567. Pumphut als Mühlarzt

567. Pumphut als Mühlarzt

Pumphut ging, als echter Mühlknappe, wenn es ihm in einer Mühle nicht mehr gefiel, dem Wasser nach. Da kam er zu einer Mühle, die Burkhardsmühle genannt, wo er eine ziemliche Zahl Leute versammelt fand, denn es war ein neues Mühlrad erbaut, das sollte feierlich gehoben werden nach Müllerbrauch. Des freute sich Pumphut, denn daß es bei solchen Gelegenheiten nicht vollauf zu essen und zu trinken gegeben, wäre gegen alles Herkommen gewesen. Auf gastlichen Empfang ganz sicher rechnend, trat der wandernde Klapperbursch kecklich in die Stube, sprach seinen Handwerksgruß und Spruch und blinzre nach den großen Kuchen hin und den Würsten, und was sonst zum Schmause bereits aufgeschüsselt war und vor Augen stand. Der Meister aber, der Pumphut nicht kannte, sonst hätte er wohl anders getan, ließ diesem ein Stückchen Brot reichen und ein Gläschen Branntwein einschenken, wie er das zu tun gewöhnt war, wenn fechtende Klapperbursche das Handwerk grüßten. Der Pumphut aß sein Brot, leerte sein Gläschen und fragte den Meister, was vor sei, daß er so viele Leute bei sich habe. – Das Rad wird gehoben, sagte der Müller kurz, und: So! sagte der Pumphut noch kürzer und ging aus der Stube ohne großen Dank. Nun ward die Arbeit des Radhebens begonnen, aber wer beschreibt des Müllers Schreck und Ärger, als sich fand, daß die Welle viel zu kurz war und die Zapfen nicht bis dahin reichten, wohin sie doch reichen mußten. Der Müller und der Zimmermann und der Schmied schwuren zu dritt Stein und Bein, daß vorher alles genau abgemessen worden sei und richtig gepaßt habe, und nun erschien die ganze Arbeit vergebens. Da fiel einem der Gäste ein, daß der fremde Knappe am Ende der Pumphut möge gewesen sein, der geheimnisvolle Hexenmeister, der aus Ärger, daß man ihn so karg abgespeist, dem Müller solchen Schabernack spiele. Man stimmte bei, und einige liefen fort, wo möglich den Pumphut einzuholen und zurückzubringen. Bald sahen sie ihn auch ganz langsam seines Wegs dahinschlendern und riefen ihm mit lauter Stimme zu; wer aber tat, als höre er nicht, war der Pumphut. Nun liefen sie, ihn einzuholen, noch schneller, mußten aber laufen, bis sie schwitzten und außer Odem waren, denn der Pumphut, obschon er ganz langsam ging wie ein erzfauler Gesell, blieb doch von den Nachrennenden in immer gleicher Entfernung. Endlich ließ er sich einholen, hörte die Einladung, zur Mühle zurückzukehren, höhnisch mit an und zeigte keine Lust, Folge zu leisten. Nur vieles anhaltendes Bitten schien ihn zu bewegen, endlich mit umzukehren. In der Mühle ungleich freundlicher wie zuvor begrüßt, führte Pumphut gleich den Beweis, daß er mehr könne als Brot essen, denn er aß nun auch Braten, Schinken, Wurst und Kuchen in erstaunlicher Menge und trank dazu auf eine nicht minder in Erstaunen setzende Weise. Und als das geschehen war, ging er hinaus zum Rade, das erhoben mit seiner kurzen Welle und nicht ausreichendem Zapfen zwischen dem Gestelle stand, und kletterte nun auf das Brett, nahm sein Hütlein ab, klopfte damit an die eine Seite des Gestells, dann an die andere, da rückten die Seiten ganz sanft der Welle näher und nahmen den Zapfen auf. Alles jubelte Beifall, und der Pumphut ging seines Weges, ohne ein Wort zu sagen.

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568. Rungele

568. Rungele

Im Monat September 1654 trug sich zu Schleiz eine wunderliche Geschichte zu. In eines Schusters Haus am Markte, der Hans Frank hieß, war, wie die Sage geht, ein Gespenst in die Stube gehext worden, welches ein ganzes Vierteljahr alle Tage von abends sechs Uhr an bis neun Uhr sein Wesen trieb und mit allerhand Sachen die Kinder und das Gesinde warf. Wenn die Magd nach dem Abendessen in der Stube aufwusch, zog es ihr den Hader aus dem Scheuerstutz und warf ihr wohl dann den nassen Lappen ins Gesicht. Als das Gerücht davon laut wurde, kamen jeden Abend Nachbarn und andere Leute in das Haus, um zuzusehen, und auch diese wurden geworfen, so daß mancher nicht wiederkam. Bei Tage versteckte es Messer und Löffel, daß, wenn die Leute zu Mittag essen wollten, sie weder Löffel noch Messer fanden. Des Schusters Tochter nannte das Gespenst Rungele und rief: Rungele, bring mir doch mein Messer und Löffel wieder! – da wurden die Messer bei hellem Tage auf den Tisch geworfen, daß sie in die Höhe sprangen. Als der Schuster ein Speckschwein schlachten ließ und die Würste in die Stube aus Stroh gebracht wurden, nahm Rungele eine Weißwurst und legte diese dem Fleischhauer gleich einer Krause um den Hals. Uber dem Essen warf es eine Handvoll Zwiebeln in die Suppe, daß diese rundum aus der Schüssel spritzte. Dem Schuster zog es das Geld aus der Tasche und warf es dann, wenn die Kinder Milch aßen, in diese hinein, daß die Kleinen das Geld mit Löffeln aus der Milch fischten, wie manche Klugnieser die Weisheit. Einstmals waren die Kinder allein zu Hause, und abends, als es dunkel wurde und sie miteinander in der Stube spielten, da erschien plötzlich das Rungele in Gestalt eines kleinen Kindes mit einem weißen Hemde und bloßer Brust, die blutig war, und lief auf einer Stange herum. Als es das Mädchen erblickte, fing dieses an zu schreien, und die Kinder liefen ängstlich hierhin und dorthin und suchten ihre Nachbarn und Eltern. Als diese und andere Leute nun kamen, schickten sie das Mädchen, welches das Rungele jederzeit gerufen, allein in die Stube, um zu sehen, ob das Kind noch vorhanden, welches das Mädchen auch hinter dem Ofen stehend fand. Das fragte: Was willst du, Kindlein? – Da antwortete die Erscheinung: Du kannst mir doch nicht helfen! – Auf das Geheiß einer Frau, welche vor der Stubentüre stand, mußte das Mädchen noch mancherlei fragen und erhielt allezeit Antwort. Endlich, als das Mädchen sagen mußte: Gehe hin, Kindlein, in deine Ruhe und komme nicht wieder! – da wich es zwar aus der Stube, allein es hielt sich immer noch eine ziemliche Zeit im Hause auf und hat, wenn die Kinder zu Bette gegangen, diese geklitscht, gerauft, bei der Nase gezogen, ja bisweilen sogar Maulschellen ausgeteilt, es kam auch vor des Schusters Bette und wiegte das kleine Kind in der Wiege so stark, daß diese hinten und vorne aufsprang. Es zog die Schlüssel von den Gesperren ab, nahm die Bratwürste, legte diese auf einen Rost und briet sie im Ofen und verzehrte sie auch, wobei es die Schalen im Ofenloch liegen ließ. Wollte der Schuhmacher zu Markte gehen, dann nahm es ihm die Schuhe von der Stange und schleifte hin und wieder etliche Male ganze Häute zusehends hinweg. Endlich geriet das böse Gespenst in einen Kuhstall, wo es etlichemal die Treppe, die vom Heuboden hinab in den Stall führte, abhob und vor die Stalltür legte, darnach löste es die Kühe ab und jagte sie im Stall herum, daß der Schaum auf ihnen stand. Als es nun darüber ein paarmal verstört wurde, ist es endlich gar ausgewichen. Es hat sich aber hernach in andern Häusern sehen lassen, wo es großen Schaden getan. Einem Tuchmacher hat es die Werfte, die dieser trocknen wollte, mehrmals entzweigeschnitten, an einem andern Orte hat es Kuhkot in die Milch geworfen und die Milchmagd mit Steinen aus dem Stalle getrieben.

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56. Thassilo in Lorsch

56. Thassilo in Lorsch

Es geschah, daß Kaiser Karl der Große zu streiten kam mit Thassilo, dem mannlichen Bayerherzog, der sein ganz naher Verwandter war, und da er großes Unrecht durch Anreizung der Widersacher Karls verübt, so übte Karl eine erschreckliche Rache und ließ ihm eine entsetzliche Strafe zuteil werden. Karl ließ den Agilolfinger Thassilo blenden, welches dadurch geschah, daß jener gezwungen ward, auf einen seinen Augen nahegebrachten, im Feuer glühend gemachten Schild zu sehen, bis ihm das Licht der Augen dunkel ward und gar verging. Sein langes Haar ward vor dem Thron ihm abgeschnitten und er zum Mönch geschoren, dann sollte er nach des Kaisers Gebot eingetan werden als Mönch in ein Kloster, damit er büße und bete all sein Leben lang. Darauf nach langen Jahren begab es sich, daß einstmals Kaiser Karl gen Lauresheim, das ist Lorsch, das Kloster, kam, und hatte den Herzog Thassilo längst vergessen, und sich gedrungen fühlte, zur Nachtzeit im Münster dort zu weilen und zu beten, da nahm er mit Staunen wahr, wie ein Mönch durch den Kreuzgang unsichern Trittes wandelte, welcher blind war, ihm zur Seite aber ein lichtumflossener Bote Gottes ging, der ihn leitete. Des Greises Züge kamen dem Kaiser bekannt vor, doch konnte er sich dessen Namens nicht entsinnen. Und der Mönch ward von Altar zu Altar geleitet und betete an jedem und schritt dann mit seinem überirdischen Führer still zurück. Darauf hat der Kaiser am andern Morgen den Abt des Klosters Lorsch zu sich entboten und hat ihn gefragt, welchen Mönch er im Kloster habe, dem ein Engel diene. Der Abt erstaunte und wußte nichts zu sagen, folgte aber des Kaiser Gebot, in nächster Nacht mit ihm des Mönchs wieder zu harren. Da geschah es ganz so wie in der vorigen Nacht, daß der blinde Mönch wieder kam und der Engel ihn geleitete. Und der Kaiser, gefolgt von dem Abt, ging, als der Mönch gebetet hatte, dem Mönch und dessen Führer nach, und trafen den Mönch allein in seiner Zelle. Der Abt kannte den Mönch aber nur unter seinem Klosternamen und wußte nichts weiter von ihm. Nun sprach der Abt ihn an, zu sagen, was er vordem in dem weltlichen Leben gewesen, und nichts zu verhehlen und zu verschweigen, denn sein Herr und Kaiser sei es, der vor ihm stehe. Da sank der blinde Mönch zu des Kaisers Füßen nieder und sprach: O Herr! Viel habe ich gegen dich gesündigt, und meine Buße währet für und für. Thassilo war ich vordem geheißen. – Da hub ihn der Kaiser gnädiglich auf und sprach: Schwer hast du gebüßt, und härter, als mir lieb, all deine Schuld sei dir vergeben. Da küßte der blinde Greis des Kaisers Hand und sank zur Erde und verschied. Im Kloster Lorsch ruht sein Staub.

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558. Der Stammname Reuß

558. Der Stammname Reuß

Das Reußenland, wie das Vogtland auch nicht selten genannt wird, soll den Namen von einem wendischen Volksstamme Ruzzen erhalten haben, ein Gleichklang mit Russen, wie im russischen Kaisertitel der Selbstherrscher aller Reußen wieder an die deutsche Provinz erinnert. Die Sage verschmäht die etymologisierende Ableitung des Landesnamens und erzählt: Da Kaiser Friedrich II. die große Heerfahrt gen Palästina tat, an der Landgraf Ludwig von Thüringen und so viele Grafen und Herren dieser Lande teilnahmen, so ritten auch ein Vogt von Plauen, Herr zu Gera, und jener durch seine nachherige Doppelehe bekannte Graf von Gleichen mit. Als nun in der Schlacht vor Ptolomais der letztere von den Sarazenen gefangen wurde, widerfuhr dem Vogt von Plauen ein gleiches trübes Los; er wurde von den Heiden einem moskowitischen Kaufmann als Sklave verkauft und von diesem in dessen Heimat geführt. Dort diente nun der deutsche Graf als ein leibeigener Knecht, und als die Russen von den Tataren mit Krieg überzogen wurden, tat er sich im Kampfe mannlich hervor, geriet aber zum zweitenmal in die Gefangenschaft. Ein Talarenfürst namens Hekkata ward sein neuer Gebieter, und da die siegreichen und mächtigen Horden dieser wilden Völkerschaft herausbrachen in das deutsche Land und schon bis Schlesien vorgedrungen waren, befand sich auch der ehemalige Vogt von Plauen mit im Zuge und ersahe eine gute Gelegenheit, zu entrinnen. Er kam wieder zu seinem Land und Volke, ordnete seine Angelegenheiten, zog dann an den Kaiserhof und tat sich hervor durch ritterliches Gebaren in Schimpf und Ernst. Weil er aber häufig sich in russischer Tracht sehen ließ, auch die Sprache der Moskowiter wohl zu reden verstand und manche Sitte derselben angenommen, so nannte man ihn den langen Russen oder Reußen, und so ist auch sein Name in den alten Dokumenten Ruzzo, Rüzzo geschrieben zu finden. Von ihm ging dann der Beiname Reuß als Familien- wie als Regentenname auf alle Linien der Vogte über und verdrängte in spätern Zeiten den letztern ganz.

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55. Die Windecker

55. Die Windecker

Über der Stadt Weinheim an der Bergstraße erhebt sich die Burgtrümmer Windeck, von welcher manche Sagen gehen. Einst jagte ein freisamer Rittersmann, als Windeck schon verfallen war, einen flüchtigen Hirsch, der flüchtete sich geradezu mitten in die Ruinen der alten Burg und entschwand seinen Augen, der Ritter aber sah sich einsam in stiller Ode. Der Tag war heiß, und ihn dürstete sehr, er gedachte wohl der Sage, daß in den verschütteten Kellern der Windeck noch manch ein gutes Trünklein liege. Siehe, da stand vor ihm ein Jungfräulein im schloßenweißen Gewande, die hielt ein köstlich Trinkhorn, das bis zum Rande gefüllt war, und bot es ihm zum Tranke. Der Ritter trank und konnte kein Auge mehr von der schönen Jungfrau wenden; sie aber nahm ihr Trinkhorn zurück und verschwand. Seitdem blieb der Ritter fort und fort an die Trümmer von Windeck gebannt, immer hoffend, daß die Herrliche, die ihn bezaubert mit ihren Augen, wie mit dem Tranke, ihm einmal wieder erscheine; niemand aber kann sagen, ob der Ritter sie noch einmal gesehen, denn auch als er endlich verstorben war, wandelte sein Geist noch ruhelos durch die Trümmer.

Auch der Geist eines der letzten Windeckers soll zuzeiten auf dem Turme der alten Windeck erblickt werden, die Arme sehnend hinüberstreckend in der Richtung nach Straßburg. Eine Straßburgerin war sein Weib, Heimatliebe zog sie aus seinen Armen, im hohen Münster dort betete sie, im Münster starb sie, im Münster ist ihr Grab. Sehnend nach ihr brach im Tode des Gatten Herz.

Anders als dieses Ritters Herz beschaffen waren die Herzen der allerletzten Sprossen des edlen Geschlechtes derer von Windeck. Unsäglicher Geiz war ihr alleiniges Glück. Einsam hausten und als Junggesellen die Brüder in der verfallenen Feste; diese baulich zu erhalten, hätte Geld gekostet, und solches hatten die Brüder viel zu lieb, um es hinauszustoßen aus ihrem Kasten in die feindliche böse Welt. Aller Dienerschaft taten sie sich ab, denn Diener kosten etwas, nämlich Kost und nebenbei doch noch Geld. Selbst Hund und Katze fraßen den Brüdern endlich doch gar zu viel, und sie fanden daß es ein kostspieliges Ding sei, vierbeiniges Vieh zu halten, zumal wenn es nicht zum wenigsten Milch oder Wolle gebe. Dennoch hielten sie beide gemeinschaftlich noch ein Tierchen, und das war eine Meise – die brauchte nicht viel – sie gaben ihr täglich eine Nuß. Da hatte einstmals einer der Brüder eine schlaflose Nacht, und in schlaflosen Nächten pflegen die Geizigen zu rechnen. Und da rechnete der Herr von Windeck und brachte heraus, daß das Jahr 365 Tage, auch manchesmal 366 Tage habe, und daß ebenso viele Nüsse sechs Schock und einige darüber machten, und daß ein Schock Nüsse, wenn sie billig, wie an der Bergstraße – anderwärts kosten sie mehr – drei Kreuzer kosteten, und daß dieses alljährlich die Summe von achtzehn Kreuzern und mehr betrage, sechsmal so viel, als eine Meise wert sei. – Am andern Tage teilte der Windecker seinem Bruder die angestellte Rechnung mit, worüber dieser erschrak und eine Zeitlang ganz tiefsinnend wurde. Wenn wir bedenken, lieber Bruder, sprach er endlich, daß bei sechs Schock Nüssen auch viele taube sind, so können wir sogar sieben Schock rechnen, ohne die Mühewaltung, welche das Füttern, Wassergeben und Bauerreinigen eines solchen unnützen Fressers verursacht. – Ja, lieber Bruder, sprach der erste wieder mit einem Seufzer, wir haben uns da von unsrer Gutherzigkeit gegen dieses unvernünftige Geschöpf, gegen unsre Meise, zu einer unverantwortlichen Verschwendung hinreißen lassen, denn bedenke, wie viele Jahre wir nun schon das nutzlose Geschöpf füttern! Es ist ganz unerhört! – Darauf wurden die Brüder alsbald einig, dem unnützen, kostspieligen Kostgänger den Bauer zu öffnen und ihn hinfliegen zu lassen, wohin er wollte. Aber der Schmerz über ihre zu spät von ihnen erkannte Verschwendung nagte den Brüdern am Herzen, sie konnten sich jene nicht vergeben, diesen nicht überwinden, und am folgenden Tage hatte der Gram über ihre Verschwendung ihnen zu gleicher Zeit das Herz gebrochen.

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559. Das Teufelswehr

559. Das Teufelswehr

Auf dem Eichrück im Forstdistrikte Walsburg der Saale ohnweit Ziegenrück hauste in der Vorzeit der Teufel mit seinem Gefolge, und wer sich jener Stelle näherte, den suchte er mit List zu fangen. Einstmals kam ein Maurermeister dahin. Mit ihm ging der Böse eine Wette ein, daß er vor des Maurers Augen von Mitternacht bis zum Hahnenschrei über die reißendsten Fluten des Flusses ein Wehr erbauen wolle. Der Maurermeister ging darauf ein und stieg auf einen Baum in der Nähe, um von dort aus die Sache mit anzusehen. Zu seinem Schrecken gewahrte er, wie der Teufel große Felsblöcke aus den Bergen herausriß, sie in die Saale stürzte und mit den Füßen festtrat. Kaum fehlten noch ein Mandel Ellen an der Vollendung des Werkes, da rief der Maurer auf dem Baume in der größten Seelenangst mit lauter Stimme: Kikeriki! Kikeriki! Kikeriki! – so täuschend, daß der Teufel wähnte, ein wirklicher Hahn habe gekrähet. Wütend darüber schlug er mit seiner Hand auf einen neben ihm befindlichen Felsen, so daß noch heute der Eindruck, den der Schlag gemacht, darauf zu sehen ist, und fuhr dann auf und davon. Das Wehr steht noch unvollendet mit der von dem Teufel gelassenen Öffnung und wird das Teufelswehr genannt.

Auf einem großen in der Nähe des Wehrs befindlichen Steine sind tellerund schüsselartige Vertiefungen, aus denen vor Beginn des Wehrbaues der Teufel mit seinem Gefolge gegessen haben soll.

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560. Die Hüttenmännchen im Klosterhammer

560. Die Hüttenmännchen im Klosterhammer

Im Klosterhammer bei Lobenstein hausten in frühern Zeiten Hüttenmännchen, die den Hüttenarbeitern vorarbeiteten. Oftmals beobachtete man sie, wie sie in grünen Hemdchen geschäftig sich bezeigten. Das eine Hüttenmännchen legte Kohlen an, das andere brachte Eisen getragen, ein drittes ließ den großen Hammer los. Wenn die Hüttenarbeiter kamen, war der größte Teil ihrer Arbeit schon verrichtet. Seit die Männchen verschwunden sind, ist die gute Zeit der Hüttenarbeiter vorüber.

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561. Das Licht für sich

561. Das Licht für sich

Bei der Lerch, einem kleinen Dorfe in der Nähe von Hirschberg, wurde vor nicht allzu langen Jahren häufig ein Licht gesehen; es kam und ging eine gewisse Strecke und diese dann wieder zurück, und das zu dreien Malen, dann verschwand es. Niemand wagte sich hinan, ihm zu begegnen oder es zu verstören. Endlich kam einmal ein ganz junges Halbwisserlein, das hatte im Seminarium mächtigliche Aufklärung in sich geschluckt und war ganz voll davon; das lachte und schalt die dummen Bauern in der Lerch aus, daß sie an einen solchen abergläubigen Spuk glaubten, und sprach: Es gibt nur ein Licht, das ist das Licht unserer Vernunft und unserer Aufklärung! – und sie sollten ihm nur das Licht zeigen, er wollte es wohl fragen, was es für ein Licht sei, und es ihnen dann schon aus der Natur erklären. Die Bauern warteten einen der gewissen Abende ab, an welchem das Licht zu wandeln pflegte, und geleiteten das Schulmeisterlein hin zu dem Orte, und da kam das Licht. Frisch und keck schritt der Schulmeister auf das Licht zu und rief, als er ihm nahe kam: Heda! Was bist du für ein Licht? – Die Bauern aber waren zurückgeblieben, doch nahe genug, daß sie einen mächtigen Patsch hörten und gleich darauf noch einen und die Worte von einer gellenden Stimme:

Bekümmre dich um dich!
Ich bin ein Licht für mich! –

Und dabei hatte der vorlaute Aufklärer zwei fetzenmäßige Ohrfeigen erhalten. Von da an gaben ihm die Bauern in der Lerch den Spottnamen Lichtfreund. Er schwur aber Stein und Bein, er wäre keiner.

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562. Der Dockenteich

562. Der Dockenteich

Eine halbe Stunde nordwestlich von Merkendorf bei Auma, bei der Aumamühle, liegt ein Teich, der Dockenteich genannt; vor langer Zeit sollen in ihm ein Vater und zwei wunderliebliche Töchter gehaust haben, deren Zartheit und Anmut die Leute nicht besser zu bezeichnen wußten, als daß sie die Schwestern, welche ihnen sonst unbekannt waren, mit dem Namen der Docken bezeichneten. Diese Mädchen teilten auch mit Erdentöchtern die Schwachheit, Freundinnen vom Tanze zu sein, ließen sich daher oft herab, nach Merkendorf und Piesigitz zu kommen. Natürlich fanden sie bald Anbeter, und diese unterließen nicht, sie nach Hause zu geleiten; an dem Teiche angekommen, fanden sie eine Art Tür, hinter welcher Stufen hinabführten, auf denen sie bald zu einer bequemen und geräumigen Wohnung gelangten. Doch versteckten die Mädchen ihre Begleiter sorgfältig hinter der Haustür, indem sie äußerten, ihr Vater, der alte Nix, müßte erst zur Ruhe und könnte keine Christen reichen (riechen). Hier hatten sie Gelegenheit, mit Zittern ein Gespräch zwischen den Töchtern und dem Vater zu belauschen, worin letzterer äußerte: Emweder seid ihr bei Christen gewesen, oder ihr habt Christen bei euch; indem sie ersteres bejahten, wurde der Vater ruhiger. Diesen Docken war von dem Vater sehr streng anbefohlen, abends zehn Uhr nach Hause zu kommen, indem er drohte, sie sonst umzubringen. Absichtlich hielten sie einst die Merkendorfer Bursche länger zurück und begleiteten sie dann. Bei dem längeren Ausbleiben der Bursche sagten die Merkendorfer Jungfrauen ahnungsvoll zu der Jugend, morgen früh sollten sie nur hinten nach dem Teich sehen; wäre das Wasser des Teiches rot, so wären sie ermordet. Früh war wirklich der Teich blutrot, und von den Burschen und Mädchen sah man niemals etwas wieder.

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563. Geist Karrstet

563. Geist Karrstet

In Bunzig lebte vor langer Zeit ein Edelmann, Karrstet, der bei Belgrad gegen die Türken mitgefochten hatte, ein wilder, trotziger Mann. Als er nach einem nicht friedevollen Leben endlich gestorben war, wurde sein Leichnam in die Kirche zu Hohenleuben begraben, aber noch jetzt reitet das Gespenst dieses Toten nächtlicherweile auf einem weißen Streitrosse den Weg entlang, auf welchem die Leiche nach Hohenleuben gebracht wurde, ja selbst bis in die Kirche hinein dringt der Spuk. Denn einstmals schickte der Prediger zu Hohenleuben einen seiner Söhne im Zwielichte des Abends in die Kirche, ein auf dem Altar liegendes Buch zu holen, und derselbe nahm zu seiner Begleitung zwei Söhne des Kantors mit. Kindischer Mutwille trieb den einen dieser Knaben, die Kanzel zu besteigen und zu rufen: Geist Karrstet, komm! Geist Karrstet, komm! Siehe, da erdröhnte das Gebäude, und schrecklich und grauserlich ritt der Spuk mit lautem Getöse über die Weiberstühle dahin. Die Knaben wurden bewußtlos auf dem Kirchhofe gefunden. Seitdem hat keiner wieder den Geist gerufen.

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