251. Der Schloßberg bei Kreuzburg

251. Der Schloßberg bei Kreuzburg

Über Kreuzburg hat vorzeiten ein Schloß der Deutschherren gestanden, davon sieht man noch Trümmer, und es ist auf dem Berge nicht geheuer. Eine weiße Jungfrau wandelt auch dort und hofft auf Erlösung, wie die Sage an so viele Schloßberge und Trümmerburgen knüpft. Unter den Trümmern ruhen noch viele verborgene Schätze. Spielenden armen Kindern, welche zufällig in eines der halbverfallenen Kellergewölbe gerieten, erschien die weiße Jungfrau und füllte ihnen die Mützen mit Gold. Jubelnd brachten sie die Gabe nach Hause, und die bedrängten Eltern waren glücklich. Andere neideten diesen ihre Begabung, sie durchkrochen alle Gewölbe, es erschienen ihnen aber nur Kröten und Unken und keine gabenspendende Jungfrau. Eines Abends hatten die Schuhmacher ihren Jahrestag gefeiert und sich tüchtig bezecht. Da meinten zwei Gesellen, es wäre doch schön, wenn sie die Jungfrau im Schloßberg aufsuchten, Mut hätten sie dazu, und torkelten in der Nacht den Berg hinaus. Sie sahen auch die Jungfrau in der Tat sitzen, das Kleid derselben kam ihnen ganz blümerant vor, vor sich hatte sie eine Braupfanne voll Gold und in der Hand eine silberne Kelle. Die Schustergesellen boten ihr einen recht schönen guten Abend und baten um einen Zehrpfennig. Da winkte ihnen die Jungfrau, ihre Schurzfelle aufzuhalten, und da strich sie mit der Kelle das gehäufte Gold von der Braupfanne in die Schurzfelle. Sie hatten ganz schwer an der Last zu tragen. Mit Neugier erwarteten die Meister und Gesellen auf der Herberge ihre kecken Kumpane. Endlich kamen sie und jubelten, obschon ihre Köpfe schwerer und ihre Schurzfelle immer leichter geworden waren. Jetzt schütteten sie den Schatz auf den Tisch – 0 pfui alle Teufel – was war das für Gold? Gelbe Molche, grüne Frösche, braune Kröten, faules Holz. Und das Ungeziefer kroch umher und hüpfte gar in das Putziger Bier und in das Danziger Goldwasser, daß es ein Ekel war. Da sind die beiden Gesellen furchtbar durchgebleuet worden, denn das Handwerk hielt es für einen Schimpf und Schabernack, den die beiden ihm hätten antun wollen.

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252. Die Ritter und die Nonnen

252. Die Ritter und die Nonnen

Zu Kreuzburg stand vorzeiten ein uraltes Rathaus auf dem alten Markt, da ward in jeder Neumondmitternacht ein sonderer Spuk erblickt. Vom Schloßberg herab auf dem sogenannten Kirchenweg kam ein Zug von vier offenen uraltväterischen Wagen, jeder mit vier Pferden bespannt, die ersten beiden mit Schimmeln, die andern beiden mit Rappen. Ruhig gingen die Schimmel, unruhig die Rappen; diese bäumten sich und schnaubten Feuerfunken aus den Nüstern.

In den vordern Wagen saßen, je zu sechs, zwölf Nonnen im weißen Ordenshabit mit Skapulier und Rosenkranz, aber ohne Kopf, in den folgenden Wagen zwölf geharnischte Ritter, jeder hielt seinen Helm im Arm, und im Helm steckte auch gleich sein Kopf. In lautloser Stille umkreiste dieser Zug dreimal den Markt, es schallte kein Hufschlag, es ward kein Räderrollen gehört. Der Kutscher der Nonnen war ein weißes Lamm, jener der Ritter ein schwarzer Ziegenbock. Endlich ging der Zug in das alte Rathaus hinein, und drinnen erschallte wilde Musik und wurden Stimmen der Ritter und Nonnen vernommen, laut und brausend und fein und süß, wie Trinklieder und melodische Hymnen durcheinander, wie dort im verwünschten Kloster bei Niederlahnstein am Rhein. Mit dem ersten Glockenschlage der Mitternachtsstunde kamen die Wagen mit ihren Insassen wieder aus dem Rathaus hervor, zogen wieder dreimal um den Markt und fuhren aber nicht die Kirchenstraße zurück, sondern zur Schloßstraße hinaus, und war nur noch das graulich und verwunderlich anzusehen, daß auf den Leibern der Ritter die Nonnenhäupter und auf denen der Nonnen die behelmten Häupter der Ritter saßen.

Als im Jahre 1818 der Markt samt dem alten Rathaus abbrannte bis auf ein einzelnes altes Gebäu, sind die Ritter und Nonnen, aber jedes mit seinem eigenen Kopf auf richtiger Stelle, erschienen, haben über Schutt und rauchende Trümmer neunmal den Markt umzogen und ihr nächtliches Fest in dem einzelnen alten Hause gehalten, doch minder wild und laut, es hat eher geklungen wie Orgelton und fromme Choräle. Beim Neubau des Marktes mußte auch jenes alte beschädigte Haus abgetragen werden, damit der neue Markt größern Raum gewinne, und in der ersten Neumondnacht, nachdem dies geschehen, ward über seiner Stätte gar eine sanfte und liebliche Musik vernommen und ein wonnevoller Gesang: Gloria sit patri, filio et spiritui sancto! Und damit haben die Ritter und Nonnen Abschied genommen und sind eingegangen zur ewigen Ruhe.

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253. Bartensteiner Bartel

253. Bartensteiner Bartel

Bei der Stadt Bartenstein fließt die Alle, die ihre sanfte Strömung nach Königsberg lenkt. Dicht über dem Fluß in der Stadtnähe ist ein Hügel, der eine Burgtrümmer trägt und einen kolossalen Granitblock, der einer menschlichen Figur nicht unähnlich sieht. Die Burg auf dem Hügel war der Sitz eines ehemaligen Herrschers in diesem Lande, Barto geheißen; ein Zauberfluch ließ seine Burg in die Tiefe versinken und den Barto versteinert zutage bleiben. Das Volk nennt den Stein den Bartel, und nach ihm soll die Stadt am Fuße des Hügels heißen. Im Berge sollen noch große Schätze verborgen ruhen, und ein Gang, der unter der Alle hinwegführt, soll in der Kirche eines Nachbardorfes ausmünden, man weiß aber nicht, in welche. Im nahen Bartelsdorf möchte das wohl am ersten sein, wenn es eine Kirche hat.

Ein anderer menschengestaltähnlicher Stein ward früher in der Johanniskirche zu Bartenstein aufbewahrt, jetzt steht er im Rektoratgarten. Ein Bürgermädchen – die Sage nennt sogar dessen Namen, Guste Balde – sollte auf Geheiß der Mutter zur Messe gehen, aber der eitlen Dirne waren ihre Kleider nicht schön genug, und sie weigerte sich gegen ihre Mutter des frommen Ganges. Da rief die Mutter voll Zorn: Ei, daß du zu Stein würdest, du putzsüchtige Närrin! – und darüber stand die Tochter ganz versteinert und blieb ein Stein bis auf den heutigen Tag.

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254. Miligedo

254. Miligedo

Auf dem Schlosse zum Bartenstein saßen die Kreuzherren mit vierhundert Wappnern, und die heidnischen Preußen hielten das Schloß rings umlagert. Ihr Führer hieß Mattingo. Unter der Besatzung des Schlosses war ein starker Riese, der hieß Miligedo, war zuvor ein Heide gewesen, hatte sich aber bekehrt und war als Kämpfer in den Marienorden getreten. Die Heiden fürchteten ihn sehr, denn er war schier unüberwindlich; da sie ihn nun viel lieber unter den Toten als unter den Lebenden sehen wollten, so machten sie einen Anschlag gegen ihn. Ein rüstiger Kämpe mußte Miligedo zum Zweikampfe herausfordern. Miligedo erschien ganz allein und ohne weitere Waffen als eine Keule, aber die war nicht leicht, ihr Knopf war voll Blei gegossen. Jetzt rückte der Kampfgeselle gegen ihn an, gut versteckt aber lauerten noch zwanzig Preußen in einem ganz nahen Hinterhalt. Miligedo begrüßte seinen Gegner mit einem Hauptstreich, er schlug ihm nämlich den Helm gleich in die Hirnschale hinein, daß er tot zusammenstürzte. Da brachen die zwanzig versteckten Feinde hervor und fielen ihn an wie eine Meute Hunde einen Edelhirsch. Miligedo aber wirbelte mit seiner Keule im Kreise herum, und wo die hintraf, wuchs kein Gras. Es dauerte gar nicht lange, so lagen fünfzehn im Sande, und Miligedo hatte noch keine Wunde. Die übrigen entflohen, und Miligedo ging geruhig auf das Schloß Bartenstein zurück.

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245. Der blaue Ärmel

245. Der blaue Ärmel

In der Rudauschen Schlacht ging es hart her und brachte der Feind die deutschen Ordensritter schier zum Weichen. Der Fahnenträger fiel und mit ihm das Banner, aber da trat ein tapferer Gesell hinzu, ergriff das Banner und schwang es freudig. Das war ein Schustergeselle, genannt Hans von Sagan, und war der Sohn eines Bürgers im Kneiphof, jenem Teil der alten Stadt Königsberg, den der Hochmeister Winrich von Kniprode erbaut. Da sammelten sich die schon Fliehenden und die Zerstreuten allzumal wieder um das frisch aufgerichtete Banner, stritten mannlich gegen den Feind, gewannen die Schlacht und behaupteten das Feld. Hans von Sagan aber, der Kneiphofer, trug einen blauen Ärmel. Als die Schlacht völlig gewonnen war, gebot der Hochmeister, der wohl fühlte, wieviel der Orden dem tapfern und mutigen Gesellen danke, daß Hans sich eine Gnade vom Orden ausbitten möge. Da bat Hans, den Kneiphöfern alljährlich am Himmelfahrtstage ein Gastmahl zu geben auf des Ordens Kosten. Dieses wurde ihm gewährt, und hat hernach solches Bankett den Namen das Schmeckbier empfangen. Aber der Hochmeister tat noch mehr, er verlieh dem Kneiphof einen blauen Arm ins Wappen, dessen Hand eine Krone hält zum Andenken, daß Hans von Sagan dem Orden gleichsam die Krone und Herrschaft in jener bedrohlichen Schlacht gehalten habe.

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246. Die zwölf Johannes

246. Die zwölf Johannes

In Königsberg waren ihrer Zwölfe, die hießen allesamt Johannes, und hatten die gemeine Rede vernommen, daß einem, der Johannes heiße, der Teufel nichts anhaben könne, der täuschte sie mächtiglich. Denn da sich nun diese zwölf Gesellen zusammengetan, den Teufel zu berufen, ihm ihre Armut zu klagen und sich von ihm reich machen zu lassen, so gingen sie alle zusammen hinaus auf den Glappenberg, der jetzt der Rollberg heißt, zogen einen Kreis, stellten sich hinein und begannen den Teufel zu beschwören. Sie wünschten sich vornehmlich jeder einen Schilling, der stets Geld heckte, und war ihr Glaube, der Teufel bringe dreizehn Schillinge solchen Beschwörern dargetragen; einer davon gehöre ihm, und wer nun durch Los oder Unglück den Teufelsschilling empfange, dessen Seele verfalle beim Tode dem Teufel, die andern Eilfe aber gingen frei aus. Da nun aber, so rechneten die Beschwörer, der Teufel ihrer keinem etwas anhaben könne, weil sie alle Johannes hießen, so sei keine Gefahr dabei, der Teufel müsse die Schillinge doch bringen und den Unglücksschilling für sich behalten, mit der Erlaubnis, sich selbst zu holen, wenn es ihm beliebe. – Es kam aber ganz anders. Der Teufel war nicht in freigebiger, brutpfennigspendender Laune. Er erschien, und zwar in mancherlei Weise, führte lange Gespräche mit seinen Beschwörern, und diese in allerhand Sprachen, und verwirrte ihre Sinne so ganz und gar, daß vier von ihnen niederstürzten und ihren Geist aufgaben, vier andere wurden ganz irrsinnig, und viere rannten von dannen und gelobten zur Buße ihrer Freveltat eine Wallfahrt nach St. Jakob in Compostell.

Das ist geschehen zu Königsberg unter der Regierung des Hochmeisters Hans von Tieffen, und wäre wohl nicht geschehen, wenn diesen zwölf Johannessen die alte thüringische Sage kund gewesen wäre von dem Frankenkönige, der ein Glücksschiff hatte, das alle Tage einmal die Welt umfuhr, und darauf zwölf Schüler waren, die auch alle Johannes hießen, von denen aber nahm sich alle Jahre der Teufel einen, und den letzten ließ er auf den Petersberg bei Erfurt fallen, der zuvor der Berbersberg hieß. Auch da hatte der Name Johannes, der noch heutiges Tages in der deutschen Christenheit und vornehmlich auf dem Lande so allverbreitet ist, seine Schirmkraft gegen den Bösen nicht bewährt.

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236. Die fliegenden Toten

236. Die fliegenden Toten

In der Stadt Ragnit sind zwei Kirchhöfe, einer für die deutsche, einer für die litauische Gemeinde, einer östlich, der andere südwestlich von der Stadt, doch liegen sie so, daß zwischen ihnen weder Haus noch Hecke, weder Baum noch Zaun noch Mauer steht. Und da begibt es sich besonders in Sturmnächten, daß die Toten beider Gemeinden, die einander im Leben gut kannten, sich gegenseitig besuchen und durch die Nacht zu Hunderten, ja zu Tausenden von einem Kirchhofe zum andern fliegen, gar nicht hoch über der Erde und in gerader Linie. Nicht jeder ist imstande, sie zu sehen, aber die in der Mitternachtstunde eines Sonntags Geborenen, die sehen den grauenhaften Totenflug. Und dem kann nichts widerstehen. Ein Fremder zog nach Ragnit, baute sich dort an mit einem hübschen und festen Haus am südlichen Stadtende, aber die erste Sturmnacht warf es über den Haufen, während einige alte, schon halb verfallene Häuser, die aber seitwärts standen, unversehrt blieben. Der Fremde ließ das Haus wieder aufrichten, und es ereignete sich ganz das nämliche. Da sagte ihm ein Mann, der in der Mitternachtstunde vom Sonnabend auf den Sonntag geboren war, daß sein Haus in der Linie des Weges der fliegenden Toten stehe, und zeigte ihm eine Scheuer in der gleichen Richtung, von der nur eine Dachspitze in diese Linie hineinragte, die stets und stets, sooft sie erneut worden, wieder abgerissen worden sei. Darauf rückte der Fremde sein Haus zur Seite und den fliegenden Toten aus dem Wege, und da steht es heute noch, ohne jemals wieder Schaden genommen zu haben.

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237. Die weiße Jungfrau der Bayerburg

237. Die weiße Jungfrau der Bayerburg

Als Herzog Heinrich von Bayern im Jahre 1337 dem Deutschen Orden mit starker Heeresmacht zu Hülfe zog, erbaute er eine Schutz- und Trutzburg dem alten Ordenshause Christmemel am Memelstrome gegenüber, die war gar groß und fest und wurde die Bayerburg genannt. Die sollte die ganze Gegend schirmen gegen das heidnische Litauen, und eine große Stadt mit dem Sitz eines Erzbischofs sollte sich um sie her begründen. Allein dem ward nicht also. Der Ordenshochmeister setzte einen Komtur in die Bayerburg und vierzig Ritter, die sollten sie behaupten und ein gottseliges Leben in der Burg führen. Solches führten sie aber mitnichten, sondern ein Leben voll Lust und Schlemmens, mit Trunk, Spiel und Buhlerei. Einstmals brachten sie eine edle christliche Jungfrau in ihre Gewalt, die sie zu ihren Sünden zu nötigen versuchten, allein die Jungfrau willigte nimmer ein und rief in ihrer Not den Herrn an, ihren Leiden und der Ritter Greuel ein Ende zu machen. Und da tat sich die Erde auf und verschlang die Burg, die Ritter und die Jungfrau. Ihr aber ward ob ihrer Reinheit willen vergönnt, als Schutzgeist der Gegend bisweilen sichtbarlich zu erscheinen. Sie warnt die Leute vor Bösem und erzeigt ihnen Gutes. Wo die Burg gestanden hatte, gähnte ein tiefer Schlund und Abgrund hinab, in diesen stürzte vor langer Zeit ein Kind, und die Eltern jammerten ratlos droben am Rande des Abgrundes, denn niemand traute sich hinabzusteigen. Da entstieg dem Abgrunde die weiße Jungfrau und hielt in ihren Armen das unversehrte Kind, gab es zurück und verschwand. So ist sie vielen hülfreich gewesen. Auch die Schätze der versunkenen Burg, die sie bewacht, würde sie gern verteilen, aber ein schwarzer Teufel wohnt mit ihr zugleich in der Tiefe, der wehrt es ihr. Einst wird die weiße Jungfrau den schwarzen Teufel überwinden und alle ihre Schätze im Lande austeilen.

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238. Schlacht im Nebel

238. Schlacht im Nebel

In den endlosen Kriegen des Deutschen Ordens gegen das litauische Heidenvolk geschah es im Jahre 1394, daß das Ordensheer bis zur Landeshauptstadt Wilna vorgedrungen war und diese Stadt belagerte. Den Belagerern die Zufuhr abzuschneiden, führte Großfürst Witoudt ein starkes Heer heran und schlug Lager. Die Zufuhr aber zu schützen, entsandte der Meister vier Banner, jedes von hundert Mannen, die stießen bei Redemynne auf die litauer Fürsten Witoudt und Karjebut von Sewerien mit ihrem großen Heer, doch lag noch ein Fließ oder Bruch zwischen den Ordenskriegern und den Litauern; um diesen zogen erstere, und da gewahrten sie, daß des Feindes Heer also groß war, daß zehn Feinde auf einen Christenreiter kamen. Dennoch wagten sie mutig den Angriff, und da ließ Gott aus dem Bruch einen dichten Nebel aufsteigen, daß die Litauer ihrer Gegner Kleinzahl nicht wahrnahmen, sondern meinten, der Hochmeister mit dem ganzen Ordensheer stehe gegen sie, und da die Kreuzritter so tapfer und heftig angriffen, so hielten die Litauer nicht stand, sondern flohen von allen Seiten nach allen Seiten. Und solange der Kampf währte, in welchem gar viele Heiden erschlagen wurden, vermochte kein Wind den Nebel zu zerteilen.

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23. Der Besserstein

23. Der Besserstein

Im Aargau, da, wo Reuß und Limmat in die Aar und die Aar in den Rhein fließen, liegt der Geißberg, der trägt auf seinem Gipfel die Trümmer einer Ritterburg. Ein Herr von Villigen baute die Burg auf das schönste und festeste, hatte seine Herzensfreude daran, gedachte in ihr glücklichen Alters froh zu werden und in Leutseligkeit und Güte seinen Untersassen ein treuer Vater zu sein. Fertig stand der Bau, und festlich sollte er eingeweiht werden. Des Bauherrn Söhne und alle Gefreundete rings im Gau waren versammelt, und die Humpen kreisten. Der Ritter von Villigen sprach zu den Söhnen: Da schaut nun, wie gut sich’s hier wohnen wird in der Pracht der Gegend, rund um uns her unsre fleißigen Leute und Mannen, mitten im Kreis der Dörfer unser stattliches Burghaus, fest gegen den Feind, offen dem Freund, den Bedrängten ein Schutz, den Dürftigen ein Hospitium! So wollt ich’s haben.

Ja, Vater, sprachen die Söhne, das ist traun eine wackre Trutzburg worden; da mag sich das nichtsnutzige Volk auflehnen oder nicht, wir zwingen es von hier aus, wir werden ihm den Fuß auf den Nacken setzen. Von hier aus können wir Zölle legen auf die Flüsse und den Rheinstrom, auf Wege und Stege. Der ganze Gau muß uns tributpflichtig werden, damit unser Gut sich mehre und unser Name ein gefürchteter sei im Rhein- und Schweizerlande. – Als der Herr von Villigen diese Rede seiner Söhne vernahm, war es ihm, als wolle sein Blut stocken und sein Herz brechen, und zürnend brach er aus: Entartete Söhne! So ist euer Sinn? Wartet, den will ich euch bessern! – Und warf seinen vollen Humpen zur Erde, daß er in tausend Scherben zerklirrte. Wie dieser Humpen zertrümmert liegt, so soll dieser stolze Bau, meine Lust und meine Freude, zertrümmert liegen! – Und berief seine Mannen, seine Untersassen, sein ganzes Volk, und hieß sie den neuen Bau abbrechen und verfluchte die Hand, die ihn wiederum zu bauen beginnen werde. Besser Stein, ein wüster Stein, als eine Zwingburg des Volkes und des Gaues, die Schimpf auf den edeln Namen derer von Villigen häuft! rief er – und seitdem liegt auf dem Geißenberge der öde Mauerrest und heißt allwege im Volke der Besserstein.

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