889. Wimpfens Name

889. Wimpfens Name

Wimpfen auf dem Berge war vormals eine freie Reichsstadt am Neckar in heiterer Lage. Vor alters soll sie Cornelia geheißen haben, nach Julius Cäsars Gemahlin, soll aber schon zu Kaiser Valerius Probus Zeiten erbaut worden sein. Nachher aber, als Attila mit seinen Hunnen durch das Land gewütet, haben diese alle Männer der Stadt erschlagen und die Weiber gepeinigt und ihnen die Brüste abgeschnitten, und davon soll der Stadt der Name Wippin, Weib-Pein, geworden sein, und ward das also fest geglaubt, daß es selbst auf dem Rathaus in Versen auf einer Tafel geschrieben zu lesen stand:

Weibpein, jetzt Wimpfen, sonst gar sein
Mulierum poena zu Latein.

Nicht weit von Wimpfen auf dem Berge liegt das Städtchen Wimpfen im Tale. Hier erfocht Tilly seinen großen Sieg im Jahre 1622 gegen den Markgrafen Georg Friedrich von Baden, in welcher Schlacht die unsterblichen vierhundert Pforzheimer unter ihrem Bürgermeister Deimling den Opfertod für ihren geliebten Fürsten erlitten. Damals galt noch Treue.

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890. Grab der Jungfrau

890. Grab der Jungfrau

Unter der Burg Hornberg, die einstens auch dem braven Ritter Götz von Berlichingen gehörte und nun der Freiherren von Gemmingen-Guttenberg Eigentum ist, wird eine Felsengrotte gezeigt, in welche vorzeiten eine Jungfrau flüchtete, die von ihrer Stiefmutter hart gequält wurde. Sieben Jahre wohnte und lebte die Maid in dieser Grotte, und eine Hirschkuh war ihre Ernährerin, gleich jener der frommen Genofeva. Als die Jungfrau gestorben war, trug die treue Hinde sie nach dem Michaelskirchlein in der Nähe des Dörfchens Wolkenhausen und fand sie alldort ihr Begräbnis, zu dem geschahen dann Wallfahrten. Andere erzählen diese Sage anders. Ein Heidenjüngling liebte eine Christenjungfrau, und als es derselben nicht gelang, ihn für den Christenglauben zu gewinnen, flüchtete sie in die Einöde und beschloß in dieser Grotte ihr Leben in gottseliger Einsamkeit, wo eine Hinde sie ernährte und ein Hirsch sie trug. Sie schrieb ihr Geschick in die Rinden der Bäume, und als sie verblichen war, schaufelte ihr der Hirsch ein Grab. Nach einer Zeit verfolgte jener Heidenjüngling dieses edle Wild, und der Hirsch floh nach dem Grabe der Jungfrau. Da las der Jüngling an den Bäumen das Los seiner Geliebten, tat des Heidentums sich ab, erbaute sich, nachdem er sich taufen lassen, eine Einsiedlerzelle am Grabe der Jungfrau und diente ausschließlich dem Herrn mit Gebet und frommen Werken. Da er alt und schwach geworden, trat eines Abends ein Pilger zu ihm und bat um Aufnahme, welche der fromme Mann gern gewährte und dann sein Gebet fortsetzte. Da verwandelte sich der Pilger in die Gestalt Michaels, des heiligen Erzengels, und sprach: Du hast Satan überwunden gleich mir, gehe ein zum Reiche der Herrlichkeit und des Friedens! Und da küßte der Engel dem Alten das Leben von der Lippe. Danach wurde alldort die Sankt Michaels-Kirche begründet.

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891. Notburga

891. Notburga

Der vorstehenden Sage nahe verwandt ist die von der heiligen Notburga, der im Dörfchen Hochhausen eine Kapelle errichtet ward. Notburga war des Frankenkönigs Dagobert Tochter, der schirmte sein Reich gegen die Wenden und hatte Lager geschlagen auf dem Hornberg, andere sagen bei Mosbach. Da kam der Heidenführer Samo und warb um der Christenjungfrau Hand und gelobte, wenn er sie erhielt, sein Volk zurückzuführen. Da nun in des Heiden Begehren gewilligt ward, weigerte sich dennoch Notburga hartnäckig, die Seine zu werden, und als man sie auf das heftigste bedräuete, entwich sie und barg sich in eine Höhle am jenseitigen Ufer des Neckar. Eine Hirschkuh folgte ihr und ernährte sie, aber der Koch ihres Vaters folgte der Hinde und fand Notburgas Zufluchtsort und zeigte ihn ihrem Vater an. Dieser kam nun selbst und wollte mit Gewalt seine Tochter am Arme aus der Grotte ziehen, da blieb ihr Arm in seiner Hand, und entsetzt entwich Dagobert. Zu Notburga kam eine Schlange, die trug in ihrem Mund ein Heilkraut, das heilte Notburgas Wunde alsobald, und Dagobert zog von hinnen. Zu der heiligen Einsiedlerin aber wallte das Volk in Scharen, und sie lehrte ihm den Acker- und Weinbau und des Friedens sanfte Künste. Endlich starb Notburga, von der ganzen Gegend als Heilige verehrt, und vor ihrem Tode ordnete sie an, daß ihr Leichnam auf einem mit Stieren bespannten Wagen möge in das Feld geführt werden, wie auch Sankt Sebaldus getan und die heilige Stilla, und wo die Ochsen mit dem Leichenwagen stillestünden, da solle man sie begraben. Solches geschah, und ward an die Stätte das Kirchlein zu Hochhausen erbaut und Notburgas Steinbild in der Grotte aufgestellt, das hält in der rechten Hand die Schlange mit dem Heilkraut, der linke Arm fehlt, das Haupt schmückt eine Krone.

Den Jungfrauen selbiger Gegend muß eine absonderliche Neigung für Felsengrotten innegewohnt haben, wenn nicht eine und dieselbe Sage nur in mannigfaltiger Umwandlung sich wiedergebar, denn wieder geht die Sage von einer Tochter des Grafen von Hornberg, Minna, die einem Ritter namens Edelmut in heimlicher Minne sich zugesagt hatte und ihrem Elternhaus entfloh, um einer Verbindung mit einem andern Ritter, den sie nicht lieben konnte, auszuweichen, sodann mit einer vertrauten Dienerin in einem Nachen zur Nacht über den Neckar fuhr und sich in der Felsengrotte mit dieser sieben Jahre lang verbarg, bis die arme Minna in sehnsuchtvoller unbefriedigter Minne sich verzehrte, denn ihr Edelmut kämpfte im Heiligen Lande gegen die Sarazenen. Da er nun endlich heimkehrte und die Geliebte suchte, fand er nur die trauernde Dienerin noch am Leben und erbaute dann eine Burg, die er doppelsinnig Minneburg nannte.

Was aber die heilige Notburga betrifft, so geht die Sage von ihr auch in Tirol, im untern Inntale, auf dem Schlosse Rottenburg, dort soll sie als fromme Magd gedient haben, und als sie starb, trugen Engel die Seele in den Himmel. Auch dort zogen Ochsen ihre Leiche, und als sie über den Inn schritten, murmelten des Flusses sonst laut tobende Wellen nur ganz leise. Sie ruht alldort in der Kapelle des heiligen Ruprecht.

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892. Der Rabe auf Stolzeneck

892. Der Rabe auf Stolzeneck

Von der Burgtrümmer Stolzeneck gehen viele Sagen. Ein Ritter, der diese Burg besaß, zog in das Heilige Land zum Kampfe gegen die Ungläubigen und ließ unter dem Schutz einiger treuer Diener seine einzige Schwester, eine blühende Jungfrau, allein auf seiner Burg zurück, wo sie ruhig und friedsam ihre Tage verlebte. Da erschien nach mehr als einem Jahre auf Stolzeneck als Gast ein nachbarlicher Ritter, der verliebte sich heftig in das Fräulein und warb um ihre Hand, sie aber konnte ihn nicht lieben und wies ihn ab. Ihr Liebling und Zeitvertreib war ein zahmer Rabe, den sie aufgezogen hatte, der ihren Namen rief, und der auch immer um sie war. Es dauerte nicht lange, so kam der aufdringliche Freier wieder und drang aufs neue in das Fräulein, allein sie wies seine Werbung mit noch mehr Strenge ab als zuvor. Da schwur er ihr im heftigen Zorne die grimmigste Rache, und es währte nur kurze Frist, so berannte er die Burg, die bei weitem nicht genug bemannt war, um einem Angriff zu widerstehen, ließ alle Diener des Fräuleins ermorden, ja bis auf das Fräulein alles, was nur auf der Burg lebte, und mit Not entkam der Rabe, der schnell aus dem Fenster entflog, als der Wüterich sein Schwert nach ihm schwang. Das unglückliche Fräulein ließ der Ritter in den Turm werfen und schwur, daß sie darinnen verhungern und verdursten solle, wenn sie ihn nicht erhöre. Jeden Tag kam er vor das Gitter ihres Kerkers, das nach dem Burghof sah, und fragte, ob sie ihn nun erhören wolle. Allein, obschon er ihr weder Trank noch Speise reichen ließ, so lebte sie doch und war immer kräftig genug, ihm ein Nein hinaufzurufen. Das machte, der treue Rabe brachte ihr während der Nacht Beeren, Früchte und kleine Brote, die er und seine Brüder den Bäckern in der Nachbarschaft entführten, und das währte eine lange, lange Zeit, und da kehrte ihr Bruder von seinem Kreuzzuge wieder heim. Mit Schreck und Staunen fand er seine Burg offen, unbewacht, verödet, die Diener hinweg, die Schwester nicht zu finden, aber Schwärme von Raben auf den Bäumen und den verfallenden Dächern. Da traf, als er über den Burghof wandelte und ausrief: Schwester! o meine liebe Schwester! Wo soll ich dich finden? ein Klageton aus der Tiefe an sein Ohr, und er eilte an das Gitter und hörte das Entsetzliche, was sich begeben, aus seiner gefangenen Schwester Munde. Indem so kam der grausame und unmenschliche Freier dahergestürmt, der voll Wut einen Fremden am Gitter und seine Schandtat entdeckt sah, und wollte den Fremden durchbohren, aber da schrie des Fräuleins Rabe und flog ihm entgegen und hackte ihm nach den Augen, und ringsum schrieen die Raben und flogen herbei wie eine schwarze Wolke, und schlugen mit den Flügeln, und krallten sich an ihn an, und hackten ihm die Augen aus dem Kopfe, so daß er sinnverwirrt zu Boden stürzte, und der Ritter von Stolzeneck stieß ihm sein Schwert durch das Herz und befreite seine Schwester. – Hernach haben die Raben den Getöteten gefressen, und sein Gebein ist in ungeweihte Erde verscharrt worden. Das Bild des treuen Raben aber ward in Stein zum ewigen Gedächtnis ausgehauen und blieb in einem Bogen der Burg erhalten bis auf späte Zeiten.

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881. Unsere Frau zum Hasen

881. Unsere Frau zum Hasen

In der Kirche des Dorfes Thüngenthal stand auf einem Altar in einem kleinen Chörlein ein Muttergottesbild. Da geschah es, daß ein Herr von Limburg in der Gegend Hasen jagte und die Hunde einen Hasen auftrieben, der seinen Lauf schnurstracks in die Kirche nahm und mit einem Satz auf jenen Altar sprang, wo er am Gewände des Marienbildes angstvoll aufwärtsstrebte. Als der Herr von Limburg der Jagd nachfolgte, denn er hatte gesehen, wie auch seine Hunde dem Hasen nachsetzend in die Kirche gedrungen waren, fand er die Hunde vor dem Altar in ruhiger Stellung und ergriff das gehetzte Tier, das nun nicht weiterkonnte, mit der Hand, trug es auf den Kirchhof heraus, wehrte den Hunden, es zu verletzen oder ihm zu folgen, und sprach, indem er den Hasen in Freiheit setzte: Zeuch hin, lieber Has! Du hast Freiheit in der Kirche gesucht, die hast du funden, dieweil die Hunde dein Asyl geehrt, so will ich’s auch nicht verletzen. – Also lief der Hase davon, und kein Hund folgte ihm. Wie nun solches unter den gemeinen Mann kam, ward ein großes Zulaufen und Wallen, und man nannte die Kirche Unsere Frau zum Hasen, und von dem Opfer, so die Waller dahin gaben, ward ein neuer Chor gebaut und ein steinern Madonnenbild errichtet, an dem ein Hase emporstrebt, zum ewigen Gedächtnis.

Es sind dazumalen der Wallfahrten immer mehr worden. Auf dem Berge der ehemaligen Burg Flügelau fand ein Hirte im Stamm einer großen hohlen Buche angesammeltes Wasser, das war zur Zeit, als die Heilbronner Wallfahrt sich auftat, und glaubte aus Einfalt, es sei in der Buche eine Wasserquelle, schrie das aus und pries das Wasser als heilsam für blöde Augen; das ward ihm gleich geglaubt, und lief das Volk in Scharen hinauf zur Buche und wollte sich seine Blindheit wegwaschen und opferte viel Geld, und da der Hirte sah, daß das Wasser zu Ende ging und keins nachquoll, so tat er wie Sankt Mattheis nach dem Sprüchwort:

Sankt Mattheis
Bricht das Eis.
Findt er keins,
So macht er eins –

er sorgte täglich für frisches Wasser und stärkte statt der Augen die Verblendung, und siehe, es konnte bald von den zahlreichen Opfergaben eine herrliche Kirche erbaut werden und mit schönen Ornaten versehen, ja ein Pfründhaus und auch ein Wirtshaus, und ward eine Pfründe gestiftet, alles von dem Regenwasser im alten Buchenstock, und sähe man recht, wie mächtig Gott auch im Kleinen ist. Und ward dieser selbigen Wallfahrt nachgesagt, wann der Wirt der Gäste an manchem Feiertag allzuviele gehabt und die Zechleute nicht alle in seiner Behausung unterbringen können, habe er sie in die Kirche gesetzt, und sei die Kirche zur Taberne geworden. Als aber die Reformation kam, hat Markgraf Georg von Brandenburg die Wallfahrt abgestellt.

Wieder eine andere Wallfahrt entstand 1472 auf dem Einkorn, fast gleichzeitig mit jener zur Buche auf dem Burgberg, zu einer Eiche, ohngefähr eine halbe Meile hinter Comburg, dem berühmten Stift, im Rischachertale, wo sich der Fußpfad auf Oberrischach und Herzelbach scheidet. Da fand ein Schuhmacher, Siegmund Weinbrenner, in einem Bildhäuslein ein bleiern Amulett, wie man es den Wallern zu Vierzehnheiligen im Frankenlande gab, und verkündete dem Volke, daß er eine Erscheinung gehabt: es wollten an diesem Ort die vierzehn heiligen Nothelfer verehrt sein. Da wurde ein großer Zulauf, besonders zur Sommerszeit, weil Hall nahe lag, mit Speisesäcken und Flaschen, mehr großen Mahles als Wallens wegen; dennoch wurde eine bretterne Kapelle errichtet und darin Messe gelesen an tragbaren Altären. Weil aber über den Ortesbesitz zwischen Comburg und Limburg sich Streit erhob, zerging bald wieder Wallfahrt und Kapelle.

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882. Die drei seltsamen Heiligen

882. Die drei seltsamen Heiligen

Die vierzehn Nothelfer hatten einen dauerbaren Altar in der Wallfahrtkirche zu Enslingen, darin waren noch zwei andere Altäre, einer in die Ehre Sankt Guntheri Victoris, der andere dem heiligen Quirin geweiht. Den Bauern waren diese Heiligennamen schwer zu merken und zu nennen, sie nannten sie Sant Gunter, Bieter und Quitter, und die noch gröberen Verstandes waren, nannten sie die drei wunderlichen oder seltsamen Heiligen. Da nun 1497 eine Wallfahrt nach Enslingen entstand, fanden die Waller auf den Altären keine andere Bilderzier als drei kleine weiße Alabasterbildlein, dagegen eine große Tafel mit dem Bilde der vierzehn Nothelfer, und da achteten sie der ungeschmückten Altäre nicht, sondern opferten den vierzehn Nothelfern. Also wurden die drei seltsamen Heiligen unter die Bank geschoben und ihrer vergessen; nur im Sprüchwort leben sie noch fort, da man von einem, dessen Handlungsweise man sich so wenig klarmachen kann, als das Volk über jene Bilder sich klar war, zu sagen pflegt: Das ist ein wunderlicher oder ein seltsamer Heiliger. Nach der bäuerischen Empörung ward auch die Enslinger Wallfahrtkirche geschlossen und niemand mehr eingelassen. So erging es auch mit der berühmten Wallfahrt auf dem Wurmlinger Berge und andern mehr.

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883. Regiswindis

883. Regiswindis

Zwei Stunden von Heilbronn neckaraufwärts liegt die Stadt Lauffen, mit einem vormals berühmten Kloster. Der Name soll dem raschen Laufe des vorbeiströmenden Neckars entnommen sein. Im Jahr 814 empfing ein tapferer Ritter aus dem Nordgau des Namens Ernst den Grund und Boden zum Geschenk und gewann von seiner Gemahlin Frideburg ein Töchterlein, welchem man den Namen Regiswindis gab. Das Kind erhielt eine Amme, welche die Schwester eines der Dienstmannen des Ritter Ernst war, und das Unglück wollte, daß dieser Knecht einst wegen übler Aufführung von seinem Herrn sehr hart behandelt wurde. Da er nun seiner Schwester sein Leid klagte, wurde diese so von Zorn bewegt, daß sie an dem unschuldigen Kinde, ihrem Säugling, Rache zu nehmen beschloß, und die Gelegenheit wahrnehmend, daß ihre Herrschaft einen Ausflug machte, drehte sie dem Kinde das Hälschen um und warf es in den Neckar. Der Strom trug aber die kleine Regiswindis nicht von bannen, sondern setzte sie auf einem nahen Werder ab, und so wurde die Untat schnell offenbar; Ritter Ernst ließ die Amme in einen Turm am Neckar einmauern und darin verhungern, und der Papst sprach das ermordete Kind heilig. Der kleinsten aller Heiligen zu Ehren wurde nun eine Kirche erbaut, zu der so viele Wallfahrten geschahen, daß man sie Heiligreich oder Kirchreich nannte. Darin ward der silberne Sarg der Regiswindis hinter dem Altar in einem schönen Kenotaph aufgestellt und der Jahrtag der kleinen Heiligen am 15. Juli begangen, und es kam die Sitte auf, zur Erinnerung an jenes treulose Gesinde, an diesem Tage das Gesinde zu wechseln.

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884. Wasser- und Holzfrauen

884. Wasser- und Holzfrauen

Zu eines Herren von Hohenstein Schloß kamen zur Fastnachtfeier einige lustige Edelfrauen, die stellten nach dem Nachtmahl eine Mummerei an, gingen hinüber in das Schloß Neuenbronn über der Bieber, tanzten daselbst und gingen dann hinab zur Mühle unter dem Schloß in das Haus, wo die Bauernmädchen ihre Fastnacht hielten, willens, sich in deren Tanz zu mischen. Da aber die Bauernmaidlein selbige verputzte Weiber mit spitzen Kapuzenhüllen erblickten, rannten sie mit Geschrei aus der Stube, und jene gingen ganz still wieder nach Schloß Hohenstein. Am andern Morgen war ein lautes Geschrei im Dorfe, daß Wasserfrauen aus der Bieber zu der Maidlein Tanz gekommen, und da letztere aus der Stube geflohen, seien jene wieder an die Bieber gegangen, mit einem Plumper unter das Wasser gefallen, daß man es platschen gehört, und unterm Wasser verschwunden. Davon behielt der Tümpfel bei der Mühle den Namen Wasserfrauenstube bis auf den heutigen Tag.

Ebenmäßig hatten vorzeiten die Herren von Weinsberg das Gejäg auf dem Holz bei Winzenweiler nicht fern vom Städtlein Deildorf; da nun diese Weinsberger einmal an dem Ort eine Schweinehatz gehalten, nahmen sie ihre Frauenzimmer mit und entzündeten in einem Erdfall ein Feuer, um welches sich die Frauen der Wärme halber lagerten. Da kamen von ohngefähr zwei Hofbauern, die auf einsamen Höfen wohnten, durch den Wald, sahen die Frauen in ihren Bünden und in der von den Bauern nie gesehenen Tracht, waren zum Tod erschrocken, schlichen sich ängstlich abseits und brachten bei ihren Leuten das Geschrei aus, daß sie Waldfrauen erblickt. So stark war beim Volke der feste Glaube an die deutschmythische Dämonenwelt. Und heißt jener Ort, der samt dem Holze später an das Stift Comburg kam, noch bis heute die Holzfrauenstube.

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885. Das Feuer der Hexe

885. Das Feuer der Hexe

Eine Witwe im Ries im Bayerlande hatte einen Sohn, der war ein Einspänniger, der fuhr auf der Straße und ernährte damit seine alte Mutter, da geschah es, daß er von einem Herrn von Hohenstein gefangen und geschätzt wurde, und seine Mutter mußte ihn auslösen. Solches begab sich auch zum zweitenmal, und die Mutter opferte all ihr Hab und Gut und löste den Sohn wieder aus. Da nun der Sohn zum dritten Male ergriffen und auf das Schloß geschleppt und in den Turm geworfen worden, vermochte die arme alte Witwe nicht noch einmal den Sohn zu lösen, denn sie war durch die vorigen beiden Schätzungen ganz verarmt. Und obschon sie sich mit flehendsten Bitten an den Ritter wandte, so schlug doch deren keine an, da sprach die Frau zu dem Herrn von Hohenstein: Ihr habt mich zu einer Bettlerin gemacht! Und nun wollt Ihr mir meinen Sohn im Turm verfaulen lassen! Aber ich schwöre Euch, ehe noch mein Sohn verfault, sollt Ihr verdorren! – Der Ritter lachte der törichten Drohung, gab der Alten einen Fußtritt und ließ sie ziehen. Die Alte aber, welche eine Hexe war, machte daheim unter Zauberformeln ein Bildnis, das setzte sie in einen Hafen und rückte den zum Feuer. Am andern Morgen nach dem Frühmahl stand der Herr von Hohenstein bei einigen Edelleuten, die ihn besuchten, auf der Brücke und unterhielt sich mit ihnen, plötzlich aber begann er aufzuschreien: Au! au! Das brennt, das brennt! – und krümmte sich und schrie: Feuer! Feuer in meinem Eingeweid! Hu, die alte Hexe verbrennt mich! Sattelt, sattelt mein Pferd! – und ächzte und stöhnte und warf sich auf das vorgeführte Pferd, sprengte nach Comburg in das Kloster, ließ sich mit den Sterbesakramenten versehen und war am andern Tage am innern Brand Todes verblichen. Er liegt zu Comburg begraben im Gang vor dem alten Kapitelhaus. Soll der letzte Hohensteiner gewesen sein und hätte sein Namensvetter auf dem Harz, der letzte Graf von Hohenstein, Lor und Klettenberg, nicht mit ihm getauscht, derselbe, dessen Grabmal dem des biedern Ritters Götz von Berlichingen so ähnlich sieht.

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886. Götzens Turm

886. Götzens Turm

In der alten Stadt Heilbronn, der vor grauen Zeiten schon die heilsamen Wasserquellen ihren Namen verliehen, die Kaiser Karl der Große selbst entdeckt, und welcher Name als Heilicobrunn schon im neunten Jahrhundert einer Königspfalz allda zuteil ward, deren Grundbau in einem Haus am Markt noch erkenntlich sein soll, ist der schönste Brunnen in der St. Kilianskirche, und unterm Hochaltar hört man noch den Siebenrohrbrunnen rauschen, dessen Röhren längst versiegten; am hohen Kirchturm aber ist gar wunderlich und phantastisch Bildwerk in Stein gehauen, Menschen, die im Schatten ihres einen großen Fußes ruhen, Menschen mit Augen auf der Brust, ohne Kopf und sonstiges abenteuerliches Gebilde mehr.

Dort zu Heilbronn steht an der Mauer, hart am Zwinger, ein viereckiger Turm, der heißt Götzens Turm, darum, weil der biedere Ritter Götz von Berlichingen etliche Zeit darinnen gefangengehalten wurde, und dieses wieder darum, weil er treulich zu seinem Herzog Ulrich hielt, den seine Untertanen genötigt hatten, landflüchtig zu werden, aber von dem Schwäbischen Bunde zu Möckmühl gefangengenommen und dann in der Herberge zu Heilbronn verstrickt worden war. Da sollte Götz dem Bunde Urfehde schwören, das heißt, schwören und geloben, gegen ihn nicht Waffen zu tragen, erlittene Unbill und Verstrickung nimmer zu rächen, das Land zu meiden, aller Orten und Ende aber auf jede an ihn ergehende Vorladung des Bundes sich zur Haft und zu Verhör zu stellen, solches alles hatte eine Urfehde auf sich, die jeder, der sie beschwur, noch dazu mit seinem adeligen Wappen untersiegeln mußte. Götz tat’s aber nicht, schlug das Begehren stracks ab und sagte: Da will ich eher ein Jahr im Turme liegen. – Da schickten sie die Weinschröter, die sollten Götzen anfassen, und da zog Götz vom Leder und zuckte seine Wehr, die ihm gelassen war, da schnappten die Küfer wieder hinter sich und baten, nur die Klinge wieder einzustecken, sie wollten ihn nicht weiter führen als auf das Rathaus. Vom Rathaus aber ward er doch in den Turm geführt und mußt‘ eine Nacht darin liegen, vom Pfingstabend bis auf den Pfingsttagmorgen. Danach kam ihm Hülfe von seinen Gefreunden, Herrn Franziskus von Sickingen und Georg von Frundsberg, die erwirkten ihm ehrliche Haft, die währte bis ins vierte Jahr, da löste er sich mit zweitausend Goldgulden. War noch lange nicht so viel Lösegeld, als der biedere Götz dem Grafen Philipp II. zu Waldeck abnahm, da er ihm unterhalb der Wetterburg aufgelauert hatte und die Raubwölfe seine lieben Gesellen nannte.

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