirbt.)

Pindarus.

So bin ich frei, doch wär ich’s lieber nicht,

Hätt es auf mir beruht. – O Cassius!

Weit weg flieht Pindarus von diesem Lande,

Dahin, wo nie ein Römer ihn bemerkt. (Ab.) Titinius und Messala kommen.

Messala.

Es ist nur Tausch, Titinius; denn Octav

Ward von des edlen Brutus Macht geschlagen,

Wie Cassius‘ Legionen von Antonius.

Titinius.

Die Zeitung wird den Cassius sehr erquicken.

Messala.

Wo ließt Ihr ihn?

Titinius.

Ganz trostlos, neben ihm

Sein Sklave Pindarus, auf diesem Hügel.

Messala.

Ist er das nicht, der auf dem Boden liegt?

Titinius.

Er liegt nicht da wie lebend. – O mein Herz!

Messala.

Nicht wahr, er ist es?

Titinius.

Nein, er war’s, Messala:

Doch Cassius ist nicht mehr. – O Abendsonne!

Wie du in deinen roten Strahlen sinkst,

So ging in Blut der Tag des Cassius unter.

Die Sonne Roms ging unter; unser Tag

Ist hingeflohn; nun kommen Wolken, Tau,

Gefahren; unsre Taten sind getan.

Mißtraun in mein Gelingen bracht ihn um.

Messala.

Mißtraun in guten Ausgang bracht ihn um.

O hassenswerter Wahn! der Schwermut Kind!

Was zeigst du doch dem regen Witz der Menschen

Das, was nicht ist! O Wahn, so bald empfangen,

Zu glücklicher Geburt gelangst du nie

Und bringst die Mutter um, die dich erzeugt.

Titinius.

Auf, Pindarus! Wo bist du, Pindarus?

Messala.

Such ihn, Titinius; ich indessen will

Zum edlen Brutus und sein Ohr durchbohren

Mit dem Bericht. Wohl nenn ich es durchbohren;

Denn scharfer Stahl und giftge Pfeile würden

Dem Ohr des Brutus so willkommen sein,

Als Meldung dieses Anblicks.

Titinius.

Eilt, Messala!

Ich suche Pindarus indessen auf. (Messala ab.)

Warum mich ausgesandt, mein wackrer Cassius?

Traf ich nicht deine Freunde? Setzten sie

Nicht diesen Siegeskranz auf meine Stirn,

Ihn dir zu bringen? Vernahmst du nicht ihr Jubeln?

Ach, jeden Umstand hast du mißgedeutet!

Doch halt, nimm diesen Kranz um deine Stirn;

Dein Brutus hieß mich dir ihn geben; ich

Vollführe sein Gebot. – Komm schleunig, Brutus,

Und sieh, wie ich den Cajus Cassius ehrte!

Verzeiht, ihr Götter! – Dies ist Römerbrauch:

Komm, Cassius‘ Schwert! triff den Titinius auch. (Er stirbt.) Getümmel. Messala kommt zurück mit Brutus, dem jungen Cato, Strato, Volumnius und Lucilius.

Brutus.

Wo? Wo, Messala? sag, wo liegt die Leiche?

Messala.

Seht, dort! Titinius trauert neben ihr.

Brutus.

Titinius‘ Antlitz ist emporgewandt.

Cato.

Er ist erschlagen.

Brutus.

O Julius Cäsar! Du bist mächtig noch;

Dein Geist geht um, er ist’s, der unsre Schwerter

In unser eignes Eingeweide kehrt. (Lautes Getümmel.)

Cato.

Mein wackrer Freund Titinius! Seht doch her,

Wie er den toten Cassius gekränzt!

Brutus.

Und leben noch zwei Römer, diesen gleich?

Du letzter aller Römer, lebe wohl!

Unmöglich ist’s, daß Rom je deinesgleichen

Erzeugen sollte. – Diesem Toten, Freunde,

Bin ich mehr Tränen schuldig, als ihr hier

Mich werdet zahlen sehen; aber, Cassius,

Ich finde Zeit dazu, ich finde Zeit.

Drum kommt, und schickt nach Thassos seine Leiche,

Er soll im Lager nicht bestattet werden;

Es schlüg uns nieder. – Komm, Lucilius!

Komm, junger Cato! Zu der Walstatt hin!

Ihr, Flavius und Labeo, laßt unsre Scharen rücken!

Es ist drei Uhr, und, Römer, noch vor Nacht

Versuchen wir das Glück in einer zweiten Schlacht. (Alle ab.)

Vierte Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes Getümmel. Soldaten von beiden Heeren, fechtend; darauf Brutus, Cato, Lucilius und andre

Brutus.

Noch, Bürger, o noch haltet hoch die Häupter!

Cato.

Ein Bastard, der’s nicht tut! Wer will mir folgen?

Ich rufe meinen Namen durch das Feld:

Ich bin der Sohn des Marcus Cato, hört!

Feind der Tyrannen, Freund des Vaterlands!

Ich bin der Sohn des Marcus Cato, hört!

Brutus (dringt auf den Feind ein).

Und ich bin Brutus, Marcus Brutus, ich;

Des Vaterlandes Freund: kennt mich als Brutus! (Ab, indem er auf den Feind eindringt. Cato wird überwältigt und fällt.)

Lucilius.

O junger, edler Cato! bist du hin?

Ja! tapfer wie Titinius stirbst du nun,

Man darf dich ehren als des Cato Sohn.

Erster Soldat.

Ergib dich, oder stirb!

Lucilius. Nur um zu sterben

Ergeb ich mich. Hier ist soviel für dich (Bietet ihm Geld an),

Daß du sogleich mich töten wirst; nun töte

Den Brutus, und es ehre dich sein Tod.

Erster Soldat.

Wir dürfen’s nicht. – Ein edler Gefangner.

Zweiter Soldat.

Platz da!

Sagt dem Antonius, daß wir Brutus haben.

Erster Soldat.

Ich will es melden. – Sieh, da kommt der Feldherr.

Antonius tritt auf.

Wir haben Brutus, Herr! wir haben Brutus!

Antonius.

Wo ist er?

Lucilius.

In Sicherheit; Brutus ist sicher gnug.

Verlaß dich drauf, daß nimmermehr ein Feind

Den edlen Brutus lebend fangen wird.

Die Götter schützen ihn vor solcher Schmach!

Wo ihr ihn findet, lebend oder tot,

Er wird wie Brutus, wie er selbst, sich zeigen.

Antonius.

Dies ist nicht Brutus, Freund, doch auf mein Wort,

Ein nicht geringrer Fang. Verwahrt ihn wohl,

Erweist nur Gutes ihm; ich habe lieber

Zu Freunden solche Männer als zu Feinden.

Eilt! seht, ob Brutus tot ist oder lebt!

Und bringt Bericht zu des Octavius Zelt,

Wie alles sich begeben. (Alle ab.)

Fünfte Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes Brutus, Dardanius, Clitus, Strato und Volumnius treten auf

Brutus.

Kommt, armer Überrest von Freunden! ruht

An diesem Felsen.

Clitus.

Herr, Statilius zeigte

Das Fackellicht, doch kommt er nicht zurück;

Er ist gefangen oder gar erschlagen.

Brutus.

Setz dich zu mir. Erschlagen ist die Losung,

Es ist des Tages Sitte. – Höre, Clitus! (Spricht leise mit ihm.)

Clitus.

Wie, gnädger Herr? Ich? Nicht um alle Welt.

Brutus.

Still denn! kein Wort!

Clitus.

Eh tötet ich mich selbst.

Brutus.

Dardanius, hör! (Spricht leise mit ihm.)

Dardanius.

Ich eine solche Tat?

Clitus.

O Dardanius!

Dardanius.

O Clitus!

Clitus.

Welch einen schlimmen Antrag tat dir Brutus?

Dardanius.

Ich sollt ihn töten, Clitus; sieh, er sinnt.

Clitus.

Nun ist das herrliche Gefäß voll Gram,

So daß es durch die Augen überfließt.

Brutus.

Komm zu mir, Freund Volumnius: ein Wort!

Volumnius.

Was sagt mein Feldherr?

Brutus.

Dies, Volumnius:

Der Geist des Cäsar ist zu zweien Malen

Mir in der Nacht erschienen; erst zu Sardes,

Und vorge Nacht hier in Philippis Ebne.

Ich weiß, daß meine Stunde kommen ist.

Volumnius.

Nicht doch, mein Feldherr.

Brutus.

O ja, es ist gewiß, Volumnius.

Du siehst, Volumnius, wie es um uns steht;

Der Feind hat uns zum Abgrund hingetrieben. (Getümmel.)

Es ziemt sich mehr, von selbst hineinzuspringen,

Als zu erwarten seinen letzten Stoß.

Volumnius, wir gingen in die Schule

Zusammen, wie du weißt. Ich bitte dich

Um jener unsrer alten Liebe willen:

Halt du mein Schwert, indes ich drein mich stürze.

Volumnius.

Das, Brutus, ist kein Dienst für einen Freund. (Fortdauerndes Getümmel.)

Clitus.

Flieht, Herr, o flieht! Hier gilt kein Säumen mehr.

Brutus.

Lebt wohl denn, Ihr – und Ihr – und Ihr, Volumnius.

Du, Strato, lagst die ganze Zeit im Schlaf:

Leb wohl auch du! – Mitbürger, meinem Herzen

Ist’s Wonne, daß ich noch im ganzen Leben

Nicht einen fand, der nicht getreu mir war.

Ich habe Ruhm von diesem Unglückstage,

Mehr, als Octavius und Mark Anton

Durch diesen schnöden Sieg erlangen werden.

So lebt zusammen wohl! Denn Brutus‘ Zunge

Schließt die Geschichte seines Lebens bald.

Nacht deckt mein Auge, mein Gebein will Ruh,

Es strebte längst nur dieser Stunde nach. (Getümmel. Geschrei hinter der Szene.- «Flieht! flieht! flieht!»)

Clitus.

Flieht, Herr! o flieht!

Brutus.

Nur fort! Ich will euch folgen.

(Clitus, Dardanius und Volumnius ab.)

Ich bitt dich, Strato, bleib bei deinem Herrn.

Du bist ein Mensch von redlichem Gemüt,

In deinem Leben war ein Funken Ehre.

Halt denn mein Schwert, und wende dich hinweg,

Indes ich drein mich stürze. Willst du, Strato?

Strato.

Gebt erst die Hand mir. Herr, gehabt Euch wohl!

Brutus.

Leb wohl, mein Freund! – Besänftge, Cäsar, dich!

Nicht halb so gern bracht ich dich um als mich. (Er stürzt sich auf sein Schwert und stirbt.)

Getümmel. Rückzug. Octavius und Antonius mit ihrem Heere, Messala und Lucilius kommen.

Octavius.

Wer ist der Mann?

Messala.

Der Diener meines Herrn.

Strato, wo ist dein Herr?

Strato.

Frei von den Banden, die Ihr tragt, Messala.

Die Sieger können nur zu Asch ihn brennen;

Denn Brutus unterlag allein sich selbst,

Und niemand sonst hat Ruhm von seinem Tode.

Lucilius.

So mußten wir ihn finden. – Dank dir, Brutus,

Daß du Lucilius‘ Rede wahr gemacht.

Octavius.

Des Brutus Leute nehm ich all in Dienst.

Willst du in Zukunft bei mir leben, Bursch?

Strato.

Ja, wenn Messala mich Euch überläßt.

Octavius.

Tut mir’s zulieb, Messala.

Messala.

Strato, wie starb mein Herr?

Strato.

Ich hielt das Schwert, so stürzt‘ er sich hinein.

Messala.

Octavius, nimm ihn denn, daß er dir folge,

Der meinem Herrn den letzten Dienst erwies.

Antonius.

Dies war der beste Römer unter allen:

Denn jeder der Verschwornen, bis auf ihn,

Tat, was er tat, aus Mißgunst gegen Cäsar.

Nur er verband aus reinem Biedersinn

Und zum gemeinen Wohl sich mit den andern.

Sanft war sein Leben, und so mischten sich

Die Element‘ in ihm, daß die Natur

Aufstehen durfte und der Welt verkünden:

Dies war ein Mann!

Octavius.

Nach seiner Tugend laßt uns ihm begegnen

Mit aller Achtung und Bestattungsfeier.

Er lieg in meinem Zelte diese Nacht,

Mit Ehren wie ein Krieger angetan.

Nun ruft das Heer zur Ruh; laßt fort uns eilen

Und dieses frohen Tags Trophäen teilen. (Ab.)

William Shakespeare – Ein Sommernachtstraum

William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum

Erster Aufzug

Erste Szene

Ein Saal im Palaste des Theseus

Theseus, Hippolyta, Philostrat und Gefolge treten auf

Theseus.

Nun rückt, Hippolyta, die Hochzeitsstunde

Mit Eil heran; vier frohe Tage bringen

Den neuen Mond; doch, o wie langsam nimmt

Der alte ab! Er hält mein Sehnen hin,

Gleich einer Witwe, deren dürres Alter

Von ihres Stiefsohns Renten lange zehrt.

Hippolyta.

Vier Tage tauchen sich ja schnell in Nächte,

Vier Nächte träumen schnell die Zeit hinweg:

Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen,

Am Himmel neu gespannt, die Nacht beschaun

Von unserm Fest.

Theseus.

Geh, Philostrat, berufe

Die junge Welt Athens zu Lustbarkeiten!

Erweck den raschen, leichten Geist der Lust,

Den Gram verweise hin zu Leichenzügen:

Der bleiche Gast geziemt nicht unserm Pomp.

(Philostrat ab.)

Hippolyta! ich habe mit dem Schwert

Um dich gebuhlt, durch angetanes Leid

Dein Herz gewonnen; doch ich stimme nun

Aus einem andern Ton, mit Pomp, Triumph,

Bankett und Spielen die Vermählung an. Egeus, Hermia, Lysander und Demetrius treten auf.

Egeus.

Dem großen Theseus, unserm Herzog, Heil!

Theseus.

Mein guter Egeus, Dank! Was bringst du Neues?

Egeus.

Verdrusses voll erschein ich und verklage

Mein Kind hier, meine Tochter Hermia. –

Tritt her, Demetrius. – Erlauchter Herr,

Dem da verhieß mein Wort zum Weibe sie.

Tritt her, Lysander. – Und, mein gnädger Fürst,

Der da betörte meines Kindes Herz.

Ja! Du, Lysander, du hast Liebespfänder

Mit ihr getauscht: du stecktest Reim ihr zu;

Du sangst im Mondlicht unter ihrem Fenster

Mit falscher Stimme Lieder falscher Liebe;

Du stahlst den Abdruck ihrer Phantasie

Mit Flechten deines Haares, buntem Tand,

Mit Ringen, Sträußen, Näschereien (Boten

Von viel Gewicht bei unbefangner Jugend);

Entwandest meiner Tochter Herz mit List

Verkehrtest ihren kindlichen Gehorsam

In eigensinngen Trotz. – Und nun, mein Fürst,

Verspricht sie hier vor Eurer Hoheit nicht

Sich dem Demetrius zur Eh, so fordr ich

Das alte Bürgervorrecht von Athen,

Mit ihr, wie sie mein eigen ist, zu schalten.

Dann übergeb ich diesem Manne sie,

Wo nicht, dem Tode, welchen unverzüglich

In diesem Falle das Gesetz verhängt.

Theseus.

Was sagt Ihr, Hermia? Laßt Euch raten, Kind.

Der Vater sollte wie ein Gott Euch sein,

Der Euren Reiz gebildet; ja, wie einer,

Dem Ihr nur seid wie ein Gepräg, in Wachs

Von seiner Hand gedrückt, wie’s ihm gefällt,

Es stehnzulassen oder auszulöschen.

Demetrius ist ja ein wackrer Mann.

Hermia.

Lysander auch.

Theseus.

An sich betrachtet wohl;

So aber, da des Vaters Stimm ihm fehlt,

Müßt Ihr für wackrer doch den andern achten.

Hermia.

O säh mein Vater nur mit meinen Augen!

Theseus.

Eur Auge muß nach seinem Urteil sehn.

Hermia.

Ich bitt Euch, gnädger Fürst, mir zu verzeihn.

Ich weiß nicht, welche Macht mir Kühnheit gibt,

Noch wie es meiner Sittsamkeit geziemt,

In solcher Gegenwart das Wort zu führen;

Doch dürft ich mich zu fragen unterstehn:

Was ist das Härtste, das mich treffen kann,

Verweigr ich dem Demetrius die Hand?

Theseus.

Den Tod zu sterben oder immerdar

Den Umgang aller Männer abzuschwören.

Drum fraget Eure Wünsche, schönes Kind,

Bedenkt die Jugend, prüfet Euer Blut,

Ob Ihr die Nonnentracht ertragen könnt,

Wenn Ihr der Wahl des Vaters widerstrebt,

Im dumpfen Kloster ewig eingesperrt

Als unfruchtbare Schwester zu verharren,

Den keuschen Mond mit matten Hymnen feiernd.

O dreimal selig, die, des Bluts Beherrscher,

So jungfräuliche Pilgerschaft bestehn!

Doch die gepflückte Ros ist irdischer beglückt,

Als die am unberührten Dorne welkend

Wächst, lebt und stirbt in heilger Einsamkeit.

Hermia.

So will ich leben, gnädger Herr, so sterben,

Eh ich den Freiheitsbrief des Mädchentums

Der Herrschaft dessen überliefern will,

Des unwillkommnem Joche mein Gemüt

Die Huldigung versagt.

Theseus.

Nehmt Euch Bedenkzeit; auf den nächsten Neumond,

Den Tag, der zwischen mir und meiner Lieben

Den ewgen Bund der Treu besiegeln wird;

Auf diesen Tag bereitet Euch, zu sterben

Für Euren Ungehorsam, oder nehmt

Demetrius zum Gatten, oder schwört

Auf ewig an Dianens Weihaltar

Ehlosen Stand und Abgeschiedenheit.

Demetrius.

Gebt, Holde, nach; gib gegen meine Rechte,

Lysander, deinen kahlen Anspruch auf.

Lysander.

Demetrius, Ihr habt des Vaters Liebe:

Nehmt ihn zum Weibe; laßt mir Hermia.

Egeus.

Ganz recht, du Spötter! Meine Liebe hat er;

Was mein ist, wird ihm meine Liebe geben;

Und sie ist mein; und alle meine Rechte

An sie verschreib ich dem Demetrius.

Lysander.

Ich bin, mein Fürst, so edlen Stamms wie er;

So reich an Gut; ich bin an Liebe reicher;

Mein Glücksstand hält die Waag auf alle Weise

Dem seinigen, wo er nicht überwiegt;

Und (dies gilt mehr als jeder andre Ruhm)

Ich bin es, den die schöne Hermia liebt.

Wie sollt ich nicht bestehn auf meinem Recht?

Demetrius (ich will’s auf seinen Kopf

Beteuern) buhlte sonst um Helena,

Die Tochter Nedars, und gewann ihr Herz:

Und sie, das holde Kind, schwärmt nun für ihn,

Schwärmt andachtsvoll, ja mit Abgötterei

Für diesen schuldgen, flatterhaften Mann.

Theseus.

Ich muß gestehn, daß ich dies auch gehört

Und mit Demetrius davon zu sprechen

Mir vorgesetzt; nur, da ich überhäuft

Mit eignen Sorgen bin, entfiel es mir.

Doch ihr, Demetrius und Egeus, kommt!

Ihr müßt jetzt mit mir gehn, weil ich mit euch

Verschiednes insgeheim verhandeln will.

Ihr, schöne Hermia, rüstet Euch, dem Sinn

Des Vaters Eure Grillen anzupassen;

Denn sonst bescheidet Euch Athens Gesetz,

Das wir auf keine Weise schmälern können,

Tod oder ein Gelübd des ledgen Standes.

Wie geht’s, Hippolyta? Kommt, meine Traute!

Ihr, Egeus und Demetrius, geht mit!

Ich hab euch noch Geschäfte aufzutragen

Für unser Fest; auch muß ich noch mit euch

Von etwas reden, was euch nah betrifft.

Egeus.

Dienstwillig und mit Freuden folgen wir. (Theseus, Hippolyta, Egeus, Demetrius und Gefolge ab.)

Lysander.

Nun, liebes Herz? Warum so blaß die Wange?

Wie sind die Rosen dort so schnell verwelkt?

Hermia.

Vielleicht, weil Regen fehlt, womit gar wohl

Sie mein umwölktes Auge netzen könnte.

Lysander.

Weh mir! Nach allem, was ich jemals las

Und jemals hört in Sagen und Geschichten,

Rann nie der Strom der treuen Liebe sanft;

Denn bald war sie verschieden an Geburt –

Hermia.

O Qual! zu hoch, vor Niedrigem zu knien!

Lysander.

Bald war sie in den Jahren mißgepaart –

Hermia.

O Schmerz! zu alt, mit jung vereint zu sein!

Lysander.

Bald hing sie ab von der Verwandten Wahl –

Hermia.

O Tod! mit fremdem Aug den Liebsten wählen!

Lysander.

Und war auch Sympathie in ihrer Wahl,

So stürmte Krieg, Tod, Krankheit auf sie ein

Und macht‘ ihr Glück gleich einem Schalle flüchtig,

Wie Schatten wandelbar, wie Träume kurz,

Schnell wie der Blitz, der in geschwärzter Nacht

Himmel und Erd in einem Wink entfaltet;

Doch eh ein Mensch vermag zu sagen: schaut!

Schlingt gierig ihn die Finsternis hinab:

So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein.

Hermia.

Wenn Leid denn immer treue Liebe traf,

So steht es fest im Rate des Geschicks.

Drum laß Geduld uns durch die Prüfung lernen,

Weil Leid der Liebe so geeignet ist

Wie Träume, Seufzer, stille Wünsche, Tränen,

Der armen kranken Leidenschaft Gefolge.

Lysander.

Ein guter Glaube! Hör denn, Hermia!

Es liegt nur sieben Meilen von Athen

Das Haus ’ner alten Witwe, meiner Muhme;

Sie lebt von großen Renten, hat kein Kind

Und achtet mich wie ihren einzgen Sohn.

Dort, Holde, darf ich mich mit dir vermählen,

Dorthin verfolgt das grausame Gesetz

Athens uns nicht: liebst du mich denn, so schleiche

Aus deines Vaters Hause morgen nacht

Und in den Wald ’ne Meile von der Stadt,

Wo ich einmal mit Helena dich traf,

Um einen Maienmorgen zu begehn;

Da will ich deiner warten.

Hermia.

Mein Lysander!

Ich schwör es dir bei Amors stärkstem Bogen,

Bei seinem besten, goldgespitzten Pfeil

Und bei der Unschuld von Cytherens Tauben;

Bei dem, was Seelen knüpft in Lieb und Glauben;

Bei jenem Feur, wo Dido einst verbrannt,

Als der Trojaner falsch sich ihr entwand;

Bei jedem Schwur, den Männer je gebrochen,

Mehr an der Zahl, als Frauen je gesprochen;

Du findest sicher morgen mitternacht

Mich an dem Platz, wo wir es ausgemacht.

Lysander.

Halt, Liebe, Wort! Sieh, da kommt Helena. Helena tritt auf.

Hermia.

Gott grüß Euch, schönes Kind! Wohin soll’s gehn?

Helena.

Schön nennt Ihr mich? – Nein, widerruft dies Schön!

Euch liebt Demetrius, beglückte Schöne! –

Ein Angelstern ist Euer Aug; die Töne

Der Lippe süßer, als der Lerche Lied

Dem Hirten scheint, wenn alles grünt und blüht.

Krankheit steckt an; o tät’s Gestalt und Wesen!

Nie wollt ich, angesteckt von Euch, genesen.

Mein Aug lieh‘ Euren Blick, die Zunge lieh‘

Von Eurer Zunge Wort und Melodie.

Wär mein die Welt, ich ließ damit Euch schalten,

Nur diesen Mann wollt ich mir vorbehalten.

O lehrt mich, wie Ihr blickt! Durch welche Kunst

Hängt so Demetrius an Eurer Gunst?

Hermia.

Er liebt mich stets, trotz meinen finstern Mienen.

Helena.

O lernte das mein Lächeln doch von ihnen!

Hermia.

Ich fluch ihm, doch das nährt sein Feuer nur.

Helena.

Ach, hegte solche Kraft mein Liebesschwur!

Hermia.

Je mehr gehaßt, je mehr verfolgt er mich.

Helena.

Je mehr geliebt, je ärger haßt er mich.

Hermia.

Soll ich denn schuld an seiner Torheit sein?

Helena.

Nur Eure Schönheit: wär die Schuld doch mein!

Hermia.

Getrost! ich werd ihm mein Gesicht entziehen.

Lysander wird mit mir von hinnen fliehen.

Vor jener Zeit, als ich Lysandern sah,

Wie schien Athen ein Paradies mir da!

Nun denn, wofür sind Reize wohl zu achten,

Die einen Himmel mir zur Hölle machten?

Lysander.

Laß, Helena, dir unsern Schluß vertrauen:

Wenn morgen Phöbe die begrünten Auen

Mit ihrer Perlen feuchtem Schmuck betaut

Und ihre Stirn im Wellenspiegel schaut,

Wann Still‘ und Nacht verliebten Raub verhehlen,

Dann wollen wir zum Tor hinaus uns stehlen.

Hermia.

Und in dem Wald, wo oftmals ich und du

Auf Veilchenbetten pflogen sanfter Ruh,

Wo unsre Herzen schwesterlich einander

Sich öffneten, da trifft mich mein Lysander.

Wir suchen, von Athen hinweggewandt,

Uns neue Freunde dann in fremdem Land.

Leb wohl, Gespielin, bete für uns beide!

Demetrius sei deines Herzens Freude!

Lysander, halte Wort! – Was Lieb erquickt,

Wird unserm Blick bis morgen nacht entrückt. (Ab.)

Lysander.

Das will ich! – Lebet wohl nun, Helena!

Der Liebe Lohn sei Eurer Liebe nah. (Ab.)

Helena.

Wie kann das Glück so wunderlich doch schalten!

Ich werde für so schön als sie gehalten.

Was hilft es mir, solang Demetrius

Nicht wissen will, was jeder wissen muß?

Wie Wahn ihn zwingt, an Hermias Blick zu hangen,

Vergöttr ich ihn, von gleichem Wahn befangen.

Dem schlechteren Ding an Art und an Gehalt

Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt.

Sie sieht mit dem Gemüt, nicht mit den Augen,

Und ihr Gemüt kann nie zum Urteil taugen.

Drum nennt man ja den Gott der Liebe blind.

Auch malt man ihn geflügelt und als Kind,

Weil er, von Spiel zu Spielen fortgezogen,

In seiner Wahl so häufig wird betrogen.

Wie Buben oft im Scherze lügen, so

Ist auch Cupido falscher Schwüre froh.

Eh Hermia meinen Liebsten mußt entführen,

Ergoß er mir sein Herz in tausend Schwüren;

Doch kaum erwärmt von jener neuen Glut,

Verrann, versiegte diese wilde Flut.

Jetzt geh ich, Hermias Flucht ihm mitzuteilen;

Er wird ihr nach zum Walde morgen eilen.

Zwar, wenn er Dank für den Bericht mir weiß,

So kauf ich ihn um einen teuren Preis.

Doch will ich, mich für meine Müh zu laben,

Hin und zurück des Holden Anblick haben. (Ab.)

Zweite Szene

Eine Stube in einer Hütte

Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen

Squenz.

Ist unsre ganze Kompanie beisammen?

Zettel.

Es wäre am besten, Ihr riefet sie auf einmal Mann für Mann auf, wie es die Liste gibt.

Squenz.

Hier ist der Zettel von jedermanns Namen, der in ganz Athen für tüchtig gehalten wird, in unserm Zwischenspiel vor dem Herzog und der Herzogin zu agieren, an seinem Hochzeitstag zu Nacht.

Zettel.

Erst, guter Peter Squenz, sag uns, wovon das Stück handelt; dann lies die Namen der Akteure ab und komm so zur Sache.

Squenz.

Wetter, unser Stück ist – die höchst klägliche Komödie und der höchst grausame Tod des Pyramus und der Thisbe.

Zettel.

Ein sehr gutes Stück Arbeit, ich sag’s euch! und lustig! – Nun, guter Peter Squenz, ruf die Akteure nach dem Zettel auf. – Meister, stellt euch auseinander!

Squenz.

Antwortet, wie ich euch rufe! – Klaus Zettel, der Weber.

Zettel.

Hier! Sagt, was ich für einen Part habe, und dann weiter.

Squenz.

Ihr, Klaus Zettel, seid als Pyramus angeschrieben.

Zettel.

Was ist Pyramus ? Ein Liebhaber oder ein Tyrann?

Squenz.

Ein Liebhaber, der sich auf die honetteste Manier vor Liebe umbringt.

Zettel.

Das wird einige Tränen kosten bei einer wahrhaftigen Vorstellung. Wenn ich’s mache, laßt die Zuhörer nach ihren Augen sehn! Ich will Sturm erregen, ich will einigermaßen lamentieren. Nun zu den übrigen; – eigentlich habe ich noch das beste Genie zu einem Tyrannen; ich könnte einen Herkles kostbarlich spielen, oder eine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß.

Der Felsen Schoß

Und toller Stoß

Zerbricht das Schloß

Der Kerkertür, Und Phöbus‘ Karrn

Kommt angefahrn

Und macht erstarrn

Des stolzen Schicksals Zier. Das ging prächtig. – Nun nennt die übrigen Akteure. – Dies ist Herklessens Natur, eines Tyrannen Natur; ein Liebhaber ist schon mehr lamentabel.

Squenz.

Franz Flaut, der Bälgenflicker!

Flaut.

Hier, Peter Squenz.

Squenz.

Flaut, Ihr müßt Thisbe über Euch nehmen.

Flaut.

Was ist Thisbe? ein irrender Ritter?

Squenz.

Es ist das Fräulein, das Pyramus lieben muß.

Flaut.

Ne, meiner Seel, laßt mich keine Weiberrolle machen; ich kriege schon einen Bart.

Squenz.

Das ist alles eins! Ihr sollt’s in einer Maske spielen und könnt so fein sprechen, als Ihr wollt.

Zettel.

Wenn ich das Gesicht verstecken darf, so gebt mir Thisbe auch. Ich will mit ’ner terribel feinen Stimme reden: «Thisne, Thisne! – Ach Pyramus, mein Liebster schön! Deine Thisbe schön und Fräulein schön!»

Squenz.

Nein, nein! Ihr müßt den Pyramus spielen und, Flaut, Ihr, die Thisbe.

Zettel.

Gut, nur weiter!

Squenz.

Matz Schlucker, der Schneider!

Schlucker.

Hier, Peter Squenz.

Squenz.

Matz Schlucker, Ihr müßt Thisbes Mutter spielen. Thoms Schnauz, der Kesselflicker!

Schnauz.

Hier, Peter Squenz.

Squenz.

Ihr, des Pyramus Vater, ich selbst Thisbes Vater; Schnock, der Schreiner, Ihr des Löwen Rolle. Und so wäre dann halt ’ne Komödie in den Schick gebracht.

Schnock.

Habt Ihr des Löwen Rolle aufgeschrieben? Bitt Euch, wenn Ihr sie habt, so gebt sie mir; denn ich habe einen schwachen Kopf zum Lernen.

Squenz.

Ihr könnt sie ex tempore machen; es ist nichts wie brüllen.

Zettel.

Laßt mich den Löwen auch spielen. Ich will brüllen, daß es einem Menschen im Leibe wohl tun soll, mich zu hören. Ich will brüllen, daß der Herzog sagen soll: «Noch mal brüllen! Noch mal brüllen!»

Squenz.

Wenn Ihr es gar zu fürchterlich machtet, so würdet Ihr die Herzogin und die Damen erschrecken, daß sie schrien, und das brächte uns alle an den Galgen.

Alle.

Ja, das brächte uns an den Galgen, wie wir da sind.

Zettel.

Zugegeben, Freunde! wenn ihr die Damen erst so erschreckt, daß sie um ihre fünf Sinne kommen, so werden sie unvernünftig genug sein, uns aufzuhängen. Aber ich will meine Stimme forcieren, ich will euch so sanft brüllen wie ein saugendes Täubchen: – ich will euch brüllen, als wär es ’ne Nachtigall.

Squenz.

Ihr könnt keine Rolle spielen als den Pyramus. Denn Pyramus ist ein Mann mit einem süßen Gesicht, ein hübscher Mann, wie man ihn nur an Festtagen verlangen kann, ein scharmanter, artiger Kavalier. Derhalben müßt Ihr platterdings den Pyramus spielen.

Zettel.

Gut, ich nehm’s auf mich. In was für einem Bart könnt ich ihn wohl am besten spielen?

Squenz.

Nu, in was für einem Ihr wollt.

Zettel.

Ich will ihn machen entweder in dem strohfarbenen Bart, oder in dem orangegelben Bart, oder in dem karmesinroten Bart, in dem ganz gelben.

Squenz.

Hier, Meister, sind eure Rollen, und ich muß euch bitten, ermahnen und ersuchen, sie bis morgen nacht auswendig zu wissen. Trefft mich in dem Schloßwalde, eine Meile von der Stadt, bei Mondschein: da wollen wir probieren. Denn wenn wir in der Stadt zusammenkommen, werden wir ausgespürt, kriegen Zuhörer, und die Sache kommt aus. Zugleich will ich ein Verzeichnis von Artikeln machen, die zu unserm Spiele nötig sind. Ich bitt euch, bleibt mir nicht aus.

Zettel.

Wir wollen kommen, und da können wir recht unverschämt und herzhaft probieren. Gebt euch Mühe! Könnt eure Rollen perfekt! Adieu!

Squenz.

Bei des Herzogs Eiche treffen wir uns.

Zettel.

Dabei bleibt’s, es mag biegen oder brechen! (Alle ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Ein Wald bei Athen

Eine Elfe kommt von der einen Seite, Droll von der andern

Droll.

He, Geist! Wo geht die Reise hin?

Elfe. Über Täler und Höhn,

Durch Dornen und Steine,

Über Gräben und Zäune,

Durch Flammen und Seen

Wandl‘ ich, schlüpf ich überall,

Schneller als des Mondes Ball. Ich dien der Elfenkönigin

Und tau ihr Ring‘ aufs Grüne hin.

Die Primeln sind ihr Hofgeleit;

Ihr seht die Fleck‘ am goldnen Kleid,

Das sind Rubinen, Feengaben,

Wodurch sie süß mit Düften laben.

Nun such ich Tropfen Taus hervor

Und häng ’ne Perl in jeder Primel Ohr.

Leb wohl! ich geh, du täppischer Geselle!

Der Zug der Königin kommt auf der Stelle.

Droll.

Der König will sein Wesen nachts hier treiben.

Warnt nur die Königin, entfernt zu bleiben,

Weil Oberon vor wildem Grimme schnaubt,

Daß sie ein indisch Fürstenkind geraubt,

Als Edelknabe künftig ihr zu dienen;

Kein schönres Bübchen hat der Tag beschienen,

Und eifersüchtig fordert Ob’ron ihn,

Den rauhen Forst als Knappe zu durchziehn;

Doch sie versagt durchaus den holden Knaben,

Bekränzt ihn, will an ihm sich einzig laben.

Nun treffen sie sich nie in Wies und Hain,

Am klaren Quell, bei lustgem Sternenschein;

So zanken sie zu aller Elfen Schrecken,

Die sich geduckt in Eichelnäpfe stecken.

Elfe.

Wenn du nicht ganz dich zu verstellen weißt,

So bist du jener schlaue Poltergeist,

Der auf dem Dorf die Dirnen zu erhaschen,

Zu necken pflegt; den Milchtopf zu benaschen;

Durch den der Brau mißrät, und mit Verdruß

Die Hausfrau atemlos sich buttern muß;

Der oft bei Nacht den Wandrer irreleitet,

Dann schadenfroh mit Lachen ihn begleitet.

Doch wer dich freundlich grüßt, dir Liebes tut,

Dem hilfst du gern, und ihm gelingt es gut.

Bist du der Kobold nicht?

Droll.

Du hast’s geraten,

Ich schwärme nachts umher auf solche Taten;

Oft lacht bei meinen Scherzen Oberon.

Ich locke wiehernd mit der Stute Ton

Den Hengst, den Haber kitzelt in der Nase;

Auch lausch ich wohl in der Gevatt’rin Glase

Wie ein gebratner Apfel, klein und rund;

Und wenn sie trinkt, fahr ich ihr an den Mund,

Daß ihr das Bier die platte Brust betriefet.

Zuweilen hält, in Trauermär vertiefet,

Die weise Muhme für den Schemel mich;

Ich gleit ihr weg, sie setzt zur Erde sich

Auf ihren Steiß und schreit: «Perdauz! » und hustet;

Der ganze Kreis hält sich die Seiten, prustet,

Lacht lauter dann, bis sich die Stimm erhebt:

Nein, solch ein Spaß sei nimmermehr erlebt!

Mach Platz nun, Elfchen, hier kommt Oberon.

Elfe.

Hier meine Königin. – O macht‘ er sich davon! Oberon mit seinem Zuge von der einen Seite, Titania mit dem ihrigen von der andern.

Oberon.

Schlimm treffen wir bei Mondenlicht, du stolze

Titania!

Titania.

Wie? Oberon ist hier,

Der Eifersüchtge? Elfen, schlüpft von hinnen,

Denn ich verschwor sein Bett und sein Gespräch.

Oberon.

Vermeßne, halt! Bin ich nicht dein Gemahl?

Titania.

So muß ich wohl dein Weib sein; doch ich weiß

Die Zeit, daß du dich aus dem Feenland

Geschlichen, tagelang als Corydon

Gesessen, spielend auf dem Haberrohr,

Und Minne der verliebten Phyllida

Gesungen hast. – Und warum kommst du jetzt

Von Indiens entferntestem Gebirg,

Als weil – ei denk doch! – weil die Amazone,

Die strotzende, hochaufgeschürzte Dame,

Dein Heldenliebchen, sich vermählen will?

Da kommst du denn, um ihrem Bette Heil

Und Segen zu verleihn.

Oberon.

Titania,

Wie kannst du dich vermessen, anzuspielen

Auf mein Verständnis mit Hippolyta?

Da du doch weißt, ich kenne deine Liebe

Zum Theseus? Locktest du im Dämmerlichte

Der Nacht ihn nicht von Perigunen weg,

Die er vorher geraubt? Warst du nicht schuld,

Daß er der schönen Ägle Treue brach,

Der Ariadne und Antiopa?

Titania.

Das sind die Grillen deiner Eifersucht!

Und nie seit Sommers Anfang trafen wir

Auf Hügeln noch im Tal, im Wald noch Wiese,

Am Kieselbrunnen, am beschilften Bach,

Noch an des Meeres Klippenstrand uns an

Und tanzten Ringel nach des Windes Pfeifen,

Daß dein Gezänk uns nicht die Lust verdarb.

Drum sog der Wind, der uns vergeblich pfiff,

Als wie zur Rache, böse Nebel auf

Vom Grund des Meers; die fielen auf das Land

Und machten jeden winzgen Bach so stolz,

Daß er des Bettes Dämme niederriß.

Drum schleppt der Stier sein Joch umsonst, der Pflüger

Vergeudet seinen Schweiß, das grüne Korn

Verfault, eh seine Jugend Bart gewinnt.

Leer steht die Hürd auf der ersäuften Flur,

Und Krähen prassen in der siechen Herde.

Verschlämmt vom Lehme liegt die Kegelbahn;

Unkennbar sind die artgen Labyrinthe

Im muntern Grün, weil niemand sie betritt.

Den Menschenkindern fehlt die Winterlust;

Kein Sang noch Jubel macht die Nächte froh.

Drum hat der Mond, der Fluten Oberherr,

Vor Zorne bleich, die ganze Luft gewaschen

Und fieberhafter Flüsse viel erzeugt.

Durch eben die Zerrüttung wandeln sich

Die Jahreszeiten; silberhaarger Frost

Fällt in den zarten Schoß der Purpurrose;

Indes ein würzger Kranz von Sommerknospen

Auf Hiems‘ Kinn und der beeisten Scheitel

Als wie zum Spotte prangt. Der Lenz, der Sommer,

Der zeitigende Herbst, der zornge Winter,

Sie alle tauschen die gewohnte Tracht,

Und die erstaunte Welt erkennt nicht mehr

An ihrer Frucht und Art, wer jeder ist.

Und diese ganze Brut von Plagen kommt

Von unserm Streit, von unserm Zwiespalt her;

Wir sind davon die Stifter und Erzeuger.

Oberon.

So hilf dem ab! Es liegt an dir. Warum

Kränkt ihren Oberon Titania?

Ich bitte nur ein kleines Wechselkind

Zum Edelknaben.

Titania.

Gib dein Herz zur Ruh!

Das Feenland kauft mir dies Kind nicht ab;

Denn seine Mutter war aus meinem Orden

Und hat in Indiens gewürzter Luft

Gar oft mit mir die Nächte weggeschwatzt.

Wir saßen auf Neptunus‘ gelbem Sand,

Sahn nach den Handelsschiffen auf der Flut

Und lachten, wenn vom üppgen Spiel des Windes

Der Segel schwangrer Leib zu schwellen schien.

Dies ahmte sie, mit kleinen Schritten wankend

(Ihr Leib trug damals meinen kleinen Junker),

Aus Torheit nach und segelt‘ auf dem Lande

Nach Spielereien aus und kehrte, reich

An Ware, wie von einer Reise, heim.

Doch sie, ein sterblich Weib, starb an dem Kinde,

Und ihr zulieb erzieh ich nun das Kind,

Und ihr zuliebe geb ich es nicht weg.

Oberon.

Wie lange denkt Ihr hier im Hain zu weilen?

Titania.

Vielleicht bis nach des Theseus Hochzeitsfest.

Wollt Ihr in unsern Ringen ruhig tanzen

Und unsre lustgen Mondscheinspiele sehn,

So kommt mit uns! Wo nicht: vermeidet mich,

Und ich will nie mich nahen, wo Ihr haust.

Oberon.

Gib mir das Kind, so will ich mit dir gehn.

Titania.

Nicht um dein Königreich. – Ihr Elfen, fort mit mir;

Denn Zank erhebt sich, weil‘ ich länger hier. (Mit ihrem Gefolge ab.)

Oberon.

Gut, zieh nur hin! du sollst aus diesem Walde

Nicht eher, bis du mir den Trotz gebüßt.

Mein guter Droll, komm her! Weißt du noch wohl,

Wie ich einst saß auf einem Vorgebirge

Und ’ne Sirene, die ein Delphin trug,

So süße Harmonien hauchen hörte,

Daß die empörte See gehorsam ward,

Daß Sterne wild aus ihren Kreisen fuhren,

Der Nymphe Lied zu hören?

Droll.

Ja, ich weiß.

Oberon.

Zur selben Zeit sah ich (du konntest nicht)

Cupido zwischen Mond und Erde fliegen

In voller Wehr; er zielt‘ auf eine holde

Vestal‘, im Westen thronend, scharfen Blicks,

Und schnellte rasch den Liebespfeil vom Bogen,

Als sollt er hunderttausend Herzen spalten.

Allein ich sah das feurige Geschoß

Im keuschen Strahl des feuchten Monds verlöschen;

Die königliche Priesterin ging weiter

In sittsamer Betrachtung, liebefrei;

Doch merkt ich auf den Pfeil, wohin er fiele;

Er fiel gen Westen auf ein zartes Blümchen,

Sonst milchweiß, purpurn nun durch Amors Wunde,

Und Mädchen nennen’s «Lieb‘ im Müßiggang».

Hol mir die Blum! Ich wies dir einst das Kraut;

Ihr Saft, geträufelt auf entschlafne Wimpern,

Macht Mann und Weib in jede Kreatur,

Die sie zunächst erblicken, toll vergafft.

Hol mir das Kraut; doch komm zurück, bevor

Der Leviathan eine Meile schwimmt.

Droll.

Rund um die Erde zieh ich einen Gürtel

In viermal zehn Minuten. (Ab.)

Oberon.

Hab ich nur

Den Saft erst, so belausch ich, wenn sie schläft,

Titanien und träufl ihn ihr ins Auge.

Was sie zunächst erblickt, wenn sie erwacht,

Sei’s Löwe, sei es Bär, Wolf oder Stier,

Ein naseweiser Aff, ein Paviänchen:

Sie soll’s verfolgen mit der Liebe Sinn;

Und eh ich sie von diesem Zauber löse,

Wie ich’s vermag mit einem andern Kraut,

Muß sie mir ihren Edelknaben lassen.

Doch still, wer kommt hier? Ich bin unsichtbar

Und will auf ihre Unterredung horchen. Demetrius und Helena treten auf.

Demetrius.

Ich lieb dich nicht; verfolge mich nicht mehr!

Wo ist Lysander und die schöne Hermia?

Ihn töten möcht ich gern; sie tötet mich.

Du sagtest mir von ihrer Flucht hieher;

Nun bin ich hier, bin in der Wildnis wild,

Weil ich umsonst hier meine Hermia suche.

Fort! heb dich weg und folge mir nicht mehr!

Helena.

Du ziehst mich an, hartherziger Magnet!

Doch ziehest du nicht Eisen, denn mein Herz

Ist echt wie Stahl. Laß ab, mich anzuziehn,

So hab ich dir zu folgen keine Macht.

Demetrius.

Lock ich Euch an und tu ich schön mit Euch?

Sag ich Euch nicht die Wahrheit rund heraus,

Daß ich Euch nimmer lieb und lieben kann?

Helena.

Und eben darum lieb ich Euch nur mehr!

Ich bin Eur Hündchen, und, Demetrius,

Wenn Ihr mich schlagt, ich muß Euch dennoch schmeicheln.

Begegnet mir wie Eurem Hündchen nur,

Stoßt, schlagt mich, achtet mich gering, verliert mich:

Vergönnt mir nur, unwürdig, wie ich bin,

Euch zu begleiten. Welchen schlechtern Platz

Kann ich mir wohl in Eurer Lieb erbitten

(Und doch ein Platz von hohem Wert für mich),

Als daß Ihr so wie Euren Hund mich haltet?

Demetrius.

Erreg nicht so den Abscheu meiner Seele!

Mir ist schon übel, blick ich nur auf dich.

Helena.

Und mir ist übel, blick ich nicht auf Euch.

Demetrius.

Ihr tretet Eurer Sittsamkeit zu nah,

Da Ihr die Stadt verlaßt und einem Mann

Euch in die Hände gebt, der Euch nicht liebt;

Da Ihr den Lockungen der stillen Nacht

Und einer öden Stätte bösem Rat

Das Kleinod Eures Mädchentums vertraut.

Helena.

Zum Schutzbrief dienet Eure Tugend mir;

Es ist nicht Nacht, wenn ich Eur Antlitz sehe;

Drum glaub ich jetzt, es sei nicht Nacht um mich.

Auch fehlt’s hier nicht an Welten von Gesellschaft,

Denn Ihr seid ja für mich die ganze Welt.

Wie kann man sagen nun, ich sei allein,

Da doch die ganze Welt hier auf mich schaut?

Demetrius.

Ich laufe fort, verberge mich im Busch

Und lasse dich der Gnade wilder Tiere.

Helena.

Das wildeste hat nicht ein Herz wie du.

Lauft, wenn Ihr wollt! Die Fabel kehrt sich um:

Apollo flieht, und Daphne setzt ihm nach;

Die Taube jagt den Greif; die sanfte Hindin

Stürzt auf den Tiger sich. Vergebne Eil,

Wenn vor der Zagheit Tapferkeit entflieht!

Demetrius.

Ich steh nicht länger Rede: laß mich gehn!

Wo du mir folgst, so glaube sicherlich,

Ich tue dir im Walde Leides noch.

Helena.

Ach, in der Stadt, im Tempel, auf dem Felde

Tust du mir Leides. Pfui, Demetrius!

Dein Unglimpf würdigt mein Geschlecht herab.

Um Liebe kämpft ein Mann wohl mit den Waffen;

Wir sind, um euch zu werben, nicht geschaffen.

Ich folge dir und finde Wonn in Not,

Gibt die geliebte Hand mir nur den Tod. (Beide ab.)

Oberon.

Geh, Nymphe, nur! Er soll uns nicht von hinnen,

Bis du ihn fliehst und er dich will gewinnen –

Droll kommt zurück.

Hast du die Blume da? Willkommen, Wildfang!

Droll.

Da ist sie, seht!

Oberon.

Ich bitt dich, gib sie mir.

Ich weiß ’nen Hügel, wo man Quendel pflückt,

Wo aus dem Gras Viol‘ und Maßlieb nickt,

Wo dicht gewölbt des Geißblatts üppge Schatten

Mit Hagedorn und mit Jasmin sich gatten.

Dort ruht Titania, halbe Nächte kühl

Auf Blumen eingewiegt durch Tanz und Spiel.

Die Schlange legt die bunte Haut dort nieder,

Ein weit Gewand für eines Elfen Glieder.

Ich netz ihr Aug mit dieser Blume Saft,

Der ihr den Kopf voll schnöder Grillen schafft.

Nimm auch davon, und such in diesem Holze:

Ein holdes Mädchen wird mit sprödem Stolze

Von einem Jüngling, den sie liebt, verschmäht.

Salb ihn, doch so, daß er die Schön‘ erspäht,

Sobald er aufwacht. Am athenischen Gewand

Wird ohne Müh der Mann von dir erkannt.

Verfahre sorgsam, daß mit heißerm Triebe,

Als sie den Liebling, er sie wieder liebe,

Und triff mich vor dem ersten Hahnenschrei.

Droll.

Verlaßt Euch, Herr, auf Eures Knechtes Treu. (Sie gehen ab.)

Zweite Szene

Ein anderer Teil des Waldes

Titania kommt mit ihrem Gefolge

Titania.

Kommt! einen Ringel-, einen Feensang!

Dann auf das Drittel ’ner Minute fort!

Ihr, tötet Raupen in den Rosenknospen!

Ihr andern führt mit Fledermäusen Krieg,

Bringt ihrer Flügel Balg als Beute heim,

Den kleinen Elfen Röcke draus zu machen!

Ihr endlich sollt den Kauz, der nächtlich kreischt

Und über unsre schmucken Geister staunt,

Von uns verscheuchen! Singt mich nun in Schlaf;

An eure Dienste dann und laßt mich ruhn! Lied. Erste Elfe. Bunte Schlangen, zweigezüngt,

Igel, Molche, fort von hier!

Daß ihr euren Gift nicht bringt

In der Königin Revier! Chor. Nachtigall, mit Melodei

Sing in unser Eiapopei!

Eiapopeia! Eiapopei!

Daß kein Spruch,

Kein Zauberfluch

Der holden Herrin schädlich sei.

Nun gute Nacht mit Eiapopei! Zweite Elfe. Schwarze Käfer, uns umgebt

Nicht mit Summen! Macht euch fort!

Spinnen, die ihr künstlich webt,

Webt an einem andern Ort! Chor. Nachtigall, mit Melodei

Sing in unser Eiapopei!

Eiapopeia! Eiapopei!

Daß kein Spruch,

Kein Zauberfluch

Der holden Herrin schädlich sei.

Nun gute Nacht mit Eiapopei! Erste Elfe. Alles gut, nun auf und fort!

Einer halte Wache dort! (Elfen ab. Titania schläft.) Oberon tritt auf.

Oberon (zu Titania, indem er die Blume über ihren Augenlidern ausdrückt).

Was du wirst erwachend sehn,

Wähl es dir zum Liebsten schön;

Seinetwegen schmacht und stöhn,

Sei es Brummbär, Kater, Luchs,

Borstger Eber oder Fuchs;

Was sich zeigt an diesem Platz,

Wenn du aufwachst, wird dein Schatz,

Sähst du gleich die ärgste Fratz! (Ab.) Lysander und Hermia treten auf.

Lysander.

Kaum tragen durch den Wald Euch noch die Füße,

Und ich gesteh es, ich verlor den Pfad.

Wollt Ihr, so laßt uns ruhen, meine Süße,

Bis tröstend sich das Licht des Tages naht.

Hermia.

Ach ja, Lysander! sucht für Euch ein Bette;

Der Hügel hier sei meine Schlummerstätte.

Lysander.

Ein Rasen dien als Kissen für uns zwei:

Ein Herz, ein Bett, zwei Busen, eine Treu.

Hermia.

Ich bitt Euch sehr! Um meinetwillen, Lieber!

Liegt nicht so nah! Liegt weiter dort hinüber!

Lysander.

O ärgert Euch an meiner Unschuld nicht!

Die Liebe deute, was die Liebe spricht.

Ich meinte nur, mein Herz sei Eurem so verbunden,

Daß nur ein Herz in beiden wird gefunden.

Verkettet hat zwei Busen unser Schwur:

So wohnt in zweien eine Treue nur.

Erlaubet denn, daß ich mich zu Euch füge,

Denn, Herz, ich lüge nicht, wenn ich so liege.

Hermia.

Wie zierlich spielt mit Worten doch mein Freund! –

Ich würde selbst ja meiner Unart feind,

Hätt ich «Lysander lüge», je gemeint.

Doch aus Gefälligkeit und Lieb, ich bitte,

Rückt weiter weg! so weit, wie nach der Sitte

Der Menschen sich, getrennt von einem Mann,

Ein tugendsames Mädchen betten kann.

Der Raum sei zwischen uns. – Schlaf süß! Der Himmel gebe,

Daß, bis dein Leben schließt, die Liebe lebe!

Lysander.

Amen! so holder Bitte stimm ich bei:

Mein Herz soll brechen, bricht es meine Treu.

Mög alle Ruh des Schlafes bei dir wohnen!

Hermia.

Des Wunsches Hälfte soll den Wünscher lohnen! (Sie schlafen.)

Droll (tritt auf).

Wie ich auch den Wald durchstrich,

Kein Athener zeigte sich,

Zum Versuch auf seinem Auge,

Was dies Liebesblümchen tauge.

Aber wer – o Still und Nacht –

Liegt da in Athenertracht?

Er ist’s, den mein Herr gesehn

Die Athenerin verschmähn;

Hier schläft auch ruhig und gesund

Das Mädchen auf dem feuchten Grund.

Die Arme darf nicht liegen nah

Dem Schlagetot der Liebe da.

Allen Zauber dieses Taus,

Flegel, gieß ich auf dich aus.

(Indem er den Saft über seine Augen auspreßt.)

Wachst du auf, so scheuch den Schlummer

Dir vom Aug der Liebe Kummer!

Nun erwach! Ich geh davon,

Denn ich muß zum Oberon. Demetrius und Helena, beide laufend.

Helena.

Demetrius, sollt’s auch mein Tod sein, steh!

Demetrius.

O quäle mich nicht so! Fort, sag ich, geh!

Helena.

Ach, du verlässest mich im Dunkel hier?

Demetrius.

Ich geh allein; du bleib, das rar ich dir. (Demetrius ab.)

Helena.

Die tolle Jagd, sie macht mir weh und bange;

Je mehr ich fleh, je minder ich erlange.

Wo Hermia ruhen mag? Sie ist beglückt;

Denn sie hat Augen, deren Strahl entzückt.

Wie wurden sie so hell? Durch Tränen? nein,

Sonst müßten meine ja noch heller sein.

Nein, ich bin ungestalt wie wilde Bären,

Daß Tiere sich voll Schrecken von mir kehren.

Was Wunder also, daß Demetrius

Gleich einem Ungeheur mich fliehen muß?

Vor welchem Spiegel konnt ich mich vergessen,

Mit Hermias Sternenaugen mich zu messen?

Doch, was ist dies? Lysander, der hier ruht?

Tot oder schlafend? Seh ich doch kein Blut.

Lysander, wenn Ihr lebt, so hört! erwachet!

Lysander (im Erwachen).

Durchs Feuer lauf ich, wenn’s dir Freude machet!

Verklärte Helena, so zart gewebt,

Daß sichtbar sich dein Herz im Busen hebt!

Wo ist Demetrius? O der Verbrecher!

Sein Name sei vertilgt! Dies Schwert dein Rächer!

Helena.

Sprecht doch nicht so, Lysander, sprecht nicht so!

Liebt er schon Eure Braut: ei nun, seid froh!

Sie liebt Euch dennoch stets.

Lysander.

O nein! wie reut

Mich die bei ihr verlebte träge Zeit!

Nicht Hermia, Helena ist jetzt mein Leben;

Wer will die Kräh nicht für die Taube geben?

Der Wille wird von der Vernunft regiert:

Mir sagt Vernunft, daß Euch der Preis gebührt.

Ein jedes Ding muß Zeit zum Reifen haben;

So reiften spät in mir des Geistes Gaben.

Erst jetzt, da ich am Ziel des Mannes bin,

Wird die Vernunft des Willens Führerin

Und läßt mich nun der Liebe Tun und Wesen

In goldner Schrift in Euren Augen lesen.

Helena.

Weswegen ward ich so zum Hohn erwählt?

Verdient ich es um Euch, daß Ihr mich quält?

War’s nicht genug, genug nicht, junger Mann,

Daß ich nicht einen Blick gewinnen kann,

Nicht einen holden Blick von meinem Lieben,

Müßt Ihr mit Spötterein mich noch betrüben?

Ihr tut, fürwahr, Ihr tut an mir nicht recht,

Daß Ihr um mich zu buhlen Euch erfrecht.

Gehabt Euch wohl! Allein, ich muß gestehen,

Ich glaubt‘ in Euch mehr Edelmut zu sehen.

O daß, verschmäht von einem Mann, ein Weib

Dem andern dienen muß zum Zeitvertreib! (Ab.)

Lysander.

Sie siehet Hermia nicht. – So schlaf nur immer,

Und nahtest du Lysandern doch dich nimmer!

Wie nach dem Übermaß von Näschereien

Der Ekel pflegt am heftigsten zu sein;

Wie die am meisten Ketzereien hassen,

Die, einst betört, sie wiederum verlassen:

Mein Übermaß! mein Wahn! so flieh ich dich;

Dich hasse jeder, doch am ärgsten ich. –

Nun strebt nach Helena, Mut, Kraft und Sinne,

Daß ich ihr Ritter werd und sie gewinne! (Ab.)

Hermia (fährt auf).

O hilf, Lysander, hilf mir! Siehst du nicht

Die Schlange, die den Busen mir umflicht?

Weh mir! Erbarmen! – Welch ein Traum, mein Lieber?

Noch schüttelt mich das Schrecken wie ein Fieber.

Mir schien es, eine Schlange fräß mein Herz,

Und lächelnd sähst du meinen Todesschmerz. –

Lysander! wie, Lysander, du bist fort?

Du hörst mich nicht? O Gott! kein Laut? kein Wort?

Wo bist du? Um der Liebe willen, sprich,

Wenn du mich hörst! Es bringt zur Ohnmacht mich. –

Noch nicht? Nun seh ich wohl, ich darf nicht weilen:

Dich muß ich oder meinen Tod ereilen. (Ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Der Wald. Die Elfenkönigin liegt noch schlafend Squenz, Zettel, Schnock, Flaut, Schnauz, Schlucker treten auf

Zettel.

Sind wir alle beisammen?

Squenz.

Aufs Haar; und hier ist ein prächtig bequemer Platz zu unserer Probe. Dieser grüne Fleck soll unser Theater sein, diese Weißdornhecke unsre Kammer zum Anziehen, und wir wollen’s in Aktion vorstellen, wie wirs vor dem Herzoge vorstellen wollen.

Zettel.

Peter Squenz –

Squenz.

Was sagst du, lieber Sappermentszettel?

Zettel.

Es kommen Dinge vor in dieser Komödie von Pyramus und Thisbe, die nimmermehr gefallen werden. Erstens: Pyramus muß ein Schwert ziehen, um sich selbst umzubringen, und das können die Damen nicht vertragen. He! Was wollt Ihr darauf antworten?

Schnauz.

Potz Kuckuck, ja! ein gefährlicher Punkt.

Schlucker.

Ich denke, wir müssen am Ende das Totmachen auslassen.

Zettel.

Nicht ein Tüttelchen; ich habe einen Einfall, der alles gutmacht. Schreibt mir einen Prolog, und laßt den Prolog verblümt zu verstehen geben, daß wir mit unsern Schwertern keinen Schaden tun wollen; und daß Pyramus nicht wirklich tot gemacht wird; und zu mehr besserer Sicherheit sagt ihnen, daß ich, Pyramus, nicht Pyramus bin, sondern Zettel, der Weber. Das wird ihnen schon die Furcht benehmen.

Squenz.

Gut, wir wollen einen solchen Prologus haben, und er soll in Acht- und Sechssilbern geschrieben sein.

Zettel.

Nein, nehmt zwei mehr, laßt’s Achtsilber sein.

Schnauz.

Werden die Damen nicht auch vor dem Löwen erschrecken?

Schlucker.

Ich fürcht es, davor steh ich euch.

Zettel.

Meister, ihr solltet dies bei euch selbst überlegen. Einen Löwen – Gott behüt uns! – unter Damen zu bringen, ist eine greuliche Geschichte; es gibt kein grausameres Wildbret als so’n Löwe, wenn er lebendig ist; und wir sollten uns vorsehn.

Schnauz.

Derhalben muß ein andrer Prologus sagen, daß er kein Löwe ist.

Zettel.

Ja, ihr müßt seinen Namen nennen, und sein Gesicht muß halb durch des Löwen Hals gesehen werden; und er selbst muß durchsprechen und sich so oder ungefähr so applizieren: Gnädige Frauen, oder schöne gnädige Frauen, ich wollte wünschen, oder ich wollte ersuchen, oder ich wollte gebeten haben, fürchten Sie nichts, zittern Sie nicht so; mein Leben für das Ihrige! Wenn Sie dächten, ich käme hieher als ein Löwe, so dauerte mich nur meine Haut. Nein, ich bin nichts dergleichen; ich bin ein Mensch wie andre auch; – und dann laßt ihn nur seinen Namen nennen und ihnen rund heraus sagen, daß er Schnock der Schreiner ist.

Squenz.

Gut, so soll’s auch sein. Aber da sind noch zwei harte Punkte: nämlich, den Mondschein in die Kammer zu bringen; denn ihr wißt, Pyramus und Thisbe kommen bei Mondschein zusammen.

Schnock.

Scheint der Mond in der Nacht, wo wir unser Spiel spielen?

Zettel.

Einen Kalender! Einen Kalender! Seht in den Almanach! Suchet Mondschein! Suchet Mondschein!

Squenz.

Ja, er scheint die Nacht.

Zettel.

Gut, so könnt ihr ja einen Flügel von dem großen Stubenfenster, wo wir spielen, offenlassen, und der Mond kann durch den Flügel herein scheinen.

Squenz.

Ja, oder es könnte auch einer mit einem Dornbusch und einer Laterne herauskommen und sagen, er komme, die Person des Mondscheins zu defigurieren oder zu präsentieren. Aber da ist noch ein Punkt: wir müssen in der großen Stube eine Wand haben; denn Pyramus und Thisbe, sagt die Historie, redeten durch die Spalte einer Wand miteinander.

Schnock.

Ihr bringt mein Leben keine Wand hinein. Was sagst du, Zettel?

Zettel.

Einer oder der andre muß Wand vorstellen; und laßt ihn ein bißchen Kalk, oder ein bißchen Lehm, oder ein bißchen Mörtel an sich haben, um Wand zu bedeuten; und laßt ihn seine Finger so halten, und durch die Klinze sollen Pyramus und Thisbe wispern.

Squenz.

Wenn das sein kann, so ist alles gut. Kommt, setzt euch, jeder Mutter Sohn, und probiert eure Parte. Pyramus, Ihr fangt an; wann Ihr Eure Rede ausgeredet habt, so tretet hinter den Zaun; und so jeder nach seinem Stichwort. Droll tritt auf.

Droll.

Welch hausgebacknes Volk macht hier sich breit,

So nah der Wiege unsrer Königin?

Wie? gibt’s ein Schauspiel? Ich will Hörer sein,

Mitspieler auch vielleicht, nachdem sich’s fügt.

Squenz.

Sprecht, Pyramus; Thisbe, tretet vor.

Pyramus.

«Thisbe, wie eine Blum‘ von Giften duftet süß -»

Squenz.

Düften! Düften!

Pyramus.

«- – von Düften duftet süß,

So tut dein Atem auch, o Thisbe, meine Zier.

Doch horch, ich hör ein‘ Stimm; es ist mein Vater gwiß;

Bleib eine Weile stehn, ich bin gleich wieder hier.» (Ab.)

Droll (beiseite).

Ein seltnes Stück von einem Pyramus. (Ab.)

Thisbe.

Muß ich jetzt reden?

Squenz.

Ja, zum Henker, freilich müßt Ihr; Ihr müßt wissen, er geht nur weg, um ein Geräusch zu sehen, das er gehört hat, und wird gleich wiederkommen.

Thisbe.

«Umstrahlter Pyramus, an Farbe lilienweiß

Und rot wie eine Ros auf triumphierndem Strauch;

Du muntrer Juvenil, der Männer Zier und Preis,

Treu wie das treuste Roß, das nie ermüdet auch.

Ich will dich treffen an, glaub mir, bei Nickels Grab.»

Squenz.

Ninus‘ Grab, Kerl. Aber das müßt Ihr jetzt noch nicht sagen, das antwortet Ihr dem Pyramus. Ihr sagt Euren ganzen Part auf einmal her, Stichwörter und den ganzen Plunder. – Pyramus, tretet auf, Euer Stichwort ist schon dagewesen; es ist: «ermüdet auch.» Zettel mit einem Eselskopfe und Droll kommen zurück.

Thisbe.

Uf – «So treu, wie’s treuste Pferd, das nie ermüdet auch.»

Pyramus.

«Wenn, Thisbe, ich wär schön, so wär ich einzig dein.»

Squenz.

O greulich! erschrecklich! Es spukt hier. Ich bitt euch, Meister! lauft, Meister! Hilfe! (Sie laufen davon.)

Droll.

Nun jag ich euch und führ euch kreuz und quer

Durch Dorn, durch Busch, durch Sumpf, durch Wald.

Bald bin ich Pferd, bald Eber, Hund und Bär,

Erschein als Werwolf und als Feuer bald,

Will grunzen, wiehern, bellen, brummen, flammen

Wie Eber, Pferd, Hund, Bär und Feur zusammen. (Ab.)

Zettel.

Warum laufen sie weg? Dies ist eine Schelmerei von ihnen, um mich fürchten zu machen. Schnauz kommt zurück.

Schnauz.

O Zettel! du bist verwandelt! Was seh ich an dir?

Zettel.

Was du siehst? Du siehst deinen eigenen Eselskopf. Nicht? (Schnauz ab.)

Squenz kommt zurück.

Squenz.

Gott behüte dich, Zettel! Gott behüte dich! du bist transferiert. (Ab.)

Zettel.

Ich merke ihre Schelmerei: sie wollen einen Esel aus mir machen, mich fürchten machen, wenn sie können. Aber ich will hier nicht von der Stelle; lass‘ sie machen, was sie wollen; ich will hier auf und ab spazieren und singen, damit sie sehen, daß ich mich nicht fürchte.

(Er singt.) Die Schwalbe, die den Sommer bringt,

Der Spatz, der Zeisig fein,

Die Lerche, die sich lustig schwingt

Bis in den Himmel ’nein -:

Titania (erwachend).

Weckt mich von meinem Blumenbett ein Engel?

Zettel (singt).

Der Kuckuck, der der Grasmück

So gern ins Nestchen heckt

Und lacht darob mit arger Tück

Und manchen Ehmann neckt -: Denn sein Rufen soll eine gar gefährliche Vorbedeutung sein, und wem jückt es nicht ein bißchen an der Stirne, wenn er sich Kuckuck grüßen hört?

Titania.

Ich bitte dich, du holder Sterblicher,

Sing noch einmal! Mein Ohr ist ganz verliebt

In deine Melodie; auch ist mein Auge

Betört von deiner lieblichen Gestalt;

Gewaltig treibt mich deine schöne Tugend,

Beim ersten Blick dir zu gestehn, zu schwören:

Daß ich dich liebe.

Zettel.

Mich dünkt, Madame, Sie könnten dazu nicht viel Ursache haben. Und doch, die Wahrheit zu sagen, halten Vernunft und Liebe heutzutage nicht viel Gemeinschaft. Schade, daß ehrliche Nachbarn sie nicht zu Freunden machen wollen! Gelt, ich kann auch spaßen, wenn’s darauf ankommt.

Titania.

Du bist so weise, wie du reizend bist.

Zettel.

Das nun just auch nicht. Doch, wenn ich Witz genug hätte, um aus diesem Walde zu kommen, so hätte ich just so viel, als mir nötig täte.

Titania.

Begehre nicht, aus diesem Hain zu fliehn;

Du mußt hier, willig oder nicht, verziehn.

Ich bin ein Geist von nicht gemeinem Stande;

Ein ewger Sommer zieret meine Lande;

Und sieh, ich liebe dich! drum folge mir.

Ich gebe Elfen zur Bedienung dir;

Sie sollen Perlen aus dem Meer dir bringen

Und, wenn du leicht auf Blumen schlummerst, singen.

Ich will vom Erdenstoffe dich befrein,

Daß du so luftig sollst wie Geister sein.

Senfsamen! Bohnenblüte! Motte! Spinnweb! Vier Elfen treten auf.

Erster Elf.

Hier!

Zweiter Elf.

Und ich!

Dritter Elf.

Und ich!

Vierter Elf.

Und ich!

Alle.

Was sollen wir?

Titania.

Gefällig seid und dienstbar diesem Herrn.

Hüpft, wo er geht, und gaukelt um ihn her;

Sucht Aprikos‘ ihm auf und Stachelbeer‘;

Maulbeeren gebt ihm, Feigen, Purpurtrauben;

Ihr müßt der Biene Honigsack ihm rauben;

Zur Kerze nehmt von ihr ein wächsern Bein

Und steckt es an bei eines Glühwurms Schein,

Zu leuchten meinem Freund Bett aus und ein;

Mit bunter Schmetterlinge Flügelein

Wehrt fächelnd ihm vom Aug den Mondenschein.

Nun, Elfen, huldigt ihm und neigt euch fein.

Erster Elf.

Heil dir, Sterblicher!

Zweiter Elf.

Heil!

Dritter Elf.

Heil!

Vierter Elf.

Heil!

Zettel.

Ich flehe Euer Gnaden von ganzem Herzen um Verzeihung, Ich bitte um Euer Gnaden Namen.

Spinnweb.

Spinnweb.

Zettel.

Ich wünsche näher mit Ihnen bekannt zu werden, guter Musje Spinnweb. Wenn ich mich in den Finger schneide, werde ich so frei sein, Sie zu gebrauchen. – Ihr Name, ehrsamer Herr?

Bohnenblüte.

Bohnenblüte.

Zettel.

Ich bitte Sie, empfehlen Sie mich Madame Hülse, Ihrer Frau Mutter, und Herrn Bohnenschote, Ihrem Herrn Vater. Guter Herr Bohnenblüte, auch mit Ihnen hoffe ich näher bekannt zu werden. – Ihren Namen, mein Herr, wenn ich bitten darf.

Senfsamen.

Senfsamen.

Zettel.

Lieber Musje Senfsamen, ich kenne Ihre Geduld gar wohl. Jener niederträchtige und ungeschlachte Kerl, Rinderbraten, hat schon manchen wackern Herrn von Ihrem Hause verschlungen. Sei’n Sie versichert, Ihre Freundschaft hat mir schon oft die Augen übergehen machen. Ich wünsche nähere Bekanntschaft, lieber Musje Senfsamen.

Titania.

Kommt, führt ihn hin zu meinem Heiligtume!

Mich dünkt, von Tränen blinke Lunas Glanz;

Und wenn sie weint, weint jede kleine Blume

Um einen wild zerrißnen Mädchenkranz.

Ein Zauber soll des Liebsten Zunge binden:

Wir wollen still den Weg zur Laube finden. (Alle ab.)

Zweite Szene

Ein anderer Teil des Waldes

Oberon (tritt auf).

Mich wundert’s, ob Titania erwachte

Und welch Geschöpf ihr gleich ins Auge fiel,

Worin sie sterblich sich verlieben muß.

Droll kommt.

Da kommt mein Bote ja. – Nun, toller Geist,

Was spuken hier im Wald für Abenteuer?

Droll.

Herr, meine Fürstin liebt ein Ungeheuer.

Sie lag in Schlaf versunken auf dem Moos

In ihrer heilgen Laube dunklem Schoß,

Als eine Schar von lumpgen Handwerksleuten,

Die mühsam kaum ihr täglich Brot erbeuten,

Zusammenkommt und hier ein Stück probiert,

So sie auf Theseus‘ Hochzeitstag studiert.

Der ungesalzenste von den Gesellen,

Den Pyramus berufen vorzustellen,

Tritt von der Bühn und wartet im Gesträuch;

Ich nutze diesen Augenblick sogleich,

Mit einem Eselskopf ihn zu begaben.

Nicht lange drauf muß Thisbe Antwort haben;

Mein Mime tritt heraus; kaum sehen ihn

Die Freund, als sie wie wilde Gänse fliehn,

Wenn sie des Jägers leisen Tritt erlauschen;

Wie graue Krähen, deren Schwarm mit Rauschen

Und Krächzen auffliegt, wenn ein Schuß geschieht,

Und wild am Himmel da- und dorthin zieht.

Vor meinem Spuk rollt der sich auf der Erde,

Der schreiet Mord! mit kläglicher Gebärde;

Das Schrecken, das sie sinnlos machte, lieh

Sinnlosen Dingen Waffen gegen sie.

An Dorn und Busch bleibt Hut und Ärmel stecken;

Sie fliehn hindurch, berupft an allen Ecken.

In solcher Angst trieb ich sie weiter fort,

Nur Schätzchen Pyramus verharrte dort.

Gleich mußte nun Titania erwachen

Und aus dem Langohr ihren Liebling machen.

Oberon.

Das geht ja über mein Erwarten schön.

Doch hast du auch den Jüngling von Athen,

Wie ich dir auftrug, mit dem Saft bestrichen?

Droll.

O ja, ich habe schlafend ihn beschlichen.

Das Mädchen ruhte neben ihm ganz dicht:

Erwacht er, so entgeht sein Aug ihr nicht. Demetrius und Hermia treten auf.

Oberon.

Tritt her; da kommt ja der Athener an.

Droll.

Das Mädchen ist es, aber nicht der Mann.

Demetrius.

O könnt Ihr so, weil ich Euch liebe, schmälen?

Den Todfeind solltet Ihr so tödlich quälen!

Hermia.

Noch mehr verdient, was ich von dir erfuhr;

Denn fluchen sollt ich dir und schalt dich nur.

Erschlugst du mir Lysandern, weil er ruhte,

So bad, einmal befleckt, dich ganz im Blute

Und töt auch mich!

Die Sonne liebt den Tag nicht treuer, steter,

Als wie er mich: nun wär er als Verräter

Entflohn, indes ich schlief? Nein, nimmermehr!

Eh wollt ich glauben, daß es möglich wär,

Ganz zu durchbohren dieser Erde Boden

Und durch die Öffnung zu den Antipoden

Zu senden des verwegnen Mondes Gruß,

Der hellen Mittagssonne zum Verdruß.

Es kann nicht anders sein: du mordetest ihn mir.

So sieht ein Mörder aus, so graß, so stier!

Demetrius.

So siehet ein Erschlagner aus, so ich:

Denn Eure Grausamkeit durchbohrte mich.

Doch Ihr, die Mördrin, glänzet wie Cythere

Am Himmel dort in ihrer lichten Sphäre.

Hermia.

Was soll mir dies? Wo ist Lysander? spricht –

Gib ihn mir wieder, Freund, ich bitte dich.

Demetrius.

Den Hunden gäb ich lieber seine Leiche.

Hermia.

Hinweg, du Hund! du treibst durch deine Streiche

Mich armes Weib zur Wut. Hast du ihn umgebracht:

Nie werde mehr für einen Mann geacht’t.

Sprich einmal wahr, sprich mir zuliebe wahr!

Hättst du, wenn er gewacht, ihm wohl ein Haar

Gekrümmt? und hast ihn, weil er schlief, erschlagen?

O Kühnheit! eine Natter konnt es wagen.

Ja, eine Natter tat’s; die ärgste sticht

Zweizüngiger als du, o Schlange, nicht.

Demetrius.

An einen Wahn verschwendst du deine Wut.

Ich bin nicht schuldig an Lysanders Blut;

Auch mag er wohl, soviel ich weiß, noch leben.

Hermia.

Und geht’s ihm wohl? Kannst du mir Nachricht geben?

Demetrius.

Und könnt ich nun, was würde mir dafür?

Hermia.

Mich nie zu sehn, dies Vorrecht schenk ich dir.

Und so verlaß ich deine schnöde Nähe;

Tot sei er oder nicht, wenn ich nur dich nicht sehe. (Ab.)

Demetrius.

Ihr folgen ist vergebliches Bemühn

In diesem Sturm; so will ich hier verziehn.

Noch höher wird des Grames Not gesteigert,

Seit sich sein Schuldner Schlaf zu zahlen weigert.

Vielleicht empfang ich einen Teil der Schuld,

Erwart ich hier den Abtrag in Geduld. (Er legt sich nieder.)

Oberon.

Was tatest du? du hast dich ganz betrogen.

Ein treues Auge hat den Liebessaft gesogen;

Dein Fehlgriff hat den treuen Bund gestört

Und nicht den Unbestand zur Treu bekehrt.

Droll.

So siegt das Schicksal denn, daß gegen einen Treuen

Millionen falsch auf Schwüre Schwür‘ entweihen.

Oberon.

Streif durch den Wald behender als der Wind

Und suche Helena, das schöne Kind.

Sie ist ganz liebekrank und blaß von Wangen,

Von Seufzern, die ihr sehr ans Leben drangen.

Geh, locke sie durch Täuschung her zu mir;

Derweil sie kommt, bezaubr‘ ich diesen hier.

Droll.

Ich eil, ich eil, sieh, wie ich eil;

So fliegt vom Bogen des Tataren Pfeil. (Ab.)

Oberon. Blume mit dem Purpurschein

Die Cupidos Pfeile weihn,

Senk dich in sein Aug hinein;

Wenn er sieht sein Liebchen fein,

Daß sie glorreich ihm erschein

Wie Cyther‘ im Sternenreihn.

Wachst du auf, wenn sie dabei:

Bitte, daß sie hilfreich sei. Droll kommt zurück. Droll. Hauptmann unsrer Elfenschar,

Hier stellt Helena sich dar.

Der von mir gesalbte Mann

Fleht um Liebeslohn sie an.

Wollen wir ihr Wesen sehn?

O die tollen Sterblichen! Oberon. Tritt beiseit! Erwachen muß

Von dem Lärm Demetrius. Droll. Wenn dann zwei um eine frein:

Das wird erst ein Hauptspaß sein.

Gehn die Sachen kraus und bunt,

Freu ich mich von Herzensgrund. Lysander und Helena treten auf.

Lysander.

Pflegt Spott und Hohn in Tränen sich zu kleiden?

Wie glaubst du denn, ich huldge dir zum Hohn?

Sieh, wenn ich schwöre, wein ich: solchen Eiden

Dient zur Beglaubigung ihr Ursprung schon.

Kannst du des Spottes Reden wohl verklagen,

Die an der Stirn des Ernstes Siegel tragen?

Helena.

Stets mehr und mehr wird deine Schalkheit kund.

Wie teuflisch fromm, mit Schwur den Schwur erlegen!

Beschwurst du nicht mit Hermia so den Bund?

Wäg Eid an Eid, so wirst du gar nichts wägen.

Die Eid an sie und mich, wie Märchen leicht,

Leg in zwei Schalen sie, und keine steigt.

Lysander.

Verblendung war’s, mein Herz ihr zu versprechen.

Helena.

Verblendung nenn ich’s, jetzt den Schwur zu brechen.

Lysander.

Demetrius liebt sie; dich liebt er nicht.

Demetrius (erwachend).

O Huldin! schönste Göttin meiner Wahl!

Womit vergleich ich deiner Augen Strahl?

Kristall ist trübe. O wie reifend schwellen

Die Lippen dir, zwei küssende Morellen!

Und jenes dichte Weiß, des Taurus Schnee,

Vom Ostwind rein gelächelt, wird zur Kräh,

Wenn du die Hand erhebst. Laß mich dies Siegel

Der Wonne küssen, aller Reinheit Spiegel!

Helena.

O Schmach! o Höll! ich seh, ihr alle seid

Zu eurer Lust zu plagen mich bereit.

Wär Sitt und Edelmut in euch Verwegnen,

Ihr würdet mir so schmählich nicht begegnen.

Könnt ihr mich denn nicht hassen, wie ihr tut,

Wenn ihr mich nicht verhöhnt in frechem Mut?

Wärt ihr in Wahrheit Männer, wie im Schein,

So flößt‘ ein armes Weib euch Mitleid ein.

Ihr würdet nicht mit Lob und Schwüren scherzen,

Da ich doch weiß, ihr hasset mich von Herzen;

Als Nebenbuhler liebt ihr Hermia,

Wetteifernd nun verhöhnt ihr Helena.

Ein tapfres Stück, ein männlich Unternehmen,

Durch Spott ein armes Mädchen zu beschämen,

Ihr Tränen abzulocken! Quält ein Weib

Ein edler Mann wohl bloß zum Zeitvertreib?

Lysander.

Demetrius, du bist nicht bieder: sei’s!

Du liebst ja Hermia; weißt, daß ich es weiß.

Hier sei von Herzensgrund, in Güt und Frieden,

An Hermias Huld mein Anteil dir beschieden.

Tritt deinen nun an Helena mir ab;

Ich lieb und will sie lieben bis ins Grab.

Helena.

Ihr losen Schwätzer, wie es keine gab!

Demetrius.

Nein, Hermia mag ich nicht: behalt sie, Lieber!

Liebt ich sie je, die Lieb ist längst vorüber.

Mein Herz war dort nur wie in fremdem Land;

Nun hat’s zu Helena sich heimgewandt,

Um dazubleiben.

Lysander.

Glaubs nicht, Helena.

Demetrius.

Tritt nicht der Treu, die du nicht kennst, zu nah;

Du möchtest sonst vielleicht es teuer büßen.

Da kommt dein Liebchen; geh, sie zu begrüßen. Hermia tritt auf

Hermia.

Die Nacht, die uns der Augen Dienst entzieht,

Macht, daß dem Ohr kein leiser Laut entflieht.

Was dem Gesicht an Schärfe wird benommen,

Muß doppelt dem Gehör zugute kommen.

Mein Aug war’s nicht, das dich, Lysander, fand;

Mein Ohr, ich dank ihm, hat die Stimm erkannt.

Doch warum mußtest du so von mir eilen?

Lysander.

Den Liebe fortriß, warum sollt er weilen?

Hermia.

Und welche Liebe war’s, die fort von mir dich trieb?

Lysander.

Lysanders Liebe litt nicht, daß er blieb;

Die schöne Helena, die so die Nacht durchfunkelt,

Daß sie die lichten O’s, die Augen dort, verdunkelt.

Was suchst du mich? Tat dies dir noch nicht kund,

Mein Haß zu dir sei meines Fliehens Grund?

Hermia.

Ihr sprecht nicht, wie Ihr denkt. Es kann nicht sein.

Helena.

Ha! sie stimmt auch in die Verschwörung ein.

Nun merk ich’s: alle drei verbanden sich

Zu dieser falschen Posse gegen mich.

Feindselge Hermia! undankbares Mädchen!

Verstandest du, verschworst mit diesen dich,

Um mich zu necken mit so schnödem Spott?

Sind alle Heimlichkeiten, die wir teilten,

Der Schwestertreu Gelübde, jene Stunden,

Wo wir den raschen Tritt der Zeit verwünscht,

Wie sie uns schied: o alles nun vergessen?

Die Schulgenossenschaft, die Kinderunschuld?

Wie kunstbegabte Götter schufen wir

Mit unsern Nadeln eine Blume beide,

Nach einem Muster und auf einem Sitz;

Ein Liedchen wirbelnd, beid in einem Ton,

Als wären unsre Hände, Stimmen, Herzen

Einander einverleibt. So wuchsen wir

Zusammen, einer Doppelkirsche gleich,

Zum Schein getrennt, doch in der Trennung eins;

Zwei holde Beeren, einem Stiel entwachsen,

Dem Scheine nach zwei Körper, doch ein Herz.

Zwei Schildern eines Wappens glichen wir,

Die friedlich stehn, gekrönt von einem Helm.

Und nun zerreißt Ihr so die alte Liebe?

Gesellt im Hohne Eurer armen Freundin

Zu Männern Euch? Das ist nicht freundschaftlich,

Das ist nicht jungfräulich; und mein Geschlecht

Sowohl wie ich darf Euch darüber schelten,

Obschon die Kränkung mich allein betrifft.

Hermia.

Ich hör erstaunt die ungestümen Reden;

Ich höhn Euch nicht; es scheint, Ihr höhnet mich.

Helena.

Habt Ihr Lysandern nicht bestellt, zum Hohn

Mir nachzugehn, zu preisen mein Gesicht?

Und Euren andern Buhlen, den Demetrius,

Der eben jetzt noch mich mit Füßen stieß,

Mich Göttin, Nymphe, wunderschön zu nennen,

Und köstlich, himmlisch? Warum sagt er das

Der, die er haßt? Und warum schwört Lysander

Die Liebe ab, die ganz die Seel ihm füllt,

Und bietet mir (man denke nur!) sein Herz,

Als weil Ihr ihn gereizt, weil Ihr’s gewollt?

Bin ich schon nicht so in der Gunst wie Ihr,

Mit Liebe so umkettet, so beglückt,

Ja, elend gnug, um ungeliebt zu lieben:

Ihr solltet mich bedauern, nicht verachten.

Hermia.

Ich kann mir nicht erklären, was Ihr meint.

Helena.

Schon recht! Beharrt nur! Heuchelt ernste Blicke

Und zieht Gesichter hinterm Rücken mir!

Blinzt euch nur zu! Verfolgt den feinen Scherz!

Wohl ausgeführt, wird er euch nachgerühmt.

Wär Mitleid, Huld und Sitte noch in euch,

Ihr machtet so mich nicht zu eurem Ziel.

Doch lebet wohl! Zum Teil ist’s meine Schuld:

Bald wird Entfernung oder Tod sie büßen.

Lysander.

Bleib, holde Helena, und hör mich an!

Mein Herz! mein Leben! meine Helena!

Helena.

O herrlich!

Hermia.

Lieber, höhne sie nicht so!

Demetrius.

Und gilt ihr Bitten nichts, so kann ich zwingen.

Lysander.

Nichts mehr erzwingen, als was sie erbittet;

Dein Drohn ist kraftlos wie ihr schwaches Flehn.

Dich lieb ich, Helena! Bei meinem Leben,

Ich liebe dich und will dies Leben wagen,

Der Lüge den zu zeihn, der widerspricht.

Demetrius.

Ich sag, ich liebe dich weit mehr als er.

Lysander.

Ha! sagst du das, so komm, beweis es auch.

Demetrius.

Auf, komm!

Hermia.

Lysander, wohin zielt dies alles?

Lysander.

Fort, Mohrenmädchen!

Demetrius.

Nein, o nein! er tut,

Als bräch er los; er tobt, als wollt er folgen,

Kommt aber nicht. O geht mir, zahmer Mensch!

Lysander.

Fort, Katze, Klette! Mißgeschöpf, laß los!

Sonst schleudr ich dich wie eine Natter weg.

Hermia.

Wie wurdet Ihr so wild? wie so verwandelt,

Mein süßes Herz?

Lysander.

Dein Herz? Fort, fort, hinweg!

Zigeunerin! fort, widerwärtger Trank!

Hermia.

Ihr scherzet nicht?

Helena.

Ja wahrlich, und Ihr auch!

Lysander.

Demetrius, ich halte dir mein Wort.

Demetrius.

Ich hätt es schriftlich gern von deiner Hand;

Dich hält ’ne schwache Hand, ich trau dir nicht.

Lysander.

Wie? sollt ich sie verwunden, schlagen, töten?

Hass‘ ich sie schon, ich will kein Leid ihr tun.

Hermia.

Wie? könnt Ihr mehr mir Leid tun, als mich hassen?

Warum mich hassen? Was geschah, Geliebter?

Bin ich nicht Hermia? Seid Ihr nicht Lysander?

Ich bin so schön noch, wie ich eben war.

Ihr liebtet über Nacht mich; doch verließt Ihr

Mich über Nacht. Und muß ich also sagen

(Verhüten es die Götter!), Ihr verließt

Im Ernste mich?

Lysander.

Im Ernst, so wahr ich lebe!

Und nie begehrt ich wieder dich zu sehn.

Drum gib nur Hoffnung, Frage, Zweifel auf!

Sei sicher, nichts ist wahrer, ’s ist kein Scherz:

Ich hasse dich und liebe Helena.

Hermia.

Weh mir! – Du Gauklerin! du Blütenwurm!

Du Liebesdiebin! Was? du kamst bei Nacht,

Stahlst meines Liebsten Herz!

Helena.

Schön, meiner Treu!

Hast du denn keine Scheu, noch Mädchensitte,

Nicht eine Spur von Scham? Und zwingst du so

Zu harten Reden meine sanften Lippen?

Du Marionette, pfui! du Puppe, du!

Hermia.

Wie? Puppe? Ha, nun wird ihr Spiel mir klar:

Sie hat ihn unsern Wuchs vergleichen lassen –

Ich merke schon – auf ihre Höh getrotzt.

Mit ihrer Figur, mit ihrer langen Figur

Hat sie sich seiner, seht mir doch! bemeistert.

Und stehst du nun so groß bei ihm in Gunst,

Weil ich so klein, weil ich so zwerghaft bin?

Wie klein bin ich, du bunte Bohnenstange?

Wie klein bin ich? Nicht gar so klein, daß nicht

Dir meine Nägel an die Augen reichten.

Helena.

Ihr Herrn, ich bitt euch, wenn ihr schon mich höhnt,

Beschirmt mich doch vor ihr. Nie war ich böse,

Bin keineswegs geschickt zur Zänkerin;

Ich bin so feig wie irgend nur ein Mädchen.

Verwehrt ihr, mich zu schlagen; denket nicht,

Weil sie ein wenig kleiner ist als ich,

Ich nähm es mit ihr auf.

Hermia.

Schon wieder kleiner?

Helena.

Seid, gute Hermia, nicht so bös auf mich,

Ich liebt Euch immer, hab Euch nie gekränkt,

Und stets bewahrt, was Ihr mir anvertraut;

Nur daß ich, dem Demetrius zuliebe,

Ihm Eure Flucht in diesen Wald verriet.

Er folgte Euch, aus Liebe folgt ich ihm;

Er aber schalt mich weg und drohte, mich

Zu schlagen, stoßen, ja zu töten gar;

Und nun, wo Ihr mich ruhig gehen laßt,

So trag ich meine Torheit heim zur Stadt

Und folg Euch ferner nicht. O laßt mich gehn!

Ihr seht, wie kindisch und wie blöd ich bin.

Hermia.

Gut, zieht nur hin! Wer hindert Euch daran?

Helena.

Ein töricht Herz, das ich zurück hier lasse.

Hermia.

Wie? Bei Lysander?

Helena.

Bei Demetrius.

Lysander.

Sei ruhig, Helena! sie soll kein Leid dir tun.

Demetrius.

Sie soll nicht, Herr, wenn Ihr sie schon beschützt.

Helena.

Oh, sie hat arge Tück in ihrem Zorn.

Sie war ’ne böse Sieben in der Schule

Und ist entsetzlich wild, obschon so klein.

Hermia.

Schon wieder klein, und anders nicht wie klein?

Wie duldet Ihr’s, daß sie mich so verspottet?

Weg! laß mich zu ihr!

Lysander.

Packe dich, du Zwergin!

Du Knirps aus Knötrich, der das Wachstum hemmt!

Du Ecker du, du Paternosterkralle!

Demetrius.

Ihr seid zu dienstgeschäftig, guter Freund,

Zugunsten der, die Euren Dienst verschmäht.

Laß mir sie gehn! Sprich nicht von Helena!

Nimm nicht Partei für sie! Vermissest du

Dich im geringsten, Lieb ihr zu bezeugen,

So sollst du’s büßen.

Lysander.

Jetzo bin ich frei;

Nun komm, wofern du’s wagst; laß sehn, wes Recht

An Helena, ob deins, ob meines gilt.

Demetrius.

Dir folgen? Nein, ich halte Schritt mit dir. (Lysander und Demetrius ab.)

Hermia.

Nun, Fräulein! Ihr seid schuld an all dem Lärm.

Ei, bleibt doch stehn!

Helena.

Nein, nein! ich will nicht traun,

Noch länger Eur verhaßtes Antlitz schaun.

Sind Eure Hände hurtiger zum Raufen,

So hab ich längre Beine doch zum Laufen. (Ab.)

Hermia.

Ich staun und weiß nicht, was ich sagen soll. (Sie läuft der Helena nach.)

Oberon.

Das ist dein Unbedacht! Stets irrst du dich,

Wenn’s nicht geflißne Schelmenstreiche sind.

Droll.

Ich irrte diesmal, glaubt mir, Fürst der Schatten,

Gabt Ihr denn nicht von dem bestimmten Mann

Mir die Athenertracht als Merkmal an?

Und so weit bin ich ohne Schuld, daß jener,

Den ich gesalbt, doch wirklich ein Athener;

Und so weit bin ich froh, daß so sich’s fügt,

Weil diese Balgerei mich sehr vergnügt.

Oberon.

Du siehst zum Kampf bereit die hitzgen Freier:

Drum eile, Droll: wirf einen nächtgen Schleier,

Bedecke die gestirnte Feste schnell

Mit Nebeln, düster wie Kozytus‘ Quell;

Und locke sie auf falsche Weg und Stege,

Damit sie nicht sich kommen ins Gehege.

Bald borg die Stimme vom Demetrius

Und reize keck Lysandern zum Verdruß;

Bald schimpf und höhne wieder wie Lysander

Und bringe so sie weiter auseinander,

Bis ihre Stirnen Schlaf, der sich dem Tod vergleicht,

Mit dichter Schwing und bleirnem Tritt beschleicht.

Zerdrück dies Kraut dann auf Lysanders Augen,

Die Zauberkräfte seines Saftes taugen,

Von allem Wahn sie wieder zu befrein

Und den gewohnten Blick ihm zu verleihn.

Wenn sie erwachen, ist, was sie betrogen,

Wie Träum und eitle Nachtgebild entflogen;

Dann kehren wieder nach Athen zurück

Die Liebenden, vereint zu stetem Glück.

Derweil dies alles deine Sorgen sind,

Bitt ich Titanien um ihr indisch Kind;

Ich bann ihr vom betörten Augenlide

Des Unholds Bild, und alles werde Friede.

Droll.

Mein Elfenfürst, wir müssen eilig machen.

Die Nacht teilt das Gewölk mit schnellen Drachen.

Auch schimmert schon Auroras Herold dort,

Und seine Näh scheucht irre Geister fort

Zum Totenacker; banger Seelen Heere,

Am Scheideweg begraben und im Meere:

Man sieht ins wurmbenagte Bett sie gehn.

Aus Angst, der Tag möcht ihre Schande sehn,

Verbannt vom Lichte sie ihr eigner Wille,

Und ihnen dient die Nacht zur ewgen Hülle.

Oberon.

Doch wir sind Geister andrer Region.

Oft jagt ich mit Aurorens Liebling schon,

Darf, wie ein Weidmann, noch den Wald betreten,

Wenn flammend sich des Ostens Pforten röten

Und, aufgetan, der Meeresfluten Grün

Mit schönem Strahle golden überglühn.

Doch zaudre nicht! Sei schnell vor allen Dingen!

Wir können dies vor Tage noch vollbringen. (Oberon ab.)

Droll.

Hin und her, hin und her,

Alle führ ich hin und her.

Land und Städte scheun mich sehr.

Kobold, führ sie hin und her! Hier kommt der eine. Lysander tritt auf.

Lysander.

Demetrius! Wo bist du, Stolzer, du?

Droll.

Hier, Schurk, mit bloßem Degen; mach nur zu!

Lysander.

Ich komme schon.

Droll.

So laß uns miteinander

Auf ebnem Boden gehn. (Lysander ab, als ging‘ er der Stimme nach.)

Demetrius tritt auf.

Demetrius.

Antworte doch, Lysander!

Ausreißer! Memme! liefst du so mir fort?

In welchem Busche steckst du? sprich ein Wort!

Droll.

Du Memme, forderst hier heraus die Sterne,

Erzählst dem Busch, du fochtest gar zu gerne,

Und kommst doch nicht? Komm, Bübchen, komm doch her,

Ich geb die Rute dir. Beschimpft ist der,

Der gegen dich nur zieht.

Demetrius.

He, bist du dort?

Droll.

Folg meinem Ruf, zum Kampf ist dies kein Ort. (Droll und Demetrius ab.)

Lysander kommt zurück.

Lysander.

Stets zieht er vor mir her mit lautem Drohen;

Komm ich, wohin er ruft, ist er entflohen.

Behender ist der Schurk im Lauf als ich:

Ich folgt ihm schnell, doch schneller mied er mich,

So daß ich fiel auf dunkler, rauher Bahn,

Und hier nun ruhn will. – (Legt sich nieder.) Holder Tag, brich an!

Sobald mir nur dein graues Licht erscheint,

Räch ich den Hohn und strafe meinen Feind. (Entschläft.) Droll und Demetrius kommen zurück.

Droll.

Ho, ho! du Memme, warum kommst du nicht?

Demetrius.

Steh, wenn du darfst, und sieh mir ins Gesicht.

Ich merke wohl, von einem Platz zum andern

Entgehst du mir und läßt umher mich wandern.

Wo bist du nun?

Droll.

Hieher komm! ich bin hier.

Demetrius.

Du neckst mich nur, doch zahlst du’s teuer mir,

Wenn je der Tag dich mir vors Auge bringt.

Jetzt zieh nur hin, weil Müdigkeit mich zwingt,

Mich hinzustrecken auf dies kalte Kissen;

Frühmorgens werd ich dich zu finden wissen. (Legt sich nieder und entschläft.)

Helena tritt auf

Helena.

O träge, lange Nacht, verkürze dich!

Und Tageslicht, laß mich nicht länger schmachten

Zur Heimat führe weg von diesen mich,

Die meine arme Gegenwart verachten.

Du, Schlaf, der oft dem Grame Lindrung leiht,

Entziehe mich mir selbst auf kurze Zeit. (Schläft ein.)

Droll.

Dreie nur! – Fehlt eins noch hier:

Zwei von jeder Art macht vier.

Seht, sie kommt ja, wie sie soll,

Auf der Stirn Verdruß und Groll.

Amor steckt von Schalkheit voll,

Macht die armen Weiblein toll. Hermia tritt auf.

Hermia.

Wie matt! wie krank! Zerzaust von Dornensträuchen,

Vom Tau beschmutzt und tausendfach in Not:

Ich kann nicht weitergehn, nicht weiterschleichen;

Mein Fuß vernimmt nicht der Begier Gebot.

Hier will ich ruhn; und soll’s ein Treffen geben,

O Himmel, schütze mir Lysanders Leben! (Schläft ein.)

Droll.

Auf dem Grund

Schlaf gesund!

Gießen will

Ich dir still

Auf die Augen Arzenei.

(Träufelt den Saft auf Lysanders Augen.)

Wirst du wach,

O so lach

Freundlich der,

Die vorher

Du geliebt, und bleib ihr treu.

Dann geht es, wie das Sprüchlein rühmt:

Gebt jedem das, was ihm geziemt.

Hans nimmt sein Gretchen,

Jeder sein Mädchen;

Find’t seinen Deckel jeder Topf,

Und allen gehts nach ihrem Kopf. (Ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

Der Wald Titania und Zettel mit einem Gefolge von Elfen

Oberon im Hintergrunde, ungesehen

Titania.

Komm, laß uns hier auf Blumenbetten kosen!

Beut, Holder, mir die zarte Wange dar:

Den glatten Kopf besteck ich dir mit Rosen

Und küsse dir dein schönes Ohrenpaar.

Zettel.

Wo ist Bohnenblüte?

Bohnenblüte.

Hier.

Zettel.

Kratz mir den Kopf, Bohnenblüte. – Wo ist Musje Spinnweb?

Spinnweb.

Hier.

Zettel.

Musje Spinnweb, lieber Musje, kriegen Sie Ihre Waffen zurhand und schlagen Sie mir eine rotbeinige Biene auf einem Distelkopfe tot, und, lieber Musje, bringen Sie mir den Honigbeutel. Tummeln Sie sich nicht allzusehr bei dieser Verrichtung, Musje; und, lieber Musje, haben Sie acht, daß der Honigbeutel nicht entzwei geht; es würde mir leid tun, Signor, wenn Sie sich mit einem Honigbeutel beschütteten. Wo ist Musje Senfsamen?

Senfsamen.

Hier.

Zettel.

Geben Sie die Pfote, Musje Senfsamen; ich bitte Sie, lassen Sie die Reverenzen, lieber Musje.

Senfsamen.

Was befehlen Sie?

Zettel.

Nichts, lieber Musje, als daß Sie dem Kavalier Bohnenblüte kratzen helfen. Ich muß zum Balbier, Musje; denn mir ist, als wär ich gewaltig haarig ums Gesicht herum, und ich bin ein so zärtlicher Esel: wenn mein Haar mich nur ein bißchen kitzelt, gleich muß ich kratzen.

Titania.

Willst du Musik vernehmen, süßer Freund?

Zettel.

Ich hab ein räsonabel gutes Ohr für Musik; spielt mir ein Stück auf der Maultrommel.

Titania.

Sag, süßer Freund, was hast du Lust zu essen?

Zettel.

Ja, meiner Seel! Eine Krippe voll Futter. Ich könnte auch guten, trocknen Hafer käuen. Mir ist, als hätte ich großen Appetit nach einem Bunde Heu; gutes Heu, süßes Heu hat seinesgleichen auf der Welt nicht.

Titania.

Ich hab ’nen dreisten Elfen, der nach Nüssen

Im Magazin des Eichhorns suchen soll.

Zettel.

Ich hätte lieber ein oder zwei Hand voll trockner Erbsen. Aber ich bitt Euch, laßt keinen von Euren Leuten mich stören. Es kommt mir eine Exposition zum Schlaf an.

Titania.

Schlaf du! Dich soll indes mein Arm umwinden.

Ihr Elfen, weg! Nach allen Seiten fort! –

So lind umflicht mit süßen Blütenranken

Das Geißblatt; so umzingelt, weiblich zart,

Das Efeu seines Ulmbaums rauhe Finger:

Wie ich dich liebe! wie ich dich vergöttre! (Sie schlafen ein.)

Oberon tritt vor. Droll kommt.

Oberon.

Willkommen, Droll! Siehst du dies süße Schauspiel?

Jetzt fängt mich doch ihr Wahnsinn an zu dauern.

Denn da ich eben im Gebüsch sie traf,

Wie sie für diesen Tropf nach Düften suchte,

Da schalt ich sie und ließ sie zornig an.

Sie hatt ihm die behaarten Schläf‘ umwunden

Mit einem frischen, würzgen Blumenkranz.

Derselbe Tau, der sonst wie runde Perlen

Des Morgenlandes an den Knospen schwoll,

Stand in der zarten Blümchen Augen jetzt,

Wie Tränen, trauernd über eigne Schmach.

Als ich sie nach Gefallen ausgeschmält

Und sie voll Demut und Geduld mich bat,

Da fordert ich von ihr das Wechselkind;

Sie gab’s mir gleich und sandte ihren Elfen

Zu meiner Laub‘ im Feenland mit ihm.

Nun, da der Knabe mein ist, sei ihr Auge

Von dieser häßlichen Verblendung frei.

Du, lieber Droll, nimm diese fremde Larve

Vom Kopfe des Gesellen aus Athen;

Auf daß er mit den andern hier, erwachend,

Sich wieder heimbegebe nach Athen,

Und alle der Geschichten dieser Nacht

Nur wie der Launen eines Traums gedenken.

Doch lös ich erst die Elfenkönigin:

(Er berührt ihre Augen mit einem Kraut.)

Sei, als wäre nichts geschehn!

Sieh, wie du zuvor gesehn!

So besiegt zu hohem Ruhme

Cynthias Knospe Amors Blume.

Nun, holde Königin! wach auf, Titania!

Titania.

Mein Oberon, was für Gesicht‘ ich sah!

Mir schien, ein Esel hielt mein Herz gefangen.

Oberon.

Da liegt dein Freund.

Titania.

Wie ist dies zugegangen?

O wie mir nun vor dieser Larve graut!

Oberon.

Ein Weilchen still! – Droll, nimm den Kopf da weg.

Titania, du laß Musik beginnen

Und binde stärker aller fünfe Sinnen

Als durch gemeinen Schlaf.

Titania.

Musik her! Schlafbeschwörende Musik!

Droll.

Wenn du erwachst, so sollst du umgeschaffen

Aus deinen eignen dummen Augen gaffen.

Oberon.

Ertön Musik! (Sanfte Musik.)

Nun komm, Gemahlin! Hand in Hand gefügt,

Und dieser Schläfer Ruheplatz gewiegt!

Die Freundschaft zwischen uns ist nun erneut:

Wir tanzen morgen Mitternacht erfreut

In Theseus‘ Hause bei der Festlichkeit

Und segnen es mit aller Herrlichkeit.

Auch werden da vermählt zu gleicher Zeit

Die Paare hier in Wonn und Fröhlichkeit.

Droll. Elfenkönig, horch! da klang

Schon der Lerche Morgensang. Oberon. Hüpfen wir denn, Königin,

Schweigend nach den Schatten hin!

Schneller als die Monde kreisen

Können wir die Erd umreisen. Titania. Komm, Gemahl, und sage du

Mir im Fliehn: wie ging es zu,

Daß man diese Nacht im Schlaf

Bei den Sterblichen mich traf? (Alle ab. Waldhörner hinter der Szene.)

Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge treten auf.

Theseus.

Geh einer hin und finde mir den Förster,

Denn unsre Maienandacht ist vollbracht;

Und da sich schon des Tages Vortrab zeigt,

So soll Hippolyta die Jagdmusik

Der Hunde hören. – Koppelt sie im Tal

Gen Westen los; eilt, sucht den Förster auf.

Komm, schöne Fürstin, auf des Berges Höh;

Dort laßt uns in melodischer Verwirrung

Das Bellen hören samt dem Widerhall.

Hippolyta.

Ich bin beim Herkules und Kadmus einst,

Die mit spartanschen Hunden einen Bär

In Kretas Wäldern hetzten; nie vernahm ich

So tapfres Toben. Nicht die Haine nur,

Das Firmament, die Quellen, die Reviere,

Sie schienen all‘ ein Ruf und Gegenruf.

Nie hört ich so harmonschen Zwist der Töne,

So hellen Donner.

Theseus.

Auch meine Hunde sind aus Spartas Zucht,

Weitmäulig, scheckig und ihr Kopf behangen

Mit Ohren, die den Tau vom Grase streifen;

Krummbeinig, wammig wie Thessaliens Stiere;

Nicht schnell zur Jagd, doch ihrer Kehlen Ton

Folgt aufeinander wie ein Glockenspiel.

Harmonischer scholl niemals ein Gebell

Zum Hussa und zum frohen Hörnerschall

In Kreta, Sparta, noch Thessalien.

Entscheidet selbst. – Doch still! wer sind hier diese?

Egeus.

Hier schlummert meine Tochter, gnädger Herr;

Dies ist Lysander, dies Demetrius,

Dies Helena, des alten Nedars Kind.

Ich bin erstaunt, beisammen sie zu treffen.

Theseus.

Sie machten ohne Zweifel früh sich auf,

Den Mai zu feiern, hörten unsre Absicht

Und kamen her zu unsrer Festlichkeit.

Doch sag mir, Egeus, ist dies nicht der Tag,

Wo Hermia ihre Wahl erklären sollte?

Egeus.

Er ist’s, mein Fürst.

Theseus.

Geh, heiß die Jäger, sie

Mit ihren Hörnern wecken. Waldhörner und Jagdgeschrei hinter der Szene, Demetrius, Lysander, Hermia und Helena erwachen und fahren auf.

Theseus.

Ei, guten Tag! Sankt Velten ist vorbei,

Und paaren jetzt sich diese Vögel erst?

Lysander.

Verzeihung, Herr! (Er und die übrigen knien.)

Theseus.

Steht auf, ich bitt euch alle.

Ich weiß, ihr seid zwei Feind und Nebenbuhler:

Wo kommt nun diese milde Eintracht her,

Daß, fern vom Argwohn, Haß beim Hasse schläft

Und keiner Furcht vor Feindlichkeiten hegt?

Lysander.

Mein Fürst, ich werd verworren Antwort geben,

Halb wachend, halb im Schlaf; noch, schwör ich Euch,

Weiß ich nicht recht, wie ich hieher mich fand.

Doch denk ich (denn ich möchte wahrhaft reden –

Und jetzt besinn ich mich, so ist es auch),

Ich kam mit Hermia her; wir hatten vor,

Weg von Athen an einen Ort zu fliehn,

Wo des Gesetzes Bann uns nicht erreichte. –

Egeus.

Genug, genug! Mein Fürst, Ihr habt genug;

Ich will den Bann, den Bann auf seinen Kopf.

Fliehn wollten sie, ja fliehn, Demetrius!

Und wollten so berauben dich und mich,

Dich deines Weibs und meines Wortes mich;

Des Wortes, das zum Weibe dir sie gab!

Demetrius.

Mein Fürst, die schöne Helena verriet

Mir ihren Plan, in diesen Wald zu flüchten;

Und ich verfolgte sie hieher aus Wut,

Die schöne Helena aus Liebe mich.

Doch weiß ich nicht, mein Fürst, durch welche Macht

(Doch eine höhre Macht ist’s) meine Liebe

Zu Hermia, wie Schnee zerronnen, jetzt

Mir eines eitlen Tands Erinnrung scheint,

Worein ich in der Kindheit mich vergafft.

Der Gegenstand, die Wonne meiner Augen

Und alle Treu und Tugend meiner Brust

Ist Helena allein. Mit ihr, mein Fürst,

War ich verlobt, bevor ich Hermia sah.

Doch wie ein Kranker haßt ich diese Nahrung.

Nun, zum natürlichen Geschmack genesen,

Begehr ich, lieb ich sie, schmacht ich nach ihr

Und will ihr treu sein nun und immerdar.

Theseus.

Ihr Liebenden, ein Glück, daß ich euch traf!

Wir setzen dies Gespräch bald weiter fort. –

Ihr, Egeus, müßt Euch meinem Willen fügen:

Denn schließen sollen diese Paar im Tempel

Zugleich mit uns den ewigen Verein.

Und weil der Morgen schon zum Teil verstrich,

So bleib auch unsre Jagd nun ausgesetzt. –

Kommt mit zur Stadt! Wir wollen drei selb drei

Ein Fest begehn, das ohnegleichen sei. –

Komm denn, Hippolyta. (Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge ab.)

Demetrius.

Dies alles scheint so klein und unerkennbar

Wie ferne Berge, schwindend im Gewölk.

Hermia.

Mir ist, ich säh dies mit geteiltem Auge,

Dem alles doppelt scheint.

Helena.

So ist’s auch mir.

Ich fand Demetrius, so wie ein Kleinod,

Mein und auch nicht mein eigen.

Demetrius.

Seid Ihr denn

Des Wachens auch gewiß? Mir scheint’s, wir schlafen,

Wir träumen noch. Denkt Ihr nicht, daß der Herzog

Hier war und ihm zu folgen uns gebot?

Hermia.

Ja, auch mein Vater.

Helena.

Und Hippolyta.

Lysander.

Und er beschied uns zu sich in den Tempel.

Demetrius.

Wohl denn, wir wachen also. Auf, ihm nach!

Und plaudern wir im Gehn von unsern Träumen. (Ab.) (Wie sie abgehn, wacht Zettel auf.)

Zettel.

Wenn mein Stichwort kommt, ruft mich, und ich will antworten. Mein nächstes ist: «O schönster Pyramus!» – He! holla! – Peter Squenz! Flaut, der Bälgenflicker! Schnauz, der Kesselflicker! Schlucker! – Sapperment! Alle davongelaufen und lassen mich hier schlafen! – Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt. Ich hatte ’nen Traum – ’s geht über Menschenwitz, zu sagen, was es für ein Traum war. Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er sich einfallen läßt, diesen Traum auszulegen. Mir war, als wär ich – kein Menschenkind kann sagen, was. Mir war, als wär ich, und mir war, als hätt ich – aber der Mensch ist nur ein lumpiger Hanswurst, wenn er sich unterfängt zu sagen, was mir war, als hätt ichs; des Menschen Auge hat’s nicht gehört, des Menschen Ohr hats nicht gesehen, des Menschen Hand kann’s nicht schmecken, seine Zunge kanns nicht begreifen und sein Herz nicht wieder sagen, was mein Traum war. – Ich will den Peter Squenz dazukriegen, mir von diesem Traum eine Ballade zu schreiben; sie soll Zettels Traum heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich will sie gegen das Ende des Stücks vor dem Herzoge singen. Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen, werde ich sie nach dem Tode singen. (Ab.)

Zweite Szene

Athen

Eine Stube in Squenzens Hause

Squenz, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen

Squenz.

Habt ihr nach Zettels Hause geschickt? Ist er noch nicht nach Haus gekommen?

Schlucker.

Man hört nichts von ihm. Ohne Zweifel ist er transportiert.

Flaut.

Wenn er nicht kommt, so ist das Stück zum Henker. Es geht nicht vor sich, nicht wahr?

Squenz.

Es ist nicht möglich. Ihr habt keinen Mann in ganz Athen außer ihm, der kapabel ist, den Pyramus herauszubringen.

Flaut.

Nein; er hat schlechterdings den besten Witz von allen Handwerksleuten in Athen.

Squenz.

Ja, der Tausend! und die beste Person dazu. Und was eine süße Stimme betrifft, da ist er ein rechtes Phänomen.

Flaut.

Ein Phönix müßt Ihr sagen. Ein Phänomen (Gott behüte uns) ist ein garstiges Ding. Schnock kommt.

Schnock.

Meister, der Herzog kommt eben vom Tempel, und noch drei oder vier andere Herren und Damen mehr sind verheiratet. Wenn unser Spiel vor sich gegangen wäre, so wären wir alle gemachte Leute gewesen.

Flaut.

O lieber Sappermentsjunge, Zettel! So hat er nun sechs Batzen des Tags für Lebenszeit verloren. Er konnte sechs Batzen des Tags nicht entgehn – und wenn ihm der Herzog nicht sechs Batzen des Tags für den Pyramus gegeben hätte, will ich mich hängen lassen! Er hätt es verdient. – Sechs Batzen des Tags für den Pyramus, oder gar nichts! Zettel kommt.

Zettel.

Wo sind die Buben? Wo sind die Herzensjungen?

Squenz.

Zettel! – O allertrefflichster Tag! gebenedeite Stunde!

Zettel.

Meister, ich muß Wunderdinge reden, aber fragt mich nicht was; denn wenn ich’s euch sage, bin ich kein ehrlicher Athener. Ich will euch alles sagen, just wie es sich zutrug.

Squenz.

Laß uns hören, lieber Zettel.

Zettel.

Nicht eine Silbe. Nur soviel will ich euch sagen: der Herzog haben zu Mittage gespeist. Kriegt eure Gerätschaften herbei! Gute Schnüre an eure Bärte! Neue Bänder an eure Schuh! Kommt gleich beim Palaste zusammen; laßt jeden seine Rolle überlesen; denn das Kurze und das Lange von der Sache ist: unser Spiel geht vor sich. Auf allen Fall laßt Thisbe reine Wäsche anziehn, und laßt dem, der den Löwen macht, seine Nägel nicht verschneiden; denn sie sollen heraushängen als des Löwen Klauen. Und, allerliebste Akteure! eßt keine Zwiebeln, keinen Knoblauch; denn wir sollen süßen Odem von uns geben, und ich zweifle nicht, sie werden sagen: Es ist eine sehr süße Komödie. Keine Worte weiter! Fort! marsch! fort! (Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Ein Zimmer im Palast des Theseus Theseus, Hippolyta, Philostrat, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf

Hippolyta.

Was diese Liebenden erzählen, mein Gemahl,

Ist wundervoll.

Theseus.

Mehr wundervoll wie wahr.

Ich glaubte nie an diese Feenpossen

Und Fabelein. Verliebte und Verrückte

Sind beide von so brausendem Gehirn,

So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt,

Was nie die kühlere Vernunft begreift.

Wahnwitzige, Poeten und Verliebte

Bestehn aus Einbildung. Der eine sieht

Mehr Teufel, als die weite Hölle faßt:

Der Tolle nämlich; der Verliebte sieht,

Nicht minder irr, die Schönheit Helenas

Auf einer äthiopisch braunen Stirn.

Des Dichters Aug, in schönem Wahnsinn rollend,

Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd hinab,

Und wie die schwangre Phantasie Gebilde

Von unbekannten Dingen ausgebiert,

Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt

Das luftge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz.

So gaukelt die gewaltge Einbildung;

Empfindet sie nur irgend eine Freude,

Sie ahnet einen Bringer dieser Freude;

Und in der Nacht, wenn uns ein Graun befällt,

Wie leicht, daß man den Busch für einen Bären hält!

Hippolyta.

Doch diese ganze Nachtbegebenheit

Und ihrer aller Sinn, zugleich verwandelt,

Bezeugen mehr als Spiel der Einbildung:

Es wird daraus ein Ganzes voll Bestand,

Doch seltsam immer noch und wundervoll. Lysander, Demetrius, Hermia und Helena treten auf.

Theseus.

Hier kommen die Verliebten, froh entzückt.

Glück, Freunde, Glück! Und heitre Liebestage

Nach Herzenswunsch!

Lysander.

Beglückter noch, mein Fürst,

Sei Euer Aus- und Eingang, Tisch und Bett!

Theseus.

Nun kommt! Was haben wir für Spiel‘ und Tänze?

Wie bringen wir nach Tisch bis Schlafengehn

Den langen Zeitraum von drei Stunden hin?

Wo ist der Meister unsrer Lustbarkeiten?

Was gibt’s für Kurzweil? Ist kein Schauspiel da,

Um einer langen Stunde Qual zu lindern? –

Ruft mir den Philostrat.

Philostrat.

Hier, großer Theseus!

Theseus.

Was gibt’s für Zeitvertreib auf diesen Abend?

Was für Musik und Tanz? Wie täuschen wir

Die träge Zeit als durch Belustigung?

Philostrat.

Der Zettel hier besagt die fertgen Spiele:

Wähl Eure Hoheit, was sie sehen will. (Überreicht ein Papier.)

Theseus (liest).

«Das Treffen der Kentauren – wird zur Harfe

Von einem Hämling aus Athen gesungen.»

Nein, nichts hievon! Das hab ich meiner Braut

Zum Ruhm des Vetter Herkules erzählt. –

«Der wohlbezechten Bacchanalen Wut,

Wie sie den Sänger Thraziens zerreißen.»

Das ist ein altes Stück; es ward gespielt,

Als ich von Theben siegreich wiederkam. –

«Der Musen Neunzahl, traurend um den Tod

Der jüngst im Bettelstand verstorbenen Gelahrtheit.»

Das ist ’ne strenge, beißende Satire,

Die nicht zu einer Hochzeitsfeier paßt. –

«Ein kurz langweilger Akt vom jungen Pyramus

Und Thisbe, seinem Lieb. Spaßhafte Tragödie.»

Kurz und langweilig? Spaßhaft und doch tragisch?

Das ist ja glühend Eis und schwarzer Schnee.

Wer findet mir die Eintracht dieser Zwietracht?

Philostrat.

Es ist ein Stück, ein Dutzend Worte lang,

Und also kurz, wie ich nur eines weiß;

Langweilig wird es, weils ein Dutzend Worte

Zu lang ist, gnädger Fürst; kein Wort ist recht

Im ganzen Stück, kein Spieler weiß Bescheid.

Und tragisch ist es auch, mein Gnädigster,

Denn Pyramus bringt selbst darin sich um.

Als ichs probieren sah, ich muß gestehn,

Es zwang mir Tränen ab; doch lustger weinte

Des lauten Lachens Ungestüm sie nie.

Theseus.

Wer sind die Spieler?

Philostrat.

Männer, hart von Faust,

Die in Athen hier ein Gewerbe treiben,

Die nie den Geist zur Arbeit noch geübt

Und nun ihr widerspenstiges Gedächtnis

Mit diesem Stück auf Euer Fest geplagt.

Theseus.

Wir wollen’s hören.

Philostrat.

Nein, mein gnädger Fürst,

Es ist kein Stück für Euch. Ich hört es an,

Und es ist nichts daran, nichts auf der Welt,

Wenn Ihr nicht Spaß an ihren Künsten findet,

Die sie mit schwerer Müh sich eingeprägt,

Euch damit aufzuwarten.

Theseus.

Ich will’s hören,

Denn nie kann etwas unwillkommen sein,

Was Einfalt darbringt und Ergebenheit.

Geht, führt sie her! Ihr Frauen, nehmet Platz! (Philostrat ab.)

Hippolyta.

Ich mag nicht gern Armseligkeit bedrückt,

Ergebenheit im Dienst erliegen sehn.

Theseus.

Du sollst ja, Teure, nichts dergleichen sehn.

Hippolyta.

Er sagt ja, sie verstehen nichts hievon.

Theseus.

Um desto gütger ist’s, für nichts zu danken.

Was sie versehen, ihnen nachzusehen,

Sei unsre Lust. Was armer, willger Eifer

Zu leisten nicht vermag, schätz edle Rücksicht

Nach dem Vermögen nur, nicht nach dem Wert.

Wohin ich kam, da hatten sich Gelahrte

Auf wohlgesetzte Reden vorbereitet;

Da haben sie gezittert, sich entfärbt,

Gestockt in einer halb gesagten Phrase;

Die Angst erstickte die erlernte Rede,

Noch eh sie ihren Willkomm vorgebracht,

Und endlich brachen sie verstummend ab.

Sogar aus diesem Schweigen, liebes Kind,

Glaub mir, fand ich den Willkomm doch heraus;

Ja, in der Schüchternheit bescheidnen Eifers

Las ich soviel als von der Plapperzunge

Vorwitzig prahlender Beredsamkeit.

Wenn Lieb und Einfalt sich zu reden nicht erdreisten,

Dann, dünkt mich, sagen sie im Wenigsten am meisten. Philostrat kommt zurück.

Philostrat.

Beliebt es Eurer Hoheit? Der Prolog

Ist fertig.

Theseus.

Laßt ihn kommen. Trompeten. – Der Prolog tritt auf.

Prolog.

Wenn wir mißfallen tun, so ist’s mit gutem Willen;

Der Vorsatz bleibt doch gut, wenn wir ihn nicht erfüllen.

Zu zeigen unsre Pflicht durch dieses kurze Spiel,

Das ist der wahre Zweck von unserm End und Ziel.

Erwäget also denn: warum wir kommen sein:

Wir kommen nicht, als sollt ihr euch daran ergetzen;

Die wahre Absicht ist – zu eurer Lust allein

Sind wir nicht hier – daß wir in Reu und Leid euch setzen.

Die Spieler sind bereit; wenn ihr sie werdet sehen,

Versteht ihr alles schon, was ihr nur wollt verstehen.

Theseus.

Dieser Bursche nimmt’s nicht sehr genau.

Lysander.

Er hat seinen Prolog geritten wie ein wildes Füllen; er weiß noch nicht, wo er halt machen soll. Eine gute Lehre, gnädiger Herr: es ist nicht genug, daß man rede; man muß auch richtig reden.

Hippolyta.

In der Tat, er hat auf seinem Prolog gespielt wie ein Kind auf der Flöte. Er brachte wohl einen Ton heraus, aber keine Note.

Theseus.

Seine Rede war wie eine verwickelte Kette: nichts zerrissen, aber alles in Unordnung. Wer kommt zunächst? Pyramus, Thisbe, Wand, Mondschein und Löwe treten als stumme Personen auf.

Prolog.

Was dies bedeuten soll, das wird euch wundern müssen,

Bis Wahrheit alle Ding‘ stellt an das Licht herfür.

Der Mann ist Pyramus, wofern ihr es wollt wissen;

Und dieses Fräulein schön ist Thisbe, glaubt es mir.

Der Mann mit Mörtel hier und Leimen soll bedeuten

Die Wand, die garstge Wand, die ihre Lieb tät scheiden.

Doch freut es sie, drob auch sich niemand wundern soll,

Wenn durch die Spalte klein sie konnten flüstern wohl.

Der Mann da mit Latern und Hund und Busch von Dorn

Den Mondschein präsentiert, denn, wann ihr’s wollt erwägen:

Bei Mondschein hatten die Verliebten sich verschworn,

Zu gehen nach Nini Grab, um dort der Lieb zu pflegen.

Dies gräßlich wilde Tier, mit Namen Löwe groß,

Die treue Thisbe, die des Nachts zuerst gekommen,

Tät scheuchen, ja vielmehr erschrecken, daß sie bloß

Den Mantel fallen ließ und drauf die Flucht genommen.

Drauf dieser schnöde Löw in seinen Rachen nahm

Und ließ mit Blut befleckt den Mantel lobesam.

Sofort kommt Pyramus, ein Jüngling weiß und rot,

Und find’t den Mantel da von seiner Thisbe tot;

Worauf er mit dem Deg’n, mit blutig bösem Degen

Die blutge heiße Brust sich tapferlich durchstach;

Und Thisbe, die indes im Maulbeerschatten glegen,

Zog seinen Dolch heraus und sich das Herz zerbrach.

Was noch zu sagen ist, das wird – glaubt mir fürwahr! –

Euch Mondschein, Wand und Löw und das verliebte Paar

Der Läng und Breite nach, solang sie hier verweilen,

Erzählen, wenn ihr wollt, in wohlgereimten Zeilen. (Prolog, Thisbe, Löwe und Mondschein ab.)

Theseus.

Mich nimmt wunder, ob der Löwe sprechen wird.

Demetrius.

Kein Wunder, gnädiger Herr: ein Löwe kann’s wohl, da so viele Esel es tun.

Wand.

In dem besagten Stück es sich zutragen tut,

Daß ich, Thoms Schnauz genannt, die Wand vorstelle gut.

Und eine solche Wand, wovon ihr solltet halten,

Sie sei durch einen Schlitz recht durch und durch gespalten,

Wodurch der Pyramus und seine Thisbe fein

Oft flüsterten fürwahr ganz leis und insgeheim.

Der Mörtel und der Lehm und dieser Stein tut zeigen,

Daß ich bin diese Wand, ich wills euch nicht verschweigen;

Und dies die Spalte ist, zur Linken und zur Rechten,

Wodurch die Buhler zwei sich täten wohl besprechen.

Theseus.

Kann man verlangen, daß Lehm und Haar besser reden sollten?

Demetrius.

Es ist die witzigste Abteilung, die ich jemals vortragen hörte.

Theseus.

Pyramus geht auf die Wand los! Stille!

Pyramus.

O Nacht, so schwarz von Farb, o grimmerfüllte Nacht!

O Nacht, die immer ist, sobald der Tag vorbei.

O Nacht! O Nacht! O Nacht! ach! ach! ach! Himmel! ach!

Ich fürcht, daß Thisbes Wort vergessen worden sei. –

Und du, o Wand, o süß‘ und liebenswerte Wand,

Die zwischen unsrer beiden Eltern Haus tut stehen;

Du Wand, o Wand, o süß‘ und liebenswerte Wand!

Zeig deine Spalte mir, daß ich dadurch mag sehen.

(Wand hält die Finger in die Höhe.)

Hab Dank, du gute Wand! der Himmel lohn es dir!

Jedoch, was seh ich dort? Thisbe, die seh ich nicht.

O böse Wand, durch die ich nicht seh meine Zier,

Verflucht sei’n deine Stein‘, daß du so äffest mich.

Theseus.

Mich dünkt, die Wand müßte wieder fluchen, da sie Empfindung hat.

Pyramus.

Nein, fürwahr, Herr, das muß er nicht. «Äffest mich» ist Thisbes Stichwort; sie muß hereinkommen, und ich muß sie dann durch die Wand ausspionieren. Ihr sollt sehen, es wird just zutreffen, wie ich’s Euch sage. Da kommt sie schon. Thisbe kommt.

Thisbe.

O Wand, du hast schon oft gehört das Seufzen mein,

Mein’n schönsten Pyramus weil du so trennst von mir;

Mein roter Mund hat oft geküsset deine Stein‘,

Dein‘ Stein‘, mit Lehm und Haar geküttet auf in dir.

Pyramus.

Ein‘ Stimm ich sehen tu; ich will zur Spalt und schauen,

Ob ich nicht hören kann meiner Thisbe Antlitz klar.

Thisbe!

Thisbe.

Dies ist mein Schatz, mein Liebchen ist’s, fürwahr!

Pyramus.

Denk was du willst, ich bin’s; du kannst mir sicher trauen,

Und gleich Limander bin ich treu in meiner Pflicht.

Thisbe.

Und ich gleich Helena, bis mich der Tod ersticht.

Pyramus.

So treu war Schefelus einst seiner Procrus nicht.

Thisbe.

Wie Procrus Schef’lus liebt‘, lieb ich dein Angesicht.

Pyramus.

O küß mich durch das Loch von dieser garstgen Wand!

Thisbe.

Mein Kuß trifft nur das Loch, nicht deiner Lippen Rand.

Pyramus.

Willst du bei Nickels Grab heut nacht mich treffen an?

Thisbe.

Sei’s lebend oder tot, ich komme, wenn ich kann.

Wand.

So hab ich Wand nunmehr mein Part gemachet gut,

Und nun sich also Wand hinwegbegeben tut. (Wand, Pyramus und Thisbe ab.)

Theseus.

Nun ist also die Wand zwischen den beiden Nachbarn nieder.

Demetrius.

Das ist nicht mehr als billig, gnädiger Herr, wenn Wände Ohren haben.

Hippolyta.

Dies ist das einfältigste Zeug, das ich jemals hörte.

Theseus.

Das Beste in dieser Art ist nur Schattenspiel, und das Schlechteste ist nichts Schlechteres, wenn die Einbildungskraft nachhilft.

Hippolyta.

Das muß denn Eure Einbildungskraft tun und nicht die ihrige.

Theseus.

Wenn wir uns nichts Schlechteres von ihnen einbilden als sie selbst, so mögen sie für vortreffliche Leute gelten. Hier kommen zwei edle Tiere herein, ein Mond und ein Löwe. Löwe und Mondschein treten auf.

Löwe.

Ihr, Fräulein, deren Herz fürchtet die kleinste Maus,

Die in monströser Gestalt tut auf dem Boden schweben,

Mögt itzo zweifelsohn erzittern und erbeben,

Wenn Löwe, rauh von Wut, läßt sein Gebrüll heraus.

So wisset denn, daß ich Hans Schnock der Schreiner bin,

Kein böser Löw fürwahr, noch eines Löwen Weib;

Denn käm ich als ein Löw und hätte Harm im Sinn,

So daurte, meiner Treu, mich mein gesunder Leib.

Theseus.

Eine sehr höfliche Bestie und sehr gewissenhaft.

Demetrius.

Das Beste von Bestien, gnädiger Herr, was ich je gesehn habe.

Lysander.

Dieser Löwe ist ein rechter Fuchs an Herzhaftigkeit.

Theseus.

Wahrhaftig, und eine Gans an Klugheit.

Demetrius.

Nicht so, gnädiger Herr, denn seine Herzhaftigkeit kann sich seiner Klugheit nicht bemeistern wie der Fuchs einer Gans.

Theseus.

Ich bin gewiß, seine Klugheit kann sich seiner Herzhaftigkeit nicht bemeistern; denn eine Gans bemeistert sich keines Fuchses. Wohl! überlaßt es seiner Klugheit und laßt uns auf den Mond horchen.

Mond.

Den wohlgehörnten Mond d’Latern z’erkennen gibt.

Demetrius.

Er sollte die Hörner auf dem Kopfe tragen.

Theseus.

Er ist ein Vollmond, seine Hörner stecken unsichtbar in der Scheibe.

Mond.

Den wohlgehörnten Mond d’Latern z’erkennen gibt;

Ich selbst den Mann im Mond, wofern es euch beliebt.

Theseus.

Das ist noch der größte Verstoß unter allen: der Mann sollte in die Laterne gesteckt werden; wie ist er sonst der Mann im Monde?

Demetrius.

Er darf es nicht wegen des Lichtes. Er würde es in Feuer und Flammen setzen.

Hippolyta.

Ich bin diesen Mond satt; ich wollte, er wechselte.

Theseus.

Das kleine Licht seiner Vernunft zeigt, daß er im Abnehmen ist. Aber doch aus Höflichkeit und der Ordnung wegen müssen wir die Zeit ausdauern.

Lysander.

Sprich weiter, Mond!

Mond.

Alles, was ich zu sagen habe, ist, euch zu melden, daß diese Laterne der Mond ist; ich der Mann im Monde; dieser Dornbusch mein Dornbusch; und dieser Hund mein Hund.

Demetrius.

Alle diese Dinge sollten also in der Laterne sein, denn sie sind im Monde. Doch still! hier kommt Thisbe. Thisbe tritt auf.

Thisbe.

Dies ist ja Nickels Grab; wo ist mein Liebchen denn?

Löwe.

Oh! (Der Löwe brüllt, Thisbe läuft davon.)

Demetrius.

Gut gebrüllt, Löwe!

Theseus.

Gut gelaufen, Thisbe!

Hippolyta.

Gut geschienen, Mond! – In der Tat, der Mond scheint mit vielem Anstande. (Der Löwe zerreißt den Mantel der Thisbe.)

Theseus.

Gut gezaust, Löwe!

Demetrius.

Und da kam Pyramus. Pyramus kommt.

Lysander.

Und da verschwand der Löwe. (Löwe ab.)

Pyramus.

Ich dank dir, süßer Mond, für deine Sonnenstrahlen,

Die also hell und schön den Erdenball bemalen;

Dieweil bei deinem Gold und funkelnd süßem Licht

Zu kosten ich verhoff mein’r Thisben Angesicht.

Doch halt, o Pein!

Was soll dies sein?

Was für ein Graus ist dies?

Aug, siehst du noch?

O schweres Joch!

Mein Herz, mein Liebchen süß,

Dein Mantel gut

Befleckt mit Blut!

Ihr Furien, kommt im Trab

Herbei und rächt

Und löscht und brecht

Den Lebensfaden ab.

Theseus.

Dieser Jammer und der Tod eines werten Freundes sollten einen Menschen schon zum Trauern bringen.

Hippolyta.

Bei meiner Seele, ich bedaure den Mann.

Pyramus.

Warum denn, o Natur, tatst du den Löwen bauen?

Weil solch ein schnöder Löw mein Lieb hat defloriert;

Sie, welche ist – nein, war – die schönste alter Frauen,

Die je des Tages Glanz mit ihrem Schein geziert.

Komm, Tränenschar!

Aus, Schwert! durchfahr

Die Brust dem Pyramo!

Die Linke hier,

Wo ’s Herz hüpft mir;

So sterb ich denn, so, so!

Nun tot ich bin,

Der Leib ist hin,

Die Seel speist Himmelsbrot.

O Zung, Tisch aus!

Mond, lauf nach Haus!

Nun tot, tot, tot, tot, tot! (Er stirbt. Mondschein ab.)

Hippolyta.

Wie kommt’s, daß der Mondschein weggegangen ist, ehe Thisbe zurückkommt und ihren Liebhaber findet?

Theseus.

Sie wird ihn beim Sternenlicht finden. – Hier kommt sie;

Thisbe kommt.

und ihr Jammer endigt das Spiel.

Hippolyta.

Mir deucht, sie sollte keinen langen Jammer für solch einen Pyramus nötig haben; ich hoffe, sie wird sich kurz fassen.

Demetrius.

Eine Motte wird in der Waage den Ausschlag geben, ob Pyramus oder Thisbe mehr taugt.

Lysander.

Sie hat ihn schon mit ihren süßen Augen ausgespäht.

Demetrius.

Und so jammert sie folgendergestalt. Thisbe. Schläfst du, mein Kind?

Steh auf geschwind!

Wie, Täubchen, bist du tot?

O sprich! o sprich!

O rege dich!

Ach! tot ist er! o Not!

Dein Lilienmund,

Dein Auge rund,

Wie Schnittlauch frisch und grün;

Dein‘ Kirschennas,

Dein‘ Wangen blaß,

Die wie ein Goldlack blühn,

Soll nun ein Stein

Bedecken fein?

O klopf mein Herz und brich!

Ihr Schwestern drei!

Kommt, kommt herbei

Und leget Hand an mich!

Zung, nicht ein Wort!

Nun, Dolch, mach fort,

Zerreiß des Busens Schnee.

Lebt wohl, ihr Herrn!

Ich scheide gern.

Ade, ade, ade! (Sie stirbt.)

Theseus.

Mondschein und Löwe sind übriggeblieben, um die Toten zu begraben.

Demetrius.

Ja, und Wand auch.

Zettel.

Nein, wahrhaftig nicht; die Wand ist niedergerissen, die ihre Väter trennte. Beliebt es euch, den Epilog zu sehen oder einen Bergomasker Tanz zwischen zweien von unsrer Gesellschaft zu hören?

Theseus.

Keinen Epilog, ich bitte euch; euer Stück bedarf keiner Entschuldigung. Entschuldigt nur nicht: wenn alle Schauspieler tot sind, braucht man keinen zu tadeln. Meiner Treu, hätte der, der es geschrieben hat, den Pyramus gespielt und sich in Thisbes Strumpfband aufgehängt, so wär es eine schöne Tragödie gewesen; und das ist es auch, wahrhaftig, und recht wacker agiert. Aber kommt, euren Bergomasker Tanz! Den Epilog laßt laufen. (Ein Tanz von Rüpeln.)

Theseus.

Die Mitternacht rief zwölf mit ehrner Zunge.

Zu Bett, Verliebte! Bald ist’s Geisterzeit.

Wir werden, fürcht ich, in den Morgen schlafen,

Soweit wir in die Nacht hinein gewacht.

Dies greiflich dumme Spiel hat doch den trägen Gang

Der Nacht getäuscht. Zu Bett, geliebten Freunde!

Noch vierzehn Tage lang soll diese Festlichkeit

Sich jede Nacht erneun mit Spiel und Lustbarkeit. (Alle ab.)

Droll (tritt auf.)

Jetzt beheult der Wolf den Mond,

Durstig brüllt im Forst der Tiger;

Jetzt, mit schwerem Dienst verschont,

Schnarcht der arbeitsmüde Pflüger;

Jetzo schmaucht der Brand am Herd,

Und das Käuzlein kreischt und jammert,

Daß der Krank‘ es ahnend hört

Und sich fest ans Kissen klammert;

Jetzo gähnt Gewölb und Grab,

Und, entschlüpft den kalten Mauern,

Sieht man Geister auf und ab,

Sieht am Kirchhofszaun sie lauern.

Und wir Elfen, die mit Tanz

Hekates Gespann umhüpfen

Und, gescheucht vom Sonnenglanz,

Träumen gleich ins Dunkel schlüpfen,

Schwärmen jetzo; keine Maus

Störe dies geweihte Haus!

Voran komm ich mit Besenreis,

Den Flur zu fegen blank und weiß. Oberon und Titania mit ihrem Gefolge treten auf.

Oberon.

Bei des Feuers mattem Flimmern,

Geister, Elfen, stellt euch ein!

Tanzet in den bunten Zimmern

Manchen leichten Ringelreihn!

Singt nach meiner Lieder Weise!

Singet! hüpfet! leise! leise!

Titania.

Wirbelt mir mit zarter Kunst

Eine Not‘ auf jedes Wort;

Hand in Hand, mit Feengunst,

Singt und segnet diesen Ort. (Gesang und Tanz.)

Oberon.

Nun, bis Tages Wiederkehr,

Elfen, schwärmt im Haus umher!

Kommt zum besten Brautbett hin,

Daß es Heil durch uns gewinn!

Das Geschlecht, entsprossen dort,

Sei gesegnet immerfort;

Jedes dieser Paare sei

Ewiglich im Lieben treu;

Ihr Geschlecht soll nimmer schänden

Die Natur mit Feindeshänden;

Und mit Zeichen schlimmer Art,

Muttermal und Hasenschart,

Werde durch des Himmels Zorn

Ihnen nie ein Kind geborn. –

Elfen, sprengt durchs ganze Haus

Tropfen heilgen Wiesentaus!

Jedes Zimmer, jeden Saal

Weiht und segnet allzumal!

Friede sei in diesem Schloß

Und sein Herr ein Glücksgenoß!

Nun genung!

Fort im Sprung!

Trefft mich in der Dämmerung! (Oberon, Titania und Gefolge ab.)

Droll.

Wenn wir Schatten euch beleidigt,

O so glaubt – und wohl verteidigt

Sind wir dann -: ihr alle schier

Habet nur geschlummert hier

Und geschaut in Nachtgesichten

Eures eignen Hirnes Dichten.

Wollt ihr diesen Kindertand,

Der wie leere Träume schwand,

Liebe Herrn, nicht gar verschmähn,

Sollt ihr bald was Beßres sehn.

Wenn wir bösem Schlangenzischen

Unverdienterweis entwischen,

So verheißt auf Ehre Droll

Bald euch unsres Dankes Zoll;

Ist ein Schelm zu heißen willig,

Wenn dies nicht geschieht, wie billig.

Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden,

Begrüßt uns mit gewognen Händen! (Ab.)

Shakespeare – Der Kaufmann von Venedig

Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig

Erster Aufzug

Erste Szene

Venedig. Eine Straße

Antonio, Salarino und Solanio treten auf

Antonio.

Fürwahr, ich weiß nicht, was mich traurig macht;

Ich bin es satt; ihr sagt, das seid ihr auch.

Doch wie ich dran kam, wie mir’s angeweht,

Von was für Stoff es ist, woraus erzeugt,

Das soll ich erst erfahren.

Und solchen Dummkopf macht aus mir die Schwermut,

Ich kenne mit genauer Not mich selbst.

Salarino.

Eur Sinn treibt auf dem Ozean umher,

Wo Eure Galeonen, stolz besegelt,

Wie Herrn und reiche Bürger auf der Flut,

Als wären sie das Schaugepräng der See,

Hinwegsehn über kleines Handelsvolk,

Das sie begrüßet, sich vor ihnen neigt,

Wie sie vorbeiziehn mit gewebten Schwingen.

Solanio.

Herr, glaubt mir, hätt ich soviel auf dem Spiel,

Das beste Teil von meinem Herzen wäre

Bei meiner Hoffnung auswärts. Immer würd ich

Gras pflücken, um den Zug des Winds zu sehn;

Nach Häfen, Reed‘ und Damm in Karten gucken,

Und alles, was mich Unglück fürchten ließ

Für meine Ladungen, würd ohne Zweifel

Mich traurig machen.

Salarino.

Mein Hauch, der meine Suppe kühlte, würde

Mir Fieberschauer anwehn, dächt ich dran,

Wieviel zur See ein starker Wind kann schaden.

Ich könnte nicht die Sanduhr rinnen sehn,

So dächt ich gleich an Seichten und an Bänke,

Säh meinen «reichen Hans» im Sande fest,

Das Haupt bis unter seine Rippen neigend,

Sein Grab zu küssen. Ging ich in die Kirche

Und säh das heilige Gebäu‘ von Stein,

Sollt ich nicht gleich an schlimme Felsen denken,

Die an das zarte Schiff nur rühren dürfen,

So streut es auf den Strom all sein Gewürz

Und hüllt die wilde Flut in meine Seiden.

Und kurz, jetzt eben dies Vermögen noch,

Nun gar keins mehr? Soll ich, daran zu denken,

Gedanken haben und mir doch nicht denken,

Daß solch ein Fall mich traurig machen würde?

Doch sagt mir nichts; ich weiß, Antonio

Ist traurig, weil er seines Handels denkt.

Antonio.

Glaubt mir, das nicht; ich dank es meinem Glück:

Mein Vorschuß ist nicht einem Schiff vertraut,

Noch einem Ort; noch hängt mein ganz Vermögen

Am Glücke dieses gegenwärtgen Jahrs;

Deswegen macht mein Handel mich nicht traurig.

Solanio.

So seid Ihr denn verliebt?

Antonio.

Pfui, pfui!

Solanio.

Auch nicht verliebt? Gut denn, so seid Ihr traurig,

Weil Ihr nicht lustig seid; Ihr könntet eben

Auch lachen, springen, sagen: Ihr seid lustig,

Weil Ihr nicht traurig seid. Nun, beim zweiköpfgen Janus!

Natur bringt wunderliche Käuz ans Licht:

Der drückt die Augen immer ein und lacht

Wie ’n Starmatz über einen Dudelsack;

Ein andrer von so saurem Angesicht,

Daß er die Zähne nicht zum Lachen wiese,

Schwür Nestor auch, der Spaß sei lachenswert.

Bassanio, Lorenzo und Graziano kommen.

Hier kommt Bassanio, Euer edler Vetter,

Graziano und Lorenzo; lebt nun wohl,

Wir lassen Euch in besserer Gesellschaft.

Salarino.

Ich wär geblieben, bis ich Euch erheitert;

Nun kommen wertre Freunde mir zuvor.

Antonio.

Sehr hoch steht Euer Wert in meiner Achtung;

Ich nehm es so, daß Euch Geschäfte rufen

Und Ihr den Anlaß wahrnehmt, wegzugehn.

Salarino.

Guten Morgen, liebe Herren!

Bassanio.

Ihr lieben Herrn, wann lachen wir einmal?

Ihr macht euch gar zu selten: muß das sein?

Salarino.

Wir stehen Euch zu Diensten, wann’s beliebt. (Salarino und Solanio ab.)

Lorenzo.

Da Ihr Antonio gefunden habt,

Bassanio, wollen wir Euch nun verlassen.

Doch bitt ich, denkt zur Mittagszeit daran,

Wo wir uns treffen sollen.

Bassanio.

Rechnet drauf.

Graziano.

Ihr seht nicht wohl, Signor Antonio;

Ihr macht Euch mit der Welt zuviel zu schaffen:

Der kommt darum, der mühsam sie erkauft.

Glaubt mir, Ihr habt Euch wunderbar verändert.

Antonio.

Mir gilt die Welt nur wie die Welt, Graziano;

Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt,

Und mein‘ ist traurig.

Graziano.

Laßt den Narrn mich spielen,

Mit Lust und Lachen laßt die Runzeln kommen

Und laßt die Brust von Wein mir lieber glühn,

Als härmendes Gestöhn das Herz mir kühlen.

Weswegen sollt ein Mann mit warmem Blut

Dasitzen wie sein Großpapa, gehaun

In Alabaster? Schlafen, wenn er wacht?

Und eine Gelbsucht an den Leib sich ärgern?

Antonio, ich will dir etwas sagen;

Ich liebe dich, und Liebe spricht aus mir:

Es gibt so Leute, deren Angesicht

Sich überzieht gleich einem stehnden Sumpf,

Und die ein eigensinnig Schweigen halten,

Aus Absicht, sich in einen Schein zu kleiden

Von Weisheit, Würdigkeit und tiefem Sinn;

Als wenn man spräche: Ich bin Herr Orakel;

Tu ich den Mund auf, rühr sich keine Maus.

O mein Antonio, ich kenne deren,

Die man deswegen bloß für Weise hält,

Weil sie nichts sagen; sprächen sie, sie brächten

Die Ohren, die sie hörten, in Verdammnis,

Weil sie die Brüder Narren schelten würden.

Ein andermal sag ich dir mehr hievon;

Doch fische nicht mit so trübselgem Köder

Nach diesem Narren-Gründling, diesem Schein.

Komm, Freund Lorenzo! – Lebt so lange wohl,

Ich schließe meine Predigt nach der Mahlzeit.

Lorenzo.

Gut, wir verlassen Euch bis Mittagszeit.

Ich muß von diesen stummen Weisen sein,

Denn Graziano läßt mich nie zum Wort.

Graziano.

Gut, leiste mir zwei Jahre noch Gesellschaft,

So kennst du deiner Zunge Laut nicht mehr.

Antonio.

Lebt wohl! Ich werd ein Schwätzer Euch zulieb.

Graziano.

Dank, fürwahr! denn Schweigen ist bloß zu empfehlen

An geräucherten Zungen und jungfräulichen Seelen. (Graziano und Lorenzo ab.)

Antonio.

Ist das nun irgend was?

Bassanio.

Graziano spricht unendlich viel nichts, mehr als irgendein Mensch in ganz Venedig. Seine vernünftigen Gedanken sind wie zwei Weizenkörner in zwei Scheffel Spreu versteckt; Ihr sucht den ganzen Tag, bis Ihr sie findet, und wenn Ihr sie habt, so verlohnen sie das Suchen nicht.

Antonio.

Gut, sagt mir jetzt, was für ein Fräulein ist’s,

Zu der geheime Wallfahrt Ihr gelobt,

Wovon Ihr heut zu sagen mir verspracht?

Bassanio.

Euch ist nicht unbekannt, Antonio,

Wie sehr ich meinen Glücksstand hab erschöpft,

Indem ich glänzender mich eingerichtet,

Als meine schwachen Mittel tragen konnten.

Auch jammr‘ ich jetzt nicht, daß die große Art

Mir untersagt ist; meine Sorg ist bloß,

Mit Ehren von den Schulden loszukommen,

Worin mein Leben, etwas zu verschwendrisch,

Mich hat verstrickt. Bei Euch, Antonio,

Steht meine größte Schuld, an Geld und Liebe,

Und Eure Liebe leistet mir Gewähr,

Daß ich Euch meine Plän eröffnen darf,

Wie ich mich löse von der ganzen Schuld.

Antonio.

Ich bitt Euch, mein Bassanio, laßt mich’s wissen;

Und steht es, wie Ihr selber immer tut,

Im Angesicht der Ehre, seid gewiß:

Ich selbst, mein Beutel, was ich nur vermag,

Liegt alles offen da zu Euerm Dienst.

Bassanio.

In meiner Schulzeit, wenn ich einen Bolzen

Verloren hatte, schoß ich seinen Bruder

Von gleichem Schlag den gleichen Weg; ich gab

Nur besser acht, um jenen auszufinden,

Und, beide wagend, fand ich beide oft.

Ich führ Euch dieses Kinderbeispiel an,

Weil das, was folgt, die lautre Unschuld ist.

Ihr lieht mir viel, und wie ein wilder Junge

Verlor ich, was Ihr lieht; allein, beliebt’s Euch,

Noch einen Pfeil desselben Wegs zu schießen,

Wohin der erste flog, so zweifl ich nicht,

Ich will so lauschen, daß ich beide finde.

Wo nicht, bring ich den letzten Satz zurück

Und bleib Eur Schuldner, dankbar für den ersten.

Antonio.

Ihr kennt mich und verschwendet nur die Zeit,

Da Ihr Umschweife macht mit meiner Liebe.

Unstreitig tut Ihr jetzt mir mehr zu nah,

Da Ihr mein Äußerstes in Zweifel zieht,

Als hättet Ihr mir alles durchgebracht.

So sagt mir also nur, was ich soll tun,

Wovon Ihr wißt, es kann durch mich geschehn,

Und ich bin gleich bereit: deswegen sprecht!

Bassanio.

In Belmont ist ein Fräulein, reich an Erbe,

Und sie ist schön und, schöner als dies Wort,

Von hohen Tugenden; von ihren Augen

Empfing ich holde, stumme Botschaft einst.

Ihr Nam‘ ist Porzia; minder nicht an Wert

Als Catos Tochter, Brutus‘ Porzia.

Auch ist die weite Welt des nicht unkundig,

Denn die vier Winde wehn von allen Küsten

Berühmte Freier her; ihr sonnig Haar

Wallt um die Schläf ihr wie ein goldnes Vlies;

Zu Kolchos‘ Strande macht es Belmonts Sitz,

Und mancher Iason kommt, bemüht um sie.

O mein Antonio! hätt ich nur die Mittel,

Den Rang mit ihrer einem zu behaupten,

So weissagt mein Gemüt so günstig mir,

Ich werde sonder Zweifel glücklich sein.

Antonio.

Du weißt, mein sämtlich Gut ist auf der See;

Mir fehlt’s an Geld und Anstalt, eine Summe

Gleich bar zu heben; also geh, sieh zu,

Was in Venedig mein Kredit vermag:

Den spann ich an bis auf das äußerste,

Nach Belmont dich für Porzia auszustatten.

Geh, frage gleich herum, ich will es auch,

Wo Geld zu haben; ich bin nicht besorgt,

Daß man uns nicht auf meine Bürgschaft borgt. (Beide ab.)

Zweite Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Porzia und Nerissa kommen

Porzia.

Auf mein Wort, Nerissa, meine kleine Person ist dieser großen Welt überdrüssig.

Nerissa.

Ihr würdet es sein, bestes Fräulein, wenn Euer Ungemach in ebenso reichem Maße wäre, als Euer gutes Glück ist. Und doch, nach allem, was ich sehe, sind die ebenso krank, die sich mit allzuviel überladen, als die bei nichts darben. Es ist also kein mittelmäßiges Los, im Mittelstande zu sein. Überfluß kommt eher zu grauen Haaren, aber Auskommen lebt länger.

Porzia.

Gute Sprüche, und gut vorgetragen.

Nerissa.

Gut befolgt wären sie besser.

Porzia.

Wäre tun so leicht als wissen, was gut zu tun ist, so wären Kapellen Kirchen geworden und armer Leute Hütten Fürstenpaläste. Der ist ein guter Prediger, der seine eignen Ermahnungen befolgt; – ich kann leichter zwanzig lehren, was gut zu tun ist, als einer von den zwanzigen sein und meine eignen Lehren befolgen. Das Gehirn kann Gesetze für das Blut aussinnen; aber eine hitzige Natur springt über eine kalte Vorschrift hinaus. Solch ein Hase ist Tollheit, der junge Mensch, daß er weghüpft über das Netz des Krüppels guter Rat. Aber dies Vernünfteln hilft mir nicht dazu, einen Gemahl zu wählen. – O über das Wort wählen! Ich kann weder wählen, wen ich will, noch ausschlagen, wen ich nicht mag: so wird der Wille einer lebenden Tochter durch den letzten Willen eines toten Vaters gefesselt. Ist es nicht hart, Nerissa, daß ich nicht einen wählen und auch keinen ausschlagen darf?

Nerissa.

Euer Vater war allzeit tugendhaft, und fromme Männer haben im Tode gute Eingebungen: also wird die Lotterie, die er mit diesen drei Kästchen von Gold, Silber und Blei ausgesonnen hat, daß der, welcher seine Mitgift trifft, Euch erhält, ohne Zweifel von niemand recht getroffen werden als von einem, der Euch recht liebt. Aber welchen Grad von Zuneigung fühlt Ihr gegen irgendeinen der fürstlichen Freier, die schon gekommen sind?

Porzia.

Ich bitte dich, nenne sie her; wie du sie nennst, will ich sie beschreiben, und von meiner Beschreibung schließe auf meine Zuneigung.

Nerissa.

Zuerst ist da der neapolitanische Prinz.

Porzia.

Das ist ein wildes Füllen, in der Tat. Er spricht von nichts als seinem Pferde und bildet sich nicht wenig auf seine Talente ein, daß er es selbst beschlagen kann. Ich fürchte sehr, seine gnädige Frau Mutter hat es mit einem Schmied gehalten.

Nerissa.

Ferner ist da der Pfalzgraf.

Porzia.

Er tut nichts wie stirnrunzeln, als wollt er sagen: «Wenn Ihr mich nicht haben wollt, so laßts!» Er hört lustige Geschichten an und lächelt nicht. Ich fürchte, es wird der weinende Philosoph aus ihm, wenn er alt wird, da er in seiner Jugend so unhöflich finster sieht. Ich möchte lieber an einen Totenkopf mit dem Knochen im Munde verheiratet sein als an einen von diesen. Gott beschütze mich vor beiden!

Nerissa.

Was sagt Ihr denn zu dem französischen Herrn, Monsieur le Bon?

Porzia.

Gott schuf ihn, also laßt ihn für einen Menschen gelten. Im Ernst, ich weiß, daß es sündlich ist, ein Spötter zu sein; aber er! Ja doch, er hat ein besseres Pferd als der Neapolitaner; eine bessere schlechte Gewohnheit, die Stirn zu runzeln, als der Pfalzgraf; er ist jedermann und niemand. Wenn eine Drossel singt, so macht er gleich Luftsprünge; er ficht mit seinem eigenen Schatten. Wenn ich ihn nähme, so nähme ich zwanzig Männer; wenn er mich verachtete, so vergäbe ich es ihm: denn er möchte mich bis zur Tollheit lieben, ich werde es niemals erwidern.

Nerissa.

Was sagt Ihr denn zu Faulconbridge, dem jungen Baron aus England?

Porzia.

Ihr wißt, ich sage nichts zu ihm, denn er versteht mich nicht, noch ich ihn. Er kann weder Lateinisch, Französisch, noch Italienisch; und Ihr dürft wohl einen körperlichen Eid ablegen, daß ich nicht für einen Heller Englisch verstehe. Er ist eines feinen Mannes Bild – aber ach! wer kann sich mit einer stummen Figur unterhalten? Wie seltsam er gekleidet ist! Ich glaube, er kaufte sein Wams in Italien, seine weiten Beinkleider in Frankreich, seine Mütze in Deutschland und sein Betragen allenthalben.

Nerissa.

Was haltet Ihr von dem schottischen Herrn, seinem Nachbar?

Porzia.

Daß er eine christliche Nachbarnliebe an sich hat, denn er borgte eine Ohrfeige von dem Engländer und schwor, sie wiederzubezahlen, wenn er imstande wäre; ich glaube, der Franzose ward sein Bürge und unterzeichnete für den andern.

Nerissa.

Wie gefällt Euch der junge Deutsche, des Herzogs von Sachsen Neffe?

Porzia.

Sehr abscheulich des Morgens, wenn er nüchtern ist, und höchst abscheulich des Nachmittags, wenn er betrunken ist. Wenn er am besten ist, so ist er wenig schlechter als ein Mensch, und wenn er am schlechtesten ist, wenig besser als ein Vieh. Komme das Schlimmste, was da will, ich hoffe, es soll mir doch glücken, ihn loszuwerden.

Nerissa.

Wenn er sich erböte zu wählen und wählte das rechte Kästchen, so schlügt Ihr ab, Eures Vaters Willen zu tun, wenn Ihr abschlügt, ihn zu nehmen.

Porzia.

Aus Furcht vor dem Schlimmsten bitte ich dich also, setze einen Römer voll Rheinwein auf das falsche Kästchen; denn wenn der Teufel darin steckt, und diese Versuchung ist von außen daran, so weiß ich, er wird es wählen. Alles lieber, Nerissa, als einen Schwamm heiraten.

Nerissa.

Ihr braucht nicht zu fürchten, Fräulein, daß Ihr einen von diesen Herren bekommt; sie haben mir ihren Entschluß eröffnet, welcher in nichts anderm besteht, als sich nach Hause zu begeben und Euch nicht mehr mit Bewerbungen lästig zu fallen, Ihr müßtet denn auf eine andre Weise zu gewinnen sein als nach Eures Vaters Vorschrift in Ansehung der Kästchen.

Porzia.

Sollte ich so alt werden wie Sibylla, will ich doch so keusch sterben wie Diana, wenn ich nicht dem letzten Willen meines Vaters gemäß erworben werde. Ich bin froh, daß diese Partei Freier so vernünftig ist; denn es ist nicht einer darunter, nach dessen Abwesenheit mich nicht sehnlichst verlangt, und ich bitte Gott, ihnen eine glückliche Reise zu verleihn.

Nerissa.

Erinnert Ihr Euch nicht, Fräulein, von Eures Vaters Lebzeiten eines Venezianers, eines Studierten und Kavaliers, der in Gesellschaft des Marquis von Montferrat hierher kam?

Porzia.

Ja ja, es war Bassanio: so, denke ich, nannte er sich.

Nerissa.

Ganz recht, Fräulein. Von allen Männern, die meine törichten Augen jemals erblickt haben, war er einer schönen Frau am meisten wert.

Porzia.

Ich erinnre mich seiner wohl und erinnre mich, daß er dein Lob verdient. (Ein Diener kommt.) Nun, was gibt es Neues?

Bedienter.

Die vier Fremden suchen Euch, Fräulein, um Abschied zu nehmen; und es ist ein Vorläufer von einem fünften da, vom Prinzen von Marokko, der Nachricht bringt, daß sein Herr, der Prinz, zu Nacht hier sein wird.

Porzia.

Könnte ich den fünften mit so gutem Herzen willkommen heißen, als ich den vier andern Lebewohl sage, so wollte ich mich seiner Ankunft freuen. Hat er das Gemüt eines Heiligen und das Geblüt eines Teufels, so wollte ich lieber, er weihte mich, als er freite mich. Komm, Nerissa. – Geht voran, Bursch. – Derweil wir die Pforte hinter einem Freier verschließen, klopft ein andrer an die Tür. (Alle ab.)

Dritte Szene

Venedig. Ein öffentlicher Platz

Bassanio und Shylock treten auf

Shylock.

Dreitausend Dukaten – gut.

Bassanio.

Ja, Herr, auf drei Monate.

Shylock.

Auf drei Monate – gut.

Bassanio.

Wofür, wie ich Euch sagte, Antonio Bürge sein soll.

Shylock.

Antonio Bürge sein soll – gut.

Bassanio.

Könnt Ihr mir helfen? Wollt Ihr mir gefällig sein? Soll ich Eure Antwort wissen?

Shylock.

Dreitausend Dukaten, auf drei Monate, und Antonio Bürge.

Bassanio.

Eure Antwort darauf?

Shylock.

Antonio ist ein guter Mann.

Bassanio.

Habt Ihr irgendeine Beschuldigung des Gegenteils wider ihn gehört?

Shylock.

Ei nein, nein, nein! – Wenn ich sage, er ist ein guter Mann, so meine ich damit, versteht mich, daß er vermögend ist. Aber seine Mittel stehen auf Hoffnung; er hat eine Galeone, die auf Tripolis geht, eine andre nach Indien. Ich höre ferner auf dem Rialto, daß er eine dritte zu Mexiko hat, eine vierte nach England – und so hat er noch andre Auslagen in der Fremde verstreut. Aber Schiffe sind nur Bretter, Matrosen sind nur Menschen; es gibt Landratten und Wasserratten, Wasserdiebe und Landdiebe – ich will sagen, Korsaren, und dann haben wir die Gefahr von Wind, Wellen und Klippen. – Der Mann ist bei alledem vermögend – dreitausend Dukaten – ich denke, ich kann seine Bürgschaft annehmen.

Bassanio.

Seid versichert, Ihr könnt es.

Shylock.

Ich will versichert sein, daß ich es kann; und damit ich versichert sein kann, will ich mich bedenken. Kann ich Antonio sprechen?

Bassanio.

Wenn es Euch beliebt, mit uns zu speisen.

Shylock.

Ja, um Schinken zu riechen, von der Behausung zu essen, wo euer Prophet, der Nazarener, den Teufel hineinbeschwor. Ich will mit euch handeln und wandeln, mit euch stehen und gehen, und was dergleichen mehr ist; aber ich will nicht mit euch essen, mit euch trinken, noch mit euch beten. Was gibt es Neues auf dem Rialto? – Wer kommt da? Antonio kommt.

Bassanio.

Das ist Signor Antonio.

Shylock (für sich).

Wie sieht er einem falschen Zöllner gleich!

Ich hass‘ ihn, weil er von den Christen ist,

Doch mehr noch, weil er aus gemeiner Einfalt

Umsonst Geld ausleiht und hier in Venedig

Den Preis der Zinsen uns herunterbringt.

Wenn ich ihm mal die Hüfte rühren kann,

So tu ich meinem alten Grolle gütlich.

Er haßt mein heilig Volk und schilt selbst da,

Wo alle Kaufmannschaft zusammenkommt

Mich, mein Geschäft und rechtlichen Gewinn,

Den er nur Wucher nennt. Verflucht mein Stamm,

Wenn ich ihm je vergebe!

Bassanio.

Shylock, hört Ihr?

Shylock.

Ich überlege meinen baren Vorrat;

Doch, wie ich’s ungefähr im Kopfe habe,

Kann ich die volle Summe von dreitausend

Dukaten nicht gleich schaffen. – Nun, was tut’s?

Tubal, ein wohlbegüterter Hebräer,

Hilft mir schon aus. – Doch still! auf wieviel Monat

Begehrt Ihr? – (Zu Antonio.) Geh’s Euch wohl, mein werter Herr!

Von Euer Edlen war die Rede eben.

Antonio.

Shylock, wiewohl ich weder leih noch borge,

Um Überschuß zu geben oder nehmen,

Doch will ich, weil mein Freund es dringend braucht,

Die Sitte brechen. – Ist er unterrichtet,

Wieviel Ihr wünscht?

Shylock.

Ja, ja, dreitausend Dukaten.

Antonio.

Und auf drei Monat.

Shylock.

Ja, das vergaß ich – auf drei Monat also.

Nun gut denn, Eure Bürgschaft! laßt mich sehn –

Doch hört mich an; Ihr sagtet, wie mich dünkt,

Daß Ihr auf Vorteil weder leiht noch borgt.

Antonio.

Ich pfleg es nie.

Shylock.

Als Jakob Labans Schafe hütete –

Er war nach unserm heilgen Abraham,

Weil seine Mutter weislich für ihn schaffte,

Der dritte Erbe – ja, ganz recht, der dritte –

Antonio.

Was tut das hier zur Sache? Nahm er Zinsen?

Shylock.

Nein, keine Zinsen; was man Zinsen nennt,

Das grade nicht; gebt acht, was Jakob tat:

Als er mit Laban sich verglichen hatte,

Was von den Lämmern bunt und sprenklicht fiele,

Das sollte Jakobs Lohn sein, kehrten sich

Im Herbst die brünstgen Mütter zu den Widdern;

Und wenn nun zwischen dieser wollgen Zucht

Das Werk der Zeugung vor sich ging, so schälte

Der kluge Schäfer Euch gewisse Stäbe,

Und weil sie das Geschäft der Paarung trieben,

Steckt‘ er sie vor den geilen Müttern auf,

Die so empfingen; und zur Lämmerzeit

Fiel alles buntgesprengt und wurde Jakobs.

So kam er zum Gewinn und ward gesegnet:

Gewinn ist Segen, wenn man ihn nicht stiehlt.

Antonio.

Dies war ein Glücksfall, worauf Jakob diente;

In seiner Macht stand’s nicht, es zu bewirken;

Des Himmels Hand regiert‘ und lenkt‘ es so.

Steht dies, um Zinsen gutzuheißen, da?

Und ist Eur Gold und Silber Schaf und Widder?

Shylock.

Weiß nicht; ich laß es eben schnell sich mehren.

Doch hört mich an, Signor.

Antonio.

Siehst du, Bassanio,

Der Teufel kann sich auf die Schrift berufen.

Ein arg Gemüt, das heilges Zeugnis vorbringt,

Ist wie ein Schalk mit Lächeln auf der Wange,

Ein schöner Apfel, in dem Herzen faul.

O wie der Falschheit Außenseite glänzt!

Shylock.

Dreitausend Dukaten – ’s ist ’ne runde Summe.

Drei Mond auf zwölf – laßt sehen, was das bringt. –

Antonio.

Nun, Shylock, soll man Euch verpflichtet sein?

Shylock.

Signor Antonio, viel und oftermals

Habt Ihr auf dem Rialto mich geschmäht

Um meine Gelder und um meine Zinsen;

Stets trug ich’s mit geduldgem Achselzucken,

Denn Dulden ist das Erbteil unsers Stamms.

Ihr scheltet mich abtrünnig, einen Bluthund,

Und speit auf meinen jüdischen Rockelor,

Bloß weil ich nutze, was mein eigen ist.

Gut denn, nun zeigt es sich, daß Ihr mich braucht.

Da habt Ihr’s; Ihr kommt zu mir, und Ihr sprecht:

«Shylock, wir wünschten Gelder.» So sprecht Ihr,

Der mir den Auswurf auf den Bart geleert

Und mich getreten, wie Ihr von der Schwelle

Den fremden Hund stoßt; Geld ist Eur Begehren,

Wie sollt ich sprechen nun? Sollt ich nicht sprechen:

«Hat ein Hund Geld? Ist’s möglich, daß ein Spitz

Dreitausend Dukaten leihn kann?» oder soll ich

Mich bücken und in eines Schuldners Ton,

Demütig wispernd, mit verhaltnem Odem,

So sprechen: «Schöner Herr, am letzten Mittwoch

Spiet Ihr mich an; Ihr tratet mich den Tag;

Ein andermal hießt Ihr mich einen Hund;

Für diese Höflichkeiten will ich Euch

Die und die Gelder leihn.»

Antonio.

Ich könnte leichtlich wieder so dich nennen,

Dich wieder anspein, ja mit Füßen treten.

Willst du dies Geld uns leihen, leih es nicht

Als deinen Freunden (denn wann nahm die Freundschaft

Vom Freund Ertrag für unfruchtbar Metall?);

Nein, leih es lieber deinem Feind; du kannst,

Wenn er versäumt, mit beßrer Stirn eintreiben,

Was dir verfallen ist.

Shylock.

Nun seht mir, wie Ihr stürmt!

Ich wollt Euch Liebes tun, Freund mit Euch sein,

Die Schmach vergessen, die Ihr mir getan,

Das Nötge schaffen und keinen Heller Zins

Für meine Gelder nehmen; und Ihr hört nicht:

Mein Antrag ist doch liebreich.

Antonio.

Ja, das wär er.

Shylock.

Und diese Liebe will ich Euch erweisen.

Geht mit mir zum Notarius, da zeichnet

Mir Eure Schuldverschreibung; und zum Spaß,

Wenn Ihr mir nicht auf den bestimmten Tag

An dem bestimmten Ort die und die Summe,

Wie der Vertrag nun lautet, wiederzahlt:

Laßt uns ein volles Pfund von Eurem Fleisch

Zur Buße setzen, das ich schneiden dürfe

Aus welchem Teil von Eurem Leib ich will.

Antonio.

Es sei, aufs Wort! Ich will den Schein so zeichnen

Und sagen, daß ein Jude liebreich ist.

Bassanio.

Ihr sollt für mich dergleichen Schein nicht zeichnen:

Ich bleibe dafür lieber in der Not.

Antonio.

Ei, fürchte nichts! Ich werde nicht verfallen;

Schon in zwei Monden, einen Monat früher

Als die Verschreibung fällig, kommt gewiß

Zehnfältig der Betrag davon mir ein.

Shylock.

O Vater Abraham! über diese Christen,

Die eigne Härte anderer Gedanken

Argwöhnen lehrt! Ich bitt Euch, sagt mir doch

Versäumt er seinen Tag, was hätt ich dran,

Die mir verfallne Buße einzutreiben?

Ein Pfund von Menschenfleisch, von einem Menschen

Genommen, ist so schätzbar, auch so nutzbar nicht

Als Fleisch von Schöpsen, Ochsen, Ziegen. Seht,

Ihm zu Gefallen biet ich diesen Dienst:

Wenn er ihn annimmt, gut; wo nicht, lebt wohl!

Und, bitt Euch, kränkt mich nicht für meine Liebe.

Antonio.

Ja, Shylock, ich will diesen Schein dir zeichnen.

Shylock.

So trefft mich gleich im Hause des Notars,

Gebt zu dem lustgen Schein ihm Anweisung;

Ich gehe, die Dukaten einzusacken,

Nach meinem Haus zu sehn, das in der Hut

Von einem lockern Buben hinterblieb,

Und will im Augenblicke bei Euch sein.

Antonio.

So eil dich, wackrer Jude. – (Shylock ab.) Der Hebräer

Wird noch ein Christ; er wendet sich zur Güte.

Bassanio.

Ich mag nicht Freundlichkeit bei tückischem Gemüte.

Antonio.

Kommt nur! Hiebei kann kein Bedenken sein,

Längst vor der Zeit sind meine Schiff herein. (Ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause Trompetenstoß. Der Prinz von Marokko und sein Zug; Porzia, Nerissa und andre von ihrem Gefolge treten auf

Marokko.

Verschmähet mich ob meiner Farbe nicht,

Die schattige Livrei der lichten Sonne,

Die mich als nahen Nachbar hat gepflegt.

Bringt mir den schönsten Mann, erzeugt im Norden,

Wo Phöbus‘ Glut kaum schmelzt des Eises Zacken,

Und ritzen wir uns Euch zulieb die Haut,

Wes Blut am rötsten ist, meins oder seins.

Ich sag Euch, Fräulein, dieses mein Gesicht

Hat Tapfre schon geschreckt; bei meiner Liebe schwör ich,

Die edlen Jungfraun meines Landes haben

Es auch geliebt; ich wollte diese Farbe

Nicht anders tauschen, als um Euren Sinn

Zu stehlen, meine holde Königin.

Porzia.

Bei meiner Wahl lenkt mich ja nicht allein

Die zarte Fordrung eines Mädchenauges;

Auch schließt das Los, woran mein Schicksal hängt,

Mich von dem Recht des freien Wählens aus.

Doch, hätte mich mein Vater nicht beengt,

Mir auferlegt durch seinen Willen, dem

Zur Gattin mich zu geben, welcher mich

Auf solche Art gewinnt, wie ich Euch sagte:

Ihr hättet gleichen Anspruch, großer Prinz,

Mit jedem Freier, den ich sah bis jetzt,

Auf meine Neigung.

Marokko.

Habt auch dafür Dank.

Drum führt mich zu den Kästchen, daß ich gleich

Mein Glück versuche. Bei diesem Säbel, der

Den Sophi schlug und einen Perserprinz,

Der dreimal Sultan Soliman besiegt:

Die wildsten Augen wollt ich überblitzen,

Das kühnste Herz auf Erden übertrotzen,

Die Jungen reißen von der Bärin weg,

Ja, wenn er brüllt nach Raub, den Löwen höhnen,

Dich zu gewinnen, Fräulein! Aber ach!

Wenn Herkules und Lichas Würfel spielen,

Wer tapfrer ist, so kann der beßre Wurf

Durch Zufall kommen aus der schwächern Hand;

So unterliegt Alcides seinem Knaben,

Und so kann ich, wenn blindes Glück mich führt,

Verfehlen, was dem minder Würdgen wird,

Und Grames sterben.

Porzia.

Ihr müßt Eur Schicksal nehmen,

Es überhaupt nicht wagen, oder schwören,

Bevor Ihr wählet, wenn Ihr irrig wählt,

In Zukunft nie mit irgendeiner Frau

Von Eh zu sprechen: also seht Euch vor!

Marokko.

Ich will’s auch nicht, kommt, bringt mich zur Entscheidung.

Porzia.

Vorher zum Tempel; nach der Mahlzeit mögt Ihr

Das Los versuchen.

Marokko.

Gutes Glück also!

Bald über alles elend oder froh. (Alle ab.)

Zweite Szene

Venedig. Eine Straße

Lanzelot Gobbo kommt

Lanzelot.

Sicherlich, mein Gewissen läßt mir’s zu, von diesem Juden, meinem Herrn, wegzulaufen. Der böse Feind ist mir auf der Ferse und versucht mich und sagt zu mir: «Gobbo, Lanzelot Gobbo, guter Lanzelot», oder «Guter Gobbo», oder «Guter Lanzelot Gobbo, brauch deine Beine, reiß aus, lauf davon.» Mein Gewissen sagt: «Nein, hüte dich, ehrlicher Lanzelot; hüte dich, ehrlicher Gobbo»; oder, wie obgemeldet, «ehrlicher Lanzelot Gobbo; lauf nicht, laß das Ausreißen bleiben.» Gut, der überaus herzhafte Feind heißt mich aufpacken; «Marsch!» sagt der Feind; «fort!» sagt der Feind; «um des Himmels willen! faß dir ein wackres Herz», sagt der Feind, «und lauf». Gut, mein Gewissen hängt sich meinem Herzen um den Hals und sagt sehr weislich zu mir: «Mein ehrlicher Freund Lanzelot, da du eines ehrlichen Mannes Sohn bist», oder vielmehr eines ehrlichen Weibes Sohn; denn die Wahrheit zu sagen, mein Vater hatte einen kleinen Beigeschmack, er war etwas ansäuerlich. – Gut, mein Gewissen sagt: «Lanzelot, weich und wanke nicht!» – «Weiche», sagt der Feind; «wanke nicht», sagt mein Gewissen. «Gewissen», sage ich, «dein Rat ist gut»; «Feind», sage ich, «dein Rat ist gut». Lasse ich mich durch mein Gewissen regieren, so bleibe ich bei dem Juden, meinem Herrn, der, Gott sei mir gnädig! eine Art von Teufel ist. Laufe ich von dem Juden weg, so lasse ich mich durch den bösen Feind regieren, der, mit Respekt zu sagen, der Teufel selber ist. Gewiß, der Jude ist der wahre eingefleischte Teufel, und, auf mein Gewissen, mein Gewissen ist gewissermaßen ein hartherziges Gewissen, daß es mir raten will, bei dem Juden zu bleiben. Der Feind gibt mir einen freundschaftlichen Rat; ich will laufen, Feind! meine Fersen stehen dir zu Gebote, ich will laufen. Der alte Gobbo kommt mit einem Korbe.

Gobbo.

Musje, junger Herr, Er da, sei Er doch so gut: wo gehe ich wohl zu des Herrn Juden seinem Hause hin?

Lanzelot (beiseite).

O Himmel! mein eheleiblicher Vater, der zwar nicht pfahlblind, aber doch so ziemlich stockblind ist und mich nicht kennt. Ich will mir einen Spaß mit ihm machen.

Gobbo.

Musje, junger Herr, sei Er so gut: wo gehe ich zu des Herrn Juden seinem Hause hin?

Lanzelot.

Schlagt Euch rechter Hand an der nächsten Ecke, aber bei der allernächsten Ecke linker Hand; versteht, bei der ersten nächsten Ecke schlagt Euch weder rechts noch links, sondern dreht Euch schnurgerade aus nach des Juden seinem Hause herum.

Gobbo.

Potz Wetterchen, das wird ein schlimmer Weg zu finden sein. Könnt Ihr mir nicht sagen, ob ein gewisser Lanzelot, der sich bei ihm aufhält, sich bei ihm aufhält oder nicht?

Lanzelot.

Sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot? (Beiseite.) Nun gebt Achtung, nun will ich loslegen. – Sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

Gobbo.

Kein Monsieur, Herr, sondern eines armen Mannes Sohn. Sein Vater, ob ich es schon sage, ist ein herzlich armer Mann und, Gott sei Dank, recht wohlauf.

Lanzelot.

Gut, sein Vater mag sein, was er will; hier ist die Rede vom jungen Monsieur Lanzelot.

Gobbo.

Eurem gehorsamen Diener und Lanzelot, Herr.

Lanzelot.

Ich bitte Euch demnach, alter Mann, demnach ersuche ich Euch: sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

Gobbo.

Von Lanzelot, wenn’s Eur Gnaden beliebt.

Lanzelot.

Demnach Monsieur Lanzelot. Sprecht nicht von Monsieur Lanzelot, Vater; denn der junge Herr ist (vermöge der Schickungen und Verhängnisse und solcher wunderlichen Redensarten, der drei Schwestern und dergleichen Fächern der Gelahrtheit) in Wahrheit Todes verblichen oder, um es rund herauszusagen, in die Ewigkeit gegangen.

Gobbo.

Je, da sei Gott vor! Der Junge war so recht der Stab meines Alters, meine beste Stütze. –

Lanzelot.

Seh ich wohl aus wie ein Knittel oder wie ein Zaunpfahl, wie ein Stab oder eine Stütze? – Kennt Ihr mich, Vater?

Gobbo.

Ach du liebe Zeit, ich kenne Euch nicht, junger Herr; aber ich bitte Euch, sagt mir, ist mein Junge – Gott hab ihn selig! – lebendig oder tot?

Lanzelot.

Kennt Ihr mich nicht, Vater?

Gobbo.

Lieber Himmel! ich bin ein alter blinder Mann, ich kenne Euch nicht.

Lanzelot.

Nun wahrhaftig, wenn Ihr auch Eure Augen hättet, so könntet Ihr mich doch wohl nicht kennen; das ist ein weiser Vater, der sein eignes Kind kennt. Gut, alter Mann, ich will Euch Nachricht von Eurem Sohne geben. Gebt mir Euren Segen! Wahrheit muß ans Licht kommen. Ein Mord kann nicht lange verborgen bleiben, eines Menschen Sohn kann’s; aber zuletzt muß die Wahrheit heraus.

Gobbo.

Ich bitte Euch, Herr, steht auf, ich bin gewiß, Ihr seid mein junge Lanzelot nicht.

Lanzelot.

Ich bitte Euch, laßt uns weiter keine Possen damit treiben, sondern gebt mir Euern Segen. Ich bin Lanzelot, Euer Junge, der da war, Euer Sohn, der da ist, Euer Kind, das da sein wird.

Gobbo.

Ich kann mir nicht denken, daß Ihr mein Sohn seid.

Lanzelot.

Ich weiß nicht, was ich davon denken soll; aber ich bin Lanzelot, des Juden Diener, und ich bin gewiß, Margrete, Eure Frau, ist meine Mutter.

Gobbo.

Ganz recht, ihr Name ist Margrete; ich will einen Eid tun, wenn du Lanzelot bist, so bist du mein eigen Fleisch und Blut. Gott im Himmelsthrone! was hast du für einen Bart gekriegt? – Du hast mehr Haar am Kinne, als mein Karrengaul Fritz am Schwanze hat.

Lanzelot.

Je, so läßt’s ja, als ob Fritz sein Schwanz rückwärts wüchse; ich weiß doch, er hatte mehr Haar im Schwanze als im Gesicht, da ich ihn das letztemal sah.

Gobbo.

Herrje, wie du dich verändert hast! Wie verträgst du dich mit deinem Herrn? Ich bringe ihm ein Präsent; nun, wie vertragt ihr euch?

Lanzelot.

Gut, gut! aber für meine Person, da ich mich darauf gesetzt habe, davonzulaufen, so will ich mich nicht eher niedersetzen, als bis ich ein Stück Weges gelaufen bin. Mein Herr ist ein rechter Jude; ihm ein Präsent geben! Einen Strick gebt ihm. Ich bin ausgehungert in seinem Dienst; Ihr könnt jeden Finger, den ich habe, mit meinen Rippen zählen. Vater, ich bin froh, daß Ihr gekommen seid. Gebt mir Euer Präsent für einen gewissen Herrn Bassanio, der wahrhaftig prächtige neue Livreien gibt. Komme ich nicht bei ihm in Dienst, so will ich laufen, soweit Gottes Erdboden reicht. Welch ein Glück! da kommt er selbst. Macht Euch an ihn, Vater, denn ich will ein Jude sein, wenn ich bei dem Juden länger diene. Bassanio kommt mit Leonardo und andern Begleitern.

Bassanio.

Das könnt Ihr tun – aber seid so bei der Hand, daß das Abendessen spätestens um fünf Uhr fertig ist. Besorgt diese Briefe, gebt diese Livreien in Arbeit und bittet Graziano, sogleich in meine Wohnung zu kommen. (Ein Bedienter ab.)

Lanzelot.

Macht Euch an ihn, Vater?

Gobbo.

Gott segne Euer Gnaden!

Bassanio.

Großen Dank! Willst du was von mir?

Gobbo.

Da ist mein Sohn, Herr, ein armer Junge –

Lanzelot.

Kein armer Junge, Herr, sondern des reichen Juden Diener, der gerne möchte, wie mein Vater spezifizieren wird –

Gobbo.

Er hat, wie man zu sagen pflegt, eine große Deklination zu dienen –

Lanzelot.

Wirklich, das Kurze und das Lange von der Sache ist: ich diene dem Juden und trage Verlangen, wie mein Vater spezifizieren wird –

Gobbo.

Sein Herr und er (mit Respekt vor Euer Gnaden zu sagen) vertragen sich wie Katzen und Hunde –

Lanzelot.

Mit einem Worte, die reine Wahrheit ist, daß der Jude, da er mir Unrecht getan, mich nötigt, wie mein Vater, welcher, so Gott will, ein alter Mann ist, notifizieren wird –

Gobbo.

Ich habe hier ein Gericht Tauben, die ich bei Euer Gnaden anbringen möchte, und mein Gesuch ist –

Lanzelot.

In aller Kürze, das Gesuch interzediert mich selbst, wie Euer Gnaden von diesem ehrlichen alten Mann hören werden, der, obschon ich es sage, obschon ein alter Mann, doch ein armer Mann und mein Vater ist.

Bassanio.

Einer spreche für beide. Was wollt Ihr?

Lanzelot.

Euch dienen, Herr.

Gobbo.

Ja, das wollten wir Euch gehorsamst opponieren.

Bassanio.

Ich kenne dich, die Bitt ist dir gewährt;

Shylock, dein Herr, hat heut mit mir gesprochen

Und dich empfohlen; wenn’s empfehlenswert,

Aus eines reichen Juden Dienst zu gehn,

Um einem armen Edelmann zu folgen.

Lanzelot.

Das alte Sprichwort ist recht schön verteilt zwischen meinem Herrn Shylock und Euch, Herr: Ihr habt die Gnade Gottes, und er hat genug.

Bassanio.

Du triffst es; Vater, geh mit deinem Sohn.

Nimm Abschied erst von deinem alten Herrn

Und frage dich nach meiner Wohnung hin.

(Zu seinen Begleitern.) Ihr, gebt ihm eine nettere Livrei

Als seinen Kameraden; sorgt dafür!

Lanzelot.

Kommt her, Vater. – Ich kann keinen Dienst kriegen; nein! ich habe gar kein Mundwerk am Kopfe. – Gut! – (Er besieht seine flache Hand.) Wenn einer in ganz Italien eine schönere Tafel hat, damit auf die Schrift zu schwören – Ich werde gut Glück haben; ohne Umstände, hier ist eine ganz schlechte Lebenslinie; hier ist ’ne Kleinigkeit an Frauen. Ach, fünfzehn Weiber sind nichts! elf Witwen und neun Mädchen ist ein knappes Auskommen für einen Mann. Und dann, dreimal ums Haar zu ersaufen und mich an der Ecke eines Federbettes beinah tot zu stoßen – das heiße ich gut davonkommen! Gut, wenn Glück ein Weib ist, so ist sie doch eine gute Dirne mit ihrem Kram. – Kommt, Vater, ich nehme in einem Umsehn von dem Juden Abschied. (Lanzelot und der alte Gobbo ab.)

Bassanio.

Tu das, ich bitt dich, guter Leonardo;

Ist dies gekauft und ordentlich besorgt,

Komm schleunig wieder; denn zur Nacht bewirt ich

Die besten meiner Freunde; eil dich, geh!

Leonardo.

Verlaßt Euch auf mein eifrigstes Bemühn. Graziano kommt.

Graziano.

Wo ist dein Herr?

Leonardo.

Er geht da drüben, Herr. (Leonardo ab.)

Graziano.

Signor Bassanio!

Bassanio.

Graziano!

Graziano.

Ich habe ein Gesuch an Euch.

Bassanio.

Ihr habt es schon erlangt.

Graziano.

Ihr müßt mir’s nicht weigern; ich muß mit Euch nach Belmont gehen.

Bassanio.

Nun ja, so müßt Ihr – aber hör, Graziano,

Du bist zu wild, zu rauh, zu keck im Ton:

Ein Wesen, welches gut genug dir steht

Und Augen wie den unsern nicht mißfällt.

Doch wo man dich nicht kennt, ja, da erscheint

Es allzufrei; drum nimm dir Müh und dämpfe

Mit ein paar kühlen Tropfen Sittsamkeit

Den flüchtgen Geist, daß ich durch deine Wildheit

Dort nicht mißdeutet werd und meine Hoffnung

Zugrunde geht.

Graziano.

Signor Bassanio, hört mich:

Wenn ich mich nicht zu feinem Wandel füge,

Mit Ehrfurcht red und dann und wann nur fluche,

Gebetbuch in der Tasche, Kopf geneigt;

Ja, selbst beim Tischgebet so vors Gesicht

Den Hut mir halt und seufz und Amen sage;

Nicht allen Brauch der Höflichkeit erfülle,

Wie einer, der, der Großmama zulieb,

Scheinheilig tut: so traut mir niemals mehr.

Bassanio.

Nun gut, wir werden sehn, wie Ihr Euch nehmt.

Graziano.

Nur heute nehm ich aus; das gilt nicht mir,

Was ich heut abend tu.

Bassanio.

Nein, das wär schade;

Ich bitt Euch, lieber in den kecksten Farben

Der Lust zu kommen; denn wir haben Freunde,

Die lustig wollen sein. Lebt wohl indes,

Ich habe ein Geschäft.

Graziano.

Und ich muß zu Lorenzo und den andern,

Doch auf den Abend kommen wir zu Euch. (Alle ab.)

Dritte Szene

Ein Zimmer in Shylocks Hause

Jessica und Lanzelot kommen

Jessica.

Es tut mir leid, daß du uns so verläßt;

Dies Haus ist Hölle, und du, ein lustger Teufel,

Nahmst ihm ein Teil von seiner Widrigkeit.

Doch lebe wohl; da hast du ’nen Dukaten!

Und, Lanzelot, du wirst beim Abendessen

Lorenzo sehn als Gast von deinem Herrn.

Dann gib ihm diesen Brief, tu es geheim;

Und so leb wohl, daß nicht etwa mein Vater

Mich mit dir reden sieht.

Lanzelot.

Adieu! – Tränen müssen meine Zunge vertreten, allerschönste Heidin! allerliebste Jüdin! Wenn ein Christ nicht zum Schelm an dir wird, und dich bekommt, so trügt mich alles. Aber adieu! Diese törichten Tropfen erweichen meinen männlichen Mut allzusehr. (Ab.)

Jessica.

Leb wohl, du Guter!

Ach wie gehässig ist es nicht von mir,

Daß ich des Vaters Kind zu sein mich schäme;

Doch, bin ich seines Blutes Tochter schon,

Bin ich’s nicht seines Herzens. O Lorenzo,

Hilf mir dies lösen! treu dem Worte bleib!

So werd ich Christin und dein liebend Weib. (Ab.)

Vierte Szene

Eine Straße

Graziano, Lorenzo, Salarino und Solanio treten auf

Lorenzo.

Nun gut, wir schleichen weg vom Abendessen,

Verkleiden uns in meinem Haus und sind

In einer Stunde alle wieder da.

Graziano.

Wir haben uns nicht recht darauf gerüstet.

Salarino.

Auch keine Fackelträger noch bestellt.

Solanio.

Wenn es nicht zierlich anzuordnen steht,

So ist es nichts und unterbliebe besser.

Lorenzo.

’s ist eben vier; wir haben noch zwei Stunden

Zur Vorbereitung.

Lanzelot kommt mit einem Briefe.

Freund Lanzelot, was bringst du?

Lanzelot.

Wenn’s Euch beliebt, dies aufzubrechen, so wird es gleichsam andeuten.

Lorenzo.

Ich kenne wohl die Hand; ja, sie ist schön;

Und weißer als das Blatt, worauf sie schrieb,

Ist diese schöne Hand.

Graziano.

Auf meine Ehre, eine Liebesbotschaft.

Lanzelot.

Mit Eurer Erlaubnis, Herr.

Lorenzo.

Wo willst du hin?

Lanzelot.

Nun, Herr, ich soll meinen alten Herrn, den Juden, zu meinem neuen Herrn, dem Christen, auf heute zum Abendessen laden.

Lorenzo.

Da nimm dies; sag der schönen Jessica,

Daß ich sie treffen will. – Sag’s heimlich! geh;

(Lanzelot ab.)

Ihr Herrn,

Wollt ihr euch zu dem Maskenzug bereiten?

Ich bin versehn mit einem Fackelträger.

Salarino.

Ja, auf mein Wort, ich gehe gleich danach.

Solanio.

Das will ich auch.

Lorenzo.

Trefft mich und Graziano.

In einer Stund in Grazianos Haus.

Salarino.

Gut das, es soll geschehn. (Salarino und Solanio ab.)

Graziano.

Der Brief kam von der schönen Jessica?

Lorenzo.

Ich muß dir’s nur vertraun: sie gibt mir an,

Wie ich sie aus des Vaters Haus entführe;

Sie sei versehn mit Gold und mit Juwelen,

Ein Pagenanzug liege schon bereit.

Kommt je der Jud, ihr Vater, in den Himmel,

So ist’s um seiner holden Tochter willen;

Und nie darf Unglück in den Weg ihr treten,

Es müßte denn mit diesem Vorwand sein,

Daß sie von einem falschen Juden stammt.

Komm, geh mit mir und lies im Gehn dies durch;

Mir trägt die schöne Jessica die Fackel. (Beide ab.)

Fünfte Szene

Vor Shylocks Hause

Shylock und Lanzelot kommen

Shylock.

Gut, du wirst sehn mit deinen eignen Augen

Des alten Shylocks Abstand von Bassanio.

He, Jessica! – Du wirst nicht voll dich stopfen,

Wie du bei mir getan – He, Jessica! –

Und liegen, schnarchen, Kleider nur zerreißen –

He, sag ich, Jessica!

Lanzelot.

He, Jessica!

Shylock.

Wer heißt dich schrein? Ich hab’s dir nicht geheißen.

Lanzelot.

Euer Edlen pflegten immer zu sagen, ich könnte nichts ungeheißen tun. Jessica kommt.

Jessica.

Ruft Ihr? Was ist Euch zu Befehl?

Shylock.

Ich bin zum Abendessen ausgebeten.

Da hast du meine Schlüssel, Jessica.

Zwar weiß ich nicht, warum ich geh; sie bitten

Mich nicht aus Liebe, nein, sie schmeicheln mir;

Doch will ich gehn aus Haß, auf den Verschwender

Von Christen zehren. – Jessica, mein Kind,

Acht auf mein Haus! – Ich geh recht wider Willen.

Es braut ein Unglück gegen meine Ruh,

Denn diese Nacht träumt ich von Säcken Geldes.

Lanzelot.

Ich bitte Euch, Herr, geht; mein junger Herr erwartet Eure Zukunft.

Shylock.

Ich seine auch.

Lanzelot.

Und sie haben sich verschworen. – Ich sage nicht, daß Ihr eine Maskerade sehen sollt; aber wenn Ihr eine seht, so war es nicht umsonst, daß meine Nase an zu bluten fing, auf den letzten Ostermontag des Morgens um sechs Uhr, der das Jahr auf den Tag fiel, wo vier Jahre vorher nachmittags Aschermittwoch war.

Shylock.

Was? gibt es Masken? Jessica, hör an:

Verschließ die Tür, und wenn du Trommeln hörst

Und das Gequäk der quergehalsten Pfeife,

So klettre mir nicht an den Fenstern auf;

Steck nicht den Kopf hinaus in offne Straße,

Nach Christennarren mit bemaltem Antlitz

Zu gaffen; stopfe meines Hauses Ohren –

Die Fenster, mein ich – zu und laß den Schall

Der albern‘ Geckerei nicht dringen in

Mein ehrbar Haus. Bei Jakobs Stabe schwör ich:

Ich habe keine Lust, zu Nacht zu schmausen;

Doch will ich gehn. – Du Bursch, geh mir voran;

Sag, daß ich komme.

Lanzelot.

Herr, ich will vorangehn.

Guckt nur am Fenster, Fräulein, trotz dem allem;

Denn vorbeigehn wird ein Christ,

Wert, daß ihn ’ne Jüdin küßt. (Ab.)

Shylock.

Was sagt der Narr von Hagars Stamme? he?

Jessica.

Sein Wort war: «Fräulein, lebet wohl» – sonst nichts.

Shylock.

Der Laff ist gut genug, jedoch ein Fresser,

’ne Schnecke zum Gewinn und schläft bei Tag

Mehr als das Murmeltier; in meinem Stock

Baun keine Drohnen; drum laß ich ihn gehn

Und laß ihn gehn zu einem, dem er möge

Den aufgeborgten Beutel leeren helfen.

Gut, Jessica, geh nun ins Haus hinein,

Vielleicht komm ich im Augenblicke wieder.

Tu, was ich dir gesagt, schließ hinter dir

Die Türen; fest gebunden, fest gefunden,

Das denkt ein guter Wirt zu allen Stunden. (Ab.)

Jessica.

Lebt wohl, und denkt das Glück nach meinem Sinn,

Ist mir ein Vater, Euch ein Kind dahin. (Ab.)

Sechste Szene

Ebendaselbst

Graziano und Salarino kommen maskiert

Graziano.

Dies ist das Vordach, unter dem Lorenzo

Uns haltzumachen bat.

Salarino.

Die Stund ist fast vorbei.

Graziano.

Und Wunder ist es, daß er sie versäumt;

Verliebte laufen stets der Uhr voraus.

Salarino.

O zehnmal schneller fliegen Venus‘ Tauben,

Den neuen Bund der Liebe zu versiegeln,

Als sie gewohnt sind, unverbrüchlich auch

Gegebne Treu zu halten.

Graziano.

So geht’s in allem; wer steht auf vom Mahl

Mit gleicher Eßlust, als er niedersaß?

Wo ist das Pferd, das seine lange Bahn

Zurückmißt mit dem ungedämpften Feuer,

Womit es sie betreten? Jedes Ding

Wird mit mehr Trieb erjaget als genossen.

Wie ähnlich einem Wildfang und Verschwender

Eilt das beflaggte Schiff aus heimscher Bucht,

Geliebkost und gehetzt vom Buhler Wind!

Wie ähnlich dem Verschwender kehrt es heim,

Zerlumpt die Segel, Rippen abgewittert,

Kahl, nackt, geplündert von dem Buhler Wind! Lorenzo tritt auf.

Salarino.

Da kommt Lorenzo, mehr hievon nachher.

Lorenzo.

Entschuldigt, Herzensfreunde, den Verzug:

Nicht ich, nur mein Geschäft hat warten lassen.

Wenn ihr den Dieb um Weiber spielen wollt,

Dann wart ich auch so lang auf euch. – Kommt näher!

Hier wohnt mein Vater Jude – He! wer da? Jessica oben am Fenster in Knabentracht.

Jessica.

Wer seid Ihr? sagt’s zu mehrer Sicherheit,

Wiewohl ich schwör, ich kenne Eure Stimme.

Lorenzo.

Lorenzo und dein Liebster.

Jessica.

Lorenzo sicher, und mein Liebster, ja!

Denn wen lieb ich so sehr? Und nun, wer weiß

Als Ihr, Lorenzo, ob ich Eure bin?

Lorenzo.

Der Himmel und dein Sinn bezeugen dir’s.

Jessica.

Hier, fang dies Kästchen auf, es lohnt die Müh.

Gut, daß es Nacht ist, daß Ihr mich nicht seht,

Denn ich bin sehr beschämt von meinem Tausch;

Doch Lieb ist blind, Verliebte sehen nicht

Die artgen Kinderein, die sie begehen;

Denn könnten sie’s, Cupido würd erröten,

Als Knaben so verwandelt mich zu sehn.

Lorenzo.

Kommt, denn Ihr müßt mein Fackelträger sein.

Jessica.

Was? muß ich selbst noch leuchten meiner Schmach?

Sie liegt fürwahr schon allzusehr am Tage.

Ei, Lieber, ’s ist ein Amt zum kundbar machen;

Ich muß verheimlicht sein.

Lorenzo.

Das bist du, Liebe,

Im hübschen Anzug eines Knaben schon.

Doch komm sogleich,

Die finstre Nacht stiehlt heimlich sich davon;

Wir werden bei Bassanios Fest erwartet.

Jessica.

Ich mach die Türen fest, vergülde mich

Mit mehr Dukaten noch und bin gleich bei Euch. (Tritt zurück.)

Graziano.

Nun! auf mein Wort! ’ne Göttin, keine Jüdin.

Lorenzo.

Verwünscht mich, wenn ich sie nicht herzlich liebe;

Denn sie ist klug, wenn ich mich drauf verstehe,

Und schön ist sie, wenn nicht mein Auge trügt,

Und treu ist sie, so hat sie sich bewährt.

Drum sei sie, wie sie ist, klug, schön und treu,

Mir in beständigem Gemüt verwahrt.

Jessica kommt heraus.

Nun bist du da? – Ihr Herren, auf und fort!

Der Maskenzug erwartet schon uns dort. (Ab mit Jessica und Salarino.)

Antonio tritt auf.

Antonio.

Wer da?

Graziano.

Signor Antonio.

Antonio.

Ei, ei, Graziano, wo sind all die andern?

Es ist neun Uhr, die Freund erwarten Euch.

Kein Tanz zur Nacht, der Wind hat sich gedreht,

Bassanio will im Augenblick an Bord;

Wohl zwanzig Boten schickt ich aus nach Euch.

Graziano.

Mir ist es lieb, nichts kann mich mehr erfreun,

Als unter Segel gleich die Nacht zu sein. (Beide ab.)

Siebente Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Trompetenstoß. Porzia und der Prinz von Marokko treten auf, beide mit Gefolge

Porzia.

Geht, zieht beiseit den Vorhang und entdeckt

Die Kästchen sämtlich diesem edlen Prinzen. –

Trefft Eure Wahl nunmehr.

Marokko.

Von Gold das erste, das die Inschrift hat:

«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.»

Das zweite, silbern, führet dies Versprechen:

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Das dritte, schweres Blei, mit plumper Warnung:

«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»

Woran erkenn ich, ob ich recht gewählt?

Porzia.

Das eine faßt mein Bildnis in sich, Prinz:

Wenn Ihr das wählt, bin ich zugleich die Eure.

Marokko.

So leit ein Gott mein Urteil! Laßt mich sehn!

Ich muß die Sprüche nochmals überlesen.

Was sagt dies bleir’ne Kästchen?

«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»

Der gibt – wofür? für Blei? und wagt für Blei?

Dies Kästchen droht; wenn Menschen alles wagen,

Tun sie’s in Hoffnung köstlichen Gewinns.

Ein goldner Mut fragt nichts nach niedern Schlacken,

Ich geb also und wage nichts für Blei.

Was sagt das Silber mit der Mädchenfarbe?

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Soviel, als er verdient? – Halt ein, Marokko,

Und wäge deinen Wert mit steter Hand.

Wenn du geachtet wirst nach deiner Schätzung,

Verdienest du genug, doch kann genug

Wohl nicht soweit bis zu dem Fräulein reichen.

Und doch, mich ängsten über mein Verdienst,

Das wäre schwaches Mißtraun in mich selbst.

Soviel, als ich verdiene? – Ja, das ist

Das Fräulein; durch Geburt verdien ich sie,

Durch Glück, durch Zier und Gaben der Erziehung;

Doch mehr verdien ich sie durch Liebe. Wie,

Wenn ich nicht weiter schweift und wählte hier?

Laßt nochmals sehn den Spruch, in Gold gegraben:

«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.

Das ist das Fräulein; alle Welt begehrt sie,

Aus jedem Weltteil kommen sie herbei,

Dies sterblich atmend Heilgenbild zu küssen;

Hyrkaniens Wüsten und die wilden Öden

Arabiens sind gebahnte Straßen nun

Für Prinzen, die zur schönen Porzia reisen;

Das Reich der Wasser, dessen stolzes Haupt

Speit in des Himmels Antlitz, ist kein Damm

Für diese fremden Geister; nein, sie kommen

Wie über einen Bach zu Porzias Anblick.

Eins von den drein enthält ihr himmlisch Bild;

Soll Blei es in sich fassen? Lästrung wär’s,

Zu denken solche Schmach; es wär zu schlecht,

Im düstern Grab ihr Leichentuch zu panzern.

Und soll ich glauben, daß sie Silber einschließt,

Von zehnmal minderm Wert als reines Gold?

O sündlicher Gedanke! Solch ein Kleinod

Ward nie geringer als in Gold gefaßt.

In England gibt’s ’ne Münze, die das Bild

Von einem Engel führt, in Gold geprägt.

Doch der ist drauf gedruckt; hier liegt ein Engel

Ganz drin im goldnen Bett. – Gebt mir den Schlüssel,

Hier wähl ich, und geling es, wie es kann.

Porzia.

Da nehmt ihn, Prinz, und liegt mein Bildnis da,

So bin ich Euer. (Er schließt das goldne Kästchen auf.)

Marokko.

O Hölle, was ist hier?

Ein Beingeripp, dem ein beschriebner Zettel

Im hohlen Auge liegt? Ich will ihn lesen: «Alles ist nicht Gold, was gleißt,

Wie man oft Euch unterweist.

Manchen in Gefahr es reißt,

Was mein äußrer Schein verheißt;

Goldnes Grab hegt Würmer meist;

Wäret Ihr so weis als dreist,

Jung an Gliedern, alt an Geist,

So würdet Ihr nicht abgespeist

Mit der Antwort: Geht und reist.» Ja fürwahr, mit bittrer Kost;

Leb wohl denn, Glut! Willkommen, Frost!

Lebt, Porzia, wohl! Zu langem Abschied fühlt

Mein Herz zu tief; so scheidet, wer verspielt. (Ab.)

Porzia.

Erwünschtes Ende! Geht, den Vorhang zieht!

So wähle jeder, der ihm ähnlich sieht. (Alle ab.)

Achte Szene

Venedig. Eine Straße

Salarino und Solanio treten auf

Salarino.

Ja, Freund, ich sah Bassanio unter Segel;

Mit ihm ist Graziano abgereist,

Und auf dem Schiff ist sicher nicht Lorenzo.

Solanio.

Der Schelm von Juden schrie den Dogen auf,

Der mit ihm ging, das Schiff zu untersuchen.

Salarino.

Er kam zu spät, das Schiff war unter Segel;

Doch da empfing der Doge den Bericht,

In einer Gondel habe man Lorenzo

Mit seiner Liebsten Jessica gesehn;

Auch gab Antonio ihm die Versichrung,

Sie sei’n nicht mit Bassanio auf dem Schiff.

Solanio.

Nie hört ich so verwirrte Leidenschaft,

So seltsam wild und durcheinander, als

Der Hund von Juden in den Straßen ausließ:

«Mein‘ Tochter – mein‘ Dukaten – o mein‘ Tochter!

Fort mit ’nem Christen – o mein‘ christlichen Dukaten!

Recht und Gericht! mein‘ Tochter! mein‘ Dukaten!

Ein Sack, zwei Säcke, beide zugesiegelt,

Voll von Dukaten, doppelten Dukaten!

Gestohl’n von meiner Tochter; und Juwelen,

Zwei Stein‘- zwei reich‘ und köstliche Gestein‘,

Gestohl’n von meiner Tochter! O Gerichte,

Find’t mir das Mädchen! – Sie hat die Steine bei sich

Und die Dukaten.»

Salarino.

Ja, alle Gassenbuben folgen ihm

Und schrein: «Die Stein‘, die Tochter, die Dukaten!»

Solanio.

Daß nur Antonio nicht den Tag versäumt,

Sonst wird er hiefür zahlen.

Salarino.

Gut bedacht!

Mir sagte gestern ein Franzose noch,

Mit dem ich schwatzte, in der engen See,

Die Frankreich trennt von England, sei ein Schiff

Von unserm Land verunglückt, reich geladen;

Ich dachte des Antonio, da er’s sagte,

Und wünscht im stillen, daß es seins nicht wär.

Solanio.

Ihr solltet ihm doch melden, was Ihr hört;

Doch tut’s nicht plötzlich, denn es könnt ihn kränken.

Salarino.

Ein beßres Herz lebt auf der Erde nicht.

Ich sah Bassanio und Antonio scheiden;

Bassanio sagt‘ ihm, daß er eilen wolle

Mit seiner Rückkehr. «Nein», erwidert‘ er,

«Schlag dein Geschäft nicht von der Hand, Bassanio,

Um meinetwillen, laß die Zeit es reifen.

Und die Verschreibung, die der Jude hat,

Laß sie beschweren nicht dein liebend Herz.

Sei fröhlich, wende die Gedanken ganz

Auf Gunstbewerbung und Bezeugungen

Der Liebe, wie sie dort dir ziemen mögen.»

Und hier, die Augen voller Tränen, wandt er

Sich abwärts, reichte seine Hand zurück,

Und, als ergriff ihn wunderbare Rührung,

Drückt‘ er Bassanios Hand. So schieden sie.

Solanio.

Ich glaub, er liebt die Welt nur seinetwegen;

Ich bitt Euch, laßt uns gehn, ihn aufzufinden,

Um seine Schwermut etwas zu zerstreun

Auf ein und andre Art.

Salarino.

Ja, tun wir das. (Beide ab.)

Neunte Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Nerissa kommt mit einem Bedienten

Nerissa.

Komm, hurtig, hurtig, zieh den Vorhang auf!

Der Prinz von Arragon hat seinen Eid

Getan und kommt sogleich zu seiner Wahl. Trompentenstoß. Der Prinz von Arragon, Porzia und beider Gefolge.

Porzia.

Schaut hin, da stehn die Kästchen, edler Prinz!

Wenn Ihr das wählet, das mich in sich faßt,

Soll die Vermählung gleich gefeiert werden.

Doch fehlt Ihr, Prinz, so müßt Ihr ohne weiters

Im Augenblick von hier Euch wegbegeben.

Arragon.

Drei Dinge gibt der Eid mir auf zu halten:

Zum ersten, niemals jemand kundzutun,

Welch Kästchen ich gewählt; sodann: verfehl ich

Das rechte Kästchen, nie in meinem Leben

Um eines Mädchens Hand zu werben; endlich:

Wenn sich das Glück zu meiner Wahl nicht neigt,

Sogleich Euch zu verlassen und zu gehn.

Porzia.

Auf diese Pflichten schwört ein jeder, der

Zu wagen kommt um mein geringes Selbst.

Arragon.

Und so bin ich gerüstet. Glück wohlauf

Nach Herzens Wunsch! – Gold, Silber, schlechtes Blei:

«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»

Du mußtest schöner aussehn, eh ich’s täte.

Was sagt das goldne Kästchen? Ha, laßt sehn!

«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.»

Was mancher Mann begehrt? – Dies mancher meint vielleicht

Die Torenmenge, die nach Scheine wählt,

Nur lernend, was ein blödes Auge lehrt;

Die nicht ins Innre dringt und wie die Schwalbe

Im Wetter bauet an der Außenwand,

Recht in der Kraft und Bahn des Ungefährs.

Ich wähle nicht, was mancher Mann begehrt,

Weil ich nicht bei gemeinen Geistern hausen,

Noch mich zu rohen Haufen stellen will.

Nun dann zu dir, du silbern Schatzgemach!

Sag mir noch mal die Inschrift, die du führst:

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Ja, gut gesagt: denn wer darf darauf ausgehn,

Das Glück zu täuschen und geehrt zu sein,

Den das Verdienst nicht stempelt? Maße keiner

Sich einer unverdienten Würde an.

O würden Güter, Rang und Ämter nicht

Verderbterweis erlangt und würde Ehre

Durch das Verdienst des Eigners rein erkauft,

Wie mancher deckte dann sein bloßes Haupt!

Wie mancher, der befiehlt, gehorchte dann!

Wie viel des Pöbels würde ausgesondert

Aus reiner Ehre Saat! und wieviel Ehre

Gelesen aus der Spreu, dem Raub der Zeit,

Um neu zu glänzen! – Wohl, zu meiner Wahl!

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Ich halt es mit Verdienst: gebt mir dazu den Schlüssel,

Und unverzüglich schließt mein Glück hier auf.

Porzia.

Zu lang geweilt für das, was Ihr da findet.

Arragon.

Was gibt’s hier? Eines Gecken Bild, der blinzt

Und mir ’nen Zettel reicht! Ich will ihn lesen.

O wie so gar nicht gleichst du Porzien!

Wie gar nicht meinem Hoffen und Verdienst!

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Verdient ich nichts als einen Narrenkopf?

Ist das mein Preis? Ist mein Verdienst nicht höher?

Porzia.

Fehlen und richten sind getrennte Ämter,

Und die sich widersprechen.

Arragon.

Was ist hier? «Siebenmal im Feur geklärt

Ward dies Silber: so bewährt

Ist ein Sinn, den nichts betört.

Mancher achtet Schatten wert,

Dem ist Schattenheil beschert;

Mancher Narr in Silber fährt,

So auch dieser, der Euch lehrt:

Nehmet, wen Ihr wollt, zum Weib

Immer trägt mich Euer Leib.

Geht und sucht Euch Zeitvertreib!» Mehr und mehr zum Narrn mich macht

Jede Stunde hier verbracht.

Mit einem Narrenkopf zum Frein

Kam ich her und geh mit zwein.

Herz, leb wohl! was ich versprach,

Halt ich, trage still die Schmach. (Arragon mit Gefolge ab.)

Porzia.

So ging dem Licht die Motte nach!

O diese weisen Narren! wenn sie wählen,

Sind sie so klug, durch Witz es zu verfehlen.

Nerissa.

Die alte Sag ist keine Ketzerei.

Daß Frein und Hängen eine Schickung sei.

Porzia.

Komm, zieh den Vorhang zu, Nerissa. Ein Bedienter kommt.

Bedienter.

Wo ist mein Fräulein?

Porzia.

Hier; was will mein Herr?

Bedienter.

An Eurem Tor ist eben abgestiegen

Ein junger Venezianer, welcher kommt,

Die nahe Ankunft seines Herrn zu melden,

Von dem er stattliche Begrüßung bringt;

Das heißt, nebst vielen artgen Worten, Gaben

Von reichem Wert; ich sahe niemals noch

Solch einen holden Liebesabgesandten.

Nie kam noch im April ein Tag so süß,

Zu zeigen, wie der Sommer köstlich nahe,

Als dieser Bote seinem Herrn voran.

Porzia.

Nichts mehr, ich bitt dich; ich besorge fast,

Daß du gleich sagen wirst, er sei dein Vetter;

Du wendest solchen Festtagswitz an ihn.

Komm, komm, Nerissa; denn er soll mich freun,

Cupidos Herold, so geschickt und fein.

Nerissa.

Bassanio, Herr des Herzens! laß es sein. (Alle ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Venedig. Eine Straße

Solanio und Salarino treten auf

Solanio.

Nun, was gibt’s Neues auf dem Rialto?

Salarino.

Ja, noch wird es nicht widersprochen, daß dem Antonio sein Schiff von reicher Ladung in der Meerenge gestrandet ist. Die Goodwins, denke ich, nennen sie die Stelle: eine sehr gefährliche Sandbank, wo die Gerippe von manchem stattlichen Schiff begraben liegen, wenn Gevatterin Fama eine Frau von Wort ist.

Solanio.

Ich wollte, sie wäre darin eine so lügenhafte Gevatterin, als jemals eine Ingwer kaute oder ihren Nachbarn weismachte, sie weine um den Tod ihres dritten Mannes. Aber es ist wahr – ohne alle Umschweife, und ohne die gerade, ebne Bahn des Gespräches zu kreuzen – daß der gute Antonio, der redliche Antonio – o daß ich eine Benennung wüßte, die gut genug wäre, seinem Namen Gesellschaft zu leisten! –

Salarino.

Wohlan, zum Schluß!

Solanio.

He, was sagst du? – Ja, das Ende ist, er hat ein Schiff eingebüßt.

Salarino.

Ich wünsche, es mag das Ende seiner Einbußen sein.

Solanio.

Laßt mich beizeiten Amen sagen, ehe mir der Teufel einen Querstrich durch mein Gebet macht; denn hier kommt er in Gestalt eines Juden.

Shylock kommt.

Wie steht’s, Shylock? Was gibt es Neues unter den Kaufleuten?

Shylock.

Ihr wußtet, niemand besser, niemand besser als Ihr um meiner Tochter Flucht.

Salarino.

Das ist richtig; ich meinerseits kannte den Schneider, der ihr die Flügel zum Wegfliegen gemacht hat.

Solanio.

Und Shylock seinerseits wußte, daß der Vogel flügge war; und dann haben sie es alle in der Art, das Nest zu verlassen.

Shylock.

Sie ist verdammt dafür.

Salarino.

Das ist sicher, wenn der Teufel ihr Richter sein soll.

Shylock.

Daß mein eigen Fleisch und Blut sich so empörte!

Solanio.

Pfui dich an, altes Fell! bei dem Alter empört es sich?

Shylock.

Ich sage, meine Tochter ist mein Fleisch und Blut.

Salarino.

Zwischen deinem Fleisch und ihrem ist mehr Unterschied als zwischen Ebenholz und Elfenbein, mehr zwischen eurem Blute als zwischen rotem Wein und Rheinwein. – Aber sagt uns, was hört Ihr: hat Antonio einen Verlust zur See gehabt oder nicht?

Shylock.

Da hab ich einen andern schlimmen Handel: ein Bankerottierer, ein Verschwender, der sich kaum auf dem Rialto darf blicken lassen; ein Bettler, der so schmuck auf den Markt zu kommen pflegte! Er sehe sich vor mit seinem Schein! Er hat mich immer Wucherer genannt – er sehe sich vor mit seinem Schein! – er verlieh immer Geld aus christlicher Liebe, – er sehe sich vor mit seinem Schein!

Salarino.

Nun, ich bin sicher, wenn er verfällt, so wirst du sein Fleisch nicht nehmen: wozu wär es gut?

Shylock.

Fische mit zu ködern. Sättigt es sonst niemanden, so sättigt es doch meine Rache. Er hat mich beschimpft, mir ’ne halbe Million gehindert; meinen Verlust belacht, meinen Gewinn bespottet, mein Volk geschmäht, meinen Handel gekreuzt, meine Freunde verleitet, meine Feinde gehetzt. Und was hat er für Grund! Ich bin ein Jude. Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude Hände, Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von eben dem Winter und Sommer als ein Christ? Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen? Sind wir euch in allen Dingen ähnlich, so wollen wir’s euch auch darin gleich tun. Wenn ein Jude einen Christen beleidigt, was ist seine Demut? Rache. Wenn ein Christ einen Juden beleidigt, was muß seine Geduld sein nach christlichem Vorbild? Nu, Rache. Die Bosheit, die ihr mich lehrt, die will ich ausüben, und es muß schlimm hergehen, oder ich will es meinen Meistern zuvortun. Ein Bedienter kommt.

Bedienter.

Edle Herren, Antonio, mein Herr, ist zu Hause und wünscht euch zu sprechen.

Salarino.

Wir haben ihn allenthalben gesucht. Tubal kommt.

Solanio.

Hier kommt ein anderer von seinem Stamm; der dritte Mann ist nicht aufzutreiben, der Teufel selbst müßte denn Jude werden. (Solanio, Salarino und Bedienter ab.)

Shylock.

Nun, Tubal, was bringst du Neues von Genua? Hast du meine Tochter gefunden?

Tubal.

Ich bin oft an Örter gekommen, wo ich von ihr hörte, aber ich kann sie nicht finden.

Shylock.

Ei so, so, so, so! Ein Diamant fort, kostet mich zweitausend Dukaten zu Frankfurt. Der Fluch ist erst jetzt auf unser Volk gefallen, ich hab ihn niemals gefühlt bis jetzt. Zweitausend Dukaten dafür! und noch mehr kostbare, kostbare Juwelen! Ich wollte, meine Tochter läge tot zu meinen Füßen und hätte die Juwelen in den Ohren! Wollte, sie läge eingesargt zu meinen Füßen, und die Dukaten im Sarge! Keine Nachricht von ihnen! Ei, daß dich! – und ich weiß noch nicht, was beim Nachsetzen draufgeht. Ei, du Verlust über Verlust! Der Dieb mit soviel davongegangen, und soviel, um den Dieb zu finden; und keine Genugtuung, keine Rache! Kein Unglück tut sich auf, als was mir auf den Hals fällt; keine Seufzer, als die ich ausstoße, keine Tränen, als die ich vergieße.

Tubal.

Ja, andre Menschen haben auch Unglück. Antonio, so hört ich in Genua –

Shylock.

Was, was, was? Ein Unglück? ein Unglück?

Tubal.

Hat eine Galeone verloren, die von Tripolis kam.

Shylock.

Gott sei gedankt! Gott sei gedankt! Ist es wahr? ist es wahr?

Tubal.

Ich sprach mit ein paar von den Matrosen, die sich aus dem Schiffbruch gerettet.

Shylock.

Ich danke dir, guter Tubal! Gute Zeitung, gute Zeitung! – Wo? in Genua?

Tubal.

Eure Tochter vertat in Genua, wie ich hörte, in einem Abend achtzig Dukaten!

Shylock.

Du gibst mir einen Dolchstich – ich kriege mein Gold nicht wieder zu sehn – Achtzig Dukaten in einem Strich! achtzig Dukaten!

Tubal.

Verschiedene von Antonios Gläubigern reisten mit mir zugleich nach Venedig; die beteuerten, er müsse notwendig fallieren.

Shylock.

Das freut mich sehr! ich will ihn peinigen, ich will ihn martern; das freut mich!

Tubal.

Einer zeigte mir einen Ring, den ihm Eure Tochter für einen Affen gab.

Shylock.

Daß sie die Pest! Du marterst mich, Tubal. Es war mein Türkis, ich bekam ihn von Lea, als ich noch Junggeselle war; ich hätte ihn nicht für einen Wald von Affen weggegeben.

Tubal.

Aber Antonio ist gewiß ruiniert.

Shylock.

Ja, das ist wahr! das ist wahr! Geh, Tubal, miete mir einen Amtsdiener, bestell ihn vierzehn Tage vorher. Ich will sein Herz haben, wenn er verfällt; denn wenn er aus Venedig weg ist, so kann ich Handel treiben, wie ich will. Geh, geh, Tubal, und triff mich bei unsrer Synagoge! geh, guter Tubal! bei unsrer Synagoge, Tubal! (Ab.)

Zweite Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Bassanio, Porzia, Graziano, Nerissa und Gefolge treten auf

Die Kästchen sind aufgestellt

Porzia.

Ich bitt Euch, wartet ein, zwei Tage noch,

Bevor Ihr wagt; denn wählt Ihr falsch, so büße

Ich Euren Umgang ein; darum verzieht.

Ein Etwas sagt mir (doch es ist nicht Liebe),

Ich möcht Euch nicht verlieren; und Ihr wißt,

Es rät der Haß in diesem Sinne nicht.

Allein damit Ihr recht mich deuten möchtet

(Und doch, ein Mädchen spricht nur mit Gedanken),

Behielt‘ ich gern Euch ein paar Tage hier,

Eh Ihr für mich Euch wagt. Ich könnt Euch leiten

Zur rechten Wahl, dann bräch ich meinen Eid;

Das will ich nie; so könnt Ihr mich verfehlen.

Doch wenn Ihr’s tut, macht Ihr mich sündlich wünschen,

Ich hätt ihn nur gebrochen. O der Augen,

Die so bezaubert mich und mich geteilt!

Halb bin ich Eur, die andre Hälfte Euer –

Mein, wollt ich sagen; doch wenn mein, dann Euer,

Und so ganz Euer. O die böse Zeit,

Die Eignern ihre Rechte vorenthält!

Und so, ob Euer schon, nicht Euer. – Trifft es,

So sei das Glück dafür verdammt, nicht ich.

Zu lange red ich, doch nur um die Zeit

Zu dehnen, in die Länge sie zu ziehn,

Die Wahl noch zu verzögern.

Bassanio.

Laßt mich wählen,

Denn wie ich jetzt bin, leb ich auf der Folter.

Porzia.

Bassanio, auf der Folter? So bekennt,

Was für Verrat in Eurer Liebe steckt.

Bassanio.

Allein der häßliche Verrat des Mißtrauns,

Der mich am Glück der Liebe zweifeln läßt.

So gut verbände Schnee und Feuer sich

Zum Leben, als Verrat und meine Liebe.

Porzia.

Ja, doch ich sorg, Ihr redet auf der Folter,

Wo sie, gezwungen, sagen, was man will.

Bassanio.

Verheißt mir Leben, so bekenn ich Wahrheit.

Porzia.

Nun wohl, bekennt und lebt!

Bassanio.

Bekennt und liebt!

Mein ganz Bekenntnis wäre dies gewesen.

O selge Folter, wenn der Folterer

Mich Antwort lehrt zu meiner Lossprechung?

Doch laßt mein Heil mich bei den Kästchen suchen.

Porzia.

Hinzu denn! Eins darunter schließt mich ein;

Wenn Ihr mich liebt, so findet Ihr es aus.

Nerissa und ihr andern steht beiseit. –

Laßt nun Musik ertönen, weil er wählt!

So, wenn er fehltrifft, end‘ er Schwanen gleich

Hinsterbend in Musik; daß die Vergleichung

Noch näher passe, sei mein Aug der Strom,

Sein wäßrig Totenbett. Er kann gewinnen,

Und was ist dann Musik? Dann ist Musik

Wie Paukenklang, wenn sich ein treues Volk

Dem neugekrönten Fürsten neigt; ganz so

Wie jene süßen Tön in erster Frühe,

Die in des Bräutigams schlummernd Ohr sich schleichen

Und ihn zur Hochzeit laden. Jetzo geht er

Mit minder Anstand nicht, mit weit mehr Liebe,

Als einst Alcides, da er den Tribut

Der Jungfrau löste, welchen Troja heulend

Dem Seeuntier gezahlt. Ich steh als Opfer,

Die dort von fern sind die Dardanschen Fraun

Mit rotgeweinten Augen, ausgegangen,

Der Tat Erfolg zu sehn. – Geh, Herkules!

Leb du, so leb ich! mit viel stärkerm Bangen

Seh ich den Kampf, als du ihn eingegangen. (Musik, während Bassanio über die Kästchen mit sich zu Rate geht.) Lied

Erste Stimme. Sagt, woher stammt Liebeslust?

Aus den Sinnen, aus der Brust?

Ist euch ihr Lebenslauf bewußt? Zweite Stimme. In den Augen erst gehegt,

Wird Liebeslust durch Schaun gepflegt;

Stirbt das Kindchen, beigelegt

In der Wiege, die es trägt,

Läutet Totenglöckchen ihm;

Ich beginne: Bim! bim! bim! Chor. Bim! bim! bim!

Bassanio.

– So ist oft äußrer Schein sich selber fremd,

Die Welt wird immerdar durch Zier berückt.

Im Recht, wo ist ein Handel so verderbt,

Der nicht, geschmückt von einer holden Stimme,

Des Bösen Schein verdeckt? Im Gottesdienst,

Wo ist ein Irrwahn, den ein ehrbar Haupt

Nicht heiligte, mit Sprüchen nicht belegte,

Und bürge die Verdammlichkeit durch Schmuck?

Kein Laster ist so blöde, das von Tugend

Im äußern Tun nicht Zeichen an sich nähme.

Wie manche Feige, die Gefahren stehn

Wie Spreu dem Winde, tragen doch am Kinn

Den Bart des Herkules und finstern Mars,

Fließt gleich in ihren Herzen Blut wie Milch!

Und diese leihn des Mutes Auswuchs nur,

Um furchtbar sich zu machen. Blickt auf Schönheit,

Ihr werdet sehn, man kauft sie nach Gewicht,

Das hier ein Wunder der Natur bewirkt,

Und die es tragen, um so lockrer macht.

So diese schlänglicht krausen goldnen Locken,

Die mit den Lüften so mutwillig hüpfen

Auf angemaßtem Reiz: man kennt sie oft

Als eines zweiten Kopfes Ausstattung,

Der Schädel der sie trug, liegt in der Gruft.

So ist denn Zier die trügerische Küste

Von einer schlimmen See, der schöne Schleier,

Der Indiens Schöne birgt; mit einem Wort:

Die Scheinwahrheit, womit die schlaue Zeit

Auch Weise fängt. Darum, du gleißend Gold,

Des Midas harte Kost, dich will ich nicht,

Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer

Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei,

Das eher droht als irgend was verheißt,

Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an:

Ich wähle hier, und sei es wohlgetan!

Porzia.

Wie jede Regung fort die Lüfte tragen!

Als irre Zweifel, ungestüm Verzagen

Und bange Schaur und blasse Schüchternheit.

O Liebe, mäßge dich in deiner Seligkeit!

Halt ein, laß deine Freuden sanfter regnen;

Zu stark fühl ich, du mußt mich minder segnen,

Damit ich nicht vergeh.

Bassanio (öffnet das bleierne Kästchen).

Was find ich hier?

Der schönen Porzia Bildnis? Welcher Halbgott

Kam so der Schöpfung nah? Regt sich dies Auge?

Wie, oder schwebend auf des meinen Wölbung,

Scheint es bewegt? Hier sind erschloßne Lippen,

Die Nektarodem trennt: so süße Scheidung

Muß zwischen solchen süßen Freunden sein.

Der Maler spielte hier in ihrem Haar,

Die Spinne wob ein Netz, der Männer Herzen

Zu fangen wie die Mück im Spinngeweb.

Doch ihre Augen – o wie konnt er sehn,

Um sie zu malen? Da er eins gemalt,

Dünkt mich, es mußt ihm seine beiden stehlen

Und ungepaart sich lassen. Doch seht, soweit

Die Wahrheit meines Lobes diesem Schatten

Zu nahe tut, da es ihn unterschätzt,

Soweit läßt diesen Schatten hinter sich

Die Wahrheit selbst zurück. – Hier ist der Zettel,

Der Inbegriff und Auszug meines Glücks. «Ihr, der nicht auf Schein gesehn:

Wählt so recht und trefft so schön!

Weil Euch dieses Glück geschehn,

Wollet nicht nach anderm gehn.

Ist Euch dies nach Wunsch getan

Und findt Ihr Heil auf dieser Bahn,

Müßt Ihr Eurer Liebsten nahn,

Und sprecht mit holdem Kuß sie an.» Ein freundlich Blatt – erlaubt, mein holdes Leben,

(er küßt sie)

Ich komm, auf Schein zu nehmen und zu geben,

Wie, wer um einen Preis mit andern ringt

Und glaubt, daß vor dem Volk sein Tun gelingt;

Er hört den Beifall, Jubel schallt zum Himmel:

Im Geist benebelt, staunt er – «Dies Getümmel

Des Preises», fragt er sich, «gilt es denn mir?»

So, dreimal holdes Fräulein, steh ich hier,

Noch zweifelnd, ob kein Trug mein Auge blend’t,

Bis Ihr bestätigt, zeichnet, anerkennt.

Porzia.

Ihr seht mich, Don Bassanio, wo ich stehe,

So wie ich bin. Obschon für mich allein

Ich nicht ehrgeizig wär in meinem Wunsch,

Viel besser mich zu wünschen; doch für Euch

Wollt ich verdreifacht zwanzigmal ich selbst sein,

Noch tausendmal so schön, zehntausendmal

So reich. –

Nur um in Eurer Schätzung hoch zu stehn

Möcht ich an Gaben, Reizen, Gütern, Freunden

Unschätzbar sein; doch meine volle Summa

Macht etwas nur: das ist, in Bausch und Bogen,

Ein unerzognes, ungelehrtes Mädchen,

Darin beglückt, daß sie noch nicht zu alt

Zum Lernen ist; noch glücklicher, daß sie

Zum Lernen nicht zu blöde ward geboren;

Am glücklichsten, weil sie ihr weich Gemüt

Dem Euren überläßt, daß Ihr sie lenkt

Als ihr Gemahl, ihr Führer und ihr König.

Ich selbst, und was nur mein, ist Euch und Eurem

Nun zugewandt; noch eben war ich Eigner

Des schönen Guts hier, Herrin meiner Leute,

Monarchin meiner selbst; und eben jetzt

Sind Haus und Leut und ebendies «ich selbst»

Eur eigen, Herr. Nehmt sie mit diesem Ring;

Doch trennt Ihr Euch von ihm, verliert, verschenkt ihn,

So prophezei es Eurer Liebe Fall,

Und sei mein Anspruch gegen Euch zu klagen.

Bassanio.

Fräulein, Ihr habt der Worte mich beraubt,

Mein Blut nur in den Adern spricht zu Euch;

Verwirrung ist in meinen Lebensgeistern,

Wie sie nach einer wohlgesprochnen Rede

Von einem teuren Prinzen wohl im Kreis

Der murmelnden zufriednen Meng erscheint,

Wo jedes Etwas, ineinander fließend,

Zu einem Chaos wird von nichts als Freude,

Laut und doch sprachlos. – Doch weicht dieser Ring

Von diesem Finger, dann weicht hier das Leben;

O dann sagt kühn, Bassanio sei tot!

Nerissa.

Mein Herr und Fräulein, jetzt ist unsre Zeit,

Die wir dabei gestanden und die Wünsche

Gelingen sehn, zu rufen: Freud und Heil!

Habt Freud und Heil, mein Fräulein und mein Herr!

Graziano.

Mein Freund Bassanio und mein wertes Fräulein,

Ich wünsch euch, was für Freud ihr wünschen könnt;

Denn sicher wünscht ihr keine von mir weg.

Und wenn ihr beiderseits zu feiern denkt

Den Austausch eurer Treue, bitt ich euch,

Daß ich zugleich mich auch verbinden dürfe.

Bassanio.

Von Herzen gern, kannst du ein Weib dir schaffen.

Graziano.

Ich dank Euch, Herr, Ihr schafftet mir ein Weib.

Mein Auge kann so hurtig schaun als Eures;

Ihr saht das Fräulein, ich die Dienerin;

Ihr liebtet und ich liebte; denn Verzug

Steht mir nicht besser an als Euch, Bassanio.

Eur eignes Glück hing an den Kästchen dort,

Und so auch meines, wie es sich gefügt.

Denn werbend hier, bis ich in Schweiß geriet,

Und schwörend, bis mein Gaum‘ von Liebesschwüren

Ganz trocken war, ward ich zuletzt – geletzt

Durch ein Versprechen dieser Schönen hier,

Mir Liebe zu erwidern, wenn Eur Glück

Ihr Fräulein erst gewönne.

Porzia.

Ist’s wahr, Nerissa?

Nerissa.

Ja, Fräulein, wenn Ihr Euren Beifall gebt.

Bassanio.

Und meint Ihr’s, Graziano, recht im Ernst?

Graziano.

Ja, auf mein Wort.

Bassanio.

Ihr ehrt durch Eure Heirat unser Fest.

Graziano.

Wir wollen mit ihnen auf den ersten Jungen wetten um tausend Dukaten.

Doch wer kommt hier; Lorenzo und sein Heidenkind?

Wie? und mein alter Landsmann, Freund Salerio? Lorenzo, Jessica und Salerio treten auf.

Bassanio.

Lorenzo und Salerio, willkommen,

Wofern die Jugend meines Ansehns hier

Willkommen heißen darf. Erlaubet mir,

Ich heiße meine Freund und Landesleute

Willkommen, holde Porzia.

Porzia.

Ich mit Euch;

Sie sind mir sehr willkommen.

Lorenzo.

Dank Euer Gnaden! – Was mich angeht, Herr,

Mein Vorsatz war es nicht, Euch hier zu sehn;

Doch da ich unterwegs Salerio traf,

So bat er mich, daß ich’s nicht weigern konnte,

Hieher ihn zu begleiten.

Salerio.

Ja, ich tat’s

Und habe Grund dazu. Signor Antonio

Empfiehlt sich Euch. (Gibt dem Bassanio einen Brief.)

Bassanio.

Eh ich den Brief erbreche,

Sagt, wie befindet sich mein wackrer Freund?

Salerio.

Nicht krank, Herr, wenn er’s im Gemüt nicht ist,

Noch wohl, als im Gemüt; der Brief da wird

Euch seinen Zustand melden.

Graziano.

Nerissa, muntert dort die Fremde auf,

Heißt sie willkommen. Eure Hand, Salerio!

Was bringt Ihr von Venedig mit? Wie geht’s

Dem königlichen Kaufmann, dem Antonio?

Ich weiß, er wird sich unsers Glückes freun;

Wir sind die Iasons, die das Vlies gewonnen.

Salerio.

O hättet Ihr das Vlies, das er verlor.

Porzia.

In dem Papier ist ein feindselger Inhalt,

Es stiehlt die Farbe von Bassanios Wangen.

Ein teurer Freund tot; nichts auf Erden sonst,

Was eines festgesinnten Mannes Fassung

So ganz verwandeln kann. Wie? schlimm und schlimmer?

Erlaubt, Bassanio, ich bin halb Ihr selbst,

Und mir gebührt die Hälfte auch von allem,

Was dies Papier Euch bringt.

Bassanio.

O werte Porzia,

Hier sind ein paar so widerwärtge Worte,

Als je Papier bedeckten. Holdes Fräulein,

Als ich zuerst Euch meine Liebe bot,

Sagt ich Euch frei, mein ganzer Reichtum rinne

In meinen Adern: ich sei Edelmann;

Und dann sagt ich Euch wahr. Doch, teures Fräulein,

Da ich auf nichts mich schätzte, sollt Ihr sehn,

Wie sehr ich Prahler war. Da ich Euch sagte,

Mein Gut sei nichts, hätt ich Euch sagen sollen,

Es sei noch unter nichts; denn in der Tat,

Mich selbst verband ich einem teuren Freunde,

Den Freund verband ich seinem ärgsten Feind,

Um mir zu helfen. Hier, Fräulein, ist ein Brief,

Das Blatt Papier, wie meines Freundes Leib

Und jedes Wort drauf eine offne Wunde,

Der Lebensblut entströmt. – Doch ist es wahr,

Salerio? Sind denn alle Unternehmen

Ihm fehlgeschlagen? Wie, nicht eins gelang?

Von Tripolis, von Mexiko, von England,

Von Indien, Lissabon, der Berberei?

Und nicht ein Schiff entging dem furchbarn Anstoß

Von Armut drohnden Klippen?

Salerio.

Nein, nicht eins.

Und außerdem, so scheint es, hätt er selbst

Das bare Geld, den Juden zu bezahlen,

Der nähm es nicht. Nie kannt ich ein Geschöpf,

Das die Gestalt von einem Menschen trug,

So gierig, einen Menschen zu vernichten.

Er liegt dem Dogen früh und spät im Ohr

Und klagt des Staats verletzte Freiheit an,

Wenn man sein Recht ihm weigert. Zwanzig Handelsleute,

Der Doge selber und die Senatoren

Vom größten Ansehn reden all ihm zu;

Doch niemand kann aus der Schikan ihn treiben

Von Recht, verfallner Buß und seinem Schein.

Jessica.

Als ich noch bei ihm war, hört ich ihn schwören

Vor seinen Landesleuten Chus und Tubal,

Er wolle lieber des Antonio Fleisch

Als den Betrag der Summe zwanzigmal,

Die er ihm schuldig sei. Und, Herr, ich weiß,

Wenn ihm nicht Recht, Gewalt und Ansehn wehrt,

Wird es dem armen Manne schlimm ergehn.

Porzia.

Ist’s Euch ein teurer Freund, der so in Not ist?

Bassanio.

Der teurste Freund, der liebevollste Mann,

Das unermüdet willigste Gemüt

Zu Dienstleistungen und ein Mann, an dem

Die alte Römerehre mehr erscheint

Als sonst an wem, der in Italien lebt.

Porzia.

Welch eine Summ‘ ist er dem Juden schuldig?

Bassanio.

Für mich, dreitausend Dukaten.

Porzia.

Wie? nicht mehr?

Zahlt ihm sechstausend aus und tilgt den Schein,

Doppelt sechstausend, dann verdreifacht das,

Eh einem Freunde dieser Art ein Haar

Gekränkt soll werden durch Bassanios Schuld.

Erst geht mit mir zur Kirch und nennt mich Weib,

Dann nach Venedig fort zu Eurem Freund,

Denn nie sollt Ihr an Porzias Seite liegen

Mit Unruh in der Brust. Gold geb ich Euch,

Um zwanzigmal die kleine Schuld zu zahlen;

Zahlt sie und bringt den echten Freund mit Euch.

Nerissa und ich selbst indessen leben

Wie Mädchen und wie Witwen. Kommt mit mir,

Ihr sollt auf Euren Hochzeitstag von hier.

Begrüßt die Freunde, laßt den Mut nichts trüben;

So teur gekauft, will ich Euch teuer lieben. –

Doch laßt mich hören Eures Freundes Brief.

Bassanio (liest).

«Liebster Bassanio! Meine Schiffe sind alle verunglückt, meine Gläubiger werden grausam, mein Glücksstand ist ganz zerrüttet, meine Verschreibung an den Juden ist verfallen, und da es unmöglich ist, daß ich lebe, wenn ich sie zahle, so sind alle Schulden zwischen mir und Euch berichtigt. Wenn ich Euch nur bei meinem Tode sehen könnte! Jedoch handelt nach Belieben; wenn Eure Liebe Euch nicht überredet, zu kommen, so muß es mein Brief nicht.

Porzia.

O Liebster, geht, laßt alles andre liegen!

Bassanio.

Ja, eilen will ich, da mir Eure Huld

Zu gehn erlaubt; doch bis ich hier zurück,

Sei nie ein Bett an meinem Zögern schuld,

Noch trete Ruhe zwischen unser Glück! (Alle ab.)

Dritte Szene

Venedig. Eine Straße

Shylock, Solanio, Antonio und Gefangenwärter treten auf

Shylock.

Acht auf ihn, Schließer! – Sagt mir nicht von Gnade, Dies ist der Narr, der Geld umsonst auslieh. – Acht auf ihn, Schließer!

Antonio.

Hört mich, guter Shylock.

Shylock.

Ich will den Schein, nichts gegen meinen Schein!

Ich tat ’nen Eid, auf meinen Schein zu dringen.

Du nanntest Hund mich, eh du Grund gehabt;

Bin ich ein Hund, so meide meine Zähne.

Der Doge soll mein Recht mir tun. – Mich wundert’s,

Daß du so töricht bist, du loser Schließer,

Auf sein Verlangen mit ihm auszugehn.

Antonio.

Ich bitte, hör mich reden.

Shylock.

Ich will den Schein, ich will nicht reden hören,

Ich will den Schein, und also sprich nicht mehr.

Ich macht mich nicht zum schwachen, blinden Narrn,

Der seinen Kopf wiegt, seufzt, bedauert, nachgibt

Den christlichen Vermittlern. Folg mir nicht,

Ich will kein Reden, meinen Schein will ich. (Shylock ab.)

Solanio.

Das ist ein unbarmherzger Hund, wie’s keinen

Je unter Menschen gab.

Antonio.

Laßt ihn nur gehn,

Ich geh ihm nicht mehr nach mit eitlen Bitten.

Er sucht mein Leben, und ich weiß warum;

Oft hab ich Schuldner, die mir vorgeklagt,

Davon erlöst, in Buß ihm zu verfallen;

Deswegen haßt er mich.

Solanio.

Gewiß, der Doge

Gibt nimmer zu, daß diese Buße gilt.

Antonio.

Der Doge kann des Rechtes Lauf nicht hemmen;

Denn die Bequemlichkeit, die Fremde finden

Hier in Venedig, wenn man sie versagt,

Setzt die Gerechtigkeit des Staats herab,

Weil der Gewinn und Handel dieser Stadt

Beruht auf allen Völkern. Gehn wir denn!

Der Gram und der Verlust zehrt so an mir

Kaum werd ich ein Pfund Fleisch noch übrig haben

Auf morgen für den blutgen Gläubiger.

Komm, Schließer! Gebe Gott, daß nur Bassanio

Mich für ihn zahlen sieht, so gilt mir’s gleich. (Ab.)

Vierte Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Porzia, Nerissa, Lorenzo, Jessica und Balthasar kommen

Lorenzo.

Mein Fräulein, sag ich’s schon in Eurem Beisein,

Ihr habt ein edles und ein echt Gefühl

Von göttergleicher Freundschaft; das beweist Ihr,

Da Ihr die Trennung vom Gemahl so tragt.

Doch wüßtet Ihr, wem Ihr die Ehr erzeigt,

Welch einem biedern Mann Ihr Hilfe sendet,

Welch einem lieben Freunde Eures Gatten,

Ich weiß, Ihr wäret stolzer auf das Werk,

Als Euch gewohnte Güte drängen kann.

Porzia.

Noch nie bereut ich, daß ich Gutes tat,

Und werd es jetzt auch nicht; denn bei Genossen,

Die miteinander ihre Zeit verleben

Und deren Herz ein Joch der Liebe trägt,

Da muß unfehlbar auch ein Ebenmaß

Von Zügen sein, von Sitten und Gemüt.

Dies macht mich glauben, der Antonio,

Als Busenfreund von meinem Gatten, müsse

Durchaus ihm ähnlich sein. Wenn es so ist,

Wie wenig ist es, was ich aufgewandt,

Um meiner Seele Ebenbild zu lösen

Aus einem Zustand höllscher Grausamkeit!

Doch dies kommt einem Selbstlob allzu nah;

Darum nichts mehr davon. Hört andre Dinge:

Lorenzo, ich vertrau in Eure Hand

Die Wirtschaft und die Führung meines Hauses,

Bis zu Bassanios Rückkehr; für mein Teil

Ich sandt ein heimliches Gelübd zum Himmel,

Zu leben in Beschauung und Gebet,

Allein begleitet von Nerissa hier,

Bis zu der Rückkunft unser beider Gatten.

Ein Kloster liegt zwei Meilen weit von hier,

Da wollen wir verweilen. Ich ersuch Euch:

Lehnt nicht den Auftrag ab, den meine Liebe

Und eine Nötigung des Zufalls jetzt

Euch auferlegt.

Lorenzo.

Von ganzem Herzen, Fräulein;

In allem ist mir Euer Wink Befehl.

Porzia.

Schon wissen meine Leute meinen Willen

Und werden Euch und Jessica erkennen

An meiner eignen und Bassanios Statt.

So lebt denn wohl, bis wir uns wiedersehn!

Lorenzo.

Sei froher Mut mit Euch und heitre Stunden!

Jessica.

Ich wünsch Eur Gnaden alle Herzensfreude.

Porzia.

Ich dank Euch für den Wunsch und bin geneigt,

Ihn Euch zurückzuwünschen. – Jessica, lebt wohl!

(Jessica und Lorenzo ab.) Nun, Balthasar,

Wie ich dich immer treu und redlich fand,

Laß mich auch jetzt dich finden. Nimm den Brief

Und eile, was in Menschenkräften steht,

Nach Padua; gib ihn zu eignen Händen

An meinen Vetter ab, Doktor Bellario.

Sieh zu, was er dir für Papiere gibt

Und Kleider; bringe die in höchster Eil

Zur Überfahrt an die gemeine Fähre,

Die nach Venedig schifft. Verlier die Zeit

Mit Worten nicht; geh, ich bin vor dir da.

Balthasar.

Fräulein, ich geh mit aller schuldigen Eil. (Balthasar ab.)

Porzia.

Nerissa, komm. Ich hab ein Werk zur Hand,

Wovon du noch nicht weißt; wir wollen unsre Männer,

Eh sie es denken, sehn.

Nerissa.

Und sie auch uns?

Porzia.

Jawohl, Nerissa, doch in solcher Tracht,

Daß sie mit dem versehn uns denken sollen,

Was uns gebricht. Ich wette, was du willst:

Sind wir wie junge Männer aufgestutzt,

Will ich der feinste Bursch von beiden sein

Und meinen Degen mit mehr Anstand tragen

Und sprechen wie im Übergang vom Knaben

Zum Mann und einem heiseren Diskant.

Ich will zwei jüngferliche Tritte dehnen

Zu einem Männerschritt; vom Raufen sprechen

Wie kecke junge Herrn; und artig lügen,

Wie edle Frauen meine Liebe suchten

Und, da ich sie versagt, sich tot gehärmt. –

Ich konnte nicht mit allen fertig werden;

Und dann bereu ich es und wünsch, ich hätte

Bei alledem sie doch nicht umgebracht.

Und zwanzig solcher kleinen Lügen sag ich,

So daß man schwören soll, daß ich die Schule

Schon seit dem Jahr verließ. – Ich hab im Sinn

Wohl tausend Streiche solcher dreisten Gecken,

Die ich verüben will.

Nerissa.

So sollen wir in Männer uns verwandeln?

Porzia.

Ja, komm, ich sag dir meinen ganzen Anschlag,

Wenn wir im Wagen sind, der uns am Tor

Des Parks erwartet; darum laß uns eilen,

Denn wir durchmessen heut noch zwanzig Meilen. (Ab.)

Fünfte Szene

Belmont. Ein Garten

Lanzelot und Jessica kommen

Lanzelot.

Ja, wahrhaftig! Denn seht Ihr, die Sünden der Väter sollen an den Kindern heimgesucht werden: darum glaubt mir, ich bin besorgt für Euch. Ich ging immer gerade gegen Euch heraus, und so sage ich Euch meine Deliberation über die Sache. Also seid gutes Mutes, denn wahrhaftig, ich denke, Ihr seid verdammt. Es ist nur eine Hoffnung dabei, die Euch zustatten kommen kann, und das ist auch nur so eine Art von Bastardhoffnung.

Jessica.

Und welche Hoffnung ist das?

Lanzelot.

Ei, Ihr könnt gewissermaßen hoffen, daß Euer Vater Euch nicht erzeugt hat, daß Ihr nicht des Juden Tochter seid.

Jessica.

Das wäre in der Tat eine Art von Bastardhoffnung, dann würden die Sünden meiner Mutter an mir heimgesucht werden.

Lanzelot.

Wahrhaftig, dann fürchte ich, Ihr seid von Vater und Mutter wegen verdammt. Wenn ich die Scylla, Euren Vater, vermeide, so falle ich in die Charybdis, Eure Mutter; gut, Ihr seid auf eine und die andre Art verloren.

Jessica.

Ich werde durch meinen Mann selig werden; er hat mich zu einer Christin gemacht.

Lanzelot.

Wahrhaftig, da ist er sehr zu tadeln. Es gab unser vorher schon Christen genug, grade soviel, als nebeneinander gut bestehen konnten. Dies Christenmachen wird den Preis der Schweine steigern; wenn wir alle Schweinefleischesser werden, so ist in kurzem kein Schnittchen Speck in der Pfanne für Geld mehr zu haben. Lorenzo kommt.

Jessica.

Ich will meinem Mann erzählen, was Ihr sagt, Lanzelot; hier kommt er.

Lorenzo.

Bald werde ich eifersüchtig auf Euch, Lanzelot, wenn Ihr meine Frau so in die Ecken zieht.

Jessica.

Ihr habt nichts zu befürchten, Lorenzo; Lanzelot und ich, wir sind ganz entzweit. Er sagt mir grade heraus, im Himmel sei keine Gnade für mich, weil ich eines Juden Tochter bin; und er behauptet, daß Ihr kein gutes Mitglied des gemeinen Wesens seid, weil Ihr Juden zum Christentum bekehrt und dadurch den Preis des Schweinefleisches steigert.

Lorenzo.

Das kann ich besser beim gemeinen Wesen verantworten als Ihr Eure Streiche mit der Mohrin. Da Ihr ein Weißer seid, Lanzelot, hättet Ihr die Schwarze nicht so aufgeblasen machen sollen.

Lanzelot.

Es tut mir leid, wenn ich ihr etwas weisgemacht habe; aber da das Kind einen weisen Vater hat, wird es doch keine Waise sein.

Lorenzo.

Wie jeder Narr mit den Worten spielen kann! Bald, denke ich, wird sich der Witz am besten durch Stillschweigen bewähren und Gesprächigkeit bloß noch an Papageien gelobt werden. – Geht ins Haus, Bursch, sagt, daß sie zur Mahlzeit zurichten.

Lanzelot.

Das ist geschehn, Herr, sie haben alle Mägen.

Lorenzo.

Lieber Himmel, welch ein Witzschnapper Ihr seid! Sagt also, daß sie die Mahlzeit anrichten.

Lanzelot.

Das ist auch geschehn, es fehlt nur am Decken.

Lorenzo.

Wollt Ihr also decken?

Lanzelot.

Mich, Herr? Ich weiß besser, was sich schickt.

Lorenzo.

Wieder Silben gestochen! Willst du deinen ganzen Reichtum an Witz auf einmal zum besten geben? Ich bitte dich, verstehe einen schlichten Mann nach seiner schlichten Meinung. Geh zu deinen Kameraden, heiß sie den Tisch decken, das Essen auftragen, und wir wollen zur Mahlzeit hereinkommen.

Lanzelot.

Der Tisch, Herr, soll aufgetragen werden, das Essen soll gedeckt werden; und was Euer Hereinkommen zur Mahlzeit betrifft, dabei laßt Lust und Laune walten. (Ab.)

Lorenzo.

O heilige Vernunft, was eitle Worte!

Der Narr hat ins Gedächtnis sich ein Heer

Wortspiele eingeprägt. Und kenn ich doch

Gar manchen Narrn an einer bessern Stelle,

So aufgestutzt, der um ein spitzes Wort

Die Sache preisgibt. Wie geht’s dir, Jessica?

Und nun sag deine Meinung, liebes Herz,

Wie Don Bassanios Gattin dir gefällt?

Jessica.

Mehr als ich sagen kann. Es schickt sich wohl,

Daß Don Bassanio fromm sein Leben führe;

Denn da sein Weib ihm solch ein Segen ist,

Find’t er des Himmels Lust auf Erden schon.

Und will er das auf Erden nicht, so wär’s

Ihm recht, er käme niemals in den Himmel.

Ja, wenn zwei Götter irgendeine Wette

Des Himmels um zwei irdsche Weiber spielten,

Und Porzia wär die eine, tät es not,

Noch sonst was mit der andern auf das Spiel

Zu setzen; denn die arme rohe Welt

Hat ihresgleichen nicht.

Lorenzo.

Und solchen Mann

Hast du an mir, als er an ihr ein Weib.

Jessica.

Ei, fragt doch darum meine Meinung auch.

Lorenzo.

Sogleich; doch laß uns erst zur Mahlzeit gehn.

Jessica.

Nein, laßt mich vor der Sättigung Euch loben.

Lorenzo.

Nein, bitte, spare das zum Tischgespräch;

Wie du dann sprechen magst, so mit dem andern

Werd ich’s verdaun.

Jessica.

Nun gut, ich werd Euch anzupreisen wissen. (Ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

Venedig. Ein Gerichtssaal

Der Doge, die Senatoren, Antonio, Bassanio, Graziano, Salarino, Solanio und andre

Doge.

Nun, ist Antonio da?

Antonio.

Eur Hoheit zu Befehl.

Doge.

Es tut mir leid um dich; du hast zu tun

Mit einem felsenharten Widersacher;

Es ist ein Unmensch, keines Mitleids fähig.

Kein Funk Erbarmen wohnt in ihm.

Antonio.

Ich hörte,

Daß sich Eur Hoheit sehr verwandt, zu mildern

Sein streng Verfahren; doch weil er sich verstockt

Und kein gesetzlich Mittel seinem Haß

Mich kann entziehn, so stell ich denn Geduld

Entgegen seiner Wut und bin gewaffnet

Mit Ruhe des Gemütes, auszustehn

Des seinen ärgsten Grimm und Tyrannei.

Doge.

Geh wer und ruf den Juden in den Saal.

Solanio.

Er wartet an der Tür; er kommt schon, Herr. Shylock kommt.

Doge.

Macht Platz, laßt ihn uns gegenüberstehn. –

Shylock, die Welt denkt, und ich denk es auch,

Du treibest diesen Anschein deiner Bosheit

Nur bis zum Augenblick der Tat; und dann,

So glaubt man, wirst du dein Erbarmen zeigen

Und deine Milde, wunderbarer noch

Als deine angenommne Grausamkeit.

Statt daß du jetzt das dir Verfallne eintreibst,

Ein Pfund von dieses armen Kaufmanns Fleisch,

Wirst du nicht nur die Buße fahren lassen,

Nein, auch gerührt von Lieb und Menschlichkeit,

Die Hälfte schenken von der Summe selbst,

Ein Aug des Mitleids auf die Schäden werfend,

Die kürzlich seine Schultern so bestürmt:

Genug, um einen königlichen Kaufmann

Ganz zu erdrücken und an seinem Fall

Teilnahme zu erzwingen, selbst von Herzen,

So hart wie Kieselstein, von ehrnen Busen

Von Türken und Tataren, nie gewöhnt

An Dienste zärtlicher Gefälligkeit.

Wir all erwarten milde Antwort, Jude.

Shylock.

Ich legt Eur Hoheit meine Absicht vor:

Bei unserm heilgen Sabbat schwor ich es,

Zu fordern, was nach meinem Schein mir zusteht.

Wenn Ihr es weigert, tut’s auf die Gefahr

Der Freiheit und Gerechtsam‘ Eurer Stadt.

Ihr fragt, warum ich lieber ein Gewicht

Von schnödem Fleisch will haben, als dreitausend

Dukaten zu empfangen? Darauf will ich

Nicht Antwort geben; aber setzet nun,

Daß mir’s so ansteht: ist das Antwort gnug?

Wie? wenn mich eine Ratt im Hause plagt?

Und ich, sie zu vergiften, nun dreitausend

Dukaten geben will? – Ist’s noch nicht Antwort gnug?

Es gibt der Leute, die kein schmatzend Ferkel

Ausstehen können; manche werden toll,

Wenn sie ’ne Katze sehn; noch andre können,

Wenn die Sackpfeife durch die Nase singt,

Den Harn nicht bei sich halten; denn die Triebe,

Der Leidenschaften Meister, lenken sie

Nach Lust und Abneigung. Nun, Euch zur Antwort:

Wie sich kein rechter Grund angeben läßt,

Daß der kein schmatzend Ferkel leiden kann,

Der keine Katz, ein harmlos nützlich Tier,

Der keinen Dudelsack; und muß durchaus

Sich solcher unfreiwillgen Schmach ergeben,

Daß er, belästigt, selbst belästgen muß;

So weiß ich keinen Grund, will keinen sagen,

Als eingewohnten Haß und Widerwillen,

Den mir Antonio einflößt, daß ich so

Ein mir nachteilig Recht an ihm verfolge.

Habt Ihr nun eine Antwort?

Bassanio.

Nein, es ist keine, du fühlloser Mann,

Die deine Grausamkeit entschuldgen könnte.

Shylock.

Muß ich nach deinem Sinn dir Antwort geben?

Bassanio.

Bringt jedermann das um, was er nicht liebt?

Shylock.

Wer haßt ein Ding und brächt es nicht gern um?

Bassanio.

Beleidigung ist nicht sofort auch Haß.

Shylock.

Was? läßt du dich die Schlange zweimal stechen?

Antonio.

Ich bitt Euch, denkt, Ihr rechtet mit dem Juden.

Ihr mögt so gut hintreten auf den Strand,

Die Flut von ihrer Höh sich senken heißen;

Ihr mögt so gut den Wolf zur Rede stellen,

Warum er nach dem Lamm das Schaf läßt blöken?

Ihr mögt so gut den Bergestannen wehren,

Ihr hohes Haupt zu schütteln und zu sausen,

Wenn sie des Himmels Sturm in Aufruhr setzt;

Ihr mögt so gut das Härteste bestehn,

Als zu erweichen suchen – was wär härter? –

Sein jüdisch Herz. – Ich bitt Euch also, bietet

Ihm weiter nichts, bemüht Euch ferner nicht

Und gebt in aller Kürz und gradezu

Mir meinen Spruch, dem Juden seinen Willen.

Bassanio.

Statt der dreitausend Dukaten sind hier sechs.

Shylock.

Wär jedes Stück von den sechstausend Dukaten

Sechsfach geteilt und jeder Teil ’n Dukat,

Ich nähm sie nicht, ich wollte meinen Schein.

Doge.

Wie hoffst du Gnade, da du keine übst?

Shylock.

Welch Urteil soll ich scheun, tu ich kein Unrecht?

Ihr habt viel feiler Sklaven unter Euch,

Die Ihr wie Eure Esel, Hund‘ und Maultier‘

In sklavischem, verworfnem Dienst gebraucht,

Weil Ihr sie kauftet. Sag ich nun zu Euch –

Laßt sie doch frei, vermählt sie Euren Erben;

Was plagt Ihr sie mit Lasten? laßt ihr Bett

So weich als Eures sein, labt ihren Gaum‘

Mit eben solchen Speisen. – Ihr antwortet:

Die Sklaven sind ja unser; und so geb ich

Zur Antwort: das Pfund Fleisch, das ich verlange,

Ist teur gekauft, ist mein, und ich will’s haben.

Wenn Ihr versagt, pfui über Eur Gesetz!

So hat das Recht Venedigs keine Kraft.

Ich wart auf Spruch; antwortet: soll ich’s haben?

Doge.

Ich bin befugt, die Sitzung zu entlassen,

Wo nicht Bellario, ein gelehrter Doktor,

Zu dem ich um Entscheidung ausgeschickt,

Hier heut erscheint.

Salarino.

Eur Hoheit, draußen steht

Ein Bote hier, mit Briefen von dem Doktor,

Er kommt soeben an von Padua.

Doge.

Bringt uns die Briefe, ruft den Boten vor.

Bassanio.

Wohlauf, Antonio! Freund, sei gutes Muts!

Der Jude soll mein Fleisch, Blut, alles haben,

Eh dir ein Tropfen Bluts für mich entgeht.

Antonio.

Ich bin ein angestecktes Schaf der Herde,

Zum Tod am tauglichsten; die schwächste Frucht

Fällt vor der andern, und so laßt auch mich.

Ihr könnt nicht bessern Dienst mir tun, Bassanio,

Als wenn Ihr lebt und mir die Grabschrift setzt. Nerissa tritt auf, als Schreiber eines Advokaten gekleidet.

Doge.

Kommt Ihr von Padua, von Bellario?

Nerissa.

Von beiden, Herr; Bellario grüßt Eur Hoheit. (Sie überreicht einen Brief.)

Bassanio.

Was wetzest du so eifrig da dein Messer?

Shylock.

Die Buß dem Bankrottierer auszuschneiden.

Graziano.

An deiner Seel, an deiner Sohle nicht,

Machst du dein Messer scharf, du harter Jude!

Doch kein Metall, selbst nicht des Henkers Beil,

Hat halb die Schärfe deines scharfen Grolls.

So können keine Bitten dich durchdringen?

Shylock.

Nein, keine, die du Witz zu machen hast.

Graziano.

O sei verdammt, du unbarmherzger Hund!

Und um dein Leben sei Gerechtigkeit verklagt.

Du machst mich irre fast in meinem Glauben,

Daß ich es halte mit Pythagoras,

Wie Tieresseelen in die Leiber sich

Von Menschen stecken; einen Wolf regierte

Dein hündscher Geist, der, aufgehenkt für Mord,

Die grimme Seele weg vom Galgen riß

Und, weil du lagst in deiner schnöden Mutter,

In dich hineinfuhr; denn dein ganz Begehren

Ist wölfisch, blutig, räuberisch und hungrig.

Shylock.

Bis du von meinem Schein das Siegel wegschiltst,

Tust du mit Schrein nur deiner Lunge weh.

Stell deinen Witz her, guter junger Mensch,

Sonst fällt er rettungslos in Trümmern dir.

Ich stehe hier um Recht.

Doge.

Der Brief da von Bellarios Hand empfiehlt

Uns einen jungen und gelehrten Doktor. –

Wo ist er denn?

Nerissa.

Er wartet dicht bei an

Auf Antwort, ob Ihr Zutritt ihm vergönnt.

Doge.

Von ganzem Herzen! Geht ein paar von euch

Und gebt ihm höfliches Geleit hieher.

Hör das Gericht indes Bellarios Brief.

Ein Schreiber (liest).

«Eur Hoheit dient zur Nachricht, daß ich beim Empfange Eures Briefes sehr krank war. Aber in dem Augenblick, da Euer Bote ankam, war bei mir auf einen freundschaftlichen Besuch ein junger Doktor von Rom, namens Balthasar. Ich machte ihn mit dem streitigen Handel zwischen dem Juden und dem Kaufmann Antonio bekannt; wir schlugen viele Bücher nach. Er ist von meiner Meinung unterrichtet, die er, berichtigt durch seine eigne Gelehrsamkeit (deren Umfang ich nicht genug empfehlen kann), mitgenommen hat, um auf mein Andringen Euer Hoheit an meiner Statt Genüge zu leisten. Ich ersuche Euch, laßt seinen Mangel an Jahren keinen Grund sein, ihm eine anständige Achtung zu versagen; denn ich kannte noch niemals einen so jungen Körper mit einem so alten Kopf. Ich überlasse ihn Eurer gnädigen Aufnahme; seine Prüfung wird ihn am besten empfehlen.»

Doge.

Ihr hört, was der gelehrte Mann uns schreibt,

Und hier, so glaub ich, kommt der Doktor schon.

Porzia tritt auf, wie ein Rechtsgelehrter gekleidet.

Gebt mir die Hand; Ihr kommt von unserm alten

Bellario?

Porzia.

Zu dienen, gnädger Herr!

Doge.

Ihr seid willkommen! nehmet Euren Platz.

Seid Ihr schon mit der Zwistigkeit bekannt,

Die hier vor dem Gericht verhandelt wird?

Porzia.

Ich bin ganz unterrichtet von der Sache.

Wer ist der Kaufmann hier und wer der Jude?

Doge.

Antonio, alter Shylock, tretet vor!

Porzia.

Eur Nam ist Shylock?

Shylock.

Shylock ist mein Name.

Porzia.

Von wunderlicher Art ist Euer Handel,

Doch in der Form, daß das Gesetz Venedigs

Euch nicht anfechten kann, wie Ihr verfahrt. –

Ihr seid von ihm gefährdet; seid Ihr nicht?

Antonio.

Ja, wie er sagt.

Porzia.

Den Schein erkennt Ihr an?

Antonio.

Ja.

Porzia.

So muß der Jude Gnad ergehen lassen.

Shylock.

Wodurch genötigt, muß ich? Sagt mir das.

Porzia.

Die Art der Gnade weiß von keinem Zwang.

Sie träufelt wie des Himmels milder Regen

Zur Erde unter ihr; zwiefach gesegnet:

Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt;

Am mächtigsten in Mächtgen, zieret sie

Den Fürsten auf dem Thron mehr als die Krone.

Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt,

Das Attribut der Würd und Majestät,

Worin die Furcht und Scheu der Könge sitzt.

Doch Gnad ist über diese Zeptermacht,

Sie thronet in dem Herzen der Monarchen,

Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst,

Und irdsche Macht kommt göttlicher am nächsten,

Wenn Gnade bei dem Recht steht. Darum, Jude,

Suchst du um Recht schon an, erwäge dies:

Daß nach dem Lauf des Rechtes unser keiner

Zum Heile käm; wir beten all um Gnade,

Und dies Gebet muß uns der Gnade Taten

Auch üben lehren. Dies hab ich gesagt,

Um deine Forderung des Rechts zu mildern;

Wenn du darauf bestehst, so muß Venedigs

Gestrenger Hof durchaus dem Kaufmann dort

Zum Nachteil einen Spruch tun.

Shylock.

Meine Taten

Auf meinen Kopf! Ich fordre das Gesetz,

Die Buße und Verpfändung meines Scheins.

Porzia.

Ist er das Geld zu zahlen nicht imstand?

Bassanio.

O ja, hier biet ich’s ihm vor dem Gericht,

Ja, doppelt selbst; wenn das noch nicht genügt,

Verpflicht ich mich, es zehnfach zu bezahlen,

Und setze Hände, Kopf und Herz zum Pfand.

Wenn dies noch nicht genügt, so zeigt sich’s klar,

Die Bosheit drückt die Redlichkeit. Ich bitt Euch,

Beugt einmal das Gesetz nach Eurem Ansehn:

Tut kleines Unrecht um ein großes Recht

Und wehrt dem argen Teufel seinen Willen.

Porzia.

Es darf nicht sein. Kein Ansehn in Venedig

Vermag ein gültiges Gesetz zu ändern.

Es würde als ein Vorgang angeführt,

Und mancher Fehltritt nach demselben Beispiel

Griff‘ um sich in dem Staat; es kann nicht sein.

Shylock.

Ein Daniel kommt zu richten, ja, ein Daniel!

Wie ich dich ehr, o weiser junger Richter!

Porzia.

Ich bitte, gebt zum Ansehn mir den Schein.

Shylock.

Hier ist er, mein ehrwürdger Doktor, hier!

Porzia.

Shylock, man bietet dreifach dir dein Geld.

Shylock.

Ein Eid! Ein Eid! ich hab ’nen Eid im Himmel.

Soll ich auf meine Seele Meineid laden?

Nicht um Venedig.

Porzia.

Gut, er ist verfallen,

Und nach den Rechten kann der Jud hierauf

Verlangen ein Pfund Fleisch, zunächst am Herzen

Des Kaufmanns auszuschneiden. – Sei barmherzig!

Nimm dreifach Geld, laß mich den Schein zerreißen.

Shylock.

Wenn er bezahlt ist, wie sein Inhalt lautet. –

Es zeigt sich klar, Ihr seid ein würdger Richter;

Ihr kennt die Rechte, Euer Vortrag war

Der bündigste; ich fordr Euch auf beim Recht,

Wovon Ihr ein verdienter Pfeiler seid,

Kommt nun zum Spruch; bei meiner Seele schwör ich,

Daß keines Menschen Zunge über mich

Gewalt hat; ich steh hier auf meinen Schein.

Antonio.

Von ganzem Herzen bitt ich das Gericht,

Den Spruch zu tun.

Porzia.

Nun wohl, so steht es denn!

Bereitet Euren Busen für sein Messer.

Shylock.

O weiser Richter! wackrer junger Mann.

Porzia.

Denn des Gesetzes Inhalt und Bescheid

Hat volle Übereinkunft mit der Buße,

Die hier im Schein als schuldig wird erkannt.

Shylock.

Sehr wahr; o weiser und gerechter Richter!

Um wieviel älter bist du, als du aussiehst!

Porzia.

Deshalb entblößt den Busen.

Shylock.

Ja, die Brust,

So sagt der Schein – nicht wahr, mein edler Richter?

«Zunächst dem Herzen», sind die eignen Worte.

Porzia.

So ist’s. Ist eine Waage da, das Fleisch

Zu wägen?

Shylock.

Ja, ich hab sie bei der Hand.

Porzia.

Nehmt einen Feldscher, Shylock, für Eur Geld,

Ihn zu verbinden, daß er nicht verblutet.

Shylock.

Ist das so angegeben in dem Schein?

Porzia.

Es steht nicht da; allein was tut’s? Es wär

Doch gut, Ihr tätet das aus Menschenliebe.

Shylock.

Ich kann’s nicht finden, ’s ist nicht in dem Schein.

Porzia.

Kommt, Kaufmann! habt Ihr irgend was zu sagen?

Antonio.

Nur wenig; ich bin fertig und gerüstet.

Gebt mir die Hand, Bassanio, lebet wohl!

Es kränk Euch nicht, daß dies für Euch mich trifft,

Denn hierin zeigt das Glück sich gütiger

Als seine Weis ist; immer läßt es sonst

Elende ihren Reichtum überleben,

Mit hohlem Aug und faltger Stirn ein Alter

Der Armut anzusehn; von solcher Schmach

Langwier’ger Buße nimmt es mich hinweg.

Empfehlt mich Eurem edlen Weib, erzählt Ihr

Den Hergang von Antonios Ende; sagt,

Wie ich Euch liebte; rühmt im Tode mich;

Und wenn Ihr’s auserzählt, heißt sie entscheiden,

Ob nicht Bassanio einst geliebt ist worden.

Bereut nicht daß Ihr einen Freund verliert

Und er bereut nicht, daß er für Euch zahlt:

Denn schneidet nur der Jude tief genug,

So zahl ich gleich die Schuld von ganzem Herzen.

Bassanio.

Antonio, ich hab ein Weib zur Ehe,

Die mir so lieb ist als mein Leben selbst;

Doch Leben selbst, mein Weib und alle Welt

Gilt höher als dein Leben nicht bei mir.

Ich gäbe alles hin, ja opfert‘ alles

Dem Teufel da, um dich nur zu befrein.

Porzia.

Da wüßt Eur Weib gewiß Euch wenig Dank,

Wär sie dabei und hört Eur Anerbieten.

Graziano.

Ich hab ein Weib, die ich auf Ehre liebe;

Doch wünscht ich sie im Himmel, könnte sie

Dort eine Macht erflehn, des hündschen Juden

Gemüt zu ändern.

Nerissa.

Gut, daß Ihr’s hinter ihrem Rücken tut,

Sonst störte wohl der Wunsch des Hauses Frieden.

Shylock (beiseite).

So sind die Christenmänner; ich hab ’ne Tochter:

Wär irgendwer vom Stamm des Barrabas

Ihr Mann geworden, lieber als ein Christ! –

Die Zeit geht hin; ich bitt Euch, kommt zum Spruch.

Porzia.

Ein Pfund von dieses Kaufmanns Fleisch ist dein.

Der Hof erkennt es, und das Recht erteilt es.

Shylock.

O höchst gerechter Richter! –

Porzia.

Ihr müßt das Fleisch ihm schneiden aus der Brust:

Das Recht bewilligt’s, und der Hof erkennt es.

Shylock.

O höchst gelehrter Richter! – Na, ein Spruch!

Kommt, macht Euch fertig.

Porzia.

Wart noch ein wenig: Eins ist noch zu merken!

Der Schein hier gibt dir nicht ein Tröpfchen Blut;

Die Worte sind ausdrücklich: ein Pfund Fleisch!

Nimm denn den Schein, und nimm du dein Pfund Fleisch;

Allein vergießest du, indem du’s abschneidst,

Nur einen Tropfen Christenblut, so fällt

Dein Hab und Gut nach dem Gesetz Venedigs

Dem Staat Venedigs heim.

Graziano.

Gerechter Richter! – merk, Jud! – o weiser Richter!

Shylock.

Ist das Gesetz?

Porzia.

Du sollst die Akte sehn.

Denn, weil du dringst auf Recht, so sei gewiß:

Recht soll dir werden, mehr als du begehrst.

Graziano.

O weiser Richter! – merk, Jud! ein weiser Richter!

Shylock.

Ich nehme das Erbieten denn: zahlt dreifach

Mir meinen Schein und laßt den Christen gehn.

Bassanio.

Hier ist das Geld.

Porzia.

Halt!

Dem Juden alles Recht – still! keine Eil!

Er soll die Buße haben, weiter nichts.

Graziano.

O Jud! ein weiser, ein gerechter Richter!

Porzia.

Darum bereite dich, das Fleisch zu schneiden.

Vergieß kein Blut, schneid auch nicht mehr noch minder

Als grad ein Pfund; ist’s minder oder mehr

Als ein genaues Pfund, sei’s nur soviel,

Es leichter oder schwerer an Gewicht

Zu machen, um ein armes Zwanzigstteil

Von einem Skrupel, ja wenn sich die Waagschal

Nur um die Breite eines Haares neigt,

So stirbst du, und dein Gut verfällt dem Staat.

Graziano.

Ein zweiter Daniel, ein Daniel, Jude!

Ungläubiger, ich hab dich bei der Hüfte.

Porzia.

Was hält den Juden auf? Nimm deine Buße.

Shylock.

Gebt mir mein Kapital und laßt mich gehn.

Bassanio.

Ich hab es schon für dich bereit: hier ist’s.

Porzia.

Er hat’s vor offenem Gericht geweigert:

Sein Recht nur soll er haben und den Schein.

Graziano.

Ich sag, ein Daniel, ein zweiter Daniel!

Dank, Jude, daß du mich das Wort gelehrt.

Shylock.

Soll ich nicht haben bloß mein Kapital?

Porzia.

Du sollst nichts haben als die Buße, Jude,

Die du auf eigene Gefahr magst nehmen.

Shylock.

So lass‘ es ihm der Teufel wohl bekommen!

Ich will nicht länger Rede stehn.

Porzia.

Wart, Jude!

Das Recht hat andern Anspruch noch an dich.

Es wird verfügt in dem Gesetz Venedigs,

Wenn man es einem Fremdling dargetan,

Daß er durch Umweg‘ oder gradezu

Dem Leben eines Bürgers nachgestellt,

Soll die Partei, auf die sein Anschlag geht,

Die Hälfte seiner Güter an sich ziehn;

Die andre Hälfte fällt dem Schatz anheim,

Und an des Dogen Gnade hängt das Leben

Des Schuldgen einzig, gegen alle Stimmen.

In der Benennung, sag ich, stehst du nun,

Denn es erhellt aus offenbarem Hergang,

Daß du durch Umweg‘ und auch gradezu

Recht eigentlich gestanden dem Beklagten

Nach Leib und Leben: und so trifft dich denn

Die Androhung, die ich zuvor erwähnt.

Drum nieder, bitt um Gnade bei dem Dogen!

Graziano.

Bitt um Erlaubnis, selber dich zu hängen;

Und doch, da all dein Gut dem Staat verfällt,

Behältst du nicht den Wert von einem Strick;

Man muß dich hängen auf des Staates Kosten.

Doge.

Damit du siehst, welch andrer Geist uns lenkt,

So schenk ich dir das Leben, eh du bittest.

Dein halbes Gut gehört Antonio,

Die andre Hälfte fällt dem Staat anheim,

Was Demut lindern kann zu einer Buße.

Porzia.

Ja, für den Staat, nicht für Antonio.

Shylock.

Nein, nehmt mein Leben auch, schenkt mir das nicht!

Ihr nehmt mein Haus, wenn ihr die Stütze nehmt,

Worauf mein Haus beruht; ihr nehmt mein Leben,

Wenn ihr die Mittel nehmt, wodurch ich lebe.

Porzia.

Was könnt Ihr für ihn tun, Antonio?

Graziano.

Ein Strick umsonst! nichts mehr, um Gottes willen!

Antonio.

Beliebt mein gnädger Herr und das Gericht

Die Buße seines halben Guts zu schenken,

So bin ich es zufrieden, wenn er mir

Die andre Hälfte zum Gebrauche läßt,

Nach seinem Tod dem Mann sie zu erstatten,

Der kürzlich seine Tochter stahl.

Noch zweierlei beding ich: daß er gleich

Für diese Gunst das Christentum bekenne;

Zum andern, stell er eine Schenkung aus

Hier vor Gericht von allem, was er nachläßt,

An seinen Schwiegersohn und seine Tochter.

Doge.

Das soll er tun, ich widerrufe sonst

Die Gnade, die ich eben hier erteilt.

Porzia.

Bist du’s zufrieden, Jude? Nun, was sagst du?

Shylock.

Ich bin’s zufrieden.

Porzia.

Ihr, Schreiber, setzt die Schenkungsakte auf.

Shylock.

Ich bitt, erlaubt mir, weg von hier zu gehn:

Ich bin nicht wohl, schickt mir die Akte nach,

Und ich will zeichnen.

Doge.

Geh denn, aber tu’s.

Graziano.

Du wirst zwei Paten bei der Taufe haben;

Wär ich dein Richter, kriegtest du zehn mehr –

Zum Galgen, nicht zum Taufstein, dich zu bringen. (Shylock ab.)

Doge.

Ich lad Euch, Herr, zur Mahlzeit bei mir ein.

Porzia.

Ich bitt Eur Hoheit uni Entschuldigung.

Ich muß vor Abend fort nach Padua

Und bin genötigt, gleich mich aufzumachen.

Doge.

Es tut mir leid, daß Ihr Verhindrung habt.

Antonio, zeigt Euch dankbar diesem Mann:

Ihr seid ihm sehr verpflichtet, wie mich dünkt. (Doge, Senatoren und Gefolge ab.)

Bassanio.

Mein würdger Herr, ich und mein Freund, wir sind

Durch Eure Weisheit heute losgesprochen

Von schweren Bußen; für den Dienst erwidern

Wir mit der Schuld des Juden, den dreitausend

Dukaten, willig die gewogne Müh.

Antonio.

Und bleiben Euer Schuldner überdies

An Liebe und an Diensten immerfort.

Porzia.

Wer wohl zufrieden ist, ist wohl bezahlt;

Ich bin zufrieden, da ich euch befreit,

Und halte dadurch mich für wohl bezahlt;

Lohnsüchtiger war niemals mein Gemüt.

Ich bitt euch, kennt mich, wenn wir mal uns treffen;

Ich wünsch euch Gutes, und so nehm ich Abschied.

Bassanio.

Ich muß noch in Euch dringen, bester Herr:

Nehmt doch ein Angedenken, nicht als Lohn,

Nur als Tribut; gewährt mir zweierlei,

Mir’s nicht zu weigern und mir zu verzeihn.

Porzia.

Ihr dringt sehr in mich! gut, ich gebe nach:

Gebt Eure Handschuh mir, ich will sie tragen,

Und, Euch zur Lieb, nehm ich den Ring von Euch.

Zieht nicht die Hand zurück, ich will nichts weiter,

Und weigern dürft Ihr’s nicht, wenn Ihr mich liebt.

Bassanio.

Der Ring – ach, Herr! ist eine Kleinigkeit,

Ihn Euch zu geben, müßt ich mich ja schämen.

Porzia.

Ich will nichts weiter haben als den Ring,

Und, wie mich dünkt, hab ich nun Lust dazu.

Bassanio.

Es hängt an diesem Ring mehr als sein Wert;

Den teursten in Venedig geb ich Euch

Und find ihn aus durch öffentlichen Ausruf.

Für diesen bitt ich nur, entschuldigt mich.

Porzia.

Ich seh, Ihr seid freigebig im Erbieten;

Ihr lehrtet erst mich bitten, und nun scheint es,

Ihr lehrt mich, wie man Bettlern Antwort gibt.

Bassanio.

Den Ring gab meine Frau mir, bester Herr;

Sie steckte mir ihn an und hieß mich schwören,

Ich woll ihn nie verlieren noch vergeben.

Porzia.

Mit solchen Worten spart man seine Gaben.

Ist Eure Frau nicht gar ein töricht Weib

Und weiß, wie gut ich diesen Ring verdient,

So wird sie nicht auf immer Feindschaft halten,

Weil Ihr ihn weggabt. Gut, gehabt Euch wohl! (Porzia und Nerissa ab.)

Antonio.

Laßt ihn den Ring doch haben, Don Bassanio;

Laßt sein Verdienst zugleich mit meiner Liebe

Euch gelten gegen Eurer Frau Gebot.

Bassanio.

Geh, Graziano, lauf und hol ihn ein,

Gib ihm den Ring und bring ihn, wenn du kannst,

Zu des Antonio Haus. Fort! eile dich!

(Graziano ab.)

Kommt, Ihr und ich, wir wollen gleich dahin,

Und früh am Morgen wollen wir dann beide

Nach Belmont fliegen. Kommt, Antonio! (Ab.)

Zweite Szene

Eine Straße

Porzia und Nerissa kommen

Porzia.

Erfrag des Juden Haus, gib ihm die Akte

Und laß ihn zeichnen. Wir wollen fort zu Nacht

Und einen Tag vor unsern Männern noch

Zu Hause sein. Die Akte wird Lorenzen

Gar sehr willkommen sein. Graziano kommt.

Graziano.

Schön, daß ich Euch noch treffe, werter Herr.

Hier schickt Euch Don Bassanio, da er besser

Es überlegt, den Ring und bittet Euch,

Mittags bei ihm zu speisen.

Porzia.

Das kann nicht sein;

Den Ring nehm ich mit allem Danke an

Und bitt Euch, sagt ihm das; seid auch so gut,

Den jungen Mann nach Shylocks Haus zu weisen.

Graziano.

Das will ich tun.

Nerissa (zu Porzia).

Herr, noch ein Wort mit Euch. –

(Heimlich.) Ich will doch sehn, von meinem Mann den Ring

Zu kriegen, den ich immer zu bewahren

Ihn schwören ließ.

Porzia.

Ich steh dafür, du kannst es.

Da wird’s an hoch und teuer Schwören gehn,

Daß sie die Ring an Männer weggegeben;

Wir leugnen’s keck und überschwören sie.

Fort! eile dich! Du weißt ja, wo ich warte.

Nerissa.

Kommt, lieber Herr! wollt Ihr sein Haus mir zeigen? (Ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Belmont. Freier Platz vor Porzias Hause

Lorenzo und Jessica treten auf

Lorenzo.

Der Mond scheint hell. In solcher Nacht wie diese,

Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte

Und sie nicht rauschen ließ, in solcher Nacht

Erstieg wohl Troilus die Mauern Trojas

Und seufzte seine Seele zu den Zelten

Der Griechen hin, wo seine Cressida

Die Nacht in Schlummer lag.

Jessica.

In solcher Nacht

Schlüpft‘ überm Taue Thisbe furchtsam hin

Und sah des Löwen Schatten eh als ihn

Und lief erschrocken weg.

Lorenzo.

In solcher Nacht

Stand Dido, eine Weid in ihrer Hand,

Am wilden Strand und winkte ihrem Liebsten

Zur Rückkehr nach Karthago.

Jessica.

In solcher Nacht

Las einst Medea jene Zauberkräuter,

Den Äson zu verjüngen.

Lorenzo.

In solcher Nacht

Stahl Jessica sich von dem reichen Juden

Und lief mit einem ausgelaßnen Liebsten

Bis Belmont von Venedig.

Jessica.

In solcher Nacht

Schwor ihr Lorenzo, jung und zärtlich, Liebe

Und stahl ihr Herz mit manchem Treugelübd,

Wovon nicht eines echt war.

Lorenzo.

In solcher Nacht

Verleumdete die artge Jessica

Wie eine kleine Schelmin ihren Liebsten,

Und er vergab es ihr.

Jessica.

Ich wollt Euch übernachten, käme niemand.

Doch horcht! ich hör den Fußtritt eines Manns. Ein Bedienter kommt.

Lorenzo.

Wer kommt so eilig in der stillen Nacht?

Bedienter.

Ein Freund.

Lorenzo.

Ein Freund? was für ein Freund? Eur Name, Freund?

Bedienter.

Mein Nam ist Stephano, und ich soll melden,

Daß meine gnädge Frau vor Tages Anbruch

Wird hier in Belmont sein; sie streift umher

Bei heilgen Kreuzen, wo sie kniet und betet

Um frohen Ehestand.

Lorenzo.

Wer kommt mit ihr?

Bedienter.

Ein heilger Klausner und ihr Mädchen bloß.

Doch sagt mir, ist mein Herr noch nicht zurück?

Lorenzo.

Nein, und wir haben nichts von ihm gehört.

Doch, liebe Jessica, gehn wir hinein;

Laß uns auf einen feierlichen Willkomm

Für die Gebieterin des Hauses denken. Lanzelot kommt.

Lanzelot.

Holla, holla! he! heda! holla! holla!

Lorenzo.

Wer ruft?

Lanzelot.

Holla! habt Ihr Herrn Lorenzo und Frau Lorenzo gesehn? Holla! holla!

Lorenzo.

Laß dein Hollarufen, Kerl! Hier!

Lanzelot.

Holla! wo? wo?

Lorenzo.

Hier!

Lanzelot.

Sagt ihm, daß ein Postillon von meinem Herrn gekommen ist, der sein Horn voll guter Neuigkeiten hat: mein Herr wird vor morgens hier sein. (Lanzelot ab.)

Lorenzo.

Komm, süßes Herz, erwarten wir sie drinnen.

Und doch, es macht nichts aus: wozu hineingehn?

Freund Stephano, ich bitt Euch, meldet gleich

Im Haus die Ankunft Eurer gnädgen Frau

Und bringt die Musikanten her ins Freie.

(Stephano ab.)

Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft!

Hier sitzen wir und lassen die Musik

Zum Ohre schlüpfen; sanfte Still und Nacht,

Stimmt zu den Klängen süßer Harmonie.

Komm, Jessica! Sieh, wie die Himmelsflur

Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes!

Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,

Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt,

Zum Chor der hellgeaugten Cherubim.

So voller Harmonie sind ewge Geister:

Nur wir, weil dies hinfällge Kleid von Staub

Und grob umhüllt, wir können sie nicht hören.

Musikanten kommen.

He! kommt und weckt Dianen auf mit Hymnen,

Rührt euer Herrin Ohr mit zartem Spiel, (Musik)

Zieht mit Musik sie heim.

Jessica.

Nie macht die liebliche Musik mich lustig.

Lorenzo.

Der Grund ist, Eure Geister sind gespannt.

Bemerkt nur eine wilde flüchtge Herde,

Der ungezähmten jungen Füllen Schar:

Sie machen Sprünge, brüllen, wiehern laut,

Wie ihres Blutes heiße Art sie treibt;

Doch schaut nur die Trompete oder trifft

Sonst eine Weise der Musik ihr Ohr,

So seht Ihr, wie sie miteinander stehn;

Ihr wildes Auge schaut mit Sittsamkeit,

Durch süße Macht der Töne. Drum lehrt der Dichter,

Gelenkt hab Orpheus Bäume, Felsen, Fluten,

Weil nichts so stöckisch, hart und voll von Wut,

Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt.

Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,

Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt,

Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken;

Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht,

Sein Trachten düster wie der Erebus.

Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik! Porzia und Nerissa in der Entfernung

Porzia.

Das Licht, das wir da sehen, brennt im Saal;

Wie weit die kleine Kerze Schimmer wirft!

So scheint die gute Tat in arger Welt.

Nerissa.

Da der Mond schien, sahn wir die Kerze nicht.

Porzia.

So löscht der größre Glanz den kleinern aus.

Ein Stellvertreter strahlet wie ein König,

Bis ihm ein König naht; und dann ergießt

Sein Prunk sich, wie vom innern Land ein Bach

Ins große Bett der Wasser. Horch, Musik!

Nerissa.

Es sind die Musikanten Eures Hauses.

Porzia.

Ich sehe, nichts ist ohne Rücksicht gut;

Mich dünkt, sie klingt viel schöner als bei Tag.

Nerissa.

Die Stille gibt den Reiz ihr, gnädge Frau.

Porzia.

Die Krähe singt so lieblich wie die Lerche,

Wenn man auf keine lauschet; und mir deucht,

Die Nachtigall, wenn sie bei Tage sänge,

Wo alle Gänse schnattern, hielt‘ man sie

Für keinen bessern Spielmann als den Spatz.

Wie manches wird durch seine Zeit gezeitigt

Zu echtem Preis und zur Vollkommenheit! –

Still! Luna schläft ja beim Endymion

Und will nicht aufgeweckt sein. (Die Musik hört auf.)

Lorenzo.

Wenn nicht alles

Mich trügt, ist das die Stimme Porzias.

Porzia.

Er kennt mich, wie der blinde Mann den Kuckuck,

An meiner schlechten Stimme.

Lorenzo.

Gnädge Frau, willkommen!

Porzia.

Wir beteten für unsrer Männer Wohlfahrt

Und hoffen, unsre Worte fördern sie:

Sind sie zurück?

Lorenzo.

Bis jetzt nicht, gnädge Frau.

Allein ein Bote ist vorausgekommen,

Sie anzumelden.

Porzia.

Geh hinein, Nerissa,

Sag meinen Leuten, daß sie gar nicht tun,

Als wären wir vom Haus entfernt gewesen; –

Auch Ihr, Lorenzo! Jessica, auch Ihr! (Trompetenstoß.)

Lorenzo.

Da kommt schon Eur Gemahl, ich höre blasen;

Wir sind nicht Plaudertaschen, fürchtet nichts.

Porzia.

Mich dünkt, die Nacht ist nur ein krankes Tagslicht,

Sie sieht ein wenig bleicher; ’s ist ein Tag

Wie’s Tag ist, wenn die Sonne sich verbirgt. Bassanio, Antonio, Graziano treten auf mit ihrem Gefolge.

Bassanio.

Wir hielten mit den Antipoden Tag,

Erschient Ihr, während sich die Sonn entfernt.

Porzia.

Wenn mein Betragen nur das Licht nicht scheut,

So mag mein Fußtritt wohl im Dunkeln wandeln:

Ihr seid zu Haus willkommen, mein Gemahl!

Bassanio.

Ich dank Euch, heißt willkommen meinen Freund!

Dies ist der Mann, dies ist Antonio,

Dem ich so grenzenlos verpflichtet bin.

Porzia.

Ihr müßt in allem ihm verpflichtet sein;

Ich hör, er hat sich sehr für Euch verpflichtet.

Antonio.

Zu mehr nicht, als ich glücklich bin gelöst.

Porzia.

Herr, Ihr seid unserm Hause sehr willkommen!

Es muß sich anders zeigen als in Reden,

Drum kürz ich diese Wortbegrüßung ab. Graziano und Nerissa haben sich unterdessen besonders unterredet.

Graziano.

Ich schwör’s bei jenem Mond, Ihr tut mir Unrecht!

Fürwahr, ich gab ihn an des Richters Schreiber:

Wär er verschnitten, dem ich ihn geschenkt,

Weil Ihr Euch, Liebste, so darüber kränkt!

Porzia.

Wie? schon ein Zank? worüber kam es her?

Graziano.

Um einen Goldreif, einen dürftgen Ring,

Den sie mir gab; der Denkspruch war daran

Genau der Art, wie Vers‘ auf einer Klinge

Vom Messerschmied: «Liebt mich und laßt mich nicht.»

Nerissa.

Was redet Ihr vom Denkspruch und dem Wert?

Ihr schwurt mir, da ich ihn Euch gab, Ihr wolltet

Ihn tragen bis zu Eurer Todesstunde;

Er sollte selbst im Sarge mit Euch ruhn.

Ihr mußtet ihn um Eurer Eide willen,

Wo nicht um mich, verehren und bewahren.

Des Richters Schreiber! – o ich weiß, der Schreiber,

Der ihn bekam, trägt niemals Haar am Kinn.

Graziano.

Doch, wenn er lebt, bis er zum Mann erwächst.

Nerissa.

Ja, wenn ein Weib zum Manne je erwächst.

Graziano.

Auf Ehr, ich gab ihn einem jungen Menschen,

’ner Art von Buben, einem kleinen Knirps,

Nicht höher als du selbst, des Richters Schreiber.

Der Plauderbub erbat den Ring zum Lohn:

Ich konnt ihm das um alles nicht versagen.

Porzia.

Ihr wart zu tadeln, offen sag ich’s Euch,

Euch von der ersten Gabe Eurer Frau

So unbedacht zu trennen; einer Sache,

Mit Eiden angesteckt an Euren Finger

Und so mit Treu an Euren Leib geschmiedet.

Ich schenkte meinem Liebsten einen Ring

Und hieß ihn schwören, nie ihn wegzugeben;

Hier steht er, und ich darf für ihn beteuern,

Er ließ‘ ihn nicht, er riss‘ ihn nicht vom Finger

Für alle Schätze, so die Welt besitzt.

Ihr gabt fürwahr, Graziano, Eurer Frau

Zu lieblos eine Ursach zum Verdruß;

Geschäh es nur, es machte mich verrückt.

Bassanio (beiseite).

Ich möchte mir die linke Hand nur abhaun

Und schwören, ich verlor den Ring im Kampf.

Graziano.

Bassanio schenkte seinen Ring dem Richter,

Der darum bat und in der Tat ihn auch

Verdiente; dann erbat der Bursch, sein Schreiber,

Der Müh vom Schreiben hatte, meinen sich,

Und weder Herr noch Diener wollten was

Als die zwei Ringe nehmen.

Porzia.

Welch einen Ring gabt Ihr ihm, mein Gemahl?

Nicht den, hoff ich, den Ihr von mir empfingt.

Bassanio.

Könnt ich zum Fehler eine Lüge fügen,

So würd ich’s leugnen; doch Ihr seht, mein Finger

Hat nicht den Ring mehr an sich, er ist fort.

Porzia.

Gleich leer an Treu ist Euer falsches Herz.

Beim Himmel, nie komm ich in Euer Bett,

Bis ich den Ring gesehn.

Nerissa.

Noch ich in Eures,

Bis ich erst meinen sehe.

Bassanio.

Holde Porzia,

Wär Euch bewußt, wem ich ihn gab, den Ring,

Wär Euch bewußt, für wen ich gab den Ring,

Und säht Ihr ein, wofür ich gab den Ring

Und wie unwillig ich mich schied vom Ring,

Da nichts genommen wurde als der Ring,

Ihr würdet Eures Unmuts Härte mildern.

Porzia.

Und hättet Ihr gekannt die Kraft des Rings,

Halb deren Wert nur, die Euch gab den Ring,

Und Eure Ehre, hangend an dem Ring,

Ihr hättet so nicht weggeschenkt den Ring.

Wo wär ein Mann so unvernünftig wohl,

Hätt es Euch nur beliebt, mit einger Wärme

Ihn zu verteidgen, daß er ohne Scheu

Ein Ding begehrte, das man heilig hält?

Nerissa lehrt mich, was ich glauben soll:

Ich sterbe drauf, ein Weib bekam den Ring.

Bassanio.

Bei meiner Ehre, nein! bei meiner Seele!

Kein Weib bekam ihn, sondern einem Doktor

Der Rechte gab ich ihn, der mir dreitausend

Dukaten ausschlug und den Ring erbat;

Ich weigert’s ihm, ließ ihn verdrießlich gehn,

Den Mann, der meines teuern Freundes Leben

Aufrechterhielt. Was soll ich sagen, Holde?

Ich war genötigt, ihn ihm nachzuschicken;

Gefälligkeit und Scham bedrängten mich,

Und meine Ehre litt nicht, daß sie Undank

So sehr befleckte. Drum verzeiht mir, Beste!

Denn, glaubt mir, bei den heilgen Lichtern dort,

Ihr hättet, wärt Ihr dagewesen, selbst

Den Ring erbeten für den würdgen Doktor.

Porzia.

Daß nur der Doktor nie mein Haus betritt.

Denn weil er das Juwel hat, das ich liebte,

Das Ihr meintwillen zu bewahren schwurt,

So will ich auch freigebig sein wie Ihr:

Ich will ihm nichts versagen, was ich habe,

Nicht meinen Leib noch meines Gatten Bett;

Denn kennen will ich ihn, das weiß ich sicher.

Schlaft keine Nacht vom Haus! wacht wie ein Argus!

Wenn Ihr’s nicht tut, wenn Ihr allein mich laßt:

Bei meiner Ehre, die mein eigen noch!

Den Doktor nehm ich mir zum Bettgenossen.

Nerissa.

Und ich den Schreiber; darum seht Euch vor,

Wie Ihr mich laßt in meiner eignen Hut.

Graziano.

Gut! tut das nur, doch laßt ihn nicht ertappen,

Ich möchte sonst des Schreibers Feder kappen.

Antonio.

Ich bin der Unglücksgrund von diesem Zwist.

Porzia.

Es kränk Euch nicht; willkommen seid Ihr dennoch.

Bassanio.

Vergeht mir, Porzia, mein gezwungnes Unrecht,

Und vor den Ohren aller dieser Freunde

Schwör ich dir, ja, bei deinen holden Augen,

Worin ich selbst mich sehe –

Porzia.

Gebt doch acht!

In meinen Augen sieht er selbst sich doppelt,

In jedem Aug einmal – beruft Euch nur

Auf Euer doppelt Selbst, das ist ein Eid,

Der Glauben einflößt.

Bassanio.

Hört mich doch nur an!

Verzeiht dies, und bei meiner Seele schwör ich,

Ich breche nie dir wieder einen Eid.

Antonio.

Ich lieh einst meinen Leib hin für sein Gut;

Ohn ihn, der Eures Gatten Ring bekam,

War er dahin; ich darf mich noch verpflichten –

Zum Pfande meine Seele – Eur Gemahl

Wird nie mit Vorsatz mehr die Treue brechen.

Porzia.

So seid denn Ihr sein Bürge; gebt ihm den

Und heißt ihn besser hüten als den andern.

Antonio.

Hier, Don Bassanio, schwört, den Ring zu hüten.

Bassanio.

Beim Himmel! eben den gab ich dem Doktor.

Porzia.

Ich hab ihn auch von ihm, verzeiht, Bassanio!

Für diesen Ring gewann der Doktor mich.

Nerissa.

Und Ihr, verzeiht, mein artger Graziano,

Denn jener kleine Bursch, des Doktors Schreiber,

War um den Preis hier letzte Nacht bei mir.

Graziano.

Nun, das sieht aus wie Wegebesserung

Im Sommer, wann die Straßen gut genug.

Was? sind wir Hahnrei, eh wir’s noch verdient?

Porzia.

Sprecht nicht so gröblich. – Ihr seid all erstaunt;

Hier ist ein Brief, lest ihn bei Muße durch,

Er kommt von Padua, vom Bellario;

Da könnt Ihr finden: Porzia war der Doktor,

Nerissa dort ihr Schreiber; hier Lorenzo

Kann zeugen, daß ich gleich nach Euch gereist

Und eben erst zurück bin; ich betrat

Mein Haus noch nicht. – Antonio, seid willkommen!

Ich habe beßre Zeitung noch im Vorrat,

Als Ihr erwartet. Diesen Brief erbrecht;

Ihr werdet sehn, drei Eurer Galeonen

Sind reich beladen plötzlich eingelaufen;

Ich sag Euch nicht, was für ein eigner Zufall

Den Brief mir zugespielt hat.

Antonio.

Ich verstumme.

Bassanio.

Wart Ihr der Doktor, und ich kannt Euch nicht?

Graziano.

Wart Ihr der Schreiber, der mich krönen soll?

Nerissa.

Ja, doch der Schreiber, der es niemals tun will,

Wenn er nicht lebt, bis er zum Mann erwächst.

Bassanio.

Ihr müßt mein Bettgenoß sein, schönster Doktor.

Wenn ich nicht da bin, liegt bei meiner Frau.

Antonio.

Ihr gabt mir Leben, Teure, und zu leben:

Hier les ich für gewiß, daß meine Schiffe

Im Hafen sicher sind.

Porzia.

Wie steht’s, Lorenzo!

Mein Schreiber hat auch guten Trost für Euch.

Nerissa.

Ja, und er soll ihn ohne Sporteln haben.

Hier übergeb ich Euch und Jessica

Vom reichen Juden eine Schenkungsakte

Auf seinen Tod, von allem, was er nachläßt.

Lorenzo.

Ihr schönen Fraun streut Manna Hungrigen

In ihren Weg.

Porzia.

Es ist beinahe Morgen,

Und doch, ich weiß gewiß, seht ihr noch nicht

Den Hergang völlig ein. – Laßt uns hineingehn,

Und da vernehmt auf Fragartikel uns,

Wir wollen auch auf alles wahrhaft dienen.

Graziano.

Ja, tun wir das; der erste Fragartikel,

Worauf Nerissa schwören muß, ist der:

Ob sie bis morgen lieber warten mag,

Ob schlafen gehn zwei Stunden nur vor Tag?

Doch käm der Tag, ich wünscht ihn seiner Wege,

Damit ich bei des Doktors Schreiber läge.

Gut! lebenslang hüt ich kein ander Ding

Mit solchen Ängsten als Nerissas Ring. (Alle ab.)

Shakespeare – Das Winter-Mährchen

Shakespeare: Das Winter-Mährchen

Erster Aufzug.

Erste Scene.

Ein Vorzimmer in Leontes Pallast. Die Scene eröfnet sich mit einem höflichen Complimenten-Wechsel zwischen Archidamus, einem böhmischen Edelmann, (der mit seinem Herrn, dem König Polixenes sich an dem Hofe des Königs von Sicilien auf einen Besuch aufgehalten, und im Begriff ist denselben wieder zu verlassen) und Camillo, einem Sicilianischen Cavalier. Man erfährt dadurch, daß zwischen beyden Königen vor ihrer Jugend an die vertrauteste Freundschaft obgewaltet, und bisher aufs sorgfältigste unterhalten worden; und daß der König in Sicilien gesonnen sey, seinem Freunde auf den nächsten Sommer den Gegen-Besuch abzustatten – – In dem Rest dieser Scene ist die Rede von dem Prinzen Mamillius. Ihr seyd sehr glüklich (sagt Archidamus) einen so vortreflichen jungen Prinzen als Mamillius ist, zu haben; niemals hab ich einen jungen Herrn von so grosser Hoffnung gesehen. Ich bin eurer Meynung (versezt Camillo) es ist ein liebenswürdiges Kind: in der That, es ist ein Vergnügen ihn anzuschauen, und alte Leute dünken sich bey seinem Anblik wieder jung: Leute, die auf Krüken giengen, eh er gebohren ward, wünschen izt zu leben, bis er ein Mann seyn werde. Würden sie sonst gerne sterben, wenn das nicht wäre? erwiedert Archidamus. Ja (sagt Camillo) wenn sie keinen andern Vorwand hätten. Hätte der König keinen Sohn, (versezt Archidamus) so würden sie so lange auf ihren Krüken leben wollen, bis er einen hätte.

Zweyte Scene.

Das Königliche Zimmer eröffnet sich. Leontes, Hermione, Mamillius, Polyxenes und Gefolge treten auf.

Polixenes.

Es sind nun neun Monate seitdem wir unsern Thron ledig verlassen haben: Wir würden eben so viele Monate, mein Bruder, mit Danksagungen ausfüllen, und dennoch als euer ewiger Schuldner von hinnen gehen: Lasset also ein einziges Wir danken euch, gleich einer Cypher die an einem vielbedeutenden Plaz steht, die Bedeutung von den vielen Tausenden haben, die wir euch schuldig sind.

Leontes.

Sparet eure Danksagung noch eine Weile und erstattet sie, wenn ihr abreiset.

Polixenes.

Das wird morgen seyn, mein Herr: Ich kan mich nicht entbrechen Zufälle zu besorgen, welche meine Abwesenheit veranlassen könnte – – und wenn auch das nicht wäre, so hab‘ ich mich schon lange genug aufgehalten, um Eurer Majestät beschwerlich zu seyn.

Leontes.

Wir sind von keiner so schwachen Composition, Herr Bruder, daß ihr uns sobald zu schwer seyn solltet.

Polixenes.

Ich kan mich nicht länger aufhalten.

Leontes.

Nur noch eine Woche.

Polixenes.

In vollem Ernst, es muß morgen seyn.

Leontes.

So wollen wir wenigstens noch einen Tag dazu thun: Ihr sehet, daß ich keinen Vortheil bey dieser Theilung habe.

Polixenes.

Sezet nicht weiter in mich, ich bitte euch: Es ist keine so beredte Zunge in der Welt, nein in der ganzen Welt nicht, die mich so bald gewinnen könnte als die eurige: Und sie würde mich auch izt gewinnen, wenn ihr meiner Gegenwart benöthiget wäret, so nöthig es immer auf meiner Seite seyn möchte, wieder abzureisen. Meine Angelegenheiten ziehen mich nach Hause: Eine längere Abwesenheit würde mir, gegen eure freundschaftliche Absicht, nachtheilig seyn; so wie ein längerer Aufenthalt euch nur zur Beschwerde gereicht – – es wird also beydem abgeholfen, mein Bruder, wenn wir uns von euch beurlauben.

Leontes.

Ist euch die Zunge gebunden, meine Königin? Redet ihr – –

Hermione.

Ich dachte, mein Herr, ich wollte nicht eher reden, bis ihr ihn genöthigt haben würdet zu schwören, daß er nicht länger bleiben wolle. Ihr bittet ihn zu kaltsinnig. Sagt ihm, ihr seyd versichert, daß in Böhmen alles wohl stehe; ihr hättet erst gestern Nachrichten erhalten; sagt ihm das, so habt ihr ihn aus seinem besten Posten getrieben.

Leontes.

Wol gesprochen, Hermione.

Hermione.

Wenn er sagte, es verlange ihn seinen Sohn wieder zu sehen, das wäre was gesagt; und so bald er das sagt, so laßt ihn gehen; und schwört er es sey so, so soll er nicht länger bleiben; wir wollten ihn eher selbst mit Steken forttreiben – – (zu Polixenes.) Ich will es doch wagen, nur noch eine Woche von Eurer Königlichen Gegenwart zu entlehnen. Wenn ihr dereinst meinen Herrn in Böhmen aufnehmen werdet, so will ich’s euch dagegen schriftlich geben, daß ihr ihn einen Monat über den bestimmten Tag der Abreise behalten sollet: Und doch, sey versichert, Leontes, daß ich dich nicht weniger lieb habe als irgend eine Frau in der Welt ihren Herrn liebt. Wollt ihr bleiben?

Polixenes.

Nein, Madam.

Hermione.

Ich lasse mich nicht so kurz abweisen.

Polixenes.

Ich kan nicht, wahrhaftig.

Hermione.

Wahrhaftig? Das ist ein zu sanfter Schwur um mich abzuschreken; aber wenn ihr auch die Sterne aus ihren Kreisen herunterschwören wolltet, so würd‘ ich doch sagen: »Nein, mein Herr, ihr sollt wahrhaftig nicht gehen;« einer Dame ihr Wahrhaftig gilt so viel als eines Herrn seines. Wollt ihr nun dennoch gehen? So zwingt ihr mich, daß ich euch als einen Gefangnen, nicht als einen Gast zurükbehalten muß; dann könnt ihr bey eurer Abreise euer Kostgeld bezahlen, und euch eine Danksagung damit ersparen. Was sagt ihr dazu? Was wollt ihr lieber seyn, mein Gefangner oder mein Gast? Bey euerm furchtbaren Wahrhaftig, eines von beyden müßt ihr seyn.

Polixenes.

Also euer Gast, Madam: Euer Gefangner zu seyn, würde eine Beleidigung voraussezen, und diese zu begehen würde mir schwerer fallen als euch, sie zu bestraffen.

Hermione.

So bin ich denn auch nicht eure Kerkermeisterin, sondern eure gute freundliche Wirthin. Kommt, ich muß euch nach meines Herrn Schelmereyen fragen, wie ihr noch Knaben waret: Ich denke, ihr waret ein paar hübsche junge Herrchens damals?

Polixenes.

Schöne Königin, wir waren ein paar Jungens, die sich nicht einfallen liessen weiter hinaus zu denken, als daß morgen wieder so ein Tag kommen werde wie heute, und daß wir ewig kleine Jungens bleiben würden.

Hermione.

War nicht mein Herr der grössere Springinsfeld unter euch beyden?

Polixenes.

Wir waren wie zwey Zwillings-Lämmer, die in der Sonne herumhüpfen und einander anblöken: Was wir tauschten, war Unschuld gegen Unschuld; wir hatten noch keinen Begriff von der Kunst Böses zu thun; und liessen uns auch nichts davon träumen, daß ein andrer einen haben könne: Hätten wir so fortgelebt, und wären unsre schwachen Geister von einem feurigem Blut niemals höher getrieben worden, so würden wir dem Himmel getrost haben antworten können, nicht schuldig; die Erb-Sünde gleichwol ausgenommen.

Hermione.

Hieraus ist zu schliessen, daß ihr seitdem gestrauchelt habt.

Polixenes.

O meine verehrenswürdigste Freundin, diese gute Zeit konnte nicht immer dauern; es kam eine Zeit der Versuchungen: Denn damals war mein Weib noch ein Mädchen, und eure schönen Augen hatten meinem jungen Spiel-Gesellen ihre Macht noch nicht fühlen lassen.

Hermione.

Gut, gut; wenn wir die ersten sind, mit denen ihr gesündigt habt, und wenn ihr seitdem mit keiner andern gefallen seyd, so wollen wir die Verantwortung auf uns nehmen.

Leontes (der sich eine Weile von ihnen entfernt hatte, um sie zu beobachten, und izt wieder auf sie zugeht, zu Hermione.)

Ist er nun gewonnen?

Hermione.

Er will bleiben, mein Herr.

Leontes.

Von mir wollt‘ er sich nicht erbitten lassen. Hermione, meine Theureste, du hast niemals besser gesprochen.

Hermione.

Niemals?

Leontes.

Ein einzigmal ausgenommen – –

Hermione.

Was? Hab ich zweymal was gutes gesagt? Wenn war’s das erste mal? Ich bitte recht schön, sagt mir’s; einer guten That gebührt ihr Lob. Das ist aller Sold, den wir dafür verlangen. Ihr könntet uns mit einem einzigen freundlichen Kuß hundert Meilen lauffen machen, wenn wir durch Spornen nicht hundert Schritte fortzubringen sind. Aber zur Sache. Wenn war’s das erste mal? Es hatte eine ältere Schwester, oder ich versteh euch nicht – – Ich sagte also noch einmal was kluges? Wenn? Nein, ich muß es wissen; ich kan es kaum erwarten.

Leontes.

Wie, das war als nach drey langen schwermüthigen Monaten, in denen ich dich nicht dazu bringen konnte, deine weisse Hand zu öffnen und in die meinige einzuschlagen, du dich endlich erbitten liessest mir zu sagen, daß du auf ewig die Meinige seyn wollest.

Hermione.

Das war wohl gesprochen, in der That. Seht ihr nun? Ich habe zwey mal was gutes gesagt, und habe jedesmal damit gewonnen; das erste mal einen Gemahl, und das andre mal auf einige Zeit einen Freund.

Leontes (für sich.)

Zu warm, zu warm – – zu warme Freundschaft ist mehr als Freundschaft – – mein Herz tanzt, aber nicht vor Freude – – gewiß nicht – – Man kan freylich einem solchen Umgang ein schönes Gesicht geben; man kan es die natürliche Freymüthigkeit eines edeln Gemüths, die Würkung eines guten Herzens, und einer lebhaften Empfindung nennen; es mag an sich selbst schön seyn, und der Person, die so handelt, sehr wohl anstehen – – ich geb‘ es zu – – aber da stehen, und einander die Hände tätscheln, und die Finger zwiken, wie sie’s izt machen, und einander so bedeutungsvoll anlächeln, wie in einen Spiegel in einander hineinschauen – – und dann seufzen – – Nein, wahrlich, das ist ein Umgang der weder nach meinem Geschmak noch für meine Stirne ist – – Mamillius.

Maximillius.

Hier, Gnädigster Papa.

Leontes.

Wie, kleiner Vogel, hast du dir die Nase beschmiert? Sie sagen, es sey die Copey von der meinigen – – Komm, Hauptmann, wir müssen reinlich seyn – – (er beobachtet immer Polixenes und Hermione.) Immer auf seiner Hand Clavier-gespielt – – nun wie? du muthwilliges Kalb! Bist du mein Kalb?

Maximillius.

Ja, wenn ihr wollt, lieber Papa.

Leontes.

Du solltest die Nase stärker eingedrükt haben, und die Schmarren, die ich dran habe, um mir völlig gleich zu sehen – – Und doch sagen sie, wir gleichen einander wie ein Ey dem andern; Weibsleute sagen so, und die sagen was man will, aber wären sie so falsch wie Wind und Wasser, so falsch als sich Einer Würfel wünschen möchte, der keinen Unterscheid zwischen mein und dein macht; so wär‘ es doch wahr, daß mir dieser Junge gleich sieht. Komm, kleiner Junker, sieh mich mit deinen Himmel-blauen Augen an, holdseliger Spizbube – – Allerliebst – – Mein Zukermännchen – – Kan deine Mutter – – ist’s möglich – – Imagination! Du bohrest deinen Dolch bis in den Mittelpunkt des Herzens – – Du machst die blosse Möglichkeit wirklich, Träume zu Wahrheiten, Nichts zu etwas. Wie leicht muß es dir dann seyn, aus etwas mehr zu machen als es ist – – Ich erfahr‘ es nur zu wol, was du kanst; sowol, daß mir der Kopf davon schwindelt und die Stirne jukt – –

Polixenes (zu Hermione.)

Was fehlt dem Könige?

Hermione.

Er sieht aus, als ob ihm was im Kopf herum gehe.

Polixenes (zu Leontes.)

Wie steht’s, mein Herr?

Leontes (der sich schnell recolligiert.)

Wie ists? was macht ihr Gutes, mein liebster Bruder?

Hermione.

Ihr seht aus, als ob ihr eure Gedanken ganz anderswo habet! Fehlt euch was, mein lieber Gemahl?

Leontes.

Nein, in vollem Ernst. Auf was für läppische Einfälle die väterliche Zärtlichkeit manchmal bringen kan! Wie gern die Natur sich selbst hintergeht! Ich betrachtete die Gesichts-Züge meines Jungen hier, und da däuchte mir, ich sehe mich selbst um drey und zwanzig Jahre jünger, ohne Hosen, in meinem grünen Sammet-Kittelchen; mit einem kleinen Hirschfänger an der Seite, der nicht aus der Scheide gieng, damit er seinen Herrn nicht beisse, und so, wie Zierrathen öfters thun, gefährlich werde – – Wie gleich, däuchte mich, war ich damals dieser kleinen Krabbe hier! – – Guter Freund, sag mir einmal, wolltest du dir Eyer-Schaalen für Münze geben lassen?

Maximillius.

Nein, Papa, ich wollte mich schon wehren.

Leontes.

Wolltest du? – – ein braver Junge! – – Mein Bruder seyd ihr auch so verliebt in euern jungen Prinzen, wie wir in den unsrigen zu seyn scheinen?

Polixenes.

Wenn ich zu Hause bin, mein Herr, so macht er alle meine Beschäftigung und meinen Zeitvertreib aus; ist izt mein geschworner Freund, dann wieder mein Feind; mein Hofschranze, mein Soldat, mein Minister, alles; er macht mir einen Sommertag so kurz als den kürzesten December, und vertreibt mir durch seine kindische Lebhaftigkeit Gedanken, welche mein Blut verdikern würden.

Leontes.

Dieser kleine Junker hat das nemliche Amt bey mir: Wir beyde wollen einen Spaziergang mit einander machen, und euch, mein Herr, euerm ernsthaftem Zeitvertreib überlassen. Hermione, du kanst uns deine Liebe nicht besser als durch Freundschaft für unsern Bruder beweisen: Laß was in Sicilien das kostbarste ist, zu seiner Bewirthung verschwendet werden; nach dir und meinem kleinen Schwärmer hier, ist niemand meinem Herzen näher.

Hermione.

Wenn ihr uns suchen wolltet, so werdet ihr uns im Garten antreffen; Sollen wir euch dort erwarten?

Leontes.

Disponiert über euch nach euerm eignen Belieben – – (vor sich.) Wir wollen euch schon finden, ihr werdet doch immer unter dem Himmel bleiben müssen: Ich angle izt, wenn ihr’s schon nicht merket – – Geht nur, geht nur – – Wie sie den Schnabel gegen ihn hinstrekt! – – (Polixenes, Hermione und Gefolge gehen ab; Leontes, Mamillius und Camillo bleiben.) Wie hurtig sie davongehen – – Zolldik, Knie-tief – – über Kopf und Ohren gehörnt – – Geh spiele, Junge, spiele – – Deine Mutter spielt, und ich auch; aber eine so unglükliche Rolle, daß ihre Entwiklung mich ins Grab zischen wird – – Spott und Hohngelächter wird mein Todten-Geläut seyn. Geh, spiele, Junge, spiele – – Es hat doch von jeher, oder ich müßte mich sehr irren, immer Hahnreyen gegeben; und wie mancher Mann hält, in diesem Augenblik da ich diß rede, sein Weib im Arm, der wenig daran denkt, von wem sie in seiner Abwesenheit – – daß sein nächster Nachbar in seinem Teich gefischt hat, Sir Lächler, sein Nachbar – – Nun, es ist eine Art von Trost darinn, daß andre Männer auch Thüren haben, und daß diese Thüren, wie die meinige, wider ihren Willen, aufgehen. Wenn alle verzweifeln wollten, denen ihre Weiber ungetreu sind, so müßte sich der zehnte Theil des männlichen Geschlechts aufhängen. Das ist ein Uebel, wofür kein Mittel in der Natur ist – – Es ist ein gewisser kupplerischer Planet, dessen Wirkung nicht zu vermeiden ist, wo er einmal die Oberhand hat – – Viele tausende sind mit diesem Uebel behaftet, und fühlen’s nicht – – He, wie geht’s, Junge?

Maximillius.

Ich sehe euch so gleich, sagen sie – –

Leontes.

Nun, das ist einiger Trost – – Wie? Ist Camillo hier?

Camillo.

Ja, Gnädigster Herr.

Leontes.

Geh, Mamillius, mach‘ dich lustig – – Du bist ein ehrlicher Kerl. (Mamillius geht ab.)

Dritte Scene.

Leontes.

Camillo, dieser grosse Matador will noch länger bey uns bleiben.

Camillo.

Ihr hattet viel zu thun, seinen Anker halten zu machen; er hatte immer eine Ausrede – –

Leontes.

Merktest du das?

Camillo.

Er wollte sich durch euer Bitten nicht bewegen lassen zu bleiben; seine Geschäfte schlugen immer vor.

Leontes.

Hast du das beobachtet – – (vor sich.) Es war ein Gelispel und Gemurmel um mich herum, wie sie noch hier waren; ich weiß nun was ich bin – – es ist weit gekommen, wenn ich der lezte bin der es merkt – – Wie kam es denn, Camillo, daß er blieb?

Camillo.

Auf das Anhalten der guten Königin.

Leontes.

Der Königin, das mag seyn – – gut, ist eine andre Frage – – Gut sollte immer so seyn – – Aber sind noch mehr Leute als du, die das gemerkt haben? Dein Verstand ist von einer feinern Composition als gewöhnliche Köpfe – – du und einer oder zween, welche weiter sehen als andre, können es ausfündig gemacht haben – – Die übrigen werden doch vielleicht nichts von der Sache gewahr worden seyn? Sprich.

Camillo.

Von der Sache, Gnädiger Herr? Ich denke, das kan jedermann gewahr werden, daß der König von Böhmen länger hier bleibt.

Leontes.

Ha?

Camillo.

Länger hier bleibt.

Leontes.

Ja, aber warum?

Camillo.

Um Euer Majestät, und unsrer gnädigsten Königin zu willen zu seyn.

Leontes.

Um der Königin zu willen zu seyn – – zu willen? Mehr brauch ich nicht – – Höre Camillo; ich habe dir immer das Innerste meines Herzens anvertraut – – Du bist immer in meinen besondern Angelegenheiten wie in meinen öffentlichen, mein Beichtiger gewesen; ich habe dich für einen rechtschaffnen Mann gehalten: Aber nun seh ich, daß ich mich betrogen habe, daß mich der Schein betrogen hat.

Camillo.

Das verhüte der Himmel, Gnädiger Herr – –

Leontes.

Nein, du bist kein ehrlicher Mann, oder wenn du ja ehrlich bist, so bist du eine furchtsam Memme, und das hindert die Ehrlichkeit immer, daß sie den Weg nicht geht den sie gehen sollte: Du bist also entweder ein Verräther, der sich durch sträfliche Nachlässigkeit meines Vertrauens unwürdig gemacht hat; oder ein Thor, welcher ruhig zusieht, wie ich betrogen werde, und alles für blossen Spaß hält.

Camillo.

Mein Gnädigster Oberherr, ich kan nachlässig, thöricht und furchtsam gewesen seyn; das sind Gebrechen, von deren jedem kein Mensch in der Welt zu allen Zeiten frey bleibt – – Ich bitte Eu. Majestät deutlicher mit mir zu reden, und mich meinem Verbrechen ins Gesicht sehen zu lassen; wenn ich es verläugne, so ist es nicht mein.

Leontes.

Hast du nicht gesehen, Camillo, (aber das braucht nur nicht gefragt zu werden, du must es gesehen haben oder dein Augapfel ist diker als ein Hahnrey’s-Horn) oder gehört, (denn bey einer Sache, die so offenbar in die Augen fällt, kan das Gerücht nicht stumm seyn) oder gedacht, (denn wer bey solchen Umständen nichts dächte, müßte gar nichts denken können) daß meine Gemahlin mir ungetreu sey – – Gesteh es wenn du willst – – oder sey unverschämt genug mir abzuläugnen, daß du Augen, Ohren oder Gedanken habest – – Gesteh es, und sage also, mein Weib sey ein Steken-Pferd, verdiene einen garstigern Namen, als irgend ein Flachs-Mensch, die sich beschlaffen läßt, eh sie zu Kirchen und Strassen gegangen ist – – Sag es, und rechtfertige dich.

Camillo.

Wenn ein andrer meine Königliche Gebieterin so lästerte, so würde ich nicht so da stehen, und zuhören, ohne ihn auf der Stelle zur Rechenschaft zu ziehen – – Gütiger Himmel! was für Reden! Sie zu wiederholen wäre eine grössere Sünde als was ihr argwohnet, wenn es sich auch so befände.

Leontes.

Ist Flüstern nichts? Ist die Baken an einander anlehnen, ist Nasen-zusammensteken – – mitten im Lachen mit einem Seufzer innhalten – – ist Fuß auf Fuß sezen – – in Winkel zusammenkriechen – – wünschen, daß die Gloke schneller, daß Stunden Minuten – – daß der Mittag, Mitternacht, und alle Augen, ausser den ihrigen, stokblind wären – – ist das nichts? Nun, wenn das nichts ist, so ist die ganze Welt und alles was drinn ist nichts; so ist dieser umwölbende Himmel nichts; der Böhme nichts; mein Weib nichts; so ist kein Unterscheid zwischen nichts und etwas, wenn das nichts ist.

Camillo.

Mein Gnädiger Herr, laßt euch in Zeiten von dieser kranken Einbildung heilen; denn sie ist sehr gefährlich.

Leontes.

Sag, es sey so, denn es ist so.

Camillo.

Nein, nein, Gnädigster Herr.

Leontes.

Du lügst, es ist so; du lügst; ich sage du lügst, Camillo, und ich hasse dich; gesteh, daß du ein plumper Tölpel, ein gedankenloser Sclave, oder ein wankender Temporisierer bist, der nach Zeit und Umständen, die nemliche Sache für gut und böse ansehen kan. Wäre meines Weibs Leber so angestekt, wie ihre Sitten, sie hätte keine Stunde mehr zu leben.

Camillo.

Wer ist dann ihr Verführer?

Leontes.

Kanst du fragen? Wer anders als der, der sie wie eine Medaille um seinen Hals hangen hat – – der Böhme, der wenn ich Diener hätte, die mir getreu wären, und eben so wohl auf ihren eigenen Vortheil als auf meine Ehre sähen – – Sie würden sich nicht lange mahnen lassen das zu thun, was mich allein gegen das was er thut, sicherstellen kan – – Du, sein Mund-Schenke, (du den ich aus dem niedrigen Stande hervorgezogen, und zu Würde und Ansehen erhoben habe; du, der so gewiß als der Himmel die Erde und die Erde den Himmel sieht, sehen mußt, wie ich beleidiget werde) du könntest meinem Feind einen Becher zubereiten, der ihn auf ewig einschläfern und für mich eine Herzstärkung seyn würde.

Camillo.

Mein Gnädigster Herr, es ist gewiß, daß ich das könnte, und mit einer Art von langsam-würkendem Gift, welches zu keinem Argwohn Anlaß geben würde – – Aber ich kan nicht, nein, ich kan nicht glauben, daß die Königin zu einer so niederträchtigen Verrätherey herabgesunken seyn könne.

Leontes.

Ich liebte dich – – Denke der Sache nach – – Meynst du, daß ich fähig sey aus blosser Laune und leerem Argwohn mir selbst einen so garstigen Handel zuzuziehen? Die Reinigkeit meines Ehebettes zu besudeln – – Die Ehre des Prinzen meines Sohnes, zweifelhaft zu machen, den ich für mein halte, und als mein liebe – – Denkst du daß ich das thun würde, wenn ich nicht die wichtigsten Gründe vor mir hätte? Welcher Mann könnte sich so weit vergehen?

Camillo.

Ich muß mich überwunden geben, mein Königlicher Herr; ich will es thun – – ich will den König von Böhmen aus dem Wege schaffen; aber mit dieser Bedingung, daß wenn er fort ist, ihr eure Gemahlin wieder in eure Liebe aufnehmen, und wenn es auch nur aus Liebe zu euerm Sohne wäre, eben so halten sollet wie vorher, damit alle Zungen versiegelt, und keine nachtheilige Gerüchte in auswärtige und befreundete Höfe ausgestreut werden mögen.

Leontes.

Du rathest mir das nemliche, was ich selbst schon bey mir festgesezt hatte; ihre Ehre soll keinen Fleken bekommen.

Camillo.

So lasset nun mich für alles sorgen, Gnädigster Herr; und nehmet indessen gegen den König und eure Gemahlin ein so offnes Betragen an, wie die Freundschaft bey einem vertraulichen Gastmahl zeigt: Ich bin sein Mund-Schenke; wenn ihm der Trank, den ich ihm mischen will, wohl bekommt, so haltet mich nicht mehr für euern Diener.

Leontes.

Das ist alles was ich will; thu es, so hast du die Hälfte meines Herzens; thu es nicht, so zersplitterst du dein eignes.

Camillo.

Ich will es thun, Gnädiger Herr.

Leontes.

Und ich mich freundlich stellen, wie du mir gerathen hast. (Er geht ab.)

Camillo (allein.)

Unglükliche Dame! Aber in was für einem Falle befind‘ ich mich selbst? Ich soll der Vergifter des rechtschaffnen Polixenes seyn, und was mich dazu bewegen soll, ist der Gehorsam gegen meinen Herrn; der in der Wuth seiner Leidenschaft haben will, daß alle die ihm angehören, von ihr erfüllt seyn sollen. Thu ich’s, so folgt Beförderung. Aber wenn ich tausend Exempel von solchen, die ihre Hand an gesalbete Könige gelegt hätten, und glüklich dadurch worden wären, finden könnte, so wollt‘ ich’s nicht thun – – Nun aber, da weder Erzt, noch Stein, noch Pergament nur eines aufweisen kan, muß die Ruchlosigkeit selbst eine solche That verschwören! Ich muß nur dem Hof gute Nacht sagen – – Gehorsam und Ungehorsam würde mir beydes den Hals brechen – – O, was für ein glüklicher Stern regiert! Hier kommt Polixenes – –

Vierte Scene.

Polixenes bezeugt dem Camillo seine Befremdung über die Veränderung die er an dem König von Sicilien wahrnehme; er sieht nicht anders aus, (spricht er) als ob er eine Provinz verlohren hätte, und eine Provinz, die er wie sich selbst geliebt hätte – – Das trokne, verdrießliche und durch einen sichtbaren Zwang nur wenig bedekte Betragen seines Freundes beunruhigt ihn desto mehr, da er gewahr worden, daß es ihn angehe, ohne daß er begreiffen kan, warum. Camillo läßt sich eine Weile bitten, bis er auf des Polixenes dringendes Anhalten, ihm den erhaltnen Auftrag und die Eifersucht des Königs ohne Umschweiffe entdekt. Der bestürzte Polixenes schwört eine ganze Reihe poetischer Eidsformeln herab, daß er unschuldig sey: Aber Camillo versichert ihn, daß er mit so vielen Schwüren als Sterne am Himmel seyen, die einmal gefaßte Meynung aus dem Gehirn des rasenden Leontes nicht wegschwören könnte. Er schlägt ihm also zu ihrer beyder Rettung vor, daß sie sich, ohne Abschied zu nehmen, in der nemlichen Nacht heimlich davon machen wollten. Polixenes läßt es sich gefallen – – ich habe, (sagt er zu Camillo) die Bestätigung dessen was du mir entdekt hast, in seinen Augen gesehen – – Seine Eifersucht hat eine höchst liebenswürdige Creatur zum Gegenstand; so vortreflich diese ist, so groß muß jene seyn; da er Macht hat, so ist natürlich, daß er auf Rache bedacht ist; und da er sich gerade vor dem Mann, der sich jederzeit für seinen besten Freund ausgegeben hat, beleidigt hält, so muß dieser Umstand seine Rache um so viel bittrer machen – – Polixenes macht aus diesen Prämissen den Schluß, daß er alle Ursache habe, sich in der äussersten Gefahr zu glauben. Er verspricht dem Camillo, daß er ihn als einen Vater ehren wolle, wenn er ihn lebendig von Palermo wegbringen werde. Zu gutem Glüke liegen die Schiffe des Königs zur Abreise bereit, und Camillo hat, seines Hof-Amts wegen, über alle Schlüssel zu disponieren. Weil sie nun keine Zeit zu verliehren haben, so gehen sie ab.

Zweyter Aufzug.

Erste Scene.

Der Pallast. Hermione, Mamillius, und einige Kammer-Frauen treten auf.

Hermione.

Nehmt mir den Knaben ab; er macht mir so viel Unruhe daß es nicht auszustehen ist.

1. Kammerfrau.

Kommt, Gnädiger Herr; wollt ihr mich nicht zu eurer Spiel-Gesellin?

Maximillius.

Nein, ich mag nichts mit euch zu thun haben.

1. Dame.

Warum nicht, mein allerliebstes Prinz?

Maximillius.

Ihr würdet mich immer küssen wollen, und mit mir reden als ob ich noch immer ein Wiegen-Kind wäre – – Euch hab‘ ich lieber.

2. Dame.

Und warum das, Gnädiger Herr?

Maximillius.

Um eurer schwarzen Augbraunen willen nicht; und doch sagen die Leute, schwarze Augbraunen lassen den Weibsbildern am besten; aber es muß nicht zuviel Haar daran seyn, sondern sie müssen einen halben Zirkel machen, oder einen halben Mond, und so fein, wie mit der Feder gezogen.

2. Dame.

Wer lehrte euch das?

Maximillius.

Das hab ich aus Weiber-Gesichtern gelernt: Seyd so gut, ihr, und sagt mir, was für eine Farbe haben eure Augbraunen?

1. Dame.

Blau, Gnädiger Herr.

Maximillius.

Ihr wollt euern Spaß mit mir treiben; ich habe wol eine Frau gesehen, die eine blaue Nase hatte, aber keine mit blauen Augbraunen.

1. Dame.

Hört ihr, die Königin eure Frau Mutter wird bald niederkommen: Dann werden wir unsre Dienste einem hübschen neuen Prinzen anbieten; und dann werdet ihr uns noch recht schön thun, wenn wir euch nur haben wollen.

2. Dame (zur ersten.)

Sie ist seit kurzem überaus dik worden – – Der Himmel gebe, daß es ihr glüklich gehe!

Hermione.

Was führt ihr hier für weise Discurse? Komm, junger Herr, ich bin nun wieder für dich. Komm, sez dich zu uns her, und erzähl uns was.

Maximillius.

Was wollt ihr haben, was lustiges oder was trauriges?

Hermione.

So lustig als du willt.

Maximillius.

Ein trauriges Mährchen schikt sich am besten in den Winter. Ich weiß eines von Feen und Kobolten.

Hermione.

Gut, das erzähl uns, junger Herr. Komm hieher, sez dich. Komm und sieh ob du mich mit deinen Kobolten recht zu fürchten machen kanst: Du kanst meisterlich damit umgehen.

Maximillius.

Es war einmal ein Mann – –

Hermione.

Nein, du must dich erst sezen, hernach fang an – –

Maximillius.

Der wohnte auf einem Kirchhof – – ich will’s euch leise erzählen, damit es die Grillen dort nicht hören können.

Hermione.

So komm dann her, und sag mir’s in’s Ohr.

Zweyte Scene.

Leontes, Antigonus, und einige Herren vom Hofe treten auf.

Leontes.

Ihr traffet ihn dort an, sagt ihr? Seine Leute? den Camillo bey ihm?

Ein Hof-Cavalier.

Hinter dem kleinen Fichten-Wald traf ich sie an; in meinem Leben hab‘ ich keine Leute solche Schritte machen gesehen: Ich folgte ihnen mit den Augen bis in ihre Schiffe.

Leontes.

O! wie vollkommen ist nun mein Verdacht gerechtfertiget! Wie richtig treffen meine Muthmassungen zu! Nur gar zu richtig! Wenn ich weniger wißte, würd‘ ich weniger unglüklich seyn – – Es kan eine Spinne in den Becher gefallen seyn, und einer trinkt; er schlukt sie unbemerkt mit herunter, und es schadet ihm nichts, bloß darum weil er nichts davon weiß; aber wenn einer das ekelhafte Ding im Schluken noch gewahr worden ist, wenn er weiß, daß er’s hinunter geschlukt hat – – Das erschüttert seine Brust und seine Seiten mit Grauen und heftigen Erbrechungen – – Ich habe getrunken, und die Spinne gesehen – – Camillo half ihm dazu; es ist ein Anschlag gegen mein Leben, und gegen meine Crone auf dem Tapet – – Mein Mißtrauen befindet sich nur allzuwahr – – Der treulose Bube den ich gebrauchte, war schon von ihm gedungen: Er hat ihm mein Vorhaben verrathen, und ich bin nun der Narr im Spiele; nun können sie aus mir machen was sie wollen: Wie kam es dann, daß sie die Hinter-Thüren so leicht aufkriegen konnten?

Hof-Cavalier.

Das konnte Camillo leicht erhalten, da sie ihm schon öfters aufgemacht werden mußten, wenn er euern Befehl dazu hatte.

Leontes.

Ich weiß es nur zu wol – – Gebt mir den Jungen; (zu Hermione) ich bin froh, daß ihr ihn nicht gesäugt habt: Und doch, wenn er schon einige Züge von mir hat, so hat er doch zuviel von euerm Blut in sich – –

Hermione.

Was soll das seyn – – Scherz?

Leontes.

Tragt mir den Jungen weg; er soll nicht wieder zu ihr kommen; weg mit ihm, sie mag sich die Zeit mit dem vertreiben, mit dem sie schwanger geht; es ist doch Polixenes, der dir diese Geschwulst gemacht hat.

Hermione (ruhig.)

Und ich wollte wol sagen das hat er nicht; und ich wollte drauf schwören, ihr würdet mir glauben was ich sage, ungeachtet ihr das Gegentheil vorgäbet.

Leontes.

Ihr, meine Herren, schaut sie an, faßt sie wol ins Auge – – Eure Augen werden euch sagen, daß sie eine schöne Frau ist – – Dieses Lob muß ihr eingestanden werden – – Wie Schade, daß die Gerechtigkeit selbst euch zurük hält, wenn ihr hinzusezen wollt, sie sey so tugendhaft als sie schön ist – – Daß sie euch ein Hem! und ein Achsel-Züken abnöthigt, eh ihr die Worte sie ist tugendhaft, herausbringen könnt – – Ich will euch von diesem Zwang befreyen; wisset, und vernehmet es von demjenigen, der am meisten dadurch gekränket wird, sie ist eine Ehebrecherin.

Hermione.

Würde der schändlichste Bube, der in der Welt ist, so sagen, so würde er ein desto schändlicherer Bube seyn: Aber ihr, mein Herr, seyd bloß in einem Irrthum, wenn ihr so redet.

Leontes.

Ihr habt euch geirret, Madam, wie ihr den Polixenes für Leontes angesehen habt. O du, dein rechter Name würde den Mund eines Prinzen zu sehr befleken – – Ich habe es gesagt, sie ist eine Ehbrecherin; und ich habe gesagt mit wem: Ich sage noch mehr; sie ist eine Verrätherin, und Camillo ist ihr Mit-Verschworner – – er weiß um das, was sie erröthen sollte, sich selbst bewußt zu seyn – – er weiß daß sie nichts besser ist als diejenige, denen der Pöbel die unehrbarsten Titel giebt; ja, und daß sie an ihrer Flucht Antheil hat.

Hermione.

Nein, bey meinem Leben, ich weiß von allem diesem nichts: Wie wird euch das schmerzen, wenn euch dereinst die Augen aufgehen werden, daß ihr mich öffentlich so beschimpft habt! Mein liebster Gemahl, ihr werdet mir dann schwerlich eine hinlängliche Genugthüung geben können, wenn ihr sagt, daß ihr euch geirret habet.

Leontes.

Die Umstände, auf welche mein Urtheil sich gründet, lassen keiner Möglichkeit, mich geirret zu haben, Raum – – Hinweg mit ihr ins Gefängniß – – Derjenige, der nur ein Wort zu ihrem Vortheil spricht, muß eine Ursache dazu haben, die ihn mehr als doppelt schuldig macht.

Hermione.

Es regiert irgend ein böser Planet: Ich muß Geduld haben, bis der Himmel günstigere Aspekten giebt. Meine guten Herren, ich bin nicht so fertig zum Weinen, als es unser Geschlecht gröstentheils ist; der Mangel dieses eiteln Thaues wird vielleicht euer Mitleiden auftroknen; aber der ehrenvolle Schmerz den ich schweigend hier verschliesse, brennt heftiger, als daß ihn Thränen löschen könnten – – Ich bitte euch alle, meine Herren, denket das beste von mir was euer gutes Herz euch eingeben mag; und so geschehe dann des Königs Wille!

Leontes.

Werd ich Gehorsam finden?

Hermione.

Wer soll mit mir gehen? – – Ich bitte Eu. Hoheit, meine Kammer-Frauen bey mir zu lassen; denn, wie ihr sehet, so macht meine Figur ihre Gegenwart nothwendig – – Weint nicht, ihr närrischen Dinger, ihr habt keine Ursache dazu; wenn ihr jemals finden werdet, daß eure Frau diese Begegnung verdient hat, dann weint was ihr weinen könnt; die Widerwärtigkeit, die izt über mich kommt, dient zu meinem Besten. Adieu, mein Gemahl – – es ist mir schmerzlich, daß ich erlebt habe, euch bekümmert zu sehen; Kommt, meine Weiber, ihr habt Erlaubniß.

Leontes.

Geht, thut was ihr wollt – – fort. (Die Königin, mit einer Wache, und ihre Frauen, gehen ab.)

Ein Herr von Hofe.

Ich bitte Euer Hoheit, ruffet die Königin zurük.

Antigonus.

Sehet wohl zu, was ihr thut, Gnädigster Herr; wenn ihr Unrecht habt, so leiden drey Personen, und keine geringere als Ihr selbst, eure Königin, und euer Sohn.

Ein andrer Herr von Hofe.

Ich wollte mein Leben für sie sezen können, Gnädigster Herr – – und ich will es hiemit gethan haben, wenn ihr es annehmen wollt – – daß die Königin in den Augen des Himmels selbst unschuldig an dem, wessen ihr sie beschuldiget, ist.

Antigonus.

Findet sich’s, daß sie es nicht ist, so will ich mich mit Ketten an mein Weib schmieden lassen; so will ich ihr nicht weiter trauen als ich sie sehe und fühle – – Wenn die Königin ungetreu ist, so ist jedes Quintchen Weiber-Fleisch, jeder weibliche Bluts-Tropfe in der Welt falsch.

Leontes.

Schweigt – –

Einige Herren.

Gnädigster Herr – –

Antigonus.

Was wir reden ist zu euerm Besten, nicht zum unsrigen – – Ihr seyd betrogen, und von irgend einem Ohrenbläser, der dafür zur Hölle fahren wird – – Wollte Gott ich wißte wer der Bube ist, er sollte sein leztes Brodt gegessen haben: Wenn Sie ihre Ehre verwirkt hat – – ich habe drey Töchter; die älteste ist eilf Jahre alt, die andre neun, und die dritte fünf oder sechs – – Wenn sich’s so befindet, so sollen sie dafür büssen. Bey meiner Ehre, ich will sie alle verschneiden lassen; sie sollen nicht vierzehn Jahre alt werden, um Mütter von andern Spizbübinnen zu werden; sie sind meine einzigen Erben, und ich wollte mich lieber selbst aufhängen, als daß sie keine schöne Nachkommenschaft zur Welt bringen sollten.

Leontes.

Hört auf; nichts mehr; ihr habt zu stumpfe Sinnen für eine solche Sache; ich seh und fühle sie; es ist hier von keinen Muthmassungen die Rede; ich bin gewiß – –

Antigonus.

Wenn das ist, so brauchen wir kein Grab, um die Ehrlichkeit darein zu legen; es ist kein Gran von ihr übrig, nicht ein Gran, um den Gestank der ganzen in Unrath versunknen Erde erträglicher zu machen.

Leontes.

Wie? hab ich keinen Credit mehr, daß ihr noch zweifelt?

Ein Herr vom Hofe.

In dieser Sache wünschte ich daß ihr keinen hättet, Gnädiger Herr; ich wollte lieber, daß sich ihre Unschuld als daß sich euer Argwohn wahr befände, ihr möchtet auch getadelt werden so viel man wollte.

Leontes.

Was haben wir nöthig hierüber mit euch zu conferieren? Es war eine Wirkung unsrer natürlichen Leutseligkeit, daß wir mit euch in einer Sache redeten, wozu ihr keine Stimmen zu geben habt. Wenn ihr also so dumm seyd, oder euch geflissentlich so stellt, und die Wahrheit mit uns nicht sehen könnt, oder nicht sehen wollt; so behaltet eure Meynung für euch; wir bedürfen keiner weiteren Erinnerungen von euch; die Sache, der Gewinn und der Verlust, und die Disposition darüber, alles geht lediglich uns selbst an.

Antigonus.

Ich wünschte auch nur, mein Gebietender Herr, daß ihr sie noch länger bey euch selbst behalten, und nicht so öffentlich kund gemacht hättet.

Leontes.

Wie war das möglich? Entweder hat dich das Alter dummer gemacht, oder du bist zum Narren gebohren worden. Nachdem Camillo’s Entweichung noch zu ihrer vorigen Vertraulichkeit, (welche so in die Augen fallend war, daß zur gänzlichen Evidenz nichts fehlte als sie in der wirklichen That zu ergreiffen) nachdem, sage ich, Camillo’s Entweichung noch dazu gekommen, so war ich gezwungen, auf diese Art zu Werke zu gehen. Indessen und um in einer Sache von solcher Wichtigkeit nichts zu unterlassen, was zu mehrerer Bestätigung der Wahrheit dienen kan, hab‘ ich bereits mit fliegender Eilfertigkeit Dion und Cleomenes nach dem geheiligten Delphi, in Apollo’s Tempel, abgesandt: Ihr wisset, daß es Leute sind, auf die man sich verlassen kan: Und die Antwort, die sie uns von dem Orakel bringen werden, soll mich zurükhalten, oder spornen. Hab ich nicht wol gethan?

Ein Herr vom Hofe.

Sehr wohl, Gnädigster Herr.

Leontes.

Wenn ich gleich für meine eigne Person Proben genug habe, und nicht weiters zu wissen brauche als was ich weiß, so wird das Orakel doch dazu dienen, die Gemüther der übrigen zu beruhigen, deren unwissende Leichtgläubigkeit sie unfähig macht, die Wahrheit durch sich selbst zu entdeken. Inzwischen haben wir für gut angesehen, sie von uns zu entfernen, und in sichre Verwahrung bringen zu lassen; um ihr die Gelegenheit abzuschneiden, das verräthrische Complot der beyden, die sich auf flüchtigen Fuß gesezt haben, auszuführen. Kommt, folgt uns; wir sehen uns bemüssiget öffentlich zu reden; denn dieser Handel wird uns alle aufweken – –

Antigonus.

Ja, zum Lachen, denk‘ ich, wenn die echte Wahrheit bekannt wäre. (Sie gehen ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in ein Gefängniß. Paulina, die Gemahlin des Antigonus, läßt den Kerkermeister herausrufen, und bittet vor die gefangne Königin gelassen zu werden: Da ihr aber dieses, vermöge des ausdrüklichen Königlichen Befehls abgeschlagen wird, so verlangt sie, ihr wenigstens eine Unterredung mit einer von ihren Kammer-Frauen zu gestatten. Dieses wird ihr bewilliget, doch so, daß der Kerkermeister dabey zugegen seyn solle. Emilia kommt also heraus und meldet der Paulina, daß Schreken und Kummer die Niederkunft der Königin befördert habe, und daß sie wirklich von einer Tochter entbunden sey; ein holdseliges Mädchen, (sagt Emilia) munter, und voller Leben: Sie gereicht der guten Königin zu vielem Trost: Meine arme Gefangne, sagt sie, ich bin so unschuldig als du – –

Paulina.

Darauf wollt‘ ich schwören: Diese wunderlichen, gefahrvollen Launen des Königs! Der Henker hole sie! Aber man muß es ihm sagen, und das soll auch geschehen; es ist ein Dienst, der sich am besten für ein Frauenzimmer schikt. Ich will ihn auf mich nehmen – – Ich bitte euch, Emilia, versichert die Königin meiner gänzlichen Ergebenheit, und sagt ihr, wenn sie mir ihre kleine Princessin anvertrauen wolle, so woll‘ ich sie dem Könige zeigen und es auf mich nehmen, so laut als nur möglich ihr Fürsprecher zu seyn. Wir wissen nicht, wie ihn vielleicht der Anblik des Kinds erweichen mag; das Stillschweigen der reinen Unschuld überredet oft besser als die beredteste Zunge – – Paulina versichert Aemilien, daß ihr edelmüthiges Anerbieten der Königin desto angenehmer seyn werde, da sie selbst auf diesen Gedanken gekommen, und nur besorgt habe, daß sich niemand finden würde, der es wagen dürfte ihn auszuführen. Inzwischen macht der Kerkermeister auf den Fall daß die Königin einwilligen sollte, Aemilien die neugebohrne Princessin anzuvertrauen einige Schwierigkeit, ob er es, da er keinen Befehl dazu habe, passieren lassen dürfe; läßt sich aber von Aemilien damit beruhigen, daß das Kind eigentlich ein Gefangner im Mutterleib gewesen, und nach Gesez und Ordnung der Natur freygestellt worden, mit nichten aber als Gefangner des Königs anzusehen sey, als gegen welchen es sich auf keinerley Weise habe verfehlen können. Und hierauf begeben sie sich in ein anders Zimmer.

Vierte Scene.

Der Pallast. Leontes, Antigonus, Herren vom Hofe, und Trabanten treten auf.

Leontes (vor sich.)

Keine Ruhe, bey Tag noch Nacht – – es ist eine grosse Schwachheit, sich die Sachen so zu Gemüthe zu ziehen – – es würde so seyn, wenn der Gegenstand meiner Unruhe nicht noch unter den Lebendigen wäre – – wenigstens ein Theil davon, sie, die Ehebrecherin – – Denn was ihren Verführer betrift, den muß ich aus meinem Gehirn auswischen, da ihn mein Arm nicht erreichen kan: Aber sie hab‘ ich in meiner Gewalt – – Könnte mir jemand sagen, daß sie aus der Welt geschafft wäre, die Hälfte meiner Ruhe würde wieder kommen – – Ist niemand hier? – – Ein Bedienter kommt herein.

Bedienter.

Gnädigster Herr – –

Leontes.

Wie steht’s um den Prinzen?

Bedienter.

Er schlief diese Nacht wohl; man hofft er habe das Schlimmste überstanden.

Leontes.

Wie edel sein Gemüth ist! Seitdem er die Schande seiner Mutter gewahr wurde, ist er auf einmal welk worden, geht traurig und niedergeschlagen herum, will nichts essen, und schämt sich, als ob er sich vor sich selbst verbergen möchte – – Lebhaftigkeit, Appetit, Schlaf, alles ist hin; er schwindet zusehends weg – – Laß mich allein, geh, sieh was er macht – – (Der Bediente geht ab.) – – Fie, fie, keinen Gedanken an ihn! – – Hier führt kein Weg zur Rache – – er ist zu mächtig; an sich selbst, und in seinen Freunden und Bundes-Genossen – – Laßt ihn wo er ist, bis die Zeit uns vielleicht einen Dienst thut – – Für izt soll sich unsre Rache an ihr ersättigen – – Camillo und Polixenes lachen izt über mich; machen sich eine Kurzweile aus meinem Kummer; sie sollten nicht lachen wenn ich sie erreichen könnte; noch soll sie lachen, die ich in meiner Gewalt habe – –

Fünfte Scene.

Paulina mit einem Kinde auf dem Arm tritt auf.

Ein Herr vom Hofe, an der Thüre.

Ihr könnt nicht vorkommen.

Paulina.

Ihr solltet euch vielmehr meiner annehmen, meine guten Herren. Ach Gott! ist euch mehr daran gelegen, seine tyrannische Leidenschaft als das Leben der Königin zu schonen? Einer tugendhaften, schuldlosen Seele; welche reiner ist, als er eifersüchtig.

Antigonus.

Laß es genug seyn.

Ein Bedienter vor der Thüre.

Gnädige Frau, er hat diese Nacht nie geschlaffen; wir haben ausdrüklichen Befehl, niemand vor ihn zu lassen.

Paulina.

Nicht so hizig, Herr; ich komme deßwegen, um ihm wieder zu seinem Schlaffe zu helfen. Solche Leute wie ihr, die wie seine Schatten neben ihm her kriechen, und jedem seiner unnöthigen Seufzer mit einem schmeichlerischen Nach-Seufzen antworten – – Solche Leute nähren die Ursache seiner Schlaflosigkeit. Ich komme ihm Wahrheiten zu sagen, die ihn so gewiß curieren können als sie wahr sind – – Laßt mich; ich werde mich nicht abweisen lassen.

Leontes.

Was giebts für ein Getöse hier, he?

Paulina.

Kein Getöse, Gnädigster Herr, sondern eine nothwendige Audienz für ein paar ehrliche Gevatterinnen.

Leontes.

Wie? – – Weg mit dieser zudringlichen Frau – – Antigonus, befahl ich dir nicht, sie sollte nicht vor mich kommen? Ich wußte, daß sie es im Sinn hatte.

Antigonus.

Gnädigster Herr, ich verbott es ihr, auf Gefahr sich euern Unwillen zuzuziehen, und den meinigen – – aber – –

Leontes.

Was? Kanst du sie nicht besser im Zaum halten?

Paulina.

Von allem was unrecht wäre, kan er’s; aber in dieser Sache, verlaßt euch darauf – – er müßte es denn nur machen wie ihr, und mich einsperren lassen, weil ich rechtschaffen gehandelt hätte – – in dieser Sache soll er mich nicht zurükhalten können.

Antigonus.

Seht ihr nun, ihr hört es selbst; wenn sie einmal den Zaum zwischen die Zähne genommen hat, so muß ich sie rennen lassen; aber doch stolpert sie nicht.

Paulina.

Mein Gnädigster Oberherr, ich komme – – und ich bitte euch, hört mich an, eure getreue Magd, euern Arzt, und euere aufrichtige wolmeynende Rathgeberin; ich bin es, ob ich schon weniger Credit habe, als diejenigen, die euch am ergebensten zu seyn scheinen, ohne daß sie den Muth haben, eure Wunde anzurühren – – Ich sage, ich komme von eurer guten Königin.

Leontes.

Guten Königin?

Paulina.

Guten Königin, Gnädigster Herr; ja, von eurer guten Königin, sag‘ ich noch einmal, und wollt‘ es mit Schwerdt und Lanze gegen den Schlimmsten unter euch beweisen, wenn ich ein Mann wäre.

Leontes.

Treibt sie hinaus.

Paulina.

Unterstehe sich einer Hand an mich zu legen, wenn ihm seine Augen nur Kleinigkeiten sind: Ich will von mir selbst wieder gehen, aber zuvor will ich meine Commission ausrichten. Die gute Königin, denn sie ist gut, hat euch eine Tochter gebracht; hier ist sie, und bittet um euern Segen. (Sie legt das Kind vor ihm nieder.)

Leontes.

Hinaus! weg mit der Hexe! zur Thüre hinaus: Die verschmizte Kupplerin!

Paulina.

Das nicht; ich bin so unwissend in dieser Kunst als ihr, wenn ihr mich so betitelt; und nicht weniger ehrlich als ihr unsinnig seyd; und das ist, ich versichre euch, so wie die heutige Welt geht, genug um für ehrlich zu passieren.

Leontes.

Verräther, wollt ihr sie nicht hinausschmeissen? (Zum Antigonus.) Gieb ihr den Bastard; du alter Weiber-Narr, der sich von seiner Henne aus dem Hüner-Stall herauspiken läßt. Nimm den Bastard auf, nimm ihn auf, sag ich; gieb ihn deiner alten Schnarr-Pfeiffe.

Paulina.

Auf ewig ehrlos seyen deine Hände, wenn du die Princessin unter der gewaltthätigen Beschimpfung, womit er sie belegt, aufhebst.

Leontes.

Seht, er muß sein Weib fürchten.

Paulina.

Ich wollte, ihr machtet’s so; so würdet ihr ohne Zweifel eure Kinder nicht verläugnen.

Leontes.

Ein Pak Verräther!

Antigonus.

Ich bin keiner, beym Gott des Tages!

Paulina.

Ich auch nicht, noch sonst jemand hier, als einer; und der ist er selbst – – Er, der die geheiligte Ehre seiner Selbst, seiner Königin, seines hoffnungs-vollen Sohns und seiner neugebohrnen Tochter Preiß gegeben und mit einer Schande gebrandmalet hat, die wenn sie sich einmal in die Meynung der Welt eingefressen hat, durch keinen Widerruf, durch keine ersinnliche Genugthüung wieder auszulöschen ist.

Leontes.

Eine natter-züngichte Beze, die kürzlich ihren Mann geprügelt hat, und nun mich anfällt! – – Diese kleine Roznase geht mich nichts an; Polixenes ist ihr Vater, weg mit ihr und ihrer Alten; werft sie ins Feuer.

Paulina.

Sie ist euer, und wenn wir das alte Sprüchwort auf euch applicieren dürften, sie sieht euch so gleich, daß sie nicht desto schöner ist. Seht hier, meine Herren, so klein der Format ist, das natürliche leibhafte Ebenbild ihres Vaters; Augen, Nase, Lippen, der Zug seiner Augbrauen, seine Stirne, das Grübchen in seinem Kinn, und in den Wangen, sein Lächeln, die völlige Bildung seiner Hand, seine Finger und Nägel. Und du, gute Göttin Natur, die du sie dem, der sie zeugte, so ähnlich machtest, wenn du auch die Gestaltung des Gemüths hast, so brauch alle Farben dazu, nur kein Gelb; sonst könnte die Königin wol, eben sowol wie er, auf den Argwohn gerathen, daß ihre Kinder nicht ihrem Manne gehörten.

Leontes.

Der garstige Schleppsak! Und du, Flegmatischer Geselle, verdienst gehangen zu werden, daß du ihr das Maul nicht stopfest – –

Antigonus.

Wenn ihr alle Männer hängen lassen wollt, die das nicht können, so wird euch schwerlich ein einziger Unterthan übrig bleiben.

Leontes.

Noch einmal, schafft sie fort.

Paulina.

Der unwürdigste, unnatürlichste Herr könnte nicht mehr thun.

Leontes.

Ich will dich zu Asche brennen lassen.

Paulina.

Sey es; so ist der der Kezer, der das Feuer anzünden läßt, nicht ich, die verbrennt wird. Ich will euch eben keinen Tyrannen nennen, aber diese höchst grausame Behandlung eurer Königin, (gegen welche ihr doch nicht im Stande seyd einen andern Zeugen aufzubringen, als eure eigne wakelnde Einbildung) schmekt ein wenig nach Tyranney; und wird euch verächtlich, ja abscheulich in den Augen der Welt machen.

Leontes.

Ich befehl es euch, bey euern Pflichten; werft sie aus dem Zimmer hinaus. Wär‘ ich ein Tyrann, wo wär‘ ihr Leben? Sie würde mich gewiß nicht so nennen, wenn sie wißte daß ich einer wäre. Weg mit ihr.

Paulina.

Ich bitte euch, stoßt mich nicht, ich will gehen. Seht zu euerm Kinde, Gnädigster Herr, es ist euer; die Götter mögen ihr einen bessern Schuzgeist senden! – – Hiemit gehabt euch wol, wir gehen. (Sie geht ab.)

Sechste Scene.

Leontes.

Du hast dein Weib hiezu aufgestiftet, Verräther – – Das soll mein Kind seyn? Weg damit! Eben du, du der ein so zärtliches Herz dagegen gehabt hast, trag es weg, und siehe zu, daß es diesen Augenblik ins Feuer geworfen und verzehret werde; eben du und kein andrer, als du – – Gleich heb‘ es auf. Noch in dieser Stunde bringe mir die Nachricht daß es geschehen sey, und Zeugen, die mir keinen Zweifel übrig lassen, oder dein Leben, und alles was du sonst noch dein nennest, ist verwirkt: Wenn du dich weigern, und mit meinem Grimm zusammenstossen willst, so sag es: Ich will dem Bastard sein Hirn mit meinen eignen Händen ausschlagen – – Geh, wirf es ins Feuer; denn du hast dein Weib aufgestiftet.

Antigonus.

Das that ich nicht, Gnädiger Herr; diese Herren, meine edeln Brüder, können es bezeugen, wenn sie wollen.

Ein Herr vom Hofe.

Wir können es, Gnädiger Herr; er hat keine Schuld daran, daß sie gekommen ist.

Leontes.

Ihr seyd alle Lügner.

Alle.

Wir bitten Eu. Hoheit eine bessere Meynung von uns zu haben. Wir haben euch jederzeit getreulich gedient, und bitten euch, uns hiernach zu beurtheilen; und auf unsern Knien flehen wir, (als um die Belohnung unsrer vergangnen und künftigen Dienste) daß ihr von diesem Vorhaben ablasset, welches so entsezlich, so grausam ist, daß es böse Folgen nach sich ziehen könnte – – Wir alle bitten auf unsern Knien- –

Leontes.

Ich bin wie eine Feder, die jeder Wind herumweht wohin er will – – Soll ich leben, um diesen Bastart vor mir knien und mich Vater nennen zu sehen? Besser ihn izt zu verbrennen als ihm dann meinen Fluch zu geben – – Doch sey es; laßt ihn leben – – Nein, das soll er auch nicht – – Ihr, Herr, kommt ein wenig näher – – (zum Antigonus.) Ihr, der mit Dame Margareth eurer Hebamme hier, so dienstfertig gewesen seyd, um dieses Bastarts Leben zu retten, (denn ein Bastart ist es, so gewiß als dieser Bart grau ist – -) was wollt ihr wagen, um diesem Welchselbalg das Leben zu erhalten?

Antigonus.

Alles, Gnädigster Herr, was ich fähig bin und Großmuth auflegen kan – – zum wenigsten will ich, ein unschuldiges Geschöpf zu retten, das wenige Blut gerne hergeben, das ich noch in meinen Adern habe – – Alles, wenn es nur etwas mögliches ist.

Leontes.

Es soll möglich seyn – – schwöre bey diesem Schwerdt, daß du meinen Befehl vollziehen willt.

Antigonus.

Ich will, mein Gebietender Herr.

Leontes.

Merke wol auf, und halte Wort – – Denn die Unterlassung eines einzigen Punkts soll gegenwärtiger Tod nicht allein für dich, sondern auch für dein scharfzüngiges Weib seyn, welcher wir für diesesmal vergeben. Wir befehlen dir, so wahr du unser Vasall bist, daß du diesen weiblichen Bastart von hier weg, und an einen abgelegnen einöden Ort, ferne von unsern Landen und Gebieten tragen, und daß du es dort, ohne anderweitige Vorsorge, seinem Schiksal und der Gunst des Clima überlassen sollest – – Der Zufall mag dann seine Pfleg-Mutter seyn oder seinem Wesen ein Ende machen – – Thue es, oder erwarte das ärgste von meiner gerechten Rache – – Heb es auf.

Antigonus.

Ich schwöre, daß ich es thun will. Komm dann, armes Kind! Irgend ein mitleidiger Geist lehre Geyer und Raben, deine Ammen zu werden. Man erzählt von Wölfen und Bären daß sie ihre natürliche Wildheit bey Seite gesezt, und dergleichen milde Dienste gethan hätten – – Gnädigster Herr, lebet glüklicher als es diese That verdient – – Armes unschuldiges Geschöpf, sollst du zum Verderben verurtheilt seyn! – – (Er trägt das Kind hinweg.)

Leontes.

Nein, ich will keine fremde Brut in meinem Nest aufziehen. Ein Bote tritt auf.

Bote.

Gnädigster Herr, es ist eine Staffette von euern Abgesandten zum Orakel diese Stunde angekommen. Cleomenes und Dion sind glüklich von Delphi zurük gekommen, und werden in kurzem bey Hofe eintreffen.

Leontes.

Es sind erst drey und zwanzig Tage seitdem sie abgereißt sind: Die schnelle Expedition sagt mir vor, daß Apollo die Wahrheit sobald als nur möglich ans Licht gebracht wissen will. Schiket euch an, meine Herren, laßt den grossen Rath zusammenberuffen, damit unsrer treulosen Gemahlin der Proceß gemacht werde; denn da sie öffentlich angeklagt worden, so soll sie auch gerichtlich verhört und überwiesen werden – – So lange sie lebt, wird mir mein Herz eine Last seyn – – Verlaßt mich, und vollzieht meinen Befehl. (Sie gehen ab.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene.

Eine Gegend von Sicilien an der Küste. Cleomenes und Dion treten auf.

Cleomenes.

Das Clima ist ungemein mild, die Luft lieblich, das Erdreich fruchtbar, und der Tempel weit über die gewöhnlichen Beschreibungen, die von ihm gemacht werden.

Dion.

Er beschämt alles was das Gerüchte von ihm rühmt – – Alles darinn kündigt die gegenwärtige Gottheit an – – Die priesterliche Kleidung – – ich möchte sie fast himmlisch nennen – – das ehrwürdige Ansehen der Diener des Gottes – – und o! das Opfer, wie feyerlich, prächtig und mehr als irdisch in seiner ganzen Anordnung!

Cleomenes.

Und was über alles geht, der furchtbare Ausbruch der betäubenden Stimme des Orakels, die, mit Jupiters Donner verwandt, meine Sinne so dahinriß, daß ich vernichtet zu werden glaubte.

Dion.

Wenn der Endzwek unsrer Reise für die Königin so glüklich ausfallen wird, (und o! möcht‘ es so seyn,) als die Reise selbst uns angenehm gewesen, und glüklich von statten gegangen ist, so ist die Zeit wol darauf angewendet worden.

Cleomenes.

Grosser Apollo! wende alles zum Besten! – – Ich kan es gar nicht billigen, daß man mit diesen Bezüchtigungen so öffentlich und auf eine so ungestüme Art gegen Hermione losgebrochen ist.

Dion.

Nach den heftigen Maaßregeln die man genommen hat, wird die Sache bald ins Klare kommen oder geendigt werden – – Das Orakel, welches wir hier unter Apollo’s grossem geheiligten Sigel mit uns bringen, wird den Ausspruch thun; vielleicht werden sehr unerwartete Dinge zum Vorschein kommen – – Geht, frische Pferde: Und erfreulich möge der Ausgang seyn! – – (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Verwandelt sich in einen Gerichts-Hof. Leontes, die vornehmsten Herren vom Hofe, und verschiedene Beysizer und Officianten des Hof-Gerichts, im Cirkel sizend.

Leontes.

Dieses niedergesezte Gericht (mit tiefstem Schmerz müssen wir es sagen) führt den tödtlichen Stoß in unser Herz. Der beklagte Theil ist nichts geringeres als die Tochter eines Königs, unsre Gemahlin, und eine, welche wir nur zu sehr geliebt haben – – Dieses feyrliche Gericht wird uns, hoffentlich, gegen allen Vorwurf der Tyranney sicher stellen; dieses Gericht, wobey die Gerechtigkeit allein den Vorsiz haben, wo der Schuldigen ihre Vertheidigung nicht versagt und nur das Verbrechen gestraft werden soll – – Führet die Gefangene vor – –

Ein Officiant.

Es ist Sr. Hoheit Wille, daß die Königin vor Gericht gebracht werde. Stille! Hermione wird mit einer Wache herein geführt; Paulina und ihre Cammer-Frauen folgen.

Leontes.

Leset die Anklage.

Officiant (ließt.)

Hermione, Königliche Gemahlin des Durchlauchtigsten Leontes, Königs von Sicilien, du wirst hier vorgeladen und des Hochverraths angeklagt, darinn von dir begangen, daß du mit Polixenes, König von Böhmen, geehbruchet, und mit Camillo dich in ein Verständniß gegen das Leben unsers Gnädigsten Herrn, des Königs deines Gemahls, eingelassen; und daß, da dieser Anschlag durch zufällige Umstände zum Theil offenbar worden, du, Hermione, gegen die Treue und Pflicht eines getreuen Unterthanen, ihnen gerathen und Vorschub gethan, um sich bey nächtlicher Weile durch die Flucht zu retten.

Hermione.

Da alles was ich zu sagen haben kan, in dem blossen Widerspruch meiner Anklage besteht; und ich keine andre Zeugschaft meiner Unschuld aufstellen kan, als meine eigne; so wird es mir schwerlich etwas helfen, wenn ich sage, ich bin nicht schuldig: Das gegen meine Redlichkeit einmal gefaßte Vorurtheil, wird alles was sie sagen kan, zu falschen und leeren Ausflüchten machen. Aber, wenn Göttliche Mächte auf unsre menschlichen Handlungen herabschauen, (wie sie es gewiß thun) so zweifle ich nicht, daß Unschuld doch zulezt eine falsche Anklage zu Schanden machen, und Tyranney vor Geduld zittern wird – – Ihr, mein Herr und Gemahl, ihr wißt am besten, ob ihr es gleich am wenigsten zu wissen scheinet, daß mein vormaliger Lebens-Wandel so keusch, so ehrlich, und so untadelhaft gewesen ist, als ich izt unglüklich bin; und das ist mehr als irgend eine Geschichte, ja mehr als irgend ein Trauerspiel, obgleich mit allem Fleiß ausgesonnen, um Zuschauer herbey zu loken, aufweisen kan – – Denn hier steh‘ ich, die Genossin des Königlichen Bettes, die Theilhaberin des Throns, die Tochter eines grossen Königs, die Mutter eines hoffnungsvollen Prinzen, stehe und schwaze für Leben und Ehre, vor einem jeden, dem es gefällig ist zu kommen und zu hören. Was mein Leben betrift, das hat in meinen Augen alles verlohren, was es der Erhaltung werth machen könnte: Aber meine Ehre ist mein eigen, und für diese steh‘ ich hier. Ich appelliere an euer eignes Gewissen, mein Herr, wie ich bey euch in Gnaden gestanden, eh Polixenes an euern Hof kam, und ob ich es verdiente – – und, seitdem er gekommen ist, wie sorgfältig ich bemüht gewesen, mich eurer guten Gedanken von mir würdig zu erhalten; bin ich in Werken oder Gedanken nur Ein Jota über die Schranken der Ehre hinaus gegangen, so möge sich das Herz eines jeden der mich hört, verhärten, und meine nächste Blutsverwandten Fy über mein Grab ruffen!

Leontes.

Ich habe noch nie gehört, daß es einer, welche Muth genug hat so grobe Verbrechen zu wagen, an Verwegenheit gefehlt hätte, sie mit eben der Unverschämtheit wieder wegzuläugnen, womit sie selbige begangen hat.

Hermione.

Das ist wahr genug, aber es ist eine Beobachtung, mein Herr, die gar nicht für mich gemacht ist.

Leontes.

Ihr wollt sie euch nur nicht zueignen.

Hermione.

Mehr Fehler, als ich würklich habe, kan und soll ich auch nicht für mein erkennen. Was den Polyxenes mit dem ich hier angeklagt bin, betrift, so gestehe ich, ich liebte ihn, so wie es seine guten Eigenschaften verdienten, mit solch einer Art von Liebe, wie einer Frau, wie ich, anständig seyn kan; mit einer Liebe, gerade so einer und keiner andern, wie ihr selbst mir ihn zu lieben befahlet; wenn ich weniger gethan hätte, würde ich geglaubt haben, ungehorsam gegen euch, und undankbar gegen euern Freund zu seyn; einen Freund, den ihr mir selbst als den Freund eures Herzens angepriesen habt, und der euch von der Kindheit an bewiesen hatte, daß er’s sey. Was eure Zusammen-Verschwörung betrift, so gestehe ich frey, daß ich gar nicht verstehe was ihr damit wollt: Alles was ich weiß ist, daß Camillo ein ehrlicher Mann war; aber warum er euern Hof verlassen hat, das wissen die Götter selbst nicht, wenn sie nicht mehr davon wissen als ich.

Leontes.

Ihr wußtet so gewiß um seine Flucht, als ihr wisset, was ihr in seiner Abwesenheit zu thun vorhattet.

Hermione.

Mein Herr, ihr redet eine Sprache, die ich nicht verstehe; mein Leben hängt nun einmal von euern Träumen ab; ich überlaß es euch.

Leontes.

Eure Thaten sind meine Träume – – wie? Ihr habt einen Bastart vom Polixenes, und ich träumt es nur so? – – Diese Frechheit hat nur an eurer Schaamlosigkeit ihres gleichen – – Doch läugne immerhin; das kan uns in Erstaunen sezen, aber dir kan es nichts helfen; denn so wie dein Wechselbalg, wie es sich für eine solche Brut schikt, von der niemand Vater seyn will, (ein Umstand der freylich bey ihr nur ein Unglük, aber bey dir ein desto schwereres Verbrechen ist) wie sie hinausgeworfen worden ist, so sollt du unsre Gerechtigkeit fühlen: Erwarte von ihrer äussersten Milde nichts geringere als den Tod.

Hermione.

Sparet eure Drohungen, mein Herr; den Popanz, womit ihr mich schreken wollt, den such ich; Leben kan für mich kein Gut mehr seyn. Die Crone und das Vergnügen meines Lebens, eure Gunst, geb ich verlohren, denn ich fühle, daß sie verlohren ist, ob ich gleich nicht weiß, wie. Meine zweyte Freude, mein Sohn, mein erstgebohrner, von dem werd ich, wie eine angestekte Person durch Schlösser und Riegel versperrt. Mein dritter Trost, (ach! unter einem allzu-unglüklichen Stern gebohren!) ist von meiner Brust (die unschuldige Milch noch in seinem ganz unschuldigen Munde) weggerissen und ermordet worden; ich selbst bin mit einem Haß der keine Grenzen hat, als eine Meze durch alle Strassen ausgeruffen – – Sogar die Kindbett-Freyheiten, die dem geringsten Weibsbild zugestanden werden müssen, sind mir verweigert – – Zulezt, um das Maaß voll zu machen, habt ihr mich an diesen Plaz schleppen lassen in die freye Luft, vor der Zeit, da ich die Kräfte wieder erlangt hätte, es auszuhalten. Nun, mein gebietender Herr, sagt mir, wo sind die Glükseligkeiten, die ich mit dem Leben verliehren könnte? Schreitet also immer zur Sentenz: Aber das höret noch – – Verstehet mich nicht unrecht – – Nicht um mein Leben – – das acht‘ ich nicht soviel als einen Stroh-Halm – – Aber um meiner Ehre willen, muß ich euch sagen, wenn ich auf Bezüchtigungen, die keinen andern Beweis als eure Eifersucht haben, verurtheilt werde, so ist es Härte, nicht Justiz – – Meine Herren alle, ich unterwerfe mich dem Ausspruch des Orakels; Apollo soll mein Richter seyn!

Dritte Scene.

Dion und Cleomenes treten auf.

Ein Richter.

Euer Begehren ist billig; bringet also, und in Apollo’s Namen! sein Orakel hervor!

Hermione.

Der Kaiser von Rußland war mein Vater – – o! daß er noch leben, und dieses Verhör seiner Tochter sehen möchte! daß er dieses volle Maaß meines Elends sehen möchte; nur mit Augen des Mitleidens, nicht der Rache!

Ein Gerichts-Official.

Ihr sollet hier schwören auf das Schwerdt der Gerechtigkeit, daß ihr, Cleomenes und Dion, beyde zu Delphi gewesen seyd, und von da dieses versiegelte Orakel mitgebracht, so wie ihr’s aus den Händen der Priesterin des grossen Apollo empfangen habt; und daß ihr euch seitdem nicht erfrechet habt, das heilige Sigel zu erbrechen, und zu lesen, was es verschlossen hält.

Cleomenes. Dion.

Alles dieses beschwören wir.

Leontes.

Brecht die Sigel auf, und leset.

Der Official ließt:

Hermione ist keusch, Polixenes unschuldig, Camillo ein getreuer Unterthan, Leontes ein eifersüchtiger Tyrann, sein unschuldiges Kind, rechtmässig erzeugt; und ohne einen Erben soll der König leben, wofern das, was verlohren ist, nicht wieder gefunden wird.

Die Herren und Richter alle.

Nun, gelobet sey der grosse Apollo!

Hermione.

Gelobet!

Leontes.

Hast du es so gelesen wie es geschrieben ist?

Official.

Ja, Gnädigster Herr, sehet nur selbst – –

Leontes.

Das Orakel ist falsch – – Der Gerichts-Hof soll fortfahren – – es ist lauter Betrug. Ein Bedienter tritt auf.

Bedienter (erschroken und zitternd.)

Gnädigster, Gnädigster Herr – –

Leontes.

Was willt du? – –

Bedienter.

O, daß ich der unglükselige Bote seyn mußte! Der Prinz – – euer Sohn – – die Alteration über das Verhör der Königin – – er ist todt.

Leontes.

Was? er ist todt?

Bedienter.

Todt.

Leontes.

Apollo ist ergrimmt, und der Himmel selbst schleudert seine Keile auf meine Ungerechtigkeit herab – – Wie, was giebt’s hier? (Die Königin sinkt ohnmächtig hin.)

Paulina.

Die Königin wird diese Zeitung nicht überleben – – Seht hieher, seht was der Tod für Arbeit macht.

Leontes.

Tragt sie fort; ihr Herz ist nur überladen; sie wird sich wieder erholen. – – (Paulina und die Frauen gehen mit Hermione, welche weggetragen wird.)

Vierte Scene.

Leontes.

Ich habe meinem Argwohn zuviel geglaubt: ich bitte euch, wendet alles an ihr Leben zu erhalten – – O Apollo! vergieb – – vergieb meine sinnlose Lästerung gegen dein Orakel! Ich will mich mit dem Polyxenes aussöhnen, mich von neuem um die Liebe meiner Königin bewerben, den ehrlichen Camillo zurük beruffen, ihn, dessen gutes Herz mir die Quaal erspart hat, daß ich mir noch die Ermordung meines Freundes vorwerfen müßte – – denn ihn erkießte ich in der Wuth meines eyfersüchtigen Fiebers zum Werkzeug, den Polixenes zu vergiften; aber ungeachtet ich ihm Belohnung in der einen Hand zeigte und Tod in der andern, war er doch zu edel, zu menschlich, mir zu gehorchen; er entfaltete meinen Anschlag meinem Königlichen Gast, und wollte lieber sein Vaterland und seine Güter, (die wie ihr wisset beträchtlich sind) dahinten lassen, und mit seiner unbeflekten Ehre nakend entfliehen, als meine Gunst mit einer Uebelthat erkauffen. Wie glänzt er neben meinem Rost! Wie viel schwärzer macht seine Tugend meine Aufführung!

Fünfte Scene.

Paulina zu den Vorigen.

Paulina.

O Jammer über Jammer! Schneidet mir meine Schnur-Brust auf, oder mein Herz zersprengt sie, und berstet zugleich.

Ein Herr vom Hofe.

Was ficht euch an, Gnädige Frau? Paulina kündigt dem Könige, nach einer langen Tirade von Schmähungen, und nachdem sie ihm alle seine Vergehungen in den unanständigsten Ausdrüken vorgeworfen, den Tod der Königin an.

Leontes.

Das verhüten die höhern Mächte!

Paulina.

Ich sage dir sie ist todt: Ich will es beschwören: Wenn du an Worten und Schwüren nicht genug hast, so geh und sieh selbst: Wenn ihr Farbe in ihre Lippen oder Glanz in ihre Augen, Wärme in ihre Gliedmaassen oder Athem in ihre Brust bringen könnt, so will ich vor euch niederfallen und euch wie einen Gott anbetten – – Aber, o du Tyrann! Zeige keine Reue über deine Thaten; sie sind zu abscheulich um durch alle Qualen die du fühlen kanst abgebüßt zu werden: Für dich ist nichts übrig als Verzweiflung. Tausend Kniee, zehntausend Jahre in einem fort, nakend, fastend auf einem kahlen Gebürge, in immerwährendem Winter und Sturm, könnten die Götter nicht bewegen, dahin zu sehen, wo du bist.

Leontes.

Fahre immer fort, fahre immer fort: Du kanst nicht zu viel sagen – – ich hab‘ es verdient, daß mir alle Zungen das Bitterste sagen, was sie können.

Ein Herr vom Hofe.

Sagt nichts mehr – – Die Umstände mögen seyn wie sie wollen, so habt ihr euch durch die unanständige Heftigkeit eurer Reden sehr vergangen.

Paulina.

Es ist mir leid; ich bereue alle Fehler, die ich begehen kan, sobald ich sie einsehe. Ach! nun seh ich’s, ich habe mich durch die rasche weibliche Hize zuweit fortreissen lassen; er ist bis ins edle Herz verwundet. Was geschehen ist, und keine Hülfe mehr zuläßt, sollte man aus dem Sinne zu schlagen suchen. Betrübet euch nicht so sehr – – nein, lieber laßt mich dafür bestraft werden, daß ich euch an Dinge erinnert habe, die ihr vergessen solltet. Nun, mein gütigster Gebieter, mein Herr, mein Königlicher Herr, verzeihst einem albernen Weibsbilde; die Liebe, die ich zu eurer Gemahlin trug – – (sie weint.) alberne Weichherzigkeit! – – Ich will nichts mehr von ihr sagen, auch nichts von euern Kindern, ich will nicht mehr an meinen eignen Mann denken, der auch verlohren ist. Fasset nur auch ihr Geduld, so will ich gerne nichts sagen.

Leontes.

Du hast recht gesprochen, denn du sagtest nichts als Wahrheit; und diese höre ich lieber von dir als dein Mitleiden. Ich bitte dich, führe mich dahin wo die Leichen meiner Gemahlin und meines Sohnes liegen; sie sollen beyde Ein Grab haben. Auf ihrem Grabmal sollen zu meiner ewigen Schande die Ursachen ihres Todes zu lesen seyn; alle Tage will ich einmal die Capelle besuchen wo sie liegen, und die Thränen, die ich dort vergiesse, sollen meine Erquikung seyn. So lange als die Natur bey dieser Uebung dauren kan, so lange gelob‘ ich an, sie täglich zu halten. Kommt, und führet mich zu diesem traurigen Geschäfte. (Sie gehen ab.)

Sechste Scene.

Verwandelt sich in eine einöde Gegend in Böhmen nahe an der See.* Antigonus tritt mit einem Kind auf dem Arm und einem Schiffer auf.

Antigonus.

Du bist also gewiß, daß unser Schiff an die Wüsten von Böhmen angeländet hat?

Schiffer.

Ja, Gnädiger Herr, und ich besorge nur daß es zur Unzeit geschehen ist. Der Himmel sieht fürchterlich aus und droht mit einem gegenwärtigen Sturm. Auf mein Gewissen, die Götter sind über das was wir in Handen haben erzörnt, und geben’s uns zu erkennen.

Antigonus.

Ihr heiliger Wille geschehe! Geh du an Bord zurük; sorge für deine Barke, ich will dir bald wieder ruffen.

Schiffer.

Eilet was ihr könnet, und waget euch nicht zu weit in das Land hinein; wir werden, allem Ansehen nach, ein heftiges Ungewitter bekommen – – Und zudem ist diese Gegend wegen der wilden Thiere berüchtiget, die sich hier aufhalten.

Antigonus.

Geh du nur; ich will dir auf dem Fusse folgen.

Schiffer (vor sich.)

Ich bin von Herzen froh, daß ich dieser Bürde los werde. (Er geht ab.)

Antigonus.

Komm, armes Geschöpf; ich habe gehört, obgleich nie geglaubt, daß die Geister der Verstorbnen wieder kommen können; wenn sowas ist, so erschien mir deine Mutter in verwichner Nacht; denn nie hat ein Traum dem Wachen so gleich gesehen. Eine Creatur stellte sich mir vor, deren Haupt bald auf die eine bald auf die andere Seite hieng; nie sah ich ein Gefäß von solchen Schmerzen angefüllt – – und doch so viel Anstand in ihrem ganzen Wesen; ganz weiß gekleidet, wie das Bild der Unschuld, näherte sie sich der Cajüte worinn ich lag; sie neigte sich dreymal vor mir, aber wie sie den Mund zum reden öffnete, barsten ihre Augen in Thränen; endlich da sie sich erleichtert hatte, brachen diese Worte von ihr: Redlicher Antigonus, weil doch nun das Schiksal, gegen deine bessere Gesinnung dich zum Werkzeug der Wegwerfung meines armen Säuglings gemacht hat, so leg es in Böhmen nieder – – es sind Wildnisse genug dort, und sie sind weit genug von Sicilien entlegen, daß dein Eid nicht dadurch gebrochen wird; und weil dieses Kind für immer verlohren geschäzt wird, so gieb ihm, ich bitte dich, den Namen Perdita. Für dieses unfreundliche Geschäfte, das dir mein Gemahl aufgelegt hat, wirst du dein Weib Paulina niemals wieder sehen – – und hier that sie einen ängstlichen Schrey, und zerfloß in Luft. So erschroken ich war, so erholt‘ ich mich doch bald wieder, und dachte bey mir selbst, daß es etwas wirkliches und kein Traum gewesen seyn müsse: Träume sind Tand; aber für dieses einzige mal kan ich mir nicht verwehren abergläubisch zu seyn, und Reflexion auf dieses Gesicht zu machen. Ich glaube, daß Hermione den Tod erlidten haben wird; und daß Apollo, weil er weiß, daß dieses Kind wirklich dem König Polixenes angehört, haben will, daß es hieher, es sey nun zum Leben oder Tod, auf seines wahren Vaters Grund und Boden gelegt werde. (Er legt das Kind nieder.) So gerathe dann wol, du kleiner Sprößling! Hier liege, und hier dein Name; und hier Dinge, welche, wenn das Glük günstig ist, deine Erhaltung befördern, und doch dein bleiben können – – Es fängt an zu stürmen – – Armes unglükliches Geschöpf! das für seiner Mutter Fehler so grausam büssen muß – – Wie wird es dir gehen? – – Weinen kan ich nicht, aber mein Herz blutet – – O des unseligen Eids, durch den ich mich so gebunden habe! – – Lebe wohl! – – Der Tag wird immer dunkler; es sieht aus, als ob du ein rauhes Wiegen-Lied bekommen werdest; nie hab ich bey Tage einen so düstern Himmel gesehen – – Was für ein wildes Geschrey ist das – – ich habe hohe Zeit an Bord zu eilen – – Das ist eine Jagd – – Himmel! Ich bin verlohren. (Er flieht, von einem Bären verfolgt.) * Wie die See nach Böhmen kommen könne, war ein Umstand, den sich unser Autor vielleicht von darum nichts anfechten ließ, weil man in Mährchen auf die Geographie nicht zu achten pflegt.

Siebende Scene.

Ein alter Schäfer tritt auf.

Schäfer.

Ich wollte es wäre kein Alter zwischen zehn und drey und zwanzig, oder die jungen Leute müßten diese ganze Zeit über schlafen: Denn es ist doch in diesem Zwischen nichts als, Menschern Kinder machen, alte Leute foppen, stehlen, rauffen – – Hört ihr nun! Würde sich ein Mensch in der Welt einfallen lassen, bey einem solchen Wetter zu jagen, wenn es nicht diese Tollköpfe von neunzehn und zwey und zwanzig thäten? – – Sie haben mir zwey von meinen besten Schafen verscheucht, die nun, fürcht‘ ich, der Wolf eher finden wird als ihr Herr – – wenn ich sie noch irgendwo kriegen kan, so muß es an der Küste seyn, wo sie Epheu zu fressen finden – – Gut Glük! was haben wir hier? – – (Er hebt das Kind auf.) Gott sey bey uns! Ein Wikel-Kind! Ein recht hübsches Kind! Ein Junge, oder ein Mädchen, das wundert mich! – – Ein artiges Ding, ein recht artiges Ding; richtig, das wird ein Jungfern-Kindchen seyn: Wenn ich schon nicht gestudiert bin, so seh ich ihm doch an der Nase an, daß eine Kammer-Jungfer oder so was dahinter stekt. Das mag eine Stiegen-Arbeit gewesen seyn, eine Rausch-Arbeit, so was hinter der Thür hurtig weggemachtes – – Armes kleines Ding! denen ist wärmer gewesen, die dich gezeugt haben, als dir ist – – Ich will es aus Mitleiden aufheben und mit mir nehmen; aber ich will doch noch warten, bis mein Sohn kommt; ich hört‘ ihn eben holla ruffen – – Wie! he! holla, ho! (Hans Wurst tritt auf.)

Hans Wurst.

Holla, ho! – –

Schäfer.

Was, bist du so nah? Wenn du was sehen willst, von dem noch die Rede seyn wird, wenn du todt und verfault bist, so komm her. Nun, was fehlt dir, Mann?

Hans Wurst.

Ich habe zwey solche Spectakel gesehen, zu Wasser und zu Land; doch ich kan nicht sagen zu Wasser; denn es ist izt alles Himmel; ihr könntet würklich zwischen das Firmament und die See keine Steknadel steken.

Schäfer.

Wie, Junge, was ist es dann?

Hans Wurst.

Ich wollte, ihr hättet nur gesehen, wie es tobt, wie es raßt, wie es das Ufer aufwühlt; aber das ist noch alles nichts; o! das erbärmliche Schreyen der armen Seelen – – sie izt zu sehen, und dann gleich wieder nicht zu sehen – – und wie das Schiff bald mit seinem grossen Mast den Mond durchbohrte, bald wieder von Schaum und Gäscht verschlungen wurde, als ob ihr ein Stükchen Kork in ein Bierfaß geworfen hättet. Und dann zu Lande – – wie ihm der Bär das Schulterbein ausriß, und wie er schrie daß ich ihm zu hülfe kommen sollte, und sagte, er heisse Antigonus, und sey ein Edelmann – – Aber um mit dem Schiff ein Ende zu machen, zu sehen, wie es vom Meer hineingeschlukt wurde; aber vorher, wie die armen Leute heulten, und wie ihnen die See zum Spott nachheulte – – Und wie der arme Herr heulte, und der Bär seiner spottete – – und beyde so laut heulten, daß man weder See noch Wetter davor hören konnte.

Schäfer.

Um Gottes willen, wenn war das, Junge?

Hans Wurst.

Izt, izt, diesen Augenblik erst; die Leute können unterm Wasser noch nicht kalt worden seyn, und der Bär kan den armen Herrn noch nicht halb aufgegessen haben; er ist noch an ihm.

Schäfer.

Ich wollt‘ ich wäre um den Weg gewesen, daß ich dem alten Mann hätte zu hülfe kommen können.

Hans Wurst.

Ich wollt‘ ihr wäret beym Schiff gewesen, daß ihr ihm hättet zu hülf kommen können; da würde euer Mitleiden ein schönes Stük Arbeit vor sich gefunden haben.

Schäfer.

Das sind böse, böse Zeitungen! Aber schau hier, Junge. Siehst du, daß ich glüklicher bin als du; du findest die Leute wenn sie sterben, und ich die neugebohrnen. Das ist was für dich, Junge; sieh hier, gelt, das ist ein Wikel-Tuch für ein Edelmanns-Kind! Schau nur einmal; heb es auf, heb es auf, Junge, mach’s auf; so, laß sehen: Es ist mir geweissagt worden, ich werde noch einmal durch die Feen reich werden – – Das wird so ein ausgetauschtes Kind seyn: Mach‘ es auf; was ist darinn, Junge?

Hans Wurst.

Ihr seyd ein närrischer alter Mann; wenn euch die Sünden eurer Jugend vergeben sind, so wird’s euch wohl kommen – – Gold! lauter Gold! – –

Schäfer.

Das ist Feen-Gold, Junge, es wird sich auch so weisen. Auf damit, heb es wohl auf; heim, heim, den nächsten Weg. Unser Glük ist gemacht, Junge; es kommt izt nur drauf an, daß wirs verschwiegen halten. Laß meine Schafe gehen; komm guter Junge, den nächsten Weg nach Hause.

Hans Wurst.

Geht ihr den nächsten Weg mit euerm Fund, ich will gehen und sehn, ob der Bär von dem Edelmann weggegangen ist; und wieviel er von ihm gegessen hat; Sie sind nie grimmig als wenn sie hungrig sind. Wenn noch was von ihm übrig ist, will ich’s begraben.

Schäfer.

Das ist ein gutes Werk. Wenn du an dem was du noch von ihm findest, erkennen kanst, was er gewesen ist, so hohl mich, daß ichs auch sehe.

Hans Wurst.

Das will ich, ihr könnt mir ihn dann begraben helfen.

Schäfer.

Das ist ein glüklicher Tag für uns, Junge, und wir wollen gute Werke an ihm thun. (Sie gehen ab.) Die Zeit tritt nunmehr, als Chor, auf und bittet in einem Reimen-Spruch voll alltäglicher Sentenzen in schwülstigen Ausdrüken, die Zuschauer um Erlaubniß, in einem Sprung über sechszehn Jahre wegsezen zu dürfen, innerhalb welcher die kleine Perdita ein hübsches aufgeschossenes Mädchen geworden sey, von deren Begebenheiten man in den folgenden Aufzügen das mehrere zu vernehmen haben werde.

Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Der Königliche Hof in Böhmen. Polixenes und Camillo treten auf.

Polixenes.

Ich bitte dich, guter Camillo, laß von mir ab; es ist mir schmerzlich dir irgend etwas abzuschlagen, aber dieses zu bewilligen, wäre gar der Tod.

Camillo.

Es ist nun bereits fünfzehn Jahre seit ich mein Vaterland zum leztenmal gesehen habe; und ob ich gleich den grössesten Theil meines Lebens ausser demselben zugebracht, so wünsch ich doch, daß meine Gebeine dort liegen möchten. Ueberdieß hat der bußfertige König, mein Herr, nach mir gesendet; vielleicht kan ich ihm in seinem kummervollen Zustand zu einigem Troste dienen; wenigstens bild ich mir’s so ein, und das ist ein neuer Antrieb zu meiner Abreise.

Polixenes.

Wenn du noch einige Liebe für mich hast, Camillo, so zernichte nicht alle deine mir bisher geleistete Dienste, indem du mich izt verlässest; schreib‘ es deiner eignen Güte zu, daß ich dich nicht mehr entbehren kan: Es wäre mir besser, dich nie gehabt zu haben, als künftig ohne dich zu seyn. Du hast mir Geschäfte gemacht, die niemand als du, zu Stande bringen kan; gehen und das Angefangene unvollendet lassen, das würde alle Verdienste auslöschen, die du dir dabey um mich gemacht hast. Bin ich dafür nicht erkenntlich genug gewesen, (wie ich es denn nie genug seyn kan,) so will ich beflissen seyn, meine Dankbarkeit besser zu beweisen – – Nur sage mir, ich bitte dich, nichts mehr von diesem fatalen Sicilien – – Der blosse Name davon martert mich mit der Erinnerung an diesen bußfertigen König, wie du ihn nennest, an dessen noch immer blutenden Schmerz über den Verlust seiner Gemahlin und seiner Kinder ich nun gedoppelten Antheil nehme, seitdem uns unsre Aussöhnung wieder zu Brüdern gemacht hat – – Sage mir, wie lang‘ ist es, seit du den Prinzen Florisell meinen Sohn gesehen hast? Könige sind nicht unglüklicher, wenn sie übelgerathene Kinder haben, als sie es durch die Furcht sind, liebenswürdige zu verliehren.

Camillo.

Gnädigster Herr, es sind drey Tage seitdem ich den Prinzen sah; was für angenehme Angelegenheiten er haben mag, ist mir unbekannt; aber ich vermisse ihn so ungern, daß ich nothwendig habe wahrnehmen müssen, daß er sich seit einiger Zeit öfters von Hof entfernt, und seinen fürstlichen Uebungen nicht mehr mit dem vorigen Eifer obliegt.

Polixenes.

Das hab‘ ich auch wahrgenommen, Camillo, und es hat mir wichtig genug geschienen, seine Abwesenheiten durch wachsame Augen beobachten zu lassen. Ich habe durch dieses Mittel erfahren, daß er seine meiste Zeit in dem Hause eines gewissen Schäfers zubringe, eines einfältigen, gemeinen Landmanns, der, wie sie sagen, von nichts, und auf eine seinen Nachbarn unbegreifliche Weise, zu einem unsäglichen Reichthum angewachsen sey.

Camillo.

Ich habe von einem solchen Mann gehört, Sire, der eine wunderschöne Tochter haben soll; man sagt so viel ausserordentliches von ihr, daß es unbegreiflich ist, wie sie das alles in einer Bauer-Hütte habe werden können.

Polixenes.

Auch diß ist mir gesagt worden, und ich fürchte das sey der Angel, der meinen Sohn dahin zieht. Ich habe mir vorgesezt, mich in einer schiklichen Verkleidung selbst dahin zu verfügen, und du sollst mich begleiten; ich will mich mit dem Schäfer in Unterredung einlassen; ich denke, daß seine Einfalt mir leicht machen soll, die Ursache warum mein Sohn sich so viel bey ihm aufhält, heraus zu bringen – – Ich bitte dich, theile dieses Geschäfte mit mir, und leg indessen die Gedanken an Sicilien auf die Seite.

Camillo.

Ich bin gänzlich zu euern Diensten.

Polixenes.

Mein bester Camillo! – – Komm, wir müssen uns verkleiden. (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Florisell und Perdita treten auf.

Florisell.

Wie reizend seyd ihr in diesem ungewöhnlichen Puz! Keine Schäferin, sondern Flora selbst, mitten unter dem schimmernden Gefolge des Frühlings! – – Für andre mag dieß unser Fest eine Schaf-Schur heissen; in meinen Augen ist es eine Zusammenkunft der Liebes-Götter, um euch, ihrer Königin, zu huldigen.

Perdita.

Mein gnädigster Herr, eure Ausschweiffungen zu tadeln, kommt mir nicht zu: O verzeihet, daß ich ihnen diesen Namen geben muß – – aber wie soll ich es anders nennen – – euer hohes Selbst, den grossen Erben dieses Reichs habt ihr durch eine Schäfer-Kleidung verdunkelt; und mich armes schlechtes Mädchen wie eine Göttin herausgepuzt. Glaubet mir, wenn unsre Leute nicht gewohnt wären, bey einem solchen Fest allerley kurzweilige Thorheiten zu sehen, ich würde erröthen, wenn ich euch in diesem Aufzug ansähe; versichert, ich denk‘ ich schaue in einen Spiegel der mir zeigt, wie niedrig ich bin, da ihr euch so weit herablassen müsset, um mir gleich zu werden.

Florisell.

Gesegnet sey die Stunde, da mein guter Falke seinen Flug über deines Vaters Matten nahm.

Perdita.

Nun, der Himmel mög euch Ursache geben diese Stunde zu segnen! Mich macht diese Verwandlung zittern; wenn ihr gleich zu groß seyd, um zu wissen was Furcht ist – – Eben in diesem Augenblik zittre ich vor dem Gedanken, daß irgend ein Zufall euern Vater so gut als euch hieher führen könnte: Gütiger Himmel! Was würde er für Augen machen, seinen Prinzen, auf den er stolz seyn müßte, so unanständig verkleidet zu sehen! Was würde er sagen! Oder wie könnte ich in diesem geborgten fluttrichten Aufzug das Herz haben, die Strenge seines Anbliks auszuhalten?

Florisell.

Weg mit diesen Grillen, meine Schöne; bilde dir nichts als Scherze und Frölichkeit ein: Die Götter selbst haben sich nicht geschämt, wenn es die Liebe wollte, ihre Gottheiten in thierische Gestalten zu verbergen. Jupiter brüllte als Stier; Neptunus blökte als Schafbok; und der goldne Apollo wurde ein armer gemeiner Schäfer, wie ich izt zu seyn scheine. Keiner unter ihnen allen konnte seine Verwandlung mit einer so schönen Ursache rechtfertigen; keiner liebte mit einer so reinen, so tugendhaften Liebe – – Meine Absichten – –

Perdita.

Ach, was vermögen diese Absichten gegen den unwiderstehlichen Willen des Königs? Denn daß er sie billigen könnte, ist unmöglich – – Was wird die Folge davon seyn? – – Eines von diesen beyden unfehlbar – – entweder ihr werdet aufhören zu lieben, oder ich zu leben – –

Florisell.

Allerliebste Perdita, ich bitte dich, verfinstre die Frölichkeit unsers Fests nicht mit diesen selbstgemachten Schrekbildern; entweder will ich dein seyn, meine Schönste, oder mein Vater hat keinen Sohn. Denn ich müßte nur aufhören ich selbst zu seyn, wenn ich nicht dein seyn sollte. Das ist eine ausgemachte unabänderliche Sache, wenn gleich das Schiksal selbst Nein dazu sagen wollte. Sey aufgeräumt, meine Liebe! Erstike solche Gedanken, denk‘ eher an alles andre – – Unsre Gäste kommen schon – – Zeig ihnen ein fröliches Gesicht; bilde dir ein daß dieser Tag der Hochzeit-Tag sey, den wir beyde einander zugeschworen haben, daß er kommen soll.

Perdita.

O Dame Fortuna, sieh uns mit günstigen Augen an!

Dritte Scene.

Der Schäfer, Hans sein Sohn, Mopsa, Dorcas, Bediente, und mit ihnen Polixenes und Camillus, verkleidet, treten auf.

Florisell.

Seht, unsre Gäste! Heisset sie willkommen; muntert sie durch eure eigne Frölichkeit zur Freude auf – – Dieser Tag soll der Freude heilig seyn!

Schäfer.

Nun wie, Tochter – – warum so stille? Mein altes Weib, tröste sie Gott! die machte es ganz anders; die war an einem solchen Tag Haushälterin, Kellerin, Köchin, Frau und Magd, alles in Eigner Person; sie bewillkommte jedermann; sie bediente jedermann; sie sang, wenn der Reyhen an sie kam, ihr Lied, und tanzte ihren Tanz; bald war sie zu oberst am Tisch, bald in der Mitte; hieng izt um dessen Schulter, izt um dessen; ihr Gesicht war lauter Feuer, so viel hatte sie zu thun, und wenn sie endlich löschen mußte, so gieng sie mit ihrem Glas von einem zum andern, und nippte auf seine Gesundheit – – Aber du, du stehst ja bey Seite als ob du nicht dazu gehörtest, oder als ob du ein Gast und nicht die Wirthin wärest – – ich bitte dich, heisse diese unbekannte gute Freunde willkommen; das giebt gleich Gelegenheit besser mit einander bekannt zu werden. Komm, thu nicht so verschämt, zeige daß du Hauswirthin bey unserm Gastmahl bist. Komm und heiß uns willkommen zu deiner Schaf-Schur, so lieb es dir ist, daß deine gute Heerde gedeyhe.

Perdita zu Polixenes und Camillo:

Meine Herren, seyd willkommen, weil es doch meines Vaters Wille ist, daß ich heute die Wirthin vorstellen soll; ihr seyd willkommen, ihr Herren – – Gieb mir die Blumen dort, Dorcas – – Ehrwürdige Herren, dieser Rosmarin und diese Rauten sind für euch, sie behalten Farbe und Geruch den ganzen Winter durch; behaltet sie zu unserm Andenken, und seyd nochmals willkommen zu unserm Fest.

Polixenes.

Schöne Schäferin, ihr denkt, Winterblumen schiken sich am besten für alte Männer wie wir sind.

Perdita.

Herr, wenn das Jahr anfängt zu altern, um die Zeit wenn der Sommer noch nicht todt, und der Winter noch nicht gebohren ist, sind die schönsten Blumen der Jahrszeit unsre Nelken und unsre gestriemten Sommer-Violen, die von einigen die unächten Kinder der Natur genannt werden; an dergleichen Blumen ist unser bäurischer Garten unfruchtbar, und ich bekümmre mich nichts darum, Sezlinge davon zu bekommen.

Polixenes.

Warum verachtet ihr sie so, holdseliges Mädchen?

Perdita.

Weil ich sagen gehört habe, daß diese Blumen ihre bunte Farben der Kunst zu danken haben; und ich liebe die Kunst nicht, welche die Natur verschönern will.

Polixenes.

Gesezt, es gebe eine solche Kunst, so ist es doch allemal die Natur selbst, welche dasjenige macht wodurch sie verschönert wird; ihr seht, holdes Mädchen, wir vermählen einen edlen Zweig mit dem wildesten Stamme, und befruchten einen Baum von schlechterer Art durch die Knospe von einer edlern: Dieß ist Kunst, welche die Natur verbessert, ja so gar verwandelt, und doch ist diese Kunst nichts anders, als die Natur selbst.

Perdita.

So ist es.

Polixenes.

Bereichert also künftig euern Garten mit Sommer-Violen, und nennet sie nicht mehr unächte Kinder der Natur.

Perdita.

Das werd ich alsdann thun, wenn es mir einfallen wird, mich zu mahlen, und dann zu wünschen, daß dieser junge Mensch mich so gemahlt schöner finden möge, als in meiner eignen Farbe – – Hier sind Blumen für euch; Lavendel, Münze, Salvey, Majoran, Ringel-Blumen, die mit der Sonne zu Bette gehen, und weinend mit ihr aufstehen: Das sind Sommer-Blumen, und ich denke, sie schiken sich für Männer von mittlerm Alter – – Ihr seyd von Herzen willkommen.

Camillo.

Wenn ich einer von eurer Heerde wäre, ich würde das Grasen vergessen, und vom blossen Anschauen leben.

Perdita.

Geht, geht; ihr würdet so mager werden, daß euch ein Winter-Sturm durch und durch blasen würde – – Und nun, meine angenehmste Freundin, wollte ich, ich hätte Frühlings-Blumen, die sich für die schöne Jahrszeit euers Lebens schikten, und für euch, deren jüngfräuliche Blühte sich kaum zu öfnen angefangen – – O Proserpina, wer izt die Blumen hätte, die du vor Schreken von Plutons Wagen fallen liessest! Asphodil-Blumen, welche den Schwalben selbst zuvorkommen, und die Merzen-Winde durch ihre Schönheit fesseln; Veylchen, dunkel, aber anmuthiger als die Lider an Junons Augen und Cytherea’s Athem; blasse Primuln, welche unvermählt sterben, eh sie den schimmernden Phöbus in seiner Stärke anschauen können; goldne Schonkiljen, Kayser-Kronen, und Lilien von allen Arten – – Diese möchte ich haben, um euch Kränze daraus zu winden, und dich, mein holder Freund, dich über und über damit zu bestreuen.

Florisell.

Was? Wie eine Leiche?

Perdita.

Nein, wie eine Bank, wo die Liebe ligen und spielen soll, nicht wie eine Leiche; oder (wenn ihr ja dieses Bild wollt) nicht anders begraben zu werden als lebendig, und in meinen Armen. Kommt, nehmt eure Blumen; es ist mir, ich spiele eine Rolle, wie ich in Pfingst-Schäfer-Spielen gesehen habe: Gewiß, dieser seltsame Anzug hat mir den Kopf verrükt – –

Florisell.

Alles was ihr thut ist unverbesserlich, meine Angenehmste. Wenn ihr redet, so möchte ich, daß ihr immer reden müßtet; singt ihr, so wollt‘ ich daß ihr alles was ihr den ganzen Tag zu sagen und zu verrichten habt, so gar euer Gebet, singen möchtet; tanzt ihr, so wünscht‘ ich, ihr wäret eine Welle auf dem Meer, damit ihr ewig nichts anders thätet, euch immer bewegen möchtet, immer so, ohne jemals aufzuhören. So ist es mit allem was ihr thut; jede eurer Handlungen ist, allein betrachtet, so vollkommen, als sich denken läßt, und erhält nichts desto weniger einen neuen Reiz von den übrigen; eine krönt die andre, und so sind alle Königinnen.

Perdita.

O, Dorikles! Euer Lob geht zu weit; würde nicht eure Jugend, und das unverfälschte Blut, das so schön aus ihr hervorscheint, die Gewähr leisten, daß ihr ein echter aufrichtiger Schäfer seyd, so müßt ich mit Recht besorgen, mein lieber Dorikles, ihr suchet mich durch eure Schmeicheleyen nur zu berüken.

Florisell.

Ich denke, ihr habt so wenig Ursache, das zu besorgen, als ich Willen habe, euch Ursache dazu zu geben. Aber, kommt; unsern Tanz, ich bitte euch; eure Hand, meine Perdita; so paaren sich Turtel-Dauben, die sich niemals wieder zu scheiden gedenken.

Perdita.

Ich wollte für sie schweeren können.

Polixenes zu Camillo.

Das ist das artigste Mädchen von ihrem Stande, das jemals über die grüne Flur weggeflogen ist; ihre Mine, ihre Gebehrden, ihr ganzes Wesen hat etwas das über ihren Stand hinausgeht, und zu edel für eine solche Dirne ist.

Camillo.

Eben sagt er ihr was, wovon sie über und über roth wird: In ganzem Ernst; sie ist die Königin aller Milch-Mädchen, und Käß-Nymphen in der Welt.

Hans.

Nun, lustig, ihr Musicanten, macht auf – –

Dorcas.

Mopsa muß deine Liebste seyn; (bey Seite) aber iß erst Knoblauch, damit dir ihre Küsse nichts schaden.

Mopsa.

Gut, ich bins zufrieden.

Hans.

Kein Wort mehr; wir sind nun alle Paar und Paar – – Hey da, macht auf – – Ein Tanz von Schäfern und Schäferinnen.

Polixenes zum alten Schäfer.

Ich bitte dich, guter Schäfer, wer ist der schöne junge Hirt, der mit deiner Tochter tanzt?

Schäfer.

Sie nennen ihn Dorikles, und er rühmt sich daß er von guter Herkunft sey; ich hab‘ es aus seinem eignen Mund, und ich glaub‘ es ihm; er sieht einem ehrlichen Menschen gleich; er sagt, meine Tochter gefall‘ ihm, und ich glaub‘ es auch: Denn er sieht in sie hinein, wie der Mond in ein Wasser, und steht da, und gukt ihr in die Augen, als ob er was lesen wolle, das darinn geschrieben stehe; und wenn ich euch aufrichtig reden soll, ich glaube, der Unterscheid beträgt keinen halben Kuß, welches von beyden das andre lieber habe.

Polixenes.

Sie tanzt artig.

Schäfer.

Sie kan alles, wenn ich es schon nicht selbst sagen sollte; wenn sie der junge Dorikles überkommt, so kriegt er was mit ihr, wovon er sich wol nichts träumen läßt.

Vierte Scene.

Ein Knecht vom Hause tritt auf.

Knecht.

O Herr, wenn ihr nur den Hausirer vor der Thür hörtet, ihr würdet in euerm Leben mehr nach keiner Schellen-Trummel tanzen: Nein, der Dudelsak selbst könnt‘ euch nicht von der Stelle bringen; er singt euch eine Menge Töne, geschwinder als ihr Geld zählen könnet; es geht ihm vom Munde weg, als ob er lauter Balladen im Magen hätte; alle Leute laufen ihm nach, und können sich nicht satt an seinen Liedern hören.

Hans.

Er hätte nie gelegner kommen können; er soll herein kommen; ich bin ein gar zu grosser Liebhaber von Balladen, wenn die Historie recht erbärmlich ist, und die Melodie fein lustig geht; oder auch etwas recht lustiges aber nach einer kläglichen Weise.

Knecht.

Er hat Lieder für Manns- und Weibs-Bilder, lang und kurz, wie man’s haben will; kein Krämer kan seine Kundsleute besser mit Hand-Schuhen versehen; er hat die artigsten Liebes-Lieder für junge Mädel, und so züchtig, alles so verblümt gegeben, daß ihr euch wundern werdet; wo ein andrer unverschämter Bursche die grosse Gloke anziehen würde, da läßt er das Mädel sagen – – Hi, sachte, du wirst mir doch kein Leid thun wollen, guter Freund – – und damit ist er abgewiesen.

Polixenes.

Der Bursche gefällt mir.

Hans.

Du kanst mir’s glauben, der Mann muß Grüze im Kopfe haben; hat er auch hübsche Galanterie-Waaren?

Knecht.

Er hat Bänder von allen Farben im Regenbogen; Spizen; mehr als alle Advocaten in ganz Böhmen zu ihrem Handwerk verbrauchen könnten, wenn sie gleich Regimenterweise zu ihm kämen; Halstücher, Krausen, Nesseltuch, Leinwand; beym Wetter! er singt euch seine Sachen nach einander herunter, als ob es lauter Götter und Göttinnen wären – –

Hans Wurst.

Ich bitte dich, bring ihn herein; aber er muß singend hereinkommen.

Perdita.

Aber verbietet ihm, daß er keine unartige Worte in seinen Liedern gebrauche.

Hans Wurst.

Es giebt unter diesen Hausierern Leute die mehr hinter den Ohren haben als ihr euch einbildet, Schwester.

Perdita.

Oder als ich jemals Lust haben werde mir einzubilden. Autolicus kommt herein, und trägt singend alle seine Galanterie-Waaren an. Mopsa zieht ihren Liebhaber, Hans, auf, daß er ihr Bänder und parfümirte Handschuh kauffen solle; dieser entschuldigt sich damit, daß ihm sein Geld gestohlen worden sey, und erbietet sich endlich ihr Lieder zu kauffen.

Hans Wurst.

Was hast du hier? Lieder?

Mopsa.

Nun, kauffe etliche, ich bitte dich; ich liebe ein gedruktes Lied, wie mein Leben; denn so weiß man doch auch gewiß, daß sie wahr sind.

Autolicus.

Hier ist eins, das nach einer überaus kläglichen Weise geht, wie eines Wucherers Frau auf einmal mit zwanzig Geld-Säken ins Kindbette gekommen; und wie sie einen Gelust gehabt, Schlangen-Köpfe und geröstete Kröten zu essen.

Mopsa.

Meynt ihr, es sey wahr?

Autolicus.

Sehr wahr, und erst einen Monat alt.

Dorcas.

Behüte mich Gott davor, einen Wucherer zum Manne zu kriegen!

Autolicus.

Hier ist auch noch der Name der Hebamme, eine gewisse Frau Mährchen-Trägerin, und fünf oder sechs ehrliche Frauen, die bey der Niederkunft zugegen waren. Meynt ihr ich werde Lügen im Lande herum tragen?

Mopsa.

O, ich bitt‘ euch, kauft es.

Hans Wurst.

Nun, so legt es bey Seite, und laßt uns noch mehr Balladen sehen; wir wollen um die andern Sachen hernach handeln.

Autolicus.

Hier ist eine andre Ballade, von einem Fisch, der sich an einem Mittwoch den achtzigsten April vierzigtausend Faden hoch über dem Wasser an der See-Küste sehen ließ, und dieses Lied gegen die hartherzigen Mädchen sang; man glaubte, es sey ein Weibsbild gewesen, und in einen Fisch verwandelt worden, weil sie ihrem Liebhaber so unbarmherzig begegnet; das Lied ist überaus beweglich, und eben so wahr.

Dorcas.

So meynt ihr würklich, es sey wahr?

Autolicus.

Fünf Beamtete haben es eigenhändig unterschrieben; und Zeugschaften sind mehr da, als mein ganzer Pak fassen könnte.

Hans Wurst.

Legt es auch auf die Seite: Ein anders – –

Autolicus.

Hier ist ein lustiges, gar ein artiges Lied.

Mopsa.

Wir müssen auch etliche lustige haben.

Autolicus.

O, wenn euch damit gedient ist, hier ist eins, das seines gleichen nicht hat, und geht nach der Melodie zwoo Mädchen buhlten um Einen Mann; es ist kaum ein Mädel im ganzen Oberland, die es nicht singt: Man reißt sich darum, das kan ich euch sagen.

Mopsa.

Wir können beyde die Melodie; wenn du eine Stimme nehmen willst, so kanst du’s hören; es hat drey Stimmen.

Dorcas.

Es ist noch kein Monat, so hatten wir die Melodie – –

Autolicus.

Ich will eine Stimme für mich nehmen; ihr müßt wissen, das ist mein Handwerk: Nun, gebt Achtung auf eure Stimmen. (Sie singen das Lied mit einander.)

Hans (der sie unterbricht.)

Wenn ihr singen wollt, so wollen wir hinausgehen; mein Vater und diese Herren sind in einem ernsthaften Gespräch begriffen, und wir wollen sie nicht stören: Kommt, nehmt euern Kram mit. Mädel, ich will euch beyden was kauffen; aber wir müssen die Auswahl haben, Krämer; Kommt, ihr, Schleppsäke – –

Autolicus.

Aber ihr müßt auch brav für sie bezahlen. (Hans, Autolicus, Mopsa und Dorcas gehen ab.)

Fünfte Scene.

Ein Bedienter kündigt einen Tanz von zwölf Hirten an, die sich zur Belustigung der Anwesenden, in Satyren verkleidet haben.

Schäfer.

Weg, weg, wir brauchen sie nicht; es ist ohnehin schon närrisch genug bey uns zugegangen; ich bin gewiß, Herr, daß wir euch lange Weile machen.

Polixenes.

Ihr macht die Weile denen lang, die sie uns kurz machen wollen; ich bitte euch, laßt uns dieses vierfache Kleeblatt von Hirten sehen.

Bedienter.

Drey von ihnen, Herr, haben, ihrer Aussage nach, vor dem Könige getanzt: und der schlechteste von ihnen springt euch, mein Seel! zwölf und einen halben Fuß lang.

Schäfer.

Hör‘ auf zu plaudern; weil es diese guten Herren haben wollen, so laß sie herein kommen; aber gleich – – Ein Tanz von zwölf Satyren.

Polixenes (vor sich.)

Geht das nicht zu weit? – – Es ist Zeit, sie zu trennen; er ist unbesonnen, und spricht sehr lebhaft – – Zu Florisell. Nun, wie? schöner Schäfer? Euer Herz scheint so voll von etwas anderm zu seyn, daß ihr keinen Antheil an den Ergözungen dieses Festes nehmt. Wahrhaftig, wie ich jung war, und verliebt, wie ihr izt seyd, so pflegte ich mein Mädchen mit so vielen hübschen Sachen zu beladen, daß sie darunter hätte einsinken mögen: Ich würde des Krämers ganzen seidenen Schaz ausgekauft und ihr aufgedrungen haben; und ihr laßt ihn gehen, ohne um eines Dreyers werth mit ihm zu handeln. Wenn euer Mädchen das übel aufnähme, und einem Mangel an Liebe oder an Freygebigkeit zuschriebe; so sehe ich nicht, was ihr dagegen sagen könntet.

Florisell.

Alter Herr, ich weiß, daß sie keine Freude an solchen Lappereyen hat, wie diese sind; die Geschenke, die sie von mir erwartet, sind in meinem Herzen verschlossen; und das ist ihr schon geschenkt, obgleich noch nicht überliefert. (Zu Perdita.) O, höre mich meine Liebe vor diesem alten Herrn ausathmen, der wie es scheint, ehmals auch geliebt hat. Hier nehm‘ ich deine Hand, diese Hand, die so sanft ist als der Pflaum einer Daube, und so weiß als eines Mohren Zähne, oder der geläuterte Schnee, den der Nordwind zweymal durchgesiebt hat – –

Polixenes.

Und was folgt nun? Wie artig der junge Schäfer diese Hand zu waschen scheint, die vorher schön genug war! – – Ich habe euch irre gemacht; zu eurer Erklärung! Laßt mich hören was ihr gesinnt seyd.

Florisell.

Ja, und seyd mein Zeuge.

Polixenes.

Und mein Nachbar hier, auch?

Florisell.

Und er, und mehr als er, die Menschen, die Erde, der Himmel, und alles was ist und was Athem hat; seyd Zeugen, daß, wäre ich der gekrönte König des ganzen Erden-Kreises, und unter allen Sterblichen der würdigste, es zu seyn; wär‘ ich der schönste Jüngling, der jemals zärtliche Augen niederschlagen machte; hätte ich Stärke und Wissenschaft, mehr als jemals ein Mensch gehabt hat: So würd‘ ich es ohne ihre Liebe für nichts achten; alle diese Vorzüge für sie anwenden; sie zu ihrem Dienst verurtheilen, oder zu ihrem eignen Untergang.

Polixenes.

Schön gesprochen!

Camillo.

Das nenn‘ ich Liebe!

Schäfer.

Aber du, meine Tochter – – womit beantwortest du das?

Perdita.

Ich kan nicht so gut reden, nein, und es auch nicht besser meynen. Meine eignen Gesinnungen sind der Spiegel, worinn ich die Redlichkeit der seinigen sehe.

Schäfer.

Gebt einander die Hände, zum Unterpfand; und ihr, unbekannte Freunde, seyd ihr meine Zeugen: Ich geb‘ ihm meine Tochter, und soviel Mitgift dazu, bis es seinem eignen Vermögen gleich kommt.

Florisell.

O mein guter Alter, die Tugend eurer Tochter ist Mitgift genug für mich; wenn einer todt seyn wird, so werd‘ ich mehr haben, als ihr euch izt träumen lassen könnt, genug, um euch in Erstaunen zu sezen; Kommt, kommt, verlobet uns vor diesen Zeugen.

Schäfer.

Gebt mir eure Hand, und ihr, meine Tochter, die eurige.

Polixenes.

Sachte, Schäfer, sachte ein wenig; ich bitte euch, habt ihr einen Vater?

Florisell.

Ja; aber was wollt ihr mit ihm?

Polixenes.

Weiß er was hievon?

Florisell.

Nein, und soll auch nichts davon wissen.

Polixenes.

Mich däucht, ein Vater ist bey seines Sohnes Hochzeit ein Gast, der die Tafel am besten ziert: Ich bitte euch, erlaubt mir noch eine Frage: Ist euer Vater nicht zu vernünftigen Geschäften untüchtig worden? Ist er nicht vor Alter kindisch, oder an seinen Sinnen geschwächt? Kan er hören? Kennt er die Leute noch? Kan er sein Vermögen noch verwalten? Oder ligt er zu Bette, und kan nichts weiter thun, als was er in seiner Kindheit that?

Florisell.

Nein, mein guter Herr; er ist gesund, und bey bessern Kräften als die meisten von seinem Alter.

Polixenes.

Bey meinem weissen Bart! wenn das ist, so handelt ihr nicht mit ihm wie ein Sohn mit seinem Vater handeln soll. Es ist billig, daß sich mein Sohn seine Ehgattin selbst wähle; aber es ist eben so billig, daß der Vater (dessen einzige Freude doch sonst nichts ist als eine schöne Nachkommenschaft) zu einem solchen Geschäfte auch ein Wort zu sagen habe.

Florisell.

Das geb‘ ich alles zu; aber aus einigen andern Gründen, mein ernsthafter Herr, welche sich nicht einem jeden sagen lassen, find‘ ich nöthig, meinen Vater nichts von diesem Geschäfte wissen zu lassen.

Polixenes.

Laßt es ihn wissen.

Florisell.

Es kan nicht seyn.

Polixenes.

Ich bitte euch darum.

Florisell.

Nein; er muß nichts davon wissen.

Schäfer.

Laß es ihn wissen, mein Sohn, er wird keine Ursache finden, deine Wahl zu mißbilligen, wenn er sie kennt.

Florisell.

Kommt, kommt; es kan nicht seyn; Höret unsern Bund – –

Polixenes.

Hört eure Ehscheidung, junger Herr, (der König giebt sich zu erkennen) den ich nicht mehr Sohn nennen kan; du bist zu niederträchtig, um für meinen Sohn erkannt zu werden – – Du, der Erbe eines Scepters, du der so begierig ist einen Schäferstab zu führen? – – Was dich betrift, alter Verräther, so bedaur‘ ich nur, daß ich, wenn ich dich hängen lasse, dein Leben bloß um eine Woche verkürzen kan – – Und du, junge Hexe, die den Königlichen Narren notwendig kennen mußtest, mit dem du dich eingelassen hast – –

Schäfer.

O, mein Herz berstet mir!

Polixenes.

Dir will ich dein schönes Gesichtchen so lange mit Dornen haken lassen, bis es noch schlechter aussehen wird als dein Stand ist. Du, verliebter Knabe, merke dir das – – wenn ich jemals finden werde, daß dir nur ein Seufzer darüber entwischt, daß du, wie es mein Wille ist, dieses Puppen-Gesicht in deinem Leben nicht wieder sehen sollst, so hast du einen Thron verlohren – – ich werde dich nicht mehr für mein Blut erkennen, nein, nicht für einen Anverwandten, nicht so nah, als irgend einer der mir von Deucalion her verwandt ist: Merke was ich sage, und folg‘ uns an den Hof – – Du Nichtswürdiger, für diesesmal, obgleich mit unsrer Ungnade sprechen wir dich von ihrem tödlichen Streiche frey: Und du, Zauberin, gut genug für einen Schafhirten, ja noch zu gut für diesen, der sich, wenn nicht unsre eigne Ehre dabey interessirt wäre, so gar deiner unwürdig macht; wenn du, von nun an, ihm jemals diese bäurische Thür eröfnest, oder seinen Leib mehr mit deinen Umarmungen umcirkelst, so will ich einen noch grausamern Tod für dich ausdenken, als du zu zart für ihn seyn wirst. (Er geht ab.)

Sechste Scene.

Perdita (für sich.)

Es ist unnöthig, ich bin schon verlohren – – (zu den übrigen) ich war nicht sehr erschroken; denn es war mir ein oder zweymal auf der Zunge, daß ich ihm sagen wollte, die nemliche Sonne, die seinen Hof bestralt, verberge ihr Antliz nicht vor unsrer Hütte, sondern schaue sie eben so freundlich an – – Wollt ihr euch nun gefallen lassen zu gehen, mein Herr? Ich sagte euch vor, daß es so kommen werde. Ich bitte euch, seyd für eure eigne Wohlfahrt besorgt: Ich bin nun aus meinem Traum erwacht; ich will ihm keinen Augenblik mehr nachhängen, sondern meine Schafe melken und weinen.

Camillo.

Nun, wie ists, alter Vater; rede noch einmal eh du stirbst.

Schäfer.

Ich kan weder reden noch denken; ich darf nicht an das denken was ich weiß. O Herr, ihr habt einen Mann von drey und achtzig Jahren zu Grunde gerichtet, der sich im Frieden in sein Grab zu legen hoffte; ja, auf dem nemlichen Bette zu sterben, wo mein Vater starb; zunächst an seinen redlichen Gebeinen zu liegen; nun wird mich irgend ein Henker in mein Grabtuch wikeln, und mich dahin legen, wo kein Priester die erste Schauffel voll Erde auf mich werfen wird. (zu Perdita.) O unglükselige! Du wußtest daß es der Kron-Prinz war, und wagtest es dennoch dich so weit mit ihm einzulassen. Alles verlohren! Alles verlohren!

Siebende Scene.

Florisell zu Camillo.

Warum seht ihr mich so an? Ich bin nur bekümmert, nicht erschroken; zurükgeworfen, aber nicht geändert; was ich war, bin ich noch; haltet mich für keinen so geduldigen Thoren, der sich wider seinen Willen, beym Zügel fortreissen läßt.

Camillo.

Mein Gnädigster Prinz, ihr kennet die Gemüthsart des Königs, euers Vaters: Izt ist keine Zeit ihm Vorstellungen zu machen: Er wird izt noch, wie ich besorge, kaum euern Anblik ertragen können; kommet also nicht vor ihn, ich bitte euch, bis sich sein erster Zorn gelegt hat.

Florisell.

Es ist auch mein Vorsaz nicht – – Ihr seyd Camillo, denke ich?

Camillo.

Er selbst, Gnädiger Herr.

Perdita zu Florisell.

Wie oft hab ich euch gesagt, es werde so gehen? Meine Würde werde nicht länger dauren, bis es offenbar werde?

Florisell.

Besorge nichts, so lange ich dir getreu bin; und wenn ich jemals meine Treue breche, dann laßt die Natur die Seiten der Erde zusammendrüken, und alles was zwischen ihnen ist, zermürsen – – Schlage deine Augen auf! – – Lösche mich immerhin aus der Thronfolge aus, Vater; ich bin Erbe von meiner Liebe.

Camillo.

Laßt euch rathen.

Florisell.

Das thue ich; aber von meinem Herzen; will sich meine Vernunft bequemen ihm zu gehorchen, so hab‘ ich Vernunft; wo nicht, so will ich ein Thor seyn, wenn es Thorheit ist seiner Empfindung zu folgen und glüklich dadurch zu seyn.

Camillo.

So spricht die Leidenschaft in Verzweiflung.

Florisell.

Nennt es wie ihr wollt; so bin ich gesinnt; so erfüll‘ ich meine Gelübde, ich kan nicht anders denken, als daß ich so wie ein ehrlicher Mann handle. Camillo, nicht um dieses Königreich, nicht um den Pomp eines vor mir knienden Hofes; nicht um alles was die Sonne sieht, oder der Ocean in unergründeten Tiefen verbirgt, will ich den Eid brechen, den ich dieser meiner schönen Geliebten geschworen habe: Ich bitte euch also, wenn ihr jemals meines Vaters Freund gewesen seyd, so bemühet euch, wenn er mich vermissen wird (denn es ist mein fester Entschluß daß er mich nimmermehr wieder sehen soll) seine Leidenschaft durch euern Zuspruch zu besänftigen; für das übrige lasset mich und mein Schiksal sorgen. Soviel könnet ihr wissen, und das möcht ihr ihm auch sagen, daß ich mich mit ihr zu Schiffe begeben habe. Zu gutem Glüke habe ich eines an dieser Küste in Bereitschaft, ob ich es gleich nicht zu diesem Gebrauch ausrüsten lassen. Wohin ich meinen Lauf zu richten gedenke, nüzt weder euch, zu wissen, noch mir, zu sagen.

Camillo.

O, mein Prinz, ich wollte euer Geist wäre leichter auf einen andern Entschluß zu bringen oder stärker für die gefährlichen Umstände, worein ihr euch stürzen wollt.

Florisell.

Höre, Perdita – – (zu Camillo.) Ich bin in einem Augenblik wieder euer. Unterdessen, daß Florisell mit Perdita bey Seite redet, überlegt Camillo mit sich selbst, daß, da der Prinz nun einmal unveränderlich zur Flucht entschlossen sey, dieses eine Gelegenheit wäre, wo er zu gleicher Zeit dem Prinzen einen wesentlichen Dienst erweisen, und sich selbst wieder den Anblik seines geliebten Siciliens und des unglüklichen Königs, seines Herrn, verschaffen könnte. Er faßt also auf der Stelle seinen Entschluß, und eröffnet dem Prinzen daß er ihm einen Vorschlag thun wolle, wie er seine Geliebte, unter dem Schuze des Königs von Sizilien, ruhig besizen könne, bis seine, des Camillo, Bemühungen und die Zeit seinen Vater dahin gebracht haben würden seine Liebe zu billigen. Damit seine Ankunft in Sicilien nicht das Ansehen eines Abentheuers oder einer Flucht habe, sollte er vorgeben, daß er von seinem Vater abgeschikt worden, um das alte Freundschafts-Bündniß, das unter beyden Königen vorgewaltet, wieder zu erneuern. Der Prinz, welcher ohnehin selbst noch nicht wußte, wohin er entfliehen wollte, nimmt diesen Vorschlag mit grosser Freude an, und Camillo verspricht ihm mit allem was zur glüklichen Ausführung desselben nöthig seyn könnte, an die Hand zu gehen. Indessen findet doch der Prinz noch verschiedene Schwierigkeiten, welche ihm aber Camillo alle beantwortet, und hievon Anlas nimmt, ihn ein wenig auf die Seite zu nehmen; ein bequemer Einfall um dem Autolicus Plaz und Zeit zu geben, die Zuschauer mit seinen Schelmereyen wieder eine Weile zu belustigen.

Achte Scene.

Autolicus tritt auf dem vordern Theil des Theaters auf.

Autolicus.

Ha, ha, was für eine Närrin die Ehrlichkeit ist! und Treuherzigkeit, ihre getreue Gefährtin, eine sehr einfältige Dame! Ich habe meinen ganzen Plunder verkauft; nicht ein einziges falsches Steinchen, nicht ein einziges Stük Band, Sak-Spiegel, Pommade-Kugel, Halsschnur, Schreib-Tafel, Lied, Messer, Handschuh, Borte, Armband, mit einem Wort nicht eines Hellers werth haben sie in meinem Pak übrig gelassen; sie drangen sich, wer das Erste seyn sollte, nicht anders als ob meine Schnurpfeiffereyen lauter Reliquen und Heiligthümer gewesen wären, und dem Käuffer einen sonderbaren Segen zugezogen hätten; bey dieser Gelegenheit machte ich meine Beobachtungen, und bemerkte, wessen Beutel die beste Mine hatte; und was ich bemerkte, das schrieb ich, zu gelegenheitlichem Gebrauch, in mein Gedächtniß. Mein guter Hans (dem nur etwas weniges mangelt, um ein ganz vernünftiger Bursche zu seyn) wurde so gewaltig in den Gesang der zwoo Mädchen verliebt, daß er keine Ruhe gab, bis er beydes Worte und Melodie hatte; und dieses zog den ganzen übrigen Hauffen so aufmerksam um mich her, daß alle ihre Sinnen in den Ohren stekten; man hätte einen Unterrok wegzwaken können ohne daß es jemand gemerkt hätte; ich wollte einen Bund Schlüssel an einer Kette weggefingert haben; sie hörten und fühlten nichts als meinen Gassenhauer, und bewunderten mit offnen Mäulern das Nichts ihres Inhalts. So daß ich während dieser Betäubung, worinn die guten Leute waren, den grösten Theil ihrer festlichen Beutel wegschnappte; und wäre nicht der alte Mann und mit Ach und Weh über seine Tochter und des Königs Sohn dahergekommen, und hätte meine Dolen aus dem Stroh gescheucht, es sollte mir kein lebendiger Beutel in der ganzen Armee übrig geblieben seyn. (Camillo, Florisell und Perdita kommen besser hervor.)

Camillo.

Seyd ruhig; meine Briefe, welche durch diesen Canal so bald anlangen werden, als ihr selbst, sollen diesem Zweifel schon begegnen.

Florisell.

Und diejenige, die ihr mir vom König Leontes verschaffen wollt – –

Camillo.

Sollen euern Vater zufrieden stellen.

Perdita.

Heil euch und euerm Vorhaben! Alles was ihr sagt giebt Hoffnung zu einem glüklichen Ausgang. Camillo wird indem den Autolicus gewahr, der seines Orts nicht wenig besorgt ist, man möchte seinen schönen Monologe gehört haben; Camillo beredet ihn, seine schlechte Kleider mit der Kleidung des Prinzen zu vertauschen; Perdita soll sich gleichfalls so unkenntlich machen als möglich, und beyde sich ohne Verzug zu Schiffe begeben. Sie gehen also mit einander ab, und Camillo bleibt nur noch so lange zurük, um zu sich selbst, oder vielmehr zu den Zuschauern zu sagen, daß er nun gerades Weges zum Könige gehen, und ihm von dieser Flucht und dem Ort wohin sie gerichtet sey, Nachricht geben wolle; er hofft ihn ohne Müh zum Nachsezen zu bewegen, und also in dessen Gesellschaft Sicilien wieder zu sehen, wornach, wie er sagt, er den Gelüsten einer schwängern Frauen habe.

Neunte Scene.

Autolicus (allein.)

Ich merke, wo dieses Geschäfte hinaus will; ein offnes Ohr, ein scharfes Aug und eine leichte Hand, sind drey nothwendige Eigenschaften zu einem Beutelschneider; eine gute Nase kan auch nichts schaden, um Arbeit für die übrigen Sinnen auszuspüren. Wie ich sehe, so leben wir in einer Zeit, wo die Schelmen ihr Glük machen. Das war ein hübscher Tausch, ohne was aufzugeben! In der That, die Götter haben diß Jahr viele Nachsicht für uns, und nehmen’s wie es scheint, mit einem kleinen ex tempore nicht so genau. Der Prinz selbst ist im Begriff eine Büberey auszuführen; von seinem Vater, mit einem Kloz an seinen Füssen, davon zu lauffen. Dächte ich nicht es wäre ein Stük von Ehrlichkeit, wenn ich es dem Könige hinterbrächte, so wollt‘ ich’s thun; aber mich dünkt die Spizbüberey ist grösser, wenn ich es geheim halte; ich will also meinem Handwerk getreu bleiben und schweigen. Inzwischen langen der Schäfer und Hans, sein Sohn, auf dem Theater an; sie sind im Begriff zum Könige zu gehen, ihm zu entdeken, daß Perdita nicht des Schäfers Tochter, sondern ein Fündling ist, und dieses mit den kostbaren Windeln und Kleinodien zu beweisen, die bey ihr gefunden worden, und welche sie in einem Kästchen bey sich haben. Autolicus ist ihnen in seiner Verkleidung unkennbar. Sie sehen ihn für einen Herrn vom Hofe an, und glauben ihm je mehr er pralt. Er läßt sich Geld von ihnen geben, um sie bey dem Könige anzumelden; weil er aber besorgt, ihre Erscheinung bey Hofe möchte der Flucht des Prinzen ein Hinderniß sezen, so macht er ihnen weiß, der König sey nicht in seinem Palast; er sey, um einen Anstoß von Melancholie zu vertreiben, an Bord eines neuen Schiffes gegangen, um eine kleine Lustreise zu machen. Er weiset sie also nach der Küste hin, wo der Prinz im Begriff ist sich einzuschiffen, und sie gehen treuherzig ab.

Autolicus (allein.)

Ich sehe wohl, wenn ich gleich den Vorsaz fassen wollte, ehrlich zu seyn, so giebt es mein Verhängniß nicht zu; es träufelt mir die Gelegenheiten in den Mund; schon wieder mit einer Schelmerey zween Vortheile erhascht! Geld, und den Anlaß mir um den Prinzen ein Verdienst zu machen; denn wer weiß, ob das nicht ein Mittel zu meinem Glüke werden kan. Ich hab‘ ihm nun diese zween einfältige Schöpsen zugewiesen; findt er für besser sie wieder fortzuschiken, und geht sie das was sie bey dem Könige zu thun haben, nichts an, so mag er mich immer hin einen Schurken dafür heissen, daß ich gar zu dienstfertig bin; gegen diesen Titel und die Ehre, die damit verbunden seyn mag, bin ich längst gestählt: ich will sie auf diese Gefahr, immer zu ihm bringen; es kan viel daran gelegen seyn. (Er geht ihnen nach.)

Fünfter Aufzug.

Erste Scene.

Verwandelt sich in Sicilien. Leontes, Cleomenes, Dion, Paulina und Bediente treten auf.

Cleomenes.

Gnädigster Herr, ihr habt genug gethan; ihr habt die Busse eines Heiligen vollbracht: Ihr hättet keinen Fehler begehen können, den ihr nicht dadurch losgekauft hättet; ja, wenn ich reden soll wie ich denke, die Strenge eurer Busse übersteigt alles was ihr verbrochen haben könnet. Thut endlich was der Himmel auch gethan hat, vergesset euer Uebel und verzeiht euch selbst.

Leontes.

So lang‘ ich mich ihrer Person und ihrer Tugenden erinnere, kan ich das Unrecht das ich dadurch mir selbst zugefüget habe, nicht vergessen – – und wie groß ist dieses! Mein Thron ist ohne Erben; Ich habe die süsseste Gesellschaft, den Namen und die Hoffnungen eines Vaters verlohren; und das alles durch meine Schuld – –

Paulina.

Wahr, Gnädigster Herr, nur gar zu wahr; wenn ihr die ganze weibliche Welt, eine nach der andern heyrathetet, oder aus allen, welche sind, das beste nehmet, um ein einziges vollkommenes Weib daraus zu machen; so würde doch die, die ihr getödtet habt, unvergleichlich bleiben.

Leontes.

Ich denke so. Getödtet, sagst du? Getödtet? Ich, sie getödtet? Ich that es, aber du schlägst mich auf eine offene Wunde, indem du so sagst; schone meiner, ich bitte dich – – sage selten so – –

Cleomenes.

Sagt gar nicht so, Madame; ihr hättet tausend andre Sachen sagen können, die sich besser für die Umstände geschikt und euerm guten Herzen mehr Ehre gemacht hätten.

Paulina.

Ihr seyd einer von denen, welche gerne wollten, daß er sich wieder vermähle.

Dion.

Wenn ihr das nicht wollt, so habt ihr kein Mitleiden mit dem Staat, und erinnert euch nicht, was ein Fürst seinem Namen und seinem Volke schuldig ist; betrachtet wenig, was für Gefahren sein Königreich befallen können, wenn seine Majestät ohne Leibes-Erben abgienge, und es ungewissen Prätendenten zur Beute überliesse! Was würde untadelhafter seyn, was würde den abgeschiednen Geist seiner ersten Königin mehr vergnügen, als, zur Erhaltung des Königlichen Stammes, zum Besten des Landes, zu Befestigung seines zukünftigen Wohlstandes, ihren Plaz in dem Königlichen Bette durch eine liebenswürdige Nachfolgerinn eingenommen zu sehen.

Paulina.

Es giebt keine solche, keine die dieser Ehre würdig seyn könnte; und zudem wollen die Götter ihre geheime Absichten erfüllt haben. Sagte nicht das Orakel: Daß König Leontes keinen Erben haben solle, bis sein verlohrnes Kind gefunden worden sey? Und, ach! daß dieses geschehen werde, zu hoffen, wäre eben so ungereimt, als wenn ich hoffen wollte, mein Antigonus werde aus seinem Grab ausbrechen, und wieder zu mir kommen; denn ich wollte mein Leben daran sezen, daß er mit dem Kind umgekommen ist. Ihr sehet also, daß euer Rath den Willen der Götter wider sich hat – – (zum Könige.) Sorget nicht für Nachfolger; eine Krone findet allemal einen Erben. Der grosse Alexander hinterließ die seinige dem würdigsten; und so war sein Thronfolger doch der nächste auf den Besten.

Leontes.

Gute Paulina, ich liebe dich dafür, daß du Hermiones Andenken ehrest. O, hätte ich allezeit deinem Rathe gefolgt! So würde ich in diesem Augenblik an ihren Lippen hangen und glüklich seyn. – – Sagt mir nichts von einer andern Gemahlin; es giebt keine solche mehr; eine andre, die mit weniger Vorzügen eine bessere Begegnung fände, würde ihren seligen Geist bis in den himmlischen Wohnungen kränken; ihn nöthigen, auf diesem Schauplaz, wo wir ihn beleidigten, wieder zu erscheinen, und zu ruffen: Wie, nach mir? – –

Paulina.

Sie würde gerechte Ursache dazu haben.

Leontes.

Das würde sie, und sie würde mich in Wuth sezen, daß ich diejenige ermorden würde, die ich geheyrathet hätte.

Paulina.

Ich machte es so: Wär‘ ich der Geist, der herum gienge, ich wollt‘ euch befehlen ihre Augen anzusehen, und mir zu sagen, was ihr an ihr gesehen hättet, das eure Wahl rechtfertigen könnte; und dann wollt ich schreyen, daß sich eure Ohren spalten sollten, und mein leztes Wort sollte seyn: Gedenk an mich.

Leontes.

Sterne, Sterne, waren sie – – und alle andre Augen, nur todte Kohlen: Besorge du keine Gemahlin; ich will keine Gemahlin haben, Paulina.

Paulina.

Wollt ihr mir schweeren, daß ihr nicht wieder heyrathen wollt, bis ich’s erlaube?

Leontes.

Niemals, Paulina; so möge dereinst mein Schatten Ruhe finden!

Paulina.

Meine Herren, ihr seyd Zeugen dieses Eides.

Cleomenes.

Ihr mißbraucht seine Weichherzigkeit.

Paulina.

Es wäre dann, daß er eine zu sehen bekäme, welche Hermionen so ähnlich wäre, als es ihr Bildniß ist.

Cleomenes.

Ich bitte euch, Madam, laßt es genug seyn.

Paulina.

Und doch, wenn Se. Majestät wieder heyrathen will, wenn ihr es wollt, Gnädigster Herr, und so wollt, daß kein anders Mittel ist; so überlaßt mir die Sorge, euch eine Gemahlin auszusuchen; sie soll nicht so jung seyn als die erste war; aber sie soll so seyn, daß wenn der Geist eurer ersten Gemahlin umgienge, er Freude daran haben sollte, euch in ihren Armen zu sehen.

Leontes.

Meine redliche Paulina, wir werden uns nicht vermählen, bis du es uns rathen wirst.

Paulina.

Das soll geschehen, wenn eure erste Gemahlin wieder athmet; eher gewiß nicht!

Zweyte Scene.

Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.

Hofbedienter.

Einer der sich für den Prinzen Florisell, Sohn des Königs Polixenes ausgiebt, bittet mit seiner Gemahlin, der schönsten Dame die ich jemals gesehen habe, vor Euer Majestät gelassen zu werden.

Leontes.

Wie geht das zu? Er kommt nicht, wie es der Grösse seines Vaters anständig ist; eine so überraschende Erscheinung, ohne Veranlassung, ohne Ankündigung sagt uns, daß dieses kein vorsezlicher Besuch, sondern das Werk irgend eines Zufalls und der Nothwendigkeit seyn müsse. Hat er ein Gefolge?

Hofbedienter.

Nur wenige, und dem Ansehn nach, gemeine Leute.

Leontes.

Und seine Gemahlin, sagt ihr, bey ihm?

Hofbedienter.

Ja; das schönste Geschöpf in meinen Augen, das jemals die Sonne beschienen hat.

Paulina.

O Hermione, so wie die gegenwärtige Zeit sich allemal über eine bessere, die vergangen ist, selbst zu erheben pflegt, so muß deine Grabschrift nun auch dem was man izt siehet, Plaz machen. Ihr selbst, mein Herr, ihr habt einst gesagt, und geschrieben: Sie habe nie ihres gleichen gehabt, und könne nicht ihres gleichen haben; so hoch flog einst eure Muse zum Preiß ihrer Schönheit empor; das ist ein gewaltiger Abfall, nun zu sagen, ihr hättet eine Schönere gesehen.

Hofbedienter.

Um Vergebung, Gnädige Frau; in sechszehn Jahren vergißt sich die grösseste Schönheit, die nicht mehr ist; was diese betrift von der ich rede, so beruf ich mich auf eure eignen Augen, wenn ihr sie gesehen haben werdet; es ist ein Geschöpfe, die, wenn sie eine neue Secte aufbringen wollte, den Eifer aller andern Bekenner auslöschen, und mit ihrem blossen Anblik mehr Proselyten machen würde, als andre mit aller ihrer Redekunst.

Paulina.

Proselyten? Unter diesen würden wol wenig Weibsbilder seyn?

Hofbedienter.

Warum nicht? Die Weiber müssen sie lieben, weil sie ein Weibsbild ist, das alle Männer demüthig machen kan; und die Männer, weil sie die liebenswürdigste unter allen Weibern ist.

Leontes.

Gehe, du, Cleomenes, und führe ihn zu unsrer Umarmung – – Es ist seltsam, daß er uns so unvermuthet überraschen soll!

Paulina.

Hätte unser Prinz diese Stunde gesehen, er würde mit diesem jungen Herrn ein schönes Paar gemacht haben; es war kein voller Monat zwischen ihrem Alter.

Leontes.

Ich bitte dich, nicht weiter; du weissest, daß er für mich wieder stirbt, wenn von ihm gesprochen wird: In der That, deine Reden werden machen, daß mich der Anblik dieses jungen Prinzens ganz aus der Fassung bringen wird – – Da kommen sie ja schon.

Dritte Scene.

Florisell, Perdita, Cleomenes nebst einigen Hofleuten zu den Vorigen.

Leontes.

Ihr habt keine andre Gewähr für das was ihr seyd vonnöthen, mein Prinz, als eure Gestalt und Bildung. Euers Vaters Bild ist so vollkommen in euch abgedrükt, daß ich, wenn ich erst zwanzig Jahre hätte, euch Bruder nennen, und von irgend einem wilden Streich reden würde, wie wir in euerm Alter mit einander spielten – – Seyd mir von Herzen willkommen, wie eure schöne Princessin, Göttin, hätt‘ ich schier gesagt – – Ach! weh mir! Ich verlohr ein Paar, das so, wie ihr liebenswürdige Zwey, zwischen Himmel und Erde gestanden, und jedes Auge mit Wunder erfüllt haben möchte; und dann verlohr ich auch (alles durch meine eigne Thorheit) die Gesellschaft, ja sogar die Freundschaft euers rechtschaffnen Vaters, welchen ich, so traurig sein Anblik für mich seyn würde, dennoch noch einmal in meinem Leben zu sehen wünschte.

Florisell.

Gnädigster Herr, es geschah auf seinen Befehl, daß ich im Vorbeyfahren die Küste von Sicilien betreten habe, um Eu. Majestät von ihm den zärtlichsten Gruß zu überbringen, den ein König seinem Bruder senden kan; hätte ihm ein Anstoß von Unpäßlichkeit, dergleichen das annähernde Alter mit sich zu bringen pflegt, nicht das gewünschte Vermögen auf einige Zeit benommen, so würde er selbst die Länder und Meere zwischen euerm Thron und dem seinigen durchgemessen haben, um euch zu sehen; den er mehr liebt, (so befahl er mir zu sagen) als alle andre Scepter und diejenige, welche sie tragen, so viel ihrer sind.

Leontes.

O mein Bruder! Edelmüthiges Herz! Noch immer blutet das meinige von dem Unrecht, das ich dir gethan habe; diese neue Probe deiner seltnen Güte beschämt und verwirrt mich, so sehr sie mich erfreut – – Seyd willkommen in Sicilien, Prinz; willkommen, wie der Frühling der Erde. Und hat er sich entschliessen können, diese unvergleichliche Princessin dem gefahrvollen, oder doch wenigstens unfreundlichen Neptun auszusezen, um einen Mann zu grüssen, der ihrer Mühe nicht werth ist; vielweniger, daß sie ihre Person seinetwegen wage?

Florisell.

Gnädigster Herr, sie kommt aus Lybien.

Leontes.

Wo der tapfre Smalus, dieser ruhmvolle Beherrscher, sich zugleich lieben und fürchten macht?

Florisell.

Königlicher Herr, von dannen; von ihm, dessen Tochter seine Thränen beym Abschied sie ankündigten; von da haben wir mit einem freundlichen Südwind hieher gekreuzt, um den Auftrag zu vollziehen, den mir mein Vater an Eu. Majestät gegeben hatte; mein bestes Gefolge hab ich von euerm Ufer nach Böhmen vorausgeschikt, um zugleich mit dem guten Erfolg meiner Reise nach Lybien, auch meine und meiner Frauen glükliche Ankunft in Sicilien anzukünden.

Leontes.

Mögen die Götter ihre besten Einflüsse auf unsre Insel herabschütten, so lange ihr euch bey uns aufhaltet. Ihr habt einen tugendhaften Vater, einen verdienstvollen Mann, gegen dessen Person so heilig als sie ist, ich gesündiget habe; Ach! der gerecht-erzürnte Himmel hat mich dafür bestraft; er hat mich meiner Kinder beraubt, und euern Vater, wie er’s verdiente, mit euch gesegnet, einem Erben der seiner würdig ist. Was würd‘ ich gewesen seyn, hätt‘ ich izt einen Sohn und eine Tochter vor mir sehen können, die so liebenswürdige Geschöpfe wären wie ihr beyde!

Vierte Scene.

Ein Herr vom Hofe zu den Vorigen.

Der Herr.

Gnädigster Gebieter, was ich erzählen muß, würde keinen Glauben verdienen, wenn der Beweis nicht so unwidersprechlich wäre – – Der König von Böhmen grüsset euch in eigner Person durch mich, und ersuchet euch, seinen Sohn fest machen zu lassen, der beydes seiner Würde und seiner Pflicht vergessen, von seinem Vater, von seinen Hoffnungen heimlich weggeflohen, und das mit eines Schäfers Tochter.

Leontes.

Der König in Böhmen? Wo ist er? Redet!

Der Herr.

Hier in eurer Stadt; ich komme diesen Augenblik von ihm. Ich merke, daß ich so verwirrt rede, wie es mein Erstaunen und mein Auftrag mit sich bringen: Da er im Begriff war an euern Hof, und wie es scheint, diesem schönen Paar nachzueilen, trift er unterwegs den Vater dieser anscheinenden Dame an, und ihren Bruder, welche beyde ihr Vaterland mit diesem jungen Prinzen verlassen haben.

Florisell.

So hat Camillo mich betrogen! Er, dessen Ehre und Redlichkeit bisher jedes Wetter aushielt – –

Der Herr.

Er ist bey dem König euerm Vater.

Leontes.

Wer? Camillo?

Der Herr.

Camillo, mein gebietender Herr, ich sprach mit ihm; er hat würklich diese armen Leute im Verhör. Niemals sah ich Elende so jämmerlich zittern; sie knien, sie küssen die Erde; sie verschweeren Leib und Leben, so oft sie reden; der König verstopft sich die Ohren, und droht ihnen mit einem vielfachen Tod.

Perdita.

O, mein armer Vater! – – Der Himmel hat Spionen wider uns ausgestellt; er will nicht daß unser Bündniß vollzogen werde.

Leontes.

Seyd ihr verheyrathet?

Florisell.

Wir sind es nicht, Gnädigster Herr, und werden es auch, dem Anschein nach, sobald nicht seyn; ich sehe wol, eh werden die Sterne die Thäler küssen; die Vergleichung paßt nur allzuwol.

Leontes.

Mein Prinz, ist diese Person die Tochter eines Königs?

Florisell.

Sie ist es, wenn sie jemals meine Frau wird.

Leontes.

Euer guter Vater hat sich so sehr beschleuniget, daß dieses jemals, wie ich sehe, wol noch lange dahinten bleiben wird. Es ist mir leid, sehr leid, daß ihr euch seine Ungnade zugezogen habt – – euch von Pflichten losgebrochen habt, welche heilig seyn sollten – – und eben so leid, daß eure Wahl nicht so reich an Stand als Schönheit ist, um sie mit dem Beyfall eines Vaters und der Welt bekrönt sehen zu können.

Florisell (zu Perdita.)

Schaue auf, meine Liebe; wenn uns gleich das Glük, unsre augenscheinliche Feindin, eben so hartherzig verfolgen sollte, wie mein Vater; so hat sie doch nicht die mindeste Gewalt unsre Liebe zu verändern. Ich bitte euch, Gnädigster Herr, erinnert euch der Zeit, da ihr jung waret wie ich izt bin – – Denket an das, was euer Herz damals fähig war, und laßt diese Gedanken meine Fürsprecher seyn; auf eure Bitte würde mein Vater die kostbarsten Sachen als Kleinigkeiten hingeben.

Leontes.

Glaubte ich das, so wollt ich um eure unvergleichliche Liebste bitten, die er nur für eine Kleinigkeit ansieht.

Paulina.

Mein Gnädigster Herr, ich sehe zuviel Jugend in euern Augen; Eure Königin war, keinen Monat lang eh sie starb, mehr solche gierige Blike werth, als was ihr izt anschauet.

Leontes.

Eben an sie dacht‘ ich bey diesen Bliken, die ihr mir unbillig zum Verbrechen macht – – (zu Florisell.) Aber ihr habt noch keine Antwort auf eure Bitte; ich will zu euerm Vater; in so fern eure Ehre von euern Begierden nicht überwältiget wird, bin ich ein Freund von ihnen und euch; mit dieser Gesinnung geh ich ihm entgegen; folget mir, bemerket den Weg den ich neme; kommt mein lieber Prinz. (Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Ein Plaz nicht weit vom Hofe. Autolicus und ein Edelmann vom Hofe.

Autolicus.

Ich bitte euch, mein Herr, waret ihr selbst bey dieser Erzählung gegenwärtig?

Edelmann.

Ich war dabey, wie das Kästchen aufgemacht wurde, und hörte den alten Schäfer erzählen, wie er es gefunden habe; auf dieses folgte eine kleine Pause von stillschweigender Erstaunung, und hierauf wurde uns befohlen, das Zimmer zu verlassen: Nur däucht mich, hörte ich den Schäfer sagen, er habe das Kind gefunden.

Autolicus.

Ich bin recht begierig, den Ausgang davon zu wissen.

Edelmann.

Davon kan ich euch nichts sagen; alles was ich bemerken konnte, war, daß der König und Camillo ihr Gesicht veränderten, einander ganz erstaunt ansahen, und durch ihre stummen Blike und blosse Gebehrden verriethen, daß etwas sehr unerwartetes und wichtiges entdekt worden sey – – aber was es sey, oder ob der Inhalt freudig oder traurig sey, das hätte wol der schärfste Beobachter vom blossen Ansehen nicht errathen; und das kan auch, wenn die Freude unverhofft und auf dem äussersten Grad ist, nicht anders seyn. Ein andrer Edelmann zu den Vorigen. Hier kommt jemand, der uns vielleicht mehr von der Sache sagen kan. Was giebts Neues, Rogero?

2. Edelmann.

Nichts als Freuden-Feuer: Das Orakel ist erfüllt; des Königs Tochter ist gefunden; kurz, es haben sich in dieser einzigen Stunde wunderbare Begebenheiten entwikelt, daß die Balladen-Macher das ganze Jahr durch genug zu thun haben werden. Ein dritter Edelmann zu den Vorigen. Hier kommt der Lady Paulina Hausmeister, der wird uns mehr Umstände sagen können. Wie geht’s, mein Herr? Diese Zeitung, die für wahr gegeben wird, sieht einem alten Mährchen so gleich, daß ihre Wahrheit in starken Verdacht gezogen wird; hat der König seine Erbin gefunden?

3. Edelmann.

Nichts wahrers, wenn jemals die Umstände eine Wahrheit ins Licht gesezt haben: Die Beweise stimmen so gut zusammen, daß man schweeren sollte, man sehe mit eignen Augen, was man erzählen höret. Der Mantel der Königin Hermione – – Ihr Hals-Kleinod um den Hals des Kindes – – Briefe vom Antigonus bey ihm gefunden, deren Handschrift nicht zweifeln läßt, daß Antigonus sie geschrieben – – Die majestätische Gestalt dieser Creatur – – ihre vollkommne Aehnlichkeit mit ihrer Mutter – – ein gewisser Adel in ihrer Gemüthsart, und in ihrem Betragen, in welchem die Natur über die niedrige Erziehung zu triumphieren scheint – – und viele andre Umstände beweisen es bis zur Ueberzeugung, daß sie des Königs Tochter ist. Waret ihr bey der Zusammenkunft der beyden Könige gegenwärtig?

2. Edelmann.

Nein.

3. Edelmann.

So habt ihr eine Scene verlohren, die man selbst gesehen haben muß, um sich eine Vorstellung davon zu machen. Da hättet ihr sehen können wie eine Freude die andre krönte; dergestalt daß es nicht anders ließ, als ob die Traurigkeit weine, daß sie Abschied von ihnen nehmen müsse; denn ihre Freude schwamm in Thränen – – Das war ein Augen-Aufreissen, ein Hände-Drüken, ein Tumult von einander drängenden Empfindungen, wie man noch nie gesehen hat! Unser König, in eben dem Augenblik da er vor Freude über seine gefundene Tochter ausser sich selbst war, rief als ob er plözlich von einem schmerzhaften Gedanken getroffen würde: O! deine Mutter, deine Mutter! Dann bat er den König von Böhmen um Vergebung; dann umarmt‘ er seinen Schwieger-Sohn; dann fiel er wieder seiner Tochter um den Hals, und küßt‘ und drükte sie, daß sie hätte erstiken mögen. Einen Augenblik drauf dankt‘ er dem alten Schäfer, der in seinen ehrlichen grauen Haaren seitwärts stand, Augen und Hände aufhub, und vor Bestürzung und Freude nicht reden konnte. In meinem Leben hab‘ ich von keiner solchen Begebenheit gehört; alles ist zu wenig, was man davon sagen kan; wie ich euch sagte, man muß selbst dabey gewesen seyn.

2. Edelmann.

Was wurde dann, ich bitt euch, aus dem Antigonus, der das Kind von hier wegtrug?

3. Edelmann.

Das sieht wieder dem alten Mährchen so gleich, daß man es nur glauben muß, weil man sich nicht anders helfen kan; er wurde von einem Bären zerrissen; so erzählt des Schäfers Sohn, für den nicht nur seine Einfalt und Ehrlichkeit die Gewähr leistet, sondern auch noch ein Schnupf-Tuch und ein Ring, welche Paulina für ihres Gemahls seine erkennt.

1. Edelmann.

Was wurde aus seinem Schiff und aus seinen Leuten?

3. Edelmann.

Diese giengen in dem nemlichen Augenblik da ihr Herr ums Leben kam, und vor den Augen des alten Schäfers, am Strand in einem Sturm zu Grunde; so daß alle Werkzeuge welche zu der Aussezung des Kindes geholfen hatten, zu eben der Zeit verlohren giengen, da es gefunden wurde. Aber, o! den edeln Kampf zwischen Schmerz und Freude, der in Paulina’s Gemüth vorgieng! Indem ihrem einten Aug eine Thräne über den Tod ihres Gemahls entfiel, erhob sich das andre über die Erfüllung des Orakels gen Himmel. Sie hob die Princessin über die Erde, und umarmte sie so inbrünstig als ob sie sie an ihr Herz anheften wollte, um nicht mehr in Gefahr zu kommen, sie zu verliehren.

1. Edelmann.

Wahrhaftig, eine Scene, welche es würdig war, lauter Könige und Prinzen zu Zuschauern zu haben!

3. Edelmann.

Einer von den schönsten Zügen unter allen, und der mir das Wasser in die Augen trieb, war, wie von dem Tode der Königin gesprochen wurde, und der König die Umstände, welche ihr das Leben gekostet, eben so aufrichtig bekannte als wehmüthig bejammerte – – wie während dieser Erzählung Aufmerksamkeit seine Tochter verwundete; bis von einem Zeichen des Schmerzens zum andern, sie mit einem Seufzer, der ihr Herz zerrissen zu haben schien – – fast möchte ich sagen Thränen blutete; denn ich bin gewiß, das meinige weinte Blut. Wer sonst Marmor war, veränderte seine Farbe; einige mußten die Augen wegwenden, alle waren tiefgerührt; wenn die ganze Welt sie in diesem Augenblik hätte sehen können, der Schmerz würde allgemein gewesen seyn.

1. Edelmann.

Sind sie wieder nach Hofe gegangen?

3. Edelmann.

Nein; die Princessin hörte von einer Statue ihrer Mutter, welche Paulina in Verwahrung hat; ein Stük, woran der grosse Meister, Julio Romano* viele Jahre gearbeitet, und welches er nur kürzlich zu Stande gebracht; dieser schöpferische Künstler, der, wenn er selbst Ewigkeit hätte und seinen Werken Athem geben könnte, die Natur um ihre Kundsame bringen würde, so vollkommen ist er ihr Affe. Sie versichern, er habe eine Hermione gemacht, welche der würklichen so sehr gleiche, daß man versucht werde, sie anzureden und auf eine Antwort zu warten. Dahin haben sie sich nun mit aller Begierigkeit der Liebe hin begeben, und dort gedenken sie, zu Nacht zu speisen.

2. Edelmann.

Ich dachte schon lange, Paulina müsse in diesem abgelegenen Hause eine besondere Angelegenheit haben; denn ich weiß, daß sie es, schon seit Hermionens Tod alle Tage zwey bis dreymal, allein und heimlich besucht hat. Wollen wir auch dahin, und die Zuschauer dieses frohen Auftritts vermehren helfen?

1. Edelmann.

Wer wollte wegbleiben, der das Recht des Zutritts hat? Jeder Augenblik muß einen neuen angenehmen Umstand gebähren, den wir verliehren indem wir hier verziehen. Kommt, wir wollen gehen. (Sie gehen ab.)

Autolicus (allein.)

Nun könnte ich mir auf eine hübsche Beförderung Rechnung machen, wenn mir die Schande meines vorigen Lebens nicht im Licht stühnde. Ich brachte den alten Mann und seinen Sohn zum Prinzen an Bord; sagte ihm, ich hätte sie von einem Kistchen reden hören, und ich wisse nicht was; aber damals ließ ihm die übermäßige Liebe zu seiner vermeynten Schäfers-Tochter, welche sehr Seekrank zu werden anfieng, keine Zeit, darauf acht zu geben, und das Geheimniß blieb unentdekt. Aber das ist mir all eins; denn wenn ich selbst der Ausfindig-Macher dieses Geheimnisses gewesen wäre, so würd‘ ich, in dem feinen Ruf worinn ich stehe, wenig Vortheil davon gezogen haben – – Aber da kommen sie ja, denen ich wider meine Absicht gutes gethan habe – – schon ganz in den Schimmer ihres neu aufgeblühten Glüks gekleidet. * Wie Herr Warbürton vermuthet, wollte der Poet Michael Angelo schreiben. Im übrigen ist, ausser dem seltsamen Anachronismus, diese Stelle als eines von den schönsten Exempelchen von Unsinn, die in unserm ganzen Autor vorkommen, zu bemerken.

Sechste Scene.

Der Schäfer, und Hans, sein Sohn, treten auf.

Schäfer.

Komm, Junge; ich kan nun keine Kinder mehr haben; aber deine Söhne und Töchter werden alle hochedelgebohren seyn.

Hans (zu Autolicus.)

Ha, wir treffen einander eben recht an; ihr wolltet euch dieser Tagen nicht mit mir schlagen, weil ich nicht edelgebohren sey: Seht ihr diese Kleider? Sagt, ihr seht sie nicht, wenn ihr noch immer fort denkt, ich sey nicht hochedelgebohren. Ihr möchtet eben so wohl sagen, diese Kleider seyen nicht hochedelgebohren. Heißt mich lügen; thut es, und probiert ob ich izt nicht hochedelgebohren bin.

Autolicus.

Ich weiß es ganz wohl, Herr, daß ihr izt hochedelgebohren seyd.

Hans.

Ja, und das bin ich diese vier Stunden immer gewesen.

Schäfer.

Und ich auch, Junge.

Hans.

Und ihr auch; aber ich war noch vor meinem Vater hochedelgebohren; denn des Königs Sohn nahm mich bey der Hand, und nannte mich Bruder; und dann nannten die zween Könige meinen Vater, Bruder, und dann nannte der Prinz mich, mein Bruder, und die Princessin meine Schwester, meinen Vater, Vater, und da weinten wir zusammen, und das waren die ersten hochadelichen Thränen, die wir jemals vergossen haben.

Schäfer.

Ich hoff‘ es zu erleben, Sohn, daß wir noch andre vergiessen.

Autolicus (zu Hans.)

Gnädiger Herr, ich bitte euch unterthänigst mir alle die Fehler zu verzeihen, die ich gegen Euer Gnaden begangen habe, und mir euer gutes Vorwort bey dem Prinzen, meinem Herren, zu verleihen.

Schäfer.

Ich bitte dich, Sohn, thu’s; wir müssen gnädig seyn, weil wir nun Gnädige Herren sind.

Hans.

Du willt also dein Leben bessern?

Autolicus.

Ja, wenn es Eu. Gnaden erlauben will.

Hans.

Gieb mir die Hand drauf; ich will dem Prinzen schwören, daß du ein so ehrlicher Kerl seyest, als irgend einer in Böhmen lebt.

Schäfer.

Sagen kanst du’s wohl, aber nicht schweeren.

Hans.

Nicht schweeren, und bin nun ein Edelmann? Bauren und gemeines Volk mögen es sagen; ich will es beschweeren, ich.

Schäfer.

Aber, wenn es nun nicht wahr ist, Sohn?

Hans.

Es mag noch einmal so viel nicht wahr seyn, so kan ein wahrer Edelmann seinem Freunde zu gefallen, drauf schweeren: Ich will dem Prinzen schweeren, daß du ein plumper Kerl mit deinen Händen seyst, und daß du dich nie betrinken werdest; und doch weiß ich, daß du kein plumper Kerl mit deinen Händen bist, und daß du dich betrinken wirst; aber ich will drauf schweeren, und ich wollte du wärst ein plumper Kerl mit deinen Händen.

Autolicus.

Ich will es werden, Gnädiger Herr, nach äusserstem Vermögen.

Hans.

Thu‘ das, und wende alles dazu an; wenn ich mich nicht wundre, wie du das Herz hast dich zu betrinken, da du kein plumper Kerl bist, so glaube mir nichts mehr. Aber horcht, die Könige und die Prinzen unsre Vettern kommen, und gehen nun der Königin ihr Bildniß zu sehen. Komm geh mit uns: Wir wollen deine gute Herren seyn. (Sie gehen ab.)

Siebende Scene.

Verwandelt sich in Paulinas Haus. Leontes, Polixenes, Florisell, Perdita, Camillo, Paulina, verschiedene Herren vom Hofe, und Gefolge, treten auf.

Leontes.

O weise und gute Paulina, wie oft bist du mir zum Troste gewesen!

Paulina.

Mein Gnädigster Gebieter, was ich nicht recht that, das meynte ich doch gut; ihr habt mich für alle meine Dienste überflüssig bezahlt. Aber daß Eure Majestät mit dem Könige, ihrem Bruder, und diesen verlobten Erben beyder Kronen, gekommen ist, mein armes Haus zu besuchen; diß ist ein Uebermaaß von Gnade, welche zu verdienen mein übriges Leben nicht zureichen kan.

Leontes.

O Paulina, die Ehre, die wir euch erweisen ist Unruh; – – Aber, wir kamen um die Bildsäule unsrer Königin zu sehen. Eure Galerie haben wir durchgegangen, und mit vielem Vergnügen über manche seltne Stüke; aber das, was meine Tochter so sehnlich zu sehen verlangt, sahen wir nicht – – das Bild ihrer Mutter.

Paulina.

So wie sie im Leben unvergleichlich war, so übertrift auch ihr todtes Ebenbild, wie ich mit Recht glaube, alles was ihr jemals gesehen habt, oder eines Menschen Hand jemals gemacht hat; deßwegen bewahr‘ ich es auch mit mehr als gewöhnlicher Zuneigung auf. Aber hier ist es: Bereitet euch vor, das Leben so lebhaft vorgestellt zu sehen, als jemals der Schlaf den Tod vorgestellt hat. (Paulina zieht einen Vorhang und entdekt Hermione, gleich einer Bildsäule auf einem Fußgestelle stehend.) Euer Schweigen gefällt mir; es beweist euere Erstaunung nur desto besser – – Aber sagt mir nun, ihr zuerst, mein Gebietender Herr, kommt es nicht ziemlich nahe?

Leontes.

Ihre natürliche Stellung! – – O mache mir keine Vorwürfe, theurer Stein! damit ich in der That sagen kan, du seyst Hermione; denn sie war so zärtlich als Kindheit und Unschuld – – Aber, Paulina – – Hermione hatte nicht so viele Falten, war bey weitem nicht so alt, wie diß scheint.

Polixenes.

O, wahrhaftig nicht!

Paulina.

Desto grösser ist die Geschiklichkeit unsers Künstlers, der sechszehn Jahre überspringt, und sie so macht, als lebte sie izt.

Leontes.

Wie sie denn auch gelebt hätte, ach! so sehr zu meinem Trost, als dieser Anblik izt mein Herz durchbort. O! so stuhnd sie; mit dieser lebenden Majestät (warmes Leben, wie sie izt kalt steht) als ich zum erstenmal um ihre Liebe bat – – Ich schäme mich – – wirft mir dieser Stein nicht vor, daß ich mehr Stein sey, als er selbst? O Königliches Stüke! Es ist Zauberey in deiner Majestät, die meine Uebelthaten wieder in mein Gedächtniß gezaubert, und meiner bewundernden Tochter die Lebensgeister geraubt hat, daß sie, wie selbst versteinert, neben dir steht.

Perdita.

Erlaubet mir, und saget nicht, es sey Aberglauben, daß ich niederknien und um ihren Segen bitte – – Theure Königin, Theure Mutter, welche aufhörte, da ich kaum begann, gebt mir diese eure Hand zu küssen – –

Paulina.

O, Geduld; – – die Statue ist ganz neu aufgerichtet, die Farben sind noch nicht troken.

Camillo (zu Leontes.)

Gnädigster Herr, euer Schmerz ist zu dicht aufgetragen, da sechszehn Winter ihn nicht wegblasen, und sechszehn Sommer nicht auftroknen konnten; kaum lebte jemals ein Vergnügen so lange; und eines jeden andern Schmerz würde sich in so viel Zeit selbst aufgerieben haben.

Polixenes.

Mein theurer Bruder, gestattet dem, der die Ursache von allem diesem war, soviel Vermögen, euch soviel Schmerz abzunehmen, als er für seinen eignen Theil fühlt.

Paulina.

In der That, wenn ich gedacht hätte, der Anblik meines armen Bildes würde diese Würkung auf euch thun, so würd‘ ich’s euch nicht haben sehen lassen.

Leontes.

O, zieht den Vorhang nicht.

Paulina.

Ich laß euch nicht länger so stehn und es anstarren; eure Einbildung könnt‘ euch sonst zulezt gar bereden, es rege sich.

Leontes.

Laß es seyn, laß es seyn; ich wollt ich wäre todt, wenn mir nicht izt schon so wäre – – Aber wer war der, der es machte? Sehet her, mein Herr; würdet ihr nicht meynen, es athme? und daß in diesen Adern würkliches Blut sey?

Polixenes.

Es ist meisterlich gemacht! wahres Leben scheint ihre Lippen zu erwärmen.

Leontes.

Es ist Regung in ihren Augen. Ists möglich daß die Kunst so weit gehen kan?

Paulina.

Ich muß den Vorhang ziehen, der König ist so sehr entzükt, daß er bald denken wird es lebe.

Leontes.

O liebe Paulina, mache mich das zwanzig Jahre in einem fort denken: Alle Vernunft in der Welt kan mir das Vergnügen dieses Wahnsinns nicht ersezen. Laß es wie es ist.

Paulina.

Es ist mir leid, Gnädigster Herr, daß ich euch zu einer so grossen Bewegung Anlaß gegeben habe; aber ich könnt euch noch mehr betrüben.

Leontes.

Thu es, Paulina; denn diese Traurigkeit hat etwas herzerquikendes in sich. Mich dünkt immer, es athme etwas von ihr gegen mich her. Welcher Meissel konnte jemals Athem heraus graben? Spotte niemand über mich, aber ich muß sie küssen.

Paulina.

Thut es nicht, Gnädigster Herr; die Röthe auf ihren Lippen ist noch naß; ihr würdet sie verderben, wenn ihr sie küßtet; und eure eignen mit Oel-Farbe befleken; soll ich den Vorhang ziehen?

Leontes.

Nein, nicht in den nächsten zwanzig Jahren.

Perdita.

So lange könnt ich dastehn, und es in Einem fort anschauen.

Paulina.

Entweder entfernt euch von der Nische, oder entschließt euch noch mehr zu erstaunen; wenn ihr es sehen könnt, so will ich machen, daß die Statue sich bewegen soll, in der That; sie soll herunter steigen, und euch bey der Hand nehmen; aber dann werdet ihr denken, ich thue es mit Hülfe böser Geister, und ich schwöre euch, daß es nicht ist.

Leontes.

Ich bin bereit alles zu sehen was ihr sie thun, und alles zu hören, was ihr sie reden machen könnet; denn es ist eben so leicht zu machen, daß sie rede, als daß sie sich bewege.

Paulina.

Es wird erfordert, daß ihr allem euerm Glauben aufbietet; nur dann, so stehet alle still; und diejenige, welche denken, daß es nicht richtig damit zugehe, mögen sich wegbegeben.

Leontes.

Machet fort; kein Fuß soll sich regen.

Paulina.

Musik; erweke sie: erschalle: (Man hört Musik.) Es ist Zeit; steiget herab; seyd nicht mehr Stein; nähert euch und rühret alle die euch ansehen, mit Erstaunen. Kommt; ich will euer Grab einnehmen; nun, so kommt doch; vermachst dem Tod euere Unbeweglichkeit – – ihr seht, sie regt sich; (Hermione steigt herab.) Entsezet euch nicht; ihre Handlungen sollen so heilig seyn, als meine Zauberey erlaubt ist; weichet nicht vor ihr zurük – – nein, gebt ihr die Hand; wie sie jung war, mußtet ihr euch um ihre Gunst bemühen; nun da sie alt ist, muß sie um die eurige buhlen – –

Leontes (Indem er sie umarmt.)

O, sie ist warm; wenn das Zauberey ist, so laßt zaubern eine so erlaubte Kunst seyn als essen.

Polixenes.

Sie umarmt ihn.

Camillo.

Sie hängt sich an seinen Hals; wenn sie Leben in sich hat, so laßt sie auch reden.

Polixenes.

Und uns sagen, wo sie gelebt habe, oder wie sie sich aus dem Reiche der Todten weggestohlen?

Paulina.

Wenn man’s euch nur sagte, daß sie lebt, so würdet ihr’s wie ein altes Mährchen auszischen; aber ihr sehet daß sie lebt, ob sie gleich nicht spricht – – Noch eine kleine Geduld – – Gefällt es euch, schöne Prinzessin, so kommt näher, kniet nieder, und bittet eure Mutter um ihren Segen – – Wendet euch um, meine gnädigste Frau, unsre Perdita ist gefunden. (Sie stellt ihr Perdita vor, die sich vor Hermione auf die Knie wirft.)

Hermione.

Ihr Götter, schaut herab, und schüttet eure besten Segnungen alle auf meiner Tochter Haupt; sage mir, meine Eigne, wo bist du erhalten worden? Wo hast du gelebt? Wie hast du deines Vaters Hof gefunden? Denn du wirst hören, daß ich, von Paulinen versichert, das Orakel gebe Hoffnung daß du noch lebest, mich selbst aufgesparet habe, um diesen Ausgang noch zu sehen.

Paulina.

Zu allem diesem habt ihr nun Zeit genug; geht nun mit einander, ihr erlauchten Glüklichen alle, und theilet eines dem andern sein Entzüken mit; ich alte Turtel-Daube will auf irgend einen verwelkten Ast fliegen, und dort meinen Gatten, der nicht wieder gefunden werden kan, betrauren, bis ich selbst nicht mehr bin.

Leontes.

O, stille, Paulina; hast du mir wieder eine Gemahlin gegeben, so must du auch einen Mann von meiner Hand annehmen. Das ist etwas ausgemachtes zwischen uns und durch Gelübde bekräftiget. Du hast meine Hermione gefunden; wie, begreiffe ich noch nicht; denn ich glaubte, ich sehe sie todt; und habe, glüklicher Weise vergebens, manches Gebet auf ihrem Grabe gethan. Ich will nicht weit suchen, um einen Gemahl für dich zu finden, dessen Achtung für dich mir schon bekannt ist. Kommt, Camillo, und nehmt ihre Hand; ihr, dessen Werth und Rechtschaffenheit sich so vielfältig bewährt hat, und hier von zween Königen bezeugt wird – – Verlassen wir diesen Ort – – wie? Sehet meinen Bruder an: Vergebet mir, vergebet mir beyde, daß ich jemals fähig war, eure tugendhaften Blike durch bösen Argwohn zu trennen: Dieß ist euer Schwieger-Sohn, und der Sohn des Königs – – der durch eine wunderbare Fügung des Himmels mit eurer Tochter verbunden worden ist – – Gute Paulina, führe uns von hinnen, an einen Ort, wo wir einander mit mehr Bequemlichkeit über die Rolle fragen und antworten können, welche jedes in diesem langen Zeitraum, seit dem wir getrennt wurden, gespielt hat. Hurtig führt uns von hier. (Sie gehen ab.)