254. Miligedo

254. Miligedo

Auf dem Schlosse zum Bartenstein saßen die Kreuzherren mit vierhundert Wappnern, und die heidnischen Preußen hielten das Schloß rings umlagert. Ihr Führer hieß Mattingo. Unter der Besatzung des Schlosses war ein starker Riese, der hieß Miligedo, war zuvor ein Heide gewesen, hatte sich aber bekehrt und war als Kämpfer in den Marienorden getreten. Die Heiden fürchteten ihn sehr, denn er war schier unüberwindlich; da sie ihn nun viel lieber unter den Toten als unter den Lebenden sehen wollten, so machten sie einen Anschlag gegen ihn. Ein rüstiger Kämpe mußte Miligedo zum Zweikampfe herausfordern. Miligedo erschien ganz allein und ohne weitere Waffen als eine Keule, aber die war nicht leicht, ihr Knopf war voll Blei gegossen. Jetzt rückte der Kampfgeselle gegen ihn an, gut versteckt aber lauerten noch zwanzig Preußen in einem ganz nahen Hinterhalt. Miligedo begrüßte seinen Gegner mit einem Hauptstreich, er schlug ihm nämlich den Helm gleich in die Hirnschale hinein, daß er tot zusammenstürzte. Da brachen die zwanzig versteckten Feinde hervor und fielen ihn an wie eine Meute Hunde einen Edelhirsch. Miligedo aber wirbelte mit seiner Keule im Kreise herum, und wo die hintraf, wuchs kein Gras. Es dauerte gar nicht lange, so lagen fünfzehn im Sande, und Miligedo hatte noch keine Wunde. Die übrigen entflohen, und Miligedo ging geruhig auf das Schloß Bartenstein zurück.

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245. Der blaue Ärmel

245. Der blaue Ärmel

In der Rudauschen Schlacht ging es hart her und brachte der Feind die deutschen Ordensritter schier zum Weichen. Der Fahnenträger fiel und mit ihm das Banner, aber da trat ein tapferer Gesell hinzu, ergriff das Banner und schwang es freudig. Das war ein Schustergeselle, genannt Hans von Sagan, und war der Sohn eines Bürgers im Kneiphof, jenem Teil der alten Stadt Königsberg, den der Hochmeister Winrich von Kniprode erbaut. Da sammelten sich die schon Fliehenden und die Zerstreuten allzumal wieder um das frisch aufgerichtete Banner, stritten mannlich gegen den Feind, gewannen die Schlacht und behaupteten das Feld. Hans von Sagan aber, der Kneiphofer, trug einen blauen Ärmel. Als die Schlacht völlig gewonnen war, gebot der Hochmeister, der wohl fühlte, wieviel der Orden dem tapfern und mutigen Gesellen danke, daß Hans sich eine Gnade vom Orden ausbitten möge. Da bat Hans, den Kneiphöfern alljährlich am Himmelfahrtstage ein Gastmahl zu geben auf des Ordens Kosten. Dieses wurde ihm gewährt, und hat hernach solches Bankett den Namen das Schmeckbier empfangen. Aber der Hochmeister tat noch mehr, er verlieh dem Kneiphof einen blauen Arm ins Wappen, dessen Hand eine Krone hält zum Andenken, daß Hans von Sagan dem Orden gleichsam die Krone und Herrschaft in jener bedrohlichen Schlacht gehalten habe.

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246. Die zwölf Johannes

246. Die zwölf Johannes

In Königsberg waren ihrer Zwölfe, die hießen allesamt Johannes, und hatten die gemeine Rede vernommen, daß einem, der Johannes heiße, der Teufel nichts anhaben könne, der täuschte sie mächtiglich. Denn da sich nun diese zwölf Gesellen zusammengetan, den Teufel zu berufen, ihm ihre Armut zu klagen und sich von ihm reich machen zu lassen, so gingen sie alle zusammen hinaus auf den Glappenberg, der jetzt der Rollberg heißt, zogen einen Kreis, stellten sich hinein und begannen den Teufel zu beschwören. Sie wünschten sich vornehmlich jeder einen Schilling, der stets Geld heckte, und war ihr Glaube, der Teufel bringe dreizehn Schillinge solchen Beschwörern dargetragen; einer davon gehöre ihm, und wer nun durch Los oder Unglück den Teufelsschilling empfange, dessen Seele verfalle beim Tode dem Teufel, die andern Eilfe aber gingen frei aus. Da nun aber, so rechneten die Beschwörer, der Teufel ihrer keinem etwas anhaben könne, weil sie alle Johannes hießen, so sei keine Gefahr dabei, der Teufel müsse die Schillinge doch bringen und den Unglücksschilling für sich behalten, mit der Erlaubnis, sich selbst zu holen, wenn es ihm beliebe. – Es kam aber ganz anders. Der Teufel war nicht in freigebiger, brutpfennigspendender Laune. Er erschien, und zwar in mancherlei Weise, führte lange Gespräche mit seinen Beschwörern, und diese in allerhand Sprachen, und verwirrte ihre Sinne so ganz und gar, daß vier von ihnen niederstürzten und ihren Geist aufgaben, vier andere wurden ganz irrsinnig, und viere rannten von dannen und gelobten zur Buße ihrer Freveltat eine Wallfahrt nach St. Jakob in Compostell.

Das ist geschehen zu Königsberg unter der Regierung des Hochmeisters Hans von Tieffen, und wäre wohl nicht geschehen, wenn diesen zwölf Johannessen die alte thüringische Sage kund gewesen wäre von dem Frankenkönige, der ein Glücksschiff hatte, das alle Tage einmal die Welt umfuhr, und darauf zwölf Schüler waren, die auch alle Johannes hießen, von denen aber nahm sich alle Jahre der Teufel einen, und den letzten ließ er auf den Petersberg bei Erfurt fallen, der zuvor der Berbersberg hieß. Auch da hatte der Name Johannes, der noch heutiges Tages in der deutschen Christenheit und vornehmlich auf dem Lande so allverbreitet ist, seine Schirmkraft gegen den Bösen nicht bewährt.

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247. Schnabelschuhe

247. Schnabelschuhe

Zur selben Zeit, als die Teufelsbeschwörung durch die zwölf Johannesse in Königsberg sich zutrug, hatte der Modenteufel ein tolles Tragen spitzer Schuhschnäbel auf die Bahn gebracht. Die wurden getragen erst eines Fingers lang, dann einer Spanne lang, und mancher trug sie eine halbe Elle lang und meinte damit so vielen Staat zu machen wie hernachmals die Kriegsleute mit Pluderhosen und in neuer Zeit die Vornehmen mit chinesischen Fingernägeln. Da trug sich’s zu, daß eines Hauptmanns Sohn aus Marienburg vom Teufel besessen ward, und wurde dieser Teufel, der den Jüngling besaß, beschworen, auszufahren; da redete der Teufel aus dem Junker heraus: Ausfahren will ich wohl, aber ich muß erst wissen, wo ich darauf hineinfahren soll. Wollt Ihr mir nicht vergönnen, in die Schnabelschuhe zu fahren? Ich vermeine, es sei für zehntausend Teufel Platz in selbigen, und da man dem Teufel so viel in die Schuhe schiebt, kann er sich auch einmal selbst in die Schuhe schieben. – Das wurde dem Teufel vergönnt, und er fuhr in die Schnabelschuhe. Als das nun ruchbar wurde im Lande Preußen, da wollte kein Mensch mehr solche Schuhe tragen, und die Mode kam in Abnahme und hörte zuletzt ganz auf. Wo aber hernachmals dieser Teufel hingefahren ist, als es keine Schnabelschuhe mehr gab, davon ist keine gewisse Kunde aufbehalten, er müßte denn in das Kreuztor zu Königsberg gefahren sein, das am Ende der Burgfreiheit stand, da wo der Roßgarten anfängt; nebenan zur Rechten im Winkel stand ein altes Klostergebäu zum heiligen Kreuz, und das Tor war stets verschlossen. Als aber hernachmals die Mönche vertrieben wurden, fuhr der Teufel in das Tor und machte, daß es immer offen stand, wie sorgsam man es auch verschlossen halten wollte. Endlich ist es im Jahre 1705 ganz abgebrochen worden.

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248. Die Schatzgräbermönche

248. Die Schatzgräbermönche

Bei Königsberg liegt ein vereinzelter Berggipfel mit schöner Aussicht, der heißt der Galtgartenberg oder der Rinau, und sind dortherum der Höhen nur wenige, und kann einer weit umschauen von der Höhe des Rinau, unter sich die alte Königsstadt und nordwärts die dörferbesäete Landschaft und darüber hinaus rechts das Kurische Haff und links der Ostsee endlosen Spiegel und zwischen beiden zur dämmernden Ferne sich verlierend die grüne Linie der Kurischen Nehrung, südostwärts aber das Frische Haff. Auf diesem Gipfel war vorzeiten auch ein Heidenheiligtum, und soll da droben absonderlich ein Abgott des Namens Ligo verehrt worden sein, ein Gott des Frühlings und der Freude, von welchem uns wenig Kunde überkommen; vielleicht ist er ein und derselbe Gott mit dem, den die Polen Ligiez nannten, ein Ruhestifter und Versöhner. Reine Jungfrauen mußten ihm heilige Flammen nähren. Später sollen die Herren über Samland, Samos Nachkommen, der ein Sohn König Waidewuts war, auf dem Berge gewohnt und ihre Götter droben verehrt haben in einem heiligen Haine, und zwar vornehmlich den Gott der Tafelfreude Curcho oder Gorcho und den Herdengott Warskaito, wie auch den Geflügelgott Ischwambrat, welche Götterdreiheit im uralten Mythus der Preußen den zweiten Rang nach den höchsten Göttern Perkunnos, Pikollus und Potrimpus einnahm. Endlich eroberte der Deutsche Orden auch Samland und zerstörte die heidnischen Heiligtümer, und in noch späterer Zeit drängte die Lehre Luthers auch den Marienorden zur Seite, die Klöster wurden aufgehoben, und die Mönche und Nonnen wurden zu Herden ohne Hirten. Da waren vierzehn Mönche, die hatten nichts mehr zu leben, wohl aber manche Kenntnis von geheimen Dingen, und die wußten wohl, daß auf dem Rinau Schätze vergraben waren in nicht geringer Zahl. Die wanderten hinauf, gar wohl mit allem versehen, was zum Schätzegraben nötig, stießen auf altes Trümmergemäuer und schlugen ein. Da fanden sie ein Gewölbe, darinnen standen große Urnen, aber bei jeder Urne lag ein schwarzer Hund, und jedem Hunde rauchte es aus dem Maule, und das war ein so giftiger Brodem, daß gleich fünf Mönche tot niederstürzten und drei andere, die mit den übrigen flohen, des andern Tages starben. Da sahen die sechs übrigen Mönche, daß sie doch noch nicht alles mit sich getragen zum Schatzgraben, und beredeten sich, es dennoch noch einmal zu versuchen, aber mit besserem Rüstzeug, und gingen nochmals hinauf, nahmen Heiligenbilder mit, mit geweihtem Öle bestrichen, und das Allerheiligste und hielten das an die Grube und lasen eine heilige Messe und sangen Litaneien. Da verschwanden die Hunde, und der Gifthauch ward nicht mehr verspürt, und die Urnen konnten ohne Beschwerde hinweggenommen werden, nur waren sie sehr schwer. Die Mönche hatten eine große Freude, und es war schön anzusehen, wie jeder Mönch eine große schwere Urne vom Berg heruntertrug, daß er schwitzte und keuchte, denn diese Töpfe waren einige Fuß hoch und hatten Bäuche fast wie die der Mönche. Im Beisein des Bischofs und des Hauskomturs schritten sie nun zur sorgfältigen Untersuchung des Inhaltes dieser altheidnischen Aschenkrüge. Da fand sich allerlei Schönes: Lehmen, Sand, kleine Kohlen, Knochenreste, Asche – aber von Metall, geschweige von edlem, nicht ein Splitter. Da zogen die Mönche lange Gesichter, denn sie waren keine Altertumsforscher, sonst hätten sie auch an den leeren Urnen noch eine große Freude gehabt und wären froh gewesen, dieselben ganz und unzerbrochen vom Rinau heruntergebracht zu haben. Und weil niemand da war, an dem sie ihren Verdruß auslassen konnten, so mußte der Teufel herhalten. Er mußte das Gold in den Töpfen in schnöde Asche und Kohlen verwandelt haben und hatte doch im entferntesten nicht daran gedacht, der arme Teufel, dem immer alles in die Schuhe geschoben ward.

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24. Der Kreuzliberg

24. Der Kreuzliberg

Auch im Aargau, ohnweit Baden, wohnte auf einem Burgberge eine Königstochter, die oft zu einem nahen Bühel ging, wo sie im Schatten ruhte und der schönen Landschaft sich freute. Sie wußte aber nicht, daß Geister in dem Bühel hausten, deren Art keine gute war. Eines Tages kam sie abermals zu ihrem Lieblingsplatz, aber kaum erkannte sie ihn wieder; wildes Geklüft und geborstenes Erdreich starrte ihr da entgegen, wo sie noch kurz zuvor auf schwellendem Moos im kühlenden Baumschatten geruht hatte, und weit hinab in die Tiefe gähnte eine jähe Schlucht. Die Jungfrau aber war unerschrocknen Sinnes, weil sie rein und schuldlos war, und so setzte sie die Füße in den düstern Gang, um zu schauen, wie es darinnen beschaffen sei. Da gewahrte sie, daß es ein ungeheurer Keller war, Fässer lagen da über Fässern, und siehe, schreckhafte Gestalten huschten an sie heran, ergriffen sie an den Händen und zogen sie über alle die Fässer weiter und weiter zur Tiefe fort, so daß sie endlich aus Angst und Bangigkeit die Besinnung verlor und nicht mehr wußte, was mit ihr geschah. Da sie nun in der Burg daheim vermißt wurde, ward ausgesandt, sie zu suchen, und ward also gesucht an allen Orten und Enden ringsumher. Siehe, da fand sie einer nicht gar weit von dem Geisterhügel auf einer kleinen Anhöhe stehend, mit in die Erde gewurzelten Füßen, der Leib steinhart und die Arme in Äste ausgewachsen und gen Himmel ausgestreckt, wie die Jungfrau Daphne in der heidnischen Fabel. Alle, die das sahen, entsetzten sich vor dem grausenhaften Anblick solcher Baumverwandlung, und da ward nach dem nahen Kloster Wettingen hinübergesendet, von dort ein Wunderbild zu holen. Als das Bild gebracht ward, da schwand der unheimliche Zauber, der die Königstochter umstrickt hatte, und sie ward wieder erlöset. Des zum Andenken setzte man ein Kreuz auf den Berg, wo diese Sache sich begeben, der hieß fortan der Kreutberg, und jener Bühel, darin die Jungfrau die Fässer erblickt, und der sich wieder geschlossen, heißt der Teufelskeller bis auf den heutigen Tag.

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236. Die fliegenden Toten

236. Die fliegenden Toten

In der Stadt Ragnit sind zwei Kirchhöfe, einer für die deutsche, einer für die litauische Gemeinde, einer östlich, der andere südwestlich von der Stadt, doch liegen sie so, daß zwischen ihnen weder Haus noch Hecke, weder Baum noch Zaun noch Mauer steht. Und da begibt es sich besonders in Sturmnächten, daß die Toten beider Gemeinden, die einander im Leben gut kannten, sich gegenseitig besuchen und durch die Nacht zu Hunderten, ja zu Tausenden von einem Kirchhofe zum andern fliegen, gar nicht hoch über der Erde und in gerader Linie. Nicht jeder ist imstande, sie zu sehen, aber die in der Mitternachtstunde eines Sonntags Geborenen, die sehen den grauenhaften Totenflug. Und dem kann nichts widerstehen. Ein Fremder zog nach Ragnit, baute sich dort an mit einem hübschen und festen Haus am südlichen Stadtende, aber die erste Sturmnacht warf es über den Haufen, während einige alte, schon halb verfallene Häuser, die aber seitwärts standen, unversehrt blieben. Der Fremde ließ das Haus wieder aufrichten, und es ereignete sich ganz das nämliche. Da sagte ihm ein Mann, der in der Mitternachtstunde vom Sonnabend auf den Sonntag geboren war, daß sein Haus in der Linie des Weges der fliegenden Toten stehe, und zeigte ihm eine Scheuer in der gleichen Richtung, von der nur eine Dachspitze in diese Linie hineinragte, die stets und stets, sooft sie erneut worden, wieder abgerissen worden sei. Darauf rückte der Fremde sein Haus zur Seite und den fliegenden Toten aus dem Wege, und da steht es heute noch, ohne jemals wieder Schaden genommen zu haben.

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237. Die weiße Jungfrau der Bayerburg

237. Die weiße Jungfrau der Bayerburg

Als Herzog Heinrich von Bayern im Jahre 1337 dem Deutschen Orden mit starker Heeresmacht zu Hülfe zog, erbaute er eine Schutz- und Trutzburg dem alten Ordenshause Christmemel am Memelstrome gegenüber, die war gar groß und fest und wurde die Bayerburg genannt. Die sollte die ganze Gegend schirmen gegen das heidnische Litauen, und eine große Stadt mit dem Sitz eines Erzbischofs sollte sich um sie her begründen. Allein dem ward nicht also. Der Ordenshochmeister setzte einen Komtur in die Bayerburg und vierzig Ritter, die sollten sie behaupten und ein gottseliges Leben in der Burg führen. Solches führten sie aber mitnichten, sondern ein Leben voll Lust und Schlemmens, mit Trunk, Spiel und Buhlerei. Einstmals brachten sie eine edle christliche Jungfrau in ihre Gewalt, die sie zu ihren Sünden zu nötigen versuchten, allein die Jungfrau willigte nimmer ein und rief in ihrer Not den Herrn an, ihren Leiden und der Ritter Greuel ein Ende zu machen. Und da tat sich die Erde auf und verschlang die Burg, die Ritter und die Jungfrau. Ihr aber ward ob ihrer Reinheit willen vergönnt, als Schutzgeist der Gegend bisweilen sichtbarlich zu erscheinen. Sie warnt die Leute vor Bösem und erzeigt ihnen Gutes. Wo die Burg gestanden hatte, gähnte ein tiefer Schlund und Abgrund hinab, in diesen stürzte vor langer Zeit ein Kind, und die Eltern jammerten ratlos droben am Rande des Abgrundes, denn niemand traute sich hinabzusteigen. Da entstieg dem Abgrunde die weiße Jungfrau und hielt in ihren Armen das unversehrte Kind, gab es zurück und verschwand. So ist sie vielen hülfreich gewesen. Auch die Schätze der versunkenen Burg, die sie bewacht, würde sie gern verteilen, aber ein schwarzer Teufel wohnt mit ihr zugleich in der Tiefe, der wehrt es ihr. Einst wird die weiße Jungfrau den schwarzen Teufel überwinden und alle ihre Schätze im Lande austeilen.

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238. Schlacht im Nebel

238. Schlacht im Nebel

In den endlosen Kriegen des Deutschen Ordens gegen das litauische Heidenvolk geschah es im Jahre 1394, daß das Ordensheer bis zur Landeshauptstadt Wilna vorgedrungen war und diese Stadt belagerte. Den Belagerern die Zufuhr abzuschneiden, führte Großfürst Witoudt ein starkes Heer heran und schlug Lager. Die Zufuhr aber zu schützen, entsandte der Meister vier Banner, jedes von hundert Mannen, die stießen bei Redemynne auf die litauer Fürsten Witoudt und Karjebut von Sewerien mit ihrem großen Heer, doch lag noch ein Fließ oder Bruch zwischen den Ordenskriegern und den Litauern; um diesen zogen erstere, und da gewahrten sie, daß des Feindes Heer also groß war, daß zehn Feinde auf einen Christenreiter kamen. Dennoch wagten sie mutig den Angriff, und da ließ Gott aus dem Bruch einen dichten Nebel aufsteigen, daß die Litauer ihrer Gegner Kleinzahl nicht wahrnahmen, sondern meinten, der Hochmeister mit dem ganzen Ordensheer stehe gegen sie, und da die Kreuzritter so tapfer und heftig angriffen, so hielten die Litauer nicht stand, sondern flohen von allen Seiten nach allen Seiten. Und solange der Kampf währte, in welchem gar viele Heiden erschlagen wurden, vermochte kein Wind den Nebel zu zerteilen.

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23. Der Besserstein

23. Der Besserstein

Im Aargau, da, wo Reuß und Limmat in die Aar und die Aar in den Rhein fließen, liegt der Geißberg, der trägt auf seinem Gipfel die Trümmer einer Ritterburg. Ein Herr von Villigen baute die Burg auf das schönste und festeste, hatte seine Herzensfreude daran, gedachte in ihr glücklichen Alters froh zu werden und in Leutseligkeit und Güte seinen Untersassen ein treuer Vater zu sein. Fertig stand der Bau, und festlich sollte er eingeweiht werden. Des Bauherrn Söhne und alle Gefreundete rings im Gau waren versammelt, und die Humpen kreisten. Der Ritter von Villigen sprach zu den Söhnen: Da schaut nun, wie gut sich’s hier wohnen wird in der Pracht der Gegend, rund um uns her unsre fleißigen Leute und Mannen, mitten im Kreis der Dörfer unser stattliches Burghaus, fest gegen den Feind, offen dem Freund, den Bedrängten ein Schutz, den Dürftigen ein Hospitium! So wollt ich’s haben.

Ja, Vater, sprachen die Söhne, das ist traun eine wackre Trutzburg worden; da mag sich das nichtsnutzige Volk auflehnen oder nicht, wir zwingen es von hier aus, wir werden ihm den Fuß auf den Nacken setzen. Von hier aus können wir Zölle legen auf die Flüsse und den Rheinstrom, auf Wege und Stege. Der ganze Gau muß uns tributpflichtig werden, damit unser Gut sich mehre und unser Name ein gefürchteter sei im Rhein- und Schweizerlande. – Als der Herr von Villigen diese Rede seiner Söhne vernahm, war es ihm, als wolle sein Blut stocken und sein Herz brechen, und zürnend brach er aus: Entartete Söhne! So ist euer Sinn? Wartet, den will ich euch bessern! – Und warf seinen vollen Humpen zur Erde, daß er in tausend Scherben zerklirrte. Wie dieser Humpen zertrümmert liegt, so soll dieser stolze Bau, meine Lust und meine Freude, zertrümmert liegen! – Und berief seine Mannen, seine Untersassen, sein ganzes Volk, und hieß sie den neuen Bau abbrechen und verfluchte die Hand, die ihn wiederum zu bauen beginnen werde. Besser Stein, ein wüster Stein, als eine Zwingburg des Volkes und des Gaues, die Schimpf auf den edeln Namen derer von Villigen häuft! rief er – und seitdem liegt auf dem Geißenberge der öde Mauerrest und heißt allwege im Volke der Besserstein.

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