678. Die Säule der Drahomira

678. Die Säule der Drahomira

An dem Orte, wo sonst die Kirche St. Matthäi auf dem Hradschin zu Prag gestanden hat und jetzt das Haus zur güldnen Kugel steht, wird eine alte Denksäule gezeigt, an welche sich eine Sage aus dem grauen Altertume knüpft.

Der zwölfte Herzog Böhmens hatte ein Weib namens Drahomira, welche noch dem Heidentume anhing, während ihr Sohn sich bereits zum Christenglauben bekannte. Als nun Wratislaw, der Herzog, starb und seine Söhne, Wenzeslaw und Boleslaw, noch unmündig waren, eignete sich Drahomira das Regiment zu und ließ die Christen von ihrem heidnischen Anhange grausam verfolgen, wovon viel zu erzählen wäre. Als aber ihr Sohn Wenzeslaw heranwuchs, schirmte er kräftig das Christentum. Darüber erzürnte sie sich eines Tages so heftig, daß sie einen Eid schwur, von dannen und nach ihres Vaters Grabe nach Saaz zu fahren und dort den alten Göttern zu opfern. Wie nun der Wagen an der Kirche zu St. Matthäi vorbeifuhr, hörte der Kutscher drinnen im Gotteshause das Meßglöcklein, sprang, weil er ein Christ war, vom Wagen, warf die Peitsche von sich und fiel auf die Kniee. Darüber begann das böse Heidenweib über alle Maßen wütend zu lästern und zu toben, Gott und Christum zu verfluchen und alle Heiligen – und siehe, da tat sich unter Blitzen und Donnerkrachen der Erdboden auf und schlang Drahomira samt Rossen und Wagen in einen unermeßlich tiefen Abgrund hinunter. Aus dem Abgrunde aber schlugen Rauch und Feuerflammen, und ein entsetzlicher Gestank verpestete die Luft; dann schloß sich die Kluft, und nur des Kutschers Peitsche blieb außen, der nun Gott inbrünstig dankte. Als die Priester und die Schar der Andächtigen aus der Kirche traten, hörten sie in der Tiefe der Erde noch ein zeterndes Heulen. Lange Zeit ist hernach dieser Ort mit einem Zaune umgeben gewesen, wobei sich das Sonderbare zutrug, daß, wer über den Zaun schritt, an demselben Menschen wurde des Tages ein Zeichen des Fluchs gespürt, oder er fiel in eine weltliche Schande, so daß man später die Stelle mit einer Mauer umgab. Auch stellte man zum ewigen Gedächtnis eine Säule dorthin, nahe dem Wirtshaus zum Weidenhof, und schrieb an diese die Kunde von dem Strafgericht des erzürnten Himmels. – Aus diesem Schlosse Hradschin wurden im Jahre 1618 die Abgeordneten des Kaisers zum Fenster herausgeworfen, was den Anstoß gab zu dem blutigen Dreißigjährigen Kriege.

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67. Der Franken Furt

67. Der Franken Furt

Die Sage geht, daß die freie deutsche Stadt Frankfurt ihren Ursprung in solcher Weise erhalten habe. Unter Kaiser Karl dem Großen kriegten die Sachsen gegen die Franken und ihren mächtigen König, und waren erstere siegreich und trieben die Feinde bis hinab zum Ende des Mainstroms. Wie nun die Franken flüchtig an diesen Strom und an die Stelle kamen, wo jetzt Frankfurt liegt, und des Stromes Breite und Tiefe sie erschreckte, da sie weder Brücke noch Schiffe hatten, über den Main zu gelangen, siehe, da zeigte ihnen eine Hirschkuh gleichsam nach dem Ratschluß göttlicher Barmherzigkeit den Weg, indem sie ohne Gefahr durch den Strom schritt und also eine Furt anzeigte, wo die flüchtigen Franken nun ohne Gefahr über den Strom setzen konnten und setzten. Da nun später die nachfolgenden Feinde kamen und jene Furt nicht kannten und fanden, so mußten sie die Franken ferner unverfolgt lassen, und Karl der Große soll gesprochen haben: Besser, daß die Völker sagen, ich sei mit meinen Franken vor den Sachsen dieses Mal geflohen, als daß sie sagen, ich sei hier gefallen, denn weil ich lebe, kann und will ich meine Ehre retten. Dort nun siedelten Franken sich an, denn es war ein lieblich und fruchtreich gelegener Gau, und nannten den Ort die Furt der Franken, Frankfurt. Manche sagen, gleich damals haben die Sachsen den Ort Sachsenhausen, Frankfurt gegenüber dicht am Mainstrom, begründet, andere aber behaupten, dessen Gründung sei erst dann geschehen, als Karl der Große überwundene Sachsen aus ihrem Heimatlande hinweg und zur Ansiedelung im Frankenlande genötigt habe, von welcher bis auf den heutigen Tag noch viele Ortsnamen zeugen. Später erbaute Kaiser Karl selbst eine kleine Pfalz zur Frankenfurt und hielt sich Jagens halber gern dort auf, feierte Ostern da und hielt Reichskonvente. Auch Karls des Großen Sohn, König Ludwig, wohnte da, recht in seines weiten Reiches Mitte, und sein Sohn Karl, hernachmals Karl der Kahle genannt, ward allda geboren. Noch immer wird die seichte Stelle im Main gezeigt, wo der Franken Furt war und Frankfurts erster Anbau und Name sich begründete, und Kaiser Karls Pfalz stand da, wo jetzt die St. Leonhardskirche steht, und die neue Pfalz, welche Ludwig der Fromme erbaute und der Saal hieß, lag neben dem Fahrtor, davon hat noch bis heute die Saalgasse ihren Namen. Im Saalhof starben Ludwig der Deutsche, des frommen Ludwig jüngster Sohn, wie auch Hemma, dessen Gemahlin. Dieser König war es, der Frankfurt zu des ostfränkischen Reiches weltlicher Hauptstadt erhob, während Mainz die geistliche war.

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679. Die Prager Brücke und ihre Wahrzeichen

679. Die Prager Brücke und ihre Wahrzeichen

Seit undenklichen Zeiten ist die Prager Brücke weit und breit berühmt. Sie ist siebzehnhundertundsiebenzig Fuß lang, fünfunddreißig Fuß breit und hat achtzehn Schwibbogen. Als ihr Bau begann unter Kaiser Karl IV., war so wohlfeile Zeit, daß man für einen Silberpfennig ein Dutzend Eier kaufte; darum nahmen die Baumeister Eier und Wein unter den Kalk, dadurch der Mörtel so fest wurde, daß eher die Steine zu zerbrechen als voneinander zu trennen sind.

Diese Brücke zu bauen kostete einen Heller mehr als die Kirche Slovan oder St. Emmaus.

Das bekannteste Wahrzeichen der Brücke sind fünf kleine Enten an jeder Seite des breiten Brückenturmes an der Altstadt, der auch sonst mit mancherlei Bildwerk geziert ist. Von diesen Enten hat das Volk ein Scherzwort: Wer nicht ehrlich geboren ist, kann nicht alle fünfe sehen.

Ein zweites Wahrzeichen wird erblickt am Brückenturme der Kleinseite nach der Altstadt zu. Da sieht man hoch oben an der Turmzinne eine Lücke im Gemäuer. Einst, es war am 17. des Christmondes 1252, ritt ein Edler namens Berthold von Bertholdy über die Prager Brücke. Da stritten oben am Turme zwei Raben miteinander und schrieen und schlugen heftig mit den Flügeln; dabei rührten sie an einen Stein, der wohl schon lange los und locker im Gefüge der Mauer hängen mochte, und so fiel der Stein herab und dem Ritter gerade auf den Kopf, so daß er alsbald vom Pferde sank und auf der Stelle den Geist aufgab. Viele ehrenhafte Männer und selbst der König trugen Leid um den Rittersmann.

Ein drittes Brückenzeichen ist der Bradcy oder Großbart. An dem Schwibbogen, welcher unter dem Spital der Kreuzkirche zu Unserer Lieben Frauen in der Altstadt steht, erblickt man einen verwunderlichen alten Manneskopf eingemauert mit mächtig großem Barte, den die Böhmen den Bradicz nennen. Dieser Kopf ist den Anwohnern ein warnendes Zeichen gegen Wassergefahr; denn wenn die Moldau anschwillt und die Flut im Mühlarme der Moldau bis zu des alten Steinbildes Barte ansteigt, dann räumen jene aus, denn es ist dann vor dem wachsenden Wasser Gefahr im Verzuge.

Endlich geht von alters her noch ein Sprüchwort von der Prager Brücke: Man kann nicht über die Prager Brücke gehen, ohne daß einem begegne ein Mönch, eine feile Dirne und ein weißes Pferd.

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680. Adamiten in Böhmen

680. Adamiten in Böhmen

Im Jahre 1421 erhob sich auch im Lande Böhmen jene Sekte von ganz abscheulicher Art; neuer Zeit würde man deren Bekenntnis Emanzipation des Fleisches genannt haben. Die Bekenner verwarfen das Kleidertragen, weil Gott ja den Vater Adam und die Mutter Eva im Paradiese auch nackend erschaffen; sie gingen demnach nackend und lebten paradiesisch, wenn auch gerade nicht im Stande der Unschuld. Männlein und Weiblein machten sich keine Schürzen, dieweil sie sich nicht schämten. Diese schamlosen und schändlichen Possenreißer fanden viel Anklang und Zulauf, denn die Frechheit und der Unsinn sind ansteckend. Einer dieser Adamiten nannte sich Adam, ein anderer sagte, was neuere Weltweise gleichen Glaubens auch gesagt haben: Es gibt keinen Gott, der Mensch ist Gott – denn es ist alles schon dagewesen. Auch die Adamiten waren schon lange vor denen dagewesen, die sich in Böhmen auftaten. Die menschliche Narrheit, Bosheit und Wollust kommen immer aufs neue wieder und kleiden sich in das Gewand ihrer Zeit. Die Hussiten machten den Adamiten in Böhmen ein schnelles Ende.

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681. Hundetaufe

681. Hundetaufe

Zu Beraun im Rakonitzer Kreise war die Bevölkerung gemischt, halb Deutsche, halb Böhmen, daher auch deutscher und böhmischer Gottesdienst dort von verschiedenen Priestern gehalten ward, und da fehlte es nicht an stammfeindlicher Reibung, die zu unterhalten bis auf den heutigen Tag eine Slawenpartei sich bemüht. Großes Unrecht begingen aber die Deutschen zu einer Zeit in Beraun gegen die Böhmen; sie wickelten einen Hund in Tücher und Kleider, gingen in die Kirche und sandten zum böhmischen Priester, er möge doch eilend kommen, der deutsche Priester sei nicht daheim, und das Kindlein sei sehr schwach. Der Priester kleidete sich willig an, sein heiliges Amt zu versehen, und sah nun, als er in die Kirche kam, mit großem Schrecken und Abscheu einen Hund in den Windeln und im Taufzeug. Über diesen Schrecken des Priesters schlugen die Deutschen ein unmenschliches Gelächter auf, warfen den Hund in den böhmischen Taufstein und eilten von dannen. Dieser gottlose Frevel einiger ruchlosen Gesellen trug eine entsetzliche Frucht, der erzürnte Priester stürmte seine leidenschaftlichen Stammgenossen zusammen, diese wappneten sich und erschlugen und vertrieben alle Deutschen aus Beraun.

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682. Stinkende Bomben

682. Stinkende Bomben

Zwischen Beraun und Prag liegt auf hohem Fels die herrliche und stattliche Burg und Festung Karlstein, dem Lande zum Schutz, dem Feinde zum Trutz erbaut vom Kaiser Karl IV., noch völlig wohl erhalten, voll Altertümer und Sehenswürdigkeiten, mit einem riesigen Turme, mit Kirchen, Kapellen, Königssälen und tiefen Kerkern. Da zeigt man die Bettstätte der heiligen Ludmille, den Schädel des Lindwurms, den der heilige Georg tötete, und viel anderes an Kostbarkeiten und Geräten. Im Jahre 1422 wurde Karlstein belagert und auf eine Weise beschossen, wie vor und nach wohl keine andere Festung. Die Besatzung hielt zu ihrem rechtmäßigen Herrn, dem König Sigmund; die von diesem abgefallenen Hussiten und die aufgewiegelten Stände aber hatten den Großherzog Vitold von Litauen zum König von Böhmen erwählt, nachdem der Polenkönig Wladislaw die zweideutige, einem andern geraubte Krone nicht angenommen. Vitold aber, am Selbstkommen verhindert, sandte einen Reichsverweser, seinen Neffen, den Prinzen Koribut von Litauen, welcher mit fünftausend Reitern in Prag einzog und von dem abgefallenen Volke umjubelt wurde. Dasselbe hatte große Lust, den Fremdling mit den Zeichen der böhmischen Königswürde alsobald zu schmücken; diese Zeichen lagen aber wohlverwahrt auf dem Karlstein, welchen dessen Burggraf Tluksa von Buraine auf das tapferste verteidigte, ja die Krone Böhmens hatte derselbe mit Absicht selbst vom Karlstein entfernt und an einen andern geheimen und sichern Ort, nach Schloß Welhartitz, bringen lassen. Zuerst wurde mit Pulver geschossen und mit Steinen geworfen, wozu sogar Säulen aus der Kirche Maria Schnee zu Prag dienen mußten, da das aber zur Gewinnung der Feste Karlstein nicht verhalf, so verfielen die Belagerer auf einen häßlichen Gedanken, indem sie neben nahe an elftausend Kugeln nun auch stinkende Bomben hinauf- und hineinschleuderten, nämlich alle krepierten Pferde, Esel, Schafe, Hunde und sonstiges Getiere, deren Äser in vollkommenster Fäulnis sich befanden, daneben auch Schlangen, Unrat aus geheimen Gemächern und Kloaken, ja alle nur erdenklichen Stinksachen an zweitausend Fässer voll, und war deren keines wieder zum Krauteinmachen zu gebrauchen. Von dem häßlichen und unleidlichen Schmack wurden der Besatzung alle Zähne wackelnd, aber die Festung wankte nicht, und die Belagerten deckten die Stinkbomben mit ungelöschtem Kalk zu und speisten fleißig Knoblauch und Zwiebeln, und da im Sommer auf vierzehn Tage Waffenstillstand gemacht wurde, verschafften die Apotheker zu Prag gute Zahnlatwergen aus Eichenlohe, Alaun und Scharbockkräutlein. Und hernach, je mehr die Feste endlich an allem Mangel litt, um so besser wehrte sie sich, und die Belagerer wurden der Belagerung satt und müde und meinten, daß durch unterirdische Gänge den Belagerten immer neue Mundvorräte zugeführt würden – und da wurde ein Beschluß gefaßt, bis Martini die Belagerung fortzusetzen, ergebe die Feste sich dann nicht, so möge sie belagern, wer da wolle, Hinz oder Kunz, denn dann werde es kalt, und des Sultans Janitscharen gingen auch nach Hause, wann der Winter komme. Das hörten die Belagerten, bei denen die Bissen immer schmaler wurden, gar gern, baten auf Allerheiligen- und Allerseelentag – acht Tage vor Martini – wiederum um einen Stillstand, denn sie müßten eine Hochzeit auf der Burg feiern, und als die Tage kamen, da ließen sie pfeifen und trommeln lustiglich – hatten aber weder Braut noch Bräutigam, weder Wein noch Fisch, weder Brot noch Braten mehr, nichts zu beißen und zu brocken für ihre wackligen Zähne als nur noch einen einzigen Bock. Diesen schlachteten sie, vierteilten ihn, machten den Rücken recht blutig, schnitten einen Sattel auf, der mit Rehhaaren gepolstert war, und streuten solcher Haare etliche drauf, taten auch Lorbeerblätter und eine Handvoll Wacholdern dran und sendeten diesen Braten als frischen Rehrücken zum Dank für die nicht frischen Braten, die ihnen über die Mauer geworfen worden waren, den Belagerern. Da sprachen diese: Nun sehen wir ja, daß es denen da droben nimmer an frischem Wildbret gebricht, nun ist es Zeit, abzuziehen! – und da ging es wie mit dem Glomssack zu Memel in Litauen, und der Prinz von Litauen ließ die Belagerung aufheben, zumal das Belagerungsheer schwürig wurde und ein Aufstand in Prag selbst drohte, allwo das Volk den Reichsverweser und seine Helfershelfer, die wie Pilze emporgeschoßten Regentschaftler, allbereits satt hatte bis an den Hals. Derselbe Prinz hatte einen Vetter im Lager, und als es zum Abzug kam, wandte sich dieser noch einmal um, hinauf zum Karlstein blickend, und sagte: Es ist doch schade, daß wir abziehen; gern hätte ich den Karlstein inwendig besehen. Kaum hatte er das Wort gesprochen, so knallte droben ein Valetschuß und Gruß aus einer Kartaune, sauste eine Stückkugel daher und riß dem Sprecher den Kopf ab.

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683. Die heilige Erde

683. Die heilige Erde

Im Czaslauer Kreise des Böhmerlandes liegt das berühmte Kloster Sedlitz, das hatte eine so schöne Kirche, daß nur der Dom in Prag sie übertreffen mochte. Daher verbot Ziska, der grimme Hussitenführer, diese Kirche zu schädigen; aber einer seiner Hauptleute, der das Verbot vielleicht überhört hatte, äscherte sie dennoch ein. Ziska versprach den, der es getan, mit Silber und Gold reichlich zu lohnen, und da sich der Mordbrenner in Hoffnung des Gewinnes angab, ließ er ihm im Feuer fließend gemachtes Gold und Silber reichlich in den Hals gießen.

Bei dieser Kirche ist ein Friedhof, zu dem ist, wie auf dem der Juden zu Worms, Erde aus dem Heiligen Lande herbeigeführt worden, und in sotaner Erde verwesen die Leichname mit solcher Schnelle, daß sie nach vierundzwanzig Stunden hundert Jahre gelegen zu haben scheinen, versteht sich, nur die Leichen derjenigen Toten, die im Stande der Gnaden Gottes verstorben und begraben worden, denn solcher, die zur Hölle fahren, nimmt sich diese heilige Erde nimmermehr an. Die Gruftkapelle auf diesem Totenhof ist ein wohlgeordnetes Beinhaus, da hat ein blinder Mönch alle Gebeine kunstgerecht und zierlich gelegt. Viel Wundersames hat sich dort gezeigt und zugetragen. Anno 1663 den 16. Juli sahe man eine große Prozession Geister, mit weißen Kleidern angetan, mit brennenden Kerzen in den Händen, einen himmlischen Gesang singend, um den ganzen Kirchhof herumgehen. Und im Jahre 1657 den 20. August war eine große Schar Religiosen in weißen Cucullen eben auch in gleicher Weise mit Gesang und Lichtern allda umgegangen. Eben in diesem Jahr am andern Ostertag kam in dieses Beinhaus Rudolf Reichenberger, ein Jesuit, verwunderte sich über die unbeschreibliche Menge der Totenbeine und sprach zu seinem Gefährten, unwissend, daß diese Gebeine von Kindern der Seligkeit waren: Was vermeinest du, wieviel sind von diesen verdammt? – Kaum daß er dieses ausgeredet, so erhub sich alles Gebein mit einem großen Getöse, und wurde dieser von denen Geistern aus dem Beinhaus hinausgesteinigt. Dieser Jesuit kam zwar nach wie vor vom Kuttenberg, um mit der studierenden Jugend allda spazierenzugehen, unterstand sich aber niemals mehr, mit einem Fuß in dieses Beinhaus zu treten.

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684. Die Mönche von Saar

684. Die Mönche von Saar

Hart an der Grenze von Böhmen und Mähren liegt das Kloster Saar, durch einen Bach also geschieden, daß die eine größere Hälfte im Czaslauer Kreis in Böhmen, die andere aber auf mährischem Gebiete liegt. Saar, im Jahre 1234 erbaut, war ursprünglich ein Zisterzienserkloster, da es aber durch den Krieg sehr verwüstet und die Mönche teils erschlagen, teils vertrieben worden, verwaltete der Kardinal Dietrichstein, Bischof von Olmütz, des Klosters Güter und setzte 1614 Franziskanermönche in die verlassenen Zellen. Sie hatten aber vom Geisterspuk viel zu dulden, wie aus den alten Klosterchroniken zu ersehen ist. Es erschienen ihnen oft die toten Zisterzienser und ermahnten sie mit den Worten: Cedite nostris, das Kloster zu verlassen; ja, wenn die armen Franziskaner zum Gottesdienst oder zum Essen gehen wollten, fanden sie nicht selten ihren Platz im Chor oder an der Tafel von den Geistern schon besetzt und die Speisen verzehrt. Da sie solche Drangsal nicht länger ertragen konnten, räumten sie das Kloster mit Genehmigung des Kardinals im Jahre 1638 den Zisterziensern wieder ein, und hat man von der Stund an vom Geisterspuk allda nichts mehr vernommen.

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675. Libussas Bad

675. Libussas Bad

Auf der alten Bergfeste Wischerad, darauf früher das Schloß Libin stand, in welchem Böhmens erstes Königspaar Hof hielt, zeigt man einen hohen und senkrechten Fels, der sich aus dem Bette des in der Tiefe vorbeirauschenden Stromes aufgipfelt. Dieser trägt die Reste eines runden Gemäuers, und es geht die Sage, daß sich von hier die hohe Herrin gar oft hinabgelassen und in der Moldau gebadet habe, auch wohl Zwiesprach gehalten mit dem Stromgeiste. Andere sagen, es habe über dem Felsen ein Turm gestanden, in welchen die Zauberin Jünglinge gelockt habe, die, von ihrer Schönheit betört, ihr blindlings folgten, dann aber nach gebüßter Lust habe sie aus ihrer Umarmung die betörten Opfer in die Umarmung des kalten Wellentodes gestoßen, auf daß ihrer keiner sein Glück verrate.

Wieder andere aber erzählen, daß nicht auf der Höhe des Wischerad das Bad der Libussa zu suchen sei, sondern nennen die südlich von der alten Herrscherburg gelegene reichhaltige Wasserquelle Gezerka das Bad Libussens, und vielleicht mit größerem Rechte. Die einzige Quelle in der Umgegend des Wischerad, sprudelte sie in einem alten Haine kristallklare Flut zutage. An ihr sollen die alten Herzoge Böhmens gewählt worden sein; Felsen umtürmten sie, und das Schweigen der Einsamkeit weht über ihrem Spiegel.

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676. Libussas Bette

676. Libussas Bette

Unter dem Felsen der alten Königsburg Wischerad, tief auf dem untersten Grunde der dort vorüberrauschenden Moldau ist das goldne Bette der Zauberkönigin Libussa, die zur Stromfeie geworden und sich selbst gebannt hat an ihr geliebtes Haus. Mancher schöne Jüngling ist dort in den Fluten verschwunden, hinabgelockt durch ein überholdseliges Frauenantlitz, das sich ihm lächelnd im Bade zeigte, und das Volk spricht, sooft der Strom solch Opfer fordert: Libussa hat ihn behalten; in Jahr und Tag erkürt sie einen andern. Es ist wohl zuzeiten geschehen, daß kühne Schwimmer und Taucher sich frevelhaft vermaßen, selbstwillig hinabzusteigen, Libussas goldnes Bett zu suchen, oder daß sie der Sage Hohn sprachen. Die sah man wohl niedertauchen, aber nimmer wieder zutage kommen. Einst aber, so hat sich eine dunkle Prophezeiung Libussens von Mund zu Munde erhalten, einst wird das goldne Bette auftauchen aus der Stromtiefe und herrlich leuchtend über den Wassern schwimmen wie eine Barke; das wird dann geschehen, wann über Böhmen ein Herrscher aus dem Stamme der Libussiden herrscht. Diesem wird sich das goldne Bette darbieten, und seine Gemahlin wird darin ihren ersten Sohn zur Welt bringen.

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