26. Die Basler Uhrglocke

26. Die Basler Uhrglocke

Vorzeiten haben die Basler in ihrer Stadt eine sondre Zeitrechnung gehabt, daß allemal die Uhrglocke eine Stunde früher schlug als anderswo, darüber gehen noch verschiedene Sagen. Es habe ein Konzilium zu Basel noch etwas länger gedauert als der Unterflachsenfinger Landtag, nämlich dreizehn volle Jahre, das sei geschehen 1431 bis 1444, und da habe man die Zeit beschleunigen wollen und die Uhr um eine Stunde vorgerückt, sei aber mit diesem Fortschritt kein Haar breit weitergelangt. Andere sagen, daß einstmals eine Verschwörung zu Basel angezettelt gewesen sei, und hätten die Verschwörer zur zwölften Stunde den Rat überfallen und meuchlings ermorden wollen. Aber der allsehende Gott habe das durch ein Wunder verhindert, indem alle Glocken der Stadt mit einem Male statt zwölf Uhr ein Uhr geschlagen. Dadurch sei über die Aufwiegler ein sonderbarer Schreck gekommen, ihr Anschlag sei vernichtet, sie selbst verraten und insgesamt erschlagen worden. Darauf habe der Rat verordnet, stets die Uhrglocke eine Stunde vor der gewöhnlichen Zeit vorausschlagen zu lassen.

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269. Die Frauen zu Kulm

269. Die Frauen zu Kulm

Im Pommerlande und über Kassuben herrschte ein Herzog des Namens Swentipol, der war zum Christentum bekehrt, aber in seinem Herzen war er ein Heide geblieben, daher unterhielt er auch heimliche Freundschaft mit den heidnischen Preußen, und zuletzt zeigte er sich durch offenen Abfall als wahren Widersacher des Christentums und des Deutschen Ordens. Als solcher befestigte er seine Burgen an der Weichsel und führte offnen Krieg gegen den Orden, verschmähte aber auch die List nicht, wenn es nur galt, das Leben vieler Christen in seine Gewalt zu bekommen und hinzuschlachten. So rückte er auch mit großer Kriegsmacht vor Kulm und hätte die Stadt gar gern in seine Gewalt gebracht, konnte aber gegen dieselbe mit Stürmen nichts ausrichten, machte einen scheinbaren Rückzug und legte sich mit seinem Volk in einen Hinterhalt, einen morastigen Bruch, welcher Ronsen hieß, und rechnete, daß die Belagerten bald herauskommen würden, um von den Dörfern neue Mundvorräte beizutreiben. Das geschah auch wie erwartet. Swentipol brach mit seinem Volk aus dem Hinterhalte hervor und erschlug alle Ritter und Knechte, meinte dann, es sei ein leichtes, jetzt die Stadt einzunehmen. Aber in die Stadt war durch einen Flüchtling schon die Kunde von des Feindes Überfall und Heranzug gekommen, da scharten sich die Frauen und Jungfrauen zusammen, warfen sich in Männertracht und Rüstung und besetzten die Mauern, entschlossen, die Stadt auf Tod und Leben zu verteidigen, denn was sie von den Heiden zu befahren hatten, konnten sie wohl denken. Wie nun Swentipol diese stattliche und wohlgerüstete Heerschar auf den Mauern von weitem sah, dachte er, daß er Kulm schwerlich sonder großen Verlust an den Seinen gewinnen werde, und nahm den Abzug. Das hat den Frauen und Jungfrauen von Kulm viel Ruhm und Ehre gebracht, daß sie so mutig und tapfer den Feind abwehren wollen, und ist der Nachwelt unvergessen.

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270. Swentipols Scherz

270. Swentipols Scherz

Zur selben Zeit, als Herzog Swentipol gegen den Deutschen Orden aufgestanden war, lagerte er in Pomesanien an einem lustigen Ort an der Weichsel, etwa zwischen Kulm und Thorn, und war guter Dinge. Nun war ein Mann am Hofe Swentipols, der fürchtete sich vor den Deutschrittern schier mehr als vor dem Teufel, und Swentipol hatte mit ihm stets seinen Spott ob jenes Zagheit. So dachte der Herzog auch einen guten Scherz sich aus, ein vertrauter Diener solle über Tafel hastig kommen und schreien: Die Ritter! die Ritter sind da!, und da wollte Swentipol sich recht an des Hofmanns furchtsamem Wesen ergötzen; sagte das auch seinen Heerführern an, daß sie sich, wenn der Diener schreie, ganz ruhig verhalten sollten. Da nun alles beim Mahle saß und der Diener seines Herrn Befehl zu rechter Zeit vollziehen wollte, draußen stand und ohngefähr in das Feld blickte, sah er wirklich die Ordensritter gegen das Lager heranreiten, eilte daher voll Schreck und Angst in den Tafelsaal und schrie: Die Kreuzherrn kommen! Wiß und wahrhaftig! Sie kommen! Rettet euch! Kaum hörte der furchtsame Hofmann dies Geschrei, als er vom besten Bissen aufstieg und eiligst das Weite suchte, auch gelang ihm seine Flucht trefflich, er erreichte einen nahen Busch und rettete sein Leben. Swentipol und seine Hauptleute aber lachten allzumal über den Feigling, der Diener schrie aber immerfort: Auf! Auf! Die Ritter kommen! Da rief Swentipol ihm zu: Halte nun endlich dein Maul, dummer Narr! Siehst du nicht, daß es genug ist? Sie kommen aber doch, die Ritter! Sie kommen! schrie der Diener in einem fort, und schrie gar nicht lange mehr, da waren die Ritter wirklich da und schlugen auf ihre Feinde, die sich eines Überfalles nicht versahen, grimmig los, und alle bis auf Swentipol wurden erschlagen, er selbst aber und nur einer der Seinen retteten sich mit Not und Gefahr durch Schwimmen, indem sie die Weichsel erreichten und sich in den Strom warfen.

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271. Thorn aus einer Eiche

271. Thorn aus einer Eiche

Da, wo jetzt Thorn steht, stand in den alten Heidenzeiten die vierte der berühmtesten heiligen Eichen im Lande Preußen, darunter ehrten Priester und Volk die drei ersten Gottheiten des Landes, Perkunos, Pikollos und Potrimpos, und die drei nachfolgenden Götter und auch alle andern geringeren. Die Eiche war von übermächtigem Umfange und auch hoch wie eine Warte.

Da kam der erste Landmeister, Hermann von Balke, in das Preußenland, der vertrieb die Heiden und eroberte ihre heilige Stätte und benutzte deren Befestigung. Er war viel klüger als alle die Eiferer, welche die heiligen Eichen umhieben, er ließ die eroberte stehen und machte sie zu einem festen Turme, baute Brustwehren auf sie und wehrte von ihr den Feind trefflich ab. Da nannte man die Eiche Thorn, das ist Turm, und Hernachmals baute sich alldort ein Ort an, der ward auch Thorn genannt, bald aber wieder verlassen und eine Meile weiter wieder angebaut wegen allzu häufiger Überschwemmung, und das wurde das heutige Thorn. An jener alten Götterstätte aber finden sich noch Trümmer, und sie ist ein gemiedener Ort, denn es soll dort nicht geheuer sein von Gespenstern und Geistern. Und lautet diese Sage ungleich glaubhafter und deutscher als jene andere, die Thorn von einem Römer Thorandus gründen läßt oder vorgibt, die Eiche sei ein dem Gotte Thor der skandinavischen Mythe geheiligter Baum gewesen, weil Thor und Perkunos, jeder als Donnergott gedacht, gleichsam ein und derselbe ist. Perkunos war aber im altheidnischen Mythus der Preußen die oberste Gottheit und Thor im skandinavischen nicht die oberste, welches wohl zu unterscheiden.

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272. Ein Dieb rettet Thorn

272. Ein Dieb rettet Thorn

Im Dreißigjährigen Kriege, der seine verderblichen Heereswogen auch über das alte Preußenland wälzte, rückte der schwedische Obrist Helmold Wrangel, insgemein der tolle Helm genannt, in Eile vor Thorn und wollte nach seiner tollen Art die Stadt überrumpeln und einnehmen. Solches wäre ihm auch fast geglückt, aber er hatte keinen guten Tag und keine günstige Stunde gewählt, denn zufällig traf es sich, daß die Thorner einen Dieb hängen wollten, und wie der Dieb auf der Leiter stand und ihm schon die Schlinge um den Hals gelegt werden sollte, schaute er in das weite Feld hinaus und sahe die feindlichen Heerhaufen daherziehen, schrie deshalb überlaut: Der Feind, der Feind! Da liefen die Leute nach der Stadt, und das Amt lief, und die Schergen liefen, und der Henker ließ den Dieb von der Leiter fallen und lief, und der Dieb lief auch, und drinnen in Thorn stürmten sie mit den Glocken und griffen zu den Waffen, den Feind abzuwehren, und wie der tolle Helm ans Tor kam, da war es zu, und von der Mauer herab knallte böser Gruß entgegen, da mußte der Obrist Helmold von Wrangel wieder umkehren und der Stadt Thorn den Rücken zeigen. Dem armen Dieb, der seines Leibes vor dem Tore keinen Rat gewußt und auch wieder mit in die Stadt hineingelaufen war, wurde gern das Leben geschenkt.

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263. Der Buttermilchturm

263. Der Buttermilchturm

Zu Lichtenau ohnweit Marienburg saßen böse Bauern, die waren voll Übermut, Tücke und Frevel, weil sie reich waren; denn es steht geschrieben: Der Reichtum verleitet zu Sünden und hindert den Weg zur Seligkeit. Viele Stücklein ihrer argen Tücke und Bosheit werden noch in der Gegend erzählt, eines der schlimmsten führten sie aus gegen ihren Pfarrer, dem sie taten wie die bösen Rungholder auf Nordstrand und ihn zwingen wollten, eine Sau zu kommunizieren, weil der Pfarrer, des Name Wolfgang Lindau war, ihnen den Spiegel herber Wahrheit vorhielt und ihr schlechtes Leben ohne Rückhalt von der Kanzel rügte und strafte. Da nun der Pfarrer sich mit List der Schmach entzog und – während die Lichtenauer im Kruge blieben und fortzechten – eilend zum Neuenteich ritt, wo der Pfleger von Marienburg wohnte, trieben die Bauern es toller und toller und administrierten selbst eine Hostie der Sau, die sie aus einer Rübe schnitten, wie jene Studenten zu Halle, die Gottes Gericht furchtbar traf. Dazu kam gerade der Pfleger mit einiger Mannschaft und schlug auf sie los, aber die Bauern, nicht faul und dazu über und über voll, drehten den Spieß um und die Stuhlbeine aus und schlugen des Pflegers Mannen schmählich in die Flucht, ihn selbst aber fingen sie, zausten ihn am dicken Bart, zogen diesen durch ein Astloch in der Türe und verspündeten ihn mit einem Keil und ergossen über ihn allen Hohn und alle Schlechtigkeit, die nur jemalen böse versoffene Bauern ausüben können. Unterdessen aber rückte von Marienburg her, wohin der Pfleger eilend gesandt, und wohin auch seine Leute flüchtig eilten, eine größere Ordensmacht, die befreite den Pfleger und trieb die Bauern zu Paaren. Alle Täter und Teilnehmer an dem ganzen unerhörten Frevel wurden gefangen nach Marienburg geführt und dort in die tiefsten Kerker geworfen. Darauf wurde der Bauern Strafe ernstlich beschlossen; sie mußten die Landstraße vom Kruge zu Lichtenau bis in das Schloß Marienburg durchaus mit Mariengroschen belegen, einen an den andern; dadurch wurde ihnen ein Merkliches von der Übermutquelle abgezapft, dann mußten sie einen Turm an der Nogat bauen, und den Mörtel dazu durften sie nicht mit Wasser bereiten, sondern mit Buttermilch, welche einen festern Kitt gibt, wie allbekannt ist. Diese Buttermilch hatte Lichtenau einzig und allein zu liefern. Der Turm bekam davon den Namen Buttermilchturm und steht heute noch. Und als der Turm fertig war und recht gut und fest gebaut, da mußten die Lichtenauer Bäuerlein, die Saukommunizierer, in ihn einkriechen und blieben darinnen stecken ein Jahr und sechs Wochen und bekamen nichts als Wasser und Brot, und da sind ihnen die bösen Possen und Frevel vom Grund aus wegkuriert worden.

Manche erzählen anders, wie der Buttermilchturm entstanden sei. Der Woiwode Stanislaus Kostka habe zu den Bauern eines Dorfes geschickt und um etwas Buttermilch bitten lassen; da haben die Bauern den Boten ausgehöhnt, andern Tages aber ein ganzes Faß voll Buttermilch dem Woiwoden zuführen lassen. Der Woiwode verstand aber keinen Spaß, er ließ die Überbringer greifen, in einen Turm werfen und stellte ihnen im selbigen ihr Buttermilchfaß zu selbsteigner Verfügung; sie mußten die Milch und, als diese Matte und Quark geworden, auch diese verzehren bis zum letzten Quentlein, dann wurden sie wieder herausgelassen. Kein Wunder, daß sie, da sie herauskamen, käsweiß aussahen.

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255. Die Allensteiner Zwergmännlein

255. Die Allensteiner Zwergmännlein

Höher hinauf an der Alle liegt das Städtchen Allenstein, dem sie ebenso den Namen verlieh wie dem tiefer abwärtsliegenden Allenburg. In Allenstein hausen Zwergmännlein in großer Zahl. Eines reichen Ratsmannes Frau namens Schellendorf saß eines Abends allein in ihrer Stube; die Mägde waren im Hause beschäftigt, die Frau feierte und hatte kein Licht. Sie hing ihren Gedanken nach. Da öffnete sich die Stubentüre ganz weit, und in die Stube wimmelten die kleinen Männlein, jedes trug einen spitzen Hut und ein Laternchen mit blau brennendem Licht, auch führte jedes ein Zwergenfrauchen oder Jungfräulein im besten Putz. Die Frau Schellendorf erschrak und schlug die Hände vor die Augen, blinzelte aber durch die Finger und sah, daß sich die Pärlein zum Reigen stellten und solchen auch alsbald gar zierlich begannen. Da trat plötzlich ein Männlein aus dem Kreis vor die Frau und rief mit grölzender Stimme: Was blinzelst du? Du sollst nicht blinzeln! Mache deine Augen ganz zu! – Die Frau tat es nicht, sie äugelte ferner durch die Finger. Da sprach das Männlein wieder: Laß dir raten, Frau, und mache deine Augen zu! Sie aber tat es dennoch nicht. Darauf sprach das Zwergmännlein zu einem andern: Verschließe die Fenster! Und gleich trat dieses andere Männlein vor die Frau und blies ihr in die Augen. Vom Augenblicke sah sie keinen Stich mehr und ist blind geblieben all ihre Lebetage.

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256. Die weißen Tauben

256. Die weißen Tauben

Als der Deutsche Ritterorden im Jahre 1325 nötig fand, die von ihm bis jetzt behaupteten Landstrecken zu schützen und feste Punkte zu haben, wurden im Lande Galindien das Schloß Wartenburg (auch an der Alle) und im Bartenlande das Schloß Gerdauen gegründet und erbaut, um welche Schlösser sich hernachmals Städtlein anbauten. Da nun der priesterliche Ritterorden diese beiden neuen Schlösser mit feierlichem Hochamt und Messe einweihete, da flog über dem Schlosse Wartenberg eine ganz weiße Haustaube, über Gerdauen aber flogen zwei, und das war das erstemal, daß in dieser Gegend Haustauben erblickt wurden, denn damals war das meiste Land umher nur noch eine öde weite Wildnis, von düstern Föhrenwaldungen unterbrochen, in denen nur die wilde Taube heimisch war.

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257. Die Barstukken

257. Die Barstukken

In der Stadt Rastenburg und bei derselben gibt es auch Zwergmännlein, die führen dort den seltsamen Namen Barstukken, auch Fingerlinge, und die sind nicht so böse als die andern, die weiter nordwärts hausen. Sie wohnen vornehmlich in einem Hügel bei dem Dorfe Heiligelinde, wo in den Heidenzeiten eine übergroße Linde gestanden haben soll, unter welcher nach dem Volksbrauch die Götter verehrt wurden.

Die Barstukken erscheinen als gute und hülfreiche Hausgeister, welche bei Kranken wachen, wenn die Wächter schlummern, besonders bei Mondschein. Denen sie gütig gesinnt sind, denen schleppen sie zu, was sie von denen nehmen, die sich nicht hold gegen sie beweisen. Man mußte ihnen ein sauberes Tischchen decken und darauf einfache Kost stellen, Brot, Butter, Käse, Bier, Milch, damit waren sie zufrieden und verzehrten es. Blieb alles unberührt, so war das kein gutes Zeichen, dann wollten die Barstukken nichts mehr von dem Hausbesitzer wissen und taten für das Gesinde keine Arbeit mehr. Die Barstukken, auch Berstuken genannt, hatten einen Gott über sich, der hieß Puschkait. Seine und ihre Wohnung war unter Holunderbüschen.

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258. Heiligelinde

258. Heiligelinde

Als die Götterstätte in der Nähe von Rastenburg zerstört war, blieb doch dem Volke, obschon es zum Christentum bekehrt war, die Stelle lieb und wert, und es wurde auf jenem Hügel eine junge Linde gepflanzt. Nun saß einmal vor vielen hundert Jahren ein Missetäter zu Rastenburg auf den Tod gefangen, dem erschien, weil er reuig war, am Tage vor seiner anberaumten Hinrichtung die heilige Jungfrau, die sprach ihm tröstlich zu und gab ihm ein Messer und ein Stück Holz und sagte: Schnitze aus dem Holz, wozu du Lust hast, und setze das Bild dann auf eine Linde. Solches tat er und begann zu schnitzen, und am andern Morgen war es die kostbarste Schnitzerei geworden, ein übervortreffliches Marienbild mit dem Jesusknaben auf dem Arm, und nun erzählte der Gefangene von der Wundererscheinung. Darauf wollte ein Rat zu Rastenburg den Gefangenen nicht richten, sondern gab ihn frei, damit er Mariens Befehl vollziehe. Darauf ist der Mann aus Rastenburg gegangen gen Rössel zu, aber er ist vier Tage herumgeirrt, bis er eine Linde fand, und das war auf dem alten Götterhügel, darauf stellte er sein Bild. Es war aber der Ort gar nicht weit von Rastenburg und noch näher bei Rössel gelegen und führt jetzt die Straße von einem Ort zum andern dort vorbei. Als das Bild auf der Linde stand, blieb die Linde Sommer und Winter grünen, und das Bild begann Wunder zu üben, wie jenes wundertätige Holzbild der heiligen Jungfrau mit dem Kinde unter der Linde zu Grimmenthal, die noch heute steht. Ein Blinder ward vorbeigeführt, der sah einen hellen Schein, dem ging er nach, und als seine Hand die Linde berührte, wurden seine Augen aufgetan, und er sah zuerst vor allem das Bild und betete dankend an. Das Vieh, das am Baume vorbeigetragen wurde, beugte die Kniee vor dem Bilde. Da nun die zu Rastenburg von dem Bilde hörten, wollten sie es bei sich verehren und in gute Obhut nehmen, stellten daher eine große Prozession an und zogen über Poswangen und Pötschendorf nach dem Hügel und holten das Bild; allein am andern Morgen war es fort und wieder an der alten Stelle. Da haben die Rastenburger eine noch größere Prozession angestellt und sind wieder hingezogen und haben das Bild geholt, es ging ihnen aber wieder ebenso – das Bild kehrte zu seiner Linde zurück, wo es stehen wollte. Und nun wurde dort eine Kapelle gebaut und entstand eine große Wallfahrt, und ein Ort baute sich an, der wurde Heiligelinde genannt. Alle Bäume in der Gegend zwischen den vier Dörfern Pötschendorf, Beeslack, Kattmedien und Rabowen, deren genauen Mittelpunkt Heiligelinde bildet, neigen ihre Wipfel jener Kapelle zu.

Gleiche Wanderung eines Marienbildes, von welcher die Sagen häufig melden, wird auch von Kulm erzählt, allwo das Bild immer wieder aus der Kirche auf die Stadtmauer wich.

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