421. Des Bischofs Katze

421. Des Bischofs Katze

Es saß zu Merseburg ein Bischof des Namens Michael, der hielt eine Katze, mit der er sehr vertraut war; es war dieselbige aber keine gewöhnliche Katze, sondern ein Spiritus familiaris. Einstmals reiste Bischof Michael von Merseburg nach Leipzig, da kam er an einen Hügel, und auf diesem sah er einen ganzen Schwarm Katzen, was ihn baß verwunderte. Er ritt näher zu dieser Katzenvolksversammlung hin und rief: He, ihr Katzen! Seid ihr denn alle beisammen? – Da antwortete ihm eine der Katzen: Es fehlt keine, außer des Bischofs Michael von Merseburg Katze. – Wie der Bischof in seinen Palast zurückkehrte, sprach er zu seiner Katze: Höre du, da ich gen Leipzig ritt, sah ich auf einem Hügel am Weg einen ganzen Katzenkonvent und vernahm, daß du allein noch fehltest! Warum bist du nicht auch dabei gewesen? – Auf diese Rede pfauchte die Katze ganz abscheulich den Bischof an, tat einen Satz hinauf zum Fenster, fuhr hinaus durch die Luft und kam niemals wieder. Hernachmals ist in dasselbige Fenster ein Glasgemälde gekommen, darstellend den Bischof Michael und seine Katze, und jener Hügel ist der Katzenberg genannt worden.

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422. Der Thüringer und Sachsen Herkunft und Streiten

422. Der Thüringer und Sachsen Herkunft und Streiten

Alte Sagen gingen, ein Volksstamm sei von fernher, aus dem Ostland, auf zwölf Schiffen in die Gegend gekommen, darin heute Lübeck liegt. Dies Volk habe sich Petreoli, Kieselinge, genannt und die Thyrigeten, die in selber Gegend seßhaft waren, vertrieben. Deren Männer haben sich töricht zum Streite gestellt, und deshalb seien sie Törlinge genannt worden, sie selbst aber nannten das streitbare Volk, das sie von seinen Wohnsitzen wegtrieb, Saxen. Da habe ein Saxenjüngling um güldne Hals- und Armringe, die er trug nach der Sitte der Urzeitvölker, eine Handvoll Erde von einem Törling gekauft, und der habe aus Gutheit ihm den ganzen Schoß mit seiner Erde gefüllt und des klugen Handels sich erfreut – jener aber die Erde zu seinem Volk getragen, und da sei sie fein gerieben und damit ein großes Gebiet umsäet worden. Und so besetzten und besaßen die Saxen das Land der Törlinge, und bebauten es, und trieben jene Ureinwohner über den Harz hinüber, und setzten sich fest an der Unstrut bis zur Saale und bis zur Elbe und bis zur Werra, wo sie das heutige Eichsfeld umfließt, und die Döringer wichen zurück weiter westwärts und besaßen immer noch ein schönes und reiches Land, das durch acht Worte, die mit W stabten, sonderlich genannt und bekannt ward. Diese acht Worte und Wohllaute waren: Wiesen und Weiden, Wässer und Wälder, Waid und Wein, Wolle und Weizen. Insonderheit war die güldne Aue, darinnen heute die Städte und Orte Frankenhausen und Sangerhausen, Heldrungen und Gehofen, auch Allstedt und Wallhausen und Tilleda, die alten Kaiserpfalzen, und mancher andere namhafte Ort liegen, gar ein gesegneter Strich Landes, den einst ein Graf Botho von Stolberg, welcher aus Jerusalem heimkehrte, viel höher pries als ganz Palästina. Darum bauten die alten Duringer im Unstruttals eine Grenzfeste gegen die Ostmark, daß sie geschieden seien gegen Saxen und Sorben, und nannten sie Schidinge, das ist Scheidungen, darauf saßen ihre Führer und herrschten allda gleich Königen. Ein solcher Herrscher war Merovig, aus fränkischem Königsstamme, der Sohn von des Frankenkönigs Chlodio Gemahel, die ihn, am Meere badend, von einem Meerwunder empfangen. Der erbaute im Lande Duringen manchen festen Ort und in der Nähe von Erfurt sich selbst auch einen Herrschersitz, die Merwigsburg, heute noch Möbisburg geheißen, wo man den Ort der alten Burgfeste noch zeigt. Unter Merovig kam der Hunnenkönig Attila in das Land Duringen, die Geißel Gottes, und wütete darin. Man sagt, daß er zu Isenach Hof und Hochzeit gehalten und bei Tonndorf gefischt und geweidwerkt, wo noch eine Stelle der Königsstuhl heißt. Merovig hatte einen Sohn, der hieß Childerich, der nutzte nicht viel und wurde auch nicht König, sondern die Thüringer hatten sich einen andern Gebieter erwählt, der hieß Basinus. Zu diesem Basinus kam Childerich und entlockte ihm sein Weib. Basinus hinterließ, da er starb, drei Söhne, die hießen Balderich, Berthar und Irmenfried, die teilten das weite Reich, und Irmenfried ward Thüringen als Erbe zuteil. Er erkor sich zur Gemahlin die Schwester oder Schwestertochter des Ostgotenkönigs Theoderichs, Amalbergs, die ebenso schön als stolz war. Sie deckte einstmals ihres Gemahls Tisch nur halb, weil er nur ein halbes Reich habe, und reizte ihn an, seiner Brüder Tod herbeizuführen. Dann gab sie im Bunde mit einem treulosen Rat, der Iring hieß, ihrem Gemahl falsche und verkehrte Anschläge ein, welche zur Folge hatten, daß Theoderich, sein eigner Schwager, ein Frankenheer gen Thüringen und gegen Irmenfried führte. Das hörten die Taxen gern und verbanden sich mit den Franken gegen die Thüringer. Da sind harte Streite geschehen und ward aus der güldnen Aue eine blutige, und die Unstrut stemmte sich von Leibern der Erschlagenen, über welche die Franken gleichwie über eine Brücke gingen, und Irmenfried entfloh mit den Seinen nach Burg Scheidungen, dem festen Wohnsitz, und Theoderich mit Franken und Saxen folgte ihm nach, und den letzteren verhieß Theoderich, wenn Scheidungen gewonnen werde, so solle alles Land jenseit der Unstrut das ihre sein und ewiglich bleiben. Und da griffen die Saxen furchtbar an, und die Franken verwunderten sich über deren starke Leiber und Gemüter, über ihr langes Haar, ihre groben Gewände, großen Schilde, mächtig starken Spieße und langen Messer, die sie an den Seiten trugen und Sax nannten. Und sie hatten auch ein Banner oder Feldzeichen, darin war ein Löwe, ein Aar und ein Drache. Der in Scheidungen bedrängte König Irmenfried sandte heimlich einen Vertrauten in das Lager zu seinem Schwager, der flehte um Gnade für Amalbergs und ihre Kinder, und Theoderichs Räte murrten über die Saxen und das ihnen gegebene Versprechen, und so ward heimlich Friede geschlossen in dem Sinne, daß die Gegner sich vereint der in das Land gerufenen Sachsen entledigen wollten. Da geschah es, daß ein Sachse einen Falken fing, der einem Thüringer gehörte; um diesen Falken wiederzuerlangen, offenbarte der Thüringer der Sachsen heimlichen Anschlag; den trug der Sachse schnell in das Lager, und da berieten die Fürsten und Hauptleute, was zu tun sei. Einige rieten zum schleunigen Abzug in aller Stille, aber ein greiser Führer, Herr Hagk (andere sagen Hadegast), ergriff das Banner, widerriet den Abzug, riet zum Angriff, und zwar zu plötzlichem, zur Überrumpelung im Schlafe. Solcher Anschlag ward ausgeführt, mit Not entkam der König mit den Seinen im Schlachtgetümmel, die Unstrut wurde abermals ein Blutstrom, und die Sachsen waren nun Herren des Landes und teilten sich in dasselbe und nannten den Siegestag Communio, das ist Teilnehmung, weil jeder sein Teil nahm. Da hat der alte Sachsenführer Hagk die Sachsenburg erbaut und zuerst bewohnt. Es wird auch noch bis heute die zwiefache Ruine der Sachsenburg (Ober- und Unterburg) die Hakenburg vom Volke genannt und geht die Sage, daß auf ihr Karl der Große der Sachsen urältestes Landesrecht, den Sachsenspiegel, ihnen gegeben habe. Viele andere Burgbaue sind damals entstanden, aber das alte Königreich Thüringen ging unter.

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423. Die Bonifaziuspfennige

423. Die Bonifaziuspfennige

In das Land an der Unstrut ist hernachmals der heilige Bonifazius, der Thüringer Apostel, gekommen, das war in der Zeit, als die Hunnen die deutschen Länder gleich Heuschreckenschwärmen überzogen und verheerten, und Bonifazius half den Thüringern durch sein Gebet zum Siege, daß sie der Hunnen viele Tausende erschlugen, so daß die Unstrut sich weithin mit Blut färbte, dann ließen die Thüringer sich taufen und glaubten an den eingebornen Sohn Gottes. Eine Sage geht, an der Sachsenburg sei der heilige Bonifazius einmal von den heidnischen Thüringern verhöhnt worden. Sie wollten Geld und Gut von ihm, keine Lehren, und warfen mit Steinen nach dem Bekehrer. Da verwünschte der heilige Mann alles Geld im Lande zu Stein, und augenblicklich schrumpfte jeder Pfennig zu einer steinernen Linse zusammen. Davon findet man immer noch an der Sachsenburg und an der Arnsburg über dem Dorfe Seeg, auf der Hainleite, welche der Bonifaziusberg genannt wird, und nennt sie Bonifaziuspfennige. – Als Bonifazius die Thüringer zum Christentum bekehrt hatte, freute sich darüber Kaiser Karl der Große über die Maßen und sandte einen Boten ins Land, der sie seines Schutzes und seiner Hülfe versichern mußte.

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417. Neun Kinder auf einmal

417. Neun Kinder auf einmal

Zu Querfurt saß ein Graf des Namens Gebhard, dessen Bruder war der heilige Bruno, der Apostel der heidnischen Preußen nächst dem heiligen Adalbert. Graf Gebhard war ein strenger und ernster Herr, starren Kopfes und raschen Handelns. Da er nun einmal eine Zeitlang aus seiner Herrschaft abwesend war, gebar ihm seine Gemahlin, eine edle Sachsin, auf dem Hause Querfurt auf einmal neun Kindlein. Über so reichen Segen erschraken sie und ihre Frauen nicht wenig und getrösteten sich von dem Grafen und Herrn nichts Guten, denn er war gar wunderlich und hatte schon zum öftern sich ungünstig über Frauen geäußert, die mehr als ein Kind, etwa zwei oder drei, zugleich geboren, nun vollends dreimal drei, das dürfte ihm schier allzu viel dünken und nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheinen. Wurden daher untereinander Rates, eines der Kindlein, das erste und stärkste, zu behalten und die acht übrigen beiseitezuschaffen, und ward einer der dienenden Frauen befohlen, die acht Kindlein in einem Kessel hinwegzutragen und den Kessel, mit Steinen beschwert, in den nahen Schloßteich zu senken. Dieser Trägerin begegnete der heilige Bruno, welcher damals in Querfurt lebte und in früher Morgenstunde bei einem schönen Quellbrunnen auf- und abwandelte und sein Gebet sprach, und da er ein Kindlein winseln hörte, fragte er, was sie trüge. Das Weib erschrak und sprach: Junge Welflin (Hündchen) – und wollte rasch vorübereilen, allein Bruno nötigte sie, den Mantel von dem Kessel aufzurücken, und sah die acht Kindlein und zwang der Frau das Geständnis ab, wem sie gehörten, die ihm nun auch die ganze Wahrheit sagte. Bruno legte ihr tiefes Schweigen auf, selbst gegen die Mutter, taufte in dem kupfernen Kessel, darin die Kindlein lagen, dieselben an dem Quellbrunnen und nannte sie insgesamt Bruno nach sich selbst, dann brachte er sie unter bei guten treuen Leuten zur Pflege und Auferziehung und hielt alles tief geheim, bis die Zeit kam, da er wieder gen Preußen zu ziehen gedachte. Der aufbehaltene neunte Knabe wurde Burkhart genannt und ward Hernachmals der Großvater Kaiser Lothars. Da nun Bruno aus dem Lande zu ziehen im Begriff stand, offenbarte er seinem Bruder das Geheimnis und nahm ihm das Versprechen ab, seiner Gemahlin jene frevelnde Tat nicht entgelten zu lassen, die nichts anderes wisse, als daß die Kindlein tot seien, und die Jahre her stets tiefe Reue und schmerzliche Betrübnis darob empfunden. Dann ließ er die acht Knäblein, eines gekleidet wie das andere, in das Schloß bringen und stellte sie den Eltern vor, da sahen sie wohl an Gestalt und Gebärden, daß sie des neunten rechte Brüderlein, und war Leid und Freud beieinander. Doch ließ Graf Gebhard seine Gemahlin nicht ganz ohne Strafe. Er ließ ihr ein Paar neue Schuhe machen, nicht von Leder, sondern von Eisen, und dieses Eisen ließ er glühend machen, und solche rote Schuhe mußte die Frau Gräfin auf eine Zeit anziehen, darum, daß sie in den kindermörderischen Rat eingewilligt. Selbige Schuhe, wie jenen Taufkessel zeigt man noch in der Kirche zu Querfurt, der Quellbrunnen wird noch heute der Brunsborn genannt, und der Teich, dahinein die Welflin gesenkt werden sollten, heißt noch bis diesen Tag der Wölfenteich.

In der Lauterburg bei Querfurt geht noch ein Spuk um, das Schlüsselweibchen genannt.

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418. Sankt Bruno und die Eselswiese

418. Sankt Bruno und die Eselswiese

Da der heilige Bruno am Donnerstage in der Osterwoche Abschied nahm von seinem Bruder und gen Preußen zog, ritt er auf einem Esel, und sein Bruder und viele Herren begleiteten ihn. Wie sie nun über den Anger hart hinter Querfurt ritten, wurde des heiligen Mannes Esel stätig und wollte nicht weiter, darin sahen die Geleitenden ein Anzeichen, daß Gott den Zug Brunos nicht wolle, und beredeten ihn zur Umkehr auf das Schloß. Gleichwohl fand der heilige Mann keine Ruhe, es drängte ihn seiner Bestimmung entgegen, und diese war keine andere als der Martyrertod, den er auch fand, als er dennoch nach Preußen gezogen war und dort das Evangelium lehrte und predigte. Er wurde mit achtzehn Gefährten gefangen, grausam gepeinigt, verstümmelt und getötet, das geschah in Litauen nahe der Grenze gegen Rußland im Jahre 1008 oder 1009. Auf der Wiese aber, darauf der Esel des heiligen Bruno stätig ward, und die bis heute die Eselswiese heißt, ward eine Kapelle erbaut, zur Eselstatt genannt, da ward an jedem Donnerstag nach Ostern reichlicher Ablaß erteilt, und entstand eine große Wallfahrt und viel Zustrom des Volkes von allen Orten und Enden. Endlich ward ein Jahrmarkt auf den Tag bestimmt, der zuletzt drei Tage dauerte, und so ist es geschehen, daß ein stätiger Esel das ganze Volk umher auf die Beine gebracht und laufend gemacht hat, welches Wunder nicht bloß zu Sankt Brunos Zeiten, sondern auch in späteren sich zum öfteren hie und da hat verspüren lassen.

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411. Stammschloß Anhalt

411. Stammschloß Anhalt

Nicht gar weit vom Schlosse Falkenstein, nur eine halbe Meile, liegen auf dem großen Hausberg die geringen Reste einer Burg, welche einem noch blühenden Fürstenhause, den Gebietern dieser ganzen Harzgegend, den Namen verlieh; das ist Anhalt, in undenklich früher Zeit auf einem Jaspisfelsen ohne Holz erbaut, daher On-Holt genannt. Darauf ist ein sehr tiefer Felsenbrunnen, der war lange verschüttet, ist aber in neuer Zeit wieder bis zum Grunde aufgeräumt worden, und in dem Brunnen ist ein Schatz verborgen, der liegt in einem Kessel, es hat ihn aber noch niemand zu heben vermocht. Einst machte eine Gesellschaft den Versuch und ließ einen Bergmann in den Brunnen hinab. Dieser vollbrachte alles nötige Zauberwerk glücklich, und siehe, der Kessel rückte auch wirklich herauf, ganz voll alter Taler und Goldgülden, so nahe an die Hand des Bergmanns heran, daß dieser nur zugreifen durfte. Sowie er aber die Hand danach ausstreckte, um einzusacken, so zog sich der Kessel zurück wie eine spröde Schöne, dann kam er wieder nahe und äffte den Bergmann so fort und fort, bis dieser des Gaukelspieles überdrüssig war und einen Fluch tat. Plauz, fiel der Kessel in die Tiefe, und der Bergmann hörte das Gold und das Silber noch lange klingeln und rollen und an die Felswände des Brunnens anschlagen. In der Nähe liegt auch eine Wiese, die Pfannenwiese genannt, die hat ihren Namen von einer in ihr verborgenen Braupfanne voll Gold und Silber, wie denn der Sagen von verborgenen und verzauberten Bergschätzen auf und am Harzwalde so viele sind, daß ihre Zahl in das Unendliche geht.

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412. Doktor Faust auf Anhalt

412. Doktor Faust auf Anhalt

Zum Grafen von Anhalt kam zur Winterszeit der weitberufene Doktor Faustus, und da er die Frau Gräfin in gesegneten Umständen sah, so fragte er sie, ob sie nicht irgendein Gelüste oder Verlangen habe nach etwas Besonderem, wie bei Frauen in Hoffnung nicht selten, so wolle er es ihr gern vermöge seiner Zauberkunst verschaffen. Solches freundliche Erbieten nahm die Frau Gräfin gütig auf und erwiderte, es würde ihr wohl ein großes Verlangen befriedigt werden, wenn sie statt des trocknen Konfekts und der trocknen Nüsse frischen Obstes, als Weintrauben, Kirschen und Pfirsiche, teilhaft werden könnte, die werde aber jetzt im rauhen Winter weder er noch ein anderer Zauberer herbeizuschaffen vermögen. Da nahm Doktor Faustus drei silberne Schüsseln, setzte sie vor das Fenster des Tafelzimmers, murmelte eine Zauberformel und brachte dann alsbald die erste Schüssel voll frisches Obst, Äpfel, Birnen und Pfirsiche, die zweite voll Kirschen, Aprikosen und Pflaumen, die dritte voll blauer und grüner Trauben herein und hieß sie ohne Zagen davon essen, was die Gräfin auch mit großem Wohlbehagen tat.

Als nun die Zeit kam, daß Doktor Faustus von Anhalt Abschied nehmen wollte, so ersuchte er den Grafen und die Gräfin, ihn auf einem Spaziergang zu begleiten, er wolle ihnen etwas Neues zeigen. Dieses geschah im Geleite des gräflichen Gefolges, und als man vor das Burgtor trat, sah man auf einer Höhe, der Rombühl genannt, ein neuerbautes Schloß sich erheben, auf dessen breiten Wallgräben Wassergeflügel schwamm; das Schloß hatte fünf Türme, und als die Gesellschaft näherkam, fand sie zwei Tore und den Zwinger belebt von einer Menagerie seltener Tiere, die darin umhergingen und sprangen, ohne sich zu beschädigen, Affen, Meerkatzen, Bären, Gemsen, Strauße und sonstige Tiere. In einem Saale harrte ein auserlesenes Frühmahl, bei welchem Doktor Fausts Famulus, Christoph Wagner, den Diener machte, und in welchem eine unsichtbare Musik sich hören ließ. Speisen und Weine waren solcher Art, daß sie alle mit Wohlgefallen sättigten. Als die Gesellschaft aus diesem schönen Schlosse nach länger als einer Stunde Aufenthalt wieder aufbrach und sich dem Schlosse Anhalt wieder näherte, nicht ohne rückwärts nach dem neuen Schloß zu blicken, da hörten und sahen sie, wie dieses unter Schüssen und Krachen wie von Büchsen und Kartaunen in Flammen aufging, Faustus und Wagner waren verschwunden, und alle fühlten einen Löwenappetit, und es kam ihnen allen der Hunger in den Leib, und mußten noch einmal frühstücken, denn, was sie gegessen, war eitel Blendwerk gewesen.

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413. Das ist des Manns Feld

413. Das ist des Manns Feld

Da Kaiser Heinrich auf seiner Pfalz Wallhausen in der güldnen Aue Hoflager hielt, wollte er einem seiner Mannen eine Gnade erzeigen, und so erbat sich dieser ein Stück Feldes, angrenzend an die güldne Aue, so groß, als er mit einem Scheffel Gerste werde umsäen können. Dieses Ansuchen gewährte ihm der Kaiser, und der Mittelsmann säete nun nichts weniger als dicht, sondern lang und weit und umfing den Bodenraum einer ganzen Grafschaft. Das verdroß des Kaisers Ritter und Dienstmannen, und murrten gegen ihn, daß jener Kämpe mit ziemlicher Unbescheidenheit zu Werke gegangen, der Kaiser aber lachte und sprach: Wort ist Wort. Was der Mann umsäet hat, das ist des Manns Feld. Von da ab wurde und blieb der neuen Grafschaft der Name Mansfeld, und in das Wappen, das die Grafen annahmen, wurden Gerstenkörner gestellt, welche die Heraldiker hernach Wecken nannten, weil sie den Ursprung vergessen hatten und die Körner undeutlich ausgedrückt fanden, wie sie aus den ursprünglichen Pfauenschweifwedeln durch den Hut überm Wappen der alten Grafen von Henneberg ein paar unbedeutende Rohrkolben gemacht und andere solche Schnitzer mehr auf gar vielen alten Geschlechterwappen.– Des Hauses Mansfeld Ahnherren haben die alten Historiker, die so zuverlässig sind wie die alten Heraldiker, weit über die Zeit der Kaiser Heinriche hinaufgerückt, sie glänzten nach ihnen schon unter den Rittern der Tafelrunde.

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414. Schloß Mansfeld

414. Schloß Mansfeld

Die Sage geht, daß auf der Stätte, darauf Schloß Mansfeld sich erhob, jener Lindwurm hauste, und zwar in einem ungeheuerlichen Lindenwalde, den der Ritter St. Georg erlegte. Der Berg heißt noch bis heute der Lindberg, und St. Georg wurde als der Grafschaft Mansfeld Schutzpatron gar eifrig verehrt und sein Bild, den Lindwurm erlegend, zu Roß und zu Fuß auf die mansfeldischen Münzen geprägt, nicht minder war ihm die Kirche des Städtleins Mansfeld geweiht. Ja die Einwohnerschaft ehrte diesen Heiligen so hoch, daß sie ihn für einen Grafen und Herrn von Mansfeld hielt und überall sein Bildnis, selbst in Fensterscheiben und an Öfen, wie an Gebäuden, Säulen und Brücken, anbringen ließ. Das Schloß war groß, stattlich und fest, jedes neue Jahrhundert erweiterte es und schmückte es aus und brachte auch mancherlei Bildwerk an. So zeigt man noch als Wahrzeichen einen Mönchs- und einen Nonnenkopf und erzählt als Sage, daß ein klösterliches Liebespaar auf dem Schloß gefangengehalten worden; da erhenkte sich das arme Nönnlein in ihrer dunkeln Kammer, und der Mönch stürzte sich vom Schlosse, worauf die Geister beider in liebender Unzertrennlichkeit dem Geschäft des Spukens oblagen. Auch heitere Trinkbilder zierten manchen Eingang, denn die edlen Grafen waren mannliche Zecher und taten’s dem Grafen Klettenberg zum mindesten gleich. Einst besuchte Doktor Luther die hohen Herren, von ihnen eingeladen, da schwemmte ihm schon der Wein die Treppe herab entgegen, und droben die Trinker wankten und schwankten. Da rief Luther ihnen prophetisch zu: Ei, ihr Herren, dünget ja gut und schön! Da wird brav Gras danach wachsen! Und dem geschahe also. Gras wächst seit lange auf Treppen und Gängen und in den Höfen des Schlosses Mansfeld, hohes Gras, und die Grafen sind längst ausgestorben, der goldene Saal ihres Schlosses ist eine Trümmer.

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415. Stein und Schlacht am Welfesholz

415. Stein und Schlacht am Welfesholz

Ohnweit dem Städtchen Hettstedt liegt das Welfesholz, da liegt nahe dem Holze ein Stein in der Feldmark zwischen Helmsdorf und Gerbstädt, nur wenige Schritte von dem Schleifwege, welcher von Zabenstedt nach dem Welfesholze führt; derselbe Stein ist gar hoch berühmt.

Der Ahnherr der Grafen von Mansfeld, Graf Hoyer, war Kaiser Heinrichs V. Feldmarschall und führte dessen Heer gegen die Sachsen, die unter Graf Wiprecht von Groitsch stritten. Graf Hoyer war, wie der große Römer Julius Cäsar, aus seiner Mutter Leib geschnitten, und da die Schlacht am Welfesholze beginnen sollte, so ritt der Graf zu jenem Stein und sprach stolz und freudig:

Ich Grave Hoyer ungeborn,
Han noch keine Schlacht verlorn.
So wahr ich greif‘ in diesen Stein,
Auch diese Schlacht muß meine sein! –

und da griff er mit eiserner Hand in den Stein wie in einen Weizenteig und begann die Schlacht. Aber des Grafen Zuversicht und Stolz brach sein furchtbarer Gegner, Graf Wiprecht von Groitsch, der im persönlichen Kampfe nach der tapfersten Gegenwehr den Helden fällte und erschlug. Die Sachsen siegten, und des Kaisers Heer wich vom Kampfplatz, soviel dessen nicht erschlagen ward. Ein Weidenstock rief in dieser mörderlichen Schlacht: Jodute! Jodute!, den uralten Hülferuf. Das half zum Siege. Die Sachsen errichteten darauf eine Siegessäule, die sie Jodute nannten und ihr viele Ehrfurcht erwiesen; später wurde eine Kapelle an den Ort gebaut, und aus dem Jodute schufen die Mönche mit klugem Sinne ein Signum Adjutorii, das Volk aber in seinem unklugen Sinne machte einen neuen Heiligen des Namens Jodute daraus. Der Stein am Welfesholz steht noch auf dem Acker, fast eine Elle dick und breit, und die Spur des Griffes von der Heldenfaust ist tief in denselben eingedrückt. Er gleicht einem weißen Kiesel und wird beim Gewitter weich. Wenn einer mit einem Stock daranschlägt, soll er erklingen, als ob er hohl wäre.

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