183. Das Glück der Rantzau

183. Das Glück der Rantzau

Das Geschlecht der Grafen Rantzau ist uralten herzoglich-schleswigschen Stammes. Einer Ureltermutter dieses Geschlechtes begegnete es, daß ein kleines Männlein mit einer Laterne zu ihr kam und sie in einen Berg holte zu einer Wöchnerin bei den Unterirdischen. Sie legte derselben nur die Hand aufs Haupt, und alsbald genas das Zwergenweiblein glücklich. Das Männlein begleitete dann die edle Frau wieder nach ihrem Schlosse zurück und gab ihr einen Klumpen gediegenes Gold und sagte: Lasse daraus fertigen fünfzig Rechenpfennige, einen Hering und zwei Spindeln und verwahre das alles wohl bei deinem Geschlecht, denn solches wird stets in Ruhm und Ehre bleiben, solange von diesen Stücken nichts verloren geht. – Dieses geschah, und die Stücke haben noch auf lange Zeit dem Hause Glück gebracht. Es soll sich diese Tatsache, die auf sehr verschiedene Weise erzählt wird, auf dem Schlosse Breitenberg zugetragen haben. Den goldenen Hering hatte zuletzt Josias von Rantzau, ein tapferer Degen und kriegslustiger junger Held. Er ließ sich ein gutes Schwert fertigen und den Hering an dessen Griff umbiegen und als Bügel anbringen, trat dann in französische Dienste, hatte Glück in unzähligen Schlachten und wurde zuletzt Generalfeldmarschall. Fechten und Raufen war seine höchste Lust, dabei war er freilich unüberwindlich durch das Erbstück der Ahnfrau. Das wurde ihm, weil es ruchbar geworden, einstmals von einem Kriegskameraden, Caspar Bockwold, ins Gesicht gesagt, er habe gut Fechten und Händel suchen, man wisse wohl, daß er fest sei und sein Mut und seine Tapferkeit im Hering seines Degengriffes stecke. Darüber ergrimmte Junker Josias höchlichst, schleuderte alsbald seinen Degen von sich in den Rhein und forderte Caspar Bockwold auf der Stelle zum Zweikampf und besiegte ihn dennoch. Selten schlug es ihm fehl, als Sieger aus solchen Kämpfen zu gehen, er hatte deren aber so viele, daß er auch gar manche böse Scharte davon trug. Als er zu hohen Jahren kam, hatte er nur noch ein Auge, ein Ohr, einen Arm und ein Bein und außerdem noch an seinem Leibe sechsundfunfzig Male schwerer Wunden.

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184. Schwertmann

184. Schwertmann

In einem Hofe namens Rothwisch in der Krempnermarsch lebte vordessen auch solch ein Raufbold, aber noch viel schlimmer, denn er trieb es gar arg mit allen tollen Streichen, und hieß Schwertmann. Der hat für seine Übeltaten gar lange als Gespenst umgehen müssen, als Feuermann, und hat die Leute geschreckt und geängstigt. Als Schwertmann-gestorben war, sah man ihn auf seinem Leichenwagen wieder nach Hause fahren. Beim Leichenschmaus? saß Schwertmann unter den Leidträgern. Bald guckte er da, bald dort aus einem Fenster, einem Korbe, einer Luke, mit schrecklicher, abschreckender Fratze. Als Pfarrer und Küster kamen und diesen Geist bannen wollten, warf er ihnen alles Böse, das sie heimlich getan, laut vor, bis zum Geringsten. Endlich überwand ihn der Schulmeister, der im Überwinden Übung hatte, und trug ihn nun nach dem wilden Moor, ihn zu bannen. Da zischelte ihm Schwertmanns Geist ins Ohr: Nur nicht zu tief in den Sumpf, hörst du? Nur nicht zu tief. Als Schwertmann nun dorthin gebannt war, aber eben nicht zu tief, so wandelte er von Zeit zu Zeit als Feuermann herum und schreckte viele Leute. Die größte Pein litt er an seinen brennenden Füßen; wo er Schuhe fand, zog er sie an, weil sie seinen Brandschmerz linderten, es paßten ihm auch alle, nur konnte er kein Paar lange tragen, weil er jedes gleich durchbrannte. Oft bat er selbst Leute um Schuhe, die gleich verschwanden, sobald sie ihm hingesetzt wurden. Endlich hat ein Bäckergesell diesen ruhelosen Geist in einer Kiepe gefangen und sie ins Meer gesenkt, seitdem war Ruhe vor ihm, aber sein tolles Wesen bei seinem Leben und nach seinem Leben, das blieb im Gedächtnis der Leute, und sie sprachen sprüchwörtlich, wenn es wo recht wild und toll und übel herging: Da regiert Schwertmann.

Wenn einmal einer etwa die Kiepe zufällig auffischt und öffnet, da wird er schon sehen, was für einen Fisch er gefangen hat.

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185. Die schwarze Gret und das Danewerk

185. Die schwarze Gret und das Danewerk

König Christoph I. von Dänemark hatte zur Gemahlin des Pommerherzogs Sambor Tochter, das war ein arges Jauberweib; sie hieß nur die schwarze Gret und hatte den Beinamen Springhest. Sie ist die Urheberin des berühmten Danewerkes, jenes riesigen und weiten Walles; den zu erbauen schloß sie einen Bund mit dem Teufel und gebot ihm, in einer Nacht den Wall fertig zu machen; nur ein einziges und zwar eisernes Tor solle hineinkommen, dafür solle dem Teufel gehören, was zuerst durch das vollendete Werk schreite. Da stellte der Teufel ein zahlloses Heer von Arbeitern in das Feld, davon füllte jeder nur dreimal seinen eisernen Hut voll Erde, so war der Wall fertig, und der Teufel stellte sich hinter dem Torflügel auf die Lauer, sah auch schon einen gutgekleideten Reiter die Landstraße daherkommen und freute sich auf den Fang. Aber zufällig hatte der Reiter einen Pudel bei sich, der lief vornweg nach Hundeart, und der Teufel riß ihn wütend in Stücke, wie auf der Reußbrücke die Gemse, auf der Regensburger Brücke den Hund, im Dom zu Aachen den Wolf, und wo sich sonst dieser Sage ein Widerhall findet.

Da nun die wilde schwarze Gret, Springhest genannt, überhaupt ein gottloses, unseliges Leben führte, so ward ihr zur Strafe ihrer schrecklichen Sünden von Gott geboten, allnächtlich über ihr Teufels- und Danewerk als Geist zu reiten. Da haben viele Leute sie gesehen. Ihr Anzug ist ganz schwarz, aber ihr Pferd ist weiß, und sein Odem ist Feuer. Zwei Geister in weißen Kleidern folgen ihr, und da rennen und sprengen die Drei wie der wilde Jäger von Hollingstede bis Haddeby. Dieses Gespenst leidet nicht, daß auf seinem Walle etwas angebaut werde. In der Nähe von Haddebye heißt ganz besonders eine Stelle im Danewerke nach der Springhest Margretenwerk, da läßt sie sich am häufigsten sehen.

Einstmals erschien sie armen Fischern vom Schleswiger Holm, die traurig waren, daß sie nach einer arbeitvollen Nacht nichts gefangen hatten, in aller ihrer königlichen Pracht, mit Perlen und Demanten geschmückt, wie man ihr Bild im Schlosse zu Husum sah, und gebot ihnen, die Netze noch einmal auszuwerfen, aber den besten Fisch, den sie fingen, den sollten sie wieder in das Wasser werfen. Die Fischer taten den glückhaftesten Zug, der seit St. Petri Zeiten getan worden, und der beste Fisch, der hatte Flossen von Smaragd, Schuppen von gemünztem Gold, und seine Nase war mit Perlen besetzt. Der eine Fischer wollte dieses Prachtstück gleich wieder in die Flut werfen, dem andern aber fraß die Habgier am Herzen, und er verbarg den Fisch gegen den Willen des andern, seines Gefährten. Rasch wurde fortgerudert, aber da begannen alle andern Fische auch Schuppen von gemünztem Golde zu bekommen und Perlen am Oberkiefer und Edelsteine statt der Flossen, und da wurde der Kahn so schwer, so schwer, und sank, und der Habgierige mußte ertrinken, der andere aber konnte nur mit genauer Not sein Leben retten.

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171. Der Geldsot

171. Der Geldsot

In Süddithmarschen bei Marne rinnt eine helle Quelle über die Marsch hin, die blinkt wie Silber. Nahe dabei hat ein Dorf gestanden, das verheerte erst der Moskowiterkrieg, nachher kam die Seuche, und da starb es ganz aus bis auf einen einzigen Mann, das war der Hirte, und der erbte nun all das Geld und Gut, das die Verstorbenen hatten zurücklassen müssen, doch half es ihm auch weiter nichts, denn er verließ den Ort nicht. Er hatte aber seine Lust daran, alles zusammenzutragen, und versenkte dann alles hinab in den Quellbrunnen, und dann starb er und hinterließ keine Erben. Es mochte es aber im Vorbeireisen doch jemand gesehen haben, was der Hirte getan, denn die Sache kam unter die Leute, und der Brunnen wurde der Geldsot geheißen. Wenn einer mit einem Stocke in den Quell hineinstieß, klang es hohl, und man konnte bisweilen in der Tiefe den kleinen grauen Mann sehen, wie er, einen schwarzen Hut auf dem Kopf und ein brennendes Licht in der Hand, nachsieht, ob der Schatz noch ganz vorhanden ist. Wollte einer versuchen und hinabgreifen, so war der Hirte verschwunden. Einstmals haben sich ihrer Dreie verbunden, den Schatz zu heben, und haben die Quelle weit aufgegraben, und da sind sie auf einen großen Braukessel gestoßen, den konnten sie so nicht herausheben, da legten sie einen Windebaum quer über das Loch und banden Stricke an die Öhre und begannen den Kessel in die Höhe zu winden, das taten sie aber ganz stillschweigend, weil man beim Schatzheben ja nicht reden darf. Mit einem Male hörten sie Räder rollen und Achsen ächzen, und da fuhr ein Fuder Heu vorbei, das zogen sechs weiße Mäuse. Aber keiner von den Dreien verlor ein Wort, noch einen Laut, und der Kessel rückte schon merklich höher. Da kam der Mann mit dem dreieckichten Hute auf einem Schimmel geritten, der nur drei Beine hatte. – Guten Abend! sagte der Alte, aber die Drei waren klug und antworteten nicht.– Könnt‘ ich wohl das Heufuder einholen? fragte der Mann weiter, und da fuhr’s dem einen heraus: Den Teufel wirst du’s einholen, du lahmer Krüppel auf deinem lebendigen Dreibein! – O weh, da brach die Winde, und der Kessel versank, und nimmermehr, so viel ihrer es auch später wieder versucht haben, hat einer vermocht, ihn zu heben.

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172. Röwerlöwe

172. Röwerlöwe

Der Dithmarschen Volk liebte von Urväterzeiten her seine Freiheit über alles. Große Kämpfe hat es bestanden und blutige Schlachten geschlagen, und viele siegreich, bis es zuletzt noch überwunden ward. Aber immer noch ist in ihm die Erinnerung an seinen alten Ruhm lebendig, wie die Hoffnung auf seiner Freiheit Wiederkehr.

Kaiser Karl der Große schon hatte mit den Dithmarschen zu kämpfen. Nun lebte zu Windbergen ein starker und tapferer Kampfheld, genannt Röwerlöwe, der trat in des Kaisers Dienst, und Karl setzte ihn zu einem Herrn über das Dithmarschenland und -volk als einen Vogt, der die Unterjochten im Zaume halten und zum Christentume zwingen sollte. Aber die Dithmarschen ließen sich mitnichten im Zaume halten, sie empörten sich gegen den Röwerlöwe, nahmen ihn gefangen und räderten ihn. Von diesem Röwerlöwe soll das berühmte Geschlecht derer von Reventlowen abstammen, er soll dessen Ahnherr gewesen sein. Lange Zeit wohnten seine Nachkommen noch in Dithmarschen, aber immer glimmte im Volk ein alter Groll gegen dasselbe fort, da hat es sich endlich hinweggewendet und sich über Holstein, Schleswig und Dänemark verbreitet.

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173. König Dan

173. König Dan

Im Lande Dithmarschen geht die Sage, daß der erste König von Dänemark Dan geheißen, der habe dem Lande den Namen gegeben, und nach ihm heiße es Danemark, er habe aber nicht im heutigen Dänemark gewohnt, sondern in Schleswig. Früher habe er auch lange Zeit unter den Heiligen im Kalender gestanden. Zu seiner Zeit war alles noch heidnisch, die Leute verbrannten ihre Toten, taten die Asche in Urnen und setzten sie bei in Riesenbergen (Hünenhügeln), König Dan wollte aber nicht verbrannt sein, sondern auf seinem königlichen Stuhl im Grabe sitzen, und wollte auch sein aufgesattelt Pferd bei sich haben, das ist auch so befolgt worden.

Ohnweit Tönningen in Eiderstede ist ein kleiner Erdhügel mit einer Höhle. Darinnen sitzt König Dan wie der Kaiser Friedrich im Kyffhäuser, mit zweimalhunderttausend Mann Wappnern, und alle schlafen. Einstmals wurde einem zum Tode verurteilten Soldaten das Leben versprochen, wenn er in die Höhle hineingehen und berichten wollte, was er sähe. Da nun der Soldat in die Höhle kam, sah er den König sitzen an einem Tisch, und hatte sein Haupt auf den Arm gestützt und schlief. Der Bart war ihm lang gewachsen und hing unter den Tisch herab. Jetzt erwachte der König und fragte den Soldaten: Was willst du? – Mich schickt mein Herr und König herein, daß ich Nachricht von Euch bringe. Sage deinem Herrn, erwiderte König Dan, ich werde zu seiner Zeit wiederkommen und ihm Hülfe bringen, und er soll herrschen über die ganze Welt. – Diese Zeit ist noch nicht gekommen und dürfte wohl auch noch etwas lange verziehen.

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174. Die Schlacht auf dem Tausendteufelsdamme

174. Die Schlacht auf dem Tausendteufelsdamme

König Johann von Dänemark sprach zu dem Herzog, seinem Bruder: Was beginnen wir nur, daß wir das reiche freie Dithmarschenland an uns bringen? Da sprach der Herzog: Wir wollen einen Boten an die sächsische Garde senden, mit deren Beistand wollen wir wohl den Dithmarschen obsiegen. Und sendeten einen Boten auch in die Marsch und kündigten dem Volke an, daß der König drei feste Schlösser haben wolle im Lande, aber das wollten die Bauern mitnichten leiden. Und der Bote ging zurück nach Rendsburg, allwo der König lagerte und ein mächtig großes Heer sammelte aus Jütland, aus Fünen, aus Holstein und aus deutschen Landen; Soldknechte eine ganze Schar vom Rhein, aus Franken und Sachsen, die hatten sich zusammengetan und nannten sich die sächsische Garde. Und da die Garde zu dem Königsheere stieß, da fragte sie: Herr König, wo liegt denn das Dithmarschen? Liegt es im Himmel droben oder auf schlichter Erde? – Da sprach der König: Es ist nicht mit Kloben an den Himmel geschlossen, es liegt auf Erden. – Darauf sprach wieder die Garde: Herr König, wenn das Dithmarschenland nicht mit Kloben an den Himmel geschlossen ist, so soll es bald unser werden. – Und da ließ der König die Fahnen fliegen und die Trommeln schlagen und zog mit dem Heere von zwölftausend Mann auf das tiefe Land zu. Zuerst zog das Heer nach Windbergen, da lag es eine kleine Weile und rastete, hernach zog es weiter nach Meldorf zu und trieb allerlei Übermut und Grausamkeit. Sie steckten des Königs Banner hoch vom Turme aus und hingen ihre Schilde über die Mauer, alles den Dithmarschen zum Hohne. Die hatten nur eine kleine Schar von tausend Streitern und wichen zurück bis an die Hemmingstetter Brücke. Da war noch ein Wall aus der alten Sassenzeit und tiefe Graben, und die Graben waren schlammig und voll Wasser. Da machten die Dithmarschen in der Nacht ein Bollwerk, stopften die Lücken des alten Erdwalles mit Moos und Schlamm und Binsen, machten ein Pfahlwerk und erwarteten den Feind. Der kam im Frühstrahl herangezogen, voll Kampfesmut, und die Dithmarschen warfen ihnen einen Steinhagel entgegen. Die Feinde aber suchten in Eile den Graben zu überbrücken, sie banden Speere zusammen, und darauf warfen sie querüber wieder Speerbündel, und nun hinüber, aber rücklings wurden sie niedergestürzt und niedergeschmettert. Viele wollten im Sprung die Höhe des Walles gewinnen und schwangen sich am Schaft der Lanzen hoch empor, aber sie sprangen zu kurz, und wem ja der Sprung gelang, den empfing in Kolbenstreichen auf dem Wall der sichere Tod. Da leuchtete mancher alte Morgenstern vom Bornhöveder Schlachttage wieder hell, und manche verrostete Klinge von damals schliff sich heute wieder blank an Feindes Helm und Panzer.

Aber siehe, plötzlich entstand ein Angst- und Schreckensruf im Kampfhaufen der Dithmarschen: Umgangen! Weh! Wir sind umgangen! Im Rücken heran zog Feindesgewimmel, das an anderer Stelle den Wall überklettert hatte, und es drohte nun der sichere Tod. Da trat plötzlich allen unversehens eine Dithmarschenjungfrau vor, die schwang hoch in der Hand eine Fahne mit dem Bilde des Heilandes und rief laut zur Mutter Gottes: Hilf uns, Maria, Gebenedeite, so gelobe ich dir ewige Keuschheit! – Und: Mir nach, rief sie, drauf! – und stürmte mit der Fahne und einem Schwert und fliegenden Haares geradezu gegen den Feind. Da entstand ein hartes und fürchterliches Schlagen, und lange stand der Kampf, aber die Übermacht der Feinde war allzu groß. Da aber hatte Gott ein Erbarmen und sandte die Flut. Die wälzte sich heran, krachte an die Schleuse, brach die Schleuse, überströmte die Felder von Hemmingstett, und wie die Bauern die Wogen daherbrausen sahen, da jauchzten sie in erneuter Kampflust, nahmen wieder hinterm Tausendteufelsdamme festen Stand, wo sie sicher vor der Flut waren, und schlugen auf den Feind los, den rings die Wogen bedräuten. Da war ein Gardenführer, sie nannten ihn den langen Jürgen, der hatte Herz im Leibe und spornte seinen Hengst, und sprengte glücklich auf den Wall, und rief: Wer wagt es mit mir, der komme heran! – Und da war ein Bauer, der hieß der Reimer von Wiemerstede, der sprang vor, schlug mit seiner Mordaxt des Junker Jürgen Speer zur Seite und hieb mit derselben Axt in den Panzer des Junker ein, die saß so fest, daß er sie nicht wieder herausziehen konnte. Da riß der Reimer den Jürgen am Axtstiel nieder, trat auf das Eisen und trat es dem Junker fünf Zoll tief in den Leib hinein. Und von den andern Feinden blieben zahllose Tote in dieser wilden Schlacht, außer denen, die von den Wogen verschlungen wurden, es blieben da fünf von dem Geschlechte derer von Rantzau, von Ahlefeld sieben, von Wackerbarth vierzehn, der König entfloh zu Schiffe. Lange sind noch Lieder von dieser Schlacht auf die sächsische Garde, von Jürgen Slens, von der kühnen Maid und dem Reimer von Wiemerstede im Dithmarschenlande gesungen worden.

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175. Wunderbäume in Dithmarschen und Holstein

175. Wunderbäume in Dithmarschen und Holstein

In der Kirche von Süderhadstede steht ein alter Holunderbaum. Zu diesem Baume, geht die Sage, kam oft der Geist des Königs geritten, der den Dithmarschen ihre Freiheit genommen. Er ritt auf einem grauen Schimmel und betete unter dem Baume. Einst wird die Zeit kommen, da wird auf dem Heideviert, darauf Süderhadstede liegt, eine große Schlacht geliefert, das fliehende Heer wird nach dem Dorfe zugetrieben werden und wird es mit Getümmel erfüllen. Da wird der König kommen, seinen grauen Schimmel an den Holunderbaum binden und niederknien und inbrünstig beten. Dann aber werden dreihundert Dithmarscher Bauern hinter der Kirche hervortreten, bewaffnet mit Sensen, Hauen und Dreschflegeln, und aus ihrer Mitte einer in grauen Hosen, blauer Weste und mit weißen Hemdsärmeln wird herzutreten und wird dem König auf die Schulter klopfen und wird sprechen: Herr König, Er hat uns die Freiheit genommen, doch sei Er nur gutes Mutes und besteige wieder sein Pferd, wir wollen Ihm doch beistehen. Da wird der König sich erheben und seine Leute sammeln, die Bauern aber werden den Feind aufhalten, und nach neuer blutiger Schlacht wird dann ein langer Friede ins Land kommen.

So stand auch bei Süderhadstede zu den Zeiten der Freiheit auf einem schönen runden Raum eine uralte Linde, die ward der Wunderbaum geheißen im ganzen Marschlande. Ihre Höhe übertraf die aller andern Bäume ringsumher, ihre Zweige standen alle kreuzweis, ihresgleichen war nirgends zu finden. Jahr auf Jahr ergrünte sie frisch, trotz ihres hohen Alters, und die Rede ging, solange des Landes Freiheit blühe und grüne, werde auch der Wunderbaum also fortbestehen. Und so geschah es. Als der Dithmarschen Freiheit gebrochen ward, verdorrte die Wunderlinde. Aber noch geht die Sage: auf der dürren Linde wird eine Elster ihr Nest bauen und wird darinnen ausbrüten fünf weiße Junge. Das wird das Zeichen sein von der Freiheit Wiederkehr, und dann wird die Linde wieder ausschlagen und grünen, wie der dürre Birnbaum auf dem Walserfeld, wann der Kaiser Friedrich hervortritt und die große Freiheitsiegesschlacht schlägt. Und dann wird das Dithmarschenland auch wieder zu seiner Freiheit kommen. – Ein verheißungenreicher Holunder ist aus der Nortorfer Kirchhofmauer herausgewachsen und ein anderer in Schenefeld, an welche Bäume ganz ähnliche Prophezeiungen sich knüpfen.

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176. Der wilde Jäger in Dithmarschen

176. Der wilde Jäger in Dithmarschen

Auch in Dithmarschen kennt man den wilden Jäger, wie am Rheine, auf dem Harz, in Thüringen, im Vogtlande und sonst. Also wird vom Freischützen zu Marne erzählt, daß er ein ziemlich wilder Bauernbursch gewesen, der die Jagd über alles geliebt, aber, nachdem er sich verheiratet und ein kleines Gütchen bewirtschaftete, dieses über der Jägerei vernachlässigt, mit dem Weidwerk aber gar wenig aufgesteckt habe. Da ging er einstmals ganz mißmutig durch den Wald nach Hause, denn er hatte den ganzen Tag noch keine Krähe und keine Klaue geschossen, siehe, da ging ein fremder Jagdgesell vor ihm her, der trug ein schönes Gewehr und eine bauschende Jagdtasche, und der Bauer mochte ihn gern einholen. Jener aber führte einen tüchtigen Schritt. Endlich tat der Bauer einen hellen grellen Jagdpfiff, jener jedoch kehrte sich gar nicht daran und stand nicht, bis er an einen Kreuzweg kam, da stand er endlich und erwartete den Bauer, und war ein ganz feiner, gutgekleideter Gesell. – Ihr habt wohl besser Glück gehabt als ich, sprach der Bauer zu ihm. Ich seh’s Euerm Jagdranzen an, der ist gut gefüllt. – Ja, sprach der Fremde, kannst’s auch so haben, kannst Kugeln schießen, die immer treffen, mit deinen Kugeln triffst du freilich nichts. Guten Weg! – Und wollte damit weitergehen, aber der Bauer-Jäger hielt ihn zurück und bat, ihm sein Geheimnis des Stetstreffens und Niefehlens zu lehren, und versprach ihm hohen Lohn. Jener aber sprach: Ich will es dir wohl lehren, du mußt mir aber schwören, keiner lebenden Seele mein Geheimnis zu verraten, denn tätest du das, so würde es dir übel ergehen. – Jener schwur und hob die Hand gen Himmel, da flogen zwei Raben auf und krächzten und schwirrten um die beiden Männer, und der fremde Jäger sagte jenem sein Geheimnis. Sotanes Geheimnis war aber gar entsetzlich, und der Bauer trug schwer daran, und lastete ihm auf dem Gemüte, und probierte es nicht, ging lieber gar nicht mehr hinaus in den Wald, sondern blieb zu Hause, aber auch da still und träumerisch. Die Frau sah ihres Mannes Veränderung, und hatte ihr sein Jagdgehen nicht gefallen, so gefiel ihr sein in sich gekehrtes Wesen noch viel weniger, und sie drang in ihn, ihr zu sagen, was ihm denn fehle. Er aber schwieg, sie aber ließ nicht nach mit Forschen und Fragen, Bitten und Betteln, bis er endlich ihr vertraute und sprach: Ich soll, wenn ich will, daß jede meiner Kugeln treffe, mein Gewehr mit einer geweihten Hostie laden statt mit einer Kugel, dann im Walde auf einen freien Platz gehen zur Mittagsstunde, da ein weißes Tuch ausbreiten, darauf treten und gerade in die Sonne schießen. Von da an soll jeder meiner Schüsse treffen und des Wildes nimmer fehlen.

Wohl war das der Frau graulich zu hören, doch allmählich stillte sich ihr Grauen, und da sie mehr und mehr in Not, ihr Hauswesen aber in Verfall kam, so meinte sie, probieren könne er das Kunststück ja doch einmal, so sehr viel könne es doch nicht auf sich haben, es sei ein Jägerstücklein wie viele andere, und wenn es probat sei, wie sie gar nicht glaube, so hülfe es ihnen aus aller Not, und was ihres Zuredens Worte mehr waren. Und da dachte er es endlich zu wagen. Er hatte aber ganz und gar vergessen, daß er seinen Schwur schon gebrochen und das Geheimnis verplaudert hatte und daher schon jenem Argen verfallen war. Nun ging der Jäger zum Abendmahl, empfing die heilige Hostie, behielt sie im Munde und lud sie dann heimlich in seine Büchse. Dann tat er alles übrige nach der Vorschrift, ging noch denselben Sonntag zur Mittagszeit in den nahen Wald. Die Sonne schien hell. Der Jäger zielte, er schoß nach der Sonne. Da verfinsterte sich die Sonne, schwarzes Gewölk fuhr auf. Blitze flammten, Donner krachten, die zwei Raben waren da und krächzten und schlugen mit den Flügeln. Der Entsetzte sprang von seinem Tuche, bückte sich, wollt‘ es aufraffen, da waren die Fußtapfen, wo er gestanden hatte, voll Blut. Er stürzte aus dem Walde, die Angst brachte ihn fast um – dort stand sein Haus, das brannte lichterloh – das Wetter hatte hineingeschlagen, schreiend und heulend stürzten Weib und Kinder ihm entgegen. Und da war auch der fremde Jäger wieder da, der höhnte ihn, daß er ein schlechter Freischütz sei, der das Geheimnis nicht bewahrt habe. Und nun müsse er bis zum Jüngsten Tage jagen, Weib und Kinder müßten als Hunde ihn begleiten – am Tage müsse er bei den zwei Raben im Walde wohnen und nachts durch die Lüfte hetzen.

Dieses geschah und geschieht noch immer, und die Leute nennen das den wilden Jäger. Wer ihn hört und das Wauwau der Hunde nachmacht, dem wirft er Knochen herab oder Stücke von verfaultem Wild und Pferden. Einem Mann aus Bornhövede ist das geschehen, auch einem aus Meinsdorf, die wurden gezwungen, selbst von dem Braten zu essen. Der wilde Jäger hat insgemein viele Hunde, meistens kleine Dächsel und andere, manchesmal brennt den Hunden auf dem Schwanz ein Licht. Manchesmal zieht er mitten durch die Häuser, und da tut er niemand etwas, wenn nur die Leute sich ruhig verhalten und sich an nichts kehren.

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177. König Abels Jagd

177. König Abels Jagd

König Abel, der Brudermörder, war Zeit seines Lebens ein gewaltiger Jäger, und als es mit ihm zum Sterben kam, wünschte er sich, statt der ewigen Seligkeit, ewig jagen zu dürfen. Dieser Wunsch ward ihm gewährt zur ewigen Strafe. Kohlschwarz im Gesicht, von zehn manchmal feurigen, aber kleinen Hunden begleitet, auf einem kleinen Pferde reitend, durchzieht er die Lüfte mit Lärm und Getöse und gellem Hornruf. Sein Schrei tönt: Hurra! Hurra! – Es war zur Zeit König Abels Leben nicht gut, ihm zu begegnen, und ist’s auch heute noch nicht. Ein alter Bauer aus Dorf Danewerk erzählte, wie seiner Großmutter ihre Großmutter noch eine junge Dirne gewesen, da hätte um das Danewerk herum noch viel Gehölz gestanden, dahinein hätte die Dirne die Kühe getrieben und gehütet. Da habe sie einmal unversehens in der Luft ein fürchterliches Ramentern vernommen und wäre König Abel in Lüften dahergesaust mit seiner Jagd. Zehn Hunde, ganz weiße, hatte er bei sich, die hatten feurige Zungen aus dem Halse hängen. Ach, dachte die Dirne, nun bin ich so ganz allein, wie soll das wohl gehen? Sie hatte ein weißes Schürztuch um, das band sie ab, und wickelte es um ihren Kopf, und setzte sich bei einen großen Baum und weinte. König Abel kam nun heran und machte gar ein grausiges Geprassel und Getöse bei ihr herum, und dann zuletzt machte er sich wieder von dannen. Von den Hunden des Königs Abel kam aber einer zu der Dirne heran, und sprang ihr in den Schoß, und legte sich still hinein. Wie nun der Lärm vorüber war, so nahm sie den Hund im Schoß mit nach Danewerk, und da hat er sein Geschlecht vermehrt, daß noch immer solche Däckel dort gefunden werden. König Abels Jagd hat aber seitdem nicht mehr zehn Hunde, sondern nur noch neun. König Abels Pferd braucht auch Futter. Auf dem Hesterberg bei Schleswig bringen die Bauern aus Mielberg, wenn sie ein Stück Land mit Hafer besäen, einen Sack voll mehr mit, als sie brauchen, nachts kommt hernach allemal jemand, der den Hafer für sein Pferd braucht. Darum gerät aber auch der Hafer auf dem Hesterberg am allerbesten in ganz Schleswig.

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