Die Phuka


Die Phuka

(Siehe auch die Anmerkungen)

Die Geschichte von Morty Sullivan mag allen jungen Leuten zur Warnung dienen, in der Heimat zu bleiben, sich still und redlich zu nähren und nicht in der Welt umherzuziehen. Als Morty eben das fünfzehnte Jahr erreicht hatte, lief er seinen Eltern fort, die ein altes, ehrenwertes Paar waren und seinetwegen mehr als eine Träne vergossen. Alles, was sie von ihm in Erfahrung bringen konnten, war, daß er an Bord eines nach Amerika bestimmten Schiffes gegangen wäre. Der Kummer über seinen Verlust brach ihnen das Herz.

Dreißig Jahre, nachdem sich die Alten in das stille Grab gelegt hatten, kam ein Fremder nach Beerhaven und erkundigte sich nach ihnen; es war ihr Sohn Morty und, die Wahrheit zu sagen, sein Herz schien kummervoll, als er hörte, daß Vater und Mutter längst gestorben wären. Doch welche Antwort konnte er sonst erwarten? Reue kommt gewöhnlich, wenn es zu spät ist.

Indessen ward dem Morty Sullivan zur Buße für seine Sünden eine Wallfahrt nach der Kapelle der heiligen Gobnate angeraten; dies ist ein öder Platz, Ballyvourney genannt.

Er war sogleich bereit dazu und in der Absicht keine Stunde zu verlieren, fing er noch denselben Nachmittag seine Reise an. Er war noch nicht sehr weit gekommen, als schon die Nacht anbrach. Es schien kein Mond und das Sternenlicht verdunkelte sich von dickem Nebel, der in den Tälern auf-stieg. Der Weg ging durch eine Berggegend mit vielen Kreuzwegen und Nebenpfaden, so daß es für einen Fremden, wie Morty, schwer fiel ohne Führer sich zurecht zu finden. So groß sein Eifer war, das Ziel seiner Wallfahrt zu erreichen, und so sehr er sich selbst antrieb, wurde er doch, als die Nebel immer dichter und dichter wurden, zuletzt ungewiß, ob er auf rechtem Wege sei. Als er daher ein Licht erblickte, welches ihm nicht weit entfernt schien, ging er darauf zu, und wie er sich ganz nah dabei glaubte, so schien das Licht plötzlich wieder in weiter Entfernung zu sein, und schimmerte nur ganz schwach durch den Nebel. So sehr auch Morty darüber erstaunte, ward er doch dadurch keineswegs entmutigt, denn er dachte: das sei ein Licht, welches die heilige Gobnate gesendet habe, um seine Füße sicher durch das Gebirg zu ihrer Kapelle zu leiten.

So ging er noch einige Stunden fort, immer, wie er glaubte, dem Licht sich nähernd, welches plötzlich in eine weite Entfernung gesprungen war. Endlich kam er doch so nah, daß er bemerkte, daß Licht rühre von einem Feuer, neben welchem er deutlich ein altes Weib sitzen sah. Jetzt, in der Tat, wurde sein Glaube ein wenig erschüttert, und es nahm ihn sehr Wunder, daß beides, das Feuer und alte Weib vor ihm hergezogen waren, so manche saure Stunde und über so holperichten Weg.

»Im Namen der heiligen Gobnate«, rief Morty »und ihres Lehrers des heiligen Abban! Wie kann ein brennendes Feuer sich so schnell vor mir her bewegen und wie kann das alte Weib neben dem springenden Feuer sitzen!«

Kaum waren diese Worte über seine Lippen, als er sich, ohne nur noch einen Schritt zu tun, nahe bei dem wunderbaren Feuer befand, neben welchem das Weib saß und sein Abendessen kaute. Bei jeder Bewegung ihrer alten Kinnbacken richteten sich ihre Augen zornig auf Morty, als fürchtete sie gestört zu werden. Er sah mit dem höchsten Erstaunen, daß ihre Augen weder schwarz, noch blau, noch grau noch nußbraun waren, wie menschliche Augen, sondern von einer seltsam roten Farbe, gleich den Augen des Wiesels. Wenn er sich zuvor über das Feuer wunderte, so war seine Verwunderung über das Wesen des alten Weibes noch viel größer, und bei aller natürlichen Unerschrockenheit konnte er sie doch nicht ohne Furcht ansehen, denn er urteilte, und zwar mit Recht, daß sie eines guten Vorhabens wegen nicht an einem so einsamen Ort ihr Abendessen verzehre, zumal so spät, denn es war nahe an Mitternacht. Sie sprach kein Wort, sondern kaute und kaute, während Morty sie schweigend betrachtete.

»Wie heißt ihr?« rief zuletzt die Hexe und ein Schwefelhauch kam aus ihrem Mund, wobei sie die Nüstern aufblies und ihre Augen noch mehr funkelten, nachdem sie die Frage getan hatte.

Seine ganze Herzhaftigkeit aufbietend antwortete er:

»Morty Sullivan, Euch zu dienen«; doch waren die letzten Worte bloß als eine Höflichkeit gemeint.

»Hoho!« rief die Alte, »Das wird sich bald zeigen!« und das rote Feuer ihrer Augen verwandelte sich in blaßgrün. So kühn und furchtlos auch Morty war, zitterte er doch heftig, als er den grauenhaften Ruf vernahm. Er wollte auf seine Knie fallen und die heilige Gobnate oder sonst einen Heiligen anrufen, war aber dermaßen von Schrecken erstarrt, daß er sich nicht im geringsten rühren konnte, geschweige auf seine Knie fallen.

»Faßt meine Hand, Morty«, sagte die Alte, »ich will Euch ein Roß reiten lassen, das Euch bald an das Ziel eurer Reise bringen soll.« Mit diesen Worten führte sie ihn auf den Weg und das Feuer ging vor ihnen her. Es übersteigt menschlichen Verstand, zu sagen, wie es ging, aber es ging fort, leuchtende Flammenzungen ausstreckend und heftig prasselnd.

Jetzt gelangten sie zu einer natürlichen Höhle an einer Bergwand. Die Alte rief laut mit einer kreischenden Stimme nach ihrem Pferd. In einem Augenblick brauste ein pechschwarzes Pferd aus seinem dunkeln Stall hervor und der Felsenboden ertönte schauerlich, als die schallenden Hufen darüber her schurrten. »Aufgesessen! Morty, aufgesessen!« schrie die Hexe und mit übernatürlicher Kraft ihn packend zwang sie ihn, sich auf den Rücken des Pferdes zu setzen. Morty fand hier menschlichen Widerstand vergeblich, murmelte: »Oh! hätte ich nur Sporn!« und versuchte in die Mähnen des Rosses zu greifen, doch er griff nach einem Schatten, welcher ihn gleichwohl aufnahm, mit ihm fortsprengend bald über einen gefährlichen Abgrund setzte, bald über das wild zerrissene Bett eines Flusses wegflog und gleich einem dunkeln, mitternächtigen Strom durch das Gebirg rauschte.

Am folgenden Morgen ward Morty Sullivan von einigen Wallfahrern entdeckt, welche von ihrem Umgang um den See Gougane Barra zurückkamen. Er lag, auf dem Rücken ausgestreckt, unter einem steilen Abhang, von welchem ihn die Phuka herabgeschleudert hatte. Morty war durch den Fall hart beschädigt und er soll auf der Stelle bei der Hand des O’Sullivan, und das ist kein geringer Eid, gelobt haben, niemals wieder die volle Flasche mit auf die Wallfahrt zu nehmen.

Über das Wesen der Elfen


Über das Wesen der Elfen

Die schottischen Sagen enthalten den Glauben an ein die ganze Natur unsichtbar erfüllendes, mit den Menschen nah verbundenes Geisterreich am vollständigsten und verdienten daher eine solche abgesonderte Darstellung, bei welcher wir die zugänglichen Quellen sämtlich zu Rat gezogen haben. Was gegenwärtiges Buch in Beziehung auf Irland neues gewährt, davon schien die vorangestellte Übersicht für den Gebrauch desselben nützlich. Die Überlieferungen anderer Länder sind, soweit wir sie kennen, im Ganzen lückenhafter, wenn auch im Einzelnen manchmal ausführlicher; auf diese Weise fortzufahren und jedes Volk für sich zu behandeln, würde zwar eigene Vorteile darbieten, die vielfache und doch notwendige Wiederholung aber mehr Raum wegnehmen, als wir dieser Einleitung gestatten dürfen. Zweckmäßiger schien es daher, Hauptpunkte herauszuheben und bei Betrachtung derselben das Eigentümliche anderer Völker sowie das Bedeutende der Übereinstimmung und das hoch hinaufreichende Altertum des Ganzen anzumerken.

Der Weg, den wir dabei gehen, ist von dem verschieden, den Walter Scott in der obengenannten, ihres Inhalts wegen ohne Zweifel schätzbaren Abhandlung eingeschlagen hat. Er sucht auf eine, wie es uns dünkt, gewagte, in bloßen Voraussetzungen gegründete Art verschiedene, angeblich historisch gebildete Bestandteile dieses Geisterglaubens zu entdecken, die ihm seine gegenwärtige, im Abwelken begriffene Gestalt sollen gegeben haben. Dagegen ist unsere Absicht, ihn darzustellen wie etwas, das, solange es fortgedauert hat, ein aus lebendiger Mitte entsprungenes und in seinen Bestandteilen gegenseitig sich ergreifendes Ganzes muß gewesen sein. Indem wir keine Zeit vermischen, im Gegenteil jede sondern, und den großen Einfluß des Christentums auf Veränderung desselben nachzuweisen bemüht sind, glauben wir der historischen Untersuchung ihr Recht zu erhalten. Die frühesten Spuren von dem Dasein der Elfen aufzusuchen, lag mithin in unserm Zweck, sie haben den noch lebenden Glauben bestätigt, selbst erklärt, oder von ihm Licht empfangen.

Literatur. (Deutschland) Unsere Sammlung deutscher Sagen, wovon der erste Band, Berlin 1816, eine Menge hierher gehöriger Überlieferungen enthält; sodann die Hausmärchen, zweite Aufl. Berlin 1819. (Dänemark) Danske Folkesagn. Samlede af J. M. Thiele 1-3. B. Kjöbenh. 1818-1820. Danske Viser fra Middelalderen. 1. Bd. Kjöbenh. 1812. Junge den nordsjälandske Landalmues Character. Kjöbenh. 1798.-

R. Nyerup Overtro hos den danske Almue. In dem Wochenblatt: Dagen 1822. Stück 291-94. 297. 299. – (Schweden) Svenska Folk-Wisor utgifne af Geyer och Afzelius I-III. B. Stockh. 1814-1816, besonders B. III. 114-174. E. M. Arndt Reise durch Schweden III. 8-18. – (Norwegen) Hans Ström Beskrivelse over Söndmör i Norge. Förste Part. Soröe 1762. S.537-541. – (Island) Finni Johannaei historia ecclesiastica Island. II, 368. – (Färöer) Beskrivelse over Färöerne af Jörgen Landt. Kjöbenh. 1800. S.44-46. (Wales) The cambrian popular antiquities by Peter Roberts. London 1815. Cap. 24. – (Insel Man) Waldron Works. – (Shetländ. Inseln) A description of the Shetland Islands by S. Hibbert. London 1821. (Alt Preußen) Lucas David Preuß. Chronik herausgegeben von Ernst Hennig Königsb. 1812. I. 126-132.

20. Daniel O’Rourke’s Irrfahrten


20. Daniel O’Rourke’s Irrfahrten

(Siehe auch die Anmerkungen)

Jedermann hat von den berüchtigten Abenteuern des Daniel O’Rourke gehört, doch wie wenige wissen die wahre Ursache aller diesseits und jenseits erlebten Gefahren, und doch war sie keine andere, als daß er unter den Mauern der Phuka-Burg eingeschlafen war. Ich kenne den Mann recht gut, er wohnt in dem Tal von Hungry Hill, rechter Hand an der Landstraße, die nach Bantry führt. Er war zur Zeit, wo er mir das letztemal die Geschichte erzählte, ein alter Mann mit grauem Haar und roter Nase und es war den fünf und zwanzigsten Juni 1813, als ich sie von seinen eigenen Lippen hörte. Er saß eben und rauchte seine Pfeife unter einem alten Pappelbaum an einem so prächtigen Abend, als noch einer am Himmel gestanden hat. Ich hatte die Höhlen auf der Insel Dursey gesehen und den Morgen zu Glengariff zugebracht.

»Ich bin schon oft angegangen worden, Herr, es zu erzählen und es ist daher nicht das erstemal. Seht, der Sohn unseres Herrn war auf Reisen gewesen, jenseits in Frankreich und Spanien, wie es bei den jungen Herrn Sitte ist, ehe man noch etwas von Bonaparte oder seinesgleichen gehört hatte, und war nun zurückgekommen. Bei der Gelegenheit ward der ganzen Umgegend ein Fest gegeben und vornehm und gering, hoch und niedrig, arm und reich eingeladen. Es waren lauter Ehrenmänner von altem Korn und Schrot, mit eurer Erlaubnis sei es gesagt. Es ist wohl einem ein böses Wort herausgefahren oder dann und wann ein Peitschenstreich ausgeteilt worden, freilich! doch wir hatten am Ende keinen Schaden davon und sie waren so leutselig und artig, alles lief auf und ab und jeder war tausendmal willkommen; da nagte keiner wegen des Mietzinses und der geringen Mittel, da war kaum ein Pächter, der nicht von der Milde seines Herrn mehr als einmal im Jahr Beweise erhielt. Jetzt ists freilich anders, doch ich will davon schweigen und Euch lieber meine Geschichte erzählen.

Also, wir hatten alles aufs Beste und vollauf, wir aßen und tranken, wir tanzten und der junge Herr tanzte bei der Gelegenheit mit Gretchen Barry: damals ein schönes Paar, doch jetzt ists auch vorbei. Um mich kurz zu fassen, ich bekam bei der Gelegenheit, wie man zu sagen pflegt, einen kleinen Hieb, denn ich erinnere mich nicht recht, wie es kam, daß ich den Ort verließ, und doch verließ ich ihn, das ist gewiß. Ich dachte bei mir: du willst dich aufmachen zu der Marie Cronahan, der weisen Frau, und ein Wort mit ihr über das junge Kühchen reden, das notwendig behext sein muß. Und als ich so auf den Schrittsteinen quer durch die Furt von Ballyashenogh dahin ging, und zu den Sternen aufblickte, und mich segnete, warum? es war unserer Frauen Tag, so glitt mir der Fuß aus und platsch! fiel ich ins Wasser. Donner und Hagel, dachte ich, jetzt bist du verloren! Indessen hub ich an zu schwimmen und zu schwimmen immerzu, was ich nur konnte, bis ich endlich auf irgend eine Art, denn wie es zugegangen ist, weiß kein Mensch, an einer einsamen Insel landete.

Ich wanderte da auf und ab, ohne zu wissen, wohin ich wanderte, bis ich zuletzt in einen großen Sumpf geriet. Der Mond schien so hell, als der Tag oder die Augen Eurer schönen Frau, verzeiht, Herr, daß ich mir das zu sagen erlaube, und ich sah mich um nach Osten und Westen, nach Norden und Süden, nach allen Seiten, aber ich sah nichts als Sumpf und abermals Sumpf. Ich konnte nicht ausfindig machen, wie ich hinein gekommen war und mein Herz ward kalt vor Angst, denn gewiß und wahrhaftig, das mußte mein Totenhof werden. Ich saß da auf einem Stein, welcher zu gutem Glück sich da neben mir fand, riß mich in den Haaren und blies Trübsal nach Noten, als auf einmal der Mond dunkel ward. Ich blickte auf und konnte deutlich etwas sehen, das sich zwischen mir und dem Mond bewegte, aber ich konnte nicht sagen, was es war. Doch es kam herab mit einer Kralle und schaute mir gerade ins Gesicht und was war es anders, als ein Adler? so gut, als je einer durch das Land Kerry geflogen ist. Er schaute mir gerade ins Gesicht und sprach:

‚Daniel O’Rourke, wie gehts Euch?‘

‚Gut, Herr, ich danke Euch‘, antwortete ich, ‚ich will hoffen, Ihr befindet Euch auch wohl‘, während ich mich nicht genug verwundern konnte, daß so ein Adler sprach, wie ein Christenmensch.

‚Was bringt Euch hieher, Daniel?‘ sprach er weiter.

‚Gar nichts, Herr, ich wünsche nichts, als daß ich wohlbehalten wieder zu Haus wäre.‘

‚Ihr möchtet also gerne wieder von der Insel fort, Daniel?‘

‚Freilich, Herr‘, sagte ich, und erzählte ihm, ich hätte wohl einen Tropfen zu viel getrunken, und wäre ins Wasser gefallen, auf die Insel geschwommen und endlich in diesen Sumpf geraten und jetzt wüßte ich nicht, wie ich wieder heraus sollte.

‚Daniel‘, sprach er, nach einem Augenblick Nachdenken, ‚es war von Euch sehr unschicklich, an unserer Frauen Tag Euch zu berauschen, doch da Ihr sonst ein ehrbarer, mäßiger Mann seid, der ordentlich in die Messe geht und nach mir und den meinigen nicht mit Steinen wirft oder uns im Felde nachschreit, so setzt Euch auf meinen Rücken und haltet Euch fest, damit Ihr nicht herabfallt, ich will Euch aus diesem Sumpf tragen.‘

‚Lieber Herr‘, sagte ich, ‚ich fürchte nur, Ihr treibt Euren Scherz mit mir! Wer hat je gehört, daß sich einer rittlings auf eines Adlers Rücken gesetzt hätte?‘

‚Auf mein Ehrenwort‘, erwiderte er, ‚es ist mein völliger Ernst, und nun nehmt mein Erbieten an, oder kommt um in diesem Sumpfe. Zudem sehe ich, daß Eure Schwere den Stein sinken macht.‘

Es war leider wahr, was er sagte, denn ich fand, daß der Stein jeden Augenblick unter mir sank. Ich hatte keine Wahl und dachte bei mir: wer wagt, gewinnt! und das machte mir Mut.

‚Ich danke, Ew. Gnaden‘, sagte ich, ‚für die erzeigte Höflichkeit und will Euer gütiges Erbieten annehmen.‘

Ich bestieg also den Rücken des Adlers und hielt mich fest an seinen Hals. Er erhob sich in die Luft, als wär‘ er eine Lerche. Ich wußte nichts von dem Streich, den er mir spielen wollte. Er flog immer höher auf, Gott weiß, wie weit.

‚Aber, Herr‘, sagte ich zu ihm, weil ich dachte, der gerade Weg nach Haus wäre ihm unbekannt, doch überaus artig sagte ich es zu ihm, denn ich war gänzlich in seiner Gewalt, ‚möge es Ew. Gnaden gefallen, und indem ich es Eurem bessern Urteil untertänig anheimgebe, wenn Ihr ein weniges herunterfliegen wolltet, so kämen wir gerade über mein kleines Haus und ich könnte da absitzen und mich bei Ew. Herrlichkeit tausendmal bedanken.‘

‚Zum Henker, Daniel‘, sagte er, ‚meinst du, ich wäre ein Narr? Schau herab auf das nächste Feld, siehst du nicht zwei Männer mit Flinten? Wahrhaftig, das wäre ein schöner Spaß, wenn ich mich sollte totschießen lassen, einem betrunkenen Lump zu gefallen, den ich in einem Sumpf von einem Steine aufgepickt habe!‘

‚Willst du mich hudelen!‘ dachte ich bei mir, sagte es aber nicht heraus, denn was hätte mir das genützt? Gut, er stieg in die Höhe, immerzu, und ich bat ihn jeden Augenblick herab zu fliegen, aber alles war vergeblich.

‚Wo in aller Welt, Herr, geht die Reise hin?‘ sprach ich zu ihm.

‚Halt dein Maul, Daniel‘, antwortete er, ‚besorge deine eigenen Geschäfte und mische dich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute.‘

‚Aber ich sollte meinen, das wäre meine eigene Angelegenheit‘ rief ich.

‚Verhalte dich ruhig, Daniel‘, sprach er, und ich sagte nichts mehr.

Endlich langten wir an, aber auf dem Mond selbst. Nun, Ihr könnts von hieraus nicht sehen, aber dort ist, oder dort war zu meiner Zeit, an der Seite des Monds eine Sichel, seht, in folgender Gestalt!«

Dabei machte Daniel mit der Spitze seines Stocks in der Erde einen Kreis und rechter Hand einen sichelförmigen Hacken daran.

»’Daniel‘, sagte der Adler, ‚von dem langen Flug bin ich müde, ich habe keinen Begriff davon gehabt, daß es so weit wäre.‘

‚Aber, was in aller Welt, hat Ew. Herrlichkeit bewogen, einen so weiten Weg zu machen? Ich gewiß nicht. Habe ich nicht ersucht, gebeten und gefleht, nur ein halbes Stündchen zurückzuhufen?‘

‚Unnützes Geschwätz, Daniel‘, sagte er, ‚ich bin schrecklich abgemattet, du mußt absteigen und so lange dich auf den Mond niederlassen, bis ich mich erholt habe.‘

‚Ich soll mich auf den Mond setzen, auf das kleine, runde Ding da? Nichts gewisser, als daß ich im ersten Augenblick herunterfalle und verloren bin, und tot und in Stücke zerschmettert: Ihr seid ein schändlicher Betrüger, ja das seid Ihr!‘

‚Nicht ganz und gar, Daniel‘, sagte er, ‚du kannst die Sichel ergreifen, die an der Seite des Mondes herausragt und dich daran fest halten.‘

‚Ich will aber nicht‘, sagte ich.

‚Es geht nicht anders‘ sagte er ganz gelassen, ‚willst du aber nicht, lieber Mann, so gebe ich dir einen Schub und einen Klaps mit meinen Flügeln dazu, und schicke dich hinab auf den Boden, wo jeder Knochen von dir in so kleine Stücke soll zerschmettert werden, als frühmorgens ein Tautropfen, der von einem Kohlblatt fällt.‘

‚Nun‘, sagte ich zu mir, ’so weit hat michs gebracht, daß ich mich mit euresgleichen eingelassen habe‘ und eine harte Verwünschung ihm zurufend, damit er wüßte, was ich gesagt hätte, sprang ich mit schwerem Herzen von seinem Rücken, faßte die Sichel und saß nun oben auf dem Mond und es war ein verwünscht kalter Sitz, das kann ich Euch sagen.

Als er mich so hübsch abgesetzt hatte, wendete er sich zu mir und sagte:

‚Guten Morgen, Daniel O’Rourke, ich denke, ich habe dich artig erwischt! Du hast mir voriges Jahr mein Nest beraubt (daran hatte er wahrhaftig Recht, aber wie er das herausgebracht hat, ist schwer zu sagen) und zur Vergeltung mußt du es dir gefallen lassen, deine Fußsohlen abzukühlen, wenn du auf dem Mond herumschwankst, wie ein Hahn der aufgehängt ist, um danach zu schlagen.‘

‚Ist das alles und willst du mich auf diese Art verlassen, du Bestie du?‘ rief ich, ‚du unnatürliches Scheusal, ist das das Ende von deiner Dienstfertigkeit? Daß du verschimmeln möchtest, krummnasiger Lump! Du und deine ganze Brut!‘

Was half alles! Er spreitete seine großen mächtigen Schwingen voneinander, brach in lautes Gelächter aus und flog mit Blitzesschnelligkeit dahin. Ich schrie ihm nach, er möchte anhalten, doch ich hätte in alle Ewigkeit rufen und schreien können, er würde mich nicht gehört haben. Er flog fort und ich habe ihn nicht wieder gesehen, bis auf diesen Tag. Mögen ihn zehn Donnerkeile erschlagen! Ihr seht ein, ich war in einer verzweifelten Lage, ich blieb zurück laut schreiend in so großer Bedrängnis, als auf einmal mitten im Mond eine Türe sich öffnete, die in ihren Angeln krachte, als wenn sie seit Monaten nicht wäre aufgemacht worden. Ich glaube, sie haben noch niemals daran gedacht, sie ein wenig einzu-schmieren. Wer kam heraus? Ihr wißt es schon, der Mann im Mond. Ich erkannte ihn an seinem Bündel.

‚Guten Morgen, Daniel O’Rourke‘, sagte er ‚wie gehts Euch.‘

‚Gut, ich danke Euch, ich hoffe, Ihr befindet Euch auch wohl.‘

‚Was bringt Euch hieher, Daniel?‘ sagte er.

Ich erzählte ihm, daß ich mich auf dem Fest des jungen Herrn ein wenig übernommen hätte und auf eine einsame Insel wäre geworfen worden und dort in einen Sumpf mich verloren hätte und daß ein Schurke von Adler versprochen, mich herauszutragen, statt dessen aber mich auf den Mond herauf-geschleppt hätte.

Als ich mit meiner Erzählung zu Ende war, nahm der Mann eine Prise Tabak und sagte: ‚Daniel, hier dürft Ihr nicht stehen.‘

‚Freilich, Herr, es ist ganz gegen meinen Willen, daß ich hier bin, aber wie soll ich wieder zurückkommen?‘

‚Das ist eure Sache, Daniel‘, sagte er, ‚meine ist es, Euch anzukündigen, daß Ihr hier nicht stehen dürft, also macht Euch fort und das in weniger als gar keiner Zeit.‘

‚Ich tue Euch keinen Schaden, und halte mich nur an die Sichel fest, damit ich nicht herabfalle.‘

‚Gerade das ist, was Ihr nicht tun sollt, Daniel‘, sagte er.

‚Verzeiht, Herr‘, sagte ich, ‚darf ich fragen, wie stark eure Familie ist, weil Ihr einen armen Reisenden nicht herbergen wollt? Ich weiß gewiß, Ihr werdet nicht allzuoft durch Fremde belästigt, die Euch gerne sehen wollen, da es ein weiter Weg ist.‘

‚Ich lebe für mich allein, Daniel‘, antwortete er, ‚doch Ihr tätet besser, wenn Ihr von der Sichel los ließet.‘

‚Mit Eurer Erlaubnis, ich lasse den Griff nicht los, darauf könnt Ihr rechnen.‘

‚Ihr tätet besser, Daniel‘, wiederholte er.

‚Ei, kleiner Kroate‘, sagte ich, indem ich die ganze Gestalt mit den Augen von Kopf bis zu Füßen maß, ‚zu einem Handel gehören zwei, und ich will nicht von hier weg, aber Euch stehts frei, wenn es Euch gefällig ist.‘

‚Wir wollen sehen, wie sichs einrichten läßt‘, sagte er und ging ab, indem er die Türe so hinter sich zuschlug, denn er war offenbar ärgerlich, daß ich dachte, der Mond mit allem Zubehör würde herabfallen.

Ich bereitete mich vor, Gewalt bei ihm zu brauchen, als er wieder zurückkam mit einem Küchenmesser in der Hand; ohne ein Wort zu sagen, schlug er zweimal auf den Griff der Sichel und ratsch! entzwei war sie.

‚Guten Morgen, Daniel!‘ rief der kleine boshafte Racker, als er mich mit einem Stückchen von dem Griff in der Hand ganz säuberlich hinabfallen sah, ‚Ich danke für Euren Besuch und wünsche Euch gutes Wetter zur Reise.‘

Ich hatte keine Zeit, ihm zu antworten, denn ich stürzte und wälzte mich um und um, wie es bei einer Fuchsjagd hergeht.

‚Gott stehe mir bei!‘ rief ich, ‚aber es muß ein erbaulicher Spaß sein, einen rechtschaffenen Mann zur Nachtzeit in solcher Hetze zu sehen! Ich bin schön abgefahren!‘

Das Wort war mir kaum aus dem Munde, husch! da rauschte etwas ganz nah an meinem Ohr vorüber und was konnte das anders sein, als ein Flug wilder Gänse? Und der alte Gänserich, der Anführer war, drehte den Kopf nach mir und rief: ‚Bist du es, Daniel?‘

Ich erstaunte nicht im geringsten über das, was er sagte, denn ich war dazumal an alle Arten von Teufeleien gewohnt und außerdem, ich kannte ihn aus alter Zeit.

‚Guten Morgen, Daniel O’Rourke‘, sagte er, ‚wie stehts mit der Gesundheit?‘

‚Gut, Herr, ich danke Euch schönstens‘, sagte ich, nach Atem schnappend, denn ich konnte kaum dazu kommen, ‚ich hoffe ein Gleiches von Euch.‘

‚Mich dünkt, du bist eben beschäftigt herabzufallen, Daniel?‘

‚Wie es Euch beliebt zu sagen, Herr‘, antwortete ich.

‚Und wohin so eilig?‘ fragte der Alte.

Ich erzählte ihm, daß ich ein Tröpfchen zu viel getrunken hätte und auf eine Insel gekommen wäre, wo ich mich in einen Sumpf verloren hätte und wie ein Teufel von Adler mich auf den Mond getragen und der Mann im Mond mich wieder fortgejagt hätte.

‚Daniel‘, sagte er, ‚ich will dich retten, strecke die Hand aus und packe mein Bein, so will ich dich nach Haus bringen.‘

‚Mein Augentrost!‘ sagte ich, ‚Eure Worte sind Honigseim‘, doch ich dachte dabei: ‚Sonderlich darf ich dir nicht trauen‘, aber da war sonst keine Rettung. Ich packte den Gänserich beim Bein und wir flogen hinter ihm her, ich und die andern Gänse, so schnell als sprängen wir im Tanz.

Wir flogen und flogen, bis wir über das weite Meer kamen. Ich wußte es wohl, denn ich sah rechter Hand das Cap Clear, wie es aus dem Wasser hervorspringt.

‚Ach, gnädiger Herr‘, sagte ich zu dem Anführer der Gänse, denn mir schien es das klügste, wenn ich es an artigen Worten nicht fehlen ließe, ‚fliegt doch landeinwärts, wenn es Euch gefällig ist.‘

‚Das geht jetzt unmöglich, siehst du wohl, Daniel‘, antwortete er, ‚wir sind auf dem Weg nach Arabien.‘

‚Nach Arabien!‘ rief ich, ‚das ist gewiß ein Ort in der Fremde, weit von hier.‘

‚Stille, still, du Narr‘, antwortete er, ‚laß dein Geschwätz, ich sage dir, Arabien ist ein prächtiger Ort und West-Carbery so ähnlich als ein Ei dem andern, nur ein bißchen mehr Sand ist dort.‘

Indem wir so sprachen, ward ein Schiff sichtbar, das im Wind stolz daher schoß.

‚Ach! Herr‘, sagte ich, ‚wenn es Euch gefällig wäre, mich in das Schiff hinabfallen zu lassen.‘

‚Wir sind nicht gerade über dem Schiff‘, antwortete er.

‚Wir sind es‘, sagte ich.

‚Wir sind es nicht‘, antwortete er. ‚Wenn ich dich jetzt fallen lasse, so platschest du ins Wasser.‘

‚Ach nein‘, sagte ich, ‚ich verstehe das besser, es ist gerade unter uns; laßt mich nur herunterfallen.‘

‚Wenn du mußt‘, sagte er, ’so gehe deiner Wege.‘

Er ließ mich los und wahrhaftig, er hatte recht, denn ich plumpste richtig in die Tiefe des salzigen Meeres. Ja, ich plumpste in die Tiefe und gab mich auf immer verloren, als ein Walfisch auf mich los kam, der sich nach seinem nächtlichen Schlaf die Augen ausrieb und mich gerade ins Gesicht anglotzte, ohne ein Sterbenswörtchen zu reden. Doch hob er seinen Schwanz in die Höhe und plätscherte damit, daß ich über und über mit salzigem, kaltem Wasser begossen ward, so lange bis kein trockner Faden mehr am ganzen Leibe war. Da hörte ich jemand sagen, und es war eine Stimme, die ich wohl kannte:

‚Steig auf, du Trunkenbold, fort von hier!‘

Indem wachte ich auf und da stand Judy mit einem Zuber voll Wasser, den sie über mich ausschüttelte. Gott habe sie selig! Aber sie war eine gute Frau, die es nicht übers Herz bringen konnte, mich trunken zu sehen und die über ihr Eigentum mit kräftiger Hand waltete.

‚Steig auf!‘ sagte sie, ‚gabs keinen andern Platz im Kirchsprengel, wo du deiner Neigung folgen und dich niederlegen konntest, als dieser, unter den alten Mauern von Carrigaphuka? Ich wette, du hast einen erbärmlichen Schlaf gehabt.‘

Und wahrhaftig, das hatte ich, denn meine Seele war nicht schlecht gequält worden, von Adlern, Männern im Monde, fliegenden Gänsen, und Walfischen, die mich durch Sümpfe, hinauf in den Mond und herab in den Grund des grünen Meers jagten. Und wenn ich zehnmal mehr getrunken hätte, es könnte doch einer lange darauf warten, bis ich mich wieder an jener Stelle niederlegte; ich kenne das!«

7. Der Wechselbalg


7. Der Wechselbalg

(Siehe auch die Anmerkungen)

Eine junge Frau, Marie Scannell, lebte mit ihrem Ehemann noch nicht viele Jahre zu Castle Martyr. Eines Tages zur Herbstzeit war sie mit andern hinausgegangen, um beim Weizenbinden behilflich zu sein, sie legte ihr Kind, das sie noch stillte, in eine Ecke des Feldes, und glaubte, es wäre da, in ihren Mantel eingewickelt, auf das Beste versorgt.

Als sie mit ihrer Arbeit zu Ende war, kehrte sie zu dem Kinde zurück, aber an dessen Stelle fand sie in dem Mantel ein Geschöpf, das nicht halb so groß war und ein solches Zetergeschrei ausstieß, daß man es eine Meile weit hören konnte. Sie vermutete gleich, was möchte vorgefallen sein und ohne sich einen Augenblick aufzuhalten, nahm sie es in den Arm und indem sie behauptete, daß sie ganz vernarrt in das Kind sei, brachte sie es zu einer weisen Frau. Diese flüsterte ihr zu, sie sollte ihm nicht satt zu essen geben und auf es los hauen und peitschen ohne Barmherzigkeit.

Marie befolgte den Rat und gerade eine Woche hernach fand sie morgens beim Erwachen ihr eigenes Kind wieder an ihrer Seite im Bette liegen. Dem Elfen, der an die Stelle des Kindes gelegt war, hatte die Behandlung der Marie Scannell, wozu sie sich, obgleich sie eine mitleidige Frau war, entschlossen hatte, schlecht gefallen, und er machte sich, nachdem er es eine Woche versucht, wieder fort und schickte der Frau ihr eigenes Kind zurück.

8. Die beiden Gevatterinnen


8. Die beiden Gevatterinnen

(Siehe auch die Anmerkungen)

Zu Minane bei Tracton, das etwa fünf Stunden südlich von Cork liegt, lebte ein junges Ehepaar, namens Mac Daniel, und sie hatten ein so schönes, wohlaussehendes Kind, daß die Elfen Lust bekamen, es zu sich zu holen und einen Wechselbalg an seine Stelle zu legen. Doch Frau Mac Daniel hatte eine Gevatterin, namens Norah Buckeley, und die ging gerade bei dem Hause, worin die beiden lebten (es war eben neu mit Schiefern gedeckt und hatte ein neues Schild erhalten) in der Abenddämmerung vorbei. »Es ist zu spät«, dachte sie, »um einzutreten und mich nach der Gevatterin Befinden zu erkundigen.« Sie hatte noch eine gute Stunde zu gehen, überdies bemerkte sie, daß die Elfen ausgezogen waren, denn den Weg von Carrigaline war vor ihr ein Wirbel von Staub nach dem andern aufgestiegen; das sicherste Zeichen von einem Aufbruch und Umzug des stillen Volkes, und es tat ihr in den Beinen weh, sich so oft neigen zu müssen.

Indessen als Norah vor dem Hause ihrer Gevatterin war, blieb sie einen Augenblick stehen und sprach vor sich hin:

»Gott laß es ihr wohl ergehen!« Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, so sah sie, daß sich eins von den Fenstern öffnete und das schöne Kind ihrer Gevatterin eilig herausgereicht wurde; sie konnte, und wenn es ihr Leben gekostet hätte, nicht sagen, wie oder von wem. Sie ließ sich aber nicht abhalten, herbei zu gehen und das Kind in Empfang zu nehmen. Sie wickelte es aufs beste in ihren Mantel und eilte damit nach Haus.

Am folgenden Morgen machte sie sich auf, um nach ihrer Gevatterin zu sehen, die klagte und jammerte über die Veränderung ihres Kindes, die ganze Nacht sei sie von seinem Geschrei aufgeweckt worden und es mit nichts in der Welt zu beruhigen gewesen.

»Ich will Euch sagen, was Ihr mit dem Balg anfangen müßt«, sagte Norah, »streicht ihn erst mit einer Rute, dann tragt ihn hinaus auf den Kreuzweg und laßt ihn da in dem Graben liegen, wo ihn holen kann, wer Lust hat. Wißt, ich habe Euer leibliches Kind gesund und wohl daheim bei mir, in der letzten Nacht ist es mir aus Euerm Fenster herausgereicht worden.«

Als die Mutter das hörte, geriet sie ins größte Erstaunen und ging hinaus, eine Rute zu holen. Kaum aber kehrte sich die Gevatterin um und schaute umher, so war der Elfe fort und weder sie noch des Kindes Mutter sahen ihn wieder, noch konnten sie erfahren, auf welche wunderbare Weise er verschwunden war.

Die Frau Mac Daniel lief in aller Eile in das Haus ihrer Gevatterin, fand da ihr eigenes Kind, nahm es mit sich nach Haus und es ist zu dieser Zeit ein feiner junger Mann.

9. Die Flasche


9. Die Flasche

(Siehe auch die Anmerkungen)

In den guten Tagen, wo das stille Volk sich noch häufiger sehen ließ, als jetzt in dieser ungläubigen Zeit, lebte ein Mann, Michael Purcell, der einige Acker schlechtes und unfruchtbares Land gepachtet hatte, in der Nachbarschaft der ehemals so berühmten Pfründe von Mourne, anderthalb Stunden von Mallow und sieben von Cork. Michael hatte Frau und Kinder, sie taten, was in ihren Kräften stand, das war freilich nicht viel, denn es war noch kein Kind so weit herangewachsen, daß es dem armen Manne bei seiner Arbeit helfen konnte, und die gute Frau besorgte die Kinder, melkte die Kuh, kochte Kartoffeln und trug die Eier nach Mallow; doch wie sie auch schafften, es war kaum genug, um die Pacht zu zahlen. Sie schickten sich eine Zeitlang, so gut es gehen wollte, in die Umstände, doch zuletzt kam ein schlechtes Jahr, das bißchen Hafer verdarb, die Hühnchen verkümmerten, das Schwein magerte ab und wurde beinahe für nichts zu Mallow verkauft; und der arme Michael fand, daß er nicht genug hatte, um die Hälfte des Pachtgeldes zu zahlen und zwei Termine war er schon schuldig.

»Was sollen wir nun anfangen, Marie?« fragte er.

»Was wir anfangen sollen?« antwortete sie, »Treib unsere Kuh auf den Markt nach Cork und verkaufe sie dort. Montag ist Markttag, da mußt du frühe gehen, damit das arme Tier sich verschnauft, ehe es auf den Markt kommt.«

»Und was sollen wir anfangen, wenn sie fort ist?« sagte Mick bekümmert.

»Das weiß ich nicht, Michael, doch gewißlich wird uns Gott nicht verlassen und du weißt doch, wie gütig er gegen uns war, als der kleine Wilhelm krank lag und wir gar nichts für ihn hatten? Der Doktor von Ballydahin, der sanfte, feine Mann kam geritten und verlangte einen Trank Milch; er gab uns zwei Schillinge, schickte die Arzneien für das Kind und was es sonst nötig hatte und gab mir jedesmal etwas zu essen, wenn ich kam, ihn um Rat zu fragen, den er mir niemals versagte; er kam auch und sah nach dem Kind und hörte mit seinen Wohltaten nicht auf, bis es ganz gesund war.«

»Du denkst immer so, Marie, und ich glaube, du hast Recht, darum will ich mir auch über den Verkauf der Kuh keine Sorgen machen. Ich will morgen gehen, du mußt aber Nadel und Zwirn nehmen und meinen Rock flicken, er ist unter dem Arm aufgerissen.«

Marie versicherte, daß sie alles in Ordnung bringen wollte; den folgenden Tag schickte er sich an und sie schärfte ihm beim Abschied ein, die Kuh nicht anders zu verkaufen, als um den höchsten Preis. Michael versprach, es nicht zu vergessen und machte sich auf den Weg. Er trieb die Kuh langsam durch den kleinen Fluß, der den Weg durchschneidet und unter den alten Mauern von Mourne hinrinnt. Als er vorbei kam, fielen seine Augen auf die Türme und einen von den alten Holunderstämmen, die damals wie kleine Gerten aussahen.

»Ja«, rief er aus, »hätte ich nur die Hälfte des Geldes, das unter Euch begraben liegt, so brauchte ich die arme Kuh nicht dahin zu treiben! Ists nicht ein Jammer, daß es unter der Erde ruht, während noch andere als ich es entbehren müssen! Nun, wenns Gottes Wille ist, so komme ich mit etwas Geld in der Tasche zurück.«

Mit diesen Worten trieb er sein Vieh weiter. Es war ein schöner Tag und die Sonne schien glänzend auf die Mauern der alten Abtei, als er daran vorbei kam. Der Weg führte über eine Reihe allmählich aufsteigender Berge, bis er nach drei Stunden auf die Spitze der Anhöhe (die jetzt der Flaschenberg heißt, aber damals den Namen noch nicht führte) gelangte, an welcher Stelle ihn jemand einholte.

»Guten Morgen!« sagte dieser.

»Guten Morgen!« antwortete Michael freundlich, und sah sich nach dem Fremden um; es war ein kleines Männchen, daß man ihn einen Zwerg hätte nennen können, doch war er nicht ganz so klein. Er hatte ein altes, verschrumpftes, gelbliches Antlitz, das genau wie welker Blumenkohl aussah, dabei eine dünne, kleine Nase, rote Augen und weiße Haare. Seine Lippen waren nicht rot, sondern sein ganzes Gesicht von einer Farbe, seine Augen ohne Ruhe, überall sich umschauend und obgleich sie rot waren, so ward doch Michaels Herz eiskalt, wenn er sie ansah. Er hatte in der Tat wenig Gefallen an der Gesellschaft des Kleinen, und er konnte nicht das mindeste von seinen Beinen oder seinem Körper erblicken; das Männchen hatte sich, obgleich der Tag warm war, ganz in einen dicken, weiten Rock eingewickelt.

Michael trieb die Kuh ein wenig schneller, aber der Kleine hielt sich immer neben ihm. Er wußte nicht, auf welche Art er schritt, denn er fürchtete sich zu sehr, um sich nach ihm umzuschauen und wollte auch nicht das Kreuz über sich schlagen, denn er war bange, der alte Mann möchte zornig werden. Doch deuchte ihn, sein Reisegefährte ginge nicht wie ein anderer Mensch und setzte einen Fuß vor den andern, sondern glitte nur über den rauhen Weg (und rauh war er genug) wie ein Schatten dahin, ohne Geräusch und ohne Anstrengung. Dem armen Michael zitterte das Herz im Leibe, er sagte ein Gebet für sich und wünschte, er wäre den Tag nicht ausgegangen, oder er wäre schon auf dem Markt, oder er brauchte die Kuh nicht zu hüten, damit er vor dem Gespenst fortlaufen könnte.

Mitten in diesen Ängsten ward er von seinem Gefährten angeredet: »Wohin wollt ihr mit der Kuh, lieber Mann?«

»Nach dem Markt zu Cork«, antwortete Michael zitternd bei dem schnarrenden und schneidenden Ton der Stimme

»Wollt Ihr sie verkaufen?« sagte der Fremde.

»Freilich treibe ich sie dahin, um sie zu verkaufen.«

»Wollt Ihr sie mir verkaufen?»

Michael fuhr erschrocken zurück, er fürchtete sich, mit dem Kleinen etwas zu tun zu haben und fürchtete sich noch mehr, nein zu sagen. Endlich sprach er: »Was wollt Ihr mir dafür geben?«

»Ich will Euch etwas sagen«, antwortete der Kleine, »ich gebe Euch diese Flasche dafür«; indem er eine Flasche unter dem Mantel hervor holte.

Michael schaute erst ihn und die Flasche an, dann mußte er, mitten in seiner Angst, in ein lautes Gelächter ausbrechen.

»Lacht nach Herzenslust«, sprach der Kleine, »aber ich sage Euch, diese Flasche ist mehr wert für Euch, als alles Geld, das Ihr für die Kuh in Cork bekommt, ja tausendmal mehr.«

Michael lachte wieder: »Ihr denkt wohl«, sagte er, »ich wäre ein solcher Narr, daß ich meine gute Kuh für so eine Flasche hingäbe, die obendrein noch leer ist? Wahrhaftig, daraus wird nichts.«

»Ihr tut besser, wenn Ihr mir die Kuh gebt und die Flasche nehmt; Ihr braucht es Euch nicht leid sein zu lassen.«

»Aber Marie, was würde die sagen? Das würde kein Ende nehmen! Und wie sollte ich meine Pacht zahlen? Und was sollen wir anfangen ohne einen Heller Geld?«

»Ich versichere Euch, die Flasche ist besser, als alles Geld, nehmt sie und gebt mir die Kuh. Jetzt sage ich es Euch zum letzten Mal, Michael Purcell.«

Michael war bestürzt. »Wie hat er meinen Namen erfahren!« dachte er.

Der Fremde fuhr fort: »Michael Purcell, ich kenne Euch und habe Achtung vor Euch, darum folgt meinem Rat, oder Ihr werdet es empfinden. Wißt, Eure Kuh wird Euch hinfallen, ehe Ihr nach Cork kommt.«

Michael wollte eben sagen: »Das verhüte Gott!« aber der Kleine setzte hinzu (und Michael war zu aufmerksam, um etwas zu sagen, das ihn schweigen gemacht hätte und viel zu höflich, als jemand in der Rede zu unterbrechen): »Dann sollt Ihr wissen, es wird so viel Vieh auf dem Markt sein, daß Ihr zu einem geringen Preis losschlagen müßt und vielleicht fallt Ihr, wenn Ihr nach Haus geht, noch Räubern in die Hände. Doch wozu sage ich Euch das alles, da Ihr doch entschlossen seid, Euer Glück von Euch zu stoßen!«

»O nein, Herr, mein Glück möchte ich nicht von mir stoßen«, sagte Michael, »und wäre ich gewiß, daß die Flasche so gut ist, als Ihr sagt, obgleich ich niemals großen Gefallen an einer leeren Flasche gehabt, wenn ich sie auch selbst ausgetrunken hatte, so wollte ich Euch die Kuh geben im Namen –«

»Bekümmert Euch nicht um Namen«, unterbrach ihn der Kleine, »sondern gebt mir die Kuh; ich habe Euch keine Unwahrheit gesagt und wenn Ihr damit heim kommt, so tut genau, was ich Euch heißen werde.«

Michael zögerte.

»Wohlan«, sagte der Fremde, »guten Tag, Michael Purcell, ich kann nicht länger warten. Noch einmal, nehmt sie hin und seid reich; schlagt sie aus und bettelt für Euern Lebensunterhalt, seht Eure Kinder in Armut, Euer Weib sterbend vor Mangel: das wird Euer Schicksal sein, Michael Purcell.« Bei diesen Worten lächelte der Kleine boshaft, was seinen Anblick noch grausenhafter machte.

»Mag sein! Ist wohl wahr!« sagte Michael immer noch zaudernd und unschlüssig, was er tun sollte. Er konnte nicht anders, er mußte dem alten Manne glauben und endlich in einem Anfall von Verzweiflung griff er nach der Flasche und sagte: »Nehmt die Kuh und wenn Ihr mich belogen habt, so wird Euch der Fluch des Armen treffen.«

»Ich achte weder auf Euern Fluch noch auf Euern Segen, Michael Purcell, aber ich habe die Wahrheit gesprochen, das werdet Ihr noch heute abend erfahren, wenn Ihr tut, was ich Euch sage.«

»Was soll ich tun?« fragte Michael.

»Wenn Ihr heim kommt, so kümmert Euch nicht darum, daß Euer Weib ärgerlich ist, sondern bleibt selbst gelassen und heißt sie die Flur sauber kehren, setzt den Tisch zurecht und deckt ein reines Tuch darüber, dann stellt die Flasche auf den Boden und sprecht die Worte: Flasche tue deine Schuldigkeit! und Ihr werdet den Erfolg sehen.«

»Und das ist alles?« fragte Mick.

»Nichts weiter«, sagte der Kleine. »Guten Tag, Michael Purcell, Ihr seid ein reicher Mann.«

»Das gebe Gott!« sagte Michael, als der alte Mann die Kuh forttrieb und er wieder auf dem Heimweg war; doch konnte er nicht umhin den Kopf umzudrehen und dem Käufer seiner Kuh nachzusehen, bis er ganz verschwunden war.

»Gott behüte und bewahre uns!« rief Michael, »Der gehört nicht dieser Welt an. Aber wo ist meine Kuh?« Sie war fort und Michael ging heimwärts, Gebete für sich hersagend und seine Flasche fest haltend.

»Was wollt‘ ich anfangen«, dachte er, »wenn sie mir zerbräche, doch dafür will ich tun« und steckte sie vor seine Brust, besorgt über den Erfolg und zweifelhaft über den Empfang, den er bei seiner Frau zu erwarten hatte. Während er Sorge und Erwartung, Furcht und Hoffnung gegeneinander abwog, erreichte er abends seine Hütte und überraschte seine Frau, die bei dem Torffeuer am Herde saß.

»Ei, Michael, du bist wieder da! Gewiß bist du nicht nach Cork gekommen! Sprich, was ist dir begegnet? Wo ist die Kuh? Hast du sie verkauft? Wie viel hast du dafür gelöst? Was gibts Neues? Erzähl mir davon.«

»Willst du mir Zeit lassen, Marie, so will ich dir alles haarklein erzählen. Wo unsere Kuh ist, möchtest du gerne wissen; aber das kann ich dir nicht sagen, denn ich weiß am allerwenigsten, wo sie ist.«

»Was hast du dafür gelöst, Michael? Heraus mit dem Geld!«

«Kleine Geduld, Marie, und du sollst alles hören.«

«Aber was ist das für eine Flasche unter deiner Weste?« fragte Marie, die den hervorragenden Hals bemerkte.

«Nun sei vergnügt«, sagte Michael, «doch ich muß dir erst erzählen!« und stellte die Flasche auf den Tisch. »Das ist alles, was ich für die Kuh bekommen habe.«

Die arme Frau war wie vom Donner gerührt. »Alles was du bekommen hast! Und wozu taugt das, Michael? So hätte ich doch mein Lebtag nicht gedacht, daß du ein solcher Narr wärest. Wie willst du nun die Pacht bezahlen?«

«Willst du Vernunft annehmen, Marie?« sagte Michael, «so will ich dir erzählen, wie der alte Mann, oder wer es sonst war, mir begegnete, nein, er begegnete mir nicht, sondern er war da bei mir, oben auf dem Berg, und wie er mich dazu bewog, ihm die Kuh zu verkaufen und mir sagte, diese Flasche wäre etwas für mich.«

»Wahrhaftig bloß für dich, du Narr!« sagte Marie und griff nach der Flasche, um sie ihrem armen Mann an den Kopf zu werfen. Aber Michael faßte sie geschwind, machte sie ganz gelassen (denn er erinnerte sich an den Befehl des Kleinen) von den Händen seines Weibes los und steckte sie wieder vor seine Brust.

Die arme Marie saß da und weinte während ihr Michael seine Geschichte erzählte und sich dabei oft bekreuzigte und segnete. Indessen konnte sie nicht umhin, ihm Glauben beizumessen, zu mal sie an Geister glaubte. Ohne ein Wort zu sprechen stand sie auf und fing an, die Flur mit einem Büschel Heidekraut zu kehren. Hierauf ordnete sie alles, setzte den langen Tisch zurecht und deckte ein reines Tuch, das einzige, das sie hatten, darüber her und Michael stellte die Flasche auf die Erde und sprach: »Flasche, tue deine Schuldigkeit!«

»Dort! dort! Mutter, sieh doch!« rief der älteste Knabe, ein pausbackiges Kind von fünf Jahren, und sprang an seiner Mutter Seite, als zwei winzige kleine Gestalten, wie Lichtstrahlen, aus der Flasche hervorstiegen und in einem Augenblick den Tisch mit silbernen und goldenen Schüsseln und Tellern besetzten, auf welchen die köstlichsten Speisen lagen, und so wie alles in Ordnung war, wieder in die Flasche hinabstiegen. Michael und seine Frau betrachteten alles mit höchstem Erstaunen, denn sie hatten solche Schüssel und Teller ihr Lebtag nicht gesehen und glaubten, dergleichen könnte man nicht genug bewundern, so daß sie von dem bloßen Anschauen allen Hunger vergaßen. Endlich sagte Marie:

»Komm, Michael, und setz dich nieder, versuchs und iß ein wenig, du mußt ja hungrig sein nach einem so guten Tagwerk.«

»Siehst du, der Mann hat keine Unwahrheit von der Flasche gesagt.«

Michael setzte sich und gab auch den Kindern ihren Platz an dem Tisch; sie hielten eine herrliche Mahlzeit und doch blieb die Hälfte der Schüsseln unangerührt.

»Mich soll doch wundern«, sagte Marie, »ob die guten, kleinen Herrn diese kostbaren Sachen wieder wegnehmen werden!« Sie warteten, aber niemand kam. Da hob Marie sorgfältig Schüssel und Teller auf und sprach: »Gewißlich, es war keine Unwahrheit, du bist jetzt ein reicher Mann, Michael Purcell.«

Sie gingen alle zu Bett, doch nicht um zu schlafen, sondern um zu verabreden, wie sie diese köstlichen Dinge, deren sie nicht bedurften, zu Geld machen wollten, um mehr Ländereien zu übernehmen. Michael ging nach Cork, verkaufte seine Goldschüsseln, erhandelte sich Wagen und Pferd und überlegte, wie er viel Geld erwerben könnte. Sie gaben sich alle Mühe, die Flasche geheim zu halten, doch vergeblich; der Gutsherr brachte es heraus. Eines Tages kam er zu Michael und fragte ihn, wie er zu all dem Geld gekommen wäre, das er doch in keinem Falle durch die Pacht gewonnen hätte; er quälte ihn so lange, bis Michael ihm endlich von der Flasche sagte. Der Gutsherr bot viel Geld, doch dafür wollte sie Michael nicht geben, bis er ihm zuletzt alles, was er jetzt in Pacht hatte, als Eigentum anbot. Da dachte Michael, der reich genug war, nun bedürfe er des Geldes weiter nicht mehr und gab die Flasche hin.

Michael hatte sich verrechnet, er und die Seinigen verschleuderten das Geld, als wenn es kein Ende nehmen könnte und um die Geschichte kurz zu machen, sie wurden immer ärmer und ärmer, bis sie am Ende nichts mehr übrig hatten, als eine Kuh, welche Michael abermals wieder vor sich her trieb, um sie auf dem Markt zu Cork zu verkaufen, nicht ohne Hoffnung, dem kleinen Mann von neuem zu begegnen und eine andere Flasche zu erhalten.

Der Tag brach eben an, als er sich von Haus aufmachte und er ging einen guten Schritt, bis er zu der Höhe kam. Die Nebel schliefen noch in den Tälern und kräuselten sich in duftigen Kränzen auf der braunen Heide rings um ihn her. Die Sonne erhob sich zu seiner Linken und vor seinen Füßen sprang eine Lerche aus ihrem Lager im Gras und stieg, ihren fröhlichen Morgengesang anstimmend, in den blauen Himmel hinauf.

Michael bekreuzigte sich, horchte auf den süßen Gesang der Lerche und mußte beständig an das alte, kleine Männchen denken. Da wurde er, gerade als er den Gipfel des Bergs erreichte und seine Augen auf die weite Aussicht vor und hinter sich warf, von der wohlbekannten Stimme sowohl erschreckt, als erfreut, die ihm zurief: »Nicht wahr, Michael Purcell, ich sagte dir, du würdest ein reicher Mann werden?«

»Gewiß, es war keine Lüge, Herr! Ich wünsche Euch einen guten Morgen, aber daß ich zur Zeit ein reicher Mann bin, kann ich nicht sagen. Habt Ihr eine andere Flasche? Ich bedarf ihrer so gut, wie vordem. Habt Ihr sie, Herr, hier ist die Kuh dafür.«

»Und hier ist die Flasche«, sagte der Kleine und lächelte, »du weißt, was du damit zu tun hast.«

»Ach ja«, antwortete er, »ich will es schon recht machen.«

»Guten Tag, Herr«, rief Michael, als er sich auf den Heimweg begab, »gutes Glück Euch und gutes Glück dem hohen Berg, dem Flaschenberg, damit er einen Namen bekommt; guten Tag, Herr, guten Tag!«

Damit eilte er, so schnell er konnte, zurück, ohne sich nur einmal nach dem Kleinen mit dem weißen Gesicht und der Kuh umzuschauen, nur besorgt, seine Flasche heimzubringen. Wohlbehalten langte er damit an und sobald er Marie erblickte, rief er aus: »Ja, ich habe eine andere Flasche!«

»Tausend!« rief die Frau, »hast du sie? Du bist ein Glückskind, Michael Purcell, ja das bist du!«

Sie brachte alles sogleich in Ordnung und Michael, seine Flasche betrachtend, schrie in seiner Freude: »Flasche, tue deine Schuldigkeit!« In einem Augenblick sprangen zwei große, gewaltige Männer aus der Flasche mit dicken Knütteln in den Händen, die den armen Michael, seine Frau und seine ganze Familie unbarmherzig bläuten, bis alles auf dem Boden lag, worauf sie in die Flasche zurückeilten. Michael, sobald er wieder zu Besinnung kam, stand auf und sah sich um. Er sann und sann. Endlich hob er Frau und Kinder in die Höhe, und sprach: »Macht, daß Ihr Euch wieder erholt, so gut es geht«, nahm die Flasche unter den Mantel und begab sich zu seinem Gutsherrn.

Dort war große Gesellschaft und Michael bat einen Bedienten, dem Herrn zu sagen, daß er ein paar Worte mit ihm zu sprechen wünsche. Endlich kam der Herr heraus und fragte: »Was bringt Ihr mir neues, Michael?«

»Nichts, Herr, als daß ich eine andere Flasche habe.«

»Ei, ei! Ist sie auch so gut, wie die erste?«

»Ja wohl, Herr, noch besser. Wenns Euch beliebt, so will ich sie Euch vor allen Herrn und Damen zeigen.«

»Tretet nur herein«, sprach der Gutsherr und Michael ward in den Saal geführt, wo er seine alte Flasche erblickte, die oben auf dem Gesimse stand. »Sieh da!« sagte er sich selbst, »Vielleicht habe ich dich in kurzem wieder!«

»Wohlan«, sagte der Gutsherr, »zeigt her Eure Flasche!«

Michael setzte sie auf den Boden und sprach die Zauberworte. In einem Augenblick lag der Gutsherr darnieder, Damen und Herren, Bediente und wer sonst zugegen war, rannten, schrien, wälzten sich, stießen mit den Füßen und heulten. Becher und Teller rollten nach allen Seiten hin, bis der Gutsherr endlich ausrief: »Bring diese zwei Teufel zur Ruhe, Michael Purcell, oder ich lasse dich aufhängen!«

»Nicht eher sollen sie aufhören«, sagte Michael, »als bis Ihr mir meine Flasche wiedergebt, die ich dort oben auf dem Gesims sehe.«

»Holt sie ihm herab«, sagte der Herr, »ehe wir alle ermordet sind.«

Michael steckte die alte Flasche vor seine Brust, die Männer sprangen wieder in die neue hinein und er trug sie beide heim. Was soll ich noch weiter erzählen, daß Michael reicher ward, als zuvor, daß sein Sohn die Tochter des Gutsherrn heiratete, daß er und sein Weib in hohem Alter starben und bei ihrer Leichenfeier einige Diener in Streit gerieten und die Flaschen zerbrachen! Doch der Berg hat noch immer den Namen und wird wohl Flaschenberg heißen, bis ans Ende der Welt.

Die Elfen in Schottland

Die Elfen in Schottland

Zu Grund liegt: The popular superstitions and festive amusements of the Highlanders of Scotland. Edinburgh 1823. von W. Grant Stewart, ein, wie es scheint, in Deutschland noch unbekanntes Buch, von welchem auch der Sammler der irischen Sagen nichts scheint gewußt zu haben; gleichwohl ist es äußerst schätzbar durch den Reichtum und die Vollständigkeit der darin aufbewahrten mündlichen Überlieferungen.

Benutzt ist die Abhandlung über Elfen in dem zweiten Bande von Walter Scotts Minstrelsy of the Scottish Border. 4te Aufl. Edinb. 1810. II.S .109-183, und die Einleitung I. 99-103. dessen Noten zur Lady of the Lake, Graham’s Sketches of picturesque Scenery on the southern confines of Perthshire. p. 107-118. Jamieson in den Illustrations of northern antiquities I. 404-406. Allan Cunningham traditional tales Lond. 1822. II. 89.-122. was alles jedoch gegen jenes erstgenannte Werk nicht bedeutend ist.

Die Elfen heißen Doane Shi: friedliche Leute, gute Leute. Es sind ihrem Ursprunge nach Engel, die des Lichtes teilhaftig waren, die aber, weil sie sich von dem Teufel verführen ließen, in unzähliger Menge vom Himmel herabgestoßen wurden. Sie müssen bis zum jüngsten Tag über Berge und Seen wandern, wissen nicht, wie ihr Urteil lauten wird, ob sie begnadigt oder verdammt werden, fürchten aber das schlimmste.

An Schönheit kommt kein anderes überirdisches Wesen den Elfen gleich und es scheinen sich darin noch Spuren ihres ursprünglichen Zustandes erhalten zu haben.

Sie sind im Ganzen klein von Gestalt, aber außerordentlich wohl gegliedert. Die Elfinnen besonders sollen die reizendsten Wesen von der Welt sein. Ihre Augen glänzen wie Sterne, auf ihren Wangen ist weiß und rot auf das zarteste gemischt, ihre Lippen gleichen Korallen, ihre Zähne dem Elfenbein und ein Überfluß von dunkelbraunem Haar hängt in Locken über ihre Schultern. Ihre Kleidung ist einfach und grün. Sie erzürnen, wenn Sterbliche diese Farbe tragen, die eben deshalb sie auch für eine unglückliche halten. In den Hochlanden ist es gewöhnlich wollenes Zeug. An Sümpfen hat man sie manchmal heidebraun gesehen oder in Kleidern, die mit Steinflechte gefärbt waren.

Die Elfen sind ein geselliges Volk, leidenschaftlich den Vergnügungen und Lustbarkeiten ergeben. Selten leben sie paarweise beisammen, sondern schwärmen in Haufen umher und jeder Haufe hat eine bestimmte Wohnung oder Aufenthaltsort, wo sie sich nach Umständen versammeln und welcher Tomhan oder Shian heißt. Diese Wohnungen befinden sich gewöhnlich in den Höhlen und Abgründen wilder und rauher Gegenden. Sie sind aus Stein in der Gestalt unregelmäßiger Türmchen gebaut, und so fest und dauerhaft, daß sie Felsenstücken oder Erdhügeln ähnlich sehen. Türen, Fenster und Rauchfänge sind so künstlich verborgen, daß das bloße Auge bei Tag sie nicht erblicken kann, doch in dunkler Nacht verrät sie das glänzende Licht, das herausbricht. In Perthshire bewohnen sie runde Grashügel, bei welchen sie im Mondschein tanzen. Nicht weit von Lochcon ist ein Platz Coirshian genannt, welchen sie vorzüglich lieben; in der Nähe sieht man kegelförmige Erhöhungen, besonders eine oberhalb des Sees Katrine, an welcher nach Sonnenuntergang sich mancher fürchtet vorbei zu gehen. Man erblickt zuweilen ihre Spuren in Kreisen, die manchmal gelb und eingetreten, manchmal von dunkelgrüner Farbe sind, in diesen ist es gefährlich zu schlafen oder nach Sonnenuntergang gefunden zu werden. In solchen Versammlungen der Elfen herrscht Lust und Freude, denn dem Tanz sind sie vorzüglich ergeben und er ist eine ihrer Hauptbeschäftigungen. Sie haben dabei die lieblichste Musik. Ungeachtet dieser Fröhlichkeit sind die Elfen doch neidisch auf das vollkommenere und reinere Glück der Menschen und es liegt immer etwas dunkles und ängstliches in ihrer heimlichen Lust, so wie etwas falsches oder bloß scheinbares in dem Glanz ihrer Shians. Sie sind, wenn auch nicht durchaus boshaft, doch eigentlich grämliche und mißgünstige Wesen. Die Hochländer reden nicht gern von ihnen, besonders am Freitag, wo ihr Einfluß vorzüglich groß sein soll. Und weil sie unsichtbar zugegen sein könnten, spricht man immer nur mit Ehrerbietung von ihnen.

Manchmal reiten sie auch unsichtbar in einem großen Zug, wo das laute Geschrill der Zügel ihre Gegenwart verrät. Sie borgen wohl bei solchen Gelegenheiten Pferde aus den Ställen der Menschen, die man am Morgen keuchend und abgemattet darin findet, Mähnen und Schweif aufgelöst und verwirrt. Gewöhnlich sind ihre Pferde weiß wie Winterschnee.

Manchmal sind Menschen in die Wohnungen der Elfen gekommen, entweder von ihnen hineingelockt, oder wenn sie zu gewissen Zeiten die Türen dazu gefunden haben. Man glaubt in Perthshire, daß wenn jemand am Heiligen Abend allein neunmal um einen Elfenhügel gehe, linker Hand eine Türe offen stehen werde, durch welche er hinein gelangen könne. Ein Pächter in der Nachbarschaft von Cairngorm in Strathspey zog mit seiner Familie und seinem Vieh in den Wald von Glenavon, der als ein Sitz der Elfen bekannt ist. Zwei von seinen Söhnen, die in einer Nacht weit ausgegangen waren, ein paar verlorene Schafe zu suchen, kamen zu einem Shian von großem Umfang, zu ihrem Erstaunen strömte das glänzendste Licht aus unzähligen Spalten im Felsen, die das schärfste Auge niemals vorher daran entdeckt hatte. Neugierde trieb sie näher und von den entzückenden Klängen einer Geige bezaubert, wobei Ausbrüche der höchsten Lust sich hören ließen, versöhnten sie sich einigermaßen mit dem gefährlichen Ort. Der eine Bruder konnte, ohngeachtet der Abmahnungen des andern, seiner Neigung, an dem Tanz teilzunehmen nicht widerstehen und sprang endlich mit einem Satz in den Shian hinein. Der Andere, der ihm nachzuspringen nicht getraute, trat an eine der Spalten, rief dreimal, wie gebräuchlich, seinen Bruder mit Namen an und bat ihn dann aufs dringendste mit ihm, Donald Macgillivray, wieder nach Haus zu gehen. Alles war ohne Erfolg, Donald mußte die traurige Nachricht von dem Schicksal seines Bruders den Eltern bringen. Alle Mittel und Gebräuche, die man in der Folge noch anwendete, ihn der Gewalt der Elfen zu entziehen, waren vergeblich und man hielt ihn für verloren. Endlich gab ein weiser Mann dem Donald den Rat, wenn gerade ein Jahr und ein Tag vorbei sei, so solle er zu dem Shian zurückkehren, ein Kreuz in den Kleidern werde ihn vor der Macht der Elfen schützen, dann solle er getrost hineingehen, seinen Bruder im Namen Gottes zurückfordern und folge er nicht gutwillig, ihn mit Gewalt fortführen. Donald erblickt auch wieder Licht in dem Shian und vernimmt Musik und Freudengeschrei; nach furchtsamem Zögern tritt er endlich hinein und findet seinen Bruder, der in aller Lust einen hochländischen Tanz tanzt. Er eilt auf ihn zu, faßt ihn beim Kragen und beschwört ihn mit fortzugehen. Der Bruder willigt ein, will aber nur erst den Tanz beendigen, indem er behauptet, er sei erst eine halbe Stunde in dem Haus. Vergebens versichert ihn Donald, nicht eine halbe Stunde, bereits zwölf Monate verweile er hier, er würde es ihm, als er wieder bei seinen Eltern angelangt war, nicht geglaubt haben, hätten ihn nicht die groß gewordenen Kälber und die aufgewachsenen Kinder überzeugt, daß sein Tanz ein Jahr und einen Tag gedauert hatte.

Vor etwa dreihundert Jahren lebten in Strathspey zwei Männer, die wegen ihrer Geschicklichkeit auf der Geige berühmt waren. Es trug sich zu, daß sie einmal zu Weihnachten nach Inverness gingen, dort ihre Kunst auszuüben. Sie bezogen alsbald eine Wohnung, machten ihre Ankunft bekannt und boten ihre Dienste an. Bald darnach bestellte sie ein alter Mann von ehrwürdigem Ansehen mit grauen Haaren und einigen Runzeln im Gesicht, aber von freundlichem, artigem Betragen. Sie begleiteten ihn und kamen zu der Türe eines etwas seltsamen Hauses; es war Nacht, doch konnten sie leicht bemerken, daß das Haus in keiner ihnen bekannten Gegend stand. Es glich einem Tomhan in Glenmore. Die freundliche Einladung und der Klang des Geldes überwand ihre Bedenklichkeiten und alle Furcht verschwand bei dem prächtigen Anblick der Versammlung, in welche sie eintraten. Die süßeste Musik munterte zur größten Lust und Freude auf der Boden zitterte unter den kühnen Sprüngen der Tänzer. Beide Männer brachten die Nacht auf das angenehmste zu und als das Fest beendigt war, beurlaubten sie sich, sehr erfreut über die gute Behandlung, die sie erfahren hatten. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie, aus dieser wunderlichen Wohnung heraustretend, fanden, daß sie aus einem kleinen Berge kamen und alles was gestern noch neu und glänzend gewesen, zerfallen und von der Zeit verwüstet war, während sie seltsame Neuerungen in Tracht und Sitten an der großen Menge Zuschauer bemerkten, welche ihnen voll Verwunderung und Bestürzung nachfolgten. Als man sich endlich gegenseitig verständigte, kam man auf die Vermutung, daß die beiden Musikanten bei den Bewohnern von Tomnafurich, wo sich die Elfen aus der Nachbarschaft zu versammeln pflegten, müßten gewesen sein. Ein alter Mann, den der Auflauf herbeigeführt, sagte nach Anhörung der Geschichte:

»Ihr seid die beiden Männer, die bei meinem Urgroßvater wohnten und welche, wie man glaubte, von Thomas Rymer nach Tomnafurich verlockt wurden. Eure Freunde beklagten Euch sehr, doch hundert Jahre, die seitdem verflossen sind, haben Eure Namen in Vergessenheit gebracht.« Die beiden Männer, erstaunt über das Wunder, das Gott an ihnen getan hatte, gingen, da es Sonntag war, in die Kirche; sie saßen da und hörten eine Weile dem Geläute der Glocken zu, als aber der Geistliche zu dem Altar trat, seiner Gemeinde das Evangelium zu verkündigen, wunderbar ist es zu sagen, so zerfielen sie bei dem ersten Wort, das aus seinem Munde kam, beide in Staub.

Was die Art und Weise betrifft, wie jemand wieder aus der Gewalt der Elfen zu befreien ist, so sind die Überlieferungen darüber verschieden. Der gemeinen Meinung nach muß es binnen Jahr und Tag geschehen und diese Tat kann nur am Heiligen Abend bei dem jährlichen, feierlichen Zuge der Elfen vollbracht werden. Wer von den Leckerbissen, die ihm vorgesetzt werden, das geringste genießt, verwirkt dadurch die Gesellschaft der Menschen und ist an die Elfen gebunden. Man glaubt, wer einmal in ihre Gewalt gefallen sei, dem werde es erst nach sieben Jahren erlaubt, zu den Wohnungen der Menschen zurückzukehren. Nach abermals verflossenen sieben Jahren verschwindet er wieder, und wird dann selten noch einmal unter den Sterblichen erblickt. Die Berichte, welche sie von ihrer Lage geben, sind verschieden. Nach einigen führen sie ein Leben ohne Rast und Ruhe und schweifen im Mondschein umher, nach andern bewohnen sie eine entzückende Gegend; aber schrecklich ist ihre Lage dadurch, daß einer oder mehrere jedes siebente Jahr dem Teufel geopfert werden.

Die Frau eines Pächters in Lothian war in die Gewalt der Elfen geraten und während des Probejahrs erschien sie mehrmals den Sonntag in der Mitte ihrer Kinder und kämmte ihre Haare. Bei dieser Gelegenheit ward sie von ihrem Ehemann angeredet, sie erzählte ihm das traurige Ereignis, welches sie getrennt hatte und gab ihm die Mittel an, wie er sie wieder gewinnen könnte; sie ermahnte ihn dabei all seinen Mut zusammen zu nehmen, indem ihr zeitliches und ewiges Wohl von dem Erfolge seines Unternehmens abhinge. Der Pächter, der seine Frau herzlich liebte, ging am Heiligen Abend hinaus und wartete mitten auf einem Heideplatz ungeduldig auf den Zug der Elfen. Als die Zügel schallten und wilde übernatürliche Laute der Reiter, verließ ihn der Mut und der geisterhafte Zug ging, ohne daß er ihn zu stören wagte, an ihm vorüber. Als der letzte vorbeigeritten war, verschwand der ganze Haufe unter Gelächter und Freudengeschrei, zwischen welchem er deutlich die Stimme seines Weibes erkannte, jammernd, daß er sie nun auf immer verloren habe. –

Eine Frau war in die Wohnungen der friedlichen Leute entführt und dort von jemand erkannt worden, der sonst ein sterblicher Mensch gewesen, aber nun den Elfen zugesellt war. Dieser Bekannte, welcher noch etwas menschliches Wohlwollen behalten hatte, warnte sie vor der Gefahr und riet ihr, wenn ihr die Freiheit lieb sei, sich eine bestimmte Zeit lang alles Essens und Trinkens mit den Elfen zu enthalten. Sie befolgte den Rat und als die Zeit herum war, so befand sie sich wieder auf der Erde unter den Menschen. Es wird noch erzählt, daß die Speisen, die ihr dargereicht wurden, und ihr so verführerisch in die Augen leuchteten, bei näherer Untersuchung, nun als der Zauber vorüber war, aus nichts als Erdknollen bestanden hätten. –

Die Elfen hatten ein neugeborenes Kind in ihren Shian gebracht und holten hernach auch die Mutter, damit sie wenigstens ihr eigenes Kind säuge. Eines Tags während dieser Zeit bemerkte die Frau, daß die Elfen geschäftig waren, allerlei Zutaten in einen siedenden Kessel zu werfen, mit der Mischung, so bald sie fertig war, sorgfältig ihre Augen bestrichen, das übrige aber zu zukünftigem Gebrauch aufhoben. Sie wollte nun, als alle abwesend waren, ihre eigenen Augen mit der köstlichen Salbe bestreichen, hatte aber nur Zeit, es mit dem einen zu versuchen, da die Elfen zu schnell zurückkehrten. Doch mit diesem einen Auge war sie von nun an im Stande jedes Ding zu sehen, wie es wirklich in den Shian kam, nicht wie bisher in trügerischem Glanz und Schönheit, sondern in seiner wahren Farbe und Gestalt. Die flimmernden Zierraten des Gemachs waren nichts weiter mehr, als Mauern einer dunklen Höhle. Bald darnach, als sie ihrer Pflicht ein Genüge getan hatte, wurde sie nach Haus entlassen, immer aber behielt sie die Gabe, mit ihrem gekräftigten Auge alles, was durch Trug entstellt vor sie kam, in seiner natürlichen Gestalt zu sehen. Eines Tages mitten unter dem Gedränge von Menschen erblickte sie von ungefähr den Elfen, in dessen Besitz sie ihr Kind gelassen hatte, obgleich er jedem andern Auge unsichtbar war. Von mütterlicher Liebe angetrieben, ging sie ohne Rücksicht auf ihn zu und erkundigte sich nach dem Wohlergehen ihres Kindes. Der Elfe, im höchsten Grad erstaunt, von einem sterblichen Menschen erblickt zu werden, fragte, wie es ihr möglich gewesen sei, ihn zu entdecken. Erschreckt von seinen furchtbaren Mienen, bekannte sie, was sie getan hatte. Er spie ihr in das Auge und es erblindete auf immer.6

Capitain George Burton teilte für Richard Bovets Pandämonium, welches 1684 erschien, folgendes mit.

»Vor etwa fünfzehn Jahren hielt ich mich in Geschäften zu Leith bei Edinburgh einige Zeit auf und fand mich mit meinen Bekannten öfters in einem anständigen Haus, wo wir ein Glas Wein tranken. Die Hausfrau erzählte mir eines Tages, in der Stadt lebe ein Elfenknabe, wie sie ihn nannte und als ich ihn zu sehen wünschte, zeigte sie mir ihn bald darnach und sagte:

‚Schaut, Herr, jener dort ist es, der mit den andern Knaben spielt.‘

Ich ging hin und durch freundliche Worte und ein Stück Geld bewog ich ihn, mit mir ins Haus zu gehen, wo ich ihm in Gegenwart der Leute verschiedene astrologische Fragen vorlegte, die er mit vieler Genauigkeit beantwortete und in allem, was er hernach noch sagte, zeigte er sich weit über sein Alter, da er nur zehn bis elf Jahre zu haben schien. Als er mit den Fingern auf den Tisch trommelte, fragte ich ihn, ob er die Trommel zu schlagen verstehe?

‚Ja, Herr, so gut als einer in Schottland, jede Donnerstagnacht schlage ich sie für ein gewisses Volk, welches in jenem Berg (er meinte den großen Berg zwischen Edinburgh und Leith) zusammenzukommen pflegt.‘

‚Was für eine Gesellschaft ist das?‘ fragte ich.

‚Eine große Gesellschaft von Männern und Frauen, die außer meiner Trommel noch mancherlei Art von Musik haben und Überfluß an Speisen und Wein; manchmal werden wir nach Frankreich oder Holland in einer Nacht geführt und auch wieder zurückgebracht und genießen dort die Vergnügungen des Landes.‘

Ich fragte, wie man in den Berg komme?

‚Durch zwei große Tore‘, antwortete er, ‚die sich öffnen, andern aber unsichtbar sind, drinnen sind schöne, große Zimmer, so schön eingerichtet, wie irgendwo in Schottland.‘

Ich fragte, wie ich wissen könne, daß das, was er sage, wahr sei? Er antwortete, er wolle mir mein Schicksal voraussagen, ich würde zwei Weiber haben und er sehe die Gestalt der einen auf meinen Schultern sitzen, beide wären schöne Frauen. Bei diesen Worten kam eine Frau aus der Nachbarschaft in die Stube und fragte ihn nach ihrem Schicksal. Er sagte ihr, sie würde zwei Kinder haben vor ihrer Verheiratung, worüber sie so aufgebracht wurde, daß sie nichts weiter hören wollte. Die Hausfrau sagte mir, alle Menschen in Schottland wären nicht im Stand, ihn von seinem Besuch in der Donnerstagnacht zurückzuhalten. Da ich ihm Aussicht auf ein größeres Geldgeschenk machte, versprach er mir nächsten Donnerstag Nachmittag sich in diesem Haus wieder einzufinden. Er kam wirklich und ich hatte mit einigen Freunden verabredet, ihn von seinem nächtlichen Gang abzuhalten. Er saß zwischen uns und beantwortete verschiedene Fragen bis gegen elf Uhr, wo er unbemerkt sich entfernte, doch ihn sogleich vermissend sprang ich zu der Türe, hielt ihn fest und brachte ihn wieder zurück. Wir bewachten ihn alle, aber plötzlich war er wieder draußen vor der Türe. Ich folgte ihm nach, auf der Straße machte er ein Geräusch, als wenn er wäre ergriffen worden und von der Zeit an sah ich ihn nicht mehr.«

Die Elfen sollen in ihrer Verbindung mit Menschen manchmal sündlichen Neigungen und Begierden unterliegen, wovon die Folgen nicht ausbleiben. Vor langer Zeit lebte in der Nachbarschaft von Cairngorm in Strathspey eine Wehmutter. Eines Abends spät, als sie eben im Begriff war zu Bett zu gehen, klopfte jemand heftig an ihre Türe. Sie öffnete und fand einen Mann zu Pferd, der sie bat unverzüglich mit ihm zu reiten, weil das Leben einer Frau in Gefahr sei. Er gestattete ihr nicht einmal, sich besser anzukleiden, sondern sie mußte so wie sie war auf seinem Schimmel hinten aufsitzen. Sie flogen davon und er gab ihr auf ihre Fragen keine andere Antwort, als daß sie für ihre Mühe reichlich sollte belohnt werden. Als sie ängstlicher wurde, sagte der Elfe: »liebe Frau, ich führe Euch in ein Elfenhaus, wo Ihr einer Elfin beistehen sollt, aber ich versichere Euch, bei allem was heilig ist, Euch soll kein Leid widerfahren, sondern sobald euer Geschäft beendigt ist, sollt Ihr wohlbehalten wieder nach Hause gebracht werden und eine Belohnung erhalten, wie Ihr sie nur wünschen mögt.« Der Elfe war ein hübscher, junger Bursche, dessen Offenherzigkeit und freundliches Wesen ihr die Furcht benahm. Sie entband die Elfin von einem schönen Knaben, worüber alles in Freude war; sie verlangte und erhielt zur Belohnung, daß sie und ihre Nachkommen immer glücklich in diesem Beruf sein sollten.

Die Elfen besitzen große Kräfte und wissen sie klug anzuwenden. Sie sind die geschicktesten Handarbeiter von der Welt und jeder Elfe vereinigt in seiner Person die verschiedenartigsten Fertigkeiten; er ist sein eigener Weber, Schneider und Schuhmacher.

Ein Weber ward einmal Mitternachts durch ein starkes Geräusch aus seinem Schlaf aufgeweckt. Als er aus dem Bett sah, erblickte er seine Stube voll arbeitender Elfen, welche sich seines Werkzeugs ohne Umstände bedienten. Sie waren beschäftigt einen großen Sack der feinsten Wolle in Tuch zu verwandeln. Der eine kämmte, der andere spann, der dritte webte, der vierte preßte und das Geräusch, bei diesen verschiedenen Beschäftigungen, so wie die Ausrufungen der Elfen, verursachten den gewaltigsten Lärm. Indessen, eh es Tag wurde, hatten sie ein Stück Tuch von mehr als fünfzig Ellen zustand gebracht und gingen davon, ohne dem Weber für den Gebrauch seines Geräts nur zu danken.

Ein Elfe nähte einem Bergschäfer ein paar Schuhe in der Zeit, wo dieser eine Mehlsuppe anrührte, und ein anderer rasierte einen Bekannten mit einem Messer nicht schärfer als eine flache Hand.

Als Baumeister haben sie nicht ihres gleichen; das beweisen schon ihre eigenen Wohnungen, denn diese sind so dauerhaft, daß sie einige tausend Jahr Wetter und Wind ausgehalten und an nichts gelitten haben, als etwa an Verstopfung des Rauchfangs.

Wunderwürdig sind die Bauten, die sie unter der Leitung des berühmten Baumeisters Michael Scott ausgeführt haben. Dieser pflegte in seiner früheren Zeit jährlich einmal nach Edinburgh zu reisen und sich dort nach Arbeit umzusehen. Einstmals befand er sich mit zwei Gefährten auf dem Weg dahin, sie mußten über einen hohen Berg, wahrscheinlich einen von den Grampians und ermüdet von dem Steigen ruhten sie oben aus. Bald aber wurden sie durch das Zischen einer großen Schlange erschreckt, die auf sie zu schoß. Michaels beide Gefährten ergriffen die Flucht, doch er beschloß mutig standzuhalten und als sie ihm eben den tödlichen Biß versetzen wollte, hieb er mit einem Streich seines Stocks das Ungeheuer in drei Stücke. Nachdem er seine erschrockenen Gesellen eingeholt hatte, setzten sie ihren Weg fort und kehrten bei anbrechender Nacht in das nächste Wirtshaus. Hier unterhielten sie sich über Michaels Abenteuer mit der Schlange, welches zufällig die Wirtin mit anhörte. Ihre Aufmerksamkeit schien erregt und als sie vernahm, daß die Schlange weiß gewesen sei, bot sie demjenigen, der ihr das Mittelstück holen wollte, eine ansehnliche Belohnung. Da die Entfernung nicht groß war, so machte sich einer von den dreien auf, er fand noch das mittlere und das Schwanzstück, das Stück mit dem Kopf war fort und hatte sich wahrscheinlich in das benachbarte Wasser geflüchtet, um nach Art der Schlangen, die mit Menschen gekämpft haben, sich wieder zu einem Ganzen herzustellen. (Merkwürdig genug, daß ein Mensch, der einen Biß von einer Schlange erhalten hat, unfehlbar geheilt wird, wenn er das Wasser vor der Schlange erreicht.) Als die Wirtin das Stück Schlange, welches beständig voll Leben zuckte, empfing, schrie sie schien im höchsten Grade darüber erfreut und setzte ihren Gästen das beste vor, das ihr Haus vermochte. Michael, neugierig was die Frau mit der Schlange anfangen wolle, erlitt plötzlich einen heftigen Anfall von Leibschmerzen, die nur dadurch gelindert wurden, daß er sich nah ans Feuer setzte, dessen Wärme ihm äußerst wohltätig schien. Die Wirtin merkte von der Verstellung nicht das geringste und da sie dachte, daß jemand, der an solchen Schmerzen leide, nicht leicht Neugierde empfinden und ihre Töpfe untersuchen würde, so erlaubte sie ihm gerne, die ganze Nacht neben dem Feuer zuzubringen. So bald die andern alle zu Bett waren, machte sie sich an ihr wichtiges Geschäft und Michael hatte Gelegenheit, durch das Schlüsselloch alles genau zu beobachten. Er sah wie sie unter Gebräuchen und Feierlichkeiten die Schlange mit geheimen Zutaten in einen Topf tat, welcher hierauf zu dem Feuer gebracht wurde, wo Michael lag, und bis zum Morgen kochen sollte. Ein oder zweimal in der Nacht kam die Frau unter dem Vorwand nach dem Kranken zu sehen und ihm eine Herzstärkung zu bringen; sie tauchte dann ihre Finger in die Pfanne mit Brühe, worauf der Hahn auf der Stange laut krähte. Michael verwunderte sich über diesen Einfluß der Brühe auf den Hahn und konnte der Versuchung, ihrem Beispiel zu folgen nicht widerstehen. Zwar kam ihm die Sache etwas verdächtig vor und er fürchtete, der Böse möchte mit im Spiel sein, doch zuletzt war seine Begierde mächtiger, als alle Vernunftgründe. Er tauchte mit dem Finger in die Brühe und berührte damit die Spitze seiner Zunge und sogleich verkündigte der Hahn das Ereignis in einem traurigen Ton. Michael empfing augenblicklich ein neues, ihm vorher völlig unbekanntes Licht und die erschrockene Wirtin hielt es für klug, ihn ganz in ihre Geheimnisse einzuweihen. Mit diesen übernatürlichen Kenntnissen ausgerüstet verließ Michael am andern Morgen das Haus. Er brachte bald einige tausend von des Teufels besten Arbeitsleuten in seine Gewalt, die er so geschickt in seinem Fach zu machen wußte, daß er die Bauten des ganzen Reichs übernehmen konnte. Von ihm rühren noch einige wunderbare Werke in dem Norden der Grampians, einige jener erstaunungswürdigen Brücken, die er in einer Nacht baute, während nur zwei oder drei Arbeiter dabei sichtbar waren. Einmal war ein Werk eben fertig geworden und seine Dienstleute drängten sich nach ihrer Gewohnheit zu seinem Haus und schrien: Arbeit! Arbeit! Arbeit! Verdrießlich über dieses unaufhörliche Quälen, rief er ihnen spottend zu, sie sollten einen Landweg bauen von Fortrose nach Arderseir über die Meerenge von Moray. Alsbald hörte das Geschrei auf und Scott, der es für unmöglich hielt die Aufgabe zu lösen, lachte sie aus und blieb zurück. Den andern Morgen bei anbrechendem Tag ging er hinaus ans Ufer, aber wie groß war sein Erstaunen, als er sah, daß das unerhörte Werk so weit bereits gediehen war, daß nur noch wenig Stunden zu seiner Vollendung nötig waren. In der Ungewißheit aber, wie viel Nachteil daraus für den Handel erwachsen würde, gab er Befehl, den größten Teil des Werks wieder zu zerstören und ließ nur zum Wahrzeichen und Andenken ein Stück zu Fortrose stehen, das der Reisende noch heutzutag erblickt. Die Elfen, abermals ohne Arbeit, kamen aufs neue mit ihrem Geschrei und Michael wußte mit allem Scharfsinn keine unschädliche Beschäftigung für sie aufzufinden, bis er endlich befahl: »geht und windet mir Seile, welche mich auf den Mond bringen und macht sie aus Mühlenschlamm und Meersand.» Das verschaffte ihm Ruhe und wenn es an anderer Arbeit fehlte, so schickte er sie ans Seil drehen. Zwar glückte es ihnen nicht, eigentliche Seile zu Stand zu bringen, allein man sieht doch bis auf diesen Tag an dem Meer noch Spuren ihrer Arbeit. Als Michael Scott einmal mit jemand in Streit geriet, der ihn beleidigt hatte, so schickte er ihn zur Strafe an jenen unseligen Ort, wo der Böse mit den seinigen haust. Der Teufel aber, ärgerlich daß Michael sich dergleichen Dinge herausnahm, zeigte dem Ankömmling die ganze Hölle, endlich auch zu seinem Trost das Lager, das er dem Michael bereitet hatte; es war mit allen erdenklichen Arten abscheulicher Bestien angefüllt, mit Kröten, Eidechsen, Blutigeln und eine gräuliche Schlange sperrte den Rachen auf. Zufrieden mit diesem Anblick kehrte der Fremde zur Oberwelt zurück, er erzählte, was er gesehen hatte und verhehlte auch niemand, was den Michael Scott dort unten erwarte, sobald er in die andere Welt werde hinübergegangen sein. Doch Michael verlor die Fassung nicht und erklärte, daß er den Teufel in seiner Erwartung betrügen wolle. »Wenn ich tot bin«, sagte er, »so öffnet meine Brust und nehmt mein Herz heraus. Steckt es an einem öffentlichen Platz, wo es jedermann sehen kann, auf eine hohe Stange. Soll der Teufel meine Seele haben, so wird er in Gestalt eines schwarzen Raben kommen und sie wegholen, soll sie aber gerettet werden, so wird sie eine weiße Taube holen; das soll Euch ein Wahrzeichen sein.« Sie taten bei seinem Tode, wie er verlangt hatte; ein großer, schwarzer Rabe kam von Osten mit großer Schnelligkeit, während mit gleicher Eile von Westen eine weiße Taube sich näherte. Der Rabe stieß wütend nach dem Herzen, fehlte und fuhr vorbei, die Taube aber, die zu gleicher Zeit anlangte, trug es unter dem Freudengeschrei der Zuschauer fort.

Man bemüht sich mit den Elfen, die so große Macht haben und dabei so launenhaft sind, in gutem Vernehmen zu stehen. Obgleich schon alles Flüssige, was auf den Boden geschüttet wird, ihnen zukommt, so bestimmen manche ihnen absichtlich einen Teil von dem besten, was sie haben. Manchmal befinden sich die unterirdischen Wohnungen der Elfen in der Nähe der Menschen oder wie das Volk spricht: »unter der Türschwelle« und dann entsteht wohl ein Verkehr mit den Menschen durch Borgen und Leihen und andere freundliche Dienste. In dieser Eigenschaft werden sie gute Nachbarn genannt;7 sie sorgen dann insgeheim für die Bedürfnisse ihrer Freunde und stehen ihnen in allen Unternehmungen bei, so lange ihre Gunstbezeugungen heimlich gehalten werden.

Ein Pächter in Strathspey war beschäftigt seine Ländereien zu besäen und sang dazu ein fröhliches Lied, als eine Elfin von großer Schönheit vor ihm erschien. Sie bat ihn, ihr zu Gefallen, ein altes gälisches Lied zu singen, als er das getan hatte, verlangte sie auch ein Geschenk an Korn. Er fragte, was sie ihm dafür geben wollte? Sie antwortete, wenn er ihren Wunsch erfülle, sollte es ihm an Saat so bald nicht fehlen. Er gab ihr ein hübsches Teil aus seinem Sack und sie entfernte sich. Bald ward er angenehm überrascht, als er bemerkte, daß der Sack, nachdem er einen großen Acker reichlich daraus besät hatte, nicht abnahm und an Größe und Gewicht noch ebenso war, als da er der Elfin begegnete. Er besäte noch einen andern Acker, ohne die geringste Verminderung zu spüren. Vergnügt ging er heim, aber sein geschwätziges Weib, das eine Zunge hatte und einen leeren Kopf, wie die Glocke im Kirchturm, hörte nicht auf, ihre Verwunderung über diese unerklärliche Natur des Sacks an den Tag zu legen, woraus die Hälfte ihrer Ländereien war besät worden. Nun ist bekannt, daß wenn man eine übernatürliche Macht anruft, der Zauber alsbald gebrochen wird. So geschah es auch hier, der Sack ward augenblicklich leer. »Du dummes Weib!« rief der geschlagene Mann, »hättest du deine verwünschte Zunge im Zaum gehalten, was der Sack wog, hätte Goldes Wert gehabt!«

Gottfried Macculloch ritt aus, als nahe bei seinem Hause ein kleiner alter Mann in grün gekleidet auf einem weißen Klepper sich zu ihm gesellte. Sie grüßten sich und der Kleine gab ihm zu verstehen, daß er unter seinem Haus wohne und sehr über die Richtung eines Kanals zu klagen habe, der sich gerade in sein bestes Zimmer ausleere. Macculloch stutzte über diese seltsame Bitte, doch da er die Natur des Wesens erriet, mit dem er es zu tun hatte, so versicherte er den alten Mann aufs freundlichste, daß der Kanal eine andere Richtung erhalten sollte und traf auch sogleich die nötigen Anstalten. Einige Jahre hernach (1697.) hatte Macculloch das Unglück einen benachbarten Edelmann im Streit zu töten; er wurde ergriffen und gerichtet. Das Blutgerüst, auf welchem ihm das Haupt sollte abgeschlagen werden, war schon auf Castlehill bei Edinburgh aufgebaut, aber kaum hatte er es erreicht, als jener kleine, alte Mann auf seinem weißen Pferdchen wie ein Blitz durch das Gewühl der Menschen daher drang. Macculloch sprang auf sein Geheiß hinten auf, »der gute Nachbar« spornte sein Pferd den steilen Abhang hinunter und weder er noch der Verbrecher wurden je wieder gesehen.

Durch Notwendigkeit werden die Elfen nicht angetrieben die Menschen heimlich und mit List zu berauben, ein inneres Gelüsten scheint sie anzureizen. Der Wirbelwind ist nicht das einzige Kunststück, dessen sie sich bedienen, etwas zu stehlen, sie nehmen ihre Zuflucht zu andern, viel verderblichem und stiften Unglück, wie Feuersbrünste an, um daraus Vorteil zu ziehen.

Ein Elfenweib, das in den Türmen von Craig-ail-naic wohnte, bat eine Pächtersfrau in Delnabo um etwas Hafermehl zur Nahrung für ihre Familie mit dem Versprechen, es ihr in kurzem zurückzugeben, da sie selbst bald reichlich damit würde versehen sein. Die Frau aus Furcht erfüllte das Verlangen der Elfin, bewirtete sie der Sitte gemäß mit einem Schlückchen, Brot und Käse und gab ihr noch das Geleit. Als sie eine Anhöhe vor der Stadt hinaufstiegen, machte »die Banshi« Halt und mit sichtbarer Freude sagt sie der Frau, sie möge ihr Mehl wieder mit heim nehmen, sie wäre nun, wie sie erwartet hätte, versehen. Die Frau, ohne die Elfin zu fragen, woher sie denn Mehl erhalten habe, nimmt vergnügt das ihrige und geht zurück. Wie erstaunt sie aber, als sie wenig Minuten darnach den Kornboden einer benachbarten Meierei in vollen Flammen erblickt!

Ein Pächter, welcher die Meierei von Auchriachan, von Strathavon, inne hatte, suchte eines Tags seine Ziegen auf einem entfernten Berg in Glenlivat, als ein dicker Nebel ihm den Weg entzog und seine Sinne verwirrte. Jeder Stein war in seinen Augen groß als ein Berg, jeder kleine Bach schien in entgegengesetzter Richtung zu laufen und der arme Wanderer gab die Hoffnung auf, je wieder heim zu seinem Feuerherd zu gelangen. Beim Anbruch der Nacht setzte er sich nieder, ganz erstarrt und sein Ende erwartend, als er ein Lichtchen schimmern sah. Seine Glieder bekamen bei dem Anblick neue Kräfte, er raffte sich auf und eilte dem Licht zu. Dabei angelangt sah er, daß es ein wilder Ort war, den ein menschlicher Fuß schwerlich schon betreten hatte, doch faßte er sich Herz und trat zu der offenen Türe ein. Wie sank sein Mut, als er auf eine alte Bekannte stieß, deren Leiche er vor kurzem zu Grab geleitet hatte und welche hier, wie es schien, den Dienst einer Haushälterin versah. Sie sprang sogleich auf ihn zu und sagte ihm, daß es um ihn geschehen wäre, wenn er nicht in eine Ecke schlüpfe, wo er ausharren müsse, bis sich eine Gelegenheit finde zu entfliehen. Er befolgte ihren Rat, kaum war er dort versteckt, als eine unermeßliche Menge Elfen hereintrat, die von einer wichtigen Unternehmung zurückkamen, sehr hungrig waren und nach Speise schrien. »Was haben wir zu essen?« fragten sie. Da sagte ein alter, klug aussehender Elfe, der beim Feuer saß: »Ihr alle kennt und verabscheut den alten elenden Burschen zu Auchriachan, lumpig und geizig wie er ist, läßt er uns nichts zufließen und entzieht uns sogar, was uns gebührt. Von seiner alten Großmutter, der Hexe, hat er gelernt alles einzusegnen und in Schutz zu stellen und wir können nicht einmal Nachlese auf seinen Feldern halten, geschweige zu der Frucht selbst gelangen. Diese Nacht ist er nicht zu Haus, weil er seine Ziegen sucht, eure gute Bekannte«; (denn die Ziegen sollen in gutem Vernehmen mit den Elfen stehen und mehr wissen, als man dem Anschein nach glauben sollte) »seine nachlässigen Hausleute haben an die Sicherheitsmittel nicht gedacht, und wir können jetzt über all sein Eigentum schalten und walten; kommt, laßt uns sein Lieblingsrind zu unserm Abendessen holen!« »Wohlan«, riefen alle einstimmig, »Thomas Rymer hat Recht, der Pächter von Auchriachan ist ein erbärmlicher Wicht, wir holen sein Rind!« »Aber wo nehmen wir Brot her?« sagte ein anderer grauhaariger Elfe. »Wir nehmen auch sein frisch gebackenes Brot«, sagte der kluge Ratgeber, »er ist ein elender alter Bursche und sein Weib hat vergessen das Kreuz über den ersten Laib zu machen.« Das alles hörte der arme Mann in der Ecke und hatte noch den Verdruß mit anzusehen, wie sein Rind hereingeführt und geschlachtet wurde. Während alle sich mit Zubereitung des Fleisches beschäftigten, hatte die Alte Gelegenheit, ihn zu befreien. Als er herauskam, war der Nebel verschwunden, die Steine hatten ihre gewöhnliche Größe und der Mond schien so silberhell, daß er ohne Schwierigkeit den Weg nach Haus fand. Seine Familie empfing ihn mit großer Freude und die Frau, die glaubte, er würde hungrig sein, brachte Milch und frisch gebackenes Brot und lud ihn ein, es sich schmecken zu lassen, doch er ließ es stehen, denn er wußte, daß das Brot kein wahres Brot war, nur ein abscheulicher Trug. Er fragte nach seinem Rind und ob man es wie gewöhnlich vor böser Gewalt gesichert habe? »Ach nein, mein Vater, aus großer Sorge über Euch habe ich es vergessen.« »Ach!« rief der arme Mann, »mein liebstes Rind ist verloren!« »Wie?« sagte der Sohn, »ich sah es noch vor zwei Stunden.« »Das war nichts als ein trügerischer Balg von den Elfen, bring es schnell her, damit ich es wegschaffe.« Und unter den heftigsten Ausdrücken gegen die boshaften Betrüger führte er einen so kräftigen Streich auf des Rindes Stirne, daß es zu Boden fiel. Es lag zusamt dem Brot und weder Hund noch Katze mochten es anrühren.

Zu den bösen Gelüsten der Elfen gehört auch die Neigung Kinder zu stehlen, wobei sie eine besondere Geschicklichkeit bezeigen. Oft haben sie einer unerfahrenen Mutter ihr liebes Kind am hellen Tag weggenommen und einen Wechselbalg an seine Stelle gelegt, dessen lügenhafte Krankheit und Tod die Last der armen Eltern noch schwerer machte. Aber auch dem Vater, der sein Kind mit aufs Pferd genommen hatte, haben sie es vom Arm weg gestohlen.

Zwei Männer von Strathspey pflegten eine Familie in Glenlivat wegen eines Nachts am sichersten zu treibenden Verkehrs mit gebranntem Wasser zu besuchen. Einmal als sie eben mit Zumessen in dem Hause dort beschäftigt waren, stieß das kleine Kind, das in der Wiege lag, einen heftigen Schrei aus, als wenn es ein Schuß getroffen hätte. Die Hausfrau schlug sogleich das Kreuz über das Kind und hob es aus der Wiege, die beiden Männer hatten aber nicht weiter Acht darauf und als ihr Geschäft zu Ende war, machten sie sich mit ihrer Ladung auf den Weg. In geringer Entfernung von dem Haus waren sie nicht wenig verwundert, ein kleines Kind ganz allein auf der Landstraße zu finden. Einer von ihnen nahm es auf den Arm, alsbald hörte es auf zu schreien und schlang mit großer Zärtlichkeit seine Ärmchen ihm um den Hals und lachte. Als sie es genauer betrachteten, erkannten sie das Kind ihres Freundes und hatten gleich Verdacht auf die Elfen, zumal sie sich des ausgestoßenen Schreis erinnerten. Sie hatten das rechte Kind entwendet und einen Wechselbalg an seine Stelle gelegt, aber als die Mutter ein Kreuz schlug, wurde jenes von der Gewalt der Elfen befreit, welche es alsbald verlassen mußten. Da beider Männer Zeit beschränkt war und sie nicht sogleich wieder umkehren konnten, um die geheimnisvolle Begebenheit aufzuklären, so setzten sie ihre Reise fort, sorgten aber bestens für den kleinen Findling. Vierzehn Tage nachher führten Geschäfte sie wieder nach Glenlivat, sie nahmen das Kind mit, verbargen es aber bei ihrer Ankunft. Die Hausfrau fing sogleich an über die hartnäckige Kränklichkeit ihres Kindes zu klagen, womit es seit ihres vorigen Besuches behaftet sei und die seinen Tod gewiß zur Folge haben würde. Während dieser Klagen stieß der Wechselbalg das erbärmlichste Geschrei aus, als hätten seine Schmerzen den höchsten Grad erreicht. Die Fremden hießen die Mutter gutes Mutes sein und sagten, sie solle das rechte Kind wieder haben frisch und gesund wie der Fisch im Wasser, das andere sei nichts als ein Wechselbalg. Die Mutter nahm ihr rechtes Kind mit Freuden in Empfang und die Fremden ließen ein Bund Stroh anzünden, um den Wechselbalg hinein zu werfen, welcher aber bei diesem Anblick durch den Rauchfang forteilte.

Will eine Mutter ihr Kind vor den Elfen sichern, so ist es gut, den Kopf desselben herunter hängen zu lassen, wenn sie es Morgens ankleidet. Ein roter Faden um den Hals geknüpft oder ein Kreuz schützt gleichfalls. Ist das Kind wirklich schon mit einem Wechselbalg vertauscht, so kann sie es auf folgende Art wiedererhalten. Der Wechselbalg wird da, wo drei Länder oder drei Flüsse zusammenstoßen, hingelegt und zwar ehe die Nacht einbricht, in der Nacht bringen dann die Elfen das gestohlene rechte Kind, legen es hin und nehmen das falsche mit fort.

An der Ostküste von Schottland hat man einen besonderen Gebrauch, die Gefahr abzuwenden. Im März bei zunehmendem Mond werden Zweige von Eichen und Efeu abgeschnitten und davon Kränze geflochten, die man bis zum nächsten Herbst aufbewahrt. Wenn hernach jemand abmagert oder ein Kind zusammenfällt, so läßt man es dreimal durch diesen Kranz gehen.

Aber die Elfen streben auch nach Frauen, die der Geburt eines Kindes entgegensehen und ebenso wie bei dem Diebstahl der Kinder, schieben sie ein falsches und lügenhaftes Wesen unter.

Zu Glenbrown im Kirchspiel Abernethy lebte Johann Roy, ein mutiger Mann. Eines Abends ging er über die Berge und geriet in einen Haufen Elfen, deren Art zu reisen schon anzeigte, daß sie jemand mit sich führten. Er erinnerte sich daran, daß ihm gesagt war, die Elfen müßten für eine, wenn auch geringere, zum Tausch dargebotene Gegengabe das, was sie hätten, loslassen. Johann Roy nahm seine Mütze ab, warf sie unter sie und rief: »Das meine ist euer, das eurige mein!« worauf die Elfen genötigt waren, die Mütze zu nehmen und ihren Raub aufzugeben, welcher in nichts anderem bestand, als einer schönen Frau, ihrer Tracht und Sprache nach von sächsischer Abkunft. Mit vieler Freundlichkeit führte sie Johann Roy in sein Haus, wo sie sieben Jahre lang mit der größten Aufmerksamkeit behandelt wurde. Sie gewöhnte sich nach und nach an ihren neuen Zustand und ward als ein Teil der Familie behandelt. Es ereignete sich, daß »der neue König« die große Landstraße in dieser Gegend durch Soldaten anlegen ließ. Johann Roy vergaß seinen Widerwillen gegen »einen Sachsen« und bot einem Hauptmann und seinem Sohn, welche eine Abteilung in der Nähe arbeitender Leute befehligten, bei sich ein Unterkommen an, das sonst schwer wäre zu finden gewesen. Beide, Gäste und Wirt, waren bald sehr miteinander zufrieden; nur war diesem unangenehm, daß jene seinen englischen Findling immer so aufmerksam betrachteten. Einmal sagte der Vater zu seinem Sohn: »Mir fällt die Ähnlichkeit dieser Frau mit meiner verstorbenen Gattin auf, zwei Schwestern können einander nicht mehr gleichen und wäre es nicht ganz unmöglich, so würde ich sagen, dies sei meine liebe, verstorbene Frau!« und nannte ihren Namen. Die Frau, aufmerksam auf ihr Gespräch, als sie ihren wahren Namen nennen hört, erkennt Gatten und Sohn, und fällt ihnen um den Hals. Die Elfen, die den Shian von Coirlaggack bewohnen, hatten eine Fahrt in das südliche England unternommen und sich kein Gewissen daraus gemacht, die Frau bei ihrer Entbindung zu stehlen. Eine falsche Gestalt ward an ihre Stelle gelegt, welche wenige Tage darnach starb und die der Mann, in der vollen Überzeugung, daß es die wahre Frau sei, begraben ließ.

Die schändlichste Handlung der Elfen besteht aber darin, daß sie Menschen und Tiere mit einem Zaubergeschoß töten, gewöhnlich Elfenkeil (Elfbolt) genannt. Diese Keile sind verschiedener Größe, hart und gelblich, dem Feuerstein einigermaßen ähnlich, den sie allenfalls ersetzen könnten. Der Keil hat häufig die Form eines Herzens, dessen Ränder scharf gezahnt sind, gleich einer Säge. Diese tödliche Waffe werfen die Elfen nach Menschen und Tieren mit solcher Sicherheit, daß sie selten ihr Ziel verfehlen und wen sie einmal damit berühren, der ist verloren. So groß ist die Gewalt, womit er trifft, daß, so wie er seinen Gegenstand berührt, er auch augenblicklich ihm das Herz durchbohrt und eh man ein Auge zutut, liegt schon der Mensch oder das Tier tot und kalt auf der Erde. Und seltsam genug, ein gewöhnlicher Mensch ist nicht im Stand, die Wunde zu finden, wo er nicht die Kraft besitzt, die einige weise Leute fähig macht, dem Weg, den der Keil genommen hat, nachzuspüren und ihn in dem toten Körper zu entdecken. Hat man ihn gefunden, so muß man ihn sorgfältig bewahren, denn wer ihn besitzt, ist gegen einen solchen Tod gesichert.

Die rohen Streit-Äxte von Metall, welche man findet, haben Elfen verfertigt, die man in den Abgründen und Felsenhöhlen hämmern hört. Die durchbohrten und abgerundeten Steine, die sich durch Reibung in den Flußbetten bilden, sind Becher und Schüsseln der Elfen.

Manchmal schneidet der Wetterstrahl mit besonderer Regelmäßigkeit Stücke Rasen aus dem Boden, diese, glaubt man, hätten die Elfen herausgehoben.

In den schönen Herbsttagen, wenn die Felder abgeerntet sind und eine Anzahl Vieh aus verschiedenen Meiereien zusammengebracht wird, so rennen die Tiere oft wie toll herum und brüllen, obgleich keine Veranlassung dieser Unordnung zu sehen ist. Blickt man aber durch ein Elfenastloch, oder durch die Öffnung, die ein Elfenkeil durch die Haut eines von dem Elfenschuß getroffenen Tiers gemacht hat, so kann man den Elfstier sehen, der sich mit dem stärksten Stier in der Herde stößt; doch man sieht hernach mit dem Auge nie wieder und mancher hat auf diese Art sein Gesicht verloren. Der Elfstier ist klein in Vergleich mit dem natürlichen, mausefarbig, hat gestutzte Ohren, kurze korkartige Hörner, kurze Beine, aber einen langen, geschwungenen Leib gleich einem wilden Tier; sein Haar ist kurz, glatt und glänzend, wie bei einer Otter. Dabei ist er übernatürlich mutig und stark. Er zeigt sich zumeist an den Ufern der Flüsse und frißt gern in der Nacht grünes Korn.

Ein Pächter, der bei einem Fluß wohnte, hatte eine Kuh, die niemals einen natürlichen Stier zuließ, aber jedes Jahr an einem bestimmten Tag im Mai regelmäßig von der Weide sich entfernte und langsam an den Ufern des Flusses wandelte, bis sie einer kleinen mit Gebüsch bewachsenen Insel gegenüber war, dann ging sie in den Fluß, watete oder schwamm zu der Insel, blieb dort eine Zeit lang und kam dann wieder auf die Weide zurück. Dies dauerte mehrere Jahre und jedesmal zu der gewöhnlichen Zeit warf sie ein Kalb, welches vollkommen dem Elfstier glich. Um Martini, an einem Vormittag, als das Korn unter Dach und abgemessen war, saß der Pächter beim Feuer und es war die Rede von dem, was zu Weihnachten sollte geschlachtet werden. Er sagte: »Die Kuh soll daran, sie ist wohlgenährt und hat im Pflug gute Dienste geleistet, die Ställe mit schönen Stieren angefüllt, wir wollen ihre alten Knochen jetzt abnagen.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so drang die Kuh mit ihren Jungen durch die Wände, als wenn sie aus braunem Papier beständen, ging um den Misthaufen herum, brüllte ein jedes ihrer Kälber an, und dann trabte sie hinaus, die Jungen hinter ihr drein, in einer Reihe nach ihrem Alter, dem Ufer zu, wo sie ins Wasser gingen, die Insel erreichten und in dem Gebüsch verschwanden. Man hörte noch sah je etwas von ihnen.

An der Nordküste von Schottland lebte ein Mann, der sich mit dem Fischfang abgab und vorzugsweise jene seltsamen Geschöpfe fing, die man Seehunde nennt, deren Häute ihm gut bezahlt wurden. Aber die meisten sind nicht Hund oder Fisch, sondern ganz eigentlich Elfen. Eines Tages, als der Fischer von seinem Gewerbe heimkam, wurde er von einem Manne angerufen, der ihm fremd vorkam und sagte, er sei von jemand abgeschickt, der mit ihm einen Handel über eine Anzahl Seehundsfelle schließen wolle, daß er ihn aber sogleich zu dieser Person begleiten müsse. Der Fischer, erfreut über die Aussicht auf einen guten Handel, willigt ein und beide besteigen zwei dem Fremden zugehörige Pferde und reiten so geschwind, daß der Wind, der ihnen vom Rücken her kommt, wegen der Schnelligkeit ihrer Bewegung ins Gesicht zu blasen scheint. Als sie bei einem furchtbaren in die See hinein ragenden Abhang angelangt sind, sagt der Führer, sie wären jetzt an dem Ort ihrer Bestimmung, ergreift den Fischer mit übernatürlicher Kraft und stürzt sich mit ihm gerade ins Meer hinein. Sie sinken und sinken, bis sie endlich auf dem Grund zu einer offenen Türe gelangen, durch welche sie in eine Reihe von Gemächern treten, alle mit Seehunden angefüllt, die aber sprechen und menschliche Empfindung zeigen; zuletzt bemerkt der Fischer zu seinem höchsten Erstaunen, daß er selbst, ohne es zu wissen, in einen Seehund verwandelt worden ist. Sein Führer zog ein ungeheures Messer hervor und er glaubte sein Ende sei gekommen, aber jener beruhigte ihn und fragte, ob er das Messer nicht mehr gesehen habe? Er erkannte sein eigenes, womit er heute einen Seehund getroffen hatte, welcher ihm entwischt war. »Dies war mein Vater«, sagte der Führer, »er liegt gefährlich darnieder und kann ohne deine Hilfe nicht genesen.« Er führte den vor Angst zitternden Fischer zu dem Kranken, der in großen Schmerzen auf dem Bette lag; der Fischer mußte ihm mit eigener Hand die Wunde verbinden, worauf er unmittelbar hergestellt wurde und von seinem Lager aufstand. Die Trauer verwandelte sich in allgemeine Lust und Freude. Der Führer sagte zu dem Fischer: »Ich will dich selbst zu den deinigen zurückbringen, nur mußt du geloben, dein Lebtag keinen Seehund mehr zu töten.« Beide schwammen wieder aufwärts, bis sie die Oberfläche des Meers erreichten und bei dem Platz landeten, wo die Pferde schon bereit standen. Der Führer hauchte den Fischer an, und sie erhielten beide die menschliche Gestalt. Bei seiner Haustüre empfing der Fischer ein so großes Geschenk, daß er es nicht zu bedauern brauchte, seinem Handwerk entsagt zu haben.

Er spricht niemals von seiner Abkunft, doch scheint er, im Ganzen betrachtet, zu den Elfen zu gehören. Er ist von Gestalt nicht so schlank, aber wohlgewachsen und artig, dagegen ihn andere als mager und zottig schildern. Den Namen hat er von seiner besonders braunen Farbe. Er ist arbeitsam, auf den Vorteil seines Herrn bedacht und immer zur Hand, nach einigen Tag und Nacht, nach andern liegt er bei Tag in seinem Winkel versteckt und arbeitet bei Nacht. Alles tut er für magere Kost und zuweilen ein abgelegtes Kleidungsstück; ja er pflegt bei jeder anderen Belohnung zu verschwinden. Ein so wohlfeiler und nützlicher Diener ist also sehr schätzenswert, aber durch Geld nicht zu erkaufen. Er bleibt bei einer Familie, so lange noch ein Glied von ihr lebt und ist daher das Erbstück eines alten und geehrten Stammes. Neben beispielloser Treue wacht er unermüdlich für den Vorteil des Herrn und fördert ihn; und seine Dienste werden noch durch die Gabe, die Zukunft voraus zu verkündigen, erhöht. Über die Hausleute hält er genaue Aufsicht und berichtet ihre guten und bösen Handlungen, weshalb er auch selten in gutem Vernehmen mit ihnen steht; wird er ihrer Gunst überlassen, so erhält seine Treue aller Wahrscheinlichkeit nach keine sonderliche Belohnung. Will der Herr aber für seinen Vorteil sorgen, so muß er zusehen, daß der Brownie ordentlich Essen und Trinken erhält. Er streckt sich gerne nächtlich ans Feuer und wenn das Gesinde zu lange bei dem Küchenherd aufbleibt, so fürchtet er um seinen Platz zu kommen und erscheint manchmal an der Türe, als müsse er darauf sehen, daß sie zu rechter Zeit sich niederlegen, und ermahnt sie: »Geht zu Bette und verwahrt das Feuer!«

Eine Familie hatte einen Brownie und als die Hausfrau in Kindesnöten sich befand und der Knecht schnell nach Jedburg reiten und die Wehmutter holen sollte, aber sich nicht sehr beeilte, so schlüpfte der Brownie in den Überrock des Zaudernden, ritt auf dem besten Pferd des Herrn nach der Stadt, und nahm die Frau hinter sich. Während der Zeit war die Tweed, durch welche sie notwendig setzen mußten, angeschwollen; der Brownie, schnell wie ein Geist reitend, ließ sich nicht aufhalten. Er stürzte sich samt der erschrockenen alten Frau ins Wasser und kam glücklich mit ihr zu Haus an, wo man ihren Beistand erwartete. Nachdem er das Pferd in den Stall geführt hatte, wo man es nachher in einem sehr traurigen Zustande fand, ging er in die Kammer des Knechts und da dieser gerade im Begriff war, seine Stiefel anzuziehen, so versetzte er ihm ein paar tüchtige Hiebe mit seiner eigenen Peitsche. Ein so ausgezeichneter Dienst erregte die Dankbarkeit des Hausherrn und da er glaubte verstanden zu haben, daß der Brownie sich einen grünen Rock wünsche, so gab er Befehl einen solchen zu verfertigen und ihn an seinen Aufenthaltsort zu legen. Der Brownie nahm das Geschenk, war aber von dem Augenblick an nicht mehr zu sehen. Vielleicht begab er sich in seinem grünen Kleide zu den Elfen.

Der letzte Brownie, der im Wald von Ettrick bekannt war, wohnte in Bodsbeck, einem wilden und einsamen Grund, wo er ungestört lebte, bis die ängstliche Frömmigkeit einer alten Frau ihn auszuwandern nötigte, indem sie in seine Wohnung eine Schüssel mit Milch stellte und ein Stück Geld dabei legte. Nach diesem Wink sich zu entfernen hörte man ihn die ganze Nacht heulen und schreien: »Leb wohl, du liebes Bodsbeck!« welches er auf immer verlassen mußte.

Ehedem gehörte zu jeder ansehnlichen Familie ein Brownie, jetzt sind sie seltener geworden, die beiden letzten, die man in den Hochlanden gekannt hat, waren der alten Familie von Tullochgorm in Strathspey zugehörig. Es war Mann und Frau. Der Mann von heiterer, lustiger Gemütsart neckte oft die Leute; er war besonders darauf aus, nach den Vorübergehenden mit einem Klumpen Erde zu werfen, weshalb er den Namen Brownie-Clod erhielt. Gleichwohl war er bei aller guter Laune ziemlich einfältig und wurde von denen hinters Licht geführt, welchen er mitzuspielen gedachte. Das beste Beispiel ist ein Vertrag, den er mit den Knechten vom Tullochgorm einfältigerweise abschloß, worin er sich verbindlich machte, allein so viel Korn zu dreschen, als zwei Männer in einem ganzen Winter vermögen, wofür er einen alten Rock und eine Kappe von Kilmarnock, an welcher er großen Gefallen zu haben schien, erhalten sollte. Während die Knechte sich aufs Stroh legten und faulenzten, drosch der arme Brownie unaufhörlich. Kurz ehe der Vertrag zu Ende ging, legten die Burschen aus Dankbarkeit und Mitleiden den Rock und die Kappe in ein Kornmaß in die Scheune. Augenblicklich hörte er auf zu arbeiten und sagte höhnisch, da sie so einfältig gewesen wären und Rock und Kappe vor Beendigung der Arbeit gegeben hätten, so würde er sich hüten, noch eine einzige Garbe zu dreschen. – Die Frau dagegen, statt das Gelächter der Mägde zu sein, mit welchen sie arbeitete, war eine Art Gebieterin über sie. Sie stand selten in gutem Vernehmen mit ihnen, wegen der Treue, womit sie der Herrschaft jede Vernachlässigung der Pflicht anzeigte. Sie hatte einen großen Überfluß von Haaren auf dem Kopf, weshalb sie die haarige Mag (Maug Vuluchd) hieß. Sie war eine rechtschaffene und treffliche Haushälterin und besonders geschickt, bei Tisch aufzuwarten. Die Sorgfalt, womit sie immer unsichtbar den Tisch deckte, war für Fremde ein unterhaltender Anblick: das Verlangte kam wie durch die Luft geschwommen und setzte sich mit der größten Geschwindigkeit und Geschicklichkeit auf die Tafel; und an Reinlichkeit und Aufmerksamkeit war ihresgleichen nicht im ganzen Land.

  1. Graham, der diese Sage aus Überlieferung mitteilt und welche, wie Walter Scott S. 122. versichert, ebenso in den schottischen Hochländern als in den Niederungen in Umlauf ist, hat nicht gewußt, daß Gervasius von Tilbury sie mit einigen Verschiedenheiten in den otiis imperial. erzählt. Es sind nur Wassergeister, zu denen die Frau kommt und wo sie ihr Auge mit Schlangenfett salbt.
  2. Ähnlicher Rücksicht bedient sich das Volk sogar bei dem Teufel und nennt ihn »den guten Mann«.

10. Die Bekenntnisse des Thomas Bourke


10. Die Bekenntnisse des Thomas Bourke

(Siehe auch die Anmerkungen)

Thomas Bourke wohnt in einem niedrigen, langgestreckten Pächterhaus, welches von außen einer großen Scheune gleicht und an dem Fuße eines Berges liegt, gerade da, wo die neue Straße von der alten sich scheidet, welche von Kilworth nach Lismore führt. Er gehört zu einer Klasse von Leuten, die in Irland eine Art schwarzer Schwäne sind; er ist nämlich ein wohlhabender Pächter. Sein Vater hatte in der guten, alten Zeit, wo hundert Pfund Sterling ein nicht unbeträchtlicher Schatz waren, seinem Gutsherrn mit dieser Summe ausgeholfen, und als Vergeltung dieser Bereitwilligkeit eine lange Pacht erhalten, die zehnmal mehr wert war, als das Darlehen, dem er sie zu verdanken hatte. Der alte Mann starb mit einem Vermögen von einigen hundert Pfunden, wovon er den größten Teil, samt dem Pachtgute, seinem Sohn Thomas vermachte. Außerdem erhielt Thomas von seinem Vater eine Gabe, die mehr Wert hatte, als alle irdische Reichtümer, so hoch er diese auch zu allen Zeiten schätzte. Es ward ihm das Vorrecht verliehen, dessen sich wenige Menschenkinder erfreuen, mit jenen geheimnisreichen Wesen Verkehr zu haben, welche man das stille Volk nennt.

Thomas Bourke ist ein kleiner, stämmiger, frischer und tätiger Mann, von etwa fünf und fünfzig Jahren. Sein Haar ist schneeweiß, kurz und am Hinterhaupt buschig, während es an der Stirne gerade und borstig wie eine Kleiderbürste in die Höhe steht. Seine Augen sind von der Art, wie man sie nicht selten bei Menschen findet, die einen regen, jedoch beschränkten Geist haben: sie sind klein, grau aber lebhaft. Die langen vorragenden Augenbrauen, unter oder vielmehr zwischen welchen sie funkeln, geben ihm einen Ausdruck von verschmitzter Klugheit, wo nicht von Feinheit. Und das ist auch in der Tat der Charakter des Mannes. Wer ein Geschäft mit ihm abmachen will, muß sich einen Feldherrn zum Muster nehmen, der eine Stadt erobern will, und lange vorher Anstalten machen, ehe er hoffen kann, in den Besitz zu kommen. Wer gerade drauf los geht, und sogleich seine Absicht an den Tag gibt, der kann sicher sein, daß ihm die Türe vor der Nase zugemacht wird: Thomas wünscht sich nicht von dem zu trennen, wonach der andere Verlangen trägt oder ein dritter hat schon wegen des Ganzen vorige Woche mit ihm gesprochen. Oder vielleicht scheint der Vorschlag die beste Aufnahme zu finden. »Freilich, Herr!« »Das ist richtig, Herr!« »Ich danke Euch für die Ehre, die Ihr mir erzeigt!« und mit dergleichen Ausdrücken von Artigkeit und Zutrauen werden alle Worte, die der andere vorbringt, begrüßt und er geht weg und wundert sich, wie der Mann in den Ruf gekommen sei, der sich so allgemein verbreitet hat, daß man kein Geschäft mit ihm zustande bringen könne. Wenn er ihn aber das nächstemal trifft, so ist die angenehme Täuschung vorüber und er findet sich ein großes Stück weiter von seinem Ziel zurück, als da er sich Hoffnung auf einen guten Erfolg machte. Thomas Augen und Zunge drücken eine völlige Vergessenheit von dem aus, dessen er sich innerlich aufs genauste bewußt ist und der andere muß seine Arbeit von neuem anfangen mit dem Nachteil, daß sein Gegner sich in allen Stücken zu hüten weiß.

Obgleich Thomas, sei es durch übernatürliche Mitteilung, oder, wie manchem wahrscheinlicher vorkommt, durch Erfahrungen belehrt, mißtrauisch gegen die Menschen und im Umgange verschlossen sich zeigt, so ist er doch kein Menschenfeind. Niemand schätzt mehr als er die Freuden einer lustigen Tafel. Die Liebe zum Geld, die eine vorherrschende Neigung bei ihm ist, und der Gewinn, den ihm sein unermüdlicher Fleiß, während eines ziemlich langen und glücklichen Lebens gebracht, haben ihn den Wert der Mäßigkeit während dieser Zeit erkennen lassen; wenigstens wenn ein Geschäft verlangt, daß man seine Gedanken beisammen habe. Es ist ihm daher Hauptregel, keinen Trunk anzunehmen, als an einem Sonntage. Doch gestattet er sich Ausnahmen; unter diesen waren alle Markttage, die in seiner Nachbarschaft gehalten wurden, ferner alle Tage, an welchen Leichenbegängnisse, Hochzeiten und Taufen unter seinen Freunden im Umfange einiger Meilen stattfanden. Seltsam scheint es vielleicht, daß er Leichen größere Aufmerksamkeit schenkte, als Taufen oder Heiraten. Man kann dies als uneigennützige Teilnahme an der Würde der Dahingegangenen betrachten, die in unserer selbstischen Welt nicht häufig ist; aber ich besorge, dasjenige was Thomas Bourke treibt, dem Toten mehr Rücksicht zu bezeigen, als dem Lebenden, ist genau dasselbe, was die meisten andern Menschen gerade zu dem Gegenteil bewegt: nämlich Hoffnung eines zukünftigen Vorteils und Furcht vor zukünftigem Übel. Denn das stille Volk, diese eben so mächtigen als launenhaften Wesen, haben unter denen, welche die Erde bewohnen, ihre Lieblinge, manchmal äußern sie ihre Gunst dadurch, daß sie diese von der Bürde eines niederdrückenden Lebens erlösen, und oft belohnen oder bestrafen sie den Lebenden nach dem Grad von Achtung, den er der Beerdigung und dem Andenken des erwählten Toten bezeigt.

Vielleicht sucht darin auch mancher den Grund der vielen menschenfreundlichen und liebreichen Handlungen, die Thomas und andere Glieder seiner Familie so oft und mit sichtbarer Bereitwilligkeit ausüben. Ein Bettler hat selten ihren Hof mit einem leeren Sack verlassen, vergeblich um ein Nachtlager gebeten oder um eine Mahlzeit von Kartoffeln und Milch, welche hinreicht, den Hunger eines irländischen Bettlers zu befriedigen. Denn wer diesen stillen will, muß zugleich Rücksicht auf den Beistand nehmen, den ein ausgemergelter Hund und zwei oder drei nicht minder heißhungrige Kinder zu leisten pflegen, die sich zur Entschädigung für ihre äußeren Blößen gerne innerlich ausfüttern. Wird einer von den armen Wichten in der Nachbarschaft vom Fieber niedergeworfen ,so räumt Thomas dem Kranken eine ledig stehende Hütte auf einem seiner Pachtgüter (denn er hat dem ererbten noch eins zugefügt) ein oder schickt seine Arbeiter, um ihm einen Schoppen neben der Hecke aufzuschlagen und sendet ihm Stroh zum Lager, wenn die Kränklichkeit fortdauert. Seine Frau, deren Milchkammer wegen ihrer Größe berühmt ist, liefert eine Woche lang Milch, und diese Hilfleistungen werden oft auf die ganze Familie des Kranken ausgedehnt, die vielleicht in den höchsten Grad von Elend versinkt, so lange der Mann oder Vater zur Arbeit unfähig ist.

Wenn auch einige dieser Handlungen in jener vorhin erwähnten Furcht oder Hoffnung ihren Grund haben, so entspringen doch andere aus dem gemischten Gefühl von Mitleid und Pflicht, welches bisweilen aus dem Herzen eines irländischen Bauern hervorbricht, obgleich es gewöhnlich in eine Decke von Geiz und Trug eingehüllt ist. Daher kamen auch die Worte, die ich einmal hörte und die man nicht mißverstehen darf: »Wenn wir etwas empfangen, so ists nur ehrlich, daß wir ein wenig davon wieder zurückgeben.«

Thomas läßt sich nicht leicht bewegen, von dem stillen Volke zu sprechen, mit dem er in häufigem und genauem Verkehr stehen soll. Glaubt aber jemand an die Elfen und ihre Macht und an die gelegentliche Übertragung derselben auf ihn, so schlägt er es, auf besondere Bitten, selten ab, sein hohes Vorrecht in Ausübung zu bringen, wenn ein Unglücklicher in der Nachbarschaft von einem Schlag der Elfen ist gelähmt worden. Immer aber will er erst durch Bitten gewonnen sein, er macht anfangs Schwierigkeit und muß mit einer kleinen, freundlichen Gewalt genötiget werden. Bei solchen Gelegenheiten ist er ungewöhnlich feierlich und geheimnisreich und fällt etwa ein Wort von Vergeltung, so verläßt er sogleich den unglücklichen Kranken, weil dergleichen Anerbietungen die Überirdischen geradezu beleidigen.

Es ist wahr, daß, da der Arbeiter seines Lohnes wert ist, andere, die gleich ihm begabt sind, kein Bedenken tragen von den Kranken, aber erst nach der Genesung, eine Belohnung anzunehmen. Es ist aufgezeichnet, daß einmal einer Frau eine ansehnliche Belohnung gegeben wurde, welche wie Thomas in der geheimen Wissenschaft erfahren war und welche hier verdient erwähnt zu werden, nicht bloß, weil sie eine Nachbarin und Nebenbuhlerin von Thomas war, sondern auch wegen des besonderen Umstandes, daß eine Mutter ihren Namen von ihrem Sohn ableitete. Ihr Sohn hieß Owen und sie überall Owen sa vauher (Owens Mutter). Sie war bei der vorhin erwähnten Gelegenheit überredet worden, einem jungen Mädchen ihre Hilfe angedeihen zu lassen, welches den Gebrauch des rechten Beins verloren hatte. Owens Mutter fand die Heilung sehr schwer. Eine Reise von etwa neun Stunden war nötig, wahrscheinlich um einen aus dem stillen Volke zu besuchen, der in so weiter Entfernung wohnte; und diese Reise mußte auf dem Rücken einer weißen Henne gemacht werden. Sie kam indessen zustand, und zur bestimmten Stunde, wie die seltsame Frau vorher gesagt hatte, nämlich als die Henne mit ihrem Reiter an dem Ziel der Fahrt angelangt war, wurde die Kranke von einer unwiderstehlichen Tanzlust ergriffen, welcher sie bei vollkommenem Gebrauch der kranken Glieder zu großer Freude ihrer bekümmerten Familie ein Genüge tat. Die Belohnung war in diesem Falle, wie billig, ungewöhnlich groß, wegen der Schwierigkeit eine Henne zu finden, die willig war mit einer solchen Last eine so lange Reise zu unternehmen.

Um Thomas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, so muß man gestehen, daß er bei solchen Gelegenheiten völlig uneigennützig ist, wie ich von mehr als einem gehört habe, der davon genau unterrichtet war. Vor einigen Monaten heilte er ein junges Mädchen, die Schwester eines Krämers, der in seiner Nähe lebt, welche der Elfenschlag getroffen hatte, als sie von einer Leiche zurückkehrte und mehrere Tage lang sprachlos geblieben war. Er schlug beharrlich jede Belohnung aus und sagte, daß, wenn er auch nicht so viel hätte, um sich satt zu essen, er in diesem Falle nichts annehmen würde, weil das Mädchen bei der Leiche einen von dem guten Volke, der zu seiner eigenen Familie gehörte, beleidigt hätte, und ob er ihr gleich einen Gefallen tun wollte, so könnte er doch nichts von ihr annehmen. Zu der Zeit ungefähr, wo diese letzte merkwürdige Begebenheit sich ereignete, hatte ein Freund von mir, Herr Martin, der ein Nachbar von Thomas ist, ein Geschäft mit ihm abzuschließen und unsägliche Mühe es zu beendigen. Zuletzt, nachdem alle Mittel der Güte vergeblich waren, nahm Martin seine Zuflucht zu gerichtlicher Hilfe, welche den Thomas zur Vernunft brachte. Die Sache ward zu gegenseitiger Zufriedenheit und bei vollkommen guter Laune zwischen beiden Teilen vollführt. Da die Übereinkunft in Herrn Martins Hause nach dem Mittagsessen stattfand, so nötigte er den Thomas zu einem Glas feinen Punsch in den Saal herein. Er hatte schon längst gewünscht, mit seinem ungewöhnlich begabten Nachbar in ein Gespräch zu geraten, worin er etwas näheres von dessen übernatürlichen Kräften herausfragen könnte; und da Frau Martin, welche in dem Zimmer zugegen war, bei Thomas in besonderer Gunst stand, so schien die Gelegenheit günstig.

»Wahrhaftig, Thomas«, hub Herr Martin an, »das war ein seltsamer Handel mit der Marie Dwyers, die ihre Sprache so plötzlich am folgenden Tag wieder erhielt.«

»Das sollte man wohl meinen, Herr«, antwortete Thomas, »indessen meine Arbeit dabei war gering, nicht der Rede wert. Euer Wohl, Madame«, sagte er, indem er sich zu Frau Martin wandte.

»Ich danke Euch, Thomas, aber mir ist erzählt worden, Ihr hättet einmal Kummer dieser Art in eurer eigenen Familie gehabt.«

»Jawohl, Madame«, antwortete er, »Kummer genug, doch zu der Zeit wart Ihr noch ein Kind.«

»Kommt her, Thomas«, sagte der gastfreie Herr Martin, indem er ihn unterbrach, »nehmt noch ein Glas« und reichte es ihm hin. »Ich wünschte, Ihr erzähltet uns einiges davon, wie Ihr mehrere Eurer Kinder verloren habt. Mir ist erzählt worden, daß sie dahin gestorben sind, eins nach dem andern und daß Euer ältester Sohn auf eine wunderbare Weise gerettet wurde, nachdem ihn die Ärzte schon aufgegeben hatten.«

»Das ist wahr, Herr«, antwortete Thomas, »Euer Vater der Doktor (Gott habe ihn selig, ich will ihn nicht in seinem Grabe beunruhigen) sagte mir, als mein viertes Söhnchen eine Woche lang krank gelegen hatte, daß er und Doktor Harry alles täten, was sie könnten, aber nicht imstande wären, ihn vom Tod zu erretten. Sie vermochten nichts mehr, wenn das Volk, welches die übrigen wegnahm, auch diesen wegnehmen wollte. Doch sie ließen mir ihn und mir ist sehr leid, daß ich nicht vorher wußte, warum sie mir meine Kinder wegnahmen, und hätte ich es gewußt, so würde ich mich auf zwei Ärzte nicht verlassen haben.«

»Und wie fandet Ihr das heraus, Thomas?« fragte Herr Martin weiter.

»Das will ich Euch sagen, Herr. Als Euer Vater so zu mir sprach, wie ich Euch erzählt habe, wußte ich nicht, was ich anfangen sollte. Ich ging hinab zu dem kleinen Heckenweg, den Ihr kennt, neben dem Fluß bei Dick Heafys Grund, weil das ein einsamer Ort ist, wo ich meinen Gedanken nachhängen wollte. Ich war schwermütig, Herr, und mein Herz gepreßt, wenn ich an den bevorstehenden Verlust meines kleinen Knaben dachte, ich wußte nicht, wie ich mit dieser Nachricht vor die Augen der Mutter treten sollte, die ihn auf das zärtlichste liebte. Und sie von allen konnte sich am schwersten trösten, da sie eben vor einer Woche bei der Leiche ihres Bruders geweint hatte! Auf dem Wege dahin begegnete ich einem alten Bettler, der des Jahrs ein- oder zweimal auf den Platz zu kommen pflegt und der gewöhnlich in eurer Scheune schläft, wenn er sich in der Nachbarschaft aufhält. Er fragte, wie es mir ginge. Schlimm genug, Jacob, antwortete ich. Mich betrübt Euer Unglück, sagte er, doch Ihr seid ein einfältiger Mann, Herr Bourke. Euer Sohn würde bald wieder gesund sein, wenn Ihr nur tun wolltet, was für seine Umstände gut ist! Was kann ich mehr tun, Jacob? fragte ich, die beiden Ärzte geben ihn auf. Die Ärzte wissen so wenig, was ihm fehlt, als sie wissen, was einer Kuh fehlt, wenn sie keine Milch geben will, antwortete Jacob, geht zu dem und dem, und nannte mir seinen Namen, und versucht das, was er Euch sagen wird.«

»Und wer war das, Thomas?« fragte Herr Martin.

»Ich kann Euch das nicht sagen, Herr«, antwortete Thomas mit einem geheimnisvollen Blick, »indessen Ihr habt ihn oft gesehen und er lebt nicht weit von hier. Ich hatte ihn schon vorher auf die Probe gestellt, und wenn ich gleich zu ihm gegangen wäre, so hätte ich noch einige von jenen, die dahin sind, und das hat mir Jacob oft gesagt. Also, ich ging zu dem Manne und er kam mit mir in mein Haus. Ich tat alles, was er verlangte. Seinem Befehl gemäß nahm ich meinen kleinen Knaben gleich aus dem Wohnhaus, todkrank wie er war, und machte ihm und mir ein Bett im Stall. Ja, Herr, ich lag neben ihm im Bett zwischen zwei Kühen und er fiel in einen tiefen Schlaf. Er geriet in großen Schweiß (mit Eurer Erlaubnis zu reden), als sei er durch das Wasser gezogen, atmete schwer, mit großer Beängstigung der Brust und es stand schlimm, sehr schlimm mit ihm. Gegen Mitternacht glaubte ich sein

Ende sei gekommen und ich stand auf, den Mann zu holen, von dem ich Euch gesagt habe; aber ich traf ihn nicht. Es war kein Mensch in dem Stall, als das Kind und ich. Ein Kerzenlichtchen brannte nur, in die Mauer vom fernen Ende des Hauses gesteckt. Es war gerade hell genug, um eine Gestalt zu erkennen, die daherkam oder bei uns stand. Es war so still, wie auf dem Kirchhofe, nichts hörte man, als die Kühe, welche ihr Futter fraßen. Eben, als ich, wie gesagt, im Begriffe war, aufzustehen, ich will meinem Vater nichts nachsagen, es war ein guter Vater gegen mich, so sah ich ihn neben dem Bette stehen, die rechte Hand streckte er nach mir aus, mit der linken stützte er sich auf einen Stock, dessen er sich im Leben zu bedienen pflegte und sah heiter und lächelnd zu mir, als wollte er sagen, ich sollte ohne Furcht sein, ich würde das Kind nicht verlieren. Seid Ihr es, Vater, redete ich ihn an, bei der Liebe zu denen, die dahin gegangen sind, laßt mich Eure Hand fassen. Er tat es, Herr, und seine Hand war so zart, wie die eines Kindes. Er stand da so lange, als wenn Ihr die Straße hinabgehen wolltet bis zu ihrem Ende und wieder zurück. In weniger als einer Woche war das Kind so wohl, als wenn ihm nie etwas gefehlt hätte und es gibt zur Stunde keinen gesundem Burschen von neunzehn Jahren von Euerm gesegneten Hause bis zur Stadt Ballyporin über die Berge von Kilworth.«

»Aber mich dünkt, Thomas«, sagte Herr Martin, »Ihr hättet Euerm Vater mehr Verbindlichkeit, als dem Manne, der Euch von Jacob empfohlen ward. Oder meint Ihr vielleicht, daß er es war, der Eure Feinde unter dem stillen Volke günstig stimmte und daß dann Euer Vater…«

»Ich bitte um Verzeihung, Herr«, sagte Bourke, indem er ihn unterbrach, »aber nennt sie nicht meine Feinde. Ich möchte um vieles nicht dabei sitzen, wenn sie so genannt werden. Nehmt mirs nicht übel, Herr. Ich wünsche Euch gute Gesundheit und langes Leben!«

»Ich versichere Euch«, entgegnete ihm Herr Martin, »ich wollte Euch nicht beleidigen. Aber war es nicht so, wie ich sagte?«

»Ich kann Euch das nicht mitteilen«, sagte Thomas, »ich bin deshalb gebunden. Wie sich das aber auch verhält, Ihr könnt gewiß sein, der Mann, von dem ich sprach, mein Vater und jene, die es wissen, die begütigten es.«

Hierauf entstand eine Pause, welche Frau Martin benutzte, den Thomas auszuforschen, ob sich nicht einmal etwas Seltsames mit einer Ziege und ein paar Tauben zugetragen habe, während der Krankheit der Kinder, da Thomas oft geheimnisreich auf diese Umstände angespielt hatte.

»Ei sieh!« sagte er, indem er sich zu Frau Martin wendete, »was für ein gutes Gedächtnis! Aber Ihr habt Recht. Die Ziege gab ich Eurer Mutter, weil die Ärzte ihr Ziegenmolke verordnet hatten.«

Frau Martin nickte Bestätigung zu und Thomas fuhr fort:

»Die Ziege befand sich in so gutem Zustand, als irgend eine, einen Monat nachdem sie zu Euerm Vater geschickt war. Am Morgen nach jener Nacht, von der ich Euch erzählt habe, ehe das Kind erwachte, stand seine Mutter an der Luke, die aus dem Scheunenhof auf den Weg führte und sah zwei Tauben, welche von dem Turm der Stadt Kilworth über die Kirche herwärts flogen. Nun merkt, sie hielten in ihrem Fluge nicht an, bis sie zu dem Hause kamen, das jenseits des Flusses an dem Berge steht und nach eurer Meierei hin gerichtet ist. Da fielen sie auf den Schornstein des Hauses, und nachdem sie sich eine Minute oder zwei umgeschaut hatten, flogen sie gerade über den Fluß und ließen sich auf der First des Stalles nieder, wo wir, das Kind und ich, lagen. Glaubt Ihr, Herr, daß diese Tauben ohne Ursache kamen?«

»Gewiß nicht, Thomas«, sagte Herr Martin.

»Gut, die Frau kam ganz erschrocken, und erzählte es mir. Sie fing an zu schreien. Stille, du unkluges Weib, sagte ich, das ist desto besser. Wahrhaftig, das war es. Was denkt Ihr davon, Madame? Die Ziege, die ich Eurer Mutter gab und die denselben Morgen bei Sonnenaufgang neben Hans Cronin gesehen wurde, grasend und so munter als eine Biene, fiel plötzlich tot hin, ohne daß ein Mensch wußte warum, vor seinen Augen, und in dem Augenblick sah er zwei Tauben von dem Gipfel des Hauses aus der Stadt fortfliegen nach dem Weg von Lismore. Es war zu derselben Zeit, wo meine Frau sie sah, wie ich Euch erzählt habe.«

»Das war in der Tat seltsam, Thomas«, sagte Herr Martin, »ich wollte, Ihr könntet uns eine Erklärung davon geben.«

»Ich wollte, ich dürfte es, Herr«, war die Antwort, »aber meine Zunge ist gebunden. Ich darf nur soviel sagen, als mir verstattet ist; ein wenig mehr, als einer Schildwache erlaubt ist, von ihrem Posten sich zu entfernen.«

»Mich dünkt, Ihr sagtet, daß Ihr schon vorher einige Bekanntschaft mit dem Manne gehabt hättet, der Euch bei der Heilung eures Sohnes Beistand leistete?« sagte Herr Martin.

»Freilich, Herr, ich hatte schon eine Probe von dem Mann. Doch mehr darf ich Euch nicht sagen. Aber habt Ihr Lust, zu hören, wie er zu seiner Kunst gekommen ist?«

»O, sehr gern«, sagte Herr Martin.

»Doch Ihr könnt ihn bei seinem Taufnamen nennen, damit wir die Geschichte von ihm besser verstehen«, fügte Frau Martin hinzu.

Thomas hielt einen Augenblick inne, um den Vorschlag zu erwägen. »Wohlan«, sagte er, »ich glaube, ich darf es tun, wie es auch kommen mag. Sein Name ist Patrick. Er war ein durchaus lebhafter, tätiger und gescheiter Mann, und er wäre ein vornehmer Geistlicher geworden, wenn er danach getrachtet hätte. Das erstemal, wo ich ihn kennen lernte, war bei meiner Mutter Leichenfeier. Ich war in großer Besorgnis, weil ich nicht wußte, wo ich sie hin begraben sollte. Ihr Volk und meines Vaters Volk, ich meine, ihrer beider Freunde unter dem stillen Volke, kämpften miteinander auf das heftigste an dem Kreuzwege von Dunman, auf wessen Kirchhof sie sollte begraben werden; der Streit dauerte drei Nächte, ohne daß er konnte beigelegt werden. Die Nachbarn wunderten sieh, daß ich so lange wartete, ehe ich meine Mutter begrübe, aber ich hatte meine Gründe, die ich nur damals nicht sagen konnte. Um kurz zu sein, Patrick kam am vierten Morgen und sagte mir, die Sache sei abgetan und wir begruben sie auf den Kilcrumper Kirchhof bei meines Vaters Volk.«

»Das war ein schätzbarer Freund, Thomas«, sagte Herr Martin, indem er mit Mühe ein Lächeln unterdrückte, »doch Ihr wolltet uns ja erzählen, wie er zu so großen Einsichten gekommen ist.«

»Herzlich gerne«, antwortete Bourke, »Euer Wohl, Madame, aber ich trinke zu viel von diesem Punsch, Herr; jedoch, die Wahrheit zu sagen, ich habe noch niemals so guten gekostet, der läuft die Gurgel hinab, wie süßes Öl. Doch was wollte ich eben sagen? Ja, Patrick war einmal, vor vielen Jahren, auf dem Heimweg von einer Leichenfeier und befand sich auf der Seite des Flusses, die dem großen Wiesengrund gegenüber liegt, neben der Furt von Ballyhefaan. Er hatte ein Glas getrunken, das ist wahr, doch er war nur ein wenig lustig und wußte sehr wohl, was er tat. Der Mond schien, es war in dem Monat August und der Fluß so klar und glänzend, wie ein Spiegel. Er hörte eine Zeitlang nichts als den Fall des Wassers an dem Mühlendamm, eine halbe Stunde den Fluß weiter hinab, und dann und wann das Blöken der Lämmer auf der andern Seite des Flusses. Plötzlich entstand ein Lärm von einer großen Menge Volk, sie lachten, als wollte ihnen das Herz zerspringen und ein Pfeifer war unter ihnen und machte Musik. Es kam von dem Wiesengrund auf der andern Seite der Furt und er sah durch den Dunst, der über dem Fluß hing, einen ganzen Haufen Volk, welches auf dem Anger tanzte. Patrick liebte den Tanz nicht weniger als das Glas, und das ist genug gesagt; er zog geschwind Schuhe und Strümpfe aus und eilte durch die Furt hinüber. Nachdem er Schuhe und Strümpfe wieder angezogen hatte, ging er in das Getümmel hinein und mischte sich eine Zeitlang darunter, ohne bemerkt zu werden. Er dachte, sie sollten an ihm einen Tänzer sehen, der sie alle überträfe, denn er bildete sich auf die Geschicklichkeit seiner Füße etwas ein und zwar mit vollem Recht, denn es war kein Bursch in dem ganzen Sprengel, der behendere Sprünge machen konnte. Doch pah! sein Tanz verhielt sich zu ihrem Tanz, wie sich mein Tanz zu dem Eurigen, Madame, verhalten würde. Es sah gar nicht aus, als ob sie Knochen in ihrem Leib hätten und sie sprangen in die Höhe, als ob sie nichts ermüden könnte. Patrick schämte sich innerlich, weil er gedacht hatte, seinesgleichen wäre in der ganzen Grafschaft nicht zu finden und machte sich davon, als ein kleiner, alter Mann zu ihm kam, der die ganze Gesellschaft verdrießlich ansah, als hätte er kein Wohlgefallen an dem, was vorging. Patrick! sagte er, Patrick starrte ihn an, er dachte nicht, daß jemand ihn kennen sollte. Patrick, sagte er, Ihr habt den Mut verloren und das ist kein Wunder. Doch es steht ein Freund bei Euch. Ich bin Euer und Euers Vaters Freund und Euer kleiner Finger ist mir lieber, als alles was hier ist, obgleich sie denken, niemand sei so vortrefflich, wie sie. Geht hin in den Kreis und verlangt einen Tanz. Seid ohne Furcht, ich versichere Euch, der beste von ihnen vermag nicht, was Ihr könnt, wenn Ihr tun wollt, wie ich Euch bitte. Patrick hatte ein inneres Gefühl, daß er dem alten Manne nicht widersprechen dürfe. Er trat in den Kreis und rief dem Pfeifer zu, den besten Tanz, den er wisse, zu spielen. Und in der Tat, alles was die andern leisten konnten, war nichts gegen ihn. Er sprang auf wie ein Aal hierhin und dorthin, leicht wie eine Feder, wiewohl das Volk die Musik hören konnte, welcher seine Bewegungen folgten, indem sie zu jeder Wendung den Takt angaben, gleich dem linken Fuße des Pfeifers. Zuerst tanzte er einen Bauerntanz auf ebener Erde. Dann brachten sie einen Tisch herbei und er tanzte darauf einen Hopser, welcher das Freudengeschrei der ganzen Gesellschaft hervorlockte. Zuletzt verlangte er einen großen, runden Teller, auf welchem man die Speisen zu zerschneiden pflegt, und als sie sahen, daß er gleich einem Kräusel sich darauf drehte, so wußten sie nicht mehr, was sie von ihm halten sollten. Einige rühmten ihn als den besten Tänzer, der in den Kreis gekommen wäre, andere haßten ihn, weil er sie übertraf, gleichwohl hatten sie vollkommen Recht, wenn sie sich für besser hielten, als ihn oder jeden andern, der schon einen so weiten Weg gemacht hatte.«

»Und was war der Grund von diesem großen Erfolg?« fragte Herr Martin.

»Er konnte nicht anders, Herr«, erwiderte Thomas Bourke. »Die ihm dazu die Geschicklichkeit verliehen, können mehr, als was sie an ihm taten. Wie sich das nun verhalten mag, als er fertig war, wünschten sie, daß er noch einmal tanzen möchte, aber er war müde und sie konnten ihn nicht überreden. Zuletzt ward er böse und schwur einen teuern Eid, daß er keinen Schritt mehr tanzen wollte und kaum war das Wort aus seinem Munde, als er sich ganz allein befand und nur eine weiße Kuh neben ihm graste.«

»Entdeckte er niemals, wie er mit dieser ungewöhnlichen Fertigkeit im Tanze begabt worden war, Thomas?« fragte Herr Martin.

»Das will ich Euch gleichfalls erzählen, Herr«, antwortete Bourke, »wenn ich daran komme. Auf dem Heimweg ward er von einem Schauer überfallen und er legte sich zu Bette. Den folgenden Tag hatte er Fieber oder etwas der Art, denn er redete irr, als wenn er wahnsinnig wäre. Sie konnten nicht verstehen, was er sagte, wiewohl er in einem fort redete. Die Ärzte gaben ihn auf, doch die wußten viel, was ihm fehlte. Als er nun, wie ich Euch sage, zehn Tage krank lag und jedermann dachte, er würde hinsterben, trat einer seiner Nachbarn zu ihm ein mit einem Manne, einem Freund von ihm, aus Ballinlacken, der einige Zeit zuvor sich bei ihm aufgehalten hatte. Ich kann Euch von ihm nur soviel sagen, daß er Darby hieß. In dem Augenblick, wo Darby den Patrick erblickte, zog er eine kleine Flasche mit Kräutersaft aus seiner Tasche und gab ihm davon zu trinken. Das tat er drei Wochen lang jeden Tag und danach hatte Patrick Kräfte genug wieder auszugehen und war so gesund und stark, wie je in seinem Leben. Doch es dauerte lange Zeit, ehe er wieder zu sich selbst kam und er pflegte den ganzen Tag neben dem Graben zu wandeln, mit sich selbst im Gespräch, gleich als wäre jemand bei ihm. Und so war es, in der Tat, oder er wäre der Mann nicht, der er heute ist.«

»Ich denke von einem solchen Gefährten sind ihm seine Kenntnisse mitgeteilt worden«, sagte Herr Martin.

»Ihr habt es getroffen, Herr«, antwortete Bourke. »Darby sagte ihm, seine Freunde wären zufrieden mit dem, was er in jener Nacht im Tanzen getan hätte und obgleich nicht im Stand das Fieber zu verhindern, wollten sie ihn doch nicht unterliegen lassen und ihm Wissenschaft von Dingen geben, die außer ihnen nicht vielen bekannt wären. Das taten sie auch. Ihr werdet selbst merken, das Volk, das er in der Nacht auf dem Wiesengrund antraf, waren Freunde von einer besondern Partei; ausgenommen der alte Mann, der ihn anredete. Er war ein Freund von Patricks Familie und es ging ihm gegen das Herz, daß die andern so leicht und behend sich zeigten und es war ihm innerlich kränkend anzuhören, wie sie prahlten, daß ihre Reigen und Tänze durch die ganze Grafschaft sich erstreckten. Darum verlieh er dem Patrick in der Nacht die Geschicklichkeit zum Tanz und hernach die Wissenschaft, weshalb ihn alle, die ihn kennen, anstaunen. Und es ist kein Zweifel, er lernte sie zu der Zeit, als er nach dem Fieber in seinen Gedanken auf und ab ging.«

»Ich habe manche wunderliche Geschichte von dem Wiesengrund bei der Furt von Ballyhefaan gehört«, sagte Herr Martin. »Es ist ein großer Versammlungsplatz für das stille Volk; nicht wahr, Thomas?«

»Das ist wohl wahr, Herr«, antwortete Bourke, »ich könnte Euch vieles davon erzählen. Wie oft habe ich zwei Stunden lang auf dem jenseitigen Ufer gesessen bei Mondschein und habe zugesehen, wenn sie im Ringe spielten, als sollte ihnen das Herz davon Zerspringen; mit ihren Röckchen und Leibchen, und eine Partei hatte weiße Tücher auf dem Kopf, die andere rote, gerade wie Ihr es sonntags auf Herrn Simmings großem Felde erblicken könnt. Ich sah sie einmal in einer Nacht beim Untergang des Mondes spielen, ohne daß eine Partei den Ball der andern hätte fangen können. Gewiß hätten sie noch miteinander gekämpft, wenn der Morgen nicht nah gewesen wäre. Wie mir gesagt ist, Madame, so pflegte euer Großvater gleichfalls sie dort zu sehn«, sagte Bourke, indem er sich zu Frau Martin wendete.

»So ist mir auch gesagt, Thomas«, antwortete sie, »aber es heißt ja auch, der Kirchhof zu Kilcrumper sei nicht weniger ein Lieblingsplatz des stillen Volkes, als der Wiesengrund bei Ballyhefaan?«

»Das hat seine Richtigkeit, Madame. Aber habt Ihr niemals gehört, was dem David eben auf jenem Kirchhof begegnet ist?« sagte Bourke und indem er sich zu Herrn Martin wendete, fuhr er fort: »Es war lange, ehe er in euern Dienst kam, Herr; er ging eines Abends von dem Markt zu Kilcummer, ein bißchen lustig, das ist gewiß nach einem solchen Tag, und stieß auf einen Leichenzug. Während er so daneben fort wandelte, deuchte ihn, daß er in dem ganzen Haufen keine Mutterseele kennte, als einen Mann, von dem er doch wußte, daß er schon vor vielen Jahren gestorben war. Indessen ging er mit dem Zuge fort, bis sie zu dem Kirchhof zu Kilcrumper kamen und ging wirklich mit hinein, um mit anzusehen, wie die Leiche beerdigt wurde. Sobald das Grab zugedeckt war, hatten sie nichts eiligeres zu tun, als sich um einen Pfeifer zu versammeln, der mit ihnen gekommen war und einen Tanz anzuheben, als ob das eine Hochzeit wäre. David wäre wohl gerne dabei gewesen (denn er hatte damals keinen so schlimmen Fuß, wie er jetzt wohl haben mag); doch er empfand eine gewisse Scheu hinzuzutreten, weil ihm alle so fremd vorkamen, den einen Mann ausgenommen, von dem er, wie schon gesagt, glaubte, daß er tot sei. Aber eben dieser Mann, als er Davids Lust bemerkte, kam zu ihm heran. David, sagte er, suche dir eine Tänzerin aus, und versuche dein Bestes, aber nimm dich in acht, daß du ihr nicht einen Kuß anbietest. Ich will mich hüten, sagte David, und wenn ihre Lippen von Honig wären. Und darauf ging er und bot dem artigsten Mädchen im ganzen Kreis die Hand und fing an, mit ihm zu tanzen. Sie tanzten einen Hüpfauf und tanzten ihn zur Bewunderung aller, die zugegen waren. Das war nun gut, bis der Tanz vorbei war, aber gerade als er zu Ende ging, vergaß sich David, der ein Tröpfchen zuviel getrunken hatte und von dem Tanzen erhitzt war und küßte, der Sitte gemäß, seine Tänzerin. Kaum aber hatten sich ihre Lippen berührt, so befand er sich mutterselig allein auf dem Kirchhof, kein lebendes Wesen bei ihm und alles was er sehen konnte, waren die hohen Grabsteine. David erzählte zwar, es sei ihm vorgekommen, als wenn sie tanzten, aber ich vermute, das kam ihm nur so vor wegen des Wunderbaren, das ihm begegnet war, und weil er ein wenig zu tief ins Glas gesehen hatte. Indessen fand er, daß es viel später war, als er sich vorgestellt hatte, denn es war bald Morgen, da er heim kam. Doch niemand konnte ein Wort von ihm herausbringen bis den folgenden Tag, nachdem er um Mittag aus einem Todesschlaf erwachte.«

Als Thomas die Erzählung von David Roche und dem Leichenzug beendigt hatte, war es ganz deutlich, daß Geister, von welcher Art sie nun sein mochten, zu mächtig in ihm sich regten, als daß sie noch weitere Erzählungen von dem stillen Volke gestattet hätten. Thomas schien das zu fühlen. Er murmelte ein paar Augenblicke abgebrochene Worte von Kirchhof, Flußufer, Wichtelmännern, welche völlig unverständlich waren, vielleicht ihm selbst. Endlich machte er mit dem Kopfe eine Bewegung in die Höhe, als wollte er sagen:

»Ich könnte noch mehr erzählen!« reichte mit seiner Hand nach dem Tisch, auf welchen er den geleerten Becher langsam und mit einem klugen und behutsamen Wesen hinsetzte. Dann erhob er sich von seinem Stuhl und ging oder vielmehr schwankte zu der Türe des Zimmers. Hierauf wendete er sich wieder gegen den Hauswirt und seine Frau und nach einigen erfolglosen Anstrengungen, ihnen gute Nacht zu wünschen, indem die Worte, wie sie hervorkamen, von einem heftigen Schlucken unterbrochen wurden, während die Türe, die er an der Klinke gefaßt hatte, hin und her fuhr und seinen ungelenken Körper mit bewegte, war er genötigt stillschweigends fortzugehen. Ein Hirtenknabe, den sein Weib abgeschickt hatte, weil sie wohl wußte, welche Art von Lockung ihn festhielt, wenn er über die bestimmte Zeit ausblieb, wartete schon, um seinen Herrn heimzuführen. Ich zweifle nicht, daß er, ohne Schaden zu nehmen, glücklich nach Haus gekommen ist, denn ich weiß, daß er in dem letzten Monat, um seine eigenen Worte zu gebrauchen, so frisch und munter war, als irgend ein Mann von seinem Alter in der Grafschaft Cork.

11. Die verwandelten Elfen


11. Die verwandelten Elfen

(Siehe auch die Anmerkungen)

Johann Mulligan war ein so ehrlicher, alter Bursche, als je einer in Carlow seinem Pferde Sporn in die Seiten gesetzt hat. Außerdem war er der lustigste und munterste Geselle bei einem Punschnapf, den man weit und breit im Lande finden konnte. Er pflegte aber ein gutes Pferd zu reiten und ein besserer Punsch als der seinige wurde bei neunzehn Edelleuten nicht getrunken.

Mulligan glaubte steif und fest an Geister und ward bös, wenn jemand daran zweifelte. Er wußte mehr Geschichten davon, als in zwei Quartanten könnten gedruckt werden und er versäumte nicht sie zu erzählen, sobald er einen Zuhörer finden konnte. Einige glaubten ihm diese Geschichten, die meisten glaubten sie nicht; doch niemand pflegte zuletzt mehr dem alten Manne zu widersprechen, weil es unbarmherzig gewesen wäre, ihn damit zu quälen. Doch in seiner Nachbarschaft befanden sich ein paar junge Leute, welche eben zum erstenmale, während der Ferienzeit von der hohen Schule gekommen waren und die Sommermonate bei ihrem Oheim, Herrn Whaley, zubrachten, einem alten Anhänger von Cromwell, der zu Ballybegmullinahone wohnte. Sie waren von ihrer Schulweisheit zu sehr angefüllt, als daß es ihnen möglich gewesen wäre, den alten Mann unangefochten seiner Wege gehen zu lassen.

Sie belachten jede Geschichte, die er vorbrachte und riefen: »Das ist unmöglich! Das ist alter Weiber Geschwätz!« oder dergleichen. Wenn er behauptete, seine Geschichten wären aus der reinsten Quelle geflossen, ja einige ihm von seiner eigenen Großmutter, einer achtungswürdigen alten Dame, wenn auch leicht bewegliches Geistes, als Dinge erzählt worden, die sie selbst erlebt hätte, so schnitten sie das Gespräch damit ab, daß sie behaupteten, die Großmutter wäre schon damals kindisch gewesen und hätte ohnehin in ihrer besten Zeit große Neigung gehabt, bei ihren Erzählungen ein langes Seil zu drehen.

»Aber«, sagten sie, »Mulligan, habt Ihr denn selbst jemals einen Elfen gesehen?«

»Niemals«, antwortete er.

»Wohlan«, riefen sie, »bis dahin narrt uns nicht mit solchen Erzählungen Eurer Großmutter.«

An diesem Fleck war Mulligan besonders empfindlich, und er wollte für seine Großmutter in die Schranken treten, aber die jungen Leute waren ihm zu scharf und zuletzt geriet er in Hitze, wie gewöhnlich der, welcher bei einem Streit im Nachteil ist. Diesen Abend (da er bei ihrem Oheim, der sein alter Freund war, zu Mittag gegessen) hatte er ziemlich reichlich getrunken und war ganz aufgeregt. Endlich ward er ganz leidenschaftlich, ließ die Pferde vorführen und ungeachtet aller Bitten des Hausherrn jagte er fort, obgleich er willens gewesen war, da zu schlafen.

»Ich mag nichts mehr mit diesen beiden Maulaffen und Gelbschnäbeln zu tun haben«, rief er, »die, weil sie gelernt haben, unnützes in Trutenfüßen gedrucktes Zeug zu lesen und von einigen rotnasigen, geschwätzigen alten Perückenstöcken unterrichtet worden sind (nicht daß ich sagen wollte, es könnte einer, der eine rote Nase hat, kein ehrlicher Mann sein), sich einbilden, sie wüßten mehr, als ein rechtschaffener Kerl, der sichs sauer auf der Welt hat werden und ein paar Schock Jahre lang sich den Wind ins Gesicht wehen lassen.«

In ärgerlicher Hast ritt er fort und jagte so gewaltig, als sein Roß über die Kalksteine dahin sprengen konnte. »Verdammt!« stammelte er, »Gott verzeihe mir meine Sünde! Die Schurken hatten in einem Stücke Recht, daß ich niemals Elfen gesehen! So wollte ich doch fünf Acker Land so gut, als eins auf dem je Kartoffel wuchsen, darum geben, könnte ich nur einen Schimmer – aber, gerechter Himmel, was ist das?«

Er blickte auf, vor seinen Augen zeigte sich das artigste Schauspiel von der Welt. Der Weg führte an einer anmutigen Ebene vorüber, hier und da standen Bäume, nicht dicht wie in einem Wald, sondern fünf oder sechs beisammen, oder auch einer ganz allein und erhoben sich über dem grünen Grund, wie ein Vorgebirg aus der See aufsteigt. Er war gerade der Krone des Gehölzes gegenüber gekommen, einer Eiche, welche in den ältesten Urkunden der Grafschaft (und die waren wenigstens fünf hundert Jahr alt) die alte Eiche von Ballinhassig genannt wurde. Die Zeit hatte den Stamm ausgehöhlt, während noch immer mächtige Äste mit ihrem dunkeln, gezackten Laubwerk hin und her sich bewegten. Der Mond schien eben in vollem Glanz und bei diesem Licht bemerkte Mulligan eine allerliebste Gesellschaft kleiner, artiger Gestalten, die unter der Eiche in immerwährender, behender Bewegung tanzten. Es waren viele beisammen, einige breiteten sich fern noch über den fernsten Schatten der Eichenäste aus, andere zeigten sich glänzend in den fliegenden Lichtern, die zwischen den Blättern durchdrangen, andere konnte man ungehindert sehen, wie sie sich am Stamme unten niedergelassen hatten, andere endlich waren ohne Zweifel vor seinen Augen noch verborgen. Niemals hat man etwas lieblicheres gesehen. Sie waren kaum drei Daumen hoch, aber weiß, wie der gefallene Schnee und von unzähliger Menge. Mulligan hing dem Pferd den Zügel über den Hals und ritt bis zu der niedrigen Mauer, welche die Anlage umgab, und darauf gelehnt, beobachtete er mit unaussprechlichem Vergnügen ihre Tänze und Sprünge. Bei diesem längern Anschauen bemerkte er bald manches, was ihm anfangs nicht in die Augen gefallen war. Besonders zeigte sich in der Mitte der König in größerer Gestalt, um welchen sich die Gruppe zu bewegen schien. Er starrte so lange, bis er endlich vor Freude sich nicht mehr zurückhalten konnte und laut rief:

»Recht so, kleiner Geselle! Wohl gesprungen und tüchtig!« Aber in demselben Augenblick, wo er diese Worte ausgesprochen hatte, verfinsterte sich die Nacht und die Elfen verschwanden mit Blitzesschnelle.

»Ich wünschte«, sagte Mulligan, »ich hätte meine Zunge im Zaum gehalten, doch es macht nichts aus. Jetzt will ich sogleich umkehren und nach der Burg Ballybegmullinahone zurückgehn und die eingebildeten, überklugen jungen Herrn auf diesen Platz heraustreiben.«

Mulligan eilte mit Windesschnelligkeit zurück. Er rasselte heftig an der Türe und rief laut nach den beiden Jünglingen.

»Heda«, sagte er, »ihr jungen Plattköpfe, kommt herunter, wenn Ihr getraut. Ihr sollt Euch mit eigenen Augen überzeugen, daß ich wahr gesprochen habe.«

Der alte Whaley steckte seinen Kopf aus dem Fenster und sprach: »Johann Mulligan, was bringt Euch so spät wieder zurück?«

»Die Elfen!« schrie er, »Die Elfen!«

»Ich fürchte«, murmelte der Herr von Ballybegmullinahone, »Ihr habt in das letzte Glas, das Ihr trankt, zu wenig Wasser gegossen; doch es hat nichts zu sagen, kommt herein und kühlt Euch bei einem Becher Punsch ab.«

Er kam herein und setzte sich wieder an den Tisch. In großer Begeisterung erzählte er seine Geschichte. Tausend und abermal tausend Elfen hatte er gesehn tanzend unter der alten Eiche von Ballinhassig. Er beschrieb ihre prächtigen Kleider von glänzendem Silber, ihre runden flachen Hüte in dem Mondschein schimmernd und die fürstliche Gestalt und Haltung des Oberhaupts. Er fügte hinzu, daß er ihren Gesang gehört und die entzückende Musik, die sie gemacht hätten. Doch das war bloße Einbildung. Die jungen Leute lachten, Mulligan ließ sich nicht irren.

»Wenn wir nun«, sagte einer von ihnen, »mit Euch gemeinschaftlich zu dem Platz hinausritten, wo Ihr die prächtige Gesellschaft von Elfen gesehen habt?«

»Gut«, rief Mulligan, »nur kann ich Euch nicht versprechen, daß Ihr sie dort finden werdet, denn ich sah sie in die Höhe rauschen, wie einen Schwarm Bienen und hörte ihre Flügel in der Luft sausen.«

Das war aber eine Prahlerei, denn Mulligan hatte nichts dergleichen gehört.

Sie ritten alle drei fort und kamen zu dem Gehölz. Sie langten bei der Mauer an, dem großen Baum gegenüber und der Mond war aus den Wolken wieder aufgetaucht und schien so hell, als wie Mulligan zuerst vorbei kam.

»Schaut dort«, rief er frohlockend, denn dasselbe Schauspiel begann wieder vor seinen Augen, und deutete mit seiner Reitgerte hin, »schaut und leugnet, wenn Ihr imstande seid.«

»Wahrhaftig«, sagte einer von den Jünglingen mit einigem Nachsinnen, »dort sehen wir eine Gesellschaft weißer Gestalten, aber wären das Geister noch zehnmal mehr, ich gehe doch unter sie.« Damit stieg er ab, um über die Mauer zu klettern.

»Ach, Thomas, Thomas!« rief Mulligan, »Halt! Halt! Was wollt Ihr tun? Die Geister, das stille Volk mein ich, haben es nicht gern, wenn sich jemand unter sie mischt. Ihr werdet gezwickt oder geblendet oder Euer Pferd verliert die Eisen, oder – nun seht! Einen Eigensinnigen muß man gewähren lassen. Ach! oh! oh! jetzt ist er bald bei der Eiche. Gott stehe ihm bei, denn kein Mensch kann ihm mehr helfen!«

In diesem Augenblick war Thomas bei der Eiche angelangt und wollte bersten vor Lachen. »Mulligan«, rief er, »behaltet Eure Gebete für Euch, Eure Geister sind nicht so bösartig. Ich glaube sie geben eine leidlich gute Brühe.«

»Brühe?« sagte Mulligan, welcher, als er fand, daß die beiden Jünglinge, (denn der zweite war seinem Bruder gefolgt) mitten unter den Geistern lachend standen, abgestiegen und langsam vorgegangen war, »was meint Ihr mit Brühe?«

»Nichts«, antwortete Thomas, »als daß es Schwämme sind, denn das waren sie wirklich und Euer Oberon ist nur ein übergroß gewachsener Pilz.«

Der arme Mulligan gab sein Erstaunen in einem langen Ausruf zu erkennen, schwankte, ohne noch ein Wort zu sprechen, zu seinem Pferd und ritt in starkem Galopp nach Haus, ohne einmal hinter sich zu schauen. Es dauerte lang, ehe er es wagte, den beiden Lachern in Ballybegmullinahone vor die Augen zu treten und bis zu seinem Tod nannte ihn das Volk den Pilzenhans in diesem und fünf andern Kirchsprengeln.

2. Die erzürnten Elfen


2. Die erzürnten Elfen

(Siehe auch die Anmerkungen)

Wer nicht beständig in Furcht vor den Geistern lebt, der tut wohl, gewißlich haben sie dann weniger Gewalt über den Menschen; wer aber gar keine Rücksicht auf sie nimmt oder gar nicht an sie glaubt, der handelt sehr unklug, sei es Mann, Weib oder Kind.

Es heißt mit Recht: »An guten Sitten trägt keiner schwer«, oder: »Artigkeit kostet kein Geld«; und doch gibt es Menschen, die so verstockt sind, daß sie sich einer Artigkeit schämen. Diese sollten sich an Caroll O’Daly ein Beispiel nehmen. Das war ein junger Bursche aus Connaught, groß und stark gewachsen und in seiner Heimat gewöhnlich Teufel Daly genannt.

Er pflegte von einem Orte zum andern zu ziehen, ohne daß irgendeine Furcht ihn zurückhielt. Er ging zu jeder Stunde der Nacht über einen verfallenen Kirchhof oder sonst einen Platz, wo die Elfen gerne hausten. Auch trat er aus einer Wohnung in die andere ohne das Zeichen des Kreuzes zu machen oder Glück auf! zu sagen.

Es begab sich, daß er einmal in der Grafschaft Limerick umherzog und sich auf dem Weg nach der ehrwürdigen Stadt Kilmallock befand. Gerade am Fuße von Knockfierna erreichte er einen Mann von würdigem Ansehen, der auf einem weißen Pferdchen dahintrabte. Die Nacht war herangekommen und nachdem sie sich gegenseitig mit Artigkeit gegrüßt hatten, ritten sie eine Zeit lang nebeneinander her, ohne viel Worte zu wechseln. Endlich fragte Caroll O’Daly seinen Gefährten, wie weit er noch reite?

»Nicht lange mehr euern Weg«, antwortete der Pächter, von dem er das Aussehen hatte, »ich will bloß auf die Spitze dieses Berges.«

»Und was treibt Euch in der Nachtzeit dahin?« fragte O’Daly.

»Wenn Ihrs doch wissen wollt«, antwortete der Pächter, »das stille Volk.«

»Die Elfen meint Ihr?« rief O’Daly.

»Redet leise!« sagte der andere, »oder es könnte Euch übel bekommen.« Mit diesen Worten wendete er sein Pferdchen seitwärts nach einem schmalen Pfad, der den Berg hinauf führte, indem er dem Caroll gute Nacht und glückliche Reise anwünschte.

»Der Gesell«, dachte Caroll, »hat nichts gutes vor in dieser lieben Nacht und ich wollte daraufschwören, es treibt ihn zu dieser Stunde etwas ganz anderes auf den Berg, als die Elfen oder das stille Volk!«

»Die Elfen!« wiederholte er, »sollte ein vernünftiger Mensch den kleinen Rotkäppchen nachlaufen? einige behaupten wohl, daß es solche Geschöpfe gibt, andere leugnen es. So viel weiß ich aber, daß mich kein Dutzend davon erschrecken sollte, ja keine zwei Dutzend, wenn sie nicht größer sind, als ich sagen höre.«

Während diese Gedanken ihm durch den Kopf gingen, richtete er seine Augen beständig auf den Berg, hinter welchem der Vollmond in aller Pracht aufstieg. Er bemerkte auf einer Erhöhung gerade vor der Mondscheibe die schwarze Gestalt eines Mannes, der ein Pferd leitete und zweifelte nicht, daß dies derselbe Mann sei, mit dem er des Weges gekommen war.

Der Entschluß ihm zu folgen fuhr blitzschnell durch seine Seele; Mut und Neugierde zusammen hatten jede Bedenklichkeit verscheucht. Ein Lied vor sich hin brummend stieg er ab, band sein Pferd an einen alten Dornstamm und stieg unerschrocken den Berg hinan. Er folgte dem Pfade in der Richtung, die der Mann mit dem Pferdchen genommen hatte; dann und wann erblickte er ihn wieder und nahm ihn zu seinem Ziel. Beinahe drei Stunden lang stieg er mühsam auf dem rauhen und manchmal sumpfigen Pfad, bis er endlich zu einem grünen Rasen auf der Spitze des Berges gelangte, wo er das Pferdchen in aller Freiheit und Ruhe grasen sah. O’Daly schaute sich rings nach dem Reiter um, er war nirgends zu sehen. Bald aber entdeckte er in der Nähe des Pferdchens eine Öffnung in dem Berg, gleich der Mündung eines tiefen Schachts, und erinnerte sich, in seiner Kindheit manche Erzählung von der schwarzen Höhle des Berges Knockfierna gehört zu haben: sie sei der Eingang zu der Wohnung, welche das stille Volk mitten im Berge innehabe und einmal sei ein Mann, namens Ahern, Landmesser in diesem Teil der Grafschaft, welcher mit einer Schnur versucht habe, die Tiefe der Höhlung zu ergründen, an eben dieser Schnur hinabgezogen worden, ohne daß man je wieder etwas von ihm gehört habe; und manches andere dieser Art.

»Das sind alte Weibergeschichten!« dachte O’Daly, »und da ich den weiten Weg gemacht habe, so will ich an die Haustüre klopfen und sehen, ob die Geister daheim sind.«

Und ohne sich weiter zu bedenken, faßte er einen gewaltigen Stein, so dick, ja so dick, als seine beiden Hände, und schleuderte ihn mit aller Kraft in die Öffnung. Er hörte, wie er hinabsprang und von einem Felsen zum andern mit gewaltigem Getöse abprallte; er bog sein Gesicht vor, um zu vernehmen, ob der Stein auf dem Grund niederfiele. Aber derselbe Stein, den er hinabgeworfen hatte, kam mit nicht geringerer Gewalt, als er hinunter gesprungen war, wieder zurück und gab ihm einen solchen Schlag ins Gesicht, daß er über Hals und Kopf von einer Klippe zur andern taumelnd, den Berg hinabrollte, viel schneller, als er hinaufgestiegen war.

Am folgenden Morgen fand man Caroll O’Daly neben seinem Pferde liegend, seine Haut war geschunden und zerrissen, die Augen geschlossen und die eingedrückte Nase entstellte ihn auf sein Lebtag.