364. Die Geharnischten

364. Die Geharnischten

Zu Küstrin hat es sich am Bartholomäustage des Jahres 1555 begeben, daß man auf dem Markte mit einem Male zwei Geharnischte sah, und zwar geharnischt vom Kopf bis zum Fuße, die gingen miteinander Hand in Hand um den ganzen Markt, während droben am Himmel ein seltsames Wunderzeichen erblickt wurde. Da sahe man eine große Schlacht, hörte in der Luft großes Getümmel und jämmerliches Geschrei. Plötzlich vernahm man auch einen lauten wehklagenden Ruf der beiden Geharnischten, und so verschwanden sie vor aller Augen und ebenso das Luftgesicht einer Schlacht in den Wolken. Niemand wußte diese Zeichen zu deuten, und so sehr man auch von ihnen fürchtete und mannigfaches Unheil daraus prophezeite, so geschahe doch darauf nicht mehr und nicht minder, als was auf das Erscheinen der gespenstigen Mäher bei Berlin geschah, nämlich – nichts. Im darauffolgenden Jahre erschien zu Küstrin des Nachts am Himmel ein feuriges Chasma, und erzeugeten sich am Himmel unzählige Flammen, auch zwei flammende Säulen, und ward von oben eine Stimme gehört, welche schrie: Wehe, wehe der Christenheit! Wie in Berlin, so waren nach der Zeit auch zu Küstrin zwei verrufene Wetterhexen und boshafte Zaubersäcke, die schufen, als ein Pfarrer begraben ward, der öfter gegen ihren Unfug gepredigt, ein greuliches Unwetter mit Schloßen und Hagel, Donnern und Blitzen, daß die Menschen vermeinten, es komme der Jüngste Tag oder sei schon beihanden. Da man nun gegen die beiden alten Hexen Verdacht schöpfte, so wurden sie eingezogen, erst üblichermaßen gütlich und dann peinlich befragt und gestanden dann, sie hätten allerdings das Ungewitter hervorgerufen, damit der Wahn entstehe, der Pfarrer habe es mit dem Teufel gehalten, und seine Seele sei von diesem geholt worden. Darauf wurden sie gerechtfertigt, will sagen: verbrannt. –

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365. Die Adamstänzer

365. Die Adamstänzer

In der Mark, in Thüringen, auch sonst in Deutschland, in Böhmen und in Holland erhob sich zu einer Zeit eine Sekte von Leuten, die gingen unbekleidet einher, weil der Urvater Adam auch keine Kleider gehabt, trieben allerlei seltsame Bräuche, andern Christen zum Ärgernis, sich selbst zur Schande, und nannten sich Adamiten. Sie führten auch Tänze auf, bei denen sie splitternackt einhersprangen. Eine solche Gesellschaft war auch im Dorfe Virchow in der Neumark, die nahm zwei Fiedler und zwei Bierschenken mit, sie selbst waren sieben Paare, und Schenken und Fiedler mußten auch also nackend mitlaufen. Und der Tag, an welchem sie es taten, war der heilige Pfingsttag, derselbe, an welchem der Herr auch die gottlosen Tänzer von Kolbeck strafte. Da huben die Adamstänzer und Tänzerinnen auf einem Plan vor dem Dorfe ihren gottlosen Reigen an, wild und sündlich und schändlich, aber als sie zum dritten Male antraten, geschahe ein Blitz und ein Donnerschlag bei hellem Himmel, und der helle Himmel wurde plötzlich schwarz wie die Nacht, und den Tänzern und Tänzerinnen erstarrte vor Schreck das Blut in den Adern, und diese Erstarrung mehrte sich, und keiner regte mehr ein Glied, weder die Adamstänzer, noch die Schenken, noch die Fiedler. Sie waren allzumal zu nackten Steinen geworden und müssen also stehen von Jahrhundert zu Jahrhundert, und nur ganz langsam sinken sie allmählich ein. Jetzt sind sie immer noch zwei bis dritthalb Fuß hoch, die Schenken in der Mitte des Kreises sind noch zwei Ellen hoch. An den Spielleuten, die außerhalb des Kreises stehen, erkennt man noch die Fiedeln. Das Volk nennt sie noch heute den Steintanz oder die Adamstänzer.

In Amerika gibt es noch bis heute eine zahlreiche Sekte, die Gott durch Tanzen und Narrensprünge zu ehren vermeint wie einst die Adamiten.

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366. Die Strohbrücke

366. Die Strohbrücke

Mancher sah wohl schon ein Holzgebild oder ein Porzellanfigürchen, darstellend einen jungen Mönch, der eine Schütte Stroh auf dem Rücken trägt, und in der Schütte Stroh gucken schelmisch oben ein Köpfchen und unten ein Paar Füßchen heraus, die beide keinem Männlein angehören – und keiner dachte wohl dabei daran, daß diesem Gebild eine Sage zum Grunde liegt.

In der Uckermark lag ein Kloster des Namens Himmelspforten, nahe dabei zwei Seen, Modernitz und Sidow genannt, welche miteinander durch einen Wasserarm verbunden sind, von einem Steg überbrückt, über den der Weg von Himmelpforten nach dem Dorfe Lichen geht. Da hatte nun vorlängst, als im Kloster Himmelpforten noch Mönche waren, ein Mönch im Dorfe Lichen ein Liebchen, das mochte er wohl für seine wahre irdische Himmelpforte halten, die ihm den Weg in den Himmel aufschließen sollte. Ward daher mit sich und dem Liebchen einig, es in eine Schütte Stroh zu verpacken und huckepack in das Kloster zu tragen. Die Sache machte sich ganz vortrefflich, nur war die Schütte Stroh etwas schwerer, als sonst eine solche zu sein pflegt. Aber wenn Unglück sein Spiel haben soll, bricht einer den Arm im Bette; dort auf der Brücke stand der gestrenge Abt von Himmelpforten und ward des Strohträgers ansichtig und erwartete ihn. Da begann das Mönchlein zu schwitzen, teils von der Last, die es trug, noch mehr aber vor Angst, und grüßete den Abt mit frommem Gruß demütiglich. Was trägst du denn, mein Sohn? fragte der Abt. – Eine Schütte Stroh, hochwürdigster Vater Gnaden, antwortete bebend das Mönchlein. – Wo hast du denn die bekommen? – Drüben in Lichen, hochwürdigster Vater Gnaden! – Aber ich sehe mein Sohn, sie wird dir zu schwer, komm, ich will sie dir abnehmen! – O nein, hochwürdigster Vater Gnaden, das würde sich für Euch nicht schicken. – O doch, mein Sohn, wir sind ja Brüder, und es stehet geschrieben: Einer trage des andern Last. – Da nun der geängstigte junge Mönch sich nicht mehr zu helfen wußte, so lösete er das Trageband und ließ die Schütte auf den Boden gleiten, und wie die Füßchen den Boden spürten, siehe, da lief die Schütte, was sie laufen konnte, von der Brücke herunter und wieder nach Lichen zu. Der Abt aber schlug ein Kreuz und rief: Apage Satana! Was ist dies für ein Zeichen? – Der Mönch fiel dem Abt zu Füßen und rief: Verzeihung, hochwürdigster Vater Gnaden! Diese Schütte Stroh ward mir nicht geschenkt – ich hatte sie – genommen! – Da strafte der Abt den Mönch mildiglich und warnte ihn, solche grobe Sünde nie wieder zu begehen. Unter der Brücke saß ein Bäuerlein, das sah das Wunder, welches sich begeben, daß eine gestohlene Strohschütte lebendig wurde und dahin lief, woher sie genommen war, und brachte es unter die Leute. Seitdem wird jene Brücke zwischen Lichen und Himmelpforten die Strohbrücke genannt.

Ähnliches wird von einem jungen Mönch aus einem Kloster des Harzes erzählt.

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367. Die Geldfresserin

367. Die Geldfresserin

Zu Frankfurt an der Oder hat sich im Jahre 1536 eine verwunderliche Geschichte zugetragen. Eines Mannes, Marx Fischers, Tochter Gertrud diente zu Lebus als Magd; die war eine Teufelsbuhle, und ihr höllischer Galan besuchte sie als ein stattlicher Kriegsmann. Sie wurde aber ganz und gar von ihm besessen und offenbarte bald genug, daß es ein Geldteufel war, der in ihr stak. Wohin sie griff, an Wände, Tische, Bänke, an der Leute Röcke, Ärmel, Barette, stets berappte sie Geld, oft eine ganze Handvoll, Groschen und Pfennige, Silber und Kupfer, wie es gang und gäbe war im Lande, und das führte sie dann alsbald zum Munde und zerbiß es, kaute es und verschlang es. Da ward sie von Lebus nach Frankfurt, ihrer Heimat, zurückgebracht, ihr mit Beten zu helfen, und auch alldort trieb sie das seltsamliche Geldessen fort. Sie verspeiste auch Nähnadeln und Stecknadeln und redete mit einem Male hochdeutsch, da sie doch vorher nur stets den landüblichen Dialekt gesprochen. Da ward ein Exorzist verschrieben, der sollte ihr den Teufel austreiben, allein weder Weihwasser noch Geißel, weder Gebet noch Formel half. Nur erst, als Herr Andreas Ebert aus Grüneberg in Schlesien sich fragend über diesen verzweifelten Fall an Doktor Luther nach Wittenberg wandte und auf dessen Anraten die Besessene in seine Predigten führen ließ und mit der ganzen Gemeinde für die Geldfresserin betete, wich der Teufel, aus Respekt vor dem Grüneberger, aus ihr, doch nicht ohne Geplärr und Rumor in der Kirche, und endlich wußte die arme Magd nicht, wie ihr geschehen war, und hat, ohne je wieder eine Anfechtung zu erleiden, noch viele Jahre nachher frisch und gesund zu Frankfurt an der Oder gedient.

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360. Die weiße Frau

360. Die weiße Frau

Es ist eine allgemeine Sage, daß, gleich wie in andern Fürstenschlössern, auch im Königsschlosse zu Berlin eine weiße Frau umwandle, welche sich sichtbar zeige bei bevorstehenden wichtigen Ereignissen, namentlich bei Sterbefällen. Zahllos sind die Anführungen solcher Fälle, vor denen sie erschienen sein soll, aber schwankend und ungewiß sind die Angaben und Annahmen, wen auf Erden dieser ruhelose Geist beseelt, wer in solcher Tracht, altväterisch, grabsteinähnlich, das Haupt mit einem Matronenschleier bedeckt, starren, steifen Gewandes, im Leben umgewandelt. Spinnwebfarben ist ihr Gesicht, Moderduft ist ihr Parfüm, Grauen weht eisig vor ihr her, und Odemstocken folgt ihrem Verschwinden. Gar viele hohe Personen nennt die Sage, denen sie soll erschienen sein, bald in Zimmern, bald auf den Gängen, bald am hellen Tage, bald im Zwielicht, bald in tiefer Nacht. Einige nennen sie die Ahnfrau des königlichen Hauses, aber welche der Ahnfrauen soll es sein? Die erste Zollerin aus der Zeiten Frühe oder die erste Burggräfin von Nürnberg, Sophia? Elisabeth von Meran oder Margaretha von Kärnten? Die Hennebergerin Elisabeth, Johann II. Burggrafen von Nürnberg, des Reichsfürsten, oder die Sachsin Elisabeth, Friedrich V. Burggrafen von Nürnberg, Markgrafen zu Brandenburg erlauchte Gemahlin, oder die bayrische Elisabeth, Friedrich, des ersten Kurfürsten, hohe Vermählte? Niemand weiß es. Einige sagten und schrieben, daß jene Gräfin von Orlamünde es sei, die Albrecht der Schöne, Burggraf zu Nürnberg, geliebt haben soll, allein deren Geist ist gebannt an das alte Haus Plassenburg und kann nicht wohl im Schlosse zu Berlin umgehend gedacht werden. Wer sie auch sei und gewesen sei, so sei ihr Erscheinen stets das eines guten Geistes.

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361. Der starke Jochem

361. Der starke Jochem

Zu Kurfürst Georgs Zeiten lebte zu Berlin ein Edelmann, Joachim von Schapelow geheißen, sie nannten ihn nur kurzweg den starken Jochem wegen seiner ungeheuren Stärke. Niemand konnte ihn niederringen, obgleich er von Gestalt nichts weniger als ein Riese war. Da kam einmal ein fremder Fürst an den Berliner Hof, der hatte in seinem Gefolge einen ungemein großen und auch sehr starken Mann, den konnte auch keiner bezwingen, und der Fürst rühmte absonderlich dessen Stärke gegen den Kurfürsten, und daß seinesgleichen nicht zum zweiten Male gefunden werde. Hm, machte der Kurfürst, mein Schapelow nimmt’s am Ende doch mit deinem starken Hans auf! – und da wetteten die Fürsten miteinander um vier Eimer, das sind zwei Ohm, Wein, wessen Mann obsiege, der solle selbigen Wein gewonnen haben. Die Kämpfer traten auf den Plan, der große Ausländer und der kleine, aber kernfeste Märker. Der Kampf begann, und nach kurzem Ringen warf Schapelow seinen riesigen Gegner zu Boden, daß ihm die Rippen krachten, und als dieser wieder aufzustehen versuchte, ergriff ihn der starke Jochem, hielt ihm beide Hände eisenfest, packte ihn, trug ihn zum Fenster und wollte ihn hinauswerfen – was jedoch der Kurfürst verhinderte. Um nun den Schapelow für seine Anstrengung auch zu belohnen, so befahl er ihm, sich im Hofkeller seinen Lohn zu holen und sich so viel Wein zu nehmen, als er auf einmal herauftragen könne, der solle ihm eigen gehören. Das war dem starken Jochem sehr willkommen, er stieg hinab in den Keller, besah sich die Fässer und griff nicht blöde zu. Der Kurfürst und sein hoher Gast standen oben auf dem Söller nach dem Hofe und blickten hinab, da erschien der wackere Jochem unten auf der Kellertreppe. Er hatte drunten aus zwei Eimern die Spunde geschlagen, hatte einen vollen Eimer unter dem rechten, einen unter dem linken Arm, und an den Fingern, die er in die Spundlöcher gesteckt, trug er rechts einen Eimer und links auch einen Eimer, da sonst ein Mann an einem einzigen vollen halben Eimerfaß gerade genug zu tragen hat. Die Herren lachten über diese komische Erscheinung und bewunderten die gewaltige Kraft des Mannes, und der Kurfürst rief hinunter: Bist du des Teufels, Schapelow? Wenn du meinen Wettgewinn wegträgst, was trägt’s denn mir? – Ach Durchlaucht! rief Joachim von Schapelow hinauf, es trägt’s nicht aus.

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362. Das große Los

362. Das große Los

Zu Berlin war ein armer Schuhmacher, dem hing ein Jude statt baren Geldes für Stiefeln oder Schuhe ein Lotterielos auf; der Mann legte das Papier ins Fenster und hatte dessen keine Acht. Als der Sonntag kam, ging er mit seiner Frau spazieren, ließ aber aus Ursachen die Kinder daheim. Die Kinder hatten ihre Lust mit Pappen und Kleistern, und wie sie nach Papier umhersuchten, fanden sie auf dem Fensterbrett das Los. – Ach, ein Bild! so riefen sie, das muß hin – zu den andern Bildern – an die Stubentüre! – Gesagt, getan, das Los bekam auf seine minder schöne Rückseite eine merklich dicke Lage Mehlkleister und erhielt seine Stelle neben einem berühmten Kriegshelden, einer Kompanie Soldaten und sonstigen Dreier- oder Pfennigbildern, welche das Bilderquodlibet an der Stubentüre bereits bilden halfen. In der Woche tat der Schuhmacher einen Geschäftsgang, von diesem kam er ganz atemlos nach Hause, seine Augen glänzten – er stürzte nach dem Fenster, seine Hand streckte sich nach dem Papiere aus – es war fort. Wo – wo – wo ist das Los? Das Papier? Hier hab‘ ich’s hergelegt! Himmel tausend Donner – Frau und Kinder zitterten – der Schuster wurde wild – seine Hand erfaßte den Knieriem, es drohte ein schreckliches Gewitter – da faßte das jüngste Kind, ein Mägdlein mit schelmischen Augen, des Vaters Hand und sah ihn bittend und zitternd an und wies nach der Türe. Da klebte das Los, gut und sicher – aus dem Fenster hätt‘ es vielleicht ein Windstoß geweht. Goldkind! rief der Schuster, und hob das Kind empor, und küßte es, und ließ den Knieriem fallen. Aber das Los saß fest, herunter ging es nicht – der Versuch, mit Wasser es abzuweichen, hätte das dünne Papier jedenfalls vernichtet. Der glückliche Gewinner, denn das Los war als großes Los aus der Ziehung gekommen, faßte sich kurz, er hob die Türe aus den Angeln und trug sie huckepack auf das Rathaus, wo die Ziehung stattfand. Alles erstaunte, als das Los so groß und schwer hereinkam, doch da alles in Ordnung befunden ward, so mußte gleich dem Besitzer des glückhaften Loses die Türe zum Zählbrett dienen. Darauf hat selbiger Schuster in der Wallstraße zu Berlin ein hübsches Haus erbaut und über der Türe sich selbst abbilden lassen, wie er seine Stubentüre huckepack trägt, dem Helden Simson ähnlich, der gar ein Stadttor trug, dem aber ein schlechtes Los gefallen. Das Haus hat die Nummer 25.

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363. Der Blumenthal

363. Der Blumenthal

Zwischen Berlin und dem Oderbruch liegt ein weit ausgedehnter Wald, darin hat vor alten Zeiten eine Stadt gestanden, von der sich noch Spuren finden lassen, aber keine Sage, keine Chronik kündet von ihrem Ursprung, Bestehen und Vergehen. Nur übergroße und bemooste Trümmer zeigen noch alte Ummauerung, Straßen und Tore an, und zur Nacht tanzen Irrlichter über der längst verödeten Stätte. Blumenthal soll die Stadt geheißen haben, und manchesmal soll sie in besondern Nächten sich sichtbar zeigen voll ernster Schönheit, belebt von einem ernsten Volke. Man hat den Raum des alten verschollenen Blumenthal gemessen nach Länge und Breite; vier Tore führten hinein, die Hauptstraße hatte die Richtung nach Strausberg. Vier ummauerte Plätze trugen eine Kirche, ein Schloß, ein Rathaus und ein Kloster. Mitten in der Stadt ruhen drei mächtige Hünengräber. Man sagt, daß vor einigen hundert Jahren das Mauerwerk noch manneshoch über der Erde sichtbar gewesen, jetzt aber ist alles überraset und übergraset, und starke Baumstämme bedecken den Boden. Von dieser vormaligen Stadt Blumenthal hat der ganze weite Forst den Namen der Blumenthal empfangen.

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354. Schlangen vertrieben

354. Schlangen vertrieben

Um die Stadt Bernau, wie auch um die Stadt Prenzlau findet man, soweit in die Feldflur das Geläute einer gewissen Glocke schallt, keine einzige Schlange. In Prenzlau hat sie ein Mann hinweggebannt, her das Leben verwirkt hatte, und hat sich dadurch vom Tode errettet, in Bernau aber hat es mit der Schlangenvertreibung eine andere Bewandtnis. Es sollte eine Bürgerglocke gegossen werden, und nach dem Brauch ward ein Sammelumgang gehalten bei den Bürgern um allerlei Metall, und die Leute brachten dergleichen auch wohl selbst dargetragen. Da nun der Meister schon die Erze schmolz, kam ein altes Weib gegangen und sprach, sie habe kein Erz zu schenken, wolle aber doch etwas geben, das nicht zu verachten sei. Und da ließ sie eine Otter und eine Natter, die sie lebendig bei sich trug, in den schmelzenden Metallbrei hineinlaufen und sagte voraus, sobald die Glocke geläutet werde, würden sich alle Schlangen, von denen die Flur wimmle, fortbegeben. Und also geschah es auch. Es war, als ob die Schlangen erschreckten, als ob sie gleichen glühenden Tod fürchteten: soweit der Schall der Glocke drang, flohen sie entsetzt in entgegengesetzter Richtung von dannen. Nach einer langen Reihe von Jahren bekam die Glocke einen Sprung und konnte nicht mehr geläutet werden. Darauf sind die Schlangen in Haufen wiedergekommen. Da ließ der Rat im Jahre 1649 die Glocke umgießen, und siehe, als sie zum ersten Male wieder geläutet wurde, begaben sich alle Schlangen, schädliche und unschädliche, aufs neue auf die Flucht.

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355. Die stummen Frösche

355. Die stummen Frösche

Zu Schwante in der Nähe von Oranienburg ist der adelige Rittersitz der Familie von Redern. Die Gegend ringsum ist äußerst reich an Fröschen, weil in den nahen ausgedehnten Forsten der Sumpfstellen gar viele sind. Nun war zu einer Zeit ein Herr von Redern bedeutend erkrankt, und da die Frösche absonderlich zur Nachtzeit einen untümlichen Lärm mit ihrem Geschrei machten, so konnte der Kranke in keiner Nacht schlafen, und sein Zustand wurde immer schlimmer. Da kam eines Tages ein Armer in das Haus und bettelte. Die Edelfrau reichte ihm mit eigner Hand eine Gabe und weinte. Da fragte der Arme, warum sie denn weine, und sie sagte ihm, daß ihr Mann so krank läge, und daß es mit ihm nicht besser werden könne, weil das Froschgeschrei ihm keine Minute des Schlummers genießen lasse. Darauf sagte der Bettler: Wenn dem gnädigen Herrn damit, daß die Frösche schweigen, kann geholfen werden, dann soll ihm geholfen werden. Da ward ihm, wenn er solches Wunder bewirken könne, ein ganzer Sack voll Korn, so schwer er selbst ihn zu tragen vermöge, verheißen. Jetzt ging der Bettler aus dem Schlosse, umging es im weiten Umkreis, soweit nur eine Froschstimme schallen und gehört werden mochte, und brauchte seine geheime Kunst. Und siehe, da verstummte das laute Froschgeplärr und tat keiner wieder ein Maul auf, und der Edelmann bekam Schlaf und genas; und der Arme bekam seinen Sack voll Roggen und sagte im Scheiden: Auf hundert Jahre wird es gut tun, länger nicht – dann mögen andere sehen, was sie können.

Immer noch sind die Frösche zu Schwante stumm, was ihnen sehr störend ist, die hundert Jahre sind noch nicht vorüber, aber bald. Bisweilen fängt schon einer oder der andere an zu probieren, ob noch Stimme vorhanden, besinnt sich aber schnell, daß es noch nicht an der Zeit ist, und schweigt. Aber wenn die hundert Jahre herum sind, Himmel, was wird das für eine Lust und für ein Fest unter den Fröschen werden! Schwante, dann freue dich!

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