422. Der Thüringer und Sachsen Herkunft und Streiten
Alte Sagen gingen, ein Volksstamm sei von fernher, aus dem Ostland, auf zwölf Schiffen in die Gegend gekommen, darin heute Lübeck liegt. Dies Volk habe sich Petreoli, Kieselinge, genannt und die Thyrigeten, die in selber Gegend seßhaft waren, vertrieben. Deren Männer haben sich töricht zum Streite gestellt, und deshalb seien sie Törlinge genannt worden, sie selbst aber nannten das streitbare Volk, das sie von seinen Wohnsitzen wegtrieb, Saxen. Da habe ein Saxenjüngling um güldne Hals- und Armringe, die er trug nach der Sitte der Urzeitvölker, eine Handvoll Erde von einem Törling gekauft, und der habe aus Gutheit ihm den ganzen Schoß mit seiner Erde gefüllt und des klugen Handels sich erfreut – jener aber die Erde zu seinem Volk getragen, und da sei sie fein gerieben und damit ein großes Gebiet umsäet worden. Und so besetzten und besaßen die Saxen das Land der Törlinge, und bebauten es, und trieben jene Ureinwohner über den Harz hinüber, und setzten sich fest an der Unstrut bis zur Saale und bis zur Elbe und bis zur Werra, wo sie das heutige Eichsfeld umfließt, und die Döringer wichen zurück weiter westwärts und besaßen immer noch ein schönes und reiches Land, das durch acht Worte, die mit W stabten, sonderlich genannt und bekannt ward. Diese acht Worte und Wohllaute waren: Wiesen und Weiden, Wässer und Wälder, Waid und Wein, Wolle und Weizen. Insonderheit war die güldne Aue, darinnen heute die Städte und Orte Frankenhausen und Sangerhausen, Heldrungen und Gehofen, auch Allstedt und Wallhausen und Tilleda, die alten Kaiserpfalzen, und mancher andere namhafte Ort liegen, gar ein gesegneter Strich Landes, den einst ein Graf Botho von Stolberg, welcher aus Jerusalem heimkehrte, viel höher pries als ganz Palästina. Darum bauten die alten Duringer im Unstruttals eine Grenzfeste gegen die Ostmark, daß sie geschieden seien gegen Saxen und Sorben, und nannten sie Schidinge, das ist Scheidungen, darauf saßen ihre Führer und herrschten allda gleich Königen. Ein solcher Herrscher war Merovig, aus fränkischem Königsstamme, der Sohn von des Frankenkönigs Chlodio Gemahel, die ihn, am Meere badend, von einem Meerwunder empfangen. Der erbaute im Lande Duringen manchen festen Ort und in der Nähe von Erfurt sich selbst auch einen Herrschersitz, die Merwigsburg, heute noch Möbisburg geheißen, wo man den Ort der alten Burgfeste noch zeigt. Unter Merovig kam der Hunnenkönig Attila in das Land Duringen, die Geißel Gottes, und wütete darin. Man sagt, daß er zu Isenach Hof und Hochzeit gehalten und bei Tonndorf gefischt und geweidwerkt, wo noch eine Stelle der Königsstuhl heißt. Merovig hatte einen Sohn, der hieß Childerich, der nutzte nicht viel und wurde auch nicht König, sondern die Thüringer hatten sich einen andern Gebieter erwählt, der hieß Basinus. Zu diesem Basinus kam Childerich und entlockte ihm sein Weib. Basinus hinterließ, da er starb, drei Söhne, die hießen Balderich, Berthar und Irmenfried, die teilten das weite Reich, und Irmenfried ward Thüringen als Erbe zuteil. Er erkor sich zur Gemahlin die Schwester oder Schwestertochter des Ostgotenkönigs Theoderichs, Amalbergs, die ebenso schön als stolz war. Sie deckte einstmals ihres Gemahls Tisch nur halb, weil er nur ein halbes Reich habe, und reizte ihn an, seiner Brüder Tod herbeizuführen. Dann gab sie im Bunde mit einem treulosen Rat, der Iring hieß, ihrem Gemahl falsche und verkehrte Anschläge ein, welche zur Folge hatten, daß Theoderich, sein eigner Schwager, ein Frankenheer gen Thüringen und gegen Irmenfried führte. Das hörten die Taxen gern und verbanden sich mit den Franken gegen die Thüringer. Da sind harte Streite geschehen und ward aus der güldnen Aue eine blutige, und die Unstrut stemmte sich von Leibern der Erschlagenen, über welche die Franken gleichwie über eine Brücke gingen, und Irmenfried entfloh mit den Seinen nach Burg Scheidungen, dem festen Wohnsitz, und Theoderich mit Franken und Saxen folgte ihm nach, und den letzteren verhieß Theoderich, wenn Scheidungen gewonnen werde, so solle alles Land jenseit der Unstrut das ihre sein und ewiglich bleiben. Und da griffen die Saxen furchtbar an, und die Franken verwunderten sich über deren starke Leiber und Gemüter, über ihr langes Haar, ihre groben Gewände, großen Schilde, mächtig starken Spieße und langen Messer, die sie an den Seiten trugen und Sax nannten. Und sie hatten auch ein Banner oder Feldzeichen, darin war ein Löwe, ein Aar und ein Drache. Der in Scheidungen bedrängte König Irmenfried sandte heimlich einen Vertrauten in das Lager zu seinem Schwager, der flehte um Gnade für Amalbergs und ihre Kinder, und Theoderichs Räte murrten über die Saxen und das ihnen gegebene Versprechen, und so ward heimlich Friede geschlossen in dem Sinne, daß die Gegner sich vereint der in das Land gerufenen Sachsen entledigen wollten. Da geschah es, daß ein Sachse einen Falken fing, der einem Thüringer gehörte; um diesen Falken wiederzuerlangen, offenbarte der Thüringer der Sachsen heimlichen Anschlag; den trug der Sachse schnell in das Lager, und da berieten die Fürsten und Hauptleute, was zu tun sei. Einige rieten zum schleunigen Abzug in aller Stille, aber ein greiser Führer, Herr Hagk (andere sagen Hadegast), ergriff das Banner, widerriet den Abzug, riet zum Angriff, und zwar zu plötzlichem, zur Überrumpelung im Schlafe. Solcher Anschlag ward ausgeführt, mit Not entkam der König mit den Seinen im Schlachtgetümmel, die Unstrut wurde abermals ein Blutstrom, und die Sachsen waren nun Herren des Landes und teilten sich in dasselbe und nannten den Siegestag Communio, das ist Teilnehmung, weil jeder sein Teil nahm. Da hat der alte Sachsenführer Hagk die Sachsenburg erbaut und zuerst bewohnt. Es wird auch noch bis heute die zwiefache Ruine der Sachsenburg (Ober- und Unterburg) die Hakenburg vom Volke genannt und geht die Sage, daß auf ihr Karl der Große der Sachsen urältestes Landesrecht, den Sachsenspiegel, ihnen gegeben habe. Viele andere Burgbaue sind damals entstanden, aber das alte Königreich Thüringen ging unter.
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