Orpheus und Eurydike



Orpheus und Eurydike

Der unvergleichliche Sänger Orpheus war ein Sohn des thrakischen Königs und Flußgottes Öagros und der Muse Kalliope. Apollon selbst, der melodische Gott, schenkte ihm ein Saitenspiel, und wenn Orpheus dasselbe rührte und dazu seinen herrlichen Gesang, den seine Mutter ihn gelehrt hatte, ertönen ließ, so kamen die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser, die Tiere des Waldes, ja die Bäume und Felsen herbei, um den wundervollen Klängen zu lauschen. Seine Gattin war die holdselige Najade Eurydike, und sie liebten sich beide auf das zärtlichste. Aber ach, nur allzu kurz war ihr Glück; denn kaum waren die fröhlichen Lieder der Hochzeit verstummt, da raffte ein früher Tod die blühende Gattin dahin. Auf grüner Aue lustwandelte die schöne Eurydike mit ihren Gespielinnen, den Nymphen; da stach sie eine giftige Natter, die im Grase versteckt lag, in die zarte Ferse, und sterbend sank die Liebliche ihren erschreckten Freundinnen in die Arme. Unaufhörlich hallten nun die Berge und Täler vom Schluchzen und Klagen der Nymphen wider, und unter ihnen jammerte und sang Orpheus, seinen Schmerz in wehmütigen Liedern austönend; da trauerten die Vöglein und die klugen Hirsche und Rehe mit dem verlassenen Gatten. Aber sein Flehen und Weinen brachte die Verlorne nicht zurück. Da faßte er einen unerhörten Entschluß: Hinunter in das grausige Reich der Schatten wollte er steigen, um das finstere Königspaar zur Rückgabe Eurydikes zu bewegen. Durch die Pforte der Unterwelt bei Tainaron ging er hinab; schaurig umschwebten die Schatten der Toten den Lebenden, er aber schritt mitten durch die Schrecknisse des Orkus, bis er vor den Thron des bleichen Hades und seiner strengen Gemahlin trat. Dort faßte er seine Leier und sang zum süßen Klange der Saiten: »O ihr Herrscher des unterirdischen Reiches, gönnet mir, Wahres zu reden, und höret gnädig meine Bitten an! Nicht kam ich herab, von Neugier getrieben, den Tartaros zu schauen, nicht um den dreiköpfigen Hund zu fesseln; ach nein, um der Gattin willen nah ich mich euch. Vom Biß der tückischen Natter vergiftet, sank die Teure in der Jugend Blüte dahin, nur wenige Tage war sie meines Hauses Stolz und Freude. Sehet, ich wollte es tragen, das unermeßliche Leid; als Mann hab ich lange gerungen. Aber die Liebe zerbricht mir das Herz, ich kann nicht ohne Eurydike sein. Darum fleh ich zu euch, furchtbare, heilige Götter des Todes! bei diesen grauenvollen Orten, bei der schweigenden Öde eurer Gefilde: Gebt sie mir wieder, die traute Gattin; laßt sie frei, und schenket ihr das allzufrüh verblühte Leben von neuem! Aber kann es nicht sein, o so nehmet auch mich unter die Toten auf, nimmer kehr ich ohne sie zurück.« Also sang er und rührte mit den Fingern die Saiten. Siehe, da horchten die blutlosen Schatten und weinten. Der unselige Tantalos haschte nicht mehr nach den entschlüpfenden Wassern, Ixions sausendes Rad stand still, die Töchter des Danaos ließen ab vom vergeblichen Mühen und lehnten horchend an der Urne, Sisyphos selbst vergaß seiner Qual und setzte sich auf den tückischen Felsblock, den sanften Klagetönen zu lauschen. Damals, so sagt man, rannen selbst von den Wangen der furchtbaren Eumeniden Tränen hernieder, und das düstere Herrscherpaar fühlte sich zum ersten Mal von Mitleid bewegt. Persephone rief den Schatten Eurydikes, der unsicheren Schrittes herankam. »Nimm sie mit dir«, sprach die Totenkönigin, »aber wisse: nur wenn du keinen Blick auf die Folgende wirfst, ehe du das Tor der Unterwelt durchschritten, nur dann gehört sie dir; doch schaust du dich zu frühe nach ihr um, so wird dir die Gnade entzogen.«

Schweigend und schnellen Schrittes klimmen nun die beiden den finstern Weg empor, vom Grauen der Nacht umgeben. Da ward Orpheus von unsäglicher Sehnsucht ergriffen, er lauschte, ob er nicht den Atemzug der Geliebten oder das Rauschen ihres Gewandes hörte – aber still, totenstill war alles um ihn her. Von Angst und Liebe überwältigt, seiner selbst kaum mächtig, wagte er es, einen schnellen Blick rückwärts nach der Ersehnten zu werfen. O Jammer! Da schwebt sie, das Auge traurig und voll Zärtlichkeit auf ihn heftend, zurück in die schaurige Tiefe. Verzweiflungsvoll streckt er die Arme nach der Entschwindenden. Ach, umsonst! Zum zweiten Male stirbt sie den Tod, doch ohne Klage – hätte sie klagen können, so innig geliebt zu sein? Schon ist sie fast seinen Blicken entschwunden: »Leb wohl, leb wohl!« so tönt es leise verhallend aus der Ferne. Starr vor Gram und Entsetzen stand Orpheus zuerst, dann stürzte er zurück in die finsteren Klüfte; aber jetzt wehrte ihm Charon und weigerte sich, ihn über den schwarzen Styx zu fahren. Sieben Tage und Nächte saß nun der Arme am Ufer, ohne Speise und Trank; zahllose Tränen vergießend, um Gnade fleht er die unterirdischen Götter; aber diese sind unerbittlich, zum zweiten Male lassen sie sich nicht erweichen. So kehrt er denn gramvoll auf die Oberwelt zurück in die einsamen Bergwälder Thrakiens. Drei Jahre lang lebte er so dahin, allein, die Gesellschaft der Menschen fliehend. Verhaßt ist ihm der Anblick der Frauen, denn ihn umschwebt das liebliche Bild seiner Eurydike: Ihr gelten alle seine Seufzer und Lieder, ihrem Andenken die süßen klagenden Töne, die er der Leier entlockt.

So saß der göttliche Sänger einst auf einem grünen, schattenlosen Hügel und begann sein Lied. Alsbald bewegte sich der Wald, näher und näher rückten die mächtigen Bäume, bis sie den Sitzenden mit ihren Zweigen überschatteten; und auch die Tiere des Waldes und die munteren Vögel kamen heran und lauschten im Kreise den wundervollen Tönen. Da durchstürmten thrakische Weiber schwärmend die Berge, das tolle Fest des Dionysos feiernd. Sie haßten den Sänger, der seit dem Tode der Gattin alle Frauen verschmähte. Jetzt erblickten sie den Verächter. »Dort seht ihn, der uns verhöhnt!« so rief die erste der rasenden Mänaden, und im Nu stürzten sie tobend auf ihn ein, indem sie Steine und Thyrsosstäbe schleuderten. Noch lange schützten die treuen Tiere den geliebten Sänger; wie aber der Klang seiner Weisen allmählich in dem Wutgeheul der wahnsinnigen Weiber verhallte, flohen sie erschreckt ins Dickicht des Waldes. Da traf ein geschleuderter Stein die Schläfe des Unglücklichen; blutend sank er in den grünen Rasen; ach, durch den liederreichen Mund, der Felsen und Bergwild gerührt, entfloh die Seele.

Kaum war die mörderische Rotte entwichen, da kamen die Vögel schluchzend herbeigeflattert, traurig nahten die Felsen und alles Getier; auch die Nymphen der Quellen und Bäume eilten zusammen, in schwarze Gewänder gehüllt. Um Orpheus klagten sie alle und begruben seine verstümmelten Glieder. Das Haupt aber und die Leier nahm die schwellende Flut des Hebros auf und trug sie mitten im Strome dahin. Noch immer klang es wie süßer Klagelaut von den Saiten und von der entseelten Zunge, leise antworteten die Ufer mit wehmütigem Widerhall. So trug der Strom das Haupt und die Leier hinaus in die Meeresfluten bis an das Gestade der Insel Lesbos, wo die frommen Einwohner beides auffingen. Das Haupt bestatteten sie, und die Leier hängten sie in einem Tempel auf. Daher kommt es, daß jene Insel so herrliche Dichter und Sänger erzeugt hat; ja selbst die Nachtigallen sangen dort lieblicher als anderswo, um das Grab des göttlichen Orpheus zu ehren. Seine Seele aber schwebte hinab ins Schattenreich. Dort fand Orpheus die Geliebte wieder, und nun weilten sie, ungetrennt und selig umschlungen, in den Gefilden Elysiums, auf ewig miteinander vereinigt.

Palamedes und sein Tod



Palamedes und sein Tod

Der einsichtsvollste Mann im griechischen Heere war Palamedes, tätig, weise, gerecht und standhaft; von zarter Gestalt, des Gesanges und Leierspiels kundig. Seine Beredsamkeit hatte den Atriden die meisten Fürsten Griechenlands für den Feldzug gegen Troja gestimmt, seine Klugheit selbst den Sohn des Laërtes überlistet. Dadurch hatte er sich aber auch einen unversöhnlichen Feind in dem Heere der Danaer erworben, der Tag und Nacht auf Rache sann und nur um so finsterer darüber brütete, je mehr das Ansehen des verständigen Euböers unter den Fürsten zunahm. Nun wurde den Griechen durch ein Orakel Apollos bekannt, daß sie diesem Gott als Apollo Smintheus – unter solchem Namen wurde er in der Landschaft Troas verehrt – eine Hekatombe an der Stelle opfern sollten, wo seine Bildsäule und sein Tempel stand, und Palamedes war von dem Gotte auserwählt worden, die stattlichen Opfertiere nach der heiligen Stätte zu führen. Dort wartete ihrer Chryses, der Priester des Gottes, der das feierliche Opfer vollbrachte. Die Verehrung Apollos in dieser Landschaft hatte einen seltsamen Ursprung. Als die alten Teukrer, aus Kreta herüber mit ihrem Könige Teucer kommend, an dieser Küste Kleinasiens gelandet waren, gab ihnen das Orakel den Befehl, da zu bleiben, wo sie ihre Feinde aus der Erde würden hervorkriechen sehen. Als sie nun in Hamaxitos, einer Stadt dieser Landschaft, angekommen waren, benagten die Mäuse, aus der Erde hervorschlüpfend, in einer Nacht alle ihre Schilde. Sie sahen auf diese Weise den Spruch des Gottes erfüllt, ließen sich in der Gegend nieder und erbauten dem Apollo eine Bildsäule, der eine Maus, was in äolischer Mundart Smintha bedeutet, zu Füßen lag.

Diesem Apollo Smintheus, der seinen Tempel nicht weit von Chryse auf einer Anhöhe stehen hatte, ward nun unter Palamedes‘ Anführung von seinem Priester Chryses eine Hekatombe oder Hundertzahl heiliger Schafe geopfert. Die Ehre, die dem Palamedes durch die Anordnung Apollos selbst widerfuhr, beschleunigte seinen Untergang. Denn in Odysseus‘ sonst nicht unedlem Gemüte gewann jetzt ganz der Neid die Oberhand, und er sann auf eine fluchwürdige List, durch welche er dem edlen Manne den Untergang bereitete. Er verbarg eigenhändig in tiefster Heimlichkeit eine Summe Geldes in dem Zelt des Palamedes. Dann schrieb er im Namen des Priamos einen Brief an den griechischen Helden, in welchem dieser von überschicktem Gelde sprach und dem Palamedes seinen Dank ausdrückte, daß derselbe ihm das Heer der Griechen verraten habe. Dieser Brief wurde einem phrygischen Gefangenen in die Hände gespielt, bei demselben sodann von Odysseus entdeckt und der unschuldige Träger auf seine Veranstaltung sofort auf der Stelle niedergemacht. Den Brief zeigte Odysseus vor der Fürstenversammlung im griechischen Lager. Palamedes wurde von den entrüsteten Häuptern der Danaer vor einen Kriegsrat gestellt, welchen Agamemnon aus den vornehmsten Fürsten zusammensetzte und in welchem Odysseus sich den Vorsitz zu verschaffen wußte; auf seine Veranlassung ward im Zelte des Beschuldigten geforscht, endlich nachgegraben und so die Summe Goldes, die der trügerische Odysseus dort versteckt hatte, unter seiner Lagerstätte aufgefunden. Die Richter, nichts vom wahren Vorgang der Sache ahnend, sprachen einstimmig das Todesurteil aus. Palamedes würdigte sie keiner Selbstverteidigung: er durchschaute den Trug, aber er hatte keine Hoffnung, Beweise seiner Unschuld sowie der Schuld seines Gegners vorzubringen. Als daher das Urteil gefällt war, das auf Steinigung lautete, brach er nur in die Worte aus: »O ihr Griechen, ihr tötet die gelehrteste, die unschuldigste, die gesangreichste Nachtigall!« Die verblendeten Fürsten lachten über diese Verteidigung und führten den edelsten Mann im griechischen Heere zum unbarmherzigsten Tode fort, den er mit heldenmütiger Standhaftigkeit ertrug. Als ihn schon die ersten Steinwürfe niedergeschmettert hatten, brach er in die Worte aus: »Freue dich, Wahrheit, du bist vor mir gestorben!« Als er diese Worte gesprochen, fuhr ihm, von Odysseus‘ rachsüchtiger Hand geschleudert, ein Stein an die Schläfe, daß er umsank und starb. Aber Nemesis, die Göttin der Gerechtigkeit, schaute vom Himmel herab und beschloß, den Griechen und ihrem Verführer Odysseus noch am Ziel ihrer Taten den Frevel zu vergelten.

Pandaros



Drittes Buch

Pandaros

Auf dem Olymp war eine große Götterversammlung: Hebe wandelte an den Tischen umher und schenkte Nektar ein. Die Götter tranken einander aus goldenen Pokalen zu und schauten auf Troja nieder. Da ward von Zeus und Hera Trojas Untergang beschlossen. Der Vater der Götter wandte sich zu seiner Tochter Athene und befahl ihr, auf den Kampfplatz hinabzueilen und die Trojaner zu versuchen, daß sie die auf ihren Sieg stolzen Griechen wider den Vertrag zu beleidigen anfingen. Pallas Athene mischte sich sofort unter das Getümmel der Trojaner, nachdem sie die Gestalt des Laodokos, der ein Sohn Antenors war, angenommen. In dieser Verhüllung suchte sie den Sohn Lykaons, den trotzigen Pandaros, auf, der ihr zu dem Werke geschickt schien, das ihr der Vater aufgetragen. Dieser war ein Verbündeter der Trojaner und aus Lykien mit seiner Heerschar hergekommen. Die Göttin fand ihn bald, in der Mitte der Seinigen stehend. Sie trat nahe zu ihm, klopfte ihm auf die Schulter und sprach: »Höre, kluger Pandaros, jetzt könntest du etwas tun, wodurch du bei allen Trojanern dir Preis und Dank verdientest, vor allem von Paris, der dir gewiß mit den herrlichsten Geschenken lohnen würde. Siehst du dort Menelaos, den hochmütigen Sieger stehen? Wage es und drücke deinen Pfeil auf ihn ab.«

So sprach die verhüllte Göttin, und das Herz des Toren gehorchte ihr. Schnell entblößte er den Bogen, öffnete den Deckel des Köchers, wählte einen befiederten Pfeil, legte ihn auf die Sehne, und bald sprang das Geschoß vom schwirrenden Horn. Athene aber lenkte den Pfeil auf den Leibgurt, so daß er zwar durch diesen und den Harnisch drang, aber nur die oberste Haut ritzte, jedoch so, daß das Blut aus der Wunde rann und den Menelaos ein leichter Schauer durchflog. Wehklagend umringten ihn Agamemnon und die Genossen. »Teurer Bruder«, rief der König, »dir zum Tode hab ich das Bündnis geschlossen; die treulosen Feinde haben es mit Füßen getreten. Zwar werden sie es büßen, und ich weiß gewiß, daß der Tag kommt, wo Troja mit Priamos und dem ganzen Volke hinsinkt; mich aber erfüllt dein Tod mit dem bittersten Schmerz. Wenn ich ohne dich heimkehre und deine Gebeine auf trojanischem Boden am unvollendeten Werk dahinmodern, mit welcher Schmach würde mich das Vaterland empfangen; denn einem andern, nicht mir ohne dich, ist beschieden, Troja zu erobern und Helena fortzuführen. Und auf dein Grab springend, wird der Trojaner Hohnreden führen über dich, Hohnreden über mich. Spaltete sich doch die Erde, mich zu verschlingen!« Aber Menelaos tröstete seinen Bruder. »Sei ruhig«, sprach er, »das Geschoß hat mich nicht zum Tode verwundet; mein Leibgurt hat mich geschützt.« »O daß dem so wäre«, seufzte Agamemnon und beschickte durch seinen Herold eilig den heilkundigen Machaon. Dieser kam, zog den Pfeil aus dem Gurt, löste diesen, öffnete den Harnisch und beschaute die Wunde; dann sog er selbst das quellende Blut heraus und legte ihm eine lindernde Salbe auf.

Während der Arzt und die Helden so um den verwundeten Menelaos beschäftigt waren, rückten die Schlachtreihen der Trojaner schon heran; auch die Griechen hüllten sich wieder in ihre Wehren, und Agamemnon übergab dem Eurymedon Rosse und Wagen mit der Weisung, sie ihm zu bringen, wenn er ihn vom Durcheilen der Schlachtordnung ermattet sehe. Dann flog er zu Fuß unter die Scharen der Streiter und ermunterte sie zur Abwehr, die Mutigen belebend, die Saumseligen tadelnd. So gelangte er auf seinem Gange zu den Kretern, die gewappnet ihren Heerführer Idomeneus umringten. Dieser stand an ihrer Spitze, kampflustig wie ein Eber. Die hinteren Reihen munterte sein Freund Meriones auf. Als Agamemnon die Scharen sah, wurde sein Herz fröhlich. »Du bist mir doch der Besten einer, Idomeneus«, rief er ihnen zu, »bei jedem Geschäfte, im Kriege wie beim Mahle, wenn man den funkelnden Ehrenwein in den mächtigen Krügen mischt: Wenn da die andern ihr bescheidenes Maß trinken, so steht dein Becher immer voll wie der meinige. Jetzt aber stürme mit mir in die Schlacht, wie du dich so oft gegen mich gerühmt.« »Wohl bleibe ich dein treuer Genosse, König«, erwiderte jener, »geh nur andere anzuspornen, bei mir bedarf es dessen nicht. Möge Tod und Verderben die bundbrüchigen Trojaner treffen!«

Jetzt erreichte Agamemnon die beiden Ajax, hinter denen ein ganzes Gewühl von Fußvolk einherzog. »Wenn doch«, rief ihnen der König im Vorübereilen zu, »ein Mut wie der eurige den Busen aller Danaer beseelte, dann sollte die Burg des Priamos bald unter unsern Händen in Trümmer fallen.« Nun traf er weiterschreitend auf Nestor. Dieser ordnete gerade seinen Heerhaufen: voran die Helden mit Roß und Wagen, viele und tapfere Männer zu Fuße hinten, die Feigen in die Mitte gedrängt. Dazu ermahnte er sie mit weisen Worten: »Wage sich mir keiner mit seinem Streitwagen zu weit vor, weiche mir auch keiner zurück; stößt Wagen auf Wagen, so strecket die Lanze vor.« Wie ihn Agamemnon die Seinigen so ermahnen hörte, rief er ihm zu: »O Greis, möchten dir die Knie folgen und deine Leibeskraft ausreichen, wie dir der Mut noch den Busen füllt. Könnte doch ein anderer dir die Last des Alters abnehmen, daß du zum Jüngling umgeschaffen würdest!« »Wohl möchte ich jetzt der sein, der ich einst war«, antwortete ihm Nestor, »doch haben die Götter den Menschen nicht alles zugleich verliehen. Mögen die jüngeren Speere werfen; ich begleite meine Männer mit Worten und weisem Rate, den auch das Alter geben kann.« Freudig ging Agamemnon an ihm vorüber und stieß jetzt auf Menestheus, den Sohn des Peteos, um den die Athener geschart waren und neben welchem die Kephallenier in dichten Schlachtreihen unter Odysseus standen. Beider Haufen ruhten in Erwartung und wollten andere Züge voranstürmen lassen. Dies verdroß den Völkerfürsten, und er sprach mürrisch zu ihnen: »Was schmieget ihr euch so zusammen, ihr beiden, auf andere harrend? Wenn wir Braten schmausen und Wein trinken, seid ihr immer die ersten; nun aber würdet ihr es nicht ungerne sehen, wenn zehn Griechenscharen vor euch in die Schlacht eindrängen!« Odysseus aber sah ihn finster an und sprach: »Was denkst du, Atride? Uns schiltst du saumselig? Warte nur, wenn wir einmal losbrechen, ob wir die Wut der Schlacht nicht gehörig gegen die Troer aufregen und du mich nicht im vordersten Getümmel erblicken wirst. Drum schwatze mir nicht voreilig nichtige Worte!« Als er den Helden so zürnen sah, erwiderte Agamemnon lächelnd: »Ich weiß es wohl, edler Sohn des Laërtes, daß du weder Tadel noch Ermahnung bedarfst; auch bist du im Herzensgrund milde wie ich; laß uns keine harten Worte wechseln.« So verließ er ihn und eilte weiter. Da fand er den Sohn des Tydeus, den stolzen Diomedes, neben Sthenelos, des Kapaneus Sohn, seinem Freund und Wagenlenker, auf dem herrlichen Streitwagen harrend. Auch diesen versuchte er mit verdrießlichen Worten: »Weh mir«, sprach er, »Sohn des Tydeus, du scheinst dich bange nach dem Treffen umzusehen; so blickte dein Vater nicht, als er gegen Theben zog: den sah man immer mitten in der Arbeit!« Diomedes schwieg auf den Verweis des Herrschers; sein Freund Sthenelos antwortete für ihn: »Du weißt es besser, Atride«, sprach er, »wir rühmen uns größerer Tapferkeit denn unsere Väter, haben wir doch Theben erobert, vor dem sie einst erlegen sind!« Diomedes aber unterbrach seinen Genossen und sagte finster: »Schweige, Trauter, ich verarge es dem Völkerhirten nicht, daß er die Griechen zum Kampf anreizt; ihm wird der Ruhm zuteil, wenn wir siegen, ihm unendlicher Gram, wenn wir überwunden werden. Darum auf, laß uns der Abwehr gedenken!« So sprach Diomedes und sprang vom Wagen, daß ihm das Erz um die Brust klirrte.

Indessen zogen die Danaer Haufen an Haufen rastlos in die Schlacht, wie sich Meereswogen ans Gestade wälzen. Die Völkerfürsten befehligten, die andern gingen lautlos einher. Die Trojaner dagegen lärmten, wie eine Herde Lämmer blökt, und gemischte Sprache der mancherlei Völker tönte aus ihren Reihen. Auch der Schlachtruf der Götter hallte darein: die Trojaner ermunterte Ares, der Gott des Krieges; die Reihen der Griechen feuerte Pallas Athene an.

Paris und Menelaos



Paris und Menelaos

Das Heer, auf Nestors Rat nach Volksstämmen geordnet, stand in Schlachtordnung, als man endlich den Staub der aus ihren Mauern heranziehenden Trojaner gewahr wurde. Nun setzten sich auch die Griechen in Bewegung. Als beide Heere einander nahe genug waren, daß der Kampf beginnen konnte, schritt aus der Reihe der Trojaner der Königssohn Paris vor, in ein buntes Pantherfell gekleidet, den Bogen um die Schultern gehängt, sein Schwert an der Seite, und indem er zwo spitze Lanzen schwenkte, forderte er den tapfersten aller Griechen heraus, mit ihm den Zweikampf zu wagen. Als diesen Menelaos aus den sich heranwälzenden Scharen hervorspringen sah, freute er sich wie ein hungriger Löwe, dem eine ansehnliche Beute, ein Gemsbock oder ein Hirsch in den Weg kommt, und schnell sprang er in voller Rüstung von seinem Wagen zur Erde herab, den frevelhaften Dieb seines Hauses zu bestrafen. Dem Paris graute beim Anblick eines solchen Gegners, und er entzog sich dem Kampfe erblassend und ins Gedränge seiner Landsleute zurückfahrend, als hätte er eine Natter gesehen. Als ihn Hektor so in die Menge der Trojaner zurücktauchen sah, rief er ihm voll Unmut zu: »Bruder, du bist doch nur von Gestalt ein Held, in Wahrheit aber nichts als ein weibischer, schlauer Verführer. Wärest du lieber gestorben, ehe du um Helena gebuhlt! Siehst du nicht, wie die Griechen ein Gelächter erheben, daß du es nicht wagest, dem Manne standzuhalten, dem du die Gattin gestohlen hast? Du wärest wert zu erfahren, an welchem Manne du dich versündigt, und ich würde dich nicht bemitleiden, wenn du dich verwundet auf dem Boden wälzest und der Staub dein zierliches Lockenhaar besudelte.« Paris antwortete ihm: »Hektor, dein Herz ist hart und dein Mut unwiderstehlich wie eine Axt aus Erz, mit der der Schiffszimmermann Balken behaut, und du tadelst mich nicht mit Unrecht; aber schilt mir nicht meine Schönheit, denn sie ist auch eine Gabe der Unsterblichen. Wenn du mich aber jetzt kämpfen sehen willst, so heiß Trojaner und Griechen ruhen; dann will ich um Helena und alle ihre Schätze mit dem Helden Menelaos vor allem Volke den Zweikampf wagen. Wer von uns beiden siegt, mag sie heimführen; ein Bund soll es bekräftigen; ihr bauet alsdann das trojanische Land in Frieden, und jene schiffen heim gen Argos.«

Eine freudige Überraschung hatte sich Hektors bei diesen Worten seines Bruders bemächtigt; er trat vor die Schlachtordnung heraus in die Mitte und hemmte, den Speer hochhaltend, den Anlauf der trojanischen Haufen. Als die Griechen seiner ansichtig wurden, zielten sie in die Wette mit Wurfspießen, Pfeilen und Steinen nach ihm. Agamemnon aber rief laut nach den griechischen Reihen zurück: »Haltet ein, Argiver, werfet nicht; der helmumflatterte Hektor begehrt zu reden!« Die Griechen ließen ihre Hände sinken und verharrten in Schweigen ringsumher; und nun verkündete Hektor mit lauter Stimme den Völkern den Entschluß seines Bruders Paris. Seine Rede beantwortete ein tiefes Stillschweigen. Endlich nahm Menelaos vor den Heeren das Wort: »Hört mich an«, rief er, »mich, auf dessen Seele der allgemeine Kummer am schwersten lastet! Endlich, hoffe ich, werdet ihr, Argiver und Trojaner, nachdem ihr um des Streites willen, den Paris angefacht, so viel Schlimmes erduldet habt, versöhnt voneinander scheiden! Einer von uns zweien, welchen auch das Schicksal auserkoren hat, soll sterben; ihr andern aber sollt in Frieden scheiden. Laßt uns opfern und schwören, alsdann mag der Zweikampf beginnen!«

Beide Heere wurden froh über diesen Worten; denn sie sehnten sich nach einem Ende des unseligen Kriegs. Auf beiden Seiten zogen die Wagenlenker den Rossen die Zügel an, die Helden sprangen von den Streitwagen, zogen die Rüstungen aus und legten sie, Feinde ganz nahe an Feinden, auf die Erde nieder. Hektor sandte eilig zween Herolde nach Troja, die Opferlämmer zu bringen und den König Priamos herbeizurufen, auch der König Agamemnon schickte den Herold Talthybios zu den Schiffen, ein Lamm zu holen. Die Götterbotin Iris aber, in Priamos‘ Tochter Laodike umgestaltet, eilte, die Botschaft der Fürstin Helena in die Stadt zu bringen. Sie fand sie am Webestuhl, ein köstliches Gewand mit den Kämpfen der Trojaner und Griechen durchwirkend, die Augen auf ihre Arbeit geheftet. »Komm doch heraus, trautes Kind«, rief sie ihr zu, »du sollst etwas Seltsames schauen! Die Trojaner und Griechen, die noch eben voll Ingrimms zur Feldschlacht gegeneinander anrückten, ruhen stillschweigend, auf die Schilde hingelehnt, die Speere in den Boden gesteckt, einander gegenüber; aber Krieg ist beendigt; nur deine Gatten Alexander und Menelaos werden mit der Lanze um dich kämpfen: und wer seinen Gegner besiegt, trägt dich als Gemahlin davon!«

So sprach die Göttin und erfüllte das Herz Helenas mit Sehnsucht nach ihrem Jugendgemahl Menelaos, nach der Heimat und nach den Freunden. Sie hüllte sich schnell in einen silberweißen Schleier, in welchen sie die Träne verbarg, die ihr an den Wimpern hing, und eilte, von Aithra und Klymene, zweien ihrer Dienerinnen, gefolgt, nach dem Skäischen Tore. Hier saß auf den Zinnen König Priamos mit den ältesten und verständigsten Greisen des trojanischen Volkes, Panthoos, Thymötes, Lampos, Klytios, Hiketaon, Antenor und Ukalegon; die beiden letztern waren die verständigsten Männer von Troja; sie alle ruhten zwar in ihrem hohen Alter vom Kriege aus, in der Ratsversammlung aber war ihr Wort das tüchtigste. Als diese von der Höhe des Turmes Helena herankommen sahen, flüsterten die Greise, die Gestalt der Fürstin bestaunend, einander leise zu: »Fürwahr, niemand soll Trojaner und Griechen tadeln, daß sie für ein solches Weib so lange im Elend ausharren. Gleicht sie doch einer unsterblichen Göttin an Herrlichkeit! Aber auch mit solcher Gestalt mag sie immerhin auf den Schiffen der Danaer heimkehren, damit uns und unsern Söhnen nicht der Schaden zurückbleibe!« Priamos aber rief Helena liebreich herbei: »Komm näher heran«, sprach er, »mein Töchterchen, setze dich zu mir her, ich will dir deinen ersten Gemahl, deine Freunde und deine Verwandten zu schauen geben; du bist mir nicht schuld an diesem jammervollen Kriege; die Götter sind es, die ihn mir zugesendet haben. Nenne mir denn jenes gewaltigen Mannes Namen, der dort so groß und herrlich über alle Danaer hervorprangt; an Haupt überragen ihn zwar hier und da noch größere Männer in dem Heere, aber von so königlicher Gestalt habe ich doch noch keinen unter ihnen gesehen.«

Ehrfurchtsvoll entgegnete Helena dem Könige: »Teurer Schwiegervater, Scheu und Furcht bewegen mich, indem ich dir nahe. Mir wäre der bitterste Tod besser gewesen, als daß ich, Heimat, Tochter und Freunde verlassend, deinem Sohne hierher gefolgt bin. In Tränen möchte ich zerfließen, daß es geschah! Nun aber höre: der dort, nach dem du fragst, ist Agamemnon, der trefflichste König und ein tapferer Krieger; er war, ach, er war dereinst mein Schwager!« »Glücklicher Atride«, rief Priamos aus, den Helden sich betrachtend, »Gesegneter, dessen Zepter zahllose Griechen gehorchen! Auch ich stand einst in männlicher Jugend an der Spitze eines großen Heeres, als wir die Horde der Amazonen von Phrygien abwehrten; doch war mein Heer nicht so groß wie das deinige!« Dann fragte der Greis von neuem: »Nenne mir nun auch noch jenen, Töchterchen; er ragt nicht so hoch empor wie der Atride, aber seine Brust ist breiter, seine Schultern sind mächtiger; seine Wehr liegt zu Boden gestreckt; er selbst umwandelt die Reihen der Männer wie ein Widder die Schafe.« »Das ist der Sohn des Laërtes«, antwortete Helena, »der schlaue Odysseus; Ithaka, die felsige Insel, ist seine Heimat.« Jetzt mischte sich auch der Greis Antenor ins Gespräch: »Du hast recht, Fürstin«, sagte er, »ihn und Menelaos kenne ich gut; habe ich sie doch in meinem Haus als Gesandte einst beherbergt. Im Stehen überragte Menelaos den Helden Odysseus; wenn sie sich aber beide gesetzt, erschien Odysseus als der Herrlichere. Auch redete Menelaos wenig, lauter hingeworfene inhaltsreiche Worte. Odysseus aber, wenn er reden wollte, stand da, die Augen zur Erde geheftet, den Stab unbeweglich in der Hand, anzusehen wie ein Verlegener; man wußte nicht, ist er tückisch oder dumm. Sandte er aber einmal die gewaltige Stimme aus der Brust, dann drängten sich seine Worte wie Schneeflocken im Winter, und kein Sterblicher konnte sich mit Odysseus an Beredsamkeit messen.«

Priamos hatte sich indessen noch weiter umgeschaut. »Wer ist denn der Riese dort«, rief er, »der so gar groß und gewaltig über alles Volk hervorragt?« »Das ist der Held Ajax«, antwortete Helena, »die Stütze der Argiver; und weiter drüben steht wie ein Gott unter seinen Kretern Idomeneus. Ich kenne ihn wohl; Menelaos hat ihn oft in unserer Wohnung beherbergt. Und ach, nun erkenne ich einen um den andern, die freudigen Krieger aus meiner Heimat; hätten wir Muße, so wollte ich dir sie alle mit Namen nennen! Nur meine leiblichen Brüder Kastor und Pollux sehe ich nicht. Sind sie wohl nicht mit hierhergekommen? Oder scheuen sie sich, in der Schlacht zu erscheinen, weil sie sich ihrer Schwester schämen?« Über diesem Gedanken verstummte Helena; sie wußte nicht, daß ihre Brüder schon lange von der Erde verschwunden waren.

Während diese sich so unterredeten, trugen die Herolde die Bundesopfer durch die Stadt, welche aus zwei Lämmern und aus einheimischem Weine zum Trankopfer, der in einen bocksledernen Schlauch gefüllt war, bestanden. Der Herold Idaios folgte mit einem blinkenden Krug und goldenen Becher. Als sie durchs Skäische Tor kamen, nahte dieser dem Könige Priamos und sprach zu ihm: »Mach dich auf, König; beide, die Fürsten der Trojaner und der Griechen, rufen dich hinab ins Gefilde, damit du dort einen heiligen Vertrag beschwörest. Dein Sohn Paris und Menelaos werden allein um das Weib mit dem Speere kämpfen: wer im Kampfe siegt, dem folgt sie mitsamt den Schätzen. Alsdann schiffen die Danaer nach Griechenland zurück.« Der König stutzte, doch befahl er seinen Gefährten, die Rosse anzuschirren, und mit ihm bestieg Antenor den Wagensitz. Priamos ergriff die Zügel, und bald flogen die Rosse durchs Skäische Tor hinaus aufs Blachfeld. Zwischen den beiden Völkern angekommen, verließ der König mit seinem Begleiter den Wagen und stellte sich in die Mitte. Aus dem griechischen Heere eilten jetzt Agamemnon und Odysseus herbei. Die Herolde führten die Bundesopfer heran, mischten den Wein im Kruge und besprengten die beiden Könige mit dem Weihwasser. Dann zog der Atride das Opfermesser, das ihm immer neben der großen Scheide seines Schwertes herabhing, schnitt den Lämmern, wie bei Opfern gebräuchlich, das Stirnhaar ab und rief den Göttervater zum Zeugen des Bündnisses. Dann durchstach er den Lämmern die Kehlen und legte die geopferten in den Staub nieder; die Herolde gossen unter Gebet den Wein aus goldnen Bechern, und alles Volk von Griechenland und Troja flehte dazu laut: »Zeus und ihr unsterblichen Götter alle! Welche von uns zuerst den Eidschwur brechen, deren Gehirn fließe auf den Boden wie dieser Wein, ihres und ihrer Kinder!«

Priamos aber sprach: »Jetzt, ihr Trojaner und Griechen, laßt mich wieder zu Ilions hoher Burg zurückkehren; denn ich kann es unmöglich mit eigenen Augen ansehen, wie mein Sohn hier auf Leben und Tod mit dem Fürsten Menelaos kämpft; weiß doch Zeus allein, welchem von beiden der Untergang verhängt ist!« So sprach der Greis, ließ die Opferlämmer in den Wagen legen, bestieg mit seinem Begleiter den Sitz und lenkte die Rosse wieder der Stadt Troja zu.

Hierauf maßen Hektor und Odysseus den Raum des Kampfplatzes und schüttelten in einem ehernen Helm zwei Lose, zu entscheiden, wer zuerst die Lanze auf den Gegner werfen dürfe. Hektor, rückwärts gewandt, schwenkte den Helm: da sprang das Los des Paris heraus. Nun waffneten sich beide Helden und wandelten in Panzer und Helm, die mächtigen Lanzen in der Hand, mit drohendem Blicke in der Mitte der Trojaner und Griechen einher, von beiden Völkern angestaunt. Endlich traten sie einander in dem abgemessenen Kampfraume gegenüber und schwangen zornig ihre Speere. Durch das Los berechtigt, entsandte zuerst Paris den seinigen: der traf dem Menelaos den Schild, aber die Lanzenspitze bog sich am Erze und sank zurück. Dann erhob auch Menelaos seinen Speer und betete dazu mit lauter Stimme: »Zeus, laß mich den strafen, der mich zuerst beleidigt hat; daß man noch unter den späten Enkeln sich scheue, dem Gastfreunde Böses zu tun!« Der entsandte Speer durchschmetterte dem Paris den Schild, durchdrang den Harnisch und durchschnitt ihm den Leibrock an der Weiche; nun riß der Atride sein Schwert aus der Scheide und führte einen Streich auf den Helm des Gegners; aber die Klinge zersprang ihm klirrend. »Grausamer Zeus, was mißgönnst du mir den Sieg?« rief Menelaos, stürmte auf den Feind ein, ergriff ihn am Helm und zog ihn, sich umwendend, der griechischen Schlachtordnung zu; ja er hätte ihn geschleift und der beengende Kehlriemen ihn erwürgt, wenn nicht die Göttin Aphrodite die Not gesehen und den Riemen gesprengt hätte. So blieb dem Menelaos der leere Helm in der Hand; diesen schleuderte der Held den Griechen zu und wollte von neuem auf seinen Gegner eindringen. Den aber hatte Aphrodite in einen schirmenden Nebel gehüllt und plötzlich nach Troja geführt. Hier setzte sie ihn im süß duftenden Gemache nieder, trat dann in Gestalt einer alten spartanischen Spinnerin zu Helena, die auf einem der Türme unter vielen trojanischen Weibern saß. Die Göttin zupfte sie am Gewand und sprach zu ihr: »Komm, Paris ruft dich, er sitzt in der Kammer in reizendem Feierkleide; du solltest glauben, er gehe zum Reigen, und nicht, er komme vom Zweikampf.« Als Helena aufblickte, sah sie Aphrodite in göttlichem Reize vor sich verschwinden. Unbemerkt von den Frauen schlich sie sich davon und eilte nach ihrem Palaste. Dort fand sie im hohen Gemache den Gatten, von Aphrodite geschmückt, in einem Sessel gelagert. Sie setzte sich ihm gegenüber, kehrte die Augen weg und schalt ihren Gemahl: »So kommst du vom Kampfe zurück? Lieber sähe ich dich getötet von dem Gewaltigen, der mein erster Gatte war! Noch kürzlich prahltest du, ihn im Lanzenwurf und im Handgemenge zu besiegen! Geh nun und fordere ihn noch einmal heraus! Doch nein, ich rate dir, bleib in Ruhe, das zweitemal dürfte er dir übler mitspielen!« »Kränke mir das Herz nicht durch deine Schmähungen, Frau«, erwiderte ihr Paris; »wenn Menelaos mich besiegt hat, so geschah es mit Athenes Hilfe. Ein andermal werde ich über ihn siegen; die Götter haben auch uns noch nicht vergessen.« Da wandte Aphrodite Helenas Herz, daß sie den Gatten freundlicher ansah und ihm versöhnt die Lippen zum Kusse reichte. –

Auf dem Kampfplatze durchstürmte Menelaos noch immer wie ein Raubtier das Heer, den verschwundenen Paris ausspähend: aber weder ein Trojaner noch ein Grieche konnte ihm den Fürsten zeigen, und doch hätten sie ihn gewiß nicht verhehlt, denn er war beiden zuwider wie der Tod. Endlich erhob Agamemnon seine Stimme und sprach: »Höret mein Wort, ihr Dardaner und Griechen! Menelaos ist der offenbare Sieger. So gehet uns denn jetzt Helena samt den Schätzen zurück und bezahlet uns für alle Folgezeit einen Tribut!« Die Argiver nahmen diesen Vorschlag mit Jubel auf, die Trojaner schwiegen.

Odysseus verabschiedet sich von den Phäaken



Odysseus verabschiedet sich von den Phäaken

Odysseus hatte geschlossen und ruhte von seiner langen Erzählung aus. Die Phäaken, die mit Entzücken zugehört, waren alle noch in seine Rede versunken und schwiegen auch. Endlich brach Alkinoos das Stillschweigen und sprach: »Heil dir, edelster der Gäste, den mein Königshaus jemals aufgenommen hat! Da du in meiner Wohnung eingekehrt bist, so hoffe ich, du werdest nicht mehr vom rechten Wege in die Heimat abirren und bald im Hause deiner Väter alles Elend, das du erduldet hast, vergessen! Höret nun auch ihr, lieben Freunde und beständige Gäste meines Palastes! In einer schönen Lade liegen bereits herrliche Kleidungsstücke für unsern edeln Gast bereit, dazu künstlich gearbeitetes Gold und manches andre Geschenk, das ich und die Fürsten unter euch ihm bestimmt haben. Hierzu füge ein jeder von uns noch einen großen Dreifuß und ein Becken. Die Volksversammlung wird uns für diese großen Geschenke, die freilich dem einzelnen schwerfallen würden, genügend entschädigen!«

Allen gefiel diese Rede, und die Versammlung der Gäste wurde aufgehoben. Am andern Morgen brachten die Phäaken sämtliche Erzgeschenke auf das Schiff, und Alkinoos selbst stellte sie sorgfältig unter die Bänke, damit die Ruderer nicht dadurch gehindert würden. Hierauf kehrten die Freunde miteinander in den Palast des Königes zurück, und dort wurde das Abschiedsmahl gerüstet. Nach dem Opfer, das Zeus von dem geschlachteten Rinde dargebracht wurde, begann der Festschmaus, und der von allem Volk hochgeehrte blinde Sänger Demodokos sang herrliche Lieder dazu.

Odysseus aber war mit seiner Seele nicht gegenwärtig. Oft schaute er durch die Fenster des Saales nach dem Stand der Sonne und wünschte sehnlich ihren Untergang, so sehnlich, wie einen Bauern, der den ganzen Tag über den Pflug durch seinen Acker gelenkt hat, nach der Abendkost verlangt. Und endlich sprach er ohne Scheu zu seinem königlichen Wirt: »Gepriesener Held Alkinoos, geuß das Trankopfer aus und entlasse mich! Du hast ja schon getan, was meines Herzens Wunsch ist. Die Geschenke liegen auf meinem Schiffe, die Fahrt ist bereit. Mögen die Himmlischen dich segnen; möge ich mein Weib untadelhaft zu Hause finden und Kind, Verwandte und Freunde wohlbehalten!«

In seinen Wunsch stimmten alle Phäaken laut und von Herzen ein. Alkinoos befahl dem Herolde Pontonoos, allen Gästen umher die Becher noch einmal zu füllen. Nun stand jeder von seinem Sitze auf, und wie auf einen Wink brachten sie das Trankopfer für ihres Gastes glückselige Rückkehr den olympischen Göttern dar. Da erhub sich Odysseus, reichte seinen Becher der Königin Arete und sprach: »Lebe wohl für immer, hohe Königin, bis dich Alter und Tod, die allen Menschen bevorstehen, langsam beschleichen! Ich kehre jetzt heim. Freue du dich zu Hause deiner Kinder, deines Volks und deines edeln Gemahls!«

So sprach Odysseus und verließ die Schwelle des Palastes. Auf des Königes Befehl, der ihm scheidend die Hand mit herzlichem Drucke gereicht, geleitete ihn ein Herold und auf Aretes Geheiß drei Dienerinnen bis ans Schiff. Die eine trug die schönen Gewande, Mantel und Leibrock, die andere die verschlossene Lade, die dritte Speise und Wein. Alles wurde wohl im Schiffe geborgen. Auf dem Verdeck aber wurde ein zottiges Fell und Leinwand darüber ausgebreitet. Da stieg Odysseus schweigend ein und legte sich darauf zum Schlummer nieder. Die Ruderer setzten sich auf die Bänke. Das Schiff ward losgebunden und wogte fröhlich unter dem Schlage der Ruder dahin.

Ödipus auf Kolonos



Ödipus auf Kolonos

Nach langer Wanderung, bald durch bewohntes, bald durch wüstes Land, waren die beiden eines Abends in einer sehr milden Gegend bei einem anmutigen Dorfe mitten im lieblichsten Haine angekommen. Nachtigallen flatterten durch das Gebüsch und sangen mit süßem Schall; Rebenblüte duftete; mit Oliven- und Lorbeerbäumen waren die rauhen Felsstücke, welche die Gegend viel mehr schmückten als entstellten, überkleidet. Der blinde Ödipus selbst hatte durch seine übrigen Sinne eine Empfindung von der Anmut des Ortes und schloß aus der Schilderung seiner Tochter, daß derselbe ein geheiligter sein müsse. Aus der Ferne stiegen die Türme einer Stadt auf, und ihre Erkundigungen hatten Antigone belehrt, daß sie sich in der Nähe von Athen befänden. Ödipus hatte sich, von dem Wege des Tages müde, auf ein Felsstück gesetzt. Ein Bewohner des Dorfes, der vorüberging, hieß ihn jedoch bald diesen Sitz verlassen, weil der Boden geheiligt sei und keinen Fußtritt dulde. Da erfuhren denn die Wanderer bald, daß sie sich im Flecken Kolonos und auf dem Gebiet und in dem Haine der alleserspähenden Eumeniden niedergelassen, unter welchem Namen die Athener hier die Erinnyen verehrten.

Nun erkannte Ödipus, daß er am Ziele seiner Wanderung angekommen und der friedlichen Lösung seines feindseligen Geschickes nahe sei. Seine Worte machten den Koloneer nachdenklich, und er wagte es jetzt schon nicht mehr, den Fremdling von seinem Sitz zu vertreiben, ehe er den König von dem Vorfall unterrichtet hätte. »Wer gebietet denn in eurem Lande?« fragte Ödipus, dem in seinem langen Elende die Geschichten und Verhältnisse der Welt fremd geworden waren. »Kennst du den gewaltigen und edlen Helden Theseus nicht?« fragte der Dorfbewohner, »ist doch die ganze Welt voll von seinem Ruhme!« »Nun, ist euer Herrscher so hochgesinnt«, erwiderte Ödipus, »so werde du mein Bote zu ihm und bitte ihn, nach dieser Stelle zu kommen; für so kleine Gunst verspreche ich ihm großen Lohn.« »Welche Wohltat könnte unsrem König ein blinder Mann reichen?« sagte der Bauer und warf einen lächelnden, mitleidigen Blick auf den Fremdling. »Doch«, setzte er hinzu, »wäre nicht deine Blindheit, Mann, du hättest ein edles, hohes Aussehen, das mich zwingt, dich zu ehren. Darum will ich dein Verlangen erfüllen und meinen Mitbürgern und dem Könige deine Bitte melden. Bleibe so lange hier sitzen, bis ich deinen Auftrag ausgerichtet habe. Jene mögen dann entscheiden, ob du hier verweilen kannst oder gleich wieder weiterwandern sollst.«

Als sich Ödipus mit seiner Tochter wieder allein sah, erhub er sich von seinem Sitze, warf sich zu Boden und ergoß sein Herz in einem brünstigen Gebete zu den Eumeniden, den furchtbaren Töchtern des Dunkels, und der Mutter Erde, die eine so liebliche Wohnung in diesem Haine aufgeschlagen. »Ihr Grauenvollen und doch Gnädigen«, sprach er, »zeiget mir jetzt nach dem Ausspruche Apollos die Entwicklung meines Lebens, wenn anders ich in meinem mühseligen Dasein nicht immer noch zuwenig erduldet habe! Erbarmet euch, ihr Kinder der Nacht; erbarme dich, ehrenwerte Stadt Athenes, über das Schattenbild des Königs Ödipus, der vor euch steht, denn er selbst ist es nicht mehr!« Sie blieben nicht lange allein. Die Kunde, daß ein blinder Mann von Ehrfurcht gebietendem Aussehen sich in dem Furienhaine gelagert, den zu betreten Sterblichen sonst nicht vergönnt ist, hatte bald die Ältesten des Dorfes, welche die Entweihung zu hindern gekommen waren, um ihn versammelt. Noch größerer Schrecken ergriff sie, als der Blinde sich ihnen als einen vom Schicksale verfolgten Mann zu erkennen gab. Sie fürchteten, den Zorn der Gottheit auf sich zu laden, wenn sie einen vom Himmel Gezeichneten länger an diesem heiligen Orte duldeten, und befahlen ihm, auf der Stelle ihre Landschaft zu verlassen. Ödipus bat sie inständig, ihn von dem Ziele seiner Wanderschaft, das ihm die Stimme der Gottheit selbst angewiesen habe, nicht zu verstoßen; Antigone vereinigte ihre Flehen mit dem seinen. »Wenn ihr euch der grauen Haare meines Vaters nicht erbarmen wollet«, sprach die Jungfrau, »so nehmet ihn doch um meiner, der Verlassenen, willen auf; denn auf mir lastet ja keine Schuld. Eilet, bewilliget uns eure Gunst unverhofft!« Während sie solche Zwiesprache pflegten und die Einwohner zwischen Mitleid und Furcht von den Erinnyen in ihrem Entschlusse zweifelhaft hin und her schwankten, sah Antigone ein Mädchen, auf einem kleinen Rosse sitzend, das Angesicht mit einem Reisehut vor der Sonne geschützt, heraneilen. Ein Diener, gleichfalls zu Rosse, folgte ihr. »Es ist meine Ismene«, sagte sie in freudigem Schrecken, »schon glänzt mir ihr liebes, helles Auge! Gewiß bringt sie uns neue Kunde aus der Heimat!« Bald war die Jungfrau, das jüngste Kind des verstoßenen Königs, bei ihnen angelangt und vom Saumrosse gesprungen. Mit einem einzigen Knechte, den sie allein treu befunden, hatte sie sich von Theben aufgemacht, um dem Vater Nachricht von dem Stande der dortigen Angelegenheiten zu bringen. Dort waren seine Söhne von großer, selbstverschuldeter Not bedrängt. Anfangs hatten sie die Absicht, ihrem Oheime Kreon den Thron ganz zu überlassen; denn der Fluch ihres Stammes schwebte ihnen drohend vor Augen. Allmählich aber, je mehr ihres Vaters Bild in die Ferne trat, verlor sich diese Regung; das Verlangen nach Herrschaft und Königswürde und mit ihm die Zwietracht erwachte bei ihnen. Polyneikes, der das Recht der Erstgeburt auf seiner Seite hatte, setzte sich zuerst auf den Thron. Aber Eteokles, der jüngere, nicht zufrieden, abwechslungsweise mit ihm zu herrschen, wie der Bruder vorschlug, verführte das Volk und stieß den älteren Bruder aus dem Lande fort. Dieser, so ging in Theben das Gerücht, war nach Argos im Peloponnes entflohen, wurde dort der Schwiegersohn des Königes Adrastos, verschaffte sich Freunde und Bundesgenossen und bedrohte seine Vaterstadt mit Eroberung und Rache. Zugleich aber war ein neuer Götterspruch ruchbar geworden, welcher dahin lautete, daß die Söhne des Ödipus ohne ihn selbst nichts vermögen; daß sie ihn suchen müßten, tot oder lebendig, wenn ihr eigenes Heil ihnen lieb wäre.

Dies waren die Nachrichten, welche Ismene ihrem Vater brachte. Die Koloneer horchten staunend, und Ödipus hub sich hoch empor von seinem Sitze: »Also steht es mit mir«, sprach er, und königliche Hoheit strahlte von dem blinden Angesichte; »bei dem Verbannten, bei dem Bettler sucht man Hilfe? Nun, da ich nichts bin, werde ich erst ein rechter Mann?« »So ist es«, fuhr Ismene in ihren Nachrichten fort. »Auch wisse, Vater, daß eben deswegen unser Oheim Kreon in ganz kurzer Zeit hierherkommen wird und daß ich mich sehr beeilt habe, ihm zuvorzukommen. Denn er will dich überreden oder fangen, wegführen und an die Grenzen des thebanischen Gebietes stellen, damit der Orakelspruch sich zu seinen und unsers Bruders Eteokles Gunsten erfülle und deine Gegenwart die Stadt doch nicht entweihe.« »Von wem weißt du alles dieses?« fragte der Vater. »Von Opferpilgern, die nach Delphi ziehen.« »Und wenn ich dort sterbe«, fragte Ödipus weiter, »werden sie mich in thebischer Erde begraben?« »Nein«, erwiderte die Jungfrau, »das duldet deine Blutschuld nicht.« »Nun«, rief der alte König entrüstet, »so sollen sie auch meiner niemals mächtig werden! Wenn bei meinen beiden Söhnen die Herrschsucht stärker ist als die kindliche Liebe, so soll ihnen auch der Himmel nie ihre verhängnisvolle Zwietracht löschen; und wenn auf mir die Entscheidung ihres Streites beruht, so soll weder der, welcher jetzt den Zepter in Händen hat, auf dem Throne sitzen bleiben noch der Verjagte je sein Vaterland wiedersehen! Nur diese Töchter sind meine wahren Kinder! In ihnen ersterbe meine Schuld, für sie erflehe ich den Segen des Himmels, für sie bitte ich euch um euren Schutz, mitleidige Freunde! Gewähret ihnen und mir euren tätigen Beistand; und ihr erwerbet dadurch eurer Stadt eine mächtige Brustwehr!«

Ödipus in Theben, heiratet seine Mutter



Ödipus in Theben, heiratet seine Mutter

Nicht lange Zeit, nachdem dieses geschehen, war vor den Toren der Stadt Theben in Böotien die Sphinx erschienen, ein geflügeltes Ungeheuer, vorn wie eine Jungfrau, hinten wie ein Löwe gestaltet. Sie war eine Tochter des Typhon und der Echidna, der schlangengestalteten Nymphe, der fruchtbaren Mutter vieler Ungeheuer, und eine Schwester des Höllenhundes Kerberos, der Hyder von Lerna und der feuerspeienden Chimära. Dieses Ungeheuer hatte sich auf einen Felsen gelagert und legte dort den Bewohnern von Theben allerlei Rätsel vor, die sie von den Musen erlernt hatte. Erfolgte die Auflösung nicht, so ergriff sie denjenigen, der es übernommen hatte, das Rätsel zu lösen, zerriß ihn und fraß ihn auf. Dieser Jammer kam über die Stadt, als sie eben um ihren König trauerte, der – niemand wußte, von wem – auf einer Reise erschlagen worden war und an dessen Stelle Kreon, Bruder der Königin Iokaste, die Zügel der Herrschaft ergriffen hatte. Zuletzt kam es, daß dieses Kreon eigener Sohn, dem die Sphinx auch ein Rätsel aufgegeben und der es nicht gelöst hatte, ergriffen und verschlungen worden war. Diese Not bewog den Fürsten Kreon, öffentlich bekanntzumachen, daß demjenigen, der die Stadt von der Würgerin befreien würde, das Reich und seine Schwester Iokaste als Gemahlin zuteil werden sollte. Eben als jene Bekanntmachung öffentlich verkündigt wurde, betrat Ödipus an seinem Wanderstabe die Stadt Theben. Die Gefahr wie ihr Preis reizten ihn, zumal da er das Leben wegen der drohenden Weissagung, die über ihm schwebte, nicht hoch anschlug. Er begab sich daher nach dem Felsen, auf dem die Sphinx ihren Sitz genommen hatte, und ließ sich von ihr ein Rätsel vorlegen. Das Ungeheuer gedachte dem kühnen Fremdling ein recht unauflösliches aufzugeben, und ihr Spruch lautete also: »Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein mit der Zahl seiner Füße; aber eben wenn es die meisten Füße bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit seiner Glieder ihm am geringsten.« Ödipus lächelte, als er das Rätsel vernahm, das ihm selbst gar nicht schwierig erschien. »Dein Rätsel ist der Mensch«, sagte er, »der am Morgen seines Lebens, solang er ein schwaches und kraftloses Kind ist, auf seinen zween Füßen und seinen zwo Händen geht; ist er erstarkt, so geht er am Mittage seines Lebens nur auf den zween Füßen; ist er endlich am Lebensabend als ein Greis angekommen und der Stütze bedürftig geworden, so nimmt er den Stab als dritten Fuß zu Hilfe.« Das Rätsel war glücklich gelöst, und aus Scham und Verzweiflung stürzte sich die Sphinx selbst vom Felsen und zu Tode. Ödipus trug zum Lohne das Königreich von Theben und die Hand der Witwe, welche seine eigene Mutter war, davon. Iokaste gebar ihm nach und nach vier Kinder, zuerst die männlichen Zwillinge Eteokles und Polyneikes, dann zwei Töchter, die ältere Antigone, die jüngere Ismene. Aber diese vier waren zugleich seine Kinder und seine Geschwister.

Ödipus und Antigone



Ödipus und Antigone

In der ersten Stunde der Entdeckung wäre der schnellste Tod dem Ödipus der liebste gewesen, ja er hätte es als eine Wohltat aufgenommen, wenn das Volk sich gegen ihn erhoben und ihn gesteinigt hätte. Und so schien ihm auch die Verbannung, um welche er flehte und welche sein Schwager Kreon ihm bewilligte, als ein Geschenk. Als er aber in seiner Finsternis zu Hause saß und der Zorn allmählich auskochte, da fing er auch an, das Gräßliche zu empfinden, was das Herumirren eines blinden Verbannten in der Fremde mit sich führen mußte. Die Liebe zur Heimat begann mit dem Gefühle wieder zu erwachen, daß er für nicht beabsichtigte und nicht mit Bewußtsein begangene Verbrechen teils durch den Tod Iokastes, teils durch die Blendung, die er an sich selbst vollzogen habe, doch eigentlich genug bestraft sei, und er scheute sich auch nicht, den Wunsch, zu Hause zu bleiben, gegen Kreon und seine eigenen Söhne Eteokles und Polyneikes laut werden zu lassen. Aber da zeigte sich, daß die Rührung des Fürsten Kreon nur eine vorübergehende gewesen und auch seine Söhne eine harte und selbstsüchtige Gemütsart hatten. Kreon nötigte seinen unglücklichen Verwandten, auf seinem ersten Beschlusse zu verharren, und die Söhne, deren erste Pflicht doch war, dem Vater zu helfen, verweigerten ihm ihren Beistand. Ja fast ohne daß ein Wort gewechselt wurde, gab man ihm den Bettelstab in die Hand und stieß ihn zum Königspalaste von Theben hinaus. Nur seine Töchter fühlten kindliches Erbarmen mit dem Verstoßenen. Die jüngere Tochter Ismene blieb im Hause ihrer Brüder zurück, um hier soviel als möglich der Sache des Vaters zu dienen und gleichsam der Anwalt des Entfernten zu sein. Die ältere, Antigone, teilte mit dem Vater die Verbannung und lenkte die Schritte des Blinden. So zog sie mit ihm auf schwerer Irrfahrt herum, schweifte unbeschuht und ohne Speise mit ihm durch die wilden Wälder; Sonnenhitze und Regenguß hielt die zarte Jungfrau mit dem Vater aus, und während sie zu Hause bei den Brüdern die beste Pflege genießen konnte, war sie im Elende zufrieden, wenn nur der Vater satt wurde. Sein Wille war anfangs gewesen, in einer Wüstenei des Berges Kithairon das elende Leben zu fristen oder zu endigen. Doch weil er ein frommer Mann war, wollte er auch diesen Schritt nicht ohne den Willen der Götter tun, und so pilgerte er vorher zum Orakel des pythischen Apollo. Hier ward ihm ein tröstlicher Spruch zuteil. Die Götter erkannten, daß Ödipus wider seinen Willen sich gegen die Natur und die heiligsten Gesetze der Menschengesellschaft versündigt hatte. Gebüßt mußte ein so schweres Vergehen freilich werden, wenn es auch unfreiwillig war; aber ewig sollte die Strafe nicht währen. Darum eröffnete ihm der Gott: »Nach langer Frist zwar, aber endlich doch harre seiner die Erlösung, wenn er zu dem ihm vom Schicksale bestimmten Lande gelangt wäre, wo die ehrwürdigen Göttinnen, die strengen Eumeniden, ihm eine Zufluchtsstätte gönnten.« Nun war aber der Name Eumeniden, die Wohlwollenden, ein Beiname der Erinnyen oder Furien, der Göttinnen der Rache, welche die Sterblichen mit einem so begütigenden Namen ehren und besänftigen wollten. Der Orakelspruch lautete rätselhaft und schauerlich. Bei den Furien sollte Ödipus für seine Sünden gegen die Natur Ruhe und Erlösung von seiner Strafe finden! Dennoch vertraute er auf die Verheißung des Gottes und zog, dem Schicksal überlassend, wann die Erfüllung eintreten sollte, in Griechenland herum, von seiner frommen Tochter geleitet und gepflegt und vom Almosen mitleidiger Menschen erhalten. Immer bat er nur um weniges und erhielt auch nur weniges. Aber er begnügte sich damit jedesmal; denn die lange Dauer seiner Verbannung, die Not und seine eigene edle Sinnesart lehrten ihn Genügsamkeit.

Ödipus und Kreon



Ödipus und Kreon

Bald darauf drang der König Kreon von Theben mit Bewaffneten in Kolonos ein und eilte auf Ödipus zu. »Ihr seid von meinem Eintritt ins attische Gebiet überrascht«, sprach er zu den noch immer versammelten Dorfbewohnern gewendet; »doch sorget und zürnet nicht! Ich bin nicht so jung, im Übermute gegen die stärkste Stadt Griechenlands einen Kampf zu unternehmen. Ich bin ein Greis, den seine Mitbürger nur abgesandt haben, diesen Mann hier durch gütliche Überredung zu bewegen, mit mir nach Theben zurückzukehren.« Dann kehrte er sich zu Ödipus und drückte in den ausgesuchtesten Worten eine erheuchelte Teilnahme an seinem und seiner Töchter Elend aus. Aber Ödipus erhob seinen Stab und streckte ihn aus, zum Zeichen, daß Kreon ihm nicht näher kommen sollte. »Schamlosester Betrüger«, rief er, »das fehlte noch zu meiner Pein, daß du kämest und mich gefangen mit dir fortführtest! Hoffe nicht, durch mich deine Stadt von der Züchtigung zu befreien, die ihr bevorsteht. Nicht ich werde zu euch kommen, sondern nur den Dämon der Rache werde ich euch senden, und meine beiden lieblosen Söhne sollen nur so viel von thebanischem Boden besitzen, als sie brauchen, um sterbend darauf zu liegen!« Kreon wollte nun versuchen, den blinden König mit Gewalt hinwegzuführen; aber die Bürger von Kolonos erhoben sich dagegen, stützten sich auf Theseus‘ Wort und duldeten es nicht. Inzwischen hatten in dem Getümmel auf einen Wink ihres Herrn die Thebaner Ismene und Antigone ergriffen und von der Seite ihres Vaters weggerissen. Diese schleppten sie fort und trieben den Widerstand der Koloneer ab. Kreon aber sprach höhnend: »Deine Stäbe wenigstens habe ich dir entrissen. Versuch es jetzt, Blinder, und wandre weiter!« Und durch diesen Erfolg kühner gemacht, ging er aufs neue auf Ödipus los und legte schon Hand an ihn, als Theseus, den die Nachricht vom bewaffneten Einfalle in Kolonos zurückgerufen hatte, auftrat. Sobald dieser hörte und sah, was geschehen und noch im Werke sei, entsandte er Diener zu Fuß und zu Rosse auf der Straße hin, auf der die Töchter von den Thebanern als Raub fortgeführt wurden; dem Kreon aber erklärte er, ihn nicht eher freilassen zu wollen, als bis er dem Ödipus die Töchter zurückgegeben. »Sohn des Aigeus«, hub dieser beschämt an, »ich bin wahrlich nicht gekommen, dich und deine Stadt zu bekriegen. Wußte ich doch nicht, daß deine Mitbürger ein solcher Eifer für diesen meinen blinden Verwandten, dem ich Gutes tun wollte, befallen habe, daß sie den Vatermörder, den Gatten seiner Mutter, lieber bei sich hegen würden als ihn in sein Vaterland entlassen!« Theseus befahl ihm zu schweigen, ohne Verzug mit ihm zu gehen und den Aufenthalt der Jungfrauen anzugeben; und in kurzem führte er die geretteten Töchter dem tiefgerührten Ödipus in die Arme. Kreon und die Diener waren abgezogen.

Ödipus und Polyneikes



Ödipus und Polyneikes

Aber noch sollte der arme Ödipus keine Ruhe haben. Theseus brachte von dem kurzen Zuge die Nachricht mit, daß ein naher Blutsverwandter desselben, jedoch nicht aus Theben kommend, Kolonos betreten und sich an dem Altar des benachbarten Poseidontempels, wo Theseus eben geopfert hatte, als Schutzflehender niedergelassen habe. »Das ist mein hassenswerter Sohn Polyneikes«, rief Ödipus zürnend aus. »Es wäre mir unerträglich, ihn anhören zu müssen!« Doch Antigone, die diesen Bruder als den sanfteren und besseren liebte, wußte die Zornaufwallung des Vaters zu dämpfen und dem Unglücklichen wenigstens Gehör zu verschaffen. Nachdem sich Ödipus auch gegen diesen den Arm seines Beschützers ausgebeten hatte, falls er ihn mit Gewalt hinwegführen wollte, ließ er den Sohn vor sich.

Polyneikes zeigte schon durch sein Auftreten eine ganz andere Gemütsart als sein Oheim Kreon, und Antigone versäumte nicht, ihren blinden Vater darauf aufmerksam zu machen. »Ich sehe jenen Fremdling«, rief sie, »ohne Begleiter herschreiten! Ihm strömen die Tränen aus den Augen.« »Ist er es?« fragte Ödipus und wendete sein Haupt ab. »Ja, Vater«, erwiderte die gute Schwester, »dein Sohn Polyneikes steht vor dir.« Polyneikes warf sich vor dem Vater nieder und umschlang seine Knie. An ihm hinaufblickend, betrachtete er jammernd seine Bettlerkleidung, seine hohlen Augen, sein ungekämmt in der Luft flatterndes Greisenhaar. »Ach, zu spät erfahre ich alles dieses«, rief er, »ja ich selbst muß es bezeugen, ich habe meines Vaters vergessen! Was wäre er ohne die Fürsorge meiner Schwester! Ich habe mich schwer an dir versündigt, Vater! Kannst du mir nicht vergeben? Du schweigst? Sprich doch etwas, Vater! Zürne nicht so unerbittlich hinweggewandt! O ihr lieben Schwestern, versucht ihr es, den abgekehrten Mund meines Erzeugers zu rühren!« »Sage du selbst zuvor, Bruder, was dich hergeführt hat«, sprach die milde Antigone; »vielleicht öffnet deine Rede auch seine Lippen!« Polyneikes erzählte nun seine Verjagung durch den Bruder, seine Aufnahme beim König Adrastos in Argos, der ihm die Tochter zur Gemahlin gab, und wie er dort sieben Fürsten mit siebenfacher Schar für seine gerechte Sache geworben habe und diese Bundesgenossen das thebanische Gebiet bereits umringt hätten. Dann bat er den Vater unter Tränen, sich mit ihm aufzumachen, und nachdem durch seine Hilfe der übermütige Bruder gestürzt sei, die Krone von Theben aus Sohnes Händen zum zweitenmal zu empfahen. Doch die Reue des Sohnes vermochte den harten Sinn des gekränkten Vaters nicht zu erweichen. »Du Verruchter!« sprach er und hob den Niedergeworfenen nicht vom Boden auf, »als Thron und Zepter noch in deinem Besitze war, hast du den Vater selbst aus der Heimat verstoßen und in dieses Bettlerkleid eingehüllt, das du jetzt an ihm bemitleidest, wo gleiche Not über dich gekommen ist! Du und dein Bruder, ihr seid nicht meine wahren Kinder; hinge es von euch ab, so wäre ich längst tot. Nur durch meine Töchter lebe ich. Auch harrt euer schon der Götter Rache. Du wirst deine Vaterstadt nicht vertilgen; in deinem Blute wirst du liegen, und dein Bruder in dem seinen. Dies ist die Antwort, die du deinen Bundesfürsten bringen magst!« Antigone nahte sich jetzt ihrem Bruder, der bei dem Fluche des Vaters entsetzt vom Boden aufgesprungen und einige Schritte rückwärts gewichen war. »Höre mein inbrünstiges Flehen, Polyneikes«, sprach sie ihn umfassend, »kehre mit deinem Heere nach Argos zurück, bekriege deine Vaterstadt nicht!« »Es ist unmöglich«, erwiderte zögernd der Bruder; »die Flucht brächte mir Schmach, ja Verderben! Und wenn wir Brüder beide zugrunde gehen müssen, dennoch können wir nicht Freunde sein!« So sprach er, wand sich aus der Schwester Armen und stürzte verzweifelnd davon.

So hatte Ödipus den Versuchungen seiner Verwandten nach beiden Seiten hin widerstanden und sie dem Rachegott preisgegeben. Jetzt war sein eigenes Geschick vollendet. Donnerschlag auf Donnerschlag erscholl vom Himmel. Der Greis verstand diese Stimme und verlangte sehnlich nach Theseus. Die ganze Gegend hüllte sich in Gewitterfinsternis. Eine große Angst bemächtigte sich des blinden Königes; er fürchtete, von seinem Gastfreunde nicht mehr lebend oder nicht mehr unverstörten Sinnes getroffen zu werden und ihm den vollen Dank für so viele Wohltaten nicht mehr bezahlen zu können. Endlich erschien Theseus, und nun sprach Ödipus seinen feierlichen Segen über die Stadt Athen. Dann forderte er den König auf, dem Heroldrufe der Götter zu folgen und ihn allein an die Stelle zu begleiten, wo er, von keiner sterblichen Hand berührt und nur vom Auge des Theseus geschaut, enden sollte. Keinem Menschen dürfe er sagen, wo Ödipus die Erde verlassen. Bleibe das heilige Grab, das ihn verschlingen würde, verborgen, so werde es mehr als Speer und Schild und alle Bundesgenossen eine Schutzwehr gegen alle Feinde Athens sein. Seinen Töchtern und den Bewohnern von Kolonos erlaubte er dann, ihn eine Strecke weit zu begleiten, und so vertiefte sich der ganze Zug in die schauerlichen Schatten des Furienhaines. Keines durfte an Ödipus rühren; er, der Blinde, bisher von der Tochter Hand geleitet, schien auf einmal ein Sehender geworden, ging wunderbar gestärkt und aufgerichtet allen andern voran und zeigte ihnen den Weg zu dem vom Schicksal ihm bestimmten Ziele.

Mitten in dem Haine der Erinnyen sah man einen geborstenen Erdschlund, dessen Öffnung mit einer ehernen Schwelle versehen war und zu welchem mehrere Kreuzwege führten. Von dieser Höhle ging von uralter Zeit her die Sage, daß sie einer der Eingänge in die Unterwelt sei. Jener Kreuzwege einen betrat nun Ödipus, doch ließ er sich von dem Gefolge nicht bis zu der Grotte selbst begleiten, sondern unter einem hohlen Baume machte er halt, setzte sich auf einen Stein nieder und löste den Gürtel seines schmutzigen Bettlerkleides. Dann rief er nach einer Spende fließenden Wassers, wusch sich von aller Unreinigkeit der langen Wanderung und zog ein schmuckes Gewand an, das ihm durch seine Töchter aus einer nahen Wohnung herbeigebracht wurde. Als er nun völlig umgekleidet und wie erneuert dastand, tönte unterirdischer Donner vom Boden herauf. Bebend warfen sich die Jungfrauen, die bisher um ihren Vater bemüht gewesen waren, in seinen Schoß; Ödipus aber schlang seinen Arm um sie, küßte sie und sprach: »Kinder, lebet wohl, von diesem Tag an habt ihr keinen Vater mehr!« Aus dieser Umarmung weckte sie eine donnergleiche Stimme, von der man nicht wußte, ob sie vom Himmel herab- oder aus der Unterwelt herauftönte: »Was säumest du, Ödipus? Was zögern wir zu gehen?« Als der blinde König die Stimme vernahm und wußte, daß der Gott ihn abfordere, machte er sich aus den Armen seiner Kinder los, rief den König Theseus zu sich und legte seiner Töchter Hände in die Hand desselben, zum Zeichen seiner Verpflichtung, sie nimmermehr zu lassen. Dann befahl er allen andern, umgewendet sich zu entfernen. Nur Theseus an seiner Seite durfte auf die offene Schwelle mit ihm zuschreiten. Seine Töchter und das Gefolge waren dem Winke gefolgt und schauten sich erst um, als sie eine gute Strecke rückwärtsgegangen waren. Da hatte sich ein großes Wunder ereignet. Von dem Könige Ödipus war keine Spur mehr zu erblicken. Kein Blitz war zu sehen, kein Donner zu hören, kein Wirbelwind zu spüren; die tiefste Stille herrschte in der Luft. Die dunkle Schwelle der Unterwelt schien sich sanft und lautlos für ihn aufgetan zu haben, und durch den Erdspalt war der entsündigte Greis ohne Stöhnen und Pein sachte wie auf Geisterflügeln zur Tiefe hinabgetragen worden. Den Theseus aber erblickten sie allein, mit der Hand die Augen sich überschattend, als hätte er ein göttliches, überwältigendes Gesicht gehabt. Dann sahen sie, wie er, die Hände hoch gen Himmel gehoben, zu den Olympiern, und wieder, demütig auf den Boden niedergeworfen, zu den Göttern der Unterwelt flehte. Nach kurzem Gebete kehrte der König zu den Jungfrauen zurück, versicherte sie seines väterlichen Schutzes und schritt mit ihnen, in heiliges Schweigen versunken, nach Athen zurück.