I. Name


I. Name

Daß das Wort Elfe den allgemeinsten Ausdruck unserer Sprache für jene geisterhaften Wesen enthalte, geht aus der Betrachtung jeder einzelnen deutschen Mundart hervor. Erst später sind einschränkende Bestimmungen hinzugetreten oder die Benennung hat sich verloren.

1. Der hochdeutschen Sprache gebührt die Form alp, welches einfache Wort zwar in keinem einzigen alten Denkmal vor dem 13ten Jahrhundert anzutreffen ist, unstreitig bloß, weil es an Veranlassung fehlte, eines heidnischen, von den Schriftgelehrten verachteten Begriffs Meldung zu tun. Der Ausdruck muß aber von uralter Zeit her gang und gäbe gewesen sein. Eine Menge männlicher und weiblicher Eigennamen sind mit ihm gebildet und zusammengesetzt: Alpinc, Alpirìh, Alpkôz, Alpkast, Alphart, Alpkêr, Alpwin, Alphâri, Alptac, Alphilt, Alplint, Alploug, Alpsuint, Westralp, woraus zugleich erhellt, daß man sich dabei nichts Böses noch Gehässiges dachte.

Die mittelhochdeutschen Dichter bedienen sich des Ausdrucks hin und wieder, wenn gleich im ganzen selten. Gewöhnlich steht die männliche Form. In dem alten Meistergesangbuch 37b ruft ein Dichter Gott an: got unde niht alp! Gott, kein Truggeist! Ungewiß ist im Parc. 46a zer wilder albe klûsen, welches zwar heißen kann: zur Klause wilder Geister, aber auch zur wilden Alpklause, Bergklause (vgl. Barl. 194. gein den wilden alben und Parc. 62a zer wilden muntâne.) Deutlicher gehen folgende Stellen auf den Geist.

Ein fahrender Schüler (Altd. Wäld. II. 55.) nennt ein Mittel: guot vür den alp. Die meisten Anspielungen stehen in dem noch ungedruckten Gedichte Ruodigers von zwein Gesellen (Königsberg. Handschr.) 12a

dich hat geriten der mar,
ein elbischez âs.
dû solt daz übele getwâs
mit dem kriuze vertrîben;
sêt, daz hât man von iu wîben,
swenne uns mannen iht geschehe,
daz ir immer des jehet:
uns triege der alp.

und gleich darauf:

dir enhät nieman niht getân
wan so vil, daz dich zoumet
ein alp, davon dir troumet;
der var der sunnen haz!

Die letzte Zeile ist eine auch sonst gebrauchte Verwünschungsformel. Und 14b:

in bedûhte, daz er vlüge,
oder daz in lihte trüge
ein alp in sime troume.
ez gezame michel baz,
daz dû mit zühten läges
unt solher ruowe pfläges,
als ûf dem beite wäre
den elbischir gebare.

In der letzten Zeile steckt ein Fehler, vielleicht ist zu lesen:

dem elbischen gebäre

und das voraus gehende ûf der beite scheint zu bedeuten: etwas erwarten, einem Ding auf der Lauer sein.

Ferner 16d:

ich sehe wol, daz dû elbisch bist;
ein elbische ungehiure!
sprach sie, dû sist verwâzen!

d. i. verflucht seist du, du elbisches Ungeheuer!

18a:

nû sagâ mir, elbischez getwàs
vil rehte dînen namen.

In einem andern Gedicht (Altes Meistergesangbuch 2b):

elbe triegent niht so vil junge
unde alte, alsô ez mich tuot.

Herbort (trojan. Krieg 84c) redet von elbischem viure (Irrlichtern?); statt der alp scheint er aber das Neutrum daz alp oder elbe, Pl. diu elber zu brauchen (daselbst 5d):

diu elber triegent mich
unreinez getwâs!

wie man schon früher neben dem männlichen der tiuvel auch daz tiuvel, Pl. diu tiuvler (althochdeutsch diufilir Otfr. III. 14, 103) sagte. Sonst wird der christliche, männlich gedachte Teufel in der altdeutschen Sprache gern weiblich, weil unserm Volksglauben der Begriff Unholdin, Hexe geläufiger war, als der des bösen Feindes und Zauberers. Ulfilas sagt lieber unhulthô als unhultha und in althochd. Denkmälern (hymn. XXIV, 3. gloss. Ker. 85) wird diabolus statt durch das Masc. unholdo durch das Fem. únholdâ übersetzt. Deutsche Märchen legen dem Teufel wenigstens seine Großmutter bei und der böse Geist Grendel im angelsächsischen Gedicht hat seine noch ärgere Mutter zur Seite. Desto weniger kann befremden, daß zuweilen das Fem. diu alp, Gen. der elbe vorkommt. Heinrich von Mörungen singt (M. S. I. 50b):

von der elbe wirt entsehen vil maniger man,
alsô wart ich von grôzer liebe entsehen,

d. h. von der Alb wird es manchen Leuten angetan, so ist es mir angetan worden von der Liebe. Die Bedeutung von entsehen bestätigt folgende Stelle aus dem ungedruckten Eraclius Z. 3329-35.

ich sage iu guotiu märe,
sprach diu alte, do sie sie ersach,
iuwers kindes ungemach
kan ich wol vertriben,
hie geredet under uns wiben,
ich hân in gesegent, er was entsehen,
im sol arges niht geschehen.

Neben dieser beschränkten Bedeutung von nächtlichem, die Menschen reitendem Gespenst, mag noch die ältere und ursprünglich allgemeinere für Geist überhaupt bestanden haben, wie sich teils aus dem Elberich der Nibelungen und des Heldenbuchs, teils aus einer Stelle in der Verdeutschung der Ovidischen Metamorphosen (Buch VI Cap. 9.) folgern läßt, wo der Ausdruck die Elben und Elbinnen vorkommt. Wahrscheinlich hat ihn Wikram in dem durch ihn umgearbeiteten Werke Albrechts von Halberstadt bereits vorgefunden.

Heutzutage dauert in Deutschland bloß der Aberglaube von dem Reiten und Drücken des Alps mit dem alten Namen fort; was sonst von den Geistern zu erzählen ist, wird den Zwergen, Wichteln zugeschrieben, nicht den Elben, wiewohl dieser Ausdruck selbst noch in den spätern Hexenprozessen mitunter gebraucht zu werden scheint.8

Der unhochdeutsehen, nie unter dem Volk gebräuchlichen, Wortform Elfen hätten wir uns enthalten, wenn sie nicht von den Dichtern des vorigen Jahrhunderts in Übersetzungen aus dem Englischen, ohne die Eigenheit unserer Mundart zu beachten, angenommen und nun einmal eingeführt worden wäre.

2. Aus der deutschen Sprache haben auch die Franzosen das Wort Alb für Geist übernommen, sie verwandelten es aber nach ihrem Organ in Aube, nämlich so muß der in einer altfranzösischen Volkssage auftretende Auberon, später Oberon, verstanden werden. Er entspricht etwa unserm Elberich und hat ganz das Wesen der gutmütigen Elfen. Aus dieser altfranzösischen Quelle haben die englischen Dichter ihren Elfenkönig Oberon geschöpft, den sie schicklicher in einen Elfric übersetzt haben würden, da Ob nichts anderes als das englische Elf bedeutet.

3. In angelsächsischen Denkmälern begegnet sowohl das einfach älf als die Zusammensetzungen älfric, älfrêd usw. Fürs Fem. gilt älfen, Gen. älfenne. Über die ältere, weitere Bedeutung kann kein Zweifel sein; mägälf und älfscîne werden in den Dichtungen auch als Epitheta von Menschen gebraucht (Cädm. 40. 58, Beov. 194. Ind. 9.). Sagen selbst scheinen nicht erhalten. In den Handschriften finden sich wohl die Ausdrücke dûnälfenne (monticolae, castalides), feldälfenne (moïdés, hamadryades), muntälfenne (oreades) saeälfenne (najades) vudälfenne (dryades), die jedoch mehr zur Übersetzung der griechischen Wörter gebildet scheinen, als uns Unterscheidungen einheimischer Geister lehren. Spätere altenglische Dichter enthalten dafür genug Beispiele von lebendiger Fortdauer des Worts und der Sache. Es wird hinreichen ihrer einige aus den Canterbury tales hier folgen zu lassen.

5174.

the mother was an elve by aventure
ycome by charmes or by sorcerie.

6442.

the elfquene with hire joly compagnie
danced ful oft in many a grene mede,
this was the old opinion, as I rede,
I speke of many hundred yeres ago,
but now can no man see non elves mo.

13718. 13720. 13724. an elfquene, 13633. se semeth elvish by his contenance. 16219. elvish craft 16310 elvish nice. Eine Menge anderer stehen bei Spenser und Shakespeare,9 nach und nach ist der ungefähr gleichbedeutige Name fairy gebräuchlicher worden.

Wiewohl nun jenes elf zuweilen völlig den Sinn des spätem, hochdeutschen Alp hat und elvish gerade so den von phantastisch, so gibt es doch auch eine Reihe echter Elfensagen unter dem alten Namen, ohne solche Beschränkung auf bloße Zauberei.

4. Am reinsten und in der ursprünglichen ausgedehnten Bedeutung haben die nordischen Sagen und Gedichte diese Benennung erhalten. Altnordisch âlfr, Pl. âlfar; schwedisch elf, Pl. elfar, woneben häufig der weibliche Pl. elfvor gebraucht wird; dänisch elv, Pl. elve, in Zusammensetzungen heutzutage ellefolk, ellekone, ellekonge statt elvefolk usw.; aus welchem ellekonge durch ein Mißverständnis die unrichtige deutsche Übersetzung Erlkönig entsprungen ist, da der Name des Geists mit dem des Baums Erle, dänisch eile, altnordisch elni (alnus) nichts zu schaffen hat.

5. Die Urbedeutung des Namens alp, älf, âlfr hängt wahrscheinlich mit dem lateinischen albus (weiß) zusammen, vergleiche das griech. αλφιτον (Mehl), αλφιτω, ein weibliches Gespenst, vor dem sich die Kinder fürchteten (weiße Frau?); nicht aber mit dem latein. alpes (Berge). Sie berührt sich auch mit dem allgemeinen Flußnamen Elbe, elf, albis (französ. aube), ohne daß man daraus zu schließen braucht, die Elfen seien Wassergeister, was sie nur zuweilen sind.

  1. Vgl. Pomarios colleg. synopt. phys. disp. 15. sent. 23. 24. 26. und Prätorius Weltbeschreib. I, 181. 182.
  2. Der Shakespearischen Elfen Eigentümlichkeiten, an denen der Dichter einen nicht geringen Anteil haben mag, obgleich er im ganzen den Glauben des Volks zu Grund gelegt hat, findet man zusammengestellt von Voß in den Anmerkungen zum Sommernachtstraum. S. 509-511.

II. Abstufung und Verschiedenheit


II. Abstufung und Verschiedenheit

Die Sagen, welche die Elfen als vom Himmel verstoßene, der Hölle halb verfallene Engel, eben deshalb als halb teuflische Wesen schildern,10 haben einen Gegensatz, der schon vorhanden war, in christlicher Ansicht erklärt, schwerlich aber erst geschaffen.

Die Edda unterscheidet weiße, leuchtende Elfen des Lichts und schwarze Elfen der Finsternis, nicht als gute und böse, sondern um sie als Geister der verschiedenen Regionen des leuchtenden Himmels und der dunklen Erde zu bezeichnen. Deutlich wird dies daraus, daß sie die schwarzen Elfen zugleich Zwerge nennt (so wie auch ein Zwerg in den Kenningar den Namen âlfr führt), denn dies ist der besondere Ausdruck für die in den dunklen Berghöhlen wohnenden und hausenden Unterirdischen. Die Lichtelfen von reiner Farbe erscheinen fast durchsichtig, ganz ätherisch, mit weißen, silberschimmernden Kleidern, wie in den irischen Märchen. In deutschen Sagen (Nr. 10 und 11.) sitzen sie als schneeweiße Jungfrauen im Sonnenschein, zeigen sich um Mittag (Nr. 12.) und dürfen nur solange als die Sonne am Himmel ist verweilen. Diese heißt daher in der Edda (Säm. I. 70. u. 231.) âlfrödull, die Elfen anstrahlend. Die Erdelfen dagegen sind körperlich und von dunkler Farbe, darum sind sie in Norwegen blau, in dem Sinne, in welchem die nordische Sprache einen Neger blâmadr nennt; der schottische Brownie ist braun und zottig, wie die wilde Berta in der deutschen Sage (Nr. 268.) und brauner Zwerge in Northumberland gedenkt eine Anmerkung in Walter Scotts Lady of the Lake. Die Erdelfen tragen auch dunkelfarbige Kleider. Sie treiben ihr Wesen in der Nacht und fliehen im Gegensatz zu den Lichtelfen die Sonne, die daher auch in der Edda (Hamdismâl Str. 1.) die Sorge der Elfen (graeti âlfa) heißt. Überrascht sie der Tag, so werden sie von dem Strahl der Sonne in Stein verwandelt. (Vgl. Edda Säm. I. 274. II. 44.)

Natürlich bestand diese Unterscheidung nicht länger, sobald man sie auf sittliche Eigenschaften bezog und die Elfen beider Art wurden verwechselt. Daß aber in Deutschland der Begriff der Lichtelfen vorhanden, ja vielleicht gerade im Gegensatz zu der spätem Zeit der allgemeinere war, zeigt nicht bloß die vorhin auseinander gesetzte Verwandtschaft des Worts mit dem lateinischen albus, sondern auch der Umstand, daß seit der Bekehrung das christliche engil ebenso wie früherhin alp zu Namenbildungen gebraucht wurde und insoweit an seine Stelle trat, z. B. Engilrîch, Engilhart, Engilgêr usw. Bei den Angelsachsen zeugt die Zusammensetzung älfscîne, d. h. leuchtend wie ein Elfe.

Für die Mischung beider Arten gibt Elberich das beste Beispiel ab. Sein Name verrät schon seine Abkunft, er heißt in den Nibelungen (1985) wie im Otnit (Str. 127 bei Mone) ein wildez getwerc, schmiedet und haust in Berghöhlen, und gleichwohl erscheint er geistig überlegen und äußerlich glänzend, wo er in letzterem Gedicht, dessen Hauptperson er eigentlich ist, auftritt. In Norwegischen Sagen wird es noch ausgedrückt, daß der Zwerg körperlicher und weniger geistig ist, als der Elfe; je genauer er aber in Verbindung mit dem Menschen kommt, desto menschlicher werden auch seine Bedürfnisse. Als Hausgeist dient er um Speise und Kleider, während er wunderbare Dinge verrichten kann und ist beides, ein hilfsbedürftiges und ein übermächtiges Wesen.

Die Ausdrücke Wichte, Schrate, Schretlein bezeichnen gleichfalls nichts anders, als die Kleinen, Unterirdischen oder Zwerge, wiewohl sich leicht an jede besondere Benennung eine besondere, oft schwer zu bestimmende leise Nebenbedeutung hängt. Wir teilen die Stellen mit, wo wir diese Namen gefunden haben:

Glossae lindenbrog. 995a fauni, silvestres homines: waltscrechel, die im Wald herumspringen. – 996b larvae, lares mali: screza. – gl. vindob. larvae: screzzol scraito. – gl. trev. screiz, larvae, von späterer Hand dabei geschrieben: klein herchin (Herrchin) – Barlaam 251, II. ein wilder waltschrate und Alt. Wälder III. 225. wo es für Faun steht. Schretel im Cod. palat. Nr. 341. f. 371. – Titurel 190. sie (die Minne) ist villîhte ein schrat‘ ein geist von helle. – Hans Vintlers Tugendbuch vom Jahr 1411 (nach der gotha. Handschr.):

– etliche die jehent,
daz schretlîn daz si ein kleinez kint
unde sî als ringe als der wint
unde si ein verzwîvelôter geist. (d. h. gefallener Engel)

  1. S. unten das irische Märchen Nr. 4. die Mahlzeit des Geistlichen und die Anmerkung dazu, wo die übereinstimmende dänische und schottische Sage angeführt ist. Auch in Schweden ist sie allerorten bekannt, nur, und das ist merkenswert, mit entgegengesetzter Auflösung (Schwedische Volkslieder III. 128). Zwei Kinder spielen an einem Fluß, da sitzt ein Nix auf dem Wasser und läßt seine Harfe ertönen. Die Kinder rufen ihm zu: »Was hilft, daß du da sitzest und spielst, du wirst doch nicht selig!« Der Nix weint bitterlich, wirft seine Harfe hin und sinkt in die Tiefe. Als die Kinder heim zu ihrem Vater kommen erzählen sie ihm, was sich zugetragen hat. Der Vater heißt sie zuückgehen, den Nix trösten und ihm die Versicherung der Erlösung geben. Als sie bei dem Fluß anlangen, sitzt der Nix auf dem Wasser und weint. »Nix, trauere nicht«, rufen sie ihm zu, »der Vater hat gesagt, daß auch dein Erlöser lebe.« Da nimmt der Nix seine Harfe wieder und spielt fröhlich. (Vgl. auch das. III. 158.)

III. Untergang


III. Untergang

Allgemein verbreitet, und am wahrscheinlichsten durch Einführung des Christentums entstanden, sind die Sagen von dem allmählich näherrückenden Verschwinden der Elfen. Nicht bloß entfernen sie sich vor dem Geräusch und geschäftigen Treiben der Menschen, sondern es erfolgt ein großer Auszug der Unterirdischen. Sie schließen einen Vertrag mit den Menschen ab und auf einem vorher bestimmten Weg, über eine Brücke, hört man in der Nacht die Kleinen in unzähliger Menge forttrippeln oder sie werden über das Wasser gefahren und ihre große Zahl drückt das Schiff. (Deutsche S. Nr. 152-54. dänische bei Thiele II. 2.) Manchmal wird erzählt, daß zum Andenken oder aus Dankbarkeit für das von den Menschen genossene Gute, jeder ein kleines Stück Geld von altem Gepräge in eine hingestellte Schüssel gelegt habe.

Man hat in dem Auszug der Zwerge eine geschichtliche Tatsache, die Unterdrückung und Vertreibung eines alten, einheimischen Volkes durch neue Ankömmlinge erkennen wollen und wozu auch ein Zug von Scheu, Trauer und Ironie, der über die Natur des Geistervolks verbreitet ist, stimmt.

IV. Gestalt


IV. Gestalt

1. Erblickt man den Elfen in seiner wahren Gestalt, so sieht er aus, wie ein schönes Kind von einigen Jahren, zart und wohl gegliedert; die schottischen und walisischen Sagen beschreiben ihn ausdrücklich auf diese Art. Elberich liegt als Kind von vier Jahren unter einer Linde, wo ihn Otnit kraft eines Ringes sehen kann und ihn meint als ein Kind forttragen zu können. (Str. 99. 108.) Und als der Elfe sich vor den Leuten sehen läßt, so heißt es (Str. 517.):

ich wäne daz nie kein ouge schöner bilde ie gesach.

dô vienc er (Siegfried) bì dem barte den altgrîsen man.

ich trage ûf mînem rücken mê dan vierdehalp hundert jâr.

V. Kleidung


V. Kleidung

1. Der Verschiedenheit in der Kleidung der Elfen nach der Verschiedenheit ihres Ursprungs ist schon vorhin gedacht und nur noch anzumerken, daß auch die serbischen, den nordischen Elfinnen entsprechenden Vilen weiß gekleidet sind. Elberich hat glänzende mit Gold und Edelsteinen gezierte Kleider an (Str. 104.); die Tracht der Unterirdischen ist dunkelfarbig, meist grün oder moosfarbig, in deutschen (Nr. 48. 270.) wie in schottischen, walisischen und shetländischen Sagen. Auf den Färöer und in Dänemark grau (Thiele I. 122. 125.), doch zeigen sich auch hier grüngekleidete Elfinnen (Thiele I. 109.). Geister, die mit den Menschen im Verkehr stehen, tragen buntfarbige und rote Röckchen (Deutsche S. Nr. 71. 75.) oder erhalten sie von jenen geschenkt (Nr. 37.). Merkenswert ist eine Übereinstimmung. In dem irischen Märchen von der Flasche („Die Flasche“) erscheint der Elfe ganz in sein Kleid eingewickelt, damit man seine Füße nicht sehen kann; eine Schweizersage (Nr. 149.) erzählt, daß die Zwerge in langen Mänteln dahergetrippelt wären, die ihre Füße ganz bedeckt hätten. Neugierig streut einer Asche und findet, daß ihre Füße platt sind wie Gänsefüße, wiewohl diese eigentlich nur Wasserelfen zuzugehören scheinen; man erinnert sich an die weiße Bertha mit dem großen Fuß (Vergl. Altd. Wälder III. 47, 48.).

2. Von besonderer Wichtigkeit ist die Kappe oder Mütze, so sehr, daß die norwegischen Elfen, obgleich sonst ganz nackt, doch einen heruntergeschlagenen Hut auf dem Kopf haben. Die irischen bedienen sich dazu der roten Blüten des zauberkräftigen Fingerhuts oder sie haben weiße, breite Hüte, gleich Pilzendeckeln. Auch in Dänemark und Schweden sind ihre Mützen rot (Thiele I. 122. II. 3. Schwed. Volksl. III. 127.) sowie bei den Nisser der Färöer, sonst aber auf diesen Inseln schwarz. In Preußen tragen sie spitze Hüte, die wie jene der Cluricaunen aufgekrämpt sind; ebenso sind die Mützen der Hausgeister in Dänemark spitz, während die Hüte, die sie im Sommer tragen, rund sind (Thiele I. 135.). In den deutschen Sagen ist der Hut nicht vergessen. Die Bergmännlein haben weiße Hauptkappen an dem Hemd (Nr. 37.); der Nix trägt einen grünen Hut (Nr. 52.), ein anderer grauer Geist einen großen Schlackhut (Nr. 271.). Hodeken hat den Namen von einem großen Hut, den er so tief in den Kopf drückte, daß man sein Gesicht niemals sehen konnte und dieser Hut bringt dadurch einigermaßen die Wirkung der Nebelkappe hervor, welche völlig unsichtbar macht, deren schon der junge Misener (Man. S. II. 156.) gedenkt und welche den Zwergen am Harz (Deutsche S. Nr. 152. 153. 155.) zugeteilt wird. Mit dieser hat Elberichs Tarnkappe, wenn sie auch zugleich den Mantel enthält und der tamhût entspricht, doch offenbar Zusammenhang. Dienstbar wurde er und sein Reich dem Siegfried, weil der Held die Tarnkappe genommen hatte und das machen deutsche Sagen (Nr. 152. 153. 255.) noch deutlicher, wenn sie erzählen, daß man nach den unsichtbaren Zwergen mit Ruten geschlagen, bis man ihre Mützen getroffen und abgeschlagen habe, worauf sie sichtbar geworden und in die Macht der Menschen geraten seien. Eske Brok schlug zufällig einem Zwerg im Felde den Hut ab und um ihn wieder zu erhalten, bewilligte dieser alle Forderungen (Thiele III. 49.). Nun erklärt sich die Wichtigkeit der Kopfbedeckung bei den Elfen, sie halten sich dadurch vor den Blicken der Menschen verborgen. Laurin hat eine Nebelkappe, so wie Euglin, welcher sie über Siegfried wirft und ihn dadurch den Augen des Riesen entzieht; dem Kopfschleier der Kriemhild legt der Rosengarten gleiche Kraft bei. Der Kobold Zephyr (in dem altfranzös. Roman Perceforest, Mélanges T. XII.), der wie eddische Zwerge nach einem Wind benannt ist, trägt eine schwarze Kappe, durch welche er sich unsichtbar machen, oder eine andere Gestalt annehmen kann.

Unbeständigen, schalkhaften Leuten (von Zwergsnatur) werden auch sonst Nebelkappen beigelegt (Man. Samml. II. 258b) und der römische Volksglaube dachte sich zu seinem incubo, welcher völlig dem deutschen Alp verglichen werden darf, gerade so den Hut und knüpfte an ihn die Unsichtbarkeit des Geistes. Die Stelle findet sich in Petronii satyric. c. 38. (Burm. p. 164): »sed quomodo dicunt, ego nihil scio, sed audivi, quomodo incuboni pileum rapuisset et thesaurum invenit.« – Incubones qui thesauris invigilant. (Sabinus ad II. Georg. v. 507.) und ein neuerer Erklärer Petrons fügt aus dem Volksglauben seiner Zeit hinzu: ex superstitione veteri, cujus hodieque passim exstant reliquiae, velut incubones sint ornati pileis, quibus surreptis compellantur ad obsequium in indicandis pecuniis absconditis. Hieran schließen sich vollkommen die Worte des Nibelungenlieds:

399.

dô er die tarnkappen sit Alberîch angewan,
dô was des hordes herre Sîvrit der vreislîche man.

Das Land der Jugend


Das Land der Jugend

(Siehe auch die Anmerkungen)

Wenn man aus der Stadt Cork geht, unweit der Galgenwiese, liegt ein großer See, auf dem sich Winters das Volk mit Schlittschuhlaufen ergötzt, aber die Lust über dem Wasser ist nichts in Vergleich mit der, die darunter ist, denn auf dem Boden dieses Sees stehen Gebäude und Gärten, die prächtigsten, die man je gesehen. Wie sie dahin kamen, hat sich folgendermaßen zugetragen.

Lange bevor ein sächsischer Fuß irischen Grund betrat, lebte ein großer König namens Corc; sein Schloß stand da, wo jetzt der See ist, in einer grünen, meilenbreiten Aue. Mitten im Burghof befand sich ein Springbrunnen so reinen, klaren Wassers, daß es ein Wunder war. Der König freute sich auch nicht wenig, eine solche Merkwürdigkeit in seinem Schlosse zu besitzen; als aber die Leute in Haufen herbei kamen von fern und von nah, das köstliche Wasser dieses Brunnens zu schöpfen, fürchtete er, daß es mit der Zeit versiegen möchte. Er befahl eine hohe Mauer rundherum zu bauen und wollte niemand mehr zu dem Wasser lassen, was ein großer Schaden für die armen Leute war, die in der Gegend wohnten. So oft er aber selbst Wasser brauchte, sandte er seine Tochter hin, es zu holen und vertraute den Schlüssel zu der Quelltüre keinem seiner Diener, aus Besorgnis, sie könnten etwas davon weggeben.

Eines abends feierte der König ein großes Fest, viele Fürsten waren zugegen, Grafen und Edelleute ohne Zahl, das ganze Schloß war voll Herrlichkeit, Freudenfeuer stiegen in die Wolken auf, der Tanz drehte sich und so süße Musik ging dazu, daß sie die Toten aus ihren Gräbern hätte wecken mögen; Speisen standen für jeden bereit, der hereinkam und niemand wurde von dem Schloßtor zurückgewiesen, jedem rief der Pförtner »willkommen, herzlich willkommen!« entgegen.

Nun geschah es aber, daß bei diesem großen Feste auch ein junger Prinz erschienen war, lieblich von Ansehen, so schlank und gerade, wie sich ihn nur ein Auge wünschen möchte zu erblicken. Recht lustig tanzte er den Abend mit des alten Königs Tochter auf und nieder, federleicht und die Füße so zierlich setzend, daß es allgemeine Bewunderung auf sich zog. Die Musikanten spielten aufs beste, um einem solchen Tanze Ehre zu machen und jene tanzten, als stände ihr Leben darauf. Nach dem Tanz folgte das Abendessen, der junge Prinz saß seiner schönen Tänzerin zur Seite und so oft er mit ihr sprach, lächelte sie ihm zu, er tat es aber lange nicht so oft, als sie wünschte, denn er mußte sich vielmals zu der Gesellschaft umdrehen und für die Komplimente danken, die seiner schönen Tischgefährtin und ihm gemacht wurden.

Mitten in der Mahlzeit sagte einer von den großen Herrn zu dem König Corc: »Mit eurer Majestät Erlaubnis, alles ist hier im Überfluß, was das Herz sich wünschen mag, beides zu essen und zu trinken, nur kein Wasser.«

»Wasser!« sagte der König mit Wohlgefallen darüber, daß jemand das forderte, woran absichtlich Mangel gelassen war: »Wasser sollt ihr gleich haben und von so köstlicher Art, daß ich die ganze Welt auffordere, ein gleiches vorzuweisen. Tochter«, rief er, »geh, hole welches, in dem Goldeimer, den ich dazu habe machen lassen.«

Die Königstochter, welche Fior Usga (Springwasser) hieß, schien eben nicht zufrieden damit, heute vor so vielen Leuten diese gemeine Hausarbeit zu übernehmen. Sie wagte nicht ihres Vaters Geheiß zu widerstreben, aber sie zögerte, auf den Boden schauend. Der König, welcher seine Tochter sehr liebte, merkte ihre Verlegenheit und es tat ihm leid, daß er es von ihr begehrt hatte, doch sein königliches Wort durfte er nicht zurücknehmen, er sann auf ein Mittel, sie gleich dahin zu bringen, daß sie das Wasser holte und fiel auf den Gedanken, der Prinz, ihr Tischgesell solle sie begleiten. Mit lauter Stimme sagte er: »Meine Tochter, mich wundert nicht, daß du dich fürchtest allein auszugehen so spät in der Nacht, der junge Prinz dir zur Seite, hoffe ich, wird dich begleiten.« Der Prinz hörte das mit Vergnügen und den Goldeimer an die eine Hand nehmend, mit der andern die Königstochter aus dem Saal führend, zog er die Blicke aller Gäste auf sich.

Als sie zu dem Wasserbrunnen im Schloßhof kamen, schloß die schöne Usga das Tor sorgfältig auf, bückte sich mit dem Goldeimer und wollte Wasser schöpfen, aber das Gefäß wurde ihr so schwer, daß sie das Gleichgewicht verlor und in den Brunnen stürzte. Vergeblich strebte der junge Prinz sie zu retten, das Wasser stieg und stieg so mächtig, daß es schnell den ganzen Schloßhof einnahm, außer sich eilte er zurück zu dem König.

Das Brunnentor war offen geblieben und das lang verschloßne Wasser, froh über die erlangte Freiheit, rauschte unablässig herein, stieg jeden Augenblick höher und war in dem Gastsaal so schnell wie der junge Prinz selbst, dergestalt, daß, wie er versuchte mit dem König zu reden, er bis an den Hals im Wasser stand. In die Länge stieg das Wasser zu solcher Höhe, daß es die ganze grüne Aue, in welcher des Königs Schloß lag, erfüllte und so wurde der jetzige See von Cork gebildet.

Aber der König und seine Gäste ertranken nicht, noch seine Tochter, die schöne Usga, sondern die nächste Nacht nach dem schreckenvollen Ereignis kehrte sie zum Festgelag zurück und seitdem jede Nacht geht das Fest und der Tanz an in dem Boden des Sees und wird so lange dauern, bis es einem gelingt, den Goldeimer heraus zu bringen, der die Ursache des Unheils war.

Und niemand kann zweifeln, daß dies Gericht darum über den König erging, weil er den Brunnen im Schloßhof den armen Leuten verschlossen hatte. Wer aber der Sage nicht glaubt, gehe hin an den See, wenn das Wasser niedrig und hell steht, so wird er mit guten Augen die Turmspitzen und andere Häuser in der Tiefe erblicken.

24. Der See Corrib


24. Der See Corrib

(Siehe auch die Anmerkungen)

Nicht weit von dem See Corrib in der Grafschaft Galway lebte ein junges Paar, Cormak und Marie, die sich zärtlich liebten und deren Glück nichts im Wege zu stehen schien. Ihr Hochzeitstag war schon bestimmt, als Marie plötzlich verschwand, niemand wußte wohin. Sie war ausgegangen und abends zu der gewöhnlichen Stunde nicht wieder nach Haus gekommen, und als ihre Eltern, während Sorge und Angst jede Minute wuchs, vergeblich die ganze Nacht auf sie gewartet und auch der helle Morgen ihr geliebtes Kind nicht zurückgeführt hatte, so gaben sie alle Hoffnung auf, und der nagende Schmerz über ihren Verlust wurde noch geschärft durch den Gedanken, daß ein Sturz in Abgründe oder sonst ein jämmerlicher, qualvoller Tod ihrem jungen Leben ein Ende gemacht habe.

Wer vermag Cormaks Schmerz und Verzweiflung zu beschreiben! Er irrte weit und breit umher, die heimlichsten und unzugänglichsten Orte suchte er auf, doch es schien, wenn auch Wald und Feld, Bäume, Blumen und Steine die Sprache erhalten hätten, sie würden nichts von ihr haben sagen können; kein lebendes Wesen hatte sie erblickt und alle Spur von ihrem Dasein war verschwunden.

Von nun an ging er jeden Abend hinaus zu dem See Corrib, setzte sich auf die Felsen am Ufer, wo die wildesten und traurigsten Gedanken, wahnsinnige Wut und lebloses Erstarren, sich abwechselnd seiner Seele bemächtigten und sie in immer tiefere Verwirrung senkten.

»Nein, sie ist nicht tot!« rief er aus, »sie lebt, das dunkle Grab hat kein Verlangen nach dieser reinen Taube, die schneeweiß und unschuldig ist und ohne Sünde; der Tod zielt nur nach jenen, deren Seele gereinigt werden soll. Sie lebt hier unter dem Wasser des Corribs, bei jeder Welle, die daher rauscht, höre ich ihre Stimme und vernehme die Lieder, die ich sie selbst gelehrt habe. Kalt ist der Felsen, auf dem ich sitze, frostig wehen die Winde mich an, Nebel bedeckt das dunkle Gewässer, aber ihr Herz ist noch kälter! Warum kehrt sie nicht zu mir zurück? Ach! harte, entsetzliche Zauberworte halten sie gebannt!«

Einmal lag der See in der tiefsten Ruhe. Nur eine einzige weiße Welle rollte sanft darüber hin. Sie kam näher und näher bis zu Cormaks Sitze. Da schien es ihm, als entwickle sich daraus ein ganzer Zug wunderbarer Gestalten. Der Vollmond leuchtete so hell darüber hin, daß er imstand war, sie deutlich zu unterscheiden, und doch waren die Gestalten so zart und luftig, daß der Strahl des Mondes ungehindert durch sie drang. Vor ihnen entfaltete sich flatternd eine Fahne, dann folgte ein langer Zug in prächtiger Rüstung, Helme und Speere leuchteten in höchstem Glanz und deutlich war zu sehen, wie der Widerschein davon auf dem leicht zitternden Wasserspiegel in beständiger Bewegung hin und her schwankte. Sie saßen auf geschmückten Rossen, welche auf dieser pfadlosen Bahn in die Höhe stiegen und wild sich bäumten, während über ihren Häuptern wallende Düfte hingen, deren Säume in den Farben des Regenbogens schimmerten. Rührte ein leiser Wind daran, so lösten sich schillernde Flöckchen ab und zitterten in dem sanften Luftstrom. Kein Schweigen herrschte, es erhob sich ein langsamer, feierlicher Gesang, dessen Töne in unaussprechlicher Süßigkeit leis und doch mächtig heranschwollen. Bei diesem Gesang bewegte sich die ganz luftige Schar in anmutiger Leichtigkeit.

Cormak saß und starrte die Erscheinung an, seine betäubten Sinne wußten nicht, ob er sich selbst mit diesem Blendwerk täusche, oder ob es wirklich vor ihm nach dem Takt der Musik auf- und abwalle, bald in höchster Lust anschwellend, bald dahinsterbend, als spotte es seiner.

Endlich sich ermannend rief er mit lauter Stimme: »Christ, rette ihre Seele!« und kaum war der geheiligte Namen über seine Lippen gekommen, als ein furchtbares Geheul und teuflisches Geschrei antwortete und die ganze Erscheinung verschwand. Neben ihm am Ufer stand Marie, schöner als je, frei durch das eine Wort von aller Macht des Zaubers und ihm zu neuem Leben und neuer Liebe zurückgegeben.

25. Die Kuh mit den sieben Färsen


25. Die Kuh mit den sieben Färsen

(Siehe auch die Anmerkungen)

Lorenz Cotter besaß ein kleines Gut in der Gegend von dem See Gur und gedieh dabei, denn er war ein guter, fleißiger Mann, der bis an seinen Tod still und ruhig darauf gelebt haben würde, wenn ihn nicht ein Unglück betroffen hätte, von dem ihr sogleich hören sollt. Nah am Wasser gehörte ihm ein feines Stück Wiesenland, wie man es sich nicht besser wünschen kann, um dessen Ertrag er aber schmählich gebracht wurde und niemand konnte sagen, durch wen. Ein Jahr um das andere fand es sich immer auf dieselbe Weise zu Grund gerichtet. Die Einfriedigung war im gehörigen Stand und kein Grenzstein verrückt; des Nachbars Vieh konnte keinen Schaden gestiftet haben, denn es war gekoppelt; aber wie es nun geschehen mochte, das Gras auf der Wiese wurde zu großem Verluste Lorenz völlig verdorben.

»Was in der weiten Welt soll ich nur anfangen?« sagte Lorenz Cotter zu Thomas Welch, seinem Nachbar, einem ehrsamen Mann: »Das bißchen Wiese, wofür ich schwere Abgaben entrichten muß, bringt mir so viel wie nichts ein und die Zeiten sind bitter schlecht genug, sie brauchten nicht noch schlimmer zu werden.«

»Ihr redet wahr, Lorenz« versetzte Welch, »die Zeiten sind bitter schlecht, aber ich glaube, wenn ihr bei Nacht wachen wolltet, ihr könntet bald dahinter kommen; Michel und Diether, meine beiden Jungen, sollen mit euch wachen, es ist zum Erbarmen, daß ein so ehrlicher Mann, wie ihr seid, auf so schimpfliche Weise zugrunde gehen sollte.«

Dieser Übereinkunft gemäß nahmen die folgende Nacht Lorenz Cotter und Welch’s beide Söhne ihren Posten in einer Ecke der Wiese. Es war eben Vollmond, der sein Licht über den ruhigen See ergoß, kein Wölkchen war am Himmel zu sehen, kein Laut zu hören, als der Schrei der Wachteln, die sich einander über das Wasser hin zuriefen.

»Jungen, Jungen!« sagte Lorenz, »schaut auf, schaut auf, aber ums Leben macht kein Geräusch und rührt euch keinen Schritt, bis ich das Wort sage.«

Sie schauten und sahen eine dicke fette Kuh in Begleitung von sieben milchweißen Färsen über die glatte Fläche des Sees sich nach der Wiese zu bewegen.

»Das ist nicht Tim Dwyers, des Pfeifers Kuh, die sich alles Fleisch von den Knochen getanzt hat«, flüsterte Michel zu seinem Bruder.

»Ihr Jungen«, sprach jetzt Lorenz Cotter, der die saubere Kuh mit ihren sieben weißen Färsen schönstens auf der Wiese angelangt sah, »sucht mir zwischen sie und den See zu kommen, wir wollen sie geradezu in den Pfandstall treiben, gleichviel wem sie gehören.«

Die Kuh mußte aber diese Worte vernommen haben, denn augenblicklich wendete sie sich in größter Eile zu dem Ufer des Sees und sprang hinein vor ihrer aller Augen; hinter ihr liefen die sieben Färsen, doch die Jungen gewannen ihnen den Vorsprung ab und hatten große Mühe, sie von dem See weg zu Lorenz Cotter hinzutreiben.

Lorenz trieb die sieben Färsen in den Pfandstall, es waren prächtige Tiere, und nachdem er sie daselbst drei Tage lang gehalten hatte, ohne daß sich ein Eigentümer meldete, so nahm er sie heraus und brachte sie auf eines seiner Grundstücke. Sie wuchsen und gediehen mächtig, bis in einer Nacht das Gatter offen gelassen wurde und des morgens die sieben Färsen fort waren. Lorenz konnte nichts wieder von ihnen in Erfahrung bringen und ohne Zweifel waren sie in den See zurück gegangen. Woher sie nun kamen und welcher Welt sie zugehörten, Lorenz bekam ihretwegen kein Hälmchen Gras mehr von der Wiese. Aus Verdruß gab er sich ans Trinken und der Trunk, sagt man, hat ihn getötet.

26. Der verzauberte See


26. Der verzauberte See

(Siehe auch die Anmerkungen)

Im westlichen Irland war ein See und ohne Zweifel ist er noch daselbst, in dem zu verschiednen Zeiten mehrere junge Leute ertranken. Was dieses Ereignis besonders merkwürdig machte, war, daß man die Leichname der Ertrunkenen niemals wieder fand. Das Volk geriet darüber in Verwunderung und allmählich erlangte der See einen schlimmen Ruf. Schreckvolle Geschichten wurden erzählt, einige behaupteten, in dunkler Nacht leuchteten die Fluten wie Feuer, andere wollten schauerliche Gestalten über den See haben gleiten sehen, jedermann gab zu, daß ein seltsamer Schwefelgeruch aus ihm hervorsteige.

Es lebte in geringer Entfernung von diesem See ein junger Pächter namens Roderich Keating, Bräutigam mit einem der schönsten Mädchen der ganzen Gegend. Eben war er von Limerick, wo er einen Trauring gekauft hatte, im Geleit zweier oder dreier von seiner Bekanntschaft zurückkehrend, an dem Gestade des Sees angelangt, als diese mit ihm über Gretchen Honan ihren Scherz zu treiben begannen. Einer erwähnte sogar, daß der junge Delaney, ein Nebenbuhler, in des Bräutigams Abwesenheit um die Gunst der Geliebten würbe; aber Roderichs Vertrauen auf seine Verlobte war so fest, daß er, ohne im geringsten durch diese Rede beunruhigt zu werden, mit der Hand in die Tasche griff, den Trauring hervorzog und ihn bedeutungsvoll umherblickend in die Höhe hielt. Indem er so den Ring, als ein wahres Siegeszeichen zwischen Zeigefinger und Daumen umdrehte, entfiel er seiner Hand und rollte in den See hinab. Roderich sah ihm mit der höchsten Bestürzung nach, weniger seines Wertes, obgleich er eine halbe Guinee dafür gegeben hatte, als der schlimmen Vorbedeutung wegen; das Wasser war so tief, daß man des Rings schwerlich wieder habhaft werden konnte. Seine Gefährten lachten ihn aus; vergeblich suchte er durch das Anerbieten ansehnlicher Belohnung sie zu bewegen, nach dem Ring unterzutauchen, sie waren sowenig zu dem Wagstücke geneigt, als Roderich selbst; die Erzählungen, die sie als Kinder vernommen hatten, schwebten ihrem Gedächtnis vor und abergläubische Furcht erfüllte die Brust eines jeden.

»Muß ich also nach Limerick umkehren einen andern Ring zu kaufen?« rief der junge Pächter, »zehnmal soviel als der Ring kostet, will es keiner darum wagen?«

Unter den Umstehenden befand sich ein Mensch, den man allgemein für blödsinnig und nicht recht bei Troste hielt, er war aber unschuldig wie ein Kind und pflegte in der Gegend hin und her von einem Ort zum andern zu gehen. Als er so ansehnlichen Lohn ausrufen hörte, erklärte Paddin, denn das war sein Name, wolle ihm Roderich Keating geben, was er den andern verheißen hätte, so getraue er sich wohl nach dem Ring unterzutauchen. Und Paddin schaute, während er sprach, eben so begierig nach der Lustfahrt hin als nach dem Geld.

»Ich halte dich beim Wort« sprach Roderich und augenblicklich seinen Rock abziehend, ohne weiter eine einzige Silbe zu verlieren, stürzte sich Paddin häuptlings in den See. Wie tief er hinein kam, läßt sich nicht genau berichten, aber er ging und ging und ging durch das Wasser fort, bis das Wasser vor ihm wich und er auf ein trockenes Land gelangte. Himmel, Luft, Tageslicht und alles andere waren da gerade so wie hier bei uns; er sah einen reizenden Grund, wodurch ein zierlicher Weg führte nach einem großen, mit stattlichen Treppen umgebenen Hause. Sobald er sich von seinem Staunen erholt hatte, unter dem Wasser so trocknes und anmutiges Land zu finden, schaute er genauer um und was sollte er anders erblicken, als die ertrunkenen Jünglinge, die sich in diesem Lustort beschäftigten, als wäre ihnen niemals ein Übel zugestoßen. Einige mähten Gras, einige schafften Kiessand auf den Weg oder taten andere leichte Arbeiten, und vollbrachten alles auf so gute Art und so munter, als wären sie niemals ertrunken. Dann sangen sie mit großer Lust Lieder, worin sie die Frau vom Hause wegen ihrer Schönheit und ihres Reichtums priesen, wogegen nichts in der Welt bestehen könne. Paddin konnte sich nicht enthalten, ihnen zuzusehen, einige darunter, bevor sie im See ertrunken waren, hatte er gut gekannt; aber er war stumm wie ein Fisch, dachte dafür sein Teil, und kein Sterbenswörtchen kam über seine Lippen. So ging er nach dem großen Haus zu, ganz unbefangen, als habe er nichts gesehen, was der Rede wert gewesen, dabei wünschte er gar sehr, zu wissen, wer die junge Frau wäre, von welcher die jungen Männer in ihrem Gesang so viel Wesens gemacht hatten.

Als er nah zu dem Tor des großen Hauses gelangt war, trat aus der Küche eine gewaltig dicke Frau heraus, wie eine Biertonne auf zwei Beinen. Daher bewegte sie sich und Zähne ragten aus ihrem Munde, nicht geringer als Pferdezähne.

Sie kam auf ihn zu und sagte: »Guten Morgen, Paddin.«

»Guten Morgen, Frau«, antwortete er.

»Was bringt Euch hierher?« fragte sie.

»Ich komme wegen Roderich Keatings Goldring.«

»Hier ist er«, sagte Paddins dicke Freundin, mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht, das sich bewegte, wie kochender Haferbrei.

»Ich danke Euch«, antwortete Paddin und nahm den Ring aus ihrer Hand. »Es ist nicht nötig, daß ich hinzufüge, der Herr gebe Euch sein Gedeihen! Denn ihr seid bereits wohlbeleibt genug. Aber wollt Ihr so gut sein und mir sagen, führt der Weg, auf welchem ich gekommen bin, auch wieder zurück?«

»Kamt Ihr denn nicht, mich zu heiraten?« schrie die dicke Frau ganz außer sich.

»Diesmal nicht, mein Schatz, wann ich wiederkomme«, antwortete Paddin. »Ich werde für meinen Gang hierher gut bezahlt und muß machen, daß ich Antwort bringe, oder die werden Wunder denken, was aus mir geworden sei.

»Bekümmert Euch um kein Geld«, sagte die dicke Frau, »wenn Ihr mich heiratet, so sollt Ihr für euer Lebtag in dem Haus wohnen und an nichts Mangel leiden.«

Paddin sah deutlich, daß, da er einmal im Besitz des Ringes sei, die dicke Frau weiter keine Gewalt habe, ihn zurückzuhalten. Ohne also länger auf ihre Worte zu achten, wandelte er ganz gelassen den Gang wieder herab und schaute sich dabei um; denn er hatte, die Wahrheit zu sagen, keine sonderliche Lust, die dicke Hexe zu heiraten. Als er zu dem Gatter kam, stürzte er, ohne nur guten Tag zu sagen, hinaus und fand das Wasser, welches ihm entgegen kam. Er sprang hinein und arbeitete sich in die Höhe und es war wunderbar genug, da man den Paddin nach der entgegengesetzten Seite des Sees hatte wegschwimmen sehen; doch er gelangte bald ans Ufer und erzählte dem Roderich Keating und den andern Burschen, die da standen und auf ihn gewartet hatten, alles was ihm begegnet war. Roderich zahlte ihm auf der Stelle fünf Guineen für diesen Ring und mit diesem Geld in der Tasche deuchte sich Paddin so reich, daß er nicht Lust hatte zurückzukehren und die dicke Frau zu heiraten, die in dem Grund des Sees in dem schönen Hause saß. Er dachte, sie hat ja unter der Menge junger Leute die Wahl, wenn ihr die Lust ankommen sollte, einen Mann zu nehmen.

27. Die Erscheinungen des O’Donoghue


27. Die Erscheinungen des O’Donoghue

(Siehe auch die Anmerkungen)

Ehemals zu einer Zeit, die schon so lange dahingeschwunden ist, daß sie nicht genau mehr kann bestimmt werden, herrschte in dem Land, welches den reizenden See Lean, der jetzt See von Killarney heißt, umgibt, ein Fürst namens O’Donoghue. Weisheit, Wohlwollen und Gerechtigkeit zeichneten seine Regierung aus, Glück und Wohlfahrt seiner Untertanen waren die natürlichen Folgen davon. Er soll eben so berühmt geworden sein durch Heldentaten im Krieg, als durch Tugenden des Friedens und zum Beweis, daß die Milde seiner Regierung der Strenge keinen Abbruch tat, wird Fremden eine Felseninsel gezeigt, die O’Donoghue’s Gefängnis heißt, weil er einmal seinen eigenen Sohn wegen eines unordentlichen und ungehorsamen Betrages dahin verwies.

Sein Ende, denn man kann nicht eigentlich sagen sein Tod, war seltsam und geheimnisreich. Auf einem jener glänzenden Feste, die seinen Hof verherrlichten, umgeben von seinen ausgezeichnetsten Untertanen, kam ein prophetischer Geist über ihn und er sagte voraus, was in den zukünftigen Zeiten geschehen würde. Seine Zuhörer horchten, bald von Staunen ergriffen, bald in Unwillen entbrannt, bald glühend vor Scham oder von Kummer gebeugt, je nachdem er die Tapferkeit, die Ungerechtigkeiten, die Verbrechen und das Elend ihrer Nachkommen offen verkündigte. Mitten in diesen Prophezeiungen erhob er sich langsam von seinem Sitz, bewegte sich in feierlichen, gemessenen und majestätischen Schritten nach dem Ufer des Sees und ging ruhig auf der Oberfläche des Wassers fort, das unter seinen Füßen nicht wich. Als er beinahe die Mitte erreicht hatte, blieb er einen Augenblick stehen, dann kehrte er sich langsam um, schaute zurück nach seinen Freunden und die Arme gegen sie bewegend, wie wenn jemand mit liebreicher Gebärde einen kurzen Abschied nimmt, entschwand er ihren Blicken.

Das Andenken an den guten O’Donoghue ist von den folgenden Geschlechtern sorgsam und mit Ehrfurcht bewahrt worden. Man glaubt, jedesmal am ersten Mai, dem Jahrestage seines Scheidens, morgens bei Sonnenaufgang, komme er wieder, sein altes Reich zu besuchen. Nur wenigen Begünstigten ist in der Regel vergönnt, ihn zu sehen und wem diese Auszeichnung zuteil wird, der betrachtet sie als eine glückliche Vorbedeutung. Ist es vielen gestattet, so gilt es als sicheres Zeichen reichlicher Ernte, ein Segen, dessen Mangel während der Regierung dieses Fürsten von seinem Volke niemals gefühlt wurde.

Einige Jahre waren verstrichen seit der letzten Erscheinung des O’Donoghue. Der April war diesmal auffallend wild und stürmisch gewesen, doch am Morgen des ersten Mais hatte sich die Wut der Elemente gelegt. Die Luft wehte sanft und still und der Himmel, der sich in dem reinen See spiegelte, glich einem schönen doch trügenden Antlitz, dessen Lächeln nach den heftigsten Bewegungen den Unkundigen zu glauben verleitet, daß es einer Seele angehöre, die noch von keiner Leidenschaft sei zerrissen worden.

Die ersten Strahlen der aufsteigenden Sonne vergoldeten eben den hohen Gipfel des Glenaa, als das Gewässer bei dem östlichen Ufer des Sees plötzlich und heftig bewegt wurde, obgleich der übrige Teil seines Spiegels ruhig und still lag, wie ein Grabmal von geglättetem Marmor. Im nächsten Augenblick schoß eine schäumende Welle vorwärts und glich einem stolzen Streitroß mit hoch gekämmten Mähnen; übermütig in ihrer Kraft, rauschte sie über den See nach dem Tumies Gebürge hin. Hinter dieser Woge erschien ein herrlicher, völlig bewaffneter Krieger, auf einem milchweißen Pferde sitzend. Schneeige Federn wallten prächtig von einem Helm aus glänzendem Stahl und über seinen Rücken flatterte eine hellblaue Binde. Das Roß, sichtbar stolz auf seine edle Last, sprang hinter der Welle auf dem Wasser daher, welches ihn wie festes Land trug, während Bogen von Schaum, der glänzend in der Morgensonne schimmerte, bei jedem Sprunge aufsprützten.

Der Krieger war O’Donoghue. Hinter ihm her kam eine zahllose Menge Jünglinge und Mädchen, welche sich leicht und ohne Anstrengung auf der Oberfläche des Sees bewegten, wie Elfen im Mondschein über luftige Gefilde dahingleiten. Sie waren durch Gewinde köstlicher Frühlingsblumen verbunden und ihre Schritte folgten dem Takte einer bezaubernden Melodie. Als O’Donoghue beinahe die westliche Seite des Sees erreicht hatte, wendete er plötzlich das Pferd und richtete seinen Lauf längs dem waldbekränzten Gestade von Glenaa hin, vor ihm her die mächtige Woge, die wallend bis zu dem Nacken des Pferdes aufschäumte, dessen feurige Nüstern darüber weg schnaubten. Der lange Zug der Diener folgte mit lustigen Seitensprüngen der Spur des Führers und bewegte sich in unermüdlicher Lebhaftigkeit nach den Akkorden der himmlischen Musik, bis sie nach und nach, bei ihrem Eintritt in die schmale Enge zwischen Glenaa und Dinis in die Nebel, welche allezeit über einem Teil der See schweben, eingehüllt wurden und vor den Augen der staunenden Zuschauer erblaßten. Doch die Töne der Musik erreichten immer noch ihre Ohren, und das Echo, welches diese melodischen Weisen erfaßte, wiederholte sie eifrig und verlängerte sie in immer sanftem Klängen, bis endlich der letzte, schwache Laut dahin starb und die Zuhörer wie aus einem seligen Traum erwachten.