XVI. Hexen und Unholde


XVI. Hexen und Unholde

Wir schließen diese Betrachtungen mit folgender aus ihnen zugleich hervorgehender. Der Glaube an Elfen und Geister hat in ganz Europa dem Christentum lange voraus bestanden. Die Lehrer des neuen Glaubens suchten die tiefgewurzelten heidnischen Ideen und Gebräuche des Volks dadurch zu bekämpfen und zu vertilgen, daß sie solche als sündlich und im Zusammenhang mit dem Teufel darstellten. Dadurch nahmen allmählich viele ursprünglich heitere Mythen und Volkslustbarkeiten eine finstere, gemischte und zweideutige Farbe an. Nicht als hätte der Gegensatz des Bösen dem heidnischen Glauben gemangelt; die nordische Fabel weiß von Wesen, die nicht geheuer sind, zumal weiblichen, die nachts auf Schaden ausreiten, Sturm und Unwetter stiften; in Deutschland waren sie nicht unbekannt.12

Auch hat das Volk die unschuldige Ansicht seiner alten Meinungen sich nie völlig abgewinnen lassen, es sind selbst, wie wir darzutun bemüht waren, in den Legenden, Gebräuchen und Festen der christlichen Kirche einzelne Züge und Bilder aus dem Heidentum unvermerkt aufgenommen worden. Doch im ganzen hat sich der Gesichtspunkt und die Beurteilung jener uralten Überlieferungen im Sinne des gemeinen Manns getrübt. Zu der Scheu des Geisterhaften ist auch die des Sündlichen und Teuflischen getreten. Er meidet das stille Volk, wie man etwa einem Ketzer aus dem Wege geht, vielleicht ist manches von dem, was die Ketzer auszeichnet, darum auch den Elfen zugeschrieben worden, namentlich die Enthaltsamkeit von Fluchen und Schwören. Die Reihen auf dem Brocken, die Tänze um das Johannisfeuer waren sicher nichts anders, als Feste der Lichtelfen, sie haben sich in greuliche, teuflische Hexentänze verkehrt, und die Spuren im Wiesentau, vorher den leichten Fußtritten der Geister beigelegt, wurden aus jener Ursache hergeleitet. Auch die vormals hold und gnädig geglaubten Wesen sind gehässige und feindliche geworden, Unholde aus Holden, wenn schon der alte, milde Name noch hin und wieder fortdauert (in Hessen und Thüringen Frau Holle, woraus man die abgöttischere Frau Venus gemacht hat).13

Alle Hexengeschichten haben etwas Dürres, Einförmiges; es ist bloß die Hefe der alten Phantasie darin zurückgeblieben. Sie sind unfruchtbar und freudenlos, wie die Hexerei selbst, die den Ausübenden arm und dürftig läßt, ohne weltlichen Ersatz für den Verlust der Seele; Cervantes sagt (Persiles II, 8.), die Hexen tun nichts, das zu einem Zweck führt. Aber man sieht dennoch durch, wie genau, was die gemarterte Einbildungskraft der Unglücklichen zu bekennen weiß, in so trübem Fluß, auf die Quelle der Geistersage führt.14

Die Hexen tanzen in nächtlicher Stille auf Kreuzwegen, entlegenen Bergen, auf Wiesen im Wald. Naht sich ein Ungeweihter, ruft er einen heiligen Namen aus, so zerstiebt alles Blendwerk. Auch Hahnenkrat (der Anbruch des Tages) unterbricht die Zusammenkunft (Remigius Daemonolatria, deutsche Übers. Frankf 1598. 8. S. 121.); Salz und Brot fehlt bei ihren Mahlzeiten (das. S. 126. Actenmäßige Hexenprocesse, Eichstädt 1811. S. 32) wie bei denen der Elfen. Der Drudenschuß ist der Elfenpfeil; freitags hört die Drud am schärfsten. In der Dunkelheit reiten die Hexen auf Tieren schnell durch die Lüfte, oder auf leblosen mit Zaubersalbe gekräftigten Stöcken und Gabeln, wie jener irische Cluricaun auf Binsen; wer, ihnen unbemerkt, mit dahin gefahren, hat Tage und Wochen lang zur Heimreise nötig. Sie brauen Wetter in Töpfen, daß ein Hagelschlag aufsteigt und »das liebe Getraide« trifft, wie das französ. Volksbuch vom Oberon berichtet, daß er Sturm, Hagel und Regen machte oder die serbische

Vile Wolken sammelt (bei Wuk I. Nr. 323.). Ihr Blick, ihr Händedruck tut es dem Vieh an, seltner dem Menschen, zumeist kleinen Kindern. Fast jedes Bekenntnis solcher Handlungen mußte auf ein wirkliches Ereignis gerecht sein, dessen tausendfältige natürliche Veranlassungen übersehen wurden. Aber weniger das Volk als die Richter haben gegen die Hexen gewütet, ein Prozeß zeugte den andern und warum soll in einem kleinen Landstrich, in einem Städtchen, wo man früher so wenig von Zauberern hörte, wie jetzt in unsern Tagen, im 16., 17ten bis in die Hälfte des 18ten Jahrhunderts, die entsetzliche Menge von Hexen gehaust haben? Der Umgang mit dem bösen Feinde,15 dessen man sie zieh, ist nichts als was die früheren Überlieferungen von Verbindungen der Elfen und Elfinnen mit den Sterblichen erzählen.

Die peinlichen Gesetze jener Zeit (bestärkt und hervorgerufen durch Innocenz des VIII. Bulle von 1484.) nach Karls V. Halsgerichtsordnung (ccc. 109.), sprachen grausame Wasserprobe, Folter und Feuertod dagegen aus und Tausende wurden hingerichtet. Der angeklagten, unmöglichen Verbrechen alle unschuldig; den unbarmherzigen Irrtum mag, wenn es kann, entschuldigen, daß die meisten Verurteilungen Weiber von unreinem, auch sonst zur Strafe reifem Lebenswandel getroffen zu haben scheinen. Nicht in allen Ländern hat ein unscheinbarer Aberglaube des Volks so schreckliche Macht ausgeübt; es war eine schauderhafte Parodie des baren Lebens auf das in der alten Poesie gegründete Geisterwesen.

  1. Folgende Glossen gehören hierher: gl. vindob. lamia: holzmuwa und holzmove. gl. trev. 70a holzmvia, lamia. – gl. lindenbrog. 996b lamia: holzmuwo gl. flor. 988b holzruna, lamia. gl. doc. 210b holzmuoja, wildaz wîp, lamia. muoja scheint die schreiende, brüllende, muhende zu bedeuten. – Tradit fuldens. II. p. 544. domus wildero wibo, ein Ort. – Ein solches wildes Waldweib scheint die rauche Elfe, die den Wolfdietrich an sich zu locken sucht und Zauber über ihn wirft.
  2. Die ältesten Verordnungen gegen die Hexen sind lex salica tit. 67. lex langob. L. I. tit. XI. cap. 9. Caroli M. Capitul. de partibus Saxoniae. cap. 5. s. eine besonders merkwürdige Stelle bei Regino eecl. discipl. lib. 2. §. 364. Vgl. Mone, Heidenthum 2, 128, der die Sache richtig ansieht.
  3. Die alte Benennung kommt hier und da noch vor: im niederdeutschen Roman von Malagis (Heidelberg. Handschr. f. 118b) heißt das Zauberweib ausdrücklich die Elfin.
  4. Er heißt Meister Hemmerlein (Remigius a.a.O.S. 181. 240. 280. 298. 359. 387. 408. 448) grade wie der Berggeist (Deutsche Sagen I ,3); hängt das mit dem Zürcher Hämmerlin (geb. 1389) zusammen? vgl. Joh. Müller 3, 164. 4, 290 und Kirchhofers Sprichwörter S. 79. Oder ist Hammer ein viel älterer Mann für Teufel und Hexenmeister? vgl. Frisch unter Hämmerlein: Poltergeist, Erdschmidlein, Klopfer.

Das stille Volk


Das stille Volk

(Siehe auch die Anmerkungen)

In Tipperary liegt ein Berg so seltsam gestaltet, wie einer auf der Welt. Seine Spitze besteht aus einer kegelförmigen Kuppe, auf der ein kleines Haus zur Erlustigung in den Sommertagen aufgebaut war, das jetzt auch verödet sein mag. Bevor man aber jenes Haus baute oder einen Acker besäte, war dort ein geräumiger Weideplatz eingehegt, wo ein Hirte Tag und Nacht seine Herde hütete. Grund und Boden gehörte von Alters her den Elfen und die verdroß es, daß der Rasen, auf dem sie sonst behend und luftig umher gesprungen waren, von den schweren Klauen der Ochsen und Kühe zertreten wurde. Das Gebrüll der Herde klang ihren Ohren unerträglich und die Königin des Volkes entschloß sich endlich selbst, die Ankömmlinge wieder zu vertreiben. Als die Erntenächte kamen, der Mond über den Berg sein Licht ausgoß, das Vieh still und gesättigt auf dem Boden lag und der Hirte, in seinen Mantel eingewickelt, hin und her sinnend sich der Gesellschaft der Sterne erfreute, die über ihm flimmerten, da zeigte sie sich in verschiedenen, aber immer häßlichen und furchtbaren Gestalten vor ihm tanzend. Einmal erschien sie als ein mächtiges Roß mit Adlerflügeln und einem Drachenschweif, laut zischend und Feuer ausatmend. Plötzlich verwandelte sie sich in ein kleines Männchen, lahm an einem Bein, mit einem Ochsenkopf und von einer lodernden Flamme umkreist. Dann war sie ein großer Affe mit Entenfüßen und schlug ein Rad dazu, wie ein welscher Hahn. Aber ich könnte tagelang erzählen, wenn ich sagen sollte, was für Gestalten sie noch annahm. Sie brüllte, oder wieherte, oder blöckte, oder heulte, oder krächzte, wie bisher noch niemand auf der Welt hatte brüllen, wiehern, blöcken, heulen oder krächzen hören. Der arme Hirte bedeckte sein Gesicht, aber was half ihm das! Sie hauchte ihn nur einmal an und das Stück Mantel, das er mit aller Kraft vor die Augen drückte, war weggeblasen; nun stand er da, ohne sich zu rühren; nicht einmal seine Augen konnte er zuschließen; von unbekannter Macht gefesselt, mußte er diese schrecklichen Gesichte anstarren, bis sich sein Haar aufrecht erhob und die Zähne im Munde klapperten. Das Vieh aber riß wütend aus, als wäre es von Bremsen gestochen und der Spuk dauerte, bis die Sonne über den Hügel schien.

Die armen Tiere magerten aus Mangel an Ruhe ganz ab, auch wollte das Futter bei ihnen nicht anschlagen; dazu kam ein Unfall auf den andern. Keine Nacht verging, daß nicht einige Stücke in einen Sumpf fielen, lahm wurden und gar umkamen; oder sie gerieten in den Fluß und ertranken. Kurz die Unfälle nahmen kein Ende und was die Sache noch schlimmer machte, es war kein Hirte mehr zu finden, der nachts bei dem Vieh bleiben wollte. Eine einzige Erscheinung des Geistes reichte hin, auch dem Unverzagtesten die Besinnung zu rauben. Der Eigentümer des Weideplatzes wußte nicht, was er anfangen sollte. Er bot doppelten, dreifachen, ja vierfachen Sold, aber kein Geld konnte jemand bewegen, dem Grausen sich auszusetzen, das der Anblick des Geistes erregte. Sie selbst freute sich über den glücklichen Erfolg ihres Unternehmens und ließ mit ihren Quälereien nicht nach. Da die Herde immer kleiner wurde und kein Mensch mehr wagte, in dem Bereich der Geister zu verweilen, so kam das stille Volk in großer Anzahl zurück. Jetzt sprangen sie wieder so lustig, wie sonst umher, berauschten sich an den Tautropfen der Eicheln und feierten ihre Feste unter den geräumigen Schirmen der Pilze.

Der arme, verwirrte Landmann wußte um sein Leben keinen Rat. Sein Vermögen nahm von Tag zu Tag ab, seine Leute waren in Furcht gejagt und der Termin, wo er die Pacht bezahlen sollte, rückte herbei. Was Wunder, daß er ganz trübselig aussah und sorgenvoll auf der Landstraße dahin wandelte.

Nun lebte in der Gegend ein Mann, namens Lorenz Hulahan, der blies die Pfeife besser als irgend einer in funfzehen Kirchensprengeln. Ein toller Rauschenblatt war Lorenz, aber sich fürchten, das hatte er noch nicht gelernt. Reichte ihm jemand eine gute Herzstärkung, so nahm er es mit dem Teufel selber auf. Er hätte sich einem wütenden Ochsen entgegengestellt und allein gegen einen ganzen Jahrmarkt geschlagen. Diesem Lorenz begegnete der Pächter einmal auf seinen sorgvollen Gängen, und auf die Frage was denn die Ursache seines Kummer sei, erzählte er ihm sein Mißgeschick.

»Wenns weiter nichts ist«, rief Lorenz, »so gebt euerm Herzeleid den Abschied! Wären noch mehr Elfen auf dem Berg, als Kartoffelblüten in Eliogurty, sie sollten mich nicht in Furcht jagen. Ich müßte ja ein rechter Bärenhäuter sein, ich, der ich keinen Menschen mit Fleisch und Bein fürchte, wollte ich vor einem solchen Balg von Gespenst nur daumensbreit zurückweichen.«

»Rede nicht so frech, Lorenz«, erwiderte der andere, »du weißt nicht, wers mit anhört, doch wenn du deine Worte wahr machst und meine Herde eine Woche auf dem Rücken des Bergs hütest, so soll deine Hand in meine Schüssel tauchen, so lange bis die Sonne zu einem dünnen Lichtchen herabgebrannt ist.«

Der Handel ward abgeschlossen und als der Mond hinter dem Felsen hervorkam, stieg Lorenz auf den Berg. Der Pächter hatte ihm erst vorgestellt, was das Haus vermochte, auch mit einem frischen Trunk sein Herz gestärkt. Lorenz nahm oben seinen Sitz auf einem großen Stein unter einer Höhle, den Rücken gegen den Wind und holte seine Pfeifen hervor. Er hatte noch nicht lange darauf geblasen, als sich die Stimme der Elfen hören ließ, tönend wie ein leiser Strom von Musik. Nun aber brachen sie in lautes Gelächter aus und Lorenz konnte deutlich einen sagen hören: »Was, wieder ein Mensch in dem Elfenkreis! geh hin, Königin, und laß ihn seine Verwegenheit fühlen!«

Sie flogen fort und Lorenz fühlte, wie sie gleich einem Mückenschwarm vorbeizogen; als er aufblickte, sah er zwischen sich und dem Mond eine große, schwarze Katze, die auf den Spitzen ihrer Pfoten stand, einen krummen Buckel machte und miaute, daß es klang, wie das Geräusch einer Wassermühle. Dann schwoll sie auf bis zu den Wolken und auf ihrem linken Hinterbein sich herumdrehend wirbelte sie so lange, bis sie auf den Boden fiel, von welchem sie in der Gestalt eines Lachses aufsprang, der eine weiße Binde um den Hals hatte und ein paar Stulp-Stiefel an.

»Nur zu, mein Schatz«, sagte Lorenz, »willst du tanzen, so will ich pfeifen!« und setzte an.

So verwandelte sie sich bald in dieses, bald in jenes Ungeheuer, aber Lorenz blies immer zu, ohne sich irre machen zu lassen. Zuletzt verlor sie die Geduld, wie Frauen pflegen, auf deren Schelten man nicht achtet, und verwandelte sich in ein Kälbchen, so weiß wie Milch und mit Augen so sanft, wie die meiner Liebsten. Sie kam spielend und schmeichelnd herbei und dachte ihn in der Güte von seinem Geschäft abzubringen und ihm dann einen Streich zu spielen; aber Lorenz war nicht zu überlisten und als sie herankam, setzte er seine Pfeifen ab und sprang auf ihren Rücken.

Wenn du von dem Gipfel des Elfenberges westwärts nach dem Weltmeer schaust, so erblickst du den königlichen Fluß Shannon, wie er, gleich einer See sich ausbreitend, in stolzem Lauf durch die Stadt Limerick fließt, um sich endlich mit dem Ozean zu vermischen. Der Mond schien hell und glänzend über das ferne Gebirg. Fünfzig Boote schwammen hin und her auf dem lieblichen Strom und der Gesang der Fischer stieg fröhlich von den Ufern in die Höhe.

Lorenz saß, wie ich schon erzählt habe, auf dem Rücken des weißen Kalbs und die Elfin wollte ihren Vorteil nutzen. Von der Spitze des Bergs sprang sie in einem Satz über den Fluß Shannon hinweg, durchflog in einer Sekunde drei volle Stunden und sich auf einem entlegnen Damm niederlassend, schlug sie aus und warf den Lorenz auf den weichen Rasen.

Aber wie er da lag, sah er ihr gerade in das Gesicht, strich sich über die Haare und rief: »Wahrhaftig gut gemacht! das war kein schlechter Sprung für ein Kalb!«

Sie betrachtete ihn einen Augenblick, dann nahm sie ihre wahre Gestalt wieder an und sprach: »Lorenz, du bist ein tüchtiger Bursche, willst du den Weg auch wieder zurück machen?«

»Freilich«, antwortete er, »wenn Ihr es zufrieden seid.«

Sie verwandelte sich wieder, Lorenz setzte sich auf den Rücken des weißen Kalbs und mit einem zweiten Sprunge waren sie auf der Bergspitze zurück.

Da sprach die Elfin in ihrer natürlichen Gestalt: »Du hast dich so unerschrocken gezeigt, Lorenz, daß, solange du die Herden hier auf diesem Berg hütest, du weder von mir noch einem der meinigen sollst gestört werden. Der Tag dämmert, geh hinab zu deinem Herrn und sage ihm das; und wenn du noch sonst einen Wunsch hast, will ich ihn erfüllen.«

Darauf verschwand sie.

Die Elfe hielt Wort. Solange Lorenz lebte, zeigte sie sich nicht auf dem Berg. Aber er ward ihr auch nicht durch Bitten lästig. Er blies seine Pfeifen, trank auf seines Herrn Kosten, ruhte sich hinter dem Ofen aus und sah dann und wann nach der Herde. Er starb endlich und ward in einem grünen Tal der schönen Landschaft Tipperary begraben. Ob das stille Volk nach seinem Tode wieder auf den Berg gezogen ist, kann ich nicht sagen.

IX. Lebensweise


IX. Lebensweise

1. Die Elfen leben in großen Genossenschaften, manchmal frei, manchmal unter einem Oberhaupt. In den schottischen Hochländern weiß man nichts von der Königin, deren wohl in Irland und England gedacht wird. In Wales haben sie einen König, der von einem Hof umgeben ist; auch in Schweden (Schwed. Lieder III. 158. 159.), wo sie die menschlichen Einrichtungen nachahmen. In Island ist das Verhältnis am meisten ausgebildet. Dort ist der unterirdische Staat dem menschlichen fast ganz ähnlich. Ein Elfenkönig wohnt in Norwegen und dahin reist der Statthalter nebst einigen Untertanen alle zwei Jahre, Bericht abzustatten; dann wird Recht gesprochen und gehandhabt. In deutschen Gedichten des Mittelalters erscheinen Zwergenkönige, die mächtig in ausgedehnten Reichen herrschen. Elberich trägt eine Krone (Otnit Str. III.) und ist König über große, unterirdische Reiche, er sagt zum Otnit (Str. 173):

ich hàn eigens landes mê dan dîner drì.

Kirschbaum, Kirschbaum,
heb die Äste oben,
unter dir die Vilen
führen Zaubertänze;
Radischa vor ihnen
schwingt Thau mit der Geisel
führt zwei Vilen,
redet zu der dritten.

X. Geheime Kräfte und Kunstfertigkeiten


X. Geheime Kräfte und Kunstfertigkeiten

1. Schon aus dem Besitz der Nebelkappe ergibt sich, daß die Elfen nach Gefallen verschwinden und sich unsichtbar machen können. Dieser Glaube herrscht überall, wir wollen daher bloß einige Zeugnisse aus älterer Zeit anführen. Elberich macht sich dem Otnit, obgleich von keiner Tarnkappe in diesem Gedicht die Rede ist, vielleicht weil er eine Krone trägt, unsichtbar, wie er will, und Otnit selbst hat ihn nur kraft eines Ringes erblickt. Niemand kann ihn greifen:
Str. 298.

wie sol man gevâhen daz nieman ensihet?

sie sluoc unde roufte sich diu maget minneclich,
dô huop ir die hende der kleine Elberich;
ir minnecliche hende er in die sînen gevie.
diu tohter sprach zuo der muoter: »wir sin niht einec hie
mich hat einez bevangen.«

Dô huop sich der kleine wider in den berc
dô nam er ûz der essen daz herliche werc.

Vorrede


Vorrede

Obgleich der Verfasser dieses Buchs, das unter dem Titel »Fairy legends and traditions of the South of Ireland«, London 1823, erschien, sich nicht genannt hat, so darf man doch voraussetzen, daß er ein geborener Irländer ist oder lang in Irland gelebt hat. Er zeigt genaue Kenntnis von Örtlichkeiten, Sitten und Denkweise und ist vertraut mit eigentümlichen Ausdrücken, Gleichnissen, sprichwörtlichen Reden und andern Kleinigkeiten dieser Art, die nicht wenig dazu beitragen, seine Darstellung zu beleben und in der Ferne oder aus einem Buch sich nicht erlernen lassen. Daher bedarf es kaum der Versicherung, welche er in ein paar als Einleitung vorangehenden Zeilen gibt, daß er alles aus dem Munde des Volks und in dem Stil, in welchem es gewöhnlich vorgetragen werde, aufgenommen habe. Abgesehen von dem eigentlichen Inhalt verleiht diese Treue und Wahrheit der Ausführung seiner Sammlung noch einen besonderen Wert, denn sie gewahrt eine Reihe kleiner, mit richtigen Farben und in allen Nebendingen sorgfältig ausgemalter Bilder, die als irische Idyllen gelten könnten. Man muß nachsichtig urteilen, wenn manchmal etwas zu viel sollte getan sein; dieser Fehler des zu sorgsamen Ausmalens, der immer nützlich und wobei Fleiß und Bestreben an sich achtungswert ist, erklärt sich am natürlichsten aus dem Einfluß, den Walter Scotts Darstellungsart gegenwärtig in England ausübt, welche ihrer Natur zufolge bei Nachahmern, selbst bei talentvollen, leicht die rechte und feine Linie überschreiten kann. Wer noch Sinn hat für schuldlose und einfache Poesie wird sich von diesen Märchen angezogen fühlen, sie haben einen eigentümlichen Beigeschmack, der nicht ohne Reiz ist, und kommen aus einem Lande, an das wir gewöhnlich nur in wenigen und gerade nicht erfreulichen Beziehungen erinnert werden. Gleichwohl wird es von einem Volke bewohnt, dessen Altertum und frühe Bildung die Geschichte bezeugt und das, wie es zum Teil noch in der eigenen Sprache redet, auch lebendige Spuren seiner Vorzeit wird aufzuweisen haben, wovon der hier dargestellte Glaube an überirdische Wesen vielleicht eins der besten Beispiele abgibt.

Den einzelnen Erzählungen unmittelbar zugefügte Anmerkungen des Sammlers sind nach englischer Sitte so weitläufig als möglich und oft gar nicht auf die Sache, sondern einen nebenbei erwähnten, unwesentlichen Umstand gerichtet. Nichts was zur Erläuterung der Überlieferung selbst diente, ist von uns ausgelassen, wohl aber was ungehörig schien, darunter auch manche gerade nicht glückliche allgemeine Sprachbemerkung oder etymologische Ausführung. Von uns herrührende Zusätze sind jedesmal mit einem Stern bezeichnet worden. Einiges wenige, was sich auf das Wesen der Elfen bezog, haben wir für die einleitende Abhandlung verwendet, die wir hinzuzufügen für zweckmäßig hielten.

Kassel, 10. Juli 1823

VI. Wohnung


VI. Wohnung

1. Die Lichtelfen wohnen nach der Edda bei dem Sonnengott Freir, die schwarzen aber in der Erde und in Steinen. Die heutigen Sagen weisen ihnen sämtlich ein ausgedehntes Reich in Bergen, wilden und unzugänglichen Schluchten, Riesen-hügeln und Felsklüften an. Sie haben darin oftmals ordentliche Wohnungen, die mit Gold und Silber angefüllt sind, und sehr prächtig werden die schottischen Shians beschrieben, dem Frau Venusberg der deutschen Sage (Nr. 170.) ähnlich. In Schweden glaubt man, sie säßen in kleinen, zirkelrund ausgehöhlten Steinen, die man Elfenmühlen (alfquarnar) heißt, dergleichen elfmills auch die schottische Sage kennt und womit die isländ. âlfavakir, kleine Höhlen in dem Eis, übereinkommen. Wolfram redet im Wilhelm dem heiligen S. 26b von Bergen: daz den wilden getwergen wäre ze stîgenne dà genuoc. Hug von Langenstein in der heil. Martina f. 128d:

sie loufent ûf die berge
als die wilden twerge.

von wilden getwergen hân ich gehoeret sagen
sie sin in holn bergen.

ich gibe wol swem mich lustet silber oder golt
ich mahte einen man wol rîche, dem ich wäre holt.

unde hâst dû ûf der erden des landes alsò vil,
sô hân ich darunder klâres goldes swaz ich wil.

VII. Sprache


VII. Sprache

1. Die Edda schreibt den Elfen eine eigene von der der Götter, Menschen und Riesen verschiedene Sprache zu, deren Ausdrücke für die größten Naturerscheinungen im Alvîsmâl aufgezeichnet werden. Ungefähr wie Homer an mehreren Stellen zwischen göttlichen und menschlichen Benennungen unterscheidet. Bemerkenswert ist, daß das Echo in dem nordischen Volksglauben Dvergmâl oder Bergmal, d. h. Zwerg- oder Bergsprache genannt wird (Vgl. Biörn Haldorson I. 73a und Färöiske Qväder. Randers 1822. S. 464. 468.) – In Wales haben die Unterirdischen eine eigene, ganz verschiedene Sprache, von der ein Mensch, der bei ihnen gewesen war, einige Worte gelernt hatte.

2. Die Elfen reden ganz leise. Auf Mau hörte Waldron ein Wispern, das nur von ihnen herrühren konnte. Auch in Schweden ist ihre Stimme leise, wie die Luft. Hinzelmann (Deutsche Sagen I. S. 104. 111. 113.) hatte die feine Stimme eines zarten Knaben.

3. Dagegen der häßliche, verschrumpfte Elfe in der irischen Sage („Die Flasche“) spricht mit einem schnarrenden und schneidenden Ton, der den Menschen erschreckt. Als Wechselbalg spricht er gar nicht, heult und schreit aber zum Entsetzen und wird er genötigt, so klingt seine Stimme wie die eines uralten Mannes („Der Wechselbalg“).

4. Verschiedene Waldgeister schreien laut und brüllen. Der serbischen Vile wird die Stimme des Spechts zugeschrieben.

VIII. Nahrung


VIII. Nahrung

Die Elfen bedürfen einiger zarter Nahrung; erst wenn sie in nähere Verbindung mit den Menschen treten, scheint Verlangen nach gröberer Speise zu entstehen. In Irland schlürfen sie Tautropfen ein; sonst scheint süße Milch ihre eigentümliche Nahrung zu sein. Nicht selten wird ihnen nach den deutschen Sagen (Nr. 38. 45. 75. 273. 298.) eine Schüssel voll hingesetzt; und in Wales herrscht gleiche Sitte. Einem Berggeist in der französischen Schweiz ward jeden Abend ein Napf voll süßer, frischer Nidle (Rahm) auf das Dach des Viehschoppens gestellt und allzeit von ihm geleert (Alpenrosen für 1824. S. 74.). Sie genießen auch wohl Krumen von Käse oder Weißbrot. In Preußen wurde ihnen sonst Brot und Bier Nachts hingesetzt und dann die Türe verschlossen; man war erfreut, wenn man am andern Morgen fand, daß sie davon gegessen hatten. Ausdrücklich wird gesagt (Deutsche S. Nr. 67.), daß bei den Nixen die Speise ungesalzen sei. –

Walter Scott (Minstrelsy II. 163.) bemerkt, daß auf der Spitze des Minchmuir, eines Berges in Peeblesshire, eine Quelle sei, welche die Käsequelle genannt werde, weil vordem jeder Vorübergehende ein Stückchen Käse hineingeworfen habe, als Opfer für die Elfen, denen sie geweiht gewesen. –

Seltsam ist, daß nach Grant Stewart (S. 136.) in den schottischen Hochländern der Genuß des Käses als ein Mittel betrachtet wird, sich vor dem Einfluß der Elfen zu sichern. Er muß nämlich aus der Milch einer Kuh gemacht sein, welche ein gewisses Kraut gefressen hat, das gälisch Mohan heißt und auf Gipfeln oder Abhängen hoher Berge gesammelt wird, wo noch kein vierfüßiges Tier Nahrung gesucht oder hingetreten hat.