949. Trillpetritsch, Drallepatsch und Elbertrötsch

949. Trillpetritsch, Drallepatsch und Elbertrötsch

Von selbigen drei schönen Namen, wie sie hier oben stehen, weiß man so eigentlich nicht, wer sie geführt hat; es sind schwäbische Scherznamen, denn in Schwaben gibt es viel Scherzlust und echte Gemütlichkeit, und mehr als in manchem andern deutschen Lande, wo viele Leute sich gar nimmer auskennen, wie gar klug und weise sie sind, und wie viele Toisen über die Meeresfläche ihre Nasen erhaben sind.

Daß der Elbertrötsch von irgendeinem Elben der Mythe seinen Namen trage, dürfte sehr zu bezweifeln sein; der Name wird wohl im Worte albern sein einfaches Würzelchen haben; Drallepatsch wird sein, was anderorts Tallepatsch, Tolpatsch ist, und Trillpetritsch ließe sich in drillen und Peter auflösen, ein gedrillter, ungedrehter, genarrter Peter, das ganze Kleeblatt ein dreifaches Stichblatt für die spiel- und scherzweise Verhöhnung. Die Redensart geht, einen dieser dreie jagen, welche Jagd gewöhnlich ein recht dummer Talk und Löll vornehmen muß, den die losen Spielgenossen mit einem offenen Sack irgendwohin stellen, den einen der dreie zu fangen; dann schleichen sie sich hinweg und lassen ihn stehen, solange er dumm genug ist, stehenzubleiben, hernach lachen sie ihn tüchtig aus und geben ihm den schönen Spottnamen dessen, den er jagen und fangen sollte, selbst.

Einstmals fing einer aus oder bei Friedingen her, der den Trillpetritsch fangen sollte und bei einer Fuchsgrube stand, unversehens einen Hasen, der ihm in den Sack gehüpft war; da war der Jubel des Dummen groß; im Triumph ward das gefangene Ungeheuer in die Lichtkarzstube getragen, und war große Furcht, was es wohl für ein Ungeheuer sei, und wappneten sich alle mit weidlichen Mordgewehren, und ging schier wie bei den sieben Schwaben im Märlein, wie sie auf ihr Ebenteuer gegen das Ungeheuer, den Seehasen, auszogen, bis der Has aus dem Sack herausfuhr und alles durcheinanderrief, wie damals der Allgäuer:

Potz Veitle! luag, luag, was ischt das?
Es Ohngeheuer ischt noh e Has. –

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950. Tripstrill in Schwaben

950. Tripstrill in Schwaben

Beim Trillpetritsch kann einem leichtlich Tripstrill einfallen, zumal auch Schwaben sein Tripstrill und die vogtländische Redensart vom guten Städtlein Triptis hier im schwäbischen Zabergäu einen Widerhall gefunden hat. Nämlich am Fuße des Michelsberges – von dem auch sonst so viele Sagen gehen, unter andern, daß er auch Gudinsberg (wie in Hessen eine Stadt Gudensberg) und Wudinsberg heiße – liegen neben dem Dörfchen Neukleebronn drei Höfe, wie sonst bei Triptis drei Burgen, die nennt das Volk Tripstrill, und soll vorderen auch eine Stadt allda gelegen haben, deren Reste die Höfe seien. Und wie dort beim vogtländischen Triptis eine berufene Wiese, Weide und Quelle, so hier in Schwaben auch eine Wiese mit reichen Quellen, die vordessen die Pelzmühle trieben, in der die alten Weiber, wenn sie drin mahlen ließen, einen frischen Pelz und eine junge Haut bekamen. Und antworten die Leute gern, wenn jemand unberufen neugierig fragt, wohin man wolle, oder woher man komme, in Thüringen: Von (nach) Tripstrill auf dem (den) Federmarkt, und in Schwaben: Aus (nach) Tripstrill aus der (in die) Pelzmühle, wo man die alten Weiber mühlt.

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951. Der Weibertrunk zu Weilheim

951. Der Weibertrunk zu Weilheim

Zu Weilheim bei Tübingen ist vordessen von den Weibern ein besonderes Recht geübt worden, schöner als jenes Recht der Weiber zu Westheim mit ihrem Stein und etwa ebenso schön wie das heitere Hochgericht zu Marktsteft. Es war ihnen nämlich einstmals eine Eiche geschenkt worden – vielleicht hatten sie auch, wie die Weiber zu Dornhan, einmal einer gnädigen Herrschaft die Pferde ausgespannt und sich davor, welche dann alljährlich am Aschermittwoch einen Schoppen Wein zur Letze bekamen – die Eiche sollten aber die Weiber selbst aussuchen, umhauen, verkaufen und vertrinken. Nun war das mit dem Selbstumhauen so eine Sache, es ging immer nur bei ziemlich dünnen Eichen an, für die nicht viel gelöst wurde; daher wurden die guten Weiber eins, ihre Eiche, und zwar eine recht dicke, dem Dorfe um eine runde Summe zu verkaufen, die mußte alljährlich der Schultes auszahlen. Doch bewehrten sich zum Zeichen alten Rechtes und Herkommens stets etwelche Weiber mit Äxten, gingen dann zum Schultes und sprachen: Wir wollen unsere Eiche umhauen. – Darauf empfingen sie das Geld, und nun fand sich die ganze Weiberschar auf dem Rathaus ein zum Juchhe. Hatte eine Frau Abhaltung daheim, so ließ sie ihren Trunkanteil nach Hause holen, welche aber kam, die durfte so viel trinken, als sie wollte. Männer sollten nicht am Trunke teilnehmen, doch geschah es ausnahmsweise jedennoch. Hernachmals ist aber der alte Brauch und das alte Recht abgeschafft worden, wie so vieles, denn dem Volke möglichst alles an alten Gewohnheiten, Sitten und Bräuchen zu nehmen, mochten sie gut oder schlecht sein, dahin ist von jeher der Sinn der Beamten und der neumodischen Aufklärer gerichtet gewesen.

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952. Der Pferdeheilige

952. Der Pferdeheilige

Das wissen nicht viele, daß die Pferde auch einen Schutzpatron haben, wie die Schweine ihren Antonius, selbiger ist der heilige Märtyrer Colomanus. Er war aus Schottland nach Deutschland gekommen und hatte im Schwaben- und Bayerland hin und her das Evangelium gepredigt, bis er seinen Tod durch Enthauptung fand am dreizehnten Tage des Weinmondes im Jahre des Herrn 110. Ein Wald bei Böhmenkirch in Schwaben führt noch nach ihm den Namen der Colomanswald, dort hatte er auch eine Kapelle, neben welcher lange Zeit ein frommer Einsiedler gewohnt hat. Dorthin trieb man viele Jahre lang aus der ganzen Umgegend am Pfingstmontag die Pferde, wohl über vier- bis fünfhundert, und ritt sie dreimal um die Kapelle herum; nebenbei war eine starke Wallfahrt dahin am selben Tage, der Pfarrer von Böhmenkirch hielt Predigt und Hochamt, dabei stand das Haupt des heiligen Märtyrers vor der Kirchtür auf einem Tisch, und vor dem Haupt stand ein großes messingenes Becken, dahinein die Opfer fielen. Krämer kamen auch hin und schlugen ihre Buden auf, und war allda so lustig wie auf dem Keferloher Pferdemarkt, der noch besteht. Später ist das Haupt des heiligen Coloman aus der Waldkapelle, da sie abgebrochen ward, in die Kirche zu Böhmenkirch übertragen worden. – Ein andrer Colomanswald liegt im Hausruckkreise im Erzherzogtum Österreich ob der Enns, dort steht auch noch eine dem Pferdeheiligen geweihte Kapelle, zwei Stunden vom Mondsee. Dort rastete der heilige Pilger auf seiner Reise nach Jerusalem. Als Pilger wird er auch stetig abgebildet, in der Hand einen Strick, und dieser Strick mag wohl Ursache geworden sein, daß man ihm den Schutz über die Pferde anbefohlen hat.

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953. Andreasnacht

953. Andreasnacht

Solche böse Possen, wie die Fräulein zu Koburg vornahmen, ihre künftigen Liebhaber vorher zu schauen, sind in der Andreasnacht, Christnacht, Thomasnacht und andern heiligen Nächten auch in Schwaben vorgenommen worden. Die Andreasnacht hatte aber den Vorrang neben der Thomasnacht. Da mußten die Mädchen, die ihre Zukünftigen erschauen wollten, allein in der Kammer schlafen und mit dem zwölften Schlag der Mitternachtsstunde den Andreassegen beten, auch dabei den Bettstollen dreimal treten, wie man tut, wenn man zu einer gewissen bestimmten Stunde nachts erwachen will. Der Segen lautet:

Heiliger Andreas (Thomas), i bitt di,
Bettstoll, i tritt di.
Laß mir doch erscheinen
Den Herzallerliebsten meinen.
Wie er geht und steht.
Und wie er mit mi in de Kirchen geht.

Es hat mit diesen und andern Dingen jedoch ein Aber. Manches Mädchen, welches den Segen sprach, fühlte, daß eine eiskalte Hand ihm übers Gesicht fuhr; der Herzallerliebste, der ihr so erschien und sie noch im selben Jahre freite, war dann der Tod. Andre, die dem wirklich erscheinenden Liebhaber etwas entrafften, mehrenteils Messer, sind sehr unglücklich geworden, den auf diese Zauberweise zu ihnen gewaltsam Hinentrückten befiel entsetzliche Beängstigung, und wenn sie dann später unversehens das Messer fanden, stießen sie es den eignen Frauen in das Herz. Ein Brauch ist auch, daß sich in der Andreasnacht die Mädchen, nachdem sie zwischen elf und zwölf Uhr ein brennend Licht auf den Tisch gestellt, völlig entkleiden und, den Rücken der Stubentüre zuwendend, die Stube auskehren; sie dürfen sich aber beileibe nicht umdrehen. Dann sehen sie ihren künftigen Ehemann hinter dem Tische sitzen, wie er leibt und lebt. Eine Dirne aus Wurmlingen machte den Versuch, und siehe – hinter dem Tisch saß ihr Brotherr, welcher schon eine Frau hatte. Nun schämte sich das arme nackte Ding fast zu Tod und dachte, der könne sie ja doch nicht heiraten. Aber noch in demselben Jahre starb die Hausfrau; der Mann gönnte sie dem Himmel von Herzen und freite frischweg die schöne junge Magd.

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954. Knöpflinsnächte

954. Knöpflinsnächte

Es war und ist ein alter Brauch in Schwaben, besonders in der Stuttgarter und Tübinger Gegend, mit manchem Scherz die sogenannten Knöpflinsnächte zu feiern, das sind die Nächte der drei letzten Adventsonntage, die dem Christfest vorangehen. Es mag dabei sonst vieler Unfug getrieben, auch namentlich das Gabenheischen übertrieben worden sein, denn an manchen Orten, in Schwäbisch-Hall schon 1685, wurden die Knöpflinsnächte verboten. Gewöhnlich scharen sich die Knaben zusammen und gehen singend kurrendemäßig von Haus zu Haus mit allerlei Liedchen: z. B.

Heint ist die heilig Knöpflinsnacht –
Corrandi! Corrandi! (Currende, currende!)
Wer mir Apfel und Birnen geit,
Dem dank‘ i, dem dank‘ i! usw.

Fast an jedem Ort hat das Laufchor andre Bittverslein. Der mittelalterliche Brauch des Singeumganges von Schülern auf den Straßen, die Kurrende, ist noch in vielen Städten Mitteldeutschlands üblich, und die schwarzen Mäntel, welche dabei getragen werden, haben noch den Zuschnitt aus Luthers Zeit, da er selbst in Eisenach in der Kurrende ging. Zu Berlin ist in allerneuester Zeit die Kurrende förmlich wieder eingeführt worden.

Man wirft in den Knöpflinsnächten auch mit Erbsen an die Fenster, das hat gar eine sondre Ursache. Vor alten Zeiten regierte einmal eine grausame Pestilenz in Schwaben, es starb alles aus, die Häuser waren gesperrt, man wußte nicht, waren die guten Freunde tot oder noch lebendig. Um das zu erkunden, wagte man sich nachts auf die Straßen und warf Erbsen an die Fenster der Freunde zur Nachfrage. Wer noch lebte, kam dann an die Fenster und bedankte sich mit einem Vergelts Gott! Kam niemand an das Fenster, so wußte man, daß drinnen alles aus und tot war. Daher hat sich der Brauch in mancher Gegend, so um Wurmlingen und Rothenburg a. N., erhalten, und die Leute rufen noch immer mit einem Vergelts Gott den geschichtlichen Dank aus den Fenstern den Werfern zu, solange das Werfen mit Erbsen geschieht und nicht in Katzenmusikbegleitung mit Steinen, denn das vergilt nicht Gott, sondern der Teufel.

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955. Die Untergänger

955. Die Untergänger

Untergänger heißen in Schwaben die falschen Feldmesser und Feldrichter, welche die Flur- und Triftgrenzen und die Einzelgrundstücke unrichtig und zu andrer Schaden vermessen. Grenz- und Marksteine versetzen, Furchen von des Nachbars Acker ab und zu dem ihren pflügen, und alle diese Leute, von denen auch im übrigen Deutschland allgemein die Sage geht, daß sie nach dem Tode umgehen, schweben oder geisten müssen, und zwar zumeist als Feuermänner und große Heerwische. Davon hat es auch in Schwaben vordessen viel gegeben; es war nicht gut, ihnen zu begegnen oder auf sie zu stoßen. Sie schlugen mit ihren feurigen Rutenstäben und Pickeln, umschlangen mit glühenden Meßketten, und wenn sie niemand hatten, an dem sie ihre Wut auslassen konnten, so plätzten sie aufeinander selbst los, daß die Funken weit umherspritzten, und schimpften einander kurz und lang. Solcher Männer, die nach dem Sprüchwort Himmel und Erde betrogen mit ihrer Falschmesserei, gab es bei Tübingen eine ganze Gesellschaft, da sind ihrer fünf; andre sah man bei Betzingen laufen; in der Rothenburger Markung schwebten ihrer sieben; bei Bühl im Neckartale geistet auch einer umher, und so an vielen andern Orten und Enden.

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940. Schlangen als Kindergäste

940. Schlangen als Kindergäste

Von Schlangen gibt es unzählige Sagen. Nach einer Richtung hin schlingen sich dieselben in die Lindwurmsagen ein, nach der andern haben sie elbische Färbung und gehen in das Reich der Hausgeister über, und wie die Schlangen dort furchtbar erscheinen, so erscheinen sie in letzterer Beziehung traulich. Auf Waldgebirgen zumal ist es eine bekannte Sage, daß man den Unk (die Ringelnatter) nicht töten dürfe, weil er Glück bringe, wo er in einem Hause wohne. Zu Schwamdorf bei Nagold erzählte ein Kind seiner Mutter, es komme immer ein Vögelein und esse mit von seiner Milch. Das verwunderte die Mutter, und sie lauschte. Siehe, da kam eine große Schlange – ein schöner Vogel das! – und aß Milch mit dem Kinde und war gut mit ihm, und wenn das Kind einen Löffel voll aus dem Häfele genommen, so steckte die Schlange ihren Kopf hinein und tat einen Schluck. Da wurde die Mich schneller alle als die Brot- oder Semmelbrocken, und das Kind gab der Schlange mit seinem Löffelchen einen leichten Klaps auf den Kopf und sagte zu ihr: Iß et no Ilch, iß au Ickle (iß nicht nur Milch, iß auch Brickle), und die Schlange ließ sich’s gefallen und spielte hernach mit dem Kinde. – Dasselbe geschah mit eines Weingärtners Kind zu Rothenburg und nicht minder im Dorfe Thieringen, wo das Kind sprach: Iß et no Schlappe, iß au Mocke. – Und in Thüringen, auf dem Walde hauptsächlich, begegnet häufig dieselbe Sage; da spricht das Kind: Eß net no Nü, eß a Nocke (iß nicht nur Brüh, iß auch Brocken).

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941. Der Schlangenkönig

941. Der Schlangenkönig

Man hat Beispiele, daß selbst der Schlangenkönig, der ein prächtiges Goldkrönlein auf seinem Haupte trägt, sich bei Kindern eingefunden und mit von ihrer Milch gespeist hat, so bei einem Seiler in Stuttgart, welcher aber sehr ungastfreundlich den Schlangenkönig erschlug und durch die Krone unermeßlich reich wurde und das Haus an der neuen Brücke erbaute, welches jetzt das Gutbrodsche heißt. Solcher Häuser, deren Erbauer auf gleiche Art reich geworden, soll es dort zu Stuttgart noch mehrere geben. Wenn der Schlangenkönig in einen Bach geht, um zu baden, legt er jedesmal erst am Ufer sein Krönlein ab. Wer dieses findet und nimmt, der muß die Beine auf die Achsel nehmen und laufen, was er kann, denn sobald der Schlangenkönig den Verlust seiner Krone bemerkt, so will er sie wiederhaben, was ihm niemand verdenken kann, und schießt wie ein Pfeil hinter dem Räuber her. Holt er diesen ein, so ist der Räuber verloren, holt er ihn nicht ein, so macht die Krone den Kronenräuber unermeßlich reich. Einem Bauer aus Derendingen ist’s also geglückt. Kann der Schlangenkönig seine Krone nicht wiedererlangen, so kommt er zu der Stelle zurück, wo sie ihm geraubt ward, und grämt sich und stirbt, denn er kann den Verlust der Krone nicht ertragen, er ist kein Philosoph, obgleich die Schrift den Schlangen Klugheit zuschreibt – aber wenn einem die Krone genommen wird, da hört alles auf.

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942. Die Schlangenamme

942. Die Schlangenamme

Eine Frau aus einem Dorfe in Schwaben hatte ein säugendes Kind und ging hinaus zur Heuet, legte das Kind in den Schatten und wartete ihres Tagewerkes. Da nun die Mittagszeit da war, ging sie zu ihrem Kinde, nahm es an ihre Brust, ließ es trinken und entschlummerte. Als das Kind getrunken hatte, ließ es von seiner Labequelle und entschlief auch, und die Mutterbrust blieb offen. Da kam ein kleines Schlänglein geschlichen, das ringelte leise heran und begann sanft zu saugen und saugte sich ganz fest, und als die Frau erwachte, erfaßte sie ein tödlicher Schreck, zu sehen, daß sie nicht nur nach dem Sprüchwort eine Schlange im Busen, sondern sogar am Busen nährte. Abreißen ließ sich die Schlange nicht, jeder gewaltsame Versuch, sie wegzubringen, konnte die Schlange zum Biß reizen und den Tod herbeiführen. Gast und Last mußte daher von der Frau getragen werden. Der Schlange gedieh die Menschenmuttermilch wunderbarlich; sie schwoll mehr und mehr an, und war sie erst fingersdick gewesen, so wurde sie bald armsdick und noch dicker, und es waren schon zehn Monate vergangen, seit das arme Weib die Schlange säugte, und begann nun zu verfallen und von Kräften zu kommen. Da kam ein Fremder von ohngefähr in das Dorf, der hörte von dem schweren Mißgeschick der Frau und ging zu ihr und sagte ihr, er wolle ihr von ihrer Bürde helfen, sie solle ihm nur in den Wald folgen. Dort zog der Mann magische Kreise, und nun zog er ein Pfeifchen hervor und begann darauf zu pfeifen. Darauf hat es im Walde geraschelt und gerauscht, und sind alle Schlangen gekrochen gekommen, und in die Kreise, und haben drin getanzt, und da ist die große und schwere Schlange, die so lang an der Frauenbrust gehangen, auch von ihr abgefallen und hat in den Kreis gemußt und hat mittanzen müssen. Wer war froher wie die Frau! Hernachmals hat es sich begeben, daß dieselbe Frau, die sich wieder gut erholt hatte und wieder zu Kräften gekommen war, vor ihrer Türe saß und ihr Kind in den nahen Wald in die Beeren gegangen war. Da hört sie plötzlich die Leute schreien: Ein Bär, ein Bär im Walde! Eine Schlange! hu! eine Schlange! – Und denkt entsetzt ihres Kindes und stürzt hin, da erblickt sie den Bären, und nahezu liegt ihr Kind, und sie weiß nicht, ob es tot oder lebendig, und der Bär stürzt brüllend zusammen, und der schlummernde Knabe erwacht: eine großmächtige Schlange hat den Bären erdrosselt, als er das Kind packen wollte, und das ist dieselbe Schlange gewesen, welche die Frau mit ihrer Milch so stark und groß geschwellt, sonst hätte sie den Bären nimmer erdrücken können.

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