547. Kümmelbrot

547. Kümmelbrot

Im Schallholz, eine Viertelstunde westlich von Merkendorf, hausten auch Holzmännel und Holzweibel; die waren den Leuten gern behülflich und dienstbar, halfen auch Heu machen, waren aber nicht blöde und ließen sich oft ungefragt die Klöße aus den Töpfen und die Brote aus den Ofen gefallen. Das war zuletzt den Leuten nicht recht, sie gedachten diese unliebsamen Gäste los zu werden und wendeten die Mittel an, die dazu dienlich waren. Der Müller, dem sie treulich geholfen, Mehl und Mühle gefegt hatten, legte ihnen neue Kleider hin, das verdroß die kleinen Hülfswesen, und sie zogen ab und kamen nicht wieder. Andere Leute buken Kümmel unter das Brot oder bestreuten, wie es noch heute üblich ist, die Rinde damit. Da klagten die Holzweibel:

Kümmelbrot,
unser Tod.

Und dann sagten sie im Weggehen, da sie fortzogen, um nimmer wiederzukehren:

Eßt ihr euer Kümmelbrot,
tragt auch eure schlimme Not.

Und nachher ist es den Leuten auch nie wieder so gut und wohl geworden wie früher.

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548. Das hohle Brot

548. Das hohle Brot

Zu einem Hirtenmädchen aus Gefell kam oft ein Holzweibel auf die Hut, und das Mädel war mit dem Weibel gut vertraut. Eines Tages, als sie daheim frisch gebacken hatten und kein Mangel vorhanden war, nahm das Mädchen einen ganzen Laib Brot für das Holzweibel mit. Das empfing das Brot mit großer Freude, brach es auf und höhlte alle Krume heraus, dann sammelte es Laub am Hutrain und stopfte das hohle Brot damit voll. Dieses kindische Tun verdroß die junge Hirtin, es dauerte sie das liebe Brot. Und auf einmal lag das Brot bei ihr, und das Holzweibel war verschwunden. Nun hatte das Mädchen nichts Eiligeres zu tun, als das Laub aus dem gehöhlten Brot zu schütten, und das letztere nahm es wieder mit nach Hause. Da klapperte etwas im Brot, und das Mädchen dachte, es möchte etwa ein kleiner Stein sein, der mit dem Laub in das Brot gekommen, schüttete es nochmals aus, aber siehe, da waren aus einigen Blättern Laub, die innen hängengeblieben waren, einige Laubtaler geworden. Wie schnell lief die Hirtin nach dem Rain, wie suchte sie nach dem köstlichen Laube, fand es auch noch und trug’s in der Schürze heim, aber es wollten daraus keine Laubtaler werden, und nie sah sie das dankbare Holzweiblein wieder.

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54. Eginhart und Emma

54. Eginhart und Emma

Kaiser Karl der Große hatte einen jungen Kapellan, Eginhart geheißen, der ihm auch als Geheimschreiber treulich diente, und von welchem jenes großen und mächtigen Kaisers Leben beschrieben worden ist. Dieser liebte des Kaisers Tochter Imma oder Emma und wurde von ihr heftig wiedergeliebt, doch fürchteten sich beide, dem mächtigen Herrscher Karl ihre Leidenschaft zu entdecken, weil Imma bereits dem Könige von Byzanz verlobt war. Da geschah es, daß Eginhart in einer Nacht zu Imma kam und mit ihr von ihrer Liebe redete, bis der Morgen fast zu grauen begann. Aber während die Liebenden heimlich beisammen waren, fiel ein starker Schnee, und als Eginhart von seiner Geliebten hinweggehen wollte, da er über den Hof der Kaiserpfalz zu Ingelheim, wo sich dieses zutrug, wandeln mußte, erschraken beide sehr, denn sein Fußtritt von ihrem Gemach aus mußte ihn ohnfehlbar verraten. Da ersann Imma eine List, sie gürtete sich und trug den Geliebten auf ihrem Rücken durch den Schnee über den Burghof bis zur Stelle, wo er sicher war, und kehrte dann, in ihre eigenen Fußtapfen vorsichtig tretend, wieder zurück. Alles war still, und alles schlief, nur der große Kaiser nicht. Dieser wachte und sah aus seinem Gemach hinab in den Schloßhof und erkannte mit Schmerz die eigne Tochter – doch er schwieg. Der junge Kanzler aber gelobte sich nach der ertragenen Angst, des Kaisers Hof zu verlassen, kniete nieder vor seinem Herrn und bat ihn zu entlassen. Da der Kaiser nach der Ursache solcher Bitte fragte, so wandte Eginhart Mißmut vor, sein Dienst werde ihm nicht gehörig vergolten, und was er sonst für Ausreden brauchte. Der Kaiser versprach dem Jüngling baldigen Bescheid, setzte aber ein Gericht an, zu dem er seine weisesten Räte und Richter berief, und trug ihnen vor, was sich begeben habe, und was er mit Augen gesehen; heischte nun, da er in eigner Sache nicht Richter sein wollte, ihren Rat und ihr Urteil. Da stimmten die Räte und Richter fast allzumal für Milde und Verzeihen, und der große König, ob er auch im Herzen zürnte, mußte ihnen zuletzt beistimmen. Darauf ließ er seinen Schreiber vorfordern und sprach zu ihm: Schon lange hätte ich deine Dienste besser vergolten, hättest du mir früher dein Mißvergnügen entdeckt, nun will ich dir meine Tochter Imma zur ehelichen Frau geben, welche dich hochgegürtet so williglich durch den Schnee getragen hat. Und sandte nach der Tochter, und Imma kam mit hohem Erröten und ward ihrem Herzgeliebten alsobald angetraut. Der Kaiser begabte seine Kinder reich mit Ortschaften, Waldungen und Feldern und hielt Eginhart gar hoch in seinem Herzen. Als aber der große Kaiser verstorben war, da sehnte Eginhart sich vom Hofe hinweg mit seiner lieben Imma in beschauliche Stille, und König Ludwig der Fromme, Karols Sohn, begabte ihn mit zwei königlichen Villen im Odinwald, die hießen Michlinstadt und Mühlenheim. Nach einer Reihe glücklich verlebter Jahre wandte sich das Herz der Verbundenen mehr und mehr dem Himmel zu. Michlinstadt schenkten sie dem berühmten Kloster Lorsch, von dem überkamen es die Schenke von Erbach, die später Reichsgrafen wurden. Beide lebten fortan geistlich, nur noch als Bruder und Schwester verbunden: Eginhart ließ sich die Priesterweihen erteilen und erbaute eine Kirche mit Klosterzellen zu Obermühlheim, ließ dorthin heilige Leiber aus Rom kommen, und als seine Imma verstorben war, ließ er sie in seinem Kloster beisetzen, dessen erster Abt er wurde. Selig sei die Statt, wo du ruhest, sprach er an der Asche der Treugeliebten, und wo wir in Liebe Selige gewesen – und fortan wurde der Ort Seligenstadt genannt.

Andere sagen, Karl der Große habe die Liebenden von seinen Augen verbannt und verstoßen, und sie haben lange dort um Seligenstadt in einer Waldeinöde beisammengewohnt, bis der Kaiser auf einer Jagd sie einst unvermutet wiedergefunden und aus Freude jene Stätte selbst Seligenstatt genannt habe. Da auch Abt Eginhart verstorben war, wurden seine Gebeine neben denen seiner Imma beigesetzt und ihnen dann ein kostbarer Sarkophag, darinnen sie ruhten, errichtet, und da nun die erlauchten Grafen von Erbach zu Erbach ihren Stamm von diesem edlen Paare ableiten, so ist durch Geschenk von hoher Fürstenhand ihnen dieser alte Sarkophag verehret worden und wird als das kostbarste Altertum zu Erbach noch bewahrt. Nicht minder aber ward zu Seligenstadt ein herrlicher andrer Marmorsarkophag mit den Gebeinen der Gründer der dortigen Kirche in derselben aufgestellt, und so ist es gekommen, daß Eginharts und Emmas Sarg an zwei verschiedenen Orten gezeigt wird und doch jeder von beiden der wahrhaftige ist.

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549. Das erschrockene Wichtel

549. Das erschrockene Wichtel

Eine Bauersfrau aus Gössitz war daran, auf ihrer Holzwiese im Schlingengrunde gerade den letzten Heuschober auszubreiten, da saß auf dem Schober, mit dem Rücken der Frau zugekehrt, ein winzigkleines Männchen. Was war zu tun? Fertig wollte die Frau gern mit ihrer Arbeit werden und getraute sich doch nicht den Kleinen anzureden und heruntergehn zu heißen. Kurz bedacht schlich sie von hinten heran und zupfte mit dem Rechen Heu unten von dem Schober weg. Das Wichtel merkte nichts davon. Die Frau zupfte wieder und immer wieder; endlich kriegt der Schober oben das Übergewicht und bricht zusammen. Das erschrockene Männchen kreischte laut auf im Fallen und rang sich mit Mühe aus dem Heu hervor. Aus dem Holze aber kam ein ganzer Haufe kleiner Wichtel und rief:

Sag an, sag an!
hat es dir was getan?

Das sich vom Schrecken erholende Wichtel schaute aber immer nur den eingefallenen Heuschober an, schüttelte den Kopf und sprach:

Ei, ei! Das Ding fiel nur so ein;
da bin ich so erschrocken!

und lief, ohne auf die Bauersfrau achtzugeben, was es laufen konnte, mit seinen Kameraden in den Wald zurück.

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550. Die bestrafte Magd

550. Die bestrafte Magd

Eine kecke Magd schritt am Dreikönigsabend von Neidenberg nach Saaltal, ein Dorf ohnweit Wilhelmsdorf dicht an der Saale, heim. Sie war in einer Lichtstube zu Neidenberg spinnen gewesen und hatte ihren Rocken rein abgesponnen, auch hatten junge Burschen ihr das Geleit gegeben bis zum Bergabhang, der sich in das Flußtal senkt. Den Bergpfad herauf zog Perchta mit dem Heimchenvolke, und die Magd stutzte, als sie eine stattliche Frau sah, von einer so großen Schar Kinder umwimmelt, die noch dazu sich abmühten, einen großen Ackerpflug zu ziehen und bergauf zu schieben und anderes Geräte zu schleppen. Das kam ihr ganz komisch vor, und sie lachte hellauf, daß es drüben von der Bergwand widerhallte. Darob erschraken die Heimchen, daß sie abließen von ihrem Gerät, und alles samt dem Pflug rollte wieder den steilen Pfad hinab. Zürnend trat Frau Perchta vor die Unbesonnene und blies ihr in die Augen. Alsbald schlossen sich diese in starrer Blindheit. Angstvoll irrte sie nun und pfadlos über Stock und Stein, irrte die ganze Nacht, und erst am Morgen fand man sie und fuhr sie über den Strom zu ihrer Herrschaft in Saaltal, die sie nun aus dem Dienst wies, und so wurde die Hülflose eine Bettlerin. Da saß sie nun oft weinend und ihren Vorwitz bereuend am Weg und an der Überfahrstelle, und das geschah auch, als der Dreikönigsabend wiederkehrte. Die Blinde hörte, daß eine Frau des Weges kam, Gewänder rauschten, und es trippelte und trappelte wie von vielen Kindern, und sie erhob ihre Stimme und flehte um eine Gabe. Die Frau aber war Perchta mit ihrem Völklein und sprach: Du sollt eine Gabe han. Vorm Jahr blies ich dir zwei Lichtlein aus, heuer zünd‘ ich sie wieder an, blies der Bettlerin ins Gesicht und schritt weiter. Mit einemmal taten sich die Augen der Magd auf, und sie sah wieder wie zuvor. Nie vergaß sie, was ihr geschehen, und erzählte es oft, andern zur Warnung und zur guten Lehre.

Auch bei Neustadt an der Orla in der sogenannten Sorge geht dieselbe Sage von einer Spinnerin, welcher Perchta die Augen ausblies.

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543. Frau Welle

543. Frau Welle

Die Hohewart liegt bei Kaulsdorf über Saalfeld und hat den Namen von einem Turme, der daraufstand, und in dem Turme hat eine weise Frau gewohnt, welche die Umwohner zu Rate zogen, diese Rune wurde Frau Welle genannt, und man nennt nach ihr noch das Tal unter der Hohenwart das Valleidatal. Bisweilen hielt sich Frau Welle auch in einer Berghöhle auf, und dort soll sie fort und fort noch als ein Geist erschienen sein, ganz in schneeweißes Linnen gekleidet, mit einem breiten Gürtel aufgeschürzt und mit fliegendem, bis auf die Fersen herabwallendem Haar. Auch sie soll sich in der Nähe, ja selbst im Gefolge des wilden Heeres befunden haben, wo sie aber die Waldmännchen und -weibchen nicht verfolgen half, sondern denselben ihren Schutz gewährte. Die zunächst anwohnenden Bauern sahen sie zuweilen, wann sie spät aus dem Holze heimkehrten, auf einer Anhöhe im Walde, wie sie auf den Ton der Jagdhörner horchte, wenn das wilde Heer auszog. Einstmals – erzählt man – war ein Bauer vorwitzig genug und fragte das am Berge vorüberziehende wilde Heer, ob es etwa der Frau dort etwas von der gemachten Jagdbeute ablassen wolle. Tags darauf fand man diesen Mann auf einem breiten Steine des Valledenberges mit ganz zerstückeltem Leibe liegen. Bisweilen irrte diese Frau auch unter der Gestalt einer fahlen Kuh in den Gebirgsschluchten umher.

Im nahen Loquitzgrunde ist ein Felsberg, der heißt die Trudenkuppe; auch auf ihr geht eine weiße Frau um, deren lange nachschleppende Haare im Winde flattern. Sie trägt ein großes Messer und soll einsame Wanderer in das Dickicht locken und dann auf einem alten mächtigen Opfersteine schlachten.

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544. Die Saalnixen

544. Die Saalnixen

Die Saalnixen

Von den Saalnixen gehen der Sagen viele; der Fluß zieht in mannigfaltiger Krümmung durch weite Länderstrecken von seinem Ursprung auf dem Fichtelgebirge bis zu seiner Einmündung in den Elbstrom in der Nähe von Barby.

Zu Wilhelmsdorf zwischen der Saale und dem Städtchen Ranis hat sich eine Saalnixe zum öftern gezeigt. In der Berggrube bleichte sie ihre Wäsche, die war blütenweiß und rot gerändelt. Ein Bauer, der dort vorüberfuhr, hieb mit seiner dreckigen Mistgeischel ein paarmal darüber hin, daß man garstige Schmitzen sah. Da stand die Nixe plötzlich an seinem Wagen und schalt, er solle das nicht noch einmal tun, sonst wär‘ es aus mit ihm. Murrend fuhr der Knecht davon. Als er das nächstemal wieder an derselben Stelle vorbeikam, lag der Weich wieder dort, aber es war keine Nixe dabei. Da trieb der angeborene Frevelsinn, der manchem im Leibe steckt, den Burschen an, nach Herzenslust auf die blütenweiße Wäsche zu schlagen und sie mit dreckigen Striemen zu zeichnen, und über dieser Frevelübung merkte er gar nicht, daß aus der nahen Berggrube hervor endlos Wasser strömte, bis er es an den Füßen spürte, bis es über die Kniee ihm schwoll, und da er sich nun hinauf auf seinen Wagen vor der mehr und mehr anschwellenden Flut retten wollte, war die Nixe da, riß ihn zurück, tauchte ihn unter und hielt ihn fest, bis ihm der Odem ausging.

Lange Zeit trieb diese Saalnixe zum Zeitvertreib ihr Wesen in der Kosterquelle und den runden Teichen auf der Walperwiese bei Wilhelmsdorf. Einstmals ging ein Mann aus dem Dorfe nach dem schwarzen Holze an der Herthigstelle, sich dort einen Peitschenstecken zu holen. Die Sonne ging gerade auf, als der Wilhelmsdorfer über die Walperwiese schritt. Er sah, wie die Nixe blendendweiße Wäsche an dem Rande der Kosterquelle ausgebreitet hatte zum Trocknen. Daneben saß sie selber und wiegte ihr noch schlafendes Kind. Erschrocken darüber wollte er von der unheimlichen Stelle ausbiegen, doch die Nixe hatte ihn schon gewahrt. Sie fragte nach seinem Anliegen und versprach ihm einen Peitschenstecken, mit dem er gewiß zufrieden sein solle, wenn er unterdes das kleine Nixlein recht schön wiegen wolle. Der Mann wollte die Nixe nicht böse machen und setzte sich bei der Wiege nieder. Unbeholfen stößt er daran und bringt sie nach seiner Weise in starken Schwung. Eines solchen Wiegens ungewohnt, erhub die kleine Nixe wehklagend ihre Stimme. Da schaute die Nixenmutter sich um, dräuete mit der Hand und gebot ihm Schonung für ihr Kind. Der Mann aus Wilhelmsdorf aber wurde dadurch so aus der Fassung gebracht, daß er die Wiege gar umwarf und dann entfloh. Die zurückkehrende Saalnixe schwur dem Fliehenden Rache, und ehe dreimal vierundzwanzig Stunden vergangen waren, lag der Frevler als toter Mann in der Saale.

Einem Manne aus Reitzengeschwend, der besser gewiegt hatte, wurde von der Nixe ein goldner Peitschenstecken verehrt.

Ein anderer traf die Nixe weinend und jammernd an, ihr Kind war gestorben, und sie wußte nicht, was sie damit anfangen sollte; da erbot er sich, es auf seinem Wagen mit ins Dorf zu nehmen und auf den Kirchhof zu begraben. Des war die trauernde Nixe herzlich froh, ließ es geschehen und belohnte reichlich den Mann.

Einmal hatte die Nixe einen jungen Ehemann an sich gelockt, dessen Frau schöpfte Verdacht, ging ihm nach und traf ihn bei der Nixe in zärtlicher Umarmung. Da erhob sie ein entsetzliches Jammergeschrei und raufte sich die Haare aus. Als die Nixe den Schmerz der Frau gewahrte, und wie lieb sie ihren Mann hatte, ließ sie diesen los und sprach: Nimm ihn hin, er sei und bleibe dein, aber er nahe nicht wieder dem Ufer, sonst möchte mich’s reuen und ich mir ihn holen. Und glitt hinweg und verschwand im Strome.

Eine Saalnixe kam auch oft nach Saalfeld in die Stadt in die Fleischbänke; sie hatte große wässerige Augen wie ein Fisch, grüne Zähne und unterm Rock einen triefenden Schweif. In Jena fordern sie jedes Jahr ein Menschenleben als Opfer, desgleichen in Halle, davon ein Scherzreim geht:

Wißt ihr wohl, wo Halle liegt?
Halle liegt im Tale.
Da sind schöne Jungfern drein
und Nixen in der Saale.

Einer hallischen Wehmutter erging es ähnlich wie der zu Preilipp, die ward auch von einem Wassermann unter den Strom geführt, dort von der Kindbetterin vor ihres Mannes, des Nix, Tücken gewarnt und bedeutet, Dosten und Dorant zu erfassen und festzuhalten, diesen Kräutern und denen, welche sie tragen, können weder Nixen noch Kobolde etwas anhaben, so kam auch jene glücklich zurück.

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53. Des Rodensteiners Auszug

53. Des Rodensteiners Auszug

Im Odenwalde oder nahe dabei stehen zwei Trümmerburgen, die heißen der Rodenstein und der Schnellert, zwei Stunden voneinander entfernt. Die Herren von Rodenstein waren ein mächtiges Rittergeschlecht. Einer derselben war ein gewaltiger Kriegs- und Jagdfreund, Kampf und Jagd war sein Vergnügen, bis er auf einem Turnier zu Heidelberg auch die Minne kennenlernte und ein schönes Weib gewann. Doch lange hielt er es nicht aus im friedsamen Minneleben auf seiner Burg, eine nachbarliche Fehde lockte ihn zu blutiger Teilnahme. Vergebens und ahnungsvoll warnte sein Weib, bat und flehte, sie nicht zu verlassen, da sie in Hoffnung und ihrer schweren Stunde nahe war. Er zog von dannen, achtete ihres Flehens nicht – sie aber war so sehr erschüttert, daß ihre Wehen zu früh kamen – sie genas eines toten Sohnes und – starb. Der Ritter war, dem Feinde näher zu sein, auf seine Burg Schnellert gezogen – dort erschien ihm im Nachtgraun der Geist seines Weibes und sprach eine Verwünschung gegen ihn aus. Rodenstein! sprach sie, du hast nicht meiner, nicht deiner geschont, der Krieg ging dir über die Liebe, so sei fortan ein Bote des Krieges fort und fort bis an den Jüngsten Tag! –

Bald darauf begann der Kampf. Der Rodensteiner fiel und ward auf Burg Schnellert begraben. Ruhelos muß von Zeit zu Zeit sein Geist ausziehen und dem Lande ein Unheilsbote werden. Wenn ein Krieg auszubrechen droht, erhebt er sich schon ein halbes Jahr zuvor, begleitet von Troß und Hausgesinde, mit lautem Jagdlärm und Pferdegewieher und Hörner- und Trompetenblasen. Das haben viele Hunderte gehört, man kennt sogar im Dorfe Oberkainsbach einen Bauernhof, durch den er hindurchbraust mit seinem Zuge, dann durch Brensbach und Fränkisch-Krumbach und endlich hinauf zum Rodenstein zieht. Dort weilt das Geisterheer bis zum nahenden Frieden, dann zieht es, doch minder lärmend, nach dem Schnellert zurück. Im vorigen Jahrhundert sind im Gräflich-Erbachischen Amte zu Reichelsheim gar viele Personen, die den Nachtspuk mit eigenen Ohren gehört hatten, amtlich verhört worden und haben ihre Aussagen zu Protokoll geben müssen.

Viele sagen zwar, es sei des Lindenschmieds Geist, der so ruhelos ziehe, und von dem am Rhein alte Lieder gehen, aber der Lindenschmied war ein Schnapphahn, den Kaspar von Freundsberg gefangennahm, und lange vor seinem Leben war der Rodensteiner zum Auszug und Kriegsherold bis zum Jüngsten Tage verwünscht worden.

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539. Die wilde Bertha

539. Die wilde Bertha

In der Gegend um Saalfeld, im Saaltale, auf der Heide, in den Bergwerken von Kamsdorf, im Orlagau und nach dem Vogtlande hinüber, wie in diesem selbst, läßt die Sage des Volkes zahlreiche mythische Wesen in abgesonderten Gruppen bestehen; diese bilden das Volk der Riesen, der Zwerge, letztere als Bergmännchen, der Haus- und Hülfsgeister als Heimchen, der Wichtlein, Moosmänner, Holz- und Moosweibel als scheue Waldzwerge, die der wilde Jäger fast beständig in der Hurre hält, jagt und tötet, wie der Wode im Dithmarschenlande die Unterirdischen; sodann die Drachen, die Saalnixen und endlich der wilde Jäger selbst mit seiner Jagdfrau, der wilden Bertha. Er hat keinen bestimmten Namen, nur einmal halb verbürgt begegnet er unter dem Namen Berndietrich; sie aber heißt auch die eiserne Bertha, die Bildabertha, Hildabertha (Hulde-Bertha?) und im südlicheren Deutschland Perchta und Prechta. Bertha, Jäger und Moosleute erscheinen zottelig, ungekämmt, struppig, und die Hildabertha hat ganz die Eigenschaft der Hulda, die um den Hörseelenberg jagt, faulen Mägden den Flachs zu verwirren und den Rocken zu zerzausen, besonders am letzten Tage im Jahre. Manche Leute sollen deshalb an diesem Tage Klöße und Hering essen, der Thüringer Heringsnasen Lieblingskost, und den Kindern, die sie ohnehin viel mit Bertha zu fürchten machen, sagen, wenn sie das nicht äßen, komme die wilde Bertha, schneide ihnen den Bauch auf, nähme heraus, was darinnen, und nähe den Bauch wieder zu, wobei sie sich statt der Nähnadel einer Pflugschar und statt des Heftfadens einer Hemmkette bediene. Es hat aber das Heringsessen am letzten Tag des Jahres noch einen weit verbreiteteren Grund, indem die Leute den Glauben haben, der Rogen des Herings, an diesem Tage genossen, bringe im nächsten Jahre Geld; aus gleichem Grunde werden mittags am selben Tage Linsen gegessen.

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540. Das Beil im Kopfe

540. Das Beil im Kopfe

Ein Bauer aus einem Walddorfe der Saalfelder Gegend fuhr zu Holze in den Zwölften, wo die Geister in Feldern und Wäldern häufig umfahren. Da kam ihm in einem engen Hohlweg die wilde Jagdfrau entgegen auf einem Wagen, den zwei Katzen zogen. Der Bauer konnte nicht ausweichen oder wollte nicht und hub an, greulich zu fluchen. Da hub aber die Frau Bertha ihr Beil auf und schlug es mit einem mächtigen Hiebe dem Bauer handtief mitten in der Stirn in den Schädel und fuhr brausend mit ihrem Gespann über seinen Kopf und seinen Wagen hinweg. Der mächtige Schlag hatte den Bauer betäubt, und er hatte gemeint, es wäre sein Letztes, doch als er zur Besinnung kam, fand er sich heil und unverletzt, aber – mitten in seinem Kopf stak samt dem Stiel, wie in das Fleisch gewachsen, die Spaltaxt der Frau Bertha und war nicht zum Wanken und Weichen zu bringen. So kam der Bauer in sein Dorf zurück, trug zu jedermanns Verwunderung die Axt im Kopf und mußte sich daheim halten oder beständig eine hohe Mütze tragen, denn kein Bader und Feldscher war imstande, ihm die Axt aus dem Kopf zu bringen. Doch konnte er seiner Arbeit warten. So geschah es, daß jener Bauer, der nun schon ein Jahr so gestraft war, eines Tages wieder zu Holze fuhr, und da begegnete ihm wieder die Jagdfrau, ganz wie das vorige Mal. Da war er aber geschwind mit Ausweichen und trieb sein Vieh zurück und gab der Frau Bertha Raum. Da dankte das Waldweib gar freundlich und strich ihm mit der Hand über die Stirne, und weg war die Bertha. Da fiel das Beil dem Bauer aus der Stirne in die Hand, und am Kopf sah und fühlte er keine Spur einer Wunde oder Schmarre, als er aber das Beil recht betrachtete und betrachten ließ, fand sich, daß es von lauterem Golde war.

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