977. Der Keferloher Jahrmarkt

977. Der Keferloher Jahrmarkt

Nicht weit von München liegt ein Ort, heißt Keferlohs, das hat einen berühmten Jahr- und Pferdemarkt, da strömt halb München hin, wo nicht noch mehr als halb, es geht dort alleweile lustig her, kramt sich dort mancher den schönsten Zopf, und wer Prügel wünscht, die könnte er dort prima Sorte spottwohlfeil haben, wohl gar umsonst, denn sie sitzen nicht fest auf dem Keferloher Markt. Des Marktes Ursprung aber wird davon abgeleitet, daß er eine Gabe Kaiser Ottos sei, weil ihm die Bayern, absonderlich die von München und Keferlohs, in der schweren Hunnenschlacht am Lech mit ihrer Reiterei zu rechter Zeit und Stunde zu Hülfe gekommen, da er schon den Sieg verlorengegeben. Da nun durch diese Reiterei der Sieg offenbar erkämpft worden, so habe der Kaiser flottweg die tapfern Bäuerlein zu Rittern geschlagen, die Pferdezucht und Wettrennen empfohlen und die Pferdemärkte eingesetzt. Da waren zwei Bauernführer dabei, die liebten einander, wie Hund und Katze einander lieben, so daß sie nicht einmal mehr miteinander in einer Kirche beten wollten; machten es wie jene Schwestern, baute sich jeder eine eigne Kirche, einer, der Niklas hieß, ein Niklaskirchlein, der andere ein Jakobskirchlein. Ein dritter Keferloher, der jene beiden noch überbieten wollte, ließ sich einen Pflug von purem Silber anfertigen und ackerte mit vier Pferden seinen getreuen Nachbarn vor der Nase herum, noch ließ er sich einen Maler kommen, da ging es fast wie im Liede: Meister Maler, wollt Ihr wohl – der sollte ihm ein Wappen malen und ihn hinein und den Pflug und die vier Pferde und den Acker und die beiden Nachbarn und deren Kirchen und den ganzen Keferloher Jahrmarkt. Was der Maler nicht in sotanes Bild bringen können, wird wohl außen geblieben sein.

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978. Liebe findet ihre Wege

978. Liebe findet ihre Wege

Auf dem Chiemsee, nach dem Bodensee das größte deutsche Binnengewässer, liegen in nicht allzuweiter Ferne voneinander zwei Inseln, die Herren- und die Fraueninsel, und auf jeder ein Kloster, dem Namen entsprechend. Da war auf Herrenchiemsee ein Mönch und auf Frauenchiemsee eine Nonne, die hatten einander geliebt, ehe sie das Klostergelübde abzulegen gezwungen worden, und liebten einander fort und fort, wie dereinst Hero und Leander sich geliebt, wo nur Hero eine Nonne als Priesterin der Aphrodite war. Und in dunkeln Nächten brannte hell ein Licht in der Nonnenzelle gegen Herrenchiemsee zu, und in des Sees mächtiger Flut rauschte es leise, und es kam und schwamm herüber und hob sich zum Strande und gewann die Zelle und sein Lieb. Aber stetig lauert der giftige Neid, der keinem und keiner heimliche Liebe vergönnt, und in einer stürmischen Nacht löschte er, nachdem sie recht hell geflammt, die Kerze in der Nonnenzelle aus, und der Schwimmer erreichte nimmer sein Uferziel, die Nixe des Chiemsees zog ihn in ihre Umarmung und warf im bleichen Morgengraun nur seine Leiche an die Fraueninsel. Mitleidvoll gönnten die Nonnen dem toten Mönch ein Grab und hatten bald neben ihm eine zweite Leiche zu bestatten.

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97. Die Brüder

97. Die Brüder

Auf den nachbarlichen Burgen Sternfels und Liebenstein am Rhein wohnten zwei Brüder, die waren sehr reich und hatten die Burgen stattlich von ihres Vaters Erbe erbaut. Da ihre Mutter starb, wurden sie noch reicher, beide hatten aber eine Schwester, die war blind, mit der sollten nun die Brüder der Mutter Erbe teilen. Sie teilten aber, da man das Geld in Scheffeln maß, daß jedes ein volles Maß nach dem andern nahm, und die blinde Schwester fühlte bei jedem, daß eines so richtig voll war wie das andere; die arglistigen Brüder drehten aber jedesmal, wenn es ans Maß der Schwester ging, dieses um und deckten nur den von schmalem Rand umgebenen Boden mit Geld zu, da fühlte die Blinde oben darauf und war zufrieden, daß sie ein volles Maß empfing, wie sie nicht anders glaubte. Sie war aber gottlos betrogen, dennoch war mit ihrem Gelde Gottes Segen, sie konnte reiche Andachten in drei Klöster stiften, zu Bornhofen, zu Kidrich und Zur Not Gottes. Aber mit dem Gelde der Brüder war der Unsegen für und für, ihre Habe verringerte sich, ihre Herden starben, ihre Felder verwüstete der Hagel, ihre Burgen begannen zu verfallen, und sie wurden aus Freunden Feinde und bauten zwischen ihren nachbarlich nahe gelegenen Burgen eine dicke Mauer als Scheidewand, deren Reste noch heute zu sehen sind. Als all ihr Erbe zu Ende gegangen, versöhnten sich die feindlichen Brüder und wurden wieder Freunde, aber auch ohne Glück und Segen. Beide bestellten einander zu einem gemeinschaftlichen Jagdritt, wer zuerst munter sei, solle den andern Bruder frühmorgens durch einen Pfeilschuß an den Fensterladen wecken. Der Zufall wollte, daß beide gleichzeitig erwachten, beide gleichzeitig die Armbrust spannten, im gleichen Augenblick den Laden aufstießen und schossen, und daß der Pfeil jedes von ihnen dem andern in das Herz fuhr – das war der Lohn ihrer untreuen Tat an ihrer blinden Schwester.

Andere erzählen, es habe das Geschick nur den einen Pfeil eines der Brüder dem einen der Brüder in das Herz gelenkt, darauf sei der andere zur Buße nach dem Heiligen Grabe gepilgert und im Morgenlande verstorben. Noch andere haben neue Märlein über dies feindliche Brüderpaar ersonnen, denen Kundige es auf den ersten Blick ansehen, daß sie früher nie als Sagen im Volke lebten.

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979. Das Fräulein vom Karlstein

979. Das Fräulein vom Karlstein

Wenn man vom Chiemsee über Traunstein durch das reizende Hochgebirgstal von Inzell schreitet, wo die Alpenrosen von den Höhen bis nieder an den Weg steigen, kömmt man zwischen dem Staufenberge, dem Wendberge und dem Müllnerberge an eine Wegscheide, da geht ein Weg nach Traunstein, einer nach Reichenhall und Berchtesgaden, und der dritte führt südwärts recht ins Gebirg hinein, der Saal entgegen, zunächst nach Unken, wo die Füchse einander gute Nacht geben. Eine Strecke unterhalb dieser Wegscheide liegt ein Gehöft, im Kaitl geheißen, nicht mehr weit von Reichenhall, dort rastet sich’s gut und fehlt nimmer an Gesellschaft von Jägern, Holzleuten und Wanderern, die des Wegs ziehen, und vom Kaitl bis Reichenhall spannen sich reizende Wiesenteppiche, die heißen die Weidwiesen. In der Nähe ist auch ein Trümmerschloß, der Karlstein, die Leute dortherum nennen es aber nur das Salzsäßchen, und sieht gerad aus von weitem wie das Löttöpfchen im Thüringerwalde. Dortherum nun geht ein Geist um in eines kleinen Weibleins Gestalt, das soll ein Fräulein auf dem Karlstein gewesen sein, die habe einen Jüngling geliebt und einen andern, den sie nicht liebte, mit aller Gewalt heiraten sollen, wie sich das bisweilen in der Welt also zuträgt. Da habe nun besagtes Fräulein das nämliche getan wie jenes im Ritterschloß über Heilingen und sich von der Burg herab in den Felsenabgrund gestürzt, wo sie nun als Geist zur Strafe und zur Sühne umwandeln muß. Ein Holzschaffner unterm Karlstein fand, sooft er in die Burg hinaufkam, die seit des Fräuleins und ihres grausamen Vaters Tode – denn grausam heißen alle Väter, die nicht ihrer Kinder Willen tun – verödet war und ein Aufenthalt der Füchse und Schubuts, jedesmal ein Rupertigröschlein. Sobald er das aber aufhob und einsackte, ging ein Spuk los, der nicht gering war. Es warf erst mit Sand, dann mit kleinen Steinen, dann mit großen, auch kamen gätliche Baumstämme geflogen – doch war das beste, daß keiner den Holzschaffner traf, nur mußte er die Beine auf die Achsel nehmen und laufen, als wenn er dem Schlangenkönig die Krone genommen hätte.

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971. Die rechte Hand

971. Die rechte Hand

Es war ein junger Graf von Dachau, der liebte ein Ritterfräulein von Wolfratshausen, nahe dem Wurm- oder Würmsee gelegen, hatte aber einen Feind am Grafen von Starnberg, der ließ ihn auflauern durch seine Knechte, und da er von oder nach Wolfratshausen ritt, so erschlugen sie ihn nahe bei Berg am See und beraubten ihn und hieben ihm die rechte Hand ab, an deren Finger einem er einen Ring von seiner Braut trug, den wollten sie auch sich aneignen, aber da schnappte des Ermordeten Hund zu und faßte die Hand und trug sie fort, immer fort bis nach Dachau, zwischen Augsburg und München, und legte sie zu den Füßen der Mutter des Erschlagenen nieder. Da schrie die Mutter Ach und Weh zusamt der Braut, und ließen an der Stätte, wo die Tat geschehen, die bald kundbar ward, eine Kapelle bauen, die ist Hernachmals aber, weil sie zu fern vom Wege stand, bei die Notschweig hingebaut worden, und an der Empore der Kapelle ward die Geschichte bildlich dargestellt.

Bei Wolfratshausen hat vordessen auch ein Schloß gestanden, aber es ist versunken; darinnen ruht noch ein großer Schatz, den drei Fräulein und ein Hund hüten. Als diese drei noch beim Leben waren und geerbt hatten, waren zwei blind, die eine aber war halb schwarz, halb weiß und machte es bei der Teilung mit ihren Schwestern gerade so wie die Brüder auf der Burg am Rhein mit ihrer blinden Schwester: sie maß sich den vollen Scheffel Geldes zu und drehte dann den Scheffel um, deckte den Boden und ließ die Blinden fühlen, daß das Gefäß voll sei. Dafür fitzt sie der Teufel mit Ruten, bis die Haut in Fetzen von ihrem Leibe hängt, welche dann in der zwölften Stunde wieder zusammenwächst. Das soll so lange dauern, bis der Schatz gehoben ist.

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972. Die Reismühle

972. Die Reismühle

Wenn man vom Starnberger See gen München zu pilgert, so führt der Weg anfänglich durch eine ziemlich öde Flur am Fuße einer Hügelkette hin, dann aber lenkt vom Fahrweg ein Fußweg ab zur Linken in den Wald, und dieser Wald ist nicht wie die andern Wälder ringsumher trauriges Nadelholz, sondern frischer blumenreicher Laubwald voll tiefen herrlichen Grünes, so daß man meint, in einem andern Landstrich Deutschlands zu sein. Und durch den Wald rollt ein Bach, und der Bach treibt eine Mühle, die wird die Reismühle geheißen, und das Tal heißt das Mühltal. Und über diesem Tale und dieser Mühle rauscht die deutsche Sage wie mit Adlerfittichen.

Es war nahe bei Freising ein Schloß, das hieß Weihenstephan; darauf wohnte eine Zeit der Frankenkönig Pipin und schirmte das Land gegen die Heiden. Und da er sich zu vermählen gedachte, sandte er seinen Hofmeister, der ein böser roter Ritter war, aus dem Schwabenlande bürtig, auch drei Söhne und eine Tochter hatte, ihm eine Königstochter aus dem Lande Britannia zu holen. Diese ward dem Ritter auch anvertraut und zog in seinem Geleit, der aber gedachte, seine eigene Tochter solle Königin werden, und zog aus Schwaben durch die tiefe Wildnis zwischen dem Ammersee und dem Würmsee, nicht weit von einem Heidenort des Namens Gauting, und in jenem Walde gebot er seinen Knechten, die fremde Braut zu töten, und nahm ihr ihre Gewande und ihren von Pipin ihr gesandten Verlobungsring und schmückte damit seine Tochter und führte diese dem Könige zu, daß sie dessen Weib ward. Nun aber hatten die Knechte Mitleid gehabt mit der schönen fremden Prinzessin, welche Bertha hieß, und sie mitnichten getötet, sondern ihrem Herrn nur ihres Hündleins Zunge gebracht zum Wahrzeichen, daß sie die Jungfrau getötet, und hatten ihm deshalb drei Eide schwören müssen. Die Jungfrau aber hatte den Knechten gelobt, nicht wieder heimzuziehen, und fand Unterkunft bei dem Müller im Tale dieser Wildnis und diente ihm sieben Jahre als eine Magd, und da sie ihr Gezeug zum Wirken mit sich genommen, auch etwas Seide und Goldfaden, so wirkte sie Börtlein, die trug der Müller gen Augsburg in die Stadt, da gab ihm eine Krämerin aber Gold- und Seidenfaden dafür und zwei volle Denare und hieß ihm mehr der köstlichen Arbeit bringen. Des war die Jungfrau froh und wirkte mehr, und der Müller empfing wieder neuen Stoff und dreißig Denare; das ging so fort drei Jahre lang, und die Käuferin hätte gar gern gewußt, wer so künstliche Börtlein wirke, die in diesem Lande niemand machen konnte, aber der Müller sagte ihr, wenn sie nicht nachlasse mit Fragen nach dem, was ihm zu sagen verboten sei, so gehe er weiter. Und der Müller wurde reich durch der Jungfrau Arbeit, sie aber begehrte nichts als ihre Nahrung und tat auch des Hauses Arbeit gern und willig. Und nach sieben Jahren jagte Pipin der König im Walde zwischen Gauting und Starnberg und kam ab von seinem Gefolge, doch war noch sein Astrolog und Arzt bei ihm, nebst einem Jäger und einem Knechte. Da ging der Jäger auch hinweg, den Weg zu suchen, und verirrte sich, denn vom Mühltal bis gen Weihenstephan war damals nichts als eitel Wildnis, und München ward erst über dreihundert Jahre später gebaut. Und jene fanden sich durch einen Köhler geleitet zur Reismühle und herbergten allda bei dem Müller als fremde Kaufleute, und Pipin scherzte mit der Jungfrau, die er für des Müllers Tochter hielt. Als es nun Abend ward, las der Astrolog in den Sternen und sprach dann zu Pipin: In den Sternen stehet, daß du heute sollt bei deinem Weibe sein und einen Sohn gewinnen, der wird ein Heidenüberwinder werden und sein Name noch größer als der deine. – Und siehe, im Wechselgespräche ward alles offenbar, und an seinem eigenen Ring an Berthas Finger erkannte Pipin, daß sie seine Verlobte war, und gewann sie zum Weibe. Sie wollte aber niemand verderben, und der König mußte ihr geloben, alles noch heimlich zu halten und sie in der Mühle zu lassen. Und der König gebot allen das tiefste Schweigen bei Leib und Leben. Hernach tat Pipin noch große Kämpfe gegen die Heidenschaft, allenden siegreich, und nach dreiviertel Jahren gebar Frau Bertha in der Reismühle einen Sohn, den brachte der Müller zur Taufe denselben Tag und ließ ihn Karl nennen, und ging dann zu Pipin und brachte ihm zum Zeichen, wie verabredet worden, einen Pfeilbolz. Und als der König seine Zeit ersah, da machte er alles offenbar, ließ den treulosen Hofmeister schmählichen Todes sterben, dessen Weib, die den Teufelsrat gegeben, vermauern und die Tochter, die, obschon unschuldig, doch den Trug vollendet hatte, gefangen halten. Darauf erhob er die edle Jungfrau zu seinem Ehegemahl, belohnte reich den Müller und zog mit Weib und Kind und allem Gefolge in das Frankenreich, wo Berthas Sohn, hernachmals Karl der Große geheißen, zu hohem Ruhm erwuchs.

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973. Von der Münchner Frauenkirche

973. Von der Münchner Frauenkirche

In der Liebfrauenkirche zu München gibt es mehr als ein Wahrzeichen und geht mehr als eine Sage von ihr. Es ist ein herrliches stattliches Gebäu, zu dessen Grunde und Aufbau man den Mörtel mit bayrischem Wein bereitete. Die Kirche erhielt dreißig prächtige hohe Fenster, die zum Teil mit den herrlichsten Glasmalereien verziert sind. Als der Teufel einst voll Ärgers über den neuen schönen Tempel durch das Portal unterm Chore hineintrat, kam er auf eine Stelle zu stehen, wo er kein einziges von den Fenstern erblickte, und murmelte: Kein Fenster? Kein Licht? Daran erkenn‘ ich meine Münche – bon! – wandte zufrieden um und brannte nur seine Fußtapfe zum freundlichen Andenken in den Boden, die noch heute zu sehen. Hatte sich aber stark geirrt, der dumme Teufel.

So lang die Kirche ist, fast so hoch sind ihre Türme, dreihundertunddreiunddreißig Fuß. Auf dem linken südlichen Turme ist es nicht geheuer, er wird nur selten betreten. Jörg Gankoffen von Halspach (Haselbach bei Moosburg, wo noch sein Geburtshaus bezeichnet wird) hieß der Kirche Erbauer; er vollführte, wie eine Inschrift besagt, den ersten, den mittlern und den letzten Stein; zwanzig Jahre währte der Bau, und als der fromme Maurermeister den letzten Stein vollführt hatte, da starb er. Sein treues Bildnis ist noch innerhalb der Kirche zu sehen, neben ihm das Bildnis des Zimmermanns, der den Dachstuhl baute. Es wurden dazu nicht minder als vierzehnhundert Flöße, jedes aus fünfzehn bis sechzehn Bäumen bestehend, auf der Isar herabgeflößt. Da der Bau vollendet war, fand sich ein zugerichteter noch unverwendeter Balken, und dennoch fehlte nirgend auch nur eine Latte. Selbiger Trumm ist noch heute zu sehen. Der Meister soll selbst den Balken aus dem Gerüst genommen und gesagt haben: Nun komme her, wer da wolle, und sage mir, wo der Balken fehle, und wo er füglich hingehört! – Aber vor wie nach hat sich niemand gemeldet und ist ein Jahrhundert um das andere vorübergegangen, und der überflüssige Balken ist noch immer vorhanden.

Außer dem Hochaltar hat die Frauenkirche dreißig Altäre, einer derselben ist St. Benno geweiht, der nächst der Himmelskönigin Münchens und der Kirche Schutzpatron ist. Der heilige Leichnam Bennos ward aus Meißen, wo er gelebt und manches Wunder vollbracht, gen München geführt, und als er von da in bedrohlicher Zeit nach Salzburg geborgen wurde, später aber von dort zurückkam, übte der Heilige ein neues Wunder, denn alsbald hörte mit seinem Eintreffen die grimme Pest auf, welche damals zu München wütete, darum mit ward diesem Heiligen vorzugsweise der Name Wundertäter, Thaumaturgos, beigelegt.

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974. Herzog Christophs Stein

974. Herzog Christophs Stein

In einem Hofe und Durchgang der alten Residenz zu München, unterm Torbogen zwischen dem Kapellenhof und Brunnenhof, liegt ein großmächtiger Stein an einer Kette, den auch ohne Kette keiner wegtrüge, so schwer ist er. Diesen selben Stein, der dreihundertundvierundsechzig Pfund wiegt, hat Herzog Christoph von Bayern mit eignen Händen nicht nur gehoben, sondern auch eine gute Strecke weit geworfen. Dieser Herr war also stark und kräftig, daß er gleicherweise auch einen Sprung zwölf Fuß hoch getan und einen in die Mauer gesteckten Nagel mit dem Fuße hinweggeschnellt. Zwei andere Springer, Konrad der eine, Philipp der andere geheißen, sprangen der eine zehnthalb Schuh, der andere neunthalb Schuh hoch. Die Inschrift an der Mauer, welche dies kündet, verheißt auch den Namen dessen zu verewigen, der noch höher springt.

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975. Münchner Haussagen

975. Münchner Haussagen

An mehr als ein Haus zu München knüpfen sich Sagen, wie zumeist in alten Städten, und ließen sich deren allein Bücher voll sammeln. Mehrere sind aber insonderheit darum hervorzuheben, weil sie Wiederholungen von Sagen bilden, die weit von dieser Stadt im deutschen Norden lebendig sind. So steht auf einem Hause eine Dohle als Dachfahne, die einen Ring im Schnabel hält, an den sich die Sage von einem durch eine Dohle entwendeten Ring knüpft, die, wenn sie der vom Raben zu Merseburg auch nicht gleicht, so doch an sie erinnert.

Auf dem alten Hofgebäude stand ein Turm, darauf war ein steinern Affenbild zu erschauen, und die Sage wußte von einem Prinzchen zu erzählen, das ein im Schlosse gehaltener zahmer Affe geraubt, auf die Turmzinne getragen, aber endlich, da er sich nicht mehr verfolgt sah, gutwillig wieder heruntertrug und in des Prinzchens Wiege legte. Danach ward des Affen Bild in Stein ausgehauen, gerade wie jenes des Affen zu Dhaun, und auf den Turm gesetzt.

Am Schrannenplatz, nahe dem Wurmeck, allwo die Gestalt eines Lindwurms in Stein gehauen zu ersehen, der die Pest über München ausgehaucht und mit einer von den Kanonen, die vor der Hauptwache auf selbem Platz stehen, erschossen worden sein soll, war unter den Bögen Doktor Luthers Bild und seiner Kathi, wohl mehr zum Hohn als zum Ruhm, wie das zu München nicht anders sein konnte; und in der Sendlinger Gasse im Haus beim Koch in der Hölle, da sollte der Luther auf seiner Flucht – doch wohl auf der von Augsburg nach Hohenaschau, denn nur auf dieser einen Flucht könnte Luther München berührt haben – eilend getrunken und Bratwurst gegessen haben, letztere aber eben auch schuldig geblieben sein, just wie zu Wertheim am Main. Hernach haben sie zu München Spottbilder auf Luther ausgehen lassen, wie er mit der Bratwurst auf einer Sau davonreitet, ganz so wie der Reiter auf alten Spielkartenblättern unter der Eichelsieben.

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976. Die fromme Barbara

976. Die fromme Barbara

Herzog Albert III. zu Bayern hatte eine Tochter des Namens Barbara, die war gar fromm und schamhaft und wollte nimmer heiraten und keinem angehören als Christo, dem himmlischen Bräutigam, und darum verschmähte sie selbst den Kronprinzen des Königs von Frankreich, für den bei ihrem Vater des Prinzen Vater Werbung um ihre Hand tun ließ. Da sich nun darob großer Verdruß erhob, so zergrämete sich das arme achtzehnjährige Jungfräulein und welkte hin, wie ihr Majoranstöcklein, das sie in ihrem Fenster pflegte, und welches abstarb. Und war nicht mehr fröhlich und sang nicht mehr und blieb stumm, wie ihre Vöglein, die acht Tage nach des Majorans Absterben von den Stänglein fielen und also tot blieben. Das Herz mocht‘ ihr schier zerspringen, wie ihre Busenkette, die sie zum Geschmuck von ihrem Herrn Vater geschenkt bekommen, acht Tage nach der Vöglein Ableben recht über dem Herzen zersprang. Und da aber acht Tage um waren, sank Barbara hin wie eine bleiche Lilie, entschlief und erwachte nimmer. Und da nun zweimal acht Tage vorüber waren, starb eine Ordensschwester, welche Barbara geliebt hatte, und aber nach zwei Wochen wieder eine, und das so fort, bis ihrer zwanzig gestorben waren, und ward einer jeden Seele in eine weiße Taube verwandelt, die flogen Barbara nach in den Himmel. Barbaras irdische Hülle ruht in St. Jakobs Kirche auf dem Anger zu München.

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